Herr der Diebe - Junges Theater Bonn
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Herr der Diebe - Junges Theater Bonn
Das JUNGE THEATER BONN präsentiert: Das Material ist konzipiert... • ...für die Jahrgangsstufen 5 bis 10 • ...für verschiedene Fächer, insbsd. - Deutsch - Sozialkunde - Politik - praktische Philosophie / Ethik - Religion Didaktisches Begleitmaterial für die Behandlung von Herr der Diebe im Unterricht von Reimar Seibert-Kemp Liebe Lehrerinnen, liebe Lehrer, wir freuen uns, Ihnen unsere neue Produktion, die Welturaufführung von Herr der Diebe präsentieren zu kö nnen. Die Proben laufen derzeit auf Hochtouren und wir sind gespannt, was Sie und Ihre Schülerinnen und Schüler zu unserer Inszenierung dieses Erfolgsromans sagen werden. Um Ihnen den Theaterbesuch mit Ihrer Klasse besonders schmackhaft zu machen, bieten wir Ihnen mit dieser Broschüre - wie schon bei Harold & Maude - didaktisches Begleitmaterial zu diesem interessanten Stück an. Der Herr der Diebe, das ist der geheimnisvolle Anführer einer Kinderbande in Venedig, die er mit dem Verkauf der Beute aus seinen Raubzügen über Wasser hält. Keiner kennt seinen Namen, seine Herkunft. Auch nicht Prosper und Bo - zwei Ausreißer aus Deutschland, die auf der Flucht vor ihrer Tante und dem Detektiv Victor Unterschlupf bei der Bande gefunden haben. Als Victor den Kindern tatsächlich auf die Spur kommt, bringt er dadurch alle in Gefahr. Aber endgültig scheint die Gemeinschaft der Bande aufzubrechen, als ein rätselhafter Auftrag, erteilt von dem mysteriö sen Conte, die Kinder auf eine Laguneninsel führt. Diese Insel, von auß en unbewohnt und einsam scheinend, birgt ein Geheimnis, das alles verändert... Cornelia Funke, die schon mit ihrem zum Bestseller gewordenen Titel Drachenreiter zeigte, welch enormes Erzähltalent sie hat, hält ihre Leser - gleich welchen Alters - auch mit diesem Buch von der ersten Zeile an gefangen. Das JTB produziert die Uraufführung von Herr der Diebe als werkstatt-Projekt: Kinder und Jugendliche spielen die Kinder- und Jugendrollen, das ProfiEnsemble spielt die Erwachsenenrollen. Cornelia Funkes Herr der Diebe wird immer häufiger als Lektüre in Klassen der Unter- und Mittelstufe eingesetzt. Die Geschichte selbst weist ein vielseitiges und interessantes Angebot an Themen auf, so dass ein Theaterbesuch sich auch völlig unabhängig von der Lektüre des Romans als Bestandteil einer entsprechenden Unterrichtsreihe in ganz verschiedenen Fächern anbietet. Das Spektrum der Themen reicht von dem Wunsch erwachsen zu sein, über Freundschaft und Vertrauen hin zu Venedig und der Problematik von Straß enkindern. Das didaktische Begleitmaterial regt zur Behandlung von Herr der Diebe insbesondere in den Fächern Deutsch, Sozialkunde, Politik, praktische Philosophie / Ethik und Religion in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 an. Es besteht im Wesentlichen aus verschiedenen Arbeitsblättern, die Sie als Kopiervorlagen verwenden kö nnen. Die Arbeitsaufträge verfolgen einen fächerübergreifenden Ansatz und versuchen, analytisches mit handlungs- sowie erfahrungsorientiertem Arbeiten zu verbinden. Die Arbeitsblätter stellen keine Unterrichtsreihe dar, sondern ein breites Angebot zur eigenen Auswahl. Abgerundet wird das Material durch ein Interview mit der Romanautorin Cornelia Funke. Beigelegt finden Sie einen allgemein gehaltenen Beobachtungsbogen für Theateraufführungen sowie Anregungen für Nachgespräche von Schulklassen mit dem Theaterensemble. Sie finden diese Broschüre auch als pdf-Dokument zum Herunterladen auf unserer Homepage unter www.jt-bonn.de. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns auf dem beiliegenden Fragebogen von Ihrem Theaterbesuch und dem Einsatz des didaktischen Begleitmaterials berichten würden - womit Sie einen weiteren Theaterbesuch für Ihre Schüler gewinnen kö nnen! Wir wünschen Ihnen viel Freude mit Herr der Diebe! Ihr Team vom Jungen Theater Bonn © Junges Theater Bonn und Reimar Seibert-Kemp, 2004 Die Arbeitsblätter dürfen zu Unterrichtszwecken kopiert werden. Herausgeber: Junges Theater Bonn, www.jt-bonn.de Der Autor, Reimar Seibert-Kemp, ist Lehrer am Georg-Büchner-Gymnasium in Kö ln-Weiden und Lehrbeauftragter für Fachdidaktik an der Universität Bonn. Er ist seit einigen Jahren in der Materialentwicklung tätig und erstellt seit 1998 regelmäßig didaktisches Begleitmaterial zu aktuellen Kinofilmen im Auftrag der Stiftung Lesen, seit 2003 auch zu Theaterproduktionen des JTB. Die Zitate aus Herr der Diebe sind entnommen Cornelia Funke, Herr der Diebe (Hamburg: Dressler, 2000) und dem Textbuch Cornelia Funke, Herr der Diebe, für die Bühne bearbeitet von Wolfgang Adenberg (Hamburg: Verlag für Kindertheater, 2004). Das Stück und seine Themen Anfang einer ausführlichen Inhaltsangabe zu Cornelia Funkes Geschichte Herr der Diebe: Im Büro des Detektivs Victor Getz in Venedig taucht ein Ehepaar auf, Esther und Max Hartlieb. Sie sind auf der Suche nach den Kindern von Esthers verstorbener Schwester, dem 12-jährigen Prosper und seinem jüngeren Bruder, dem kleinen Bo. Die Brüder haben sich nach Venedig, in die Stadt der Gondeln geflüchtet, von der die Mutter ihnen immer vorgeschwärmt hat. Die beiden wollen nämlich nicht getrennt werden, aber ihre Tante und ihr Onkel mö chten nur den kleinen niedlichen Bo aufnehmen. Zum Glück sind die beiden Jungen in Venedig auf eine Gruppe von vier Straß enkindern gestoß en, die sich in dem alten, verlassenen Kino "Stella" ein Versteck eingerichtet haben: Scipio, Mosca, Riccio und ein Mädchen, Wespe. Scipio, der "Herr der Diebe", versorgt die Gruppe und bringt immer wieder Diebesgut von seinen Einbrüchen mit, das sie dann an Barbarossa, einen Trö del- und Antiquitätenhändler, verkaufen. Prosper und Bo schlüpfen bei Scipios Gruppe unter... • • • Lest euch den oben abgedruckten Anfang einer Inhaltsangabe zu Herr der Diebe durch. Wenn ihr die Geschichte noch nicht kennt bzw. das Theaterstück noch nicht gesehen habt, sammelt alle gemeinsam Ideen für den möglichen Fortgang der Geschichte. Entscheidet euch in Kleingruppen für einen bestimmten Fortgang und formuliert eine entsprechende Inhaltsangabe. Tragt euch die verschiedenen Versionen anschließ end gegenseitig vor und vergleicht nach dem Theaterbesuch eure Ideen mit dem Fortgang der Geschichte im Theaterstück: Was hat euch an der Geschichte gut gefallen, was findet ihr weniger gelungen? Wenn ihr die Geschichte schon kennt bzw. das Theaterstück schon gesehen habt, führt die Inhaltsangabe fort, mündlich nach Stichworten oder schriftlich ausformuliert. Arbeitet in Zweier- oder Dreiergruppen. Bedient euch dabei nach Bedarf aus der folgenden Liste von wichtigen Begriffen und Namen aus der Geschichte: Verabredung • der Conte (Graf) • Auftrag • Holzflügel • Brieftaube • Villa • Ida Spavento • Dottor Massimo (Scipios Vater) • Polizei • "Sternenversteck" • Streit • "Herr der Lügner" • Übergabe • Falschgeld • Verfolgung • Isola Segreta • Karussell der Barmherzigen Schwestern • Renzo Eltern & Kinder Kindsein & Erwachsensein 'Familienkind' & Waisenkind Phantasie & Realismus • • • Themen von Herr der Diebe Lebensfreude & Unzufriedenheit Jungen & Mädchen Vertrauen & Misstrauen Selbstständigkeit & Abhängigkeit Respekt & Missachtung Verständnis & Ignoranz Einsamkeit & Geborgenheit Angeberei & Selbstbewusstsein Fürsorge & Egoismus Achtung vor Eigentum & Diebstahl Venedig: Zauber & Elend Freundschaft & Rivalität Straßenkinder & Märchenland Ehrlichkeit & Lüge Flucht & Suche Teilt die verschiedenen hier aufgeführten Themen vor eurem Theaterbesuch auf Partnergruppen auf und schaut euch das Stück mit besonderer Aufmerksamkeit für den jeweiligen Themenbereich an. Notiert, sobald es geht (am besten in der Pause und direkt nach dem Besuch), stichwortartig eure Beobachtungen. Gebt auf dieser Grundlage ein Kurzreferat zu eurem Thema in Herr der Diebe: Welche Szenen und welche Figuren sind für eure Thematik besonders wichtig? Welche Aussagen macht das Stück im Hinblick auf euer Thema? (alternativ: Erstellung von kleinen Wandplakaten) Diskutiert anschließ end folgende Fragen: Welche Thematik ist eurer Meinung nach die zentrale Thematik? Wie werden die Themen abgehandelt: ernst, heiter usw.? JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' -3- Wer ist wer? Das Stück Herr der Diebe ist ausgestattet mit einem recht umfangreichen Personal. Da ist es sinnvoll, sich einen Überblick über die Charaktere und ihre Beziehungen zu machen. Die wichtigsten Personen findet ihr in den Kästchen auf dieser Doppelseite. Da ein zentrales Thema der Geschichte der Unterschied zwischen Kindsein und Erwachsensein ist, sind sie hier dementsprechend auf die rechte und linke Seite verteilt. Bei der Bearbeitung der Aufgaben werdet ihr allerdings merken, dass manche der Kinder schon recht erwachsen sind und manche der Erwachsenen sich noch eine gehö rige Portion an Kindlichkeit bewahrt haben... Bonifazius (Bo) (Bonifatius war Erzbischof von Mainz ab 746 n.Chr. und ist der Schutzheilige Deutschlands; der Name heiß t 'gutes Schicksal') Prosper (Prop) (lat. 'prosperus' heiß t 'günstig, glücklich') Scipio (Scip) - Herr der Diebe - KINDER (Der Name Scipio geht u.a. zurück auf den erfolgreichen rö mischen Eroberer und Zerstörer Karthagos, ca. 185-129 v.Chr.) Mosca (ital. 'mosca' heiß t 'Fliege') Riccio (ital. 'riccio' heiß t 'Igel') Wespe (ital. 'vespa' bezeichnet wie dt. 'Wespe' ein Insekt) JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' -4- Victor Getz (lat. 'victor' heiß t 'Sieger') Barbarossa (ital. 'barba rossa' heißt 'roter Bart'; 'Barbarossa' ist der Beiname von Friedrich I, dt. Kaiser im Mittelalter) Dottor Massimo (ital. 'massimo' heiß t 'Größter') ERWACHSENE Esther und Max Hartlieb Ida Spavento (ital. 'spavento' heiß t 'Schrecken, Ungeheuer') • • • Beispiele: Freundschaft Feindschaft Rivalität Bewunderung Markiert mit der Dicke der Linien, wie intensiv das jeweilige Verhältnis ist: z.B. starke Rivalität • • • Versucht, euch zunächst den Charakteren in Herr der Diebe anzunähern, indem ihr euch in den Kästchen Notizen zu den jeweiligen Charakteren macht. Notiert alles, was euch wichtig für die jeweilige Figur erscheint: Alter, familiärer Hintergrund, Hobbys, bedeutsame Handlungen, Verhalten den anderen gegenüber, Stellung in der Gruppe, Aussagen zu den Personen usw. Vergleicht eure Eintragungen. Welche Kinder sind schon recht erwachsen, welche Erwachsenen noch kindlich? Nutzt den Platz zwischen den Kästen für Pfeile und Linien, mit denen ihr die Beziehungen der Figuren zu einander darstellt (siehe Beispiele). Tauscht euch anschließend über eure Eintragungen aus und diskutiert sie. Inwiefern liefern die Bedeutungen der Namen gewisse Hinweise auf die Charakterisierung der Figuren? Scipio ist der 'Herr der Diebe' - mit welchen Titeln ließ en sich die anderen Figuren treffend beschreiben? Tauscht euch abschließ end aus zu der Frage, was jedem von euch persö nlich an den verschiedenen Figuren gefällt bzw. missfällt. Wie hat euch beim Theaterbesuch die Besetzung der Rollen und die schauspielerische Leistung gefallen? Welche Figuren wirkten natürlich und überzeugend, welche weniger? JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' -5- "Ich wünschte, ich wär schon erwachsen" Erwachsene erinnern sich nicht daran, wie es war, ein Kind zu sein. Auch wenn sie es behaupten. Sie wissen es nicht mehr. Glaub mir. Sie haben alles vergessen. Wie viel größer ihnen die Welt damals erschien. Dass es mühsam sein konnte, auf einen Stuhl zu klettern. Wie fühlte es sich an, immer hochzublicken? Vergessen. Sie wissen es nicht mehr. Du wirst es auch vergessen. Manchmal reden die Erwachsenen davon, wie schön es war, ein Kind zu sein. Sie träumen sogar davon, wieder eins zu sein. Aber wovon haben sie geträumt, als sie Kinder waren? Weißt du es? Ich glaube, sie träumten davon, endlich erwachsen zu sein. Cornelia Funke, Herr der Diebe, S. 5 (Motto) Diese Worte hat Cornelia Funke ihrer Geschichte Herr der Diebe als Motto vorangestellt und auch das Theaterstück beginnt mit diesen Worten. Sie handeln von dem Hauptthema der Geschichte, dem Wunsch von Kindern, erwachsen zu sein, und dem Wunsch Erwachsener, wieder ein Kind zu sein. • Experimentiert damit, Cornelia Funkes Worte laut und sinnbetont vorzulesen. Verändert dabei eure Sprechweise, Betonung, Lautstärke usw., um die Wirkung jeweils etwas zu verändern. Sprecht sie alleine oder zu zweit oder dritt satzweise im Wechsel. Probiert einen Echoeffekt aus (indem zwei Personen die Worte zeitlich leicht versetzt sprechen). Übt zunächst in Kleingruppen und tragt euch dann eure Versionen gegenseitig vor und beurteilt die Wirkung. • Was genau sagt Cornelia Funke mit diesen Worten? Kö nnt ihr die Aussage in einem Satz zusammenfassen? • Lest die Zitate aus Cornelia Funkes Roman Herr der Diebe auf der nächsten Seite. Welche gefallen euch besonders gut und warum? Welche Zitate enthalten Gedanken, die euch gut vertraut sind? Welche der Zitate kommen in dem Theaterstück vor? In welchem Zusammenhang stehen sie dort? • Füllt nun die folgende Tabelle aus, indem ihr Vor- und Nachteile des Kindseins sowie des Erwachsenseins stichwortartig notiert. Geht dabei aus von euren Erlebnissen, dem, was ihr von anderen, z.B. euren Eltern, gehö rt habt, und nutzt auch die auf der folgenden Seite abgedruckten Zitate. Diskutiert eure Eintragungen. Kindsein Erwachsensein Vorteile Nachteile • • Welche Vor- und Nachteile kommen im Theaterstück Herr der Diebe vor? In welchen Szenen? Welche Szene des Theaterstücks ist besonders wichtig für diese Thematik? Was kö nnen Erwachsene tun, um Kindern und Jugendlichen ein mö glichst zufriedenes Dasein zu ermö glichen? JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' -6- Kindsein - Erwachsensein: Zitate aus Cornelia Funkes Roman Herr der Diebe: "Wünschst du dir auch manchmal erwachsen zu sein?", fragte er [Prosper] ... Riccio schüttelte verblüfft den Kopf. "Nein, wieso? Ist doch ziemlich praktisch, klein zu sein. Man fällt nicht so auf, man wird schneller satt. Weiß t du, was Scipio immer sagt? ... Kinder sind Raupen und Erwachsene sind Schmetterlinge. Und kein Schmetterling erinnert sich mehr daran, wie es sich anfühlte, eine Raupe zu sein." (S. 55) Scipio konnte es nicht ändern, dass er den Kö rper eines Kindes hatte, aber sich auszudrücken wie ein Erwachsener fiel ihm so leicht, dass es sie immer wieder mit Bewunderung erfüllte. (S. 83) "Ich wünschte, ich wär schon erwachsen", murmelte er [Prosper]. Mit einem tiefen Seufzer lehnte Victor den Kopf gegen die kalte Wand. "Erwachsen, so, so. Herrgott, soll ich dir ein Geheimnis verraten? Ich wundere mich immer noch, wenn ich in den Spiegel schau und mir mein altes Gesicht angucke. Victor, denk ich manchmal, du bist ja schon ganz schö n groß geworden. Als Kind wollte ich auch immer erwachsen sein. Ich habe mir sogar einmal einen Zaubertrank gebraut, aus Rasiercreme, Bier und anderen scharf riechenden Sachen, die mein Vater gern zu sich nahm. Hat nicht gewirkt. Gott, war mir schlecht damals. Aber dein Bruder hat, glaube ich, eine Menge Spaß daran, ein Kind zu sein, oder?" (S. 142f.) "Ich geh nicht zurück", sagte Scipio plö tzlich. Ganz heiser klang seine Stimme. "Ich geh nie, nie wieder nach Hause zurück. Das ist vorbei. Ich brauch sie nicht. Sie sind sowieso nie da. Und wenn, dann behandeln sie mich wie ein lästiges Haustier. Wenn es dieses Karussell wirklich gibt, dann werde ich noch schneller draufsitzen als der Conte, und ich werde erst wieder heruntersteigen, wenn ich einen Kopf größer als mein Vater bin und mir ein Bart am Kinn wächst. Wenn ihr den Handel nicht machen wollt, dann mache ich ihn eben allein, ich finde das Karussell und keiner behandelt mich mehr wie einen schlecht dressierten Hund oder seufzt, wenn ich etwas sage. Nie mehr." (S. 202) Victor musterte ihn [Max Hartlieb], als hätte der groß e Mann gerade sein Hemd aufgeknö pft und ihm mit einem Lächeln gezeigt, dass er kein Herz in der Brust hatte. "Beantworten Sie mir mal eine Frage", sagte Victor. "Mö gen Sie eigentlich Kinder?" Max Hartlieb runzelte die Stirn. Hinter ihm setzte der Schnee den Engeln von San Giorgio weiß e Mützen auf. "Kinder allgemein? Nein, nicht unbedingt. Sie sind zappelig, laut und ziemlich oft schmutzig." Victor guckte wieder auf seine Schuhe. "... und auß erdem", fuhr Max Hartlieb fort, "haben sie nicht die geringste Ahnung, was wichtig ist." (S. 225) Sein Vater musterte ihn von Kopf bis Fuß . Scipio glaubte seine Gedanken hören zu kö nnen. Bestimmt fragte er sich wieder einmal, was er mit diesem seltsamen Wesen zu tun hatte, das er seinen Sohn nannte: nicht so groß wie er, nicht so klug, interessant, arbeitsam wie er, nicht so beherrscht, berechenbar, vernünftig, kein bisschen so wie er. (S. 251) Prosper musterte seine Hände. Kinderhände. Er dachte an den herablassenden Blick, mit dem ihn der Portier im Gabrielli Sandwirth gemustert hatte, und an seinen schrankgroß en Onkel, wie er neben Bo hergegangen war, die Hand besitzergreifend auf Bos schmaler Schulter. Und plö tzlich wünschte Prosper sich, dass Scipio Recht hatte. Dass dort draußen auf dieser unheimlichen Insel etwas auf sie wartete, das aus klein groß und aus schwach stark machte. Und dieser Wunsch machte sich breit in der Leere, die sein Herz erfüllte. (S. 286) "Stimmt, meine Sachen hebt immer jemand auf", sagte er [Scipio], ohne den Kopf zu heben. "Und morgens bekomme ich hingelegt, was ich anziehen soll. Ich hasse es. Meine Eltern behandeln mich, als wäre ich zu dumm, mir die Hose zuzuknö pfen. Scipio, wasch dir die Hände, wenn du die Katze angefasst hast, Scipio, tritt nicht in die Pfützen, Herrgott, sei doch nicht so ungeschickt, Scipio, halt den Mund, davon verstehst du nichts, dummer kleiner Kinderkäfer, unnützes Irgendwas." Scipio sah Morosina an. "In der Schule haben sie uns die Geschichte von Peter Pan vorgelesen, kennst du sie? Er ist so ein Dummkopf, und du und dein Bruder, ihr seid genauso. Macht euch wieder zu Kindern, damit sie euch herumschubsen und auslachen kö nnen! Ja, ich will auf dem Karussell fahren, nur deshalb habe ich mich auf eure Insel geschlichen, aber ich will in die andere Richtung fahren. Ich will erwachsen sein, erwachsen, erwachsen, erwachsen!" (S. 310f.) "Als Nächstes werden sie dir erzählen, dass du zur Schule gehen musst und wann du schlafen und was du essen sollst und dass du dich ö fter waschen musst. Nein danke! Mann, wir kommen schon so lange allein zurecht, da lass ich mir doch nicht erzählen, dass ich zu jung zum Rauchen bin oder dass meine Fingernägel dreckig sind. Nein, meine Herren, nicht mit Riccio." (S. 358) "Was tun Erwachsene so den ganzen Tag, Victor?", fragte er. "Arbeiten", antwortete Victor. "Essen, einkaufen, Rechnungen bezahlen, telefonieren, Zeitung lesen, Kaffee trinken, schlafen gehen." Scipio seufzte. "Nicht sehr aufregend", murmelte er und stützte die Arme auf die Brüstung. "Tja", brummte Victor. Mehr fiel ihm nicht ein. ... "Mir wird schon noch was anderes einfallen", sagte Scipio. Trotz klang aus seiner Stimme. "Irgendetwas Verrücktes, Abenteuerliches. ..." (S. 381) JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' -7- Aus jung mach alt... In Cornelia Funkes Geschichte Herr der Diebe interessieren sich Kinder wie Erwachsene für das sogenannte Karussell der Barmherzigen Schwestern - wer darauf fährt, wird immer jünger bzw. immer älter, je nachdem in welche Richtung er fährt: Scipio z.B. wünscht sich endlich erwachsen zu sein, der Conte hingegen will die ihm geraubte Kindheit zurück gewinnen. Allerdings betrifft die Verwandlung nur das Äußere, das Kö rperliche, nicht den Geist - der bleibt, wie er ist... • • • • Seht euch unten das "Karussell des Lebens" mit den sieben Lebensaltern (nach Sears & Feldman, 1973) an und notiert zu einem jeden Alter am Rand, was das Typische dafür ist: Wie unterscheidet sich die jeweilige Phase von der vorhergehenden und der nachfolgenden? Was gewinnt der Mensch hinzu, was verliert er beim Eintritt in eine jede der Phasen? Wie verändert sich sein Leben? Denkt an Personen des jeweiligen Alters, die ihr kennt. Gegebenenfalls kö nnt ihr auch Personen der verschiedenen Lebensphasen dazu befragen. Ordnet die Figuren des Stückes Herr der Diebe den verschiedenen Phasen zu und diskutiert, inwiefern sie typische oder auch untypische Vertreter der jeweiligen Altersgruppe sind? Wer im Stück will mit dem Karussell der Barmherzigen Schwestern fahren? Wer tut es tatsächlich, wer nicht? Und warum (nicht)? Wie wirkt sich die Fahrt aus? Warum lässt Cornelia Funke das Karussell kaputt gehen? Es gibt die Vorstellung, dass der Mensch, um glücklich zu sein, die Herausforderungen einer jeden vorangegangenen Lebensphase erfolgreich gemeistert haben muss. Welche Lebensphasen sollten die verschiedenen Figuren des Stückes noch einmal durchlaufen, um mit der gegenwärtigen besser klar zu kommen? 4. junges Erwachsenenalter (18-30 Jahre) 3. Jugendalter (12-18 Jahre) 2. Kindesalter (5-12 Jahre) 5. 'Blüte des Lebens' (30-42 Jahre) Das Karussell des Lebens 1. Kleinkindalter (0-5 Jahre) • • 6. Mittleres Alter (42-60 Jahre) 7. Alter (ab 60 Jahre) Welche Lebensphase erscheint euch persö nlich besonders attraktiv? Würdet ihr den Lauf des Lebens zu einer bestimmten Zeit gerne anhalten kö nnen? Würdet ihr gerne mit dem Karussell der Barmherzigen Schwestern fahren? In welche Richtung? Und in welcher Lebensphase würdet ihr absteigen? Inwiefern ist es gut, dass es in Wirklichkeit kein Karussell der Barmherzigen Schwestern gibt? JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' -8- Scipio, Herr der Lügner Nachdem Prosper und die anderen Straß enkinder herausgefunden haben, dass Scipio, der "Herr der Diebe", sie belogen hat, wollen sie den Flügel für den geheimnisvollen Conte alleine, ohne Scipio aus dem Haus der Ida Spavento stehlen. Scipio taucht aber auch auf. Als sie den Flügel schließlich haben, kommt es zum Streit wegen Scipios Lüge... Auszug aus Akt II, 2. Szene: 1 SCIPIO: MOSCA: SCIPIO: 5 MOSCA: SCIPIO: MOSCA: 10 RICCIO: WESPE: SCIPIO: WESPE: 15 SCIPIO: PROSPER: SCIPIO: MOSCA und 20 RICCIO: SCIPIO: RICCIO: SCIPIO: RICCIO: 25 WESPE: PROSPER: WESPE: 30 SCIPIO: • • • • Wir kö nnen heute nacht noch die Taube fliegen lassen, und dann liegt morgen schon eine Nachricht vom Conte bei Barbarossa. Danke für den Tipp, Herr der Diebe. Am besten verabschiedest du dich jetzt nach Hause. Ich geh nicht nach Hause! Nie mehr. Sie sind sowieso nie da. Und wenn, dann behandeln sie mich wie ein lästiges Haustier. Und darum hast du dir uns gesucht, um den groß en Mann zu spielen. Toll, wirklich toll! Ich hab euch doch alles besorgt: ein Versteck, Geld, Kleider, Decken und den Heizofen, als der Winter kam! Meint ihr, es war leicht, meinen Eltern all die Sachen zu stehlen? Na klar war das leicht! Wahrscheinlich haben sie einen von euren tausend Dienern verdächtigt. (SCIPIO atmet laut ein.) Bravo! Volltreffer! Sie haben jemand anderen verdächtigt? Mein Kindermädchen. Und? Hast du sie wenigstens in Schutz genommen? Na, wie denn? Damit sie mich ins Internat stecken? Und was ist passiert? Sie ist gefeuert worden. Wenn ich diese verfluchte Zuckerzange nicht genommen hätte, hätten sie sowieso nichts gemerkt. - Na ja, jetzt hab ich eben kein Kindermädchen mehr. (hämisch bedauernd) Oooooohhhhhh! (erbost) Hö rt auf! Ich hab‘ das alles für euch getan! (stö ßt ihn) Hau doch ab! Wir kommen auch ohne dich klar! Ja?! Was wärt ihr denn ohne mich? Sogar euer Unterschlupf gehö rt meinem Vater!! Na, dann verpfeif uns doch bei ihm, du aufgeblasener Goldfisch! (SCIPIO und RICCIO prügeln sich. Die anderen schreiten ein.) He! Hö rt sofort auf! (BO beginnt laut zu weinen. WESPE nimmt ihn in den Arm.) Komm her, kleiner Bo. Ist doch nicht so schlimm. Glaubt ihr, nur ihr habt es schwer, weil ihr auf der Straß e lebt? Ihr werdet zumindest nicht wegen jeder Kleinigkeit beschimpft und geohrfeigt. Euch sagt keiner ständig, dass ihr nichts wert seid. Bei euch habe ich mich zum ersten Mal im Leben nicht überflüssig gefühlt. Ich konnte euch helfen. Ich war... etwas wert. Teilt euch in Gruppen von jeweils sechs Personen auf und übt mehrfach, den Streit so überzeugend und emotional geladen wie möglich zu lesen. Eine Person in jeder Gruppe ist der Regisseur und gibt den anderen Hinweise, was sie schon sehr gut gelesen haben und wo noch Verbesserungen mö glich sind. Bei genügend Zeit kö nnt ihr den Streit auch spielen - dafür wäre es aber erforderlich, dass ihr den Text zumindest in etwa auswendig lernt. Lest (bzw. spielt) euch den Streit vor, eine Gruppe nach der anderen, und diskutiert Unterschiede in Tonlage, Lautstärke, Emotionalität usw. Die Regieanweisungen geben ein paar Hinweise auf das Bühnengeschehen. Was erwartet ihr im Detail bezüglich der Mimik, der Gestik und sonstiger Handlungen im Verlauf dieses Szenenauszugs? Falls ihr die Theateraufführung schon gesehen habt: Hat diese Szene einen bleibenden Eindruck bei euch hinterlassen? Erinnert ihr euch an Stimmführung, Mimik, Gestik und sonstige Handlungen? Falls ihr das Stück noch nicht gesehen habt: Wie kö nnte die Szene weiter gehen? Nimmt der Streit ein gutes Ende? Vertragen sich die Kinder danach wieder? Schreibt in euren 6er-Gruppen eine Fortsetzung, übt sie ein und tragt sie den anderen vor. Wie unterscheiden sich die verschiedenen Fortsetzungen unter einander? Was haltet ihr von Scipio? Ist er ein zu bemitleidender Junge, der sich für Straß enkinder engagiert, um sein Selbstwertgefühl zu erhö hen, wofür er um ein paar Lügen nicht herumkommt...? Oder ist er ein verlogener Egoist, der die Straß enkinder und andere ausnützt, um sich ein paar Abenteuer zu ermö glichen und den groß en Macker zu spielen? Verändert sich Scipio im Lauf des Stückes? Sieht er seine Fehler ein? Ihr kö nnt diese Fragen diskutieren oder auch spielerisch in Form einer improvisierten Gerichtsverhandlung bearbeiten (Rollen: Scipio, Richter, Kläger, gegebenenfalls Nebenkläger, Verteidiger und diverse Zeugen). JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' -9- Herr der Diebe zwischen Wirklichkeit und Phantasie Die meisten Menschen, die zum ersten Mal aus den engen Gassen auf den Markusplatz traten, sahen sich zuerst so verblüfft um, als hätten sie einen märchenhaften Ort wie diesen hö chstens in ihren Träumen erwartet. Manche blieben wie verzaubert stehen, als wollten sie niemals mehr weitergehen. Andere bekamen ihre Kindergesichter zurück, während sie hinaufstarrten zu dem funkelnden Glas und dem Lö wen zwischen den Sternen. Nur ganz wenige taten so, als berühre sie dies Übermaß an Schö nheit nicht, und schlenderten weiter mit steinernen Gesichtern, stolz, dass nichts auf der Welt sie mehr zum Staunen brachte. Victor war nie sicher, ob er diese Leute bedauern oder fürchten sollte. Cornelia Funke, Herr der Diebe, S. 74 Cornelia Funke sieht sich selbst als Erzählerin, als Fabuliererin, die in ihren Geschichten die Welt zeigt, wie sie ist. Dies erstaunt zunächst, sind ihre Geschichten doch angefüllt mit den verschiedensten fantastischen, realitätsfernen Elementen. Es stellt aber keinen Widerspruch dar, wenn man bedenkt, dass das, was sie in ihren Geschichten zeigt, die Welt aus der Sicht von Kindern und phantasievollen Erwachsenen ist, in der es selbstverständlich eine groß e Menge märchenhafter Dinge gibt. • • Wie steht ihr persö nlich zu Literatur: Mö gt ihr Geschichten mit fantastischen Elementen oder bevorzugt ihr mö glichst wirklichkeitsnahe Erzählungen? Wie steht ihr zu Fantasy-Literatur wie Herr der Ringe? Was reizt euch an einer fantastischen Geschichte: das Fantastische oder das Reale innerhalb des Fantastischen? Notiert auf den Zeilen unterhalb des hier abgedruckten Doppelfeiles die fantastischen, wirklichkeitsfernen und die wichtigsten wirklichkeitsnahen Elemente in Herr der Diebe. Anschließ end vergleicht und diskutiert eure Eintragungen: Seid ihr euch einig? Stö ren euch manche der wirklichkeitsfernen Elemente? Welche sind reizvoll? Warum? WIRKLICHKEIT FANTASTIK • _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ _____________________________________ Cornelia Funkes Herr der Diebe und auch ihre anderen Romane werden von den meisten Lesern und Kritikern hoch gelobt. Lest euch folgende persö nliche Meinung einer erwachsenen (!) Leserin zu Herr der Diebe durch. In welchen Punkten stimmt ihr der hier vertretenen Meinung zu, wo seid ihr anderer Meinung? Wird diese Leserin mit ihrer Kritik dem Werk und dem Anliegen Funkes gerecht? Bezieht Victors oben zitierte Gedanken zum Markusplatz in Venedig und zu den unterschiedlichen Reaktionen der Menschen auf diesen Ort in eure Überlegungen ein. Auszug aus Amazon.de-Leserrezension von "msanarchy" zu Cornelia Funkes Herr der Diebe: Das Hauptproblem des Buches besteht meiner Meinung nach jedoch in seiner Konstruiertheit. Alleine die Basisstory scheint unrealistisch. Wie will denn ein 12-jähriger Junge mit seinem nur fünf Jahre altem Bruder von Hamburg über die Grenze nach Italien kommen? Und ist es wirklich anzunehmen, dass eine Frau nur den jüngeren Sohn ihrer verstorbenen Schwester adoptieren mö chte? Die phantastischen Elemente der Geschichte gefallen, jedoch erscheinen sie leider viel zu spät. Und wieder ist es Funke nicht gelungen, ohne Konstruiertheit auszukommen. Der bö se Barbarossa wird letztendlich mit der ebenso bö sen Esther verkuppelt, die dann ihre gerechte Strafe erhält, indem sie auch mit Ernesto nicht glücklich wird. Das Adoptionsverfahren gelingt im Handumdrehen mit einer einzigen Unterschrift, was sehr realitätsfern wirkt. Zudem nimmt die neu kennen gelernte Ida urplö tzlich alle Straßenkinder in ihr Haus auf, obwohl diese sie bestehlen wollten. Noch dazu gelingt es ihr ohne Weiteres, Wespe aus dem Heim zu holen. Außerdem freundet sie sich, denn es passt ja so gut, mit Viktor, dem Detektiv, an, der die Fronten gewechselt hat und nun auf Seiten der Kinder steht. Wie schö n, dass die beiden Erwachsenen sich zum Schluss so gut verstehen und sozusagen die Ersatzeltern für Prosper, Wespe und Bo werden. So nach dem Motto: Es gibt doch eine "Heile Welt". • • Wie wirken die wirklichkeitsferneren Elementen im Theater? Fallen Sie überhaupt auf oder ist der Zuschauer ganz im Bann des Stückes? Werden bestimmte Techniken eingesetzt, die den fantastischen Anteil der Geschichte unterstreichen? Schreibt eine eigene Rezension zu Herr der Diebe und setzt sie ins Internet, als Buch-Rezension z.B. bei Amazon.de oder als Theaterkritik auf der Homepage des JTB (Gästebuch): www.herr-der-diebe.de. JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' - 10 - Venedig, Venedig, Venedig! Bei den meisten Geschichten ist es von groß er Bedeutung, wo und wann sie spielen. Der Handlungsort kann den Verlauf der Geschichte bestimmen, ist aber auch wichtig für die passende Atmosphäre. Shakespeare z.B. hat in der Regel warme Gegenden ausgesucht für seine Liebesgeschichten, bei denen die Gefühle hoch kochen, wie Romeo und Julia. Was die bloße Handlung angeht, kö nnte Herr der Diebe mit gewissen Änderungen wohl in so ziemlich jeder Stadt dieser Welt spielen. Und doch hat sich die Autorin Cornelia Funke etwas gedacht bei ihrer Entscheidung, die Geschichte in Venedig spielen zu lassen, und es gibt viele Stellen im Roman, die ganz ausdrücklich auf den Ort aufmerksam machen. Auch in der Theaterproduktion des JTB legt man Wert darauf, dass dieser Handlungsort beständig präsent ist. • Informiert euch in Reiseführern oder dem Internet (z.B. unter www.info-4u2.de oder www.venedig.com) über Venedig. Sammelt in einem Netzdiagramm alles, was euch wichtig erscheint, vor allem im Hinblick auf die Atmosphäre der Stadt: Kanäle Geschichten, die in Venedig spielen ... Stadtbild Shakespeare, "Der Kaufmann von Venedig" ... ... VENEDIG • • • • • Was macht Venedig zu der idealen Stadt für eine Geschichte wie Herr der Diebe? Welches sind die Kennzeichen und Eigenschaften Venedigs, die in der Geschichte Herr der Diebe eine Rolle spielen? Welche davon sind von zentraler Bedeutung? Welche sind "schmückendes Beiwerk"? Mit welchen verschiedenen Mitteln gelingt es Cornelia Funke in ihrem Roman, den Handlungsort Venedig beständig im Bewusstsein der Leser zu halten? Lest hierzu auch die unten abgedruckten Auszüge aus dem Roman. Wie zeigt sich dort, dass die Atmosphäre eines Ortes von verschiedenen Personen sehr verschieden empfunden werden kann? Wenn ihr die Theateraufführung noch nicht gesehen habt, überlegt, mit welchen Mitteln es möglich ist, den Handlungsort Venedig in einer Bühnenproduktion im Bewusstsein der Zuschauer zu halten. Erwägt verschiedene Elemente der Inszenierung wie Dialog, Bühnenbild, Licht und Musik. Wenn ihr die Aufführung schon gesehen habt, tragt eure Beobachtungen zusammen und beurteilt, ob es der Inszenierung gelungen ist, den Zauber Venedigs einzufangen. Ihr kö nnt zeichnerisch oder auch als Miniatur gebastelt ein Bühnenbild für Herr der Diebe entwerfen. "Aber wieso sind Sie so sicher, dass die beiden nach Venedig gekommen sind? Doch wohl kaum zum Gondelfahren..." "Ihre Mutter ist schuld." Esther Hartlieb kniff die Lippen zusammen und warf einen Blick aus Victors staubigem Fenster. Eine Taube hockte aufgeplustert drauß en auf dem Balkongitter, die Federn zerzaust vom Wind. "Meine Schwester hat den Jungen ständig von dieser Stadt erzählt. Dass es hier Lö wen mit Flügeln gibt und eine Kirche aus Gold, dass auf den Dächern Engel und Drachen stehen und die Treppen an den Kanälen aussehen, als würden nachts Wassermänner hinaufsteigen, um einen Landspaziergang zu machen." Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. "Meine Schwester konnte so etwas auf eine Art erzählen, dass selbst ich ihr fast geglaubt hätte. Venedig, Venedig, Venedig! Bo hat pausenlos Lö wen mit Flügeln gemalt und Prosper hat seiner Mutter sowieso jedes Wort von den Lippen gesogen. Wahrscheinlich hat er gedacht, dass er und Bo geradewegs im Märchenland landen, wenn sie hierher kommen! Mein Gott." Sie rümpfte die Nase und blickte verächtlich hinaus zu den alten Häusern, von denen der Putz brö ckelte. Cornelia Funke, Herr der Diebe, S. 11 Die Gassen, durch die sie kamen, wurden enger. Still wurde es zwischen den Häusern, und bald waren sie im verborgenen Herzen der Stadt, wo man nur selten auf Fremde stieß . Katzen huschten davon, als sie die Schritte der Kinder hö rten. Tauben gurrten von den Dächern, und unter hundert Brücken schwappte das Wasser, leckte an Booten und hö lzernen Pfählen und zeigte den Häusern ihre alten Gesichter in seinem schwarzen Spiegel. Tiefer und tiefer hinein in das Gewirr der Gassen liefen die Kinder, an Häusern vorbei, die so dicht standen, als beugten sie sich über sie wie Wesen aus Stein, die sie um ihre Füße beneideten. Cornelia Funke, Herr der Diebe, S. 22 • Sammelt selbst Ideen für eine Geschichte, die in Venedig spielt. Überlegt, welche Besonderheiten der Stadt ihr in der Geschichte besonders herausstellen wollt und wie ihr diese mit der Handlung eurer Geschichte fest verknüpfen kö nnt. Schreibt die Geschichte - oder auch nur ihren Anfang - auf und tauscht eure Geschichten aus oder lest sie euch vor. JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' - 11 - Straßenkinder im Sternenversteck... "Riccio", sagte er [Scipio]. "Kauf uns Oliven und scharfe Wurst. Das mü ssen wir feiern. Ich habe nicht lange Zeit, doch dafür reicht es." Eilfertig steckte Riccio sich zwei Scheine von Barbarossas Geld in die Hosentasche und schoss davon. Als er zurü ckkam, mit einem Plastikbeutel voller Oliven, Brot, paprikaroter Salami und einer Tü te mandorlati, den in bunte Papierchen gewickelten Pralinen, die Scipio so gern mochte, hatten die anderen schon Decken und Kissen auf dem Fuß boden vor dem Vorhang verteilt. Bo und Wespe hatten alle Kerzen, die sie besaß en, zusammengeholt, und ihre flackernden Flammen fü llten das Kino mit tanzenden Schatten. "Auf ein paar sorgenfreie Monate!", sagte Wespe, als sie alle im Kreis zusammensaßen, und goss Traubensaft in die Weinkelche aus rotem Glas, die Scipio von seinem letzten Raubzug mitgebracht hatte. Dann hob sie ihr Glas und prostete Prosper zu. "Und auf dich, weil du den Rotbart dazu gebracht hast, so viel Geld herauszurücken, obwohl es ihm sonst wie Kaugummi an den fetten Fingern klebt." Riccio und Mosca hoben ebenfalls ihre Glä ser, und Prosper wusste nicht, wo er hinschauen sollte, aber Bo lehnte sich stolz an seinen groß en Bruder und setzte ihm eins der Kä tzchen aufs Knie, die Scipio ihm geschenkt hatte. "Ja, auf dich, Prop!", sagte Scipio und prostete Prop als Letzter zu. "Hiermit ernenne ich dich zu meinem Beuteverkä ufer. ..." Cornelia Funke, Herr der Diebe, S. 59f. • • • • • Lest euch den oben abgedruckten Auszug aus Herr der Diebe durch und versucht, euch in die Kinder hinein zu versetzen: Jeder wä hlt eines der Kinder aus (Scipio, Riccio, Mosca, Prosper, Bo und Wespe; Wespe wird nicht erwähnt, ist aber auch dabei) und notiert, wie er bzw. sie sich in der Szene fühlt. Im nä chsten Schritt setzen sich alle, die dasselbe Kind gewä hlt haben, zusammen und tragen ihre Notizen zusammen. Aus jeder Großgruppe berichtet nun einer die Ergebnisse an die gesamte Klasse. Fä ndet ihr es reizvoll, Teil der Gruppe zu sein. Was reizt euch daran? Wie wü rde euer Alltag aussehen? Die Situation von Straß enkindern ist in Herr der Diebe stark verharmlost bzw. beschö nigt. Informiert euch - auf dieser Seite (s.u. Kasten) oder auch im Internet (z.B. unter www.offroadkids.de) - ü ber die reale Situation von Straßenkindern in Deutschland. Erstellt eine Liste von Punkten, die in Herr der Diebe verharmlost werden bzw. gar nicht vorkommen. Schreibt die obige Szene um und versucht dabei, das tatsä chliche Leben von Straß enkindern einzufangen. Lest euch eure Fassungen gegenseitig vor und diskutiert anschließ end, ob die Geschichte Herr der Diebe besser wä re, wenn sie in dieser Hinsicht nä her an der Wirklichkeit wä re. Schreibt einen kleinen literarischen Text (Gedicht, Kurzgeschichte, Erlebnisbericht o.ä.) ü ber das Leben von Straß enkindern. Versucht, euch - so gut es geht - in deren Lage zu versetzen. Lest euch als Anregung die von Straß enkindern verfassten Gedichte auf der nä chsten Seite durch. Folgende Angaben zu Straß enkindern in Deutschland sind entnommen bzw. zitiert aus: Markus Heinrich Seidel, Straßenkinder in Deutschland: Schicksale, die es nicht geben dü rfte (Mü nchen, 2002): • Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) nennt folgende Kriterien fü r die Definition von 'Straßenkindern' (vgl. Straßenkinder, Mü nchen, 1995, S. 138): - weitgehende Abkehr von Familie, oder ersatzweise Jugendhilfe-Einrichtungen, sowie von Schule und Ausbildung - Hinwendung zur Straß e, die zur wesentlichen oder auch einzigen Sozialisationsinstanz wird - Hinwendung zu Gelderwerb auf der Straß e durch Verhalten wie Betteln, Raub, Prostitution oder Drogenhandel - faktische Obdachlosigkeit • Die Zahl der auf der Straß e lebenden Jungen und Mä dchen in Deutschland ist nicht bekannt. Sie wird verschieden hoch eingeschä tzt und inzwischen auf einen Wert irgendwo zwischen 1500 und 7000 beziffert. • Das Alter der meisten Straß enkinder in Deutschland beträ gt 14 Jahre und ä lter. Straß enkinder unter 14 sind selten, unter 11 ä uß erst selten. • "Das stä ndig wechselnde Spektrum der Übernachtungsmöglichkeiten ist breit. Es reicht vom Liegeplatz unter freiem Himmel, in Parks, unter Brü cken oder in Hauseingä ngen ü ber Bauwagen, leer stehende Häuser und Wohnungen bis hin zu Hotel, "nettem Mann" oder Freier. Einige kommen zeitweise bei Freund(in), Verwandten oder Kumpeln unter. Findet sich keine Ü bernachtungsmö glichkeit - was hä ufiger vorkommt -, so wird die Nacht durchgemacht. Die Kinder und Jugendlichen sind dann noch übermü deter als sonst. Notschlafstellen, in denen anonyme Ü bernachtung mö glich ist, gibt es nur in den wenigsten Stä dten." (S. 256) • Beispiel einer nicht untypischen Straßenkinder-Karriere: "Nina trieb sich, seit sie 13 war, im Straß enmilieu herum. Mit 14 hing sie bereits an der Nadel, mit 15 verließ sie Kö ln und ging in Berlin anschaffen. All die Jahre wurden ihr unzä hlige Betreuungs- und Wohnangebote gemacht, die sie freiwillig hä tte annehmen können. Bei einigen tat sie dies sogar. Doch Nina konnte das notwendige Durchhaltevermögen nicht entwickeln und landete immer wieder auf dem Straß enstrich. Irgendwann fing sie sich eine Hepatitis C und das HIV-Virus ein. Mangels Verhü tung wurde Nina schwanger und brachte zwei Kinder zur Welt - zwei Kinder, die ihre Mutter niemals kennen lernen würden: Mit 19 starb Nina an den Folgen einer Überdosis Heroin. Nina ist kein Einzelfall." (S. 8) JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' - 12 - "Zeitdruck" - Gedichte von Straßenkindern "Zeitdruck" ist ein Berliner Verlag, bei dem Straß enkinder ihre eigene Zeitung und auch eigene Bü cher produzieren kö nnen. Der Verlag, der an den Trä ger "Karuna" angeschlossen ist, ist ein Versuch, Straß enkindern, die in den meisten Fä llen nicht nur kein Zuhause, sondern oft auch schwere psychische und drogenbedingte Probleme haben, ein Forum zu geben, in dem nicht über sie, sondern von ihnen berichtet wird. "Für mich war es das Beste, was mir passieren konnte", sagt Irina, "ich habe mir jeden Quatsch von der Seele geschrieben, mich von all dem Mü ll befreit, den ich jahrelang durch die Gegend geschleppt habe." Irina kam von den Drogen los und machte sich mit ihrem kleinen Sohn auf die Suche nach einer Wohnung. Zuvor lebte sie auf der Straß e, nahm Drogen, war eins von Hunderten so genannten Straß enkindern, die sich seit dem Mauerfall im Ostberliner Bezirk Friedrichshain in abbruchreifen Hä usern herumtrieben (nach Erziehung und Wissenschaft 5/2001). EINSAMKEIT Mein Herz gebettet in Schmerz und Leid Kalt und dunkel die Augen meiner Seele Lä ngst erblindet im Sumpf der Einsamkeit Kriecht mein Bewusstsein in die Kehle Den Absprung zu wagen bereit Bereit mich zu vergessen Hinter Mauern verkrochen Und vom Schatten des Schreckens besessen Mein ganzes Ich in Scherben gebrochen Angst gedacht als stä hlerne Fesseln Nahm mir die Luft zum Atmen Peitschenhiebe der Wahrheit Von tiefen Narben mein Geist benommen Allein gelassen und vergessen in Ewigkeit. Antje K. ICH GEHE LOS Ich gehe los. Irgendeine Straße entlang. Ich erwarte nicht viel, suche nur etwas Neues und hoffe, daß ich es finden kann. Dann stehe ich wieder vor einer Tü r, die ich schon mal geö ffnet hab, und ich weiß , es fä ngt wieder dort an, wo es schon tausend Mal begann. Irina, 16 Jahre VERGANGENE TRÄ UME Vergangene Träume, vergangene Wirklichkeit, wo stehst du heute? Was bedeutet für dich Vergangenheit? Verlorene Ziele, verlorene Taten. Wo bist du nur rein geraten? Du warst schon immer ein großer Trä umer, doch niemand interessierte sich dafü r. Du griffst zu Drogen, um deine Welt zu bauen, von der Aussenwelt bist du abgehauen. Du hattest Trä ume, doch sie sind nicht Wirklichkeit, jetzt bist du in deiner Einsamkeit. Vergangene Träume, vergangene Wirklichkeit, wo stehst du heute? Was bedeutet für dich Vergangenheit? Verlorene Ziele, verlorene Taten. Wo bist du nur rein geraten? Du hattest Freunde und eine Familie, doch wo sind die jetzt nur abgeblieben? Du hattest eine Freundin, sie war deine groß e Liebe. Du bist jetzt alleine, in verlorener Tiefe. So kann es fü r dich nicht weitergehen, du musst weiter gehen. Mach den ersten Schritt, du wirst sehen, deine Freunde, die es sehen, helfen dir dabei mit. David (Quelle: www.karuna-zeitdruck.de; hier finden sich eine Reihe weiterer Texte) • • Lest euch die drei Gedichte durch und vergleicht die Situation der Sprecher: In welcher Hinsicht ähnelt sich ihre Situation, in welcher Hinsicht ist sie verschieden? Was in den Gedichten verweist darauf, dass sie von Straß enkindern geschrieben sind? Inwiefern ist die Aussage allgemeiner und betrifft auch Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die nicht auf der Straß e leben? Inwiefern passen die drei Gedichte nicht zur Situation der Straß enkinder in Herr der Diebe? Wie kö nnten Gedichte aussehen, die aus der Situation von Prosper, Riccio, Mosca, Wespe und Bo geschrieben sind? Versetzt euch in eine der Figuren und verfasst ein Gedicht, das die jeweilige Situation der Figur zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte gut zum Ausdruck bringt. Prä sentiert eure Gedichte in einer Ausstellung in eurer Klasse. Vielleicht entwerft ihr in Gruppen je ein Wandplakat fü r jede Figur und notiert Namen und wichtige Informationen zu der Figur in der Mitte und setzt die verschiedenen Gedichte drum herum. JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' - 13 - Herr der Diebe - rätselhaft... In der Geschichte Herr der Diebe werden viele Informationen vergeben, Namen erwähnt und der Leser oder Zuschauer ist gefordert. Hier kö nnt ihr testen, ob ihr auch das meiste mitbekommen habt... • Bearbeitet zunächst das Kreuzworträtsel zu Herr der Diebe: 1 9 2 10 11 3 12 14 4 5 6 13 7 8 • • Waagerecht Senkrecht 1. Was heiß t der Name 'Prosper' übersetzt? 2. Wer schrieb die gleichnamige Romanvorlage zu dem Theaterstück Herr der Diebe? Cornelia _________ 3. Wofür ist der Kosename 'Bo' die Abkürzung? 4. In welcher Stadt spielt die Geschichte? 5. Wie heiß t das einzige Mädchen in der Gruppe? 6. Wie heiß t der 'Herr der Diebe' in Wirklichkeit? 7. Wie lautet der italienische Name von 'Rotbart'? 8. Zu welchem Tier gehö rt der Flügel, den der Herr der Diebe stehlen soll? 9. Warum will Scipio auf dem Karussell fahren? Er will _____________ sein. 10. Wie heiß t der Detektiv, der die zwei deutschen Kinder Prosper und Bo finden soll, mit Vornamen? 11. Was heiß t "Guten Tag" auf Italienisch? (2 Wö rter - dazwischen eine Leerstelle) 12. Bei wem brechen die Kinder ein, um den Flügel zu stehlen? (Vorname) 13. Wo findet Scipio das Karussell? 14. Wie heiß t das verlassene Kino, in dem die Kinder ihr 'Sternen'versteck haben? Vergleicht eure Eintragungen und nehmt diese zum Anlass, euch über die Handlung und die Figuren der Geschichte auszutauschen, indem ihr zu jedem eingetragenen Begriff erwähnt, was euch diesbezüglich wichtig für das Stück erscheint. Notiert weitere zehn Fragen zu Herr der Diebe, schreibt sie auf (bei genügend Zeit als Kreuzworträtsel) und tauscht mit jemand anderem die Fragen bzw. Rätsel aus und bearbeitet sie. Setzt euch abschließ end zusammen und besprecht eure Ergebnisse. Ungelö ste Fragen werden zum Schluss der gesamten Klasse gestellt. JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' - 14 - Interview mit Romanautorin Cornelia Funke Cornelia Funke wurde 1958 in Dorsten/Westfalen geboren. Nach einer Ausbildung zur Diplompädagogin und einem Grafikstudium arbeitete sie zunächst als Illustratorin für Kinderbücher, die sie dazu anregten, selbst Geschichten für junge Leserinnen und Leser zu schreiben. Sie ist inzwischen eine der erfolgreichsten und beliebtesten Kinder- und Jugendbuchautorinnen, die viele ihrer Bücher auch selbst illustriert. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen, zum Beispiel den Kinderbuchpreis der Jury der Jungen Leser Wien für Die Wilden Hühner. Mit ihren Jugendromanen Herr der Diebe und Tintenherz erreicht sie sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien und den USA Auflagen wie sonst nur Harry Potter. Herr der Diebe wurde weltweit mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft und für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Cornelia Funke lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Hamburg. Erinnern Sie sich noch daran, wie Ihnen die Idee zu Herr der Diebe kam? Ja. Sie kam mir in Venedig. Ich erinnerte mich dort daran, dass ich mir als Kind immer gewünscht habe, erwachsen zu sein. "Es gibt so viele Bücher über Kinder, die Kinder bleiben wollen," sagte ich mir. "Warum schreibe ich nicht eins über die anderen? Und es wird in Venedig spielen, denn das ist eine Stadt für Kinder - kein Führerschein nö tig, Platz zum Versteckenspielen, Drachen auf den Dächern." Es gibt so viele fabelhafte Orte in Kinderbüchern, aber meist kann man nicht hinfahren. Nach Venedig schon! Und ich freue mich jedes Mal, wenn ich wieder ein Foto von Kindern bekomme, die mit dem Buch unterm Arm dort waren, um Tauben zu füttern und die geflügelten Lö wen zu finden. 'Kindsein und Erwachsensein' ist das zentrale Thema Ihres Romans. Inwiefern ist Ihnen dieses Thema besonders wichtig? Weil es wichtig ist. Weil ich ständig erstaunt darüber bin, wie Erwachsene mit Kindern umspringen - als wären sie nie selbst eins gewesen. Hat der Roman deutlich autobiographische Bezüge? Nein, eigentlich keine. Auß er dem, dass ich Scipios Wunsch auch immer hatte - trotz netter Eltern. Aber es macht einfach soviel mehr Spaß, erwachsen zu sein und selbst zu bestimmen, wann man was wo und wie tut. Welche der Romanfiguren übt auf Sie selbst die größte Faszination aus? Warum? Prosper. Weil ich solchen Jungen wie ihm begegnet bin, voller Fürsorge und Verantwortung kleineren Brüdern oder Schwestern gegenüber, bereit, das wettzumachen, was Eltern oder andere Erwachsene verweigern. Das Leben der Straßenkinder ist, so wie Sie es darstellen, stark idealisiert. Glauben Sie, dass diese Idealisierung ein berechtigter Ansatzpunkt für Kritik an Ihrer Geschichte sein kann? Es gibt viele Geschichten über Straß enkinder, die beschreiben, wie dieses Leben verrohen und zerbrechen kann. Da ich selbst anders aufgewachsen bin, habe ich bewusst aus der Perspektive zweier Kinder erzählt (Prosper und Bo), die unvermittelt aus einem behüteten Leben gerissen werden und dieses Behütetsein immer noch in sich tragen. Aus Riccios Perspektive hätte die Geschichte anders geklungen. Ich wollte aber auch darstellen, dass gerade Kinder, die unter furchtbar harten Bedingungen aufwachsen, oft durch ihre Selbstlosigkeit, ihre Wärme, ihr Mitgefühl für andere und ihr groß es Verantwortungsgefühl beeindrucken. Ich habe solche Kinder getroffen, als ich als Sozialarbeiter arbeitete und sie sind mir unvergesslich geblieben. Wenn das Licht in meinem Buch mehr Raum als der Schatten hat, so ist das in meinem Sinne, denn meist räumen wir dem Schatten gern mehr Platz ein - als kö nnten wir ihm damit irgendetwas von seiner Kraft rauben. Mir war bei Herr der Diebe außerdem wichtig, dass Einsamkeit und Unglück nicht immer an Armut gebunden sind. Deshalb ist Scipio eine andere Figur, die mir sehr nahe ist (auch wenn er manchmal wirklich ein abscheulich arroganter Schnö sel ist). Ihr Roman enthält eine Vielzahl von erzählenden Passagen mit viel Einblick in die Gedanken der Figuren; manche Stellen reichen ins Poetische. Glauben Sie, dass eine Bühnenfassung Ihrem Werk gerecht werden kann? Ja. Vielleicht kann sie sogar noch etwas hinzufügen oder aus anderer Perspektive zeigen? Ich glaube, dass die Arbeit anderer Künstler an meinen Geschichten grundsätzlich etwas Bereicherndes sein kann, etwas Abenteuerliches - gut, manche Abenteuer gehen furchtbar daneben, aber damit kann ich leben. Was soll, was kann die Geschichte Herr der Diebe bei Kindern bewirken? Was bei Erwachsenen? Hm. Mir vergeht jedes Mal die Lust am Erzählen, wenn ich übers Bewirken nachdenke... Wenn sie meine Figuren lieben, gut. Wenn sie durch sie eine Weile in andere Häute schlüpfen und die Welt etwas anders sehen, auch gut. Wenn sie nach Venedig fahren wollen, noch besser. Wenn ich etwas in Worte gefasst habe, das sie so schon immer gefühlt haben, wunderbar! Die meisten Kinder, die mir schreiben (auch Erwachsene) finden Wärme in dem Buch und die Zärtlichkeit, die sie selbst für Geschwister oder Kinder empfinden - oder vermisst haben. Sie haben selbst Kinder. Was halten Sie für besonders wichtig im Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern - und umgekehrt? Liebe. Respekt. Spaß . Erinnern Sie sich noch daran, welche Passagen des Buches Ihnen besonders leicht von der Hand gingen und bei welchen Sie sich schwerer taten? Victor war am leichtesten. Barbarossa erst schwer. Könnten Sie sich auch ein anderes Ende der Geschichte vorstellen? Gab es Entwürfe für einen anderen Handlungsverlauf? Ja, aber die verrat ich nicht. Wenn Sie gefragt würden, ob Sie auf dem Karussell der Barmherzigen Schwestern fahren wollten, wie würden Sie sich entscheiden? Wann würden Sie abspringen? Ich würde niemals auf das Ding steigen. Schließ lich bin ich jetzt erwachsen - und noch nicht so alt, dass mich schmerzende Glieder in Versuchung bringen könnten. JTB: Didaktisches Begleitmaterial zu 'Herr der Diebe' - 15 - Junges Theater Bonn Hermannstraß e 50 53225 Bonn Tel. 0228-463672 [email protected] Die Elemente einer Theaterproduktion: Beobachtungsbogen Der Beobachtungsbogen soll dazu dienen, eine Theateraufführung zielgerichtet beobachten und anschließend - in der Klasse oder auch im Theater mit Schauspielern, Regisseur usw. - besprechen zu können; er ist nicht vorgesehen für die Analyse des Dramentextes im engeren Sinn. • Es bietet sich an, bei einer Vorbesprechung in der Klasse die Elemente einer Theaterproduktion auf Kleingruppen aufzuteilen. Dabei ist es aber sinnvoll, dass trotzdem jeder auch Notizen zu den anderen Bereichen vermerkt. • Es ist auß erdem sinnvoll, vor dem Theaterbesuch auf der Grundlage zumindest einer groben Inhaltsangabe auch schon über mö gliche Formen der Ausgestaltung der verschiedenen Bereiche zu spekulieren, eigene Ideen zu entwickeln, mit denen man die tatsächliche Umsetzung in der Produktion dann vergleichen kann. Das schärft den Blick und bewahrt davor, das, was präsentiert wird, als selbstverständlich hinzunehmen. Wenn das Stück schon im Einzelnen bekannt sein sollte, umso besser! • Die Tabelle ist gedacht für stichwortartige Notizen in der Pause und unmittelbar nach der Aufführung. Es empfiehlt sich, den Beobachtungsbogen vorher auf A3-Format zu vergrößern. Art der Inszenierung: realistisch, symbolisch, historisch, zeitlos, konkret, abstrakt, einfühlend, verfremdend, ... Schauspieler: • Aussehen • Gestik und Mimik • Haltung und Bewegung im Raum • Handlungsweisen und Aktivitäten • Stimme und Sprechweise Text: • on-stage - off-stage Musik, Gesang und Tanz: • on-stage - off-stage • als Teil der Handlung - die Handlung begleitend Bühnenbild: Ausstattung: • Kostüme • Requisiten Technik: • Licht • Ton (Musik, Geräusche, etc.) • Umbau • sonstige Technik Bühne, Spielebenen und Zuschauerraum: • Bühnentyp/-form und Position der Zuschauer • Bühnenaufteilung und Spielebenen • Einbeziehung der Zuschauer / des Zuschauerraums Vorhang Pausen Sonstiges Anregungen für Nachgespräche von Schulklassen mit dem Theaterensemble Das JTB bietet allen Besuchergruppen an, im Voraus ein kostenloses Gespräch mit Mitgliedern des Theaterensembles im Anschluss an die besuchte Aufführung zu buchen. Diese Gespräche verlaufen sehr unterschiedlich. Immer wieder kommt es vor, dass es hauptsächlich die Lehrerinnen und Lehrer sind, die dann die Fragen stellen. Wirklich interessant wird es aber in der Regel für die Kinder und Jugendlichen, wenn sie selbst Impulse geben und in das Gespräch mit den Schauspielern oder dem Regisseur eintreten. Zur Vorbereitung eines ergiebigen Gesprächs finden Sie hier einen Katalog von mö glichen Gesprächsimpulsen, die als Anregung für eigene Fragen genutzt werden kö nnen. Es bietet sich bei einigen Fragen z.B. an, sie mit ersten eigenen Eindrücken zu verbinden. • Fragen an Schauspieler: • • • • • • • • • Fragen an den Regisseur: • • • • • • • • Fragen bezogen auf das jeweilige Stück bzw. die jeweilige Aufführung Was an Ihrer Rolle finden Sie besonders reizvoll oder interessant? Welche andere Rolle in dem Stück würden Sie auch gerne spielen? Welche Szene macht Ihnen am meisten Spaß ? Welche Szene fiel Ihnen bei den Proben am schwersten? Was gefällt Ihnen an der Figur, die Sie verkö rpern, was missfällt Ihnen? Gefällt Ihnen das Ende des Stückes im Hinblick auf die Rolle, die Sie spielen? Wie schwer ist es, unabhängig von der eigenen momentanen Laune, Ihre Rolle überzeugend zu spielen? Sind Ihnen schon Fehler unterlaufen? Welche? Gab es in der heutigen Aufführung Pannen? Wie bereiten Sie sich auf Ihre Rolle vor jeder Aufführung vor? Was finden Sie an dem Stück besonders reizvoll? Was gefällt Ihnen an dem Stück nicht so gut? Wie sind Sie in Ihrer Inszenierung damit umgegangen? Haben Sie eine Lieblingsfigur in dem Stück? Was gefällt Ihnen besonders gut an Ihrer Inszenierung? Womit sind Sie nicht hundertprozentig zufrieden? Haben Sie in Ihrer Inszenierung stark gekürzt? Welche Szenen oder Momente? Welche Szenen haben besonders viel Probenzeit beansprucht? Warum? Was soll das Bühnenbild mehr vermitteln als bloß e räumliche Orientierung? Inwiefern passen die verschiedenen Kostüme besonders gut zur jeweiligen Figur, zur jeweiligen Szene und zum Stück im Ganzen? Mit welcher Absicht machen Sie in Ihrer Inszenierung besonderen Gebrauch von Lichteffekten, Toneffekten und gegebenenfalls Formen der Symbolik? Was sollen die Zuschauer aus dem Stück mit nach Hause nehmen? Was hat das Stück den Zuschauern zu sagen? Allgemeine Fragen • • • • • • • • • • • • Wie sind Sie zur Schauspielerei gekommen? Wie und wo haben Sie das Schauspielern erlernt? Wie schaffen Sie es, sich den Text von gleichzeitig bis zu sechs, sieben Stücken zu merken? Wie schafft man es, eine Figur zu spielen, die ganz anders ist als man selbst? Was ist Ihre Traumrolle? Warum finden Sie Theater wichtig? Wie erleben Sie Theateraufführungen, wenn Sie Zuschauer sind? Warum finden Sie Theater wichtig? Ist es heutzutage besonders wichtig? Was unterscheidet ein Kinder- und Jugendtheater von anderen Theatern? Wie sind Sie zur Theaterregie gekommen? Was sehen Sie als Ihre Hauptaufgabe als Regisseur? Welches Theaterstück ist Ihr persö nliches Lieblingsstück? Feedback geben und einen weiteren Theaterbesuch gewinnen! Sie haben unsere Inszenierung von Herr der Diebe mit einer Schulgruppe besucht. Für unsere Arbeit ist es wichtig zu erfahren, wie Sie und Ihre Gruppe den Besuch erlebt und gegebenenfalls vor- oder nachbereitet haben. Deshalb mö chten wir Sie bitten, unseren Fragebogen auszufüllen und ihn uns zu übersenden. Als Dankeschö n verlosen wir unter allen teilnehmenden Gruppen den Besuch einer Abendvorstellung in unserem Theater in der Spielzeit 2004/05. Einsendeschluss: 30.11.2004 Datum und Uhrzeit des Besuchs: Name der Schule und Schulform: Bezeichnung der Gruppe (Klasse bzw. Jahrgangsstufe und Kurs): Anzahl der Gruppenteilnehmer: Name, Adresse und Tel. des/r Gruppenleiters/in: (1) Wie häufig besuchen Sie unser Theater mit Schulgruppen? o mehrmals jährlich o ungefähr einmal pro Jahr o alle 2-3 Jahre einmal o zum ersten Mal (Erläuterung: ____________________________________________________________________________) (2) Welche anderen Theater besuchen Sie mit Ihren Schülern? ______________________________________________________________________________________ (3) Wie sind Sie auf unsere Inszenierung von Herr der Diebe aufmerksam geworden? o unser Programmheft o Kollegen, Bekannten, etc. o Schüler o Presse o ________________ (4) Wie hat Ihnen unsere Inszenierung gefallen? ______________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________ (5) Wie hat Ihrer Gruppe unsere Inszenierung gefallen? ______________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________ (6) Haben Sie den Theaterbesuch in Ihrem Fachunterricht vor- oder nachbereitet? o ja (Fach: _____________ Vor- oder Nachbereitung? ____________________ Stundenvolumen: ____) o nein (7) Haben Sie die von uns bereit gestellten Arbeitsblätter im Zusammenhang mit dem Theaterbesuch im Unterricht eingesetzt? o ja (Welche Seiten? ______________________) o nein (8) Welche Arbeitsblätter gefallen Ihnen gut, welche weniger gut? gut: ________________________ weniger gut: _________________________ (Erläuterung: ____________________________________________________________________________) (9) Haben Sie Wünsche an bzw. Vorschläge für Unterrichtsmaterialien, die wir für Schulklassen zur Vor-/Nachbereitung eines Theaterbesuchs erstellen lassen? ______________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________ (10) Gibt es ein bestimmtes Werk, das Sie bzw. Ihre Schüler uns zur Inszenierung vorschlagen mö chten? ______________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________ (11) Sonstige Bemerkungen: ______________________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________________ Vielen Dank für Ihre Mühe! Bitte übersenden an: Junges Theater Bonn - Feedback zu Herr der Diebe Hermannstraß e 50 53225 Bonn Fax: 0228-9739463 E-Mail: [email protected]