bs_2008-08_finanzer
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Kultur 42 Häuser und Leute Die „Finanzerhäuser“ und ihre Bewohner Im heurigen Sommer fiel das „Neue Zollamt“, das 1922/23 erbaut und bezogen wurde, der Spitzhacke zum Opfer. Obwohl manche den Abriss dieses markanten Baus am See bedauerten, der Denkmalschutz fand den Bau für nicht erhaltenswürdig. Nun wird an seiner Stelle eine teure Wohnanlage entstehen. Dieses Ereignis möchte ich nützen, um einen kurzen, geschichtlichen Rückblick auf die Harder Finanzerhäuser und ihre Bewohner zu wagen. Die offenen Seegrenzen zu unseren Nachbarländern Deutschland und Schweiz waren schon zur Kaiserzeit im 19. Jahrhundert Anlass, diese offene Grenze von Hard aus durch eine Zollwachabteilung kontrollieren zu lassen. Zu diesem Zwecke mietete der Staat im 1876 von Hermann Steurer erbauten Haus neben der Dorfbachmündung Amts- und Wohnräume für den Zoll. So kennen alte Harder dieses 1970 abgebrochene Haus unter dem Namen „Altes Finanzerhaus“ oder „Altes Zollamt“. Junge Zöllner aus der ganzen Monarchie kamen so nach Hard, wie die Volkszählung von 1910 ausweist. Aus Trient und Altes Finanzerhaus um 1900 Hochzeitsbild Rosa und Franz Heißl – 1919 Tirol stammen die Namen Zerz, Plant, Auer, Eder und Mayrhofer aus Oberösterreich. Auch der Steirer Johann Heißl war dort wohnhaft. Er heiratete 1919 die Harderin Rosa Kloser und wohnte später bei den Schwiegereltern in der Hofsteigstraße. Rosa war die Tochter des Harder Maurermeisters Franz Kloser. In den Jahren 1922/23 ließ der Staat dann das „Neue Finanzerhaus“ an der Kohlplatzstraße beim Baggerloch errichten. Neben diesem Bauauftrag wurden in ganz Vorarlberg noch andere Zollamtsbauten durch die renommierte Harder Baufirma Heimbach und Schneider ausgeführt. Auch in diesem Haus waren wieder Amtsräume und Wohnungen für Finanzer. Zahlreiche Zöllner aus ganz Vorarlberg und aus Innerösterreich kamen so als Ledige oder mit jungen Familien nach Hard, wo sie sich später oft mit ihren Familien mit eigenen Häusern niederließen. Hier einige Familien mit ihren Ursprüngen: Küng aus Götzis (13 Kinder), Wurzer aus Kärnten (7 Kinder), Hoch aus Feldkirch, Heinzle aus Götzis, Hollenstein aus Lustenau, Zach aus Kärnten u.v.a. Nie dabei waren gebürtige Harder, denn sie begannen ihre Laufbahn beim Zoll immer ausserorts. Der pensionierte Zollwachbeamte Kurt Wurzer erzählt über seine Kindertage im neuen Finanzerhaus in den Jahren 1937 bis 1941 Ich war noch keine zwei Jahre alt, als unsere Familie einen Wohnungswechsel, und zwar von der Stadt Dornbirn nach der Bodenseegemeinde Hard machte. Diese Marktgemeinde wurde dann für das weitere Leben meine Heimat und ist es auch heute noch. Unsere Familie bekam damals im Zollamtsgebäude in Hard eine Wohnung zugewiesen und Vater verrichtete seine letzten Dienstjahre bis zu seiner Pensionierung. Ich habe nur noch wenige Erinnerungen an diese Zeit, möchte sie aber doch festhalten. Ganz nahe dem Zollamtsgebäude, wo wir zu Hause waren, war der große Umschlagplatz einer Kies- und Baggerfirma. Das war direkt am so genannten Baggerloch, wie die Harder den Hafen nannten. Dieser Kies-Umschlagsplatz war für uns Kinder ein herrlicher Spielplatz. Man darf sich das nicht, wie etwa heute für Kinder, als besonders gefährlich vorstellen, denn sonst wären wir sicher vertrieben worden. Wir hatten dort bei den großen Kies- und Sandhaufen fast unumschränkte Freiheit. Nur selten einmal waren wir einem Arbeiter oder Kultur 43 Neues Finanzerhaus Marlies und Thomas Goller 1956 Capo so im Wege, dass er uns fortschickte. Kies und Sand wurden damals hauptsächlich mit Pferdefuhrwerken abtransportiert. Es waren schwere Gäule, die diese Lasten ziehen mussten, und wir bewunderten immer die Gespanne der Tiere und ihre Kraft. Bei den meisten Fuhrwerken baumelte unten am Gestell des Wagens ein kleines Fässchen, in dem sich der Kutscher seinen Most zum Trinken mitnahm. Aber auch die braven Pferde bekamen während der Wartezeit ihren Hafer und einen Eimer Wasser. Von Stress bei der Arbeit hatte man damals noch nicht geredet. Hier war die Welt wenigstens noch heil. Es gab noch viele herrliche Spielmöglichkeiten in der Nähe unserer Wohnung. Da war zum Beispiel die Firma Lumpert, die einen Zimmermann-Betrieb hatte. Für uns Kinder ein herrlicher Spielplatz, das große Freigelände mit den riesigen Stapeln von Brettern und Balken. Auch hier kam es nur selten vor, dass wir von einem Vorarbeiter verjagt wurden. Wir wussten aber andererseits auch, dass wir den Arbeitern bei Kurt Wurzer (Jahrgang 1935) Frau Goller mit den Kindern Christiane und Marlies 1975 ihrer Dienstverrichtung nicht im Wege stehen durften und von den gefährlichen Maschinen einen großen Abstand halten mussten. Zwischen der Firma Doppelmayer und dem Zollamtsgebäude, dort wo viele Jahre später der Betrieb der Firma Franke errichtet wurde, befand sich zu meiner Kindheit noch ein Teich mit dem Grundwasser des Sees. Es war stehendes Wasser und als solches sehr übel riechend, da es noch als Schuttablage verwendet wurde. Frösche hatten sich dort angesiedelt, die ganz besonders zur Laichzeit allabendlich ein lautes Froschkonzert aufführten. Wir nannten es immer nur das Krottenloch. Es war kein schöner Anblick, dieser Müllablageplatz mit dem stinkigen Wasser, aber es gehörte eben auch zu meiner Kindheit. Fast genau 50 Jahre lebte z.B. die Familie Thomas und Marlies Goller im Finanzerhaus. Ihre Heimat war Osttirol und Kärnten. Im Herbst 1957 bezogen sie als junge Familie eine Dienstwohnung, Thomas Goller arbeitete als Beamter im Zollamt Bregenz, zuletzt als Amtsvorstand. Bis zum Verkauf des Hauses an einen privaten Bauträger, hielten beide bis ins Jahr 2006 die Stellung und übersiedelten dann in den Lehenweg. Beide engagierten sich bei den Harder Sängern und beim Kirchenchor. Thomas stieg in die Gemeindepolitik ein, war 25 Jahre im Kulturausschuss, war Obmann des Vereins für Musikerziehung und Mitbegründer der Harder Musikschule. Marlies wurde vielen Frauen in Hard und Bregenz durch ihre Arbeiterkammer-Nähkurse und durch ihr Fachwissen zur willkommenen Lehrerin. Ihre beiden Töchter studierten und arbeiten jetzt in Wien und Innsbruck. Mit Wehmut erinnern sich Gollers an das angenehme Wohnen und die gute Wohngemeinschaft im „Neuen Finanzerhaus am See“. Archivar Ernst Köhlmeier