Bericht Osttürkei- und Istanbul-Reise der EKvW (25.05 – 31.05.2016)

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Bericht Osttürkei- und Istanbul-Reise der EKvW (25.05 – 31.05.2016)
Bericht Osttürkei- und Istanbul-Reise der EKvW (25.05 – 31.05.2016)
Besuch bei den syrisch-orthodoxen Christen in der Osttürkei Solidarität in schwerer
Zeit
»Lasst uns nicht allein« lautete die dringende Bitte der Gemeindemitglieder in der Stadt
Kahta. Eine Delegation der EKvW unter Leitung von Kirchenrat Gerhard Duncker besuchte
im Mai 2016 die Osttürkei und Istanbul. Auf Einladung von Bischof Gregorius, Metropolit in
Adiyaman, informierte sich die Gruppe über die schwierige Situation der syrisch-orthodoxen
Christen in ihrem uralten Siedlungsgebiet im türkisch-syrischen Grenzbereich. Seit gut 15
Jahren leitet der Bischof die Diözese mit Sitz in der 400.000 Einwohnerstadt Adiyaman nahe
des Atatürk-Stausees.
Die syrisch-orthodoxe Kirche
gehört zu den altorientalischen
Kirchen. Gottesdienstsprache ist
bis heute aramäisch - die Sprache
Jesu.
Ein
lebendiges
Gemeindeleben
erfuhr
die
Delegation bei ihrem Besuch in
der Wohnung des Gemeindevorstehers Emin Bayit, in der oft
das
gemeindliche
Leben
stattfindet. Am Abend wurde in
einem gemeinsamen Gottesdienst
des
verschleppten
Gregorius
Youhanna Ibrahim, Bischof von
Aleppo gedacht, der vor drei
Jahren im syrischen Bürgerkrieg
entführt und verschleppt wurde.
Die Besuchsgruppe in der Gemeinde in Adiyaman
Die achtköpfige Delegation war
beeindruckt von der Herzlichkeit
und Gastfreundschaft der über 50
Familien,
die
mit
Bischof
Gregorius die christliche Diaspora
in
Adiyaman
bilden.
Die
Delegation besuchte außerdem die
uralte Stadt Edessa – auch
Sanliurfa genannt, wo der Legende
nach Abraham gelebt haben soll.
Ihm zu Ehren befindet sich dort
ein
Karpfenteich und eine
Moschee. Ausserdem machte die
Gruppe einen Abstecher zum Berg
Nemrut, wo die berühmten
syrisch-orthodoxer Friedhof in Adiyaman
Löwen- und Adler-Skulpturen des Königs Antiochos von Kommagene zu besichtigen sind.
Auffallend war, dass der dort sonst übliche Tourismus scheinbar gänzlich zum Erliegen
gekommen ist – besonders zum Nachteil der Menschen, die durch Cafés und den Verkauf von
Souvenirs ihren Lebensunterhalt davon bestreiten. Ein Abstecher zum Atatürk-Stausee
machte deutlich, dass die Osttürkei durch dieses riesige Bauprojekt und den kilometerlangen
Stausee nicht nur mit Energie sondern auch mit Wasser versorgt wird und so im Rahmen des
GAP-Projektes, eines staatlichen Projektes zur wirtschaftlichen Entwicklung Anatoliens einen
riesigen Schritt in Richtung wirtschaftlicher Unabhängigkeit gemacht hat.
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Christliche Kirchen in der Türkei engagieren sich - auch für Geflüchtete. Erfahrungen
aus Istanbul.
»Alle sprechen über Syrer, aber in Istanbul kommen viele der ärmsten Flüchtlinge aus
Schwarzafrika und die Behandlung von AIDS ist für uns eine große Herausforderung« sagt
Schwester Heliodora von den Vinzentinerinnen im österreichischen St. Georgskrankenhaus in
Istanbul. Die Ordensschwestern begleiten und pflegen erkrankte Flüchtlinge seit über zehn
Jahren auch mit Unterstützung von Spendengeldern der EKvW. Sie arbeiten mit im »Istanbul
Interparish Migrant Project«, bei dem auch die evangelische Gemeinde deutscher Sprache in
der Türkei engagiert ist. »Wir versuchen, dass keiner sich allein gelassen fühlen muss« sagte
Bischof Mustafa Cetin von der syrisch-orthodoxen Kirche. In Yalova, einer Stadt bei Istanbul
leben mittlerweile 150 syrisch-orthodoxe Familien, die vor dem Bürgerkrieg geflohen sind.
Die Lage in der Türkei ist nicht nur wegen der Flüchtlinge brisant.
Minderheiten haben es hier schwer.
Das spürt auch die evangelische
Gemeinde
deutscher
Sprache.
Immer
mehr
deutschsprachige
Familien reisen aus der Türkei aus
und viele Touristen bleiben weg.
»Ihr seid dieses Jahr erst die zweite
Gruppe. Früher hatten wir bis zu
170 Besuchergruppen pro Jahr« sagt
Ursula August, Pfarrerin der
evangelischen
Gemeinde.
Die
aktuelle politische Entwicklung in
der Türkei ist für die Kirchen und
andere Minderheiten bedrohlich.
Flüchtlingslager bei Adiyaman in der Osttürkei
Ihre Existenz ist von Diskriminierung und staatlichen Willkürmaßnahmen bedroht. Eine unabhängige Presse existiert nicht
mehr. »Es gibt aber auch zivilgesellschaftliches Engagement, das Mut macht« berichtet
Gunnar Köhne. Er arbeitet seit 20 Jahren als Journalist in der Türkei und erzählte von einer
geflüchteten Unternehmerin, die erfolgreich drei Schulen für syrische Flüchtlingskinder
finanziert. Viele solcher Projekte
nennen sich Umut – das türkische
Wort für Hoffnung.
Für insgesamt sieben Tage bereiste
eine Delegation der EKvW Istanbul
und die Osttürkei, um das Leben der
christlichen Kirchen und die
Situation der Flüchtlinge näher
kennen zu lernen.
Zur
westfälischen
Delegation
gehörten
Kirchenrat
Gerhard
Duncker, Pfarrer Ralf LangeSonntag, Pfarrerin Annette MuhrNelson,
Sozialwissenschaftler
Thomas
Krieger,
Pfarrerin
Istanbul mit Blick auf den Bosporus
Stephanie Lüders, Pfarrer Martin
Vorländer, sowie Augin Yalcin und Adnan Mermertas von der Syrisch-Orthodoxen Kirche
von Antiochien in NRW.
Dortmund im Juni 2016
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Anlage 1: Reiseprogramm
Osttürkei- und Istanbul-Reise (25.05 – 31.05.2016)
25.05.2016 (Mittwoch):
Abflug ab Düsseldorf nach Istanbul, Weiterflug nach Gaziantep
Ankunft in Gaziantep
Begrüßung durch Bischof Gregorius und Übernachtung im Hotel in Gaziantep
26.05.2016 (Donnerstag):
Fahrt nach Sanlyurfa, dem alten Edessa und Besichtigung der Abrahamsgrotte und der
ehemaligen syrisch-orthodoxen Kirche, heute Kulturzentrum, Weiterfahrt zum
Attatürkystausee Teil des GAP-Entwicklkungsprojektes der Osttürkei, Weiterfahrt nach
Adiyaman, Abendempfang in der syrisch-orthodoxen Gemeinde/Bischofskirche von
Adiyaman, Übernachtungen im Hotel
27.05.2016 (Freitag):
Besuch des Nemrut-Berges und der Überreste des Kommagenkönigreiches, Besuch in der
syrisch-orthodoxen Gemeinde von Kahta, Gedenkgottesdienst für die verschleppten syrischorthodoxen Bischöfe von Aleppo, Abendempfang durch den syrisch-orthodoxen Bischof
Gregorius
28.05.2016 (Samstag):
Besichtigung des syrisch-orthodoxen Friedhofes von Adiyaman, Abflug nach Istanbul vom
Airport Adiyaman, Übernachtung im Erboy Hotel neben dem Gülhane-Park, gemeinsames
Abendessen im „Boncuk“, eingeladen Ehepaar Velten
29.05.2016 (Sonntag):
Besuch des Gottesdienstes der Deutschen Evangelischen Gemeinde und Gespräch mit
Gemeindemitgliedern, anschl. Zeit für eigene Stadterkundungen, gemeinsames Abendessen
mit der Journalistin Susanne Güsten, der Filmemacherin Martina Priessner, der
Pastoralassistentin Gerda Willam und Superior Alexander Jernej CM in der katholischen
Gemeinde
30.05.2016 (Montag)
Empfang durch den syrisch-orthodoxen Metropoliten Cetin, Führung durch den ägyptischen
Basar, Blick von den Dächern des Basars über die Stadt, Gespräch mit Prof. Dr. Konstantinos
Delikostantis (griechisch-orthodox) und Herrn Würwoll im Ökumenischen Patriarchat von
Konstantinopel, Abschlussgespräch in der deutschen Gemeinde und Abendessen mit Pfarrerin
August und Diakonin Gudrun Keller- Fahlbusch, eingeladen ist außerdem der Journalist
Gunnar Köhne
31.05.2016 (Dienstag):
Gespräch mit den Ordensschwestern im St. Georgskrankenhaus, Abflug nach Düsseldorf
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Anlage 2: TeilnehmerInnen
Kirchenrat Gerhard Duncker (EKvW)
Pfarrer Ralf Lange-Sonntag (EKvW)
Pfarrerin Annette Muhr-Nelson (EKvW)
Sozialwissenschaftler Thomas Krieger (EKvW)
Pfarrerin Stephanie Lüders (EKvW)
Pfarrer Martin Vorländer (EKHN)
Augin Yalcin (Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien in NRW)
Adnan Mermertas (Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien in NRW)
Anlage 3: Internetlinks
Syrisch-orthodoxe Metropolie Adiyaman, http://www.adiyamanmetropolitligi.org/
Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien in Deutschland, http://syrisch-orthodox.org/
Ev. Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei, http://www.evkituerkei.org/
Österreichische St. Georgs-Gemeinde Istanbul, http://www.sg.org.tr/
Institut für Diaspora- und Genozidforschung, https://www.ruhr-uni-bochum.de/idg/
Hrant Dink Stiftung, http://www.hrantdink.org/?Lang=en
Anlage 4: Literatur
Adnan Mermertas: Grenzüberschreitungen. Ein syrisch-orthodoxer Christ zwischen Orient
und Okzident, Wanne-Eickel, 2014.
Michael Rabo: Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Die wahre Geschichte einer Flucht,
2016.
Mihran Dabag / Kristin Platt: Verlust und Vermächtnis. Überlebende des Genozids an den
Armeniern erinnern sich, Paderborn, 2015.