Schmelz-Matrix-Proteine (Emdogain®) in der regenerativen

Transcrição

Schmelz-Matrix-Proteine (Emdogain®) in der regenerativen
NEUE DIAGNOSTIK U. THERAPIEN
Prof. Dr. Anton Sculean, M.S.
Radboud University Nijmegen
Medical Center
Department of Periodontology
SCHMELZ-MATRIX-PROTEINE
Schmelz-Matrix-Proteine
(Emdogain®) in der regenerativen
Parodontaltherapie
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Das Ziel regenerativer Parodontaltherapie ist die Wiederherstellung des verlorenen Zahnhalteapparates (d. h. die Neubildung von Wurzelzement, Desmodont
und Alveolarknochen). Ergebnisse aus der Grundlagenforschung haben auf die
wichtige Rolle der Schmelz-Matrix-Proteine (Enamel-Matrix-Derivative, kurz
EMD) in der parodontalen Wundheilung hingewiesen. Histologische Ergebnisse
aus Tierversuchen und aus einigen humanen Fallberichten konnten zeigen, dass
die Behandlung mit EMD die Neubildung des Zahnhalteapparates fördert. Des
Weiteren konnte in klinischen Studien gezeigt werden, dass die Behandlung mit
EMD die parodontale Wundheilung am Menschen positiv beeinflusst. Das Ziel
der vorliegenden Übersichtsarbeit ist, basierend auf der vorhandenen Evidenz
die klinischen Anwendungsbereiche für die Schmelz-Matrix-Proteine darzustellen.
Abb. 10: Vier Jahre nach Therapie mit EMD zeigte die Re-entry eine fast komplette Defektauffüllung.
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Einleitung
Ergebnisse aus der Grundlagenforschung
haben die Bedeutung verschiedener Zementtypen für die Anheftung des Zahnes
und damit auch für die reparativen Vorgänge im gesamten Parodont aufgezeigt. Das
azelluläre Zement ist das wichtigste Gewebe für die Insertion der Kollagenfasern und
spielt damit die größte Rolle für die Anheftung des Zahnes an die Alveole.
Studien von Slavkin und Boyde und
Slavkin haben gezeigt, dass Proteine, die
während der Zahnentwicklung von der
Hertwigschen Wurzelscheide sezerniert
werden, eine entscheidende Rolle bei der
Entstehung des azellulären Wurzelzements
spielen. Diese Proteine wurden als SchmelzMatrix-Proteine bekannt und werden zum
größten Teil in der Schmelzmatrix angetroffen. Sie bestehen aus einer ganzen Familie
von Proteinen, wobei 90 % aus Amelogenin
und die restlichen 10 % aus prolinreichen
Nichtamelogeninen, Tuftelin und anderen
Serumproteinen bestehen.
Auch konnte nachgewiesen werden, dass
die chemische Struktur der Amelogenine
während der Evolution mehr oder weniger
konstant geblieben ist und sogar zwischen
den einzelnen Tierspezies nur geringe Unterschiede aufweist.
In einer Serie von Tierexperimenten
über die Wurzelentwicklung bei Ratten,
Affen und Schweinen konnte immunohistologisch nachgewiesen werden, dass
die Konzentration der Amelogenine während der Zahnentwicklung stark ansteigt.
Außerdem besteht eine enge Verbindung
zwischen azellulärem Zement und Amelogeninen. Diese Ergebnisse erhielt man
auch bei der Untersuchung von Menschenzähnen, wobei in manchen histologischen
Schnitten eine dünne Schicht von hochmineralisiertem Schmelz zwischen Dentin
und Wurzelzement gesehen wurde. Diese
Beobachtung lässt die Vermutung zu, dass
die Auflagerung von Schmelz-Matrix auf die
Dentinoberfläche vor der Entstehung von
azellulärem Zement geschehen muss.
Basierend auf diesen Ergebnissen wurden in vivo mehrere Experimente am Tiermodell durchgeführt. So wurden in einem
Experiment die seitlichen Schneidezähne
zweier Affen extrahiert. Direkt nach der Extraktion wurde mesial und distal eine standardisierte Kavität in der Wurzeloberfläche
geschaffen. Die Testkavitäten wurden dann
mit einem Schmelz-Matrix-Extrakt aufgefüllt, während die Kontrollkavitäten unbehandelt blieben. Alle Zähne wurden in ihre
ursprüngliche Alveole reimplantiert. Die
histologische Untersuchung acht Wochen
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nach der Reimplantation ergab, dass sich
in den Defekten, in denen das Schmelz-Matrix-Extrakt appliziert wurde, ein azelluläres
Zement entwickelt hat, während in den unbehandelten Kontrolldefekten nur ein reparatives, zelluläres Zement entstand. Ausgehend von diesen Erkenntnissen wurden die
Schmelz-Matrix-Proteine (Enamel-MatrixDerivative, kurz EMD) aus den Zahnsäckchen nicht durchgebrochener Zähne von
jungen Schweinen isoliert, purifiziert und
lyophylisiert. Da Schmelz-Matrix-Proteine
extrem hydrophob sind, wurden sie mittels
eines Propylen Glykol Alginat (PGA) Trägers
in lösliche Form gebracht und in der regenerativen Parodontaltherapie eingesetzt.
Eine Technik oder ein Material muss folgende Evidenzkriterien erfüllen, um als „regenerationsfördernd“ eingestuft werden zu
können:
1. In-vitro-Studien, die den Wirkungsmechanismus bestätigen
2. Kontrollierte histologische Tierstudien, die eine Neubildung von Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen aufweisen
3. Humane Biopsien, die eine Neubildung von Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen auf einer
plaqueinfizierten Wurzeloberfläche
nachweisen
4. Kontrollierte klinische Studien, die
einen Gewinn von klinischem Attachment und eine radiologische Knochenneubildung nachweisen
Im Folgenden wird eine Übersicht der vorhandenen Evidenz über die Anwendung
von EMD gegeben.
In-vitro-Untersuchungen
Eine Reihe von In-vitro-Untersuchungen
wurde durchgeführt, um mehr über den
Wirkungsmechanismus der EMD auf die
Desmodontal-, Gingival- und Knochenzellen zu erfahren. So wurden in einer Reihe
von Laborversuchen die Migration, Anheftung, Proliferation, Biosynthese Aktivität
und Bildung von mineralisierten Knötchen
untersucht. Immunoassays wurden durchgeführt, um eventuell vorhandene Polypeptidfaktoren zu ermitteln. Die Ergebnisse
zeigten, dass:
a) unter In-vitro-Bedingungen EMD die
Proliferation von Desmodontalfibroblasten, nicht aber der Epithelzellen
fördern,
b) die Gesamtproteinsynthese der Desmodontalfibroblasten erhöhen und
c) die Bildung von mineralisierten Knötchen durch Desmodontalfibroblasten
fördern.
Weiterhin konnten keine spezifischen Polypeptidfaktoren wie IGF-1,2; PDGF, TNNF,
TGFβ, oder IL-1β identifiziert werden. In
weiteren Untersuchungen konnte gezeigt
werden, dass die Anheftungs-, Wachstumsund Stoffwechselrate von Desmodontalfibroblasten sich signifikant erhöhte, wenn
EMD in Zellkulturen zugefügt wurden. Mit
EMD behandelte Desmodontalfibroblasten
zeigten eine erhöhte intrazelluläre cAMPKonzentration und autokrine Freisetzung
von TGF-β1, IL-6 und PDGF AB, verglichen
mit der Kontrolle (ohne Zusatzgabe von
EMD). Obwohl die Epithelzellen auch eine
erhöhte Freisetzung von cAMP und PDGF
AB bei der Zusatzgabe von EMD zeigten,
waren deren Proliferation und Wachstum
inhibiert. Es wurde gefolgert, dass EMD
das Wachstum von mesenchymalen Zellen
fördern und gleichzeitig das der Epithelzellen inhibieren. Weiterhin fördern EMD die
Freisetzung von autokrinen Wachstumsfaktoren aus den Desmodontalfibroblasten.
Bei Gabe von EMD zeigten Desmodontalfibroblasten eine stark erhöhte Aktivität
der alkalischen Phosphatase. In neuesten
Untersuchungen konnte gezeigt werden,
dass EMD die mRNA-Synthese der Matrixproteine Versican, Byglycan und Decorin
signifikant erhöhten und weiterhin zu einer
erhöhten Hyaluronan-Synthese in den Gingival- und Desmodontalfibroblasten führten. Es ist allerdings hervorzuheben, dass
in allen Studien die EMD eine viel stärkere
Wirkung auf die Desmodontalfibroblasten
als auf die Gingivafibroblasten ausübten. In
einer experimentellen Untersuchung wurde
gezeigt, dass rekombinat hergestelltes Amelogenin sich nicht zu Kollagen oder Heparin
binden kann, wohl aber zu Hydroxylapatit. Diese hohe zelladhäsive Aktivität von
Amelogenin könnte auch als Teilerklärung
für den positiven Effekt von EMD auf die
parodontale Wundheilung dienen.
Weitere experimentelle Untersuchungen
lieferten den Hinweis, dass die Applikation
von EMD die Expression der mit Zementoblasten assoziierten Gene reguliert und
dadurch den Mineralisationsprozess entscheidend beeinflussen kann.
Kawase et al. untersuchten die Wirkung
von EMD auf die Proliferation von oralen
Epithelzellen (SCC25). Nach 3 Tagen Behandlung mit EMD wurde die Zellteilung
verhindert und gleichzeitig der Zellzyklus
in der G1 Phase angehalten. Außerdem
schränkten EMD die Expression von Zytokeratin-18 (CK18) stark ein. Die Autoren
folgerten, dass EMD einen zytostatischen,
jedoch nicht einen zytotoxischen Effekt auf
epitheliale Zellen besitzen. In einer weite-
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ren In-vitro-Studie zeigte die Kombination
von 4 mg EMD und aktivem, demineralisiertem, gefriergetrocknetem allogenem
Knochen (DFDBA) eine erhöhte Knocheninduktion. Es wird daher angenommen,
dass EMD zwar keine osteoinduktive,
wohl aber in einer gewissen Konzentration osteopromotive Eigenschaften besitzen. Schwarz et al. konnten zeigen, dass
EMD die frühen Stadien der Osteoblasten
Maturation durch eine erhöhte Proliferation stimulieren, bei reiferen Zelllinien
jedoch die Hauptwirkung über die Beeinflussung der Zelldifferenzierung erreicht
wird. Nebgen et al. isolierten aus demineralisiertem bovinem Dentin Matrix einen
sog. Chondrogenese Induzierenden Faktor
(Chondrogenic-inducing-agent kurz CIA)
welcher zusammen mit einem Kollagenträger zu ektopischer Knochenbildung in
der Rattenmuskulatur 7 Wochen nach der
Implantation führte. Diese Ergebnisse sind
ein weiterer Hinweis, dass Amelogenine
einen Effekt auf die Chondrogenese und
Osteogenese haben.
In neuesten Publikationen wurden auch
gewisse antibakterielle Effekte und Störungen der Bakterienadhärenz durch die EMD
nachgewiesen. So wurden bei 24 Patienten
mit chronischer Parodontitis nach einer
4-tägigen Plaqueakkumulationsperiode
Plaqueproben entnommen und in 5 gleiche Teile aufgeteilt. Jeder Teil wurde mit 5 µl
der folgenden Lösungen gemischt: 1) NaCl,
2) EMD in Wasser gelöst, 3) EMD in PGA
Vehikel gelöst, 4) PGA Vehikel, 5) Chlorhexidindiglukonat (CHX). Anschließend
wurde die Vitalität der Plaqueflora unter
dem Vitalfluoreszenzmikroskop evaluiert.
Die Ergebnisse zeigten, dass EMD in PGA
Vehikel gelöst und dass PGA-Vehikel eine
sehr starke antibakterielle Wirkung hatten.
Es wurde daher angenommen, dass die antibakterielle Wirkung von EMD hauptsächlich von dem PGA-Träger entfaltet wird. In
einer weiteren Untersuchung wurde gezeigt, dass EMD das Wachstum der parodontopathogenen Bakterien Actinobacillus
actinomycetemcomitans, Porphyromonas
gingivalis und Prevotella intermedia hemmen. 24 Stunden nach der Gabe von EMD
konnten keine lebenden Kolonien dieser
Keime nachgewiesen werden. EMD entfaltete dagegen keine negative Wirkung auf
gramm positive Bakterien. Den inhibierenden Effekt von EMD auf parodontopathogene Keime wurde auch von anderen
Forschergruppen bestätigt.
Unter experimentellen Bedingungen
zeigten EMD eine leichte Erhöhung der
Lymphozytenproliferation, die allerdings
auf die CD25 (IL-2 Rezeptor) Fraktion der
CD4 positiven T-Tymphozyten beschränkt
war. Gleichzeitig wurde eine Verringerung
der CD19 positiven B-Lymphozyten beobachtet. Die Immunoglobulin- und Zytokin- (IL-2 und IL-6)- Produktion war sogar
nach 3-tägiger viel höherer als unter Praxisbedingungen üblicher EMD- Konzentration
nicht beeinflusst. Die Ergebnisse zeigten,
dass EMD unter In-vitro-Bedingungen zu
einer geringfügigen Immunantwort der
CD4 T-Lymphozyten führten.
Zusammenfassend zeigen die Daten aus
In-vitro-Studien, dass EMD bestimmte, für
die parodontale Wundheilung wichtige Mechanismen stark beeinflussen können.
Abb. 1: Die Heilung nach der chirurgischen
Abb. 2: Histologische Abbildung eines intra-
Abb. 3: Höhere Vergrößerung des in Abb. 2
Therapie ohne EMD (Kontrolle) resultierte in
ossären Defektes nach Behandlung mit EMD.
gezeigten Defektes. Die Struktur des neugebil-
der Bildung eines langen Saumepithels (LJE)
Die Therapie resultierte in der Bildung von
deten Wurzelzements mit inserierenden Kol-
entlang der bearbeiteten Wurzeloberfläche.
neuem Wurzelzement (NC), Desmodont (NPL)
lagenfasern (NC) und des neuen Desmodonts
D: Dentin. Originalvergrößerung: x 50.
und Knochen (NB) koronal der Kerbe (N). D:
(NPL) sind deutlich erkennbar. V: Blutgefäß.
Dentin, LJE: langes Saumepithel, A: Artifakt.
Originalvergrößerung: x 150.
Kontrollierte histologische
Tierstudien
In einer kontrollierten histologischen Studie wurden experimentell geschaffene,
rezessionsartige Defekte mit EMD behandelt. Auf chirurgischem Weg wurden standardisierte Defekte geschaffen, indem die
gesamte bukkale Knochenplatte und das
Wurzelzement entfernt wurden. Die Testdefekte wurden mit EMD behandelt, während
bei den Kontrolldefekten nur eine Lappenreposition nach koronal durchgeführt
wurde. Acht Wochen postoperativ wurden
die Tiere getötet und die entsprechenden
Kiefersegmente histologisch aufgearbeitet.
Originalvergrößerung: x 50.
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Die Ergebnisse zeigten, dass in allen Testdefekten ein neues Parodont, d. h. azelluläres
Zement mit inserierenden Kollagenfasern
und neuer Alveolarknochen entstanden ist.
In den Kontrolldefekten war die Heilung
durch ein langes Saumepithel mit sehr begrenzter Zement- und Knochenneubildung
charakterisiert. Wenn in den Kontrolldefekten neues Zement gebildet wurde, war es
zumeist zellulär und nur teilweise an der
Wurzeloberfläche verankert. Ein interessanter Aspekt dieser Studie war, dass in
den Testdefekten keine Wurzelresorption
vorkam, während in den Kontrolldefekten
die Wurzelresorption ein sehr häufig anzutreffendes Phänomen war. Es ist wichtig zu
erwähnen, dass während der gesamten Studienperiode bei den Tieren keine Mundhygienemaßnahmen durchgeführt wurden.
In zwei weiteren Studien wurden an
Affen auf chirurgischem Weg chronische
rezessionsartige- und intraossäre Defekte
geschaffen. Die Defekte wurden mit einer der folgenden Therapien behandelt:
a) gesteuerte Geweberegeneration (GTR),
b) EMD, c) EMD + GTR oder d) herkömmlicher Lappenoperation (Kontrolle). Die
histologische Untersuchung zeigte, dass
die Heilung nach Lappenoperation durch
ein langes Saumepithel und eine begrenzte
parodontale Regeneration charakterisiert
war (Abb. 1). Die Behandlung mit GTR,
EMD und EMD + GTR resultierte vorhersehbar in einer Neubildung von Zement
mit inserierenden Kollagenfasern sowie
von Alveolarknochen (Abb. 2 und 3).
Ergebnisse aus humanhistologischen Studien
Die erste humanhistologische Biopsie
wurde von Heijl veröffentlicht. Ein auf experimentell-chirurgischem Weg geschaffener Rezessionsdefekt bei einem unteren
Schneidezahn wurde mit EMD behandelt.
Nach einer Heilungsperiode von 4 Monaten
wurde der Zahn zusammen mit den umgebenden Weich- und Hartgeweben extrahiert und histologisch aufbereitet. Die histologische Untersuchung zeigte, dass eine
neue Schicht von azellulärem Wurzelzement 73 % der ursprünglichen Defekttiefe
bedeckte. Neuer Alveolarknochen bildete
sich auf 65 % der initialen Knochenhöhe
zurück. In einer weiteren Studie behandelten Yukna und Mellonig 10 intraossäre
Parodontaldefekte in 8 Patienten mit EMD.
Die histologische Analyse 6 Monate nach
der Behandlung zeigte, dass es in 3 Biopsien zu einer kompletten parodontalen
Regeneration (d. h. Neubildung von Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen) gekommen ist, während in 3 weiteHESSISCHES ZAHNÄRZTE MAGAZIN 09.2005
ren Biopsien die Heilung durch ein neues
bindegewebiges Attachment (d. h. neues
Zement mit inserierenden Kollagenfasern)
gekennzeichnet war. 4 Biopsien dagegen
heilten durch ein langes Saumepithel und
zeigten keinerlei Anzeichen einer parodontalen Regeneration. In einer vergleichenden
klinischen und histologischen Untersuchung wurde die Heilung von intraossären
Parodontaldefekten mit EMD oder gesteuerter Geweberegeneration (GTR) mit einer
bioresorbierbaren Membran verglichen. 6
Monate nach Therapie betrug der mittlere
Gewinn an klinischem Attachment (CAL)
3,2 ± 1,2 mm in der EMD Gruppe und 3,6
± 1,7 mm in der GTR-Gruppe. Die histologische Analyse zeigte, dass in beiden
Gruppen die Heilung hauptsächlich durch
eine Regeneration parodontaler Strukturen charakterisiert war. Der Mittelwert von
neuem Zement und Desmodont betrug
2,6 ± 1,0 mm in der EMD Gruppe und 2,1
± 1,0 mm der GTR-Gruppe. Der Mittelwert
von neuem Alveolarknochen umfasste in
der EMD Gruppe 0,9 ± 1,0 mm und in der
GTR-Gruppe 2,1 ± 1,0 mm. Eine reparative
Heilung durch ein langes Saumepithel kam
nur in einer Biopsie aus der EMD-Gruppe
vor. Die Ergebnisse der Studie lieferten den
Beweis, dass die Behandlung mit EMD die
Regeneration parodontaler Strukturen am
Menschen vorhersehbar fördert und zu
ähnlichen klinischen und histologischen
Ergebnissen wie die GTR-Therapie führen
kann. Diese Ergebnisse wurden in späteren
Fallberichten auch von anderen Autoren
nicht nur in intraossären, sondern auch in
Rezessionsdefekten bestätigt. In neuesten
immunohistologischen Studien am Menschen konnte gezeigt werden, dass EMD
bis zu 4 Wochen nach dem chirurgischen
Eingriff auf der Wurzeloberfläche verbleiben und zudem die Wundheilungs- bzw.
Remodellierungsprozesse nach der EMDTherapie bis zu einem Zeitraum von 6 Monaten verfolgt werden können. Es wurde
jedoch keine parodontale Regeneration
beobachtet, wenn EMD auf nichtchirurgischem Wege in die parodontalen Defekte
appliziert wurden.
Kontrollierte klinische
Studien
In keiner der publizierten Studien wurden
Nebenwirkungen, wie z. B. Unverträglichkeits- oder allergische Reaktionen, sogar
nach wiederholter Behandlung mit EMD,
beobachtet. In einer klinischen Multizenterstudie wurden insgesamt 214 intraossäre
Defekte an 107 Patienten zu 2 verschiedenen Zeitpunkten mit EMD behandelt. Die
zwei chirurgischen Eingriffe mit EMD wur-
den in einem Zeitintervall von 2 bis 6 Wochen durchgeführt. Aus allen behandelten
Patienten wurden Serumproben entnommen und der totale und spezifische Antikörperlevel analysiert. Es wurden in keiner
der analysierten Proben Veränderungen
gegenüber den Baseline-Werten gefunden.
In einer weiteren Studie wurde an 10 Patienten die Immunantwort nach EMD-Behandlung über einen Zeitraum von einem
Jahr verfolgt. Bei keinem der Patienten
konnte eine signifikante Aktivierung des
Immunsystems während der gesamten
Untersuchungsperiode von einem Jahr
gezeigt werden. Zusammenfassend zeigen
die vorhandenen Daten, dass das immunogene Potenzial von EMD, zumindest nach
der Anwendung während der chirurgischen
Parodontaltherapie, sehr niedrig ist.
Daten aus kontrollierten klinischen Studien belegten, dass die Behandlung von
intraossären Defekten mit EMD in einer
signifikanten Reduktion der Sondierungstiefen und Gewinn an klinischem Attachment resultiert. Eine erste randomisierte,
plazebokontrollierte Multizenterstudie
untersuchte die Wirksamkeit von EMD im
Halbseitenvergleich an 33 Patienten. Die
Ergebnisse zeigten nach 36 Monaten in
der Testgruppe einen mittleren CAL-Gewinn von 2,2 mm und von 1,7 mm in der
Kontrollgruppe (Lappenoperation). Der
röntgenologisch bestimmte Knochengewinn betrug in der Testgruppe 2,6 mm,
entsprechend einer 66%igen Auffüllung
der Knochendefekte. Hingegen zeigten die
Kontrollzähne keinen Knochengewinn. In
einer weiteren kontrollierten Studie verglichen Froum et al. die Behandlung von
tiefen intraossären Defekten mittels einer
Lappenoperation mit und ohne EMD. An
insgesamt 23 Patienten mit jeweils mindestens 2 intraossären Defekten wurden
53 Defekte mit Lappenoperation und EMD
und 31 mit Lappenoperation allein behandelt. Nach einer Heilungsphase von 12 Monaten wurden die Defekte wieder geöffnet
und die Hartgewebsauffüllung der Defekte
wurde gemessen. Die Ergebnisse zeigten,
dass die Behandlung mit Lappenoperation und EMD in einer dreimal größeren
Defektauffüllung als die Behandlung mit
Lappenoperation allein resultierte (74%ige
Defektauffüllung nach Lappenoperation
und EMD gegenüber 23 % Defektauffüllung nach Lappenoperation allein). In einer
weiteren prospektiven, kontrollierten klinischen Studie mit insgesamt 40 Patienten
wurden im Halbseitenvergleich sowohl die
chirurgische Therapie mit EMD als auch
die mit einer nicht resorbierbaren bzw. mit
2 resorbierbaren Membranen im Vergleich
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NEUE DIAGNOSTIK U. THERAPIEN
Abb. 4
Abb. 5
Abb. 6
SCHMELZ-MATRIX-PROTEINE
zur konventionellen Lappenoperation
untersucht. Alle 4 regenerativen Verfahren
waren gleichermaßen effektiv hinsichtlich
der ST-Reduktion und Gewinn an CAL und
signifikant besser als die Kontrollbehandlung (Lappenoperation). In einer prospektiven, randomisierten, multizentrischen
klinischen Studie wurde die Behandlung
von intraossären Defekten mittels der sog.
Papilla Preservation Technique mit und
ohne Zusatzapplikation von EMD untersucht. Es wurden insgesamt 83 Test- und
83 Kontrolldefekte behandelt. Nach einem
Jahr zeigten die Ergebnisse signifikant höhere CAL-Gewinne in der Testgruppe als in
der Kontrollgruppe. Vergleichende Studien
berichteten über ähnliche Ergebnisse nach
Behandlung intraossärer Defekte mit EMD
oder GTR, wobei die Art der GTR-Barriere (nicht resorbierbar oder resorbierbar)
keine Rolle spielte. In einer prospektiven,
kontrollierten klinischen Studie wurde die
Behandlung von intraossären Defekten
mit EMD, GTR, Kombination von EMD
+ GTR und Lappenoperation verglichen.
Die Ergebnisse zeigten, dass alle 3 regenerativen Verfahren in einer signifikant
höheren Verbesserung der klinischen Parameter im Vergleich zur herkömmlichen
Lappenoperation resultierten, wobei die
Kombination von EMD + GTR zu keiner
zusätzlichen Verbesserung der klinischen
Parameter führte. Generell zeigen die Daten aus kontrollierten klinischen Studien,
dass die zusätzliche Applizierung von EMD
im Rahmen der chirurgischen Therapie von
tiefen intraossären Parodontaldefekten zu
statistisch und klinisch höheren Verbesserungen als die Lappenoperation allein
führt (Abb. 4 – 8). Die klinischen Ergebnisse sind vergleichbar mit denjenigen nach
der GTR-Therapie. Weiterhin zeigten Daten
aus neuesten Studien, dass die Ergebnisse
nach Behandlung intraossärer Defekte mit
EMD auch über einen längeren Zeitraum
(4 bzw. 5 Jahre) erhalten werden konnten
( Abb. 9, 10).
Abb. 4: Tiefer intraossärer Defekt, lokalisiert
am mesialen Aspekt des unteren Molaren
Abb. 5: EMD wurde auf die Wurzeloberfläche
und dann in den Defekt appliziert.
Abb. 6: Ein Jahr nach dem chirurgischen Eingriff zeigte die Re-entry eine Neubildung von
Knochen in dem Bereich der ursprünglichen
intraossären Defektkomponente.
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Abb. 7: Das präoperative Röntgenbild zeigte
einen tiefen introssären Defekt, lokalisiert im
Bereich des unteren Prämolaren.
Abb. 8: Ein Jahr nach Therapie mit EMD ist eine fast komplette Auffüllung des intraossären
Defekts erkennbar.
Kombinationstherapien
Experimentelle und klinische Studien lieferten den Hinweis, dass das Ausmaß der
Regeneration stark von dem sich unter dem
Mukoperiostlappen befindenden Freiraum
abhängt. Ein Kollaps des Mukoperistlappens könnte daher den für den Regenerationsprozess benötigten Raum limitieren
und dadurch das Ergebnis der Therapie
beeinflussen. Um diese Nachteile zu umgehen, wurden Kombinationstherapien
zwischen EMD und GTR bzw. EMD und
Knochenersatzmaterialien getestet. Beobachtungen aus tierhistologischen und
humanhistologischen Studien konnten
zwar eine parodontale Regeneration nach
Behandlung von intraossären Defekten mit
einigen dieser Kombinationen nachweisen,
die Daten aus kontrollierten klinischen
Studien zeigten jedoch keinen eindeutigen Vorteil einer Kombinationstherapie
gegenüber den Einzeltherapien.
HESSISCHES ZAHNÄRZTE MAGAZIN 09.2005
Behandlung von
Rezessionsdefekten
Histologische Ergebnisse aus Tier und
Mensch zeigten, dass die Behandlung von
bukkalen Rezessionsdefekten mit koronalem Lappen und EMD nicht nur zu einer
Deckung der Rezession, sondern auch in
einer Neubildung von Zement, Desmodont und sogar Knochen resultieren kann.
In zwei kontrollierten klinischen Studien
wurde im Halbseitenvergleich die Behandlung von bukkaler Miller Klasse I und II Rezession mit koronalem Lappen und EMD
oder koronalem Lappen untersucht. Die
Ergebnisse zeigten keine Unterschiede zwischen den Therapien bezüglich Wurzelbedeckung. Die Zusatzapplikation von EMD
führte jedoch zu einer statistisch signifikant
höheren Neubildung von keratinisiertem
Gewebe als die koronale Lappentechnik allein. In einer vor kurzem veröffentlichten
kontrollierten klinischen Halbseitenver-
gleichsstudie wurde an 17 Patienten die
Therapie von bukkalen Miller Klasse II Rezessionen mit koronalem Lappen und EMD
(Test) mit koronalem Lappen und Bindegewebstransplantat (Kontrolle) verglichen.
Die Ergebnisse zeigten, dass ein Jahr nach
der Therapie der Mittelwert an Wurzelbedeckung 95,1 % in der Testgruppe und
93,8 % in der Kontrollgruppe betrug. Eine
100%ige Wurzelbedeckung wurde in 89,5 %
der Fälle aus der Testgruppe und in 79 % der
Fälle aus der Kontrollgruppe erreicht. Die
zusätzliche histologische Auswertung von
zwei Biopsien zeigte, dass die Behandlung
von Rezessionsdefekten mit koronalem
Lappen und EMD in einer Neubildung von
Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen resultierte, wobei die Behandlung
mit koronalem Lappen und Bindegewebstransplantat durch ein langes Saumepithel
und sogar Anzeichen einer Wurzelresorption charakterisiert war.
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NEUE DIAGNOSTIK U. THERAPIEN
Behandlung von Furkationsdefekten
Histologische Ergebnisse aus einem Affenversuch zeigten, dass die Behandlung von
Grad III Furkationsdefekten im Unterkiefer
mit EMD nicht vorhersehbar in einer parodontalen Regeneration resultiert. Zurzeit
gibt es jedoch keine humanhistologischen
Daten über die Heilung von Furkationsdefekten nach Behandlung mit EMD. Es
fehlen auch Daten aus kontrollierten klinischen Studien über die Behandlung von
Furkationsdefekten mittels Lappenoperation mit und ohne EMD. In einer multizentrischen, randomisierten, kontrollierten,
halbseitenvergleichenden klinischen Studie
wurde die Behandlung von Unterkiefer Furkationsgrad II Defekten mit EMD und GTR
verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass die
Behandlung mit EMD in signifikant höheren CAL-Gewinnen und Knochenauffüllung
als die GTR-Therapie resultierte.
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Schlussfolgerungen
Aufgrund der vorhandenen Evidenz können folgende Schlussfolgerungen gezogen
werden:
1. Die chirurgische Behandlung von
tiefen intraossären Defekten mit EMD
fördert die parodontale Regeneration.
Die Applikation von EMD im Rahmen
der nichtchirurgischen Parodontaltherapie resultierte histologisch in keiner parodontalen Regeneration.
2. Die parodontalchirurgische Therapie von tiefen intraossären Defekten
mit EMD führt zu einer signifikant
höheren Verbesserung der klinischen
Parameter als die Lappenoperation
allein, wobei die klinischen Ergebnisse
vergleichbar mit denjenigen nach der
GTR-Therapie sind.
3. Die parodontalchirurgische Behandlung von Grad II Furkationsdefekten
mit EMD führte zu vergleichbaren
klinischen Ergebnissen mit der GTRTherapie.
4. Es gibt keine klare Evidenz über den
Vorteil einer Kombinationstherapie
von EMD und GTR oder EMD und
Knochenersatzmaterialien gegenüber
den Einzeltherapien.
5. Der Vorteil der parodontalchirurgischen Therapie von Rezessionsdefekten mit EMD gegenüber den
herkömmlichen Therapien muss in
weiteren Studien geklärt werden.
Literatur beim Verfasser
Abb. 9: Tiefer intraossärer Defekt, lokalisiert
im Bereich des oberen Eckzahnes
Abb. 10: Vier Jahre nach Therapie mit EMD
zeigte die Re-entry eine fast komplette
Defektauffüllung.
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