CH-Migrationspolitik

Transcrição

CH-Migrationspolitik
IROKO
Die Flüchtlingszeitung der Teilnehmenden des Iroko-Treffs für MigrantInnen des
Schweizerischen Roten Kreuzes Kanton Zürich.
Flüchtlingszeitung
Zürich, 20. Juni 2009
Inhalt
Editorial
Redensarten
Diese Zeitung ist das Produkt der rund 50 Frauen,
Männer und Kinder des
Treffs Iroko. Sie haben die
Themen bestimmt, Texte
verfasst, gezeichnet oder
sich laut und leise eingebracht - alles als «work in
progress».
Seiten 3 und 4
Pages 3 et 4
Facts & Figures
CH-Migrationspolitik
Seite 1, 2
Sur Iroko, page 3
Die Geschichte des IrokoTreffs, Seite 3
Schweizer Asylgesetz,
Seite 4
SRK Kanton Zürich,
Mission, Seite 3
Rezepte aus Afrika
Aux pages 1, 3 et 4
Seiten 1, 3 und 4
Ein Tag im Leben
Aux pages 2, 3, 4
Seiten 2, 3, 4
Kinderzeichnungen
«Hier sieht man einen Delfin. Er schwimmt. Ich wollte einfach eine schöne Zeichnung machen», sagt die 11
Jahre alte Jonata. Ausser dem Zeichnen mag sie in der Schule «Handsgi und Schreiben.»
CH-Migrationspolitik
Die Analyse zeigt, wie sich die Lage zunehmend verschärft
Als Folge von Globalisierung, Kriegen, Wirtschaftsund Umweltproblemen ist
Migration ein strategisches
Thema reicher Länder.
Von Ivan Mayasi et al.
Alle Zeichnungen in dieser Zeitung sind im Rahmen des IrokoKinderhütedienstes entstanden.
Unter Aufsicht von Freiwilligen
spielen, basteln und zeichnen
Kinder unterschiedlicher Altersklassen zusammen, während ihre
Eltern am Iroko-Treff teilnehmen. Die Kinder haben ihr Sujet
frei gewählt und danach kommentiert. «Schöne Farben» titelt
Dominique (5) sein Werk (oben).
Das Titel-Signet links oben
stammt von Bessie (5).
Das ist Grund genug, die
schweizerische Einwanderungsund Asylpolitik unter die Lupe zu
nehmen. Starten wir mit einem
Überblick über die Entwicklung
der Migration in die Schweiz.
Seit Gründung des modernen
Staates 1848 hat die Schweizerische Eidgenossenschaft mehrere
bedeutende Einwanderungswellen
erlebt. Als Folge der gescheiterten bürgerlichen Revolutionen im
europäischen Ausland nahm sie
von 1848 bis 1880 zunächst rund
100 000 politische Flüchtlinge
auf. Eine weitere grosse Einwanderungswelle fand zwischen den
Jahren 1888 und 1910 - zur Zeit
des Wirtschaftswachstums und der
Konstruktion des Eisenbahnnetzes
statt. Etwa eine Viertelmillion Arbeiter konnten sich in der Schweiz
frei niederlassen und verfügten
über weit reichende berufliche
Freiheit. Während und nach dem
Fortsetzung auf Seite 2
Kongolesisches Maman
Mengen für 3 Personen. Vorbereitungszeit: 2 Stunden.
Zutaten
500g getrocknete Bohnen
(schwarze Bohnen)
1 bis max. 2 Kaffelöffel Salz
3 Zwiebeln, 4 Knoblauchzehen,
2 Lorbeerblätter
0.5 dl Oel
1 geschälte Tomate, Aromat
Zubereitung
Die Bohnen während 30 Minuten
im gesalzenen Wasser kochen, bis
sie bissfest sind.
Sauce
Knoblauchzehen, geschälte
Tomate und Zwiebeln zerkleinert
mit den Loreerblättern
in Oel kochen, mit Aromat
würzen
10 Minuten köcheln lassen, Bohnen und Sauce mischen
Dieses Essen passt gut zu Reis
oder Teigwaren.
Dabei konzentrierten
sich die Frauen kollektiv
auf die Kochrezepte. Die
Mengenangaben entstanden aus dem Stegreif, das
Aufschreiben wurde zur
Herausforderung: Wie viel
Reis für wie viele Personen, welchen Fisch und
wie lange kochen? Und
wo ist was in der Schweiz
überhaupt erhältlich? Die
wenigsten Frauen waren
sich gewohnt, genaue Angaben zu machen.
Überraschend auch die
Sprichwörter, die vertraut
sind, aber in anderen Bildern ausgedrückt werden.
Das traditionelle Geschichtenerzählen offenbart
sich auch in den Texten
über die Erfahrungen der
Flüchtlinge im Herkunftsland und in der Schweiz.
Ein Teilnehmer stellte
Nachforschungen an zur
Schweizer Einwanderungsgeschichte und -politik und
präsentiert die Resultate
aus seinem Blickwinkel.
Die Kinder lassen uns
mit ihren Zeichnungen an
ihren Träumen teilnehmen,
zeigen aber auch ihren
prekären Alltag und ihre
unsichere Zukunft.
Sie sehen, es gibt viel
Abwechslungsreiches zu
lesen. Wir wünschen Ihnen
spannende Lektüre und
Inspiration mit dieser Zeitung!
Ihr Iroko-Team
Impressum: AutorInnen: Die Texte wurden von den Frauen und Männern des Iroko-Treffs bestimmt und verfasst. Zeichnungen: Sie stammen von den Kindern der Flüchtlinge, die am Iroko-Treff teilnehmen. Redaktion, Layout: Silvia Schütz. Graphik: René Birrer. Übersetzung, Koordination: Heidi Schär Sall. Druck: gdz-print, Zürich. (Hg.): SRK Kanton Zürich, Kronenstrasse 10, 8006 Zürich, Abteilung Migration. Wo
nicht anders gekennzeichnet, wurden Themen und Inhalt von den Flüchtlingen bestimmt. Die Texte der Rubrik Facts & Figures steuerte das SRK Kanton Zürich bei. Kontakte: Abteilung Migration, Eve Ehrensperger Sharan, Leiterin, Tel 044 360 28 56. Iroko-Treff, Heidi Schär Sall, Leiterin, Tel 044 360 28 60. Medien, Silvia Schütz, Tel 044 388 25 55.
IROKO LA PAGE POUR CUIR -------- IROKO DIE SEITE DER ZEICHNUNGEN ---------- IROKO LA PAGE POLITIQUE ----------- IROKO DIE
Fortsetzung von Seite 1
Ersten Weltkrieg wurde der ungehinderte Zuzug der Menschen
begrenzt.
«Im Kanton Zürich herrscht
eine Lotterie der Härtefälle»
In der Wirtschaftskrise der 30er
Jahre sowie im Zweiten Weltkrieg
sank der Ausländeranteil noch
einmal deutlich. Auch wenn die
Schweiz zahlreichen politisch
Verfolgten Asyl gewährte, wurden
viele andere bedrohte Flüchtlinge
an den Grenzen abgewiesen. In der
Nachkriegszeit führte der Bedarf an
Arbeitskräften zur bislang grössten
Migrationswelle in der Geschichte
der Schweiz. Dabei war die Ausländerpolitik zunächst anhand des
Rotationsprinzips konzipiert. Nach
und nach aber richteten sich die
ersten Saisonniers italienischer
Herkunft in der Schweiz ein. Ihnen
folgten Spanier und Portugiesen,
später auch Menschen aus dem
ehemaligen Jugoslawien. Anfang
der 1980er Jahre dann erschien
eine neue Art von Migranten: Asylsuchende. Zuerst waren es einige
tausend, aber im Jahre 1991 betrug
die Zahl der Asylgesuche mehr als
40 000. Parallel zum sprunghaften
Anstieg der Gesuchszahlen ist
aber die Anerkennungsquote stark
gesunken. Heute werden nur noch
10 000 bis 20 000 Asylgesuche pro
Jahr eingereicht.
Die von Moisette gezeichnete Hand scheint Stopp! zu
signalisieren.
Die Schweizer Politik wurde oft
beeinflusst von der Angst vor dem
Fremden, dem Ausländer, der berüchtigten «Überfremdung». Dies
führte zu einer Serie von Verschärfungen der Ausländer- und Asylgesetze, häufig unter Missachtung
internationaler Konventionen, die
auch von der Schweiz unterzeichnet worden sind. Die vergangenen
Jahre sind geprägt von nicht enden
wollenden öffentlichen Debatten
über Ausländer, Asyl und Migration
– woraus populistische Parteien ihr
Geschäft zu machen versuchen.
Grundsätzlich lassen sich ökonomische und humanitäre Migrationsgründe unterscheiden.
Zunächst zur Wirtschaftsmigration: Seit 2002 ist das duale (zweigleisige) System der Einreise in
Kraft. Unterschieden wird zwischen
Staatsangehörigen aus der EU und
2
der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), die Personenfreizügigkeit geniessen, und Auswanderern aus anderen Ländern, die
anhand ihrer Qualifikation und der
Nachfrage der Wirtschaft ausgewählt werden.
Zur humanitären Migration:
Diese ist charakterisiert durch eine
sehr restriktive Asylpolitik, welche in jüngster Zeit eine Serie von
weiteren Verschärfungen erfuhr,
zuletzt im Jahr 2006. Es stellt sich
dabei die Frage, inwiefern diese
letzte Revision des Asylgesetzes
die Probleme der alten Rechtslage
tatsächlich gelöst hat. Die Antwort
muss negativ ausfallen, da diese
Verschärfungen viele Migrantinnen
und Migranten, die seit langem in
der Schweiz leben, in eine extrem
prekäre Lebenssituation gestürzt
haben.
La vue des enfants - der Blick der Kinder
Jonata (11) aus Angola hat ausser dem Delfin auf dem Titelbild
noch das Pferd, den Regenbogen
(Seite 3) und das Haus gezeichnet. «Das Pferd auf der Zeichnung ist glücklich. Ich würde
gerne reiten, aber das geht nicht.
Dafür bin ich in der Meitlirie-
ge, das ist auch gut.» Weniger
gut findet sie ihr Haus: «Das ist
das Haus, in dem ich wohne. Ich
teile mein Zimmer mit meiner
Schwester und meinem Bruder.
Alles ist sehr klein. Es ist alt und
nicht schön dort. Ich bekomme
auch kein Taschengeld, das ge-
fällt mir nicht. Ich hätte gerne
einen neuen Computer. Der
alte ist so langsam.» Den Regenbogen mag sie: «Unten sieht man
Geld. Ich mag Regenbögen, weil
sie schöne Farben haben. Meine
Lieblingsfarben sind ganz viele:
gelb, orange, rot, blau...».
«Ich habe zwei Bilder gemalt»,
sagt Moisette. «Auf dem ersten
Bild ist meine Hand. Auf dem
zweiten Bild hat es Monster,
Blumen, Maschinen und Dinosaurier (Mitte links). Ich komme aus dem Kongo und bin vier
Jahre alt.» Naomie «aus Afrika»
liess sich sich zu einem Vogel
mit Vogelhaus inspirieren (Mitte rechts). Auf Objekte hat sich
Fizz (5) konzentriert und nennt
sein Werk «Schloss und Steine
am Strand» (unten links) und
Blessie (5) zeigt grosses Talent
für Signete: Von ihm stammt das
Muster auf dem Titelblatt dieser
Iroko-Flüchtlingszeitung und
gut erkennbar taucht dasselbe
Motiv auch in seiner Zeichnung
(rechts oben) auf.
«Die neue Situation nötigt
zu kleinen Delikten wie
etwa dem Schwarzfahren»
Die neue Situation begünstigt das
Klima für ein friedliches Zusammenleben in keiner Weise, denn
sie nötigt verschiedene Personen
zu kleineren Delikten (wie z.B.
Taschendiebstahl oder das Nichtbezahlen der Tram- und Zugabonnemente).
Heute befinden sich mehrere
Familien, deren Kinder in der
Schweiz geboren wurden und hier
auch zur Schule gehen, in grösster
Not. Die Härtefallregelung könnte
zwar eine Lösung sein für die so
genannten «Altfälle», das heisst
von Personen, die seit langem in
der Schweiz leben, integriert sind
und die Rechtsordnung respektieren. Das Problem ist aber, dass der
Kanton Zürich bei der Anerkennung von Härtefällen eine sehr restriktive Praxis anwendet. Diese stellt
eine Form der Ungerechtigkeit dar
für Personen, die im Kanton Zürich
leben im Unterschied zu Personen
aus anderen Kantonen, wo es die
Härtefallregelung ermöglicht hat,
zahlreiche Menschen aufzunehmen.
Deshalb spricht man heute auch
von einer «Lotterie der Härtefälle».
Autoren:
Ivan Mayasi hat die Analyse zusammen mit anderen BesucherInnen
des Iroko-Treffs geschrieben. Wie
viele afrikanische Namen hat auch
Mayasi eine Bedeutung. Nämlich:
«Ce qui m’appartient». («Das, was
mir gehört»).
Ndolé camerounais
Zutaten
Zubereitung
2 Kilo Rindfleisch (kann mit
getrocketem Stockfisch, Kabeljau ersetzt werden)
Frische Crevetten nach Wunsch
1 kg Ndoléblätter (in afrikanischen oder indischen Läden erhältlich)
0.5 dl pflanzliches Oel
0.5 kg ungeröstete Erdnüsse,
deren harte Schale bereits
entfernt wurde (in afrikanischen
oder indischen Läden erhältlich)
1 Lauch
2 Bouillonwürfel
Chili nach persönlicher Vorliebe
Schwarzer und weisser Pfeffer
Salz
1 Die Ndoléblätter mit Salz gut
waschen («abreiben»), bis der
Geschmack der Ndoléblätter
seine Bitterkeit verliert
2 Lauch und Zwiebeln waschen
3 Die Erdnüsse im heissen Wasser kochen, danach die Haut entfernen indem man sie mit den
Fingern über den Tisch rollt, bis
sich die Haut ablöst
4 Erdnüsse, Knoblauch, Ingwer
und Chili im Mörser zerstossen,
Lauch und Zwiebeln zerkleinern
5 Einen Teil der Zwiebeln im
heissen Oel andünsten
6 Fleisch oder Fisch, in Würfel
geschnitten, und anschlies-
send Crevetten dazugeben und
mitdünsten
7 Salz und bei Bedarf ein wenig
Wasser beifügen
8 Nach 5 Minuten die zerstossenen und kleingeschnittenen
Erdnüsse, Knoblauch, Ingwer,
Chili, Lauch beifügen
9 20 bis 25 Minuten kochen lassen
10 Ndoléblätter, Bouillonwürfel, schwarzer und weisser
Pfeffer beifügen
11 Das Ganze während 10 Minuten weiter köcheln lassen
Kann kalt oder warm genossen
werden. Beilagen: Kochbanane,
Ignam (Yams) oder Maniok.
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Mission des SRK
Kanton Zürich
Der Iroko-Treff §
Iroko entstand 2005 in der
Migrationsabteilung des
SRK Kanton Zürich als
wöchentlicher Treff für
Personen, die aus der
Ausschaffungshaft entlassen wurden. Ursprünglich
bot der Treff Information, Beratung und sozialen
Austausch. Von Anfang an
wurde er von Freiwilligen
mitgetragen. Die Teilnehmenden zählen zu den
vulnerablen Personen unterschiedlicher afrikanischer
Herkunftsländer. Mit der
Zeit wurde die reine Beratung von Iroko ausgelagert
und die Rat Suchenden an
die interne SOS-Beratung
verwiesen. Die Anzahl der
Teilnehmenden stieg kontinuierlich an, im 2008 nahm
sie sprunghaft zu. Heute
sind es rund 50 Teilnehmende, ebenso viele Männer
wie Frauen. Die Kinder
werden in einem Nebenge-
bäude von Freiwilligen betreut. Seit 2009 ist eine neue
Treffleiterin verantwortlich
für Iroko. Aus der ursprünglichen Idee des thematischen
Inputs und Austausches
wurde mehr und mehr die
Idee des selbstbestimmten
Lernens im Sinne der Befreiungspädagogik Paolo
Freires entwickelt, welches
sich hier in Form eines eigenen Produktes - dieser Zeitung- ausdrückt.
Als Mitglied des Schweizerischen Roten Kreuzes erfüllt das
SRK Kanton Zürich wichtige
humanitäre Aufgaben auf kantonaler Ebene. Im Mittelpunkt
steht dabei die Würde jedes einzelnen Menschen, unabhängig
von seinem Status oder seiner
Herkunft. Dafür setzt sich das
SRK Kanton Zürich mit Zivilcourage und Überzeugung ein.
Das SRK Kanton Zürich engagiert sich in den Kerntätigkeitsfeldern Gesundheit, Soziale
Integration und verstärkt auch
im Bereich Migration/Asyl.
Eve Ehrensperger Sharan,
Leiterin Abteilung Migration
Aimé Kikundi (rechts) ist die Tante von Marie-Jeanne Kikundi. Beide
Frauen stamen aus dem Kongo. Kikundi bedeutet «Celui qui aime le
groupe» - «Diejenige, die die Gruppe liebt».
Foto: Silvia Schütz
Unter Integration versteht
das SRK Kanton Zürich den
Einbezug aller in der Schweiz
lebenden Personen in die gesellschaftlichen Prozesse und
der gleichberechtigte Zugang
zu wirtschaftlichen, sozialen
und politischen Ressourcen für
alle.
Proverbes congolais
Ein Leben in der Schweiz suchen
Das Asylgesetz wird kantonal angewendet - zum Leidwesen der Flüchtlinge
Ein Leben in Afrika, ein Le-
ben in der Schweiz. Beides kennt unser Autor. Er
schildert seine Eindrücke
von der Schweiz und seine
täglichen Herausforderungen in diesem Land.
Von L‘ Africain
Der afrikanische Alltag ist unkompliziert und bietet Zukunftsperspektiven, vor allem wenn du
dich einsetzt, Projekte planst, deine
Steuern bezahlst, kurz gesagt, wenn
du die internen Gesetze beachtest
wie in anderen Ländern. Alles ist
einfach, bis deine Träume zu Asche
werden, weil eine Person dein Leben zerstören will. Dies ist nur eine
Zusammenfassung meines Lebens.
Falls ich euch meine Geschichte erzählen soll, würde ich wieder
eine Wunde aufreissen, welche jetzt
verheilt ist. Zudem bin ich jemand,
der die Gegenwart mag und immer
vorwärts gehen möchte. In dem Fall
ziehe ich es vor, Ihnen mein aktuelles Leben vorzustellen.
Betreffend mein Leben in der
Schweiz ist mir erstens aufgefallen,
dass die Politiker sich damit beschäftigen, die Bevölkerung gegen
die Ausländer aufzubringen. Die am
meisten anvisierten Leute sind Afri-
kaner. Wenn über Ausländer geredet wird, sind wir die ersten, welche vielen Menschen in den Sinn
kommen, auch wenn wir nicht immer involviert sind. Deshalb sind
wir als Asylsuchende ganz verlassen; niemand kann uns weder Hilfe
leisten noch verteidigen. Die oben
erwähnten Politiker setzen sich zu
Tisch und treffen Entscheidungen,
ohne jemanden zu kontaktieren,
obwohl das Land als demokratisch
und als Hort der Menschenrechte
gilt. Was machen die Politiker für
Menschen in der Not, welche in der
Schweiz sind?
Ich weiss, dass der Grossteil
der Bevölkerung nicht weiss, wie
schlimm die Lage ist. So möchte
ich Ihnen gerne berichten, was wir
jede Sekunde in der Schweiz erleben und genauer in meinem Kanton
Zürich.
Als an eine Gemeinde Zugewiesener befinde ich mich in einem
Zimmer, in dem wir wie in einem
Vogelkäfig eng aufeinander leben.
Ich kann einen Termin mit dem
Zahnarzt einmal pro Woche und um
eine bestimmte Uhrzeit abmachen.
Ich darf an zwei Stunden Deutschunterricht pro Woche teilnehmen.
Wir bekommen 8 Franken pro Tag,
mit denen wir Essen, Kleider und
Fahrtickets kaufen. Für diejenigen,
die arbeiten dürfen, gibt es als Be-
schäftigung noch die Arbeitssuche.
Die ist aber fast aussichtslos, weil
die Arbeitgeber sagen, dass wir die
deutsche Sprache nicht gut genug
können, dass wir keine Erfahrung
haben, dass sie niemanden mit einer N-Bewilligung anstellen. Sie
schauen gar nicht auf deine Fachfähigkeiten, auch wenn du ein Diplom
vorweisen kannst. Weiter kannst du
sowieso nicht einmal deinen eigenen Beruf ausüben, für welchen du
dein ganzes Leben gelernt hast.
«Was machen die Politiker
für Menschen in Not, welche in der Schweiz sind?»
Das ist eine Art uns zu sagen, dass
die afrikanischen Diplome wertlos
sind. Finden Sie es menschlich, derart behandelt zu werden?
Ich möchte erwähnen, dass ich
meinen Fall erzähle und andere viel
Schlimmeres erleben. Schliesslich
möchte ich gerne hinzufügen, dass
diese Politiker Sie nicht darüber informieren, warum wir Asyl in der
Schweiz suchen. Wir verlassen unsere Familien, unsere Kinder, Heime
und Arbeit gegen unseren Willen.
Wir hatten die Wahl zwischen gefoltert oder bedrängt werden oder der
Flucht. Leider sind wir Opfer eines
afrikanischen Systems, in dem nur
die Menschen Recht haben können,
welche das Land regieren.
Wissen Sie, dass wir sehr solidarische Menschen sind, welche
die Schweizer Kultur gerne haben
und die internen Gesetze beachten.
Wir bitten bloss, willkommen zu
sein und gut integriert zu werden.
Wir arbeiten gerne und bitten bloss,
selbständig zu sein und auf den Arbeitsmarkt überhaupt zugreifen zu
dürfen, so dass wir Einkommen haben und Steuern bezahlen, intensiv
Deutschkurse besuchen und Versicherungen bezahlen können - kurz
gesagt: uns gleichwertig fühlen
können gegenüber von Schweizern
und Schweizerinnen.
Sehr geehrte Leser und Leserinnen, ich hoffe, dass Sie einen Überblick darüber bekommen haben,
was wir Ausländer bei Ihnen erleben. Ich hoffe, dass diese Nachricht
dank Ihnen verbreitet wird. Ihre Reaktionen sind willkommen. Danke
und bis ganz bald.
Der Autor, der das Pseudonym
«L‘Africain» benutzt, ist erreichbar via heidi.schaer@srk-zuerich.
ch.
lll
«L‘éléphant ne se fatigue pas à
porter ses ivoires»
(Il ne faut pas perdre le courage)
«Der Elefant wird nicht müde,
seine Zähne zu tragen»
(Man soll den Mut nicht verlieren)
lll
Beignets
Nachtisch für zehn
Personen
Zutaten
Zusammen vermengen:
1 kg Mehl
1 Päcklein Trockenhefe
Die Hälfte einer mittelgrossen Packung Kokosnussraspeln (gibt es zum Beispiel bei
der Migros)
500 g Zucker
0.5 Liter lauwarmes Wasser
Zubereitung
1 Ein wenig Wasser in einen
Topf füllen
2 Einen Liter Oel in die
Fritteuse oder in eine Pfanne
giessen und warm werden
lassen
3 Kugeln für die Baignets
von Hand formen
4 Jedesmal, nachdem man
die Kugeln geformt und in
das heisse Oel gesetzt hat,
sollte man
5 die Hände im Topf mit
Wasser waschen.
3
DER SFR 8.- ------- IROKO LA PAGE DES PROVERBES -------- IROKO LA PAGE DES EXPERIENCES -------- IROKO DIE SEITE DER REDEN
M-Gutschein für Uniabschluss
Herr Bakala aus der DR Kongo schildert seinen Schweizer Weg der Ernüchterung
Herr Bakala kommt aus
dem Kongo (DR) und hat
einen Abschluss in Internationalen Beziehungen von
der Uni Kinshasa. 2004
floh er in die Schweiz und
lebt nun unfreiwillig von
Migros-Gutscheinen.
Von Bakala Kia Nkuba
Nach Abschluss seines Studiums hat Bakala Kia Nkuba während drei Jahren (2001-2004) als
Zivilpersonal der kongolesischen
Militärkräfte gearbeitet. In dieser
Zeit hat er zu Hause mit seiner Familie gelebt, das heisst mit seiner
Frau und seinen Zwillingen, beides
Töchter. Vor vier Jahren (Oktober
2004) ist Herr Bakala Kia Nkuba
in die Schweiz geflohen, weil er
vom Geheimdienst bedrängt worden ist. Er musste unfreiwillig seine Familie verlassen.
Nach seiner Einreise in die
Schweiz wurde sein Asylgesuch
abgelehnt. Innerhalb von 11 Tagen
hat er die zwei negativen Entscheide erhalten. Weil er sich geweigert
hat, in die Demokratische Republik
Kongo zurückzukehren, musste er
39 Tage ins «Flughafengefängnis»
(Ausschaffungsgefängnis). Vom
Dezember 2004 bis Juli 2005 hat
er ein Zimmer im Zentrum von
Volketswil mit zwei weiteren Personen geteilt.
Im Juli 2005 wurde er nach
Gibswil transferiert, wo er in einer kleinen Wohnung mit anderen
Asylsuchenden gewohnt hat und
im Brockito für 250 Franken pro
Monat gearbeitet hat. Im August
2007 kommt Frau Bakala ohne die
Kinder in die Schweiz. Ihr Asylgesuch wurde auch abgelehnt und
sie wurde von Kreuzlingen nach
Graubünden geschickt. Ende Oktober 2007 konnte sie bei ihrem
Mann in Gibswil einziehen.
zialhilfe. Am 3. März 2008 zieht
das Ehepaar wegen dem neuen
Asylgesetz ins Nothilfezentrum
Juch ein. Seit der Geburt ihres Babys im September 2008 leben sie
dort zu dritt. Sie bekommen 200
Franken pro Woche in Form von
Migros-Gutscheinen, welche für
alles ausreichen sollen.
Ab 2008 durfte Herr Bakala
wegen des neuen Asylgesetzes nicht mehr arbeiten.
Autor: Bakala Kia Nkuba ist ein
Pseudonym des Autors. Die geschilderten Begebenheiten entsprechen der Realität.
Ab Januar 2008 durfte Herr
Bakala nicht mehr arbeiten, weil
das neue Asylgesetz in Kraft getreten war. Gemäss diesem Gesetz
erhalten die betroffenen Personen
nur noch Nothilfe anstelle der So-
Neues Asylgesetz seit 1. 1. 2008:
Siehe Text unten «Nur noch Nothilfe auch für Kinder...».
Besonders Verletzliche - Familien mit Kleinkindern, kranke oder
behinderte Personen, unbegleitete
Minderjährige - werden teilweise
in der Nothilfe belassen, obwohl
sie gemäss der kommentierten
Nothilfeverordnung gesondert untergebracht und vor der Nothilfe
bewahrt werden sollten.
Unter anderem erhalten Personen in der Nothilfe pro Tag Migrosgutscheine im Wert von 8 Franken.
Die öffentlichen Verkehrsmittel,
die nötig sind, um eine M-Filiale
zu erreichen, können mit Gutscheinen nicht bezahlt werden - um nur
ein Beispiel zu nennen.
Der Ausschluss aus der Sozialhilfe ist bei rechtskräftig weggewiesenen Personen jedoch nicht
zwingend. Das Gesetz gibt den
Kantonen die Möglichkeit, dem
Einzelfall gebührend Rechnung zu
tragen und vom Ausschluss abzusehen. Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid
können, müssen jedoch nicht von
der Sozialhilfe ausgeschlossen
werden.
Das SRK Kanton Zürich (insbesondere die SOS-Beratung)
kommt immer wieder in Kontakt
mit besonders Verletzlichen, die
sich in der Nothilfestruktur befinden. Das SRK Kanton Zürich ist
der Auffassung, dass es sich um
eine gesetzliche und humanitäre
Verpflichtung handelt, diese Personen anders unterzubringen.
Was Sie mit 8 Franken pro Tag kaufen können
Büchsenravioli
Cervelas
Auch wenn man nur einen braucht: Die Cervelas gibt als M-Budget-
Produkt nur im 4-er-Pack.
Kosten: 3.60.-
Proverbes congolais
Die 1200g-Büchse Ravioli mit Tomatensauce
reicht für zwei Mahlzeiten. Es
gibt sie zum Budgetpreis
von 2.85.-
lll
«Ein Papagei legt keine Eier in
Gefangenschaft.»
(Der Mensch entwickelt sich nicht
in Gefangenschaft)
lll
«Man geht nicht mit einem
Schwätzer auf die Jagd.»
(Man geht nicht an einen wichtigen
Ort mit jemandem, der sich nicht
im Griff hat)
lll
«Ein Kind kann tam tam spielen
und die Alten zum tanzen bringen.»
(Man soll auf die Kinder hören)
lll
«Ich habe das Gesicht eines Affen
gewaschen.»
(Es ist nicht gut, einer gefährlichen
Person in Schwierigkeiten zu helfen)
Nur noch Nothilfe auch für Kinder, Schwangere, Traumatisierte, Gebrechliche, Kranke und Alte
Seit dem Inkrafttreten des revidierten Asylgesetzes am 1. Januar
2008 sind neu auch abgewiesene
Asylsuchende vom Sozialhilfeausschluss betroffen. Grundsätzlich bedeutet die Umteilung von
der Sozialhilfe in die Nothilfe eine
Art «finanzielle Diät». Das bereits
knapp berechnete Sozialgeld wird
in der Nothilfe nochmals gekürzt.
Erfahrungen haben gezeigt, dass
der Kanton Zürich eine besonders
restriktive Nothilfepraxis betreibt.
lll
«Wenn du in einem Land ankommst, in dem man auf einem
Fuss tanzt, musst du ebenfalls auf
einem Fuss tanzen.»
(Man soll sich an die Sitten seines
Gastgeberlandes anpassen)
lll
«Man wirft die alte Pfanne nicht
weg.»
(Man soll die alten Beziehungen
nicht vernachlässigen)
lll
«Sie haben einen Elefanten getötet, aber sie haben ihn schlecht
zerschnitten.»
(Zwar wurde die Unabhängigkeit
im Kongo angenommen, es wurde
aber schlecht damit umgegangen)
lll
«Aus Angst, vom Regen nass zu
werden, hat sich ein Krokodil in
den Fluss geworfen.»
(Vom Regen in die Traufe...)
lll
«Wie auch immer ein Ast in den
Fluss fällt; der Ast wird den Fluss
nie austrocknen.»
(Für jedes Problem gibt es eine
Lösung)
lll
Beilagen
Kochbanane, Yams,
Maniok als Beilage
Mineralwasser
«Blöterli»-Wasser kostet pro MBudget-Flasche 0. 30 Franken. Jeden
Cervelas spült man mit einem halben
Liter runter: 1.20.-
4
Orangenscheibe
Für eine ganze Orange reicht der
Restbetrag nicht, doch für 0.35.- gibt
es eine Hälfte. Frage: Wer teilt mit?
1 Kochbanane, Yams oder Maniok schälen
2 Während circa 15 Minuten mit
etwas Oel und Salz kochen (oder
mit Zucker falls es als Nachtisch
genossen werden soll)
Achtung: Beim Kauf im Laden
sollte die Kochbanane noch nicht
zu dunkel sein.