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1 Jahr Mexiko Ziemlich genau vor einem Jahr, am 28. Juli 2004, bin ich von Deutschland nach Mexiko gekommen, um hier mein BWL-Hauptstudium zu absolvieren. Mittlerweile sind zwei Semester vergangen, 12 Monate und jede Menge Erfahrungen. Um diese mal zusammenfassend ein bisschen mit Euch zu teilen, schreibe ich diesen Bericht. Ich habe auch jede Menge Fotos eingefügt, so dass diejenigen, die keine Lust haben, alles zu lesen, sich die Fotos anschauen können… ;-) Viel Spaß beim Lesen!! Sebastian Inhalt: 1) 2) 3) 4) 5) 6) August 2004 – Chiapas......................................................................................... 2 Studium in Mexiko ................................................................................................. 4 Wohnen in Mexiko-Stadt...................................................................................... 8 Land… .................................................................................................................. 13 …und Leute ......................................................................................................... 17 Was kommt noch?.............................................................................................. 20 1 Jahr Mexiko 2 1) August 2004 – Chiapas Nachdem wir in den ersten Tagen hier in Mexiko den nötigen Papierkram in der Uni (dem Instituto Tecnológico y de Estudios Superiores de Monterrey, Campus Ciudad de México) und dem nationalen Ausländeramt (wegen Registrierung vom Visum und Wohnsitz) erledigt hatten, haben wir uns auf den Weg in den Süden des Landes gemacht, um die letzten freien Tage vor Beginn des Semesters zu genießen und ein paar Eindrücke von Mexiko zu sammeln. Wir, das sind Philipp und Thomas (Kommilitonen, die mit mir aus Münster nach Mexiko gekommen sind), Gaby und ich. Nach 14 Stunden Busfahrt kamen wir im zu heißen (ca. 40° C) Villahermosa, der Hauptstadt des Bundesstaates Tabasco, an. Dort blieben wir nur ein paar Stunden, um am Abend nach Palenque (weltbekannt für seine Maya-Ruinen) weiterzufahren. In den folgenden Tagen haben wir dann Städte wie San Cristóbal de las Casas, Tuxtla und Arriaga, sowie Sehenswürdigkeiten wie die Wasserfälle von Agua Azul, die Schlucht des Flusses Guadalquivir (Cañon de Sumidero) und die endlosen Landschaften dieses ärmsten Staates Mexikos erkundet. Wir haben uns dabei mit allen möglichen Transportmitteln fortbewegt, sei es per klimatisiertem Reisebus, Taxi, zu Fuß, auf der Ladefläche eines Pickups oder in Microbussen, mit unbequemen, für Europäer viel zu kleinen Bänken ausgestattete VW-Bullis. Abgesehen von der ungemeinen Schönheit der Landschaften von Chiapas, tropischem Regenwald, Kaffeefelder, Sandstränden und Hochgebirge, hat mich vor allem die Freundlichkeit der Chiapanecos, der Einwohner dieser Region beeindruckt. Obwohl man allgemein in Mexiko oft als gringo (US-Amerikaner) angesehen wird, waren die Leute offen und freundlich zu uns. Auf dem Marktplatz von San Cristóbal de las Casas etwa sprachen uns zwei indígenas, Angehörige eines in der Umgebung lebenden Maya-Stammes, an und erzählten uns von den Sprachen, die in der Region gesprochen werden und wo es das billigste Bier in der Stadt gibt. Alles Informationen mit hohem Wichtigkeitsgrad ;-)… Zurück fuhren wir am Ende der Woche mit dem Bus von Arriaga, an der Pazifikküste. Dabei konnten wir uns ein Bild von den Unterschieden der verschiedenen Busklassen machen. Bei langen Reisen sollte man eher etwas mehr ausgeben 1 Jahr Mexiko 3 und nicht in der segunda clase, der Holzklasse ohne Klimaanlage, dafür aber mit durchgesessenen Sesseln und 15 Zwischenstopps, fahren. Palenque, Chiapas Palenque, Chiapas Thomas, ich und Philipp in Palenque Gaby und ich in San Cristóbal de las Casas 1 Jahr Mexiko 4 Cañon de Sumidero, Chiapas San Cristóbal de las Casas, Chiapas Central de Autobuses in Arriaga, Chiapas Gaby und ich am Strand in Puerto Arista, Chiapas 2) Studium in Mexiko Nach der Chiapas-Tour ging das Studium los. Studieren ist in Mexiko sehr anders als in Deutschland! Man fühlt sich angesichts der Vorlesungen mit 20 oder 25 Leuten an die Schulzeit zurück erinnert und auch der Unterrichts-Stil ähnelt sehr dem der Sekundarstufe II. In den Kursen werden Themen systematisch durchgenommen und es gibt Hausaufgaben, vier Klausuren pro 1 Jahr Mexiko 5 Semester, Anwesenheitslisten werden geführt (man darf pro Semester zwei bzw. vier Mal fehlen, je nachdem wie oft der Kurs pro Woche gegeben wird – ein oder zwei Mal. Bei einem Notenschnitt von über 83 [auf der Skala von 0 bis 100 – man braucht 70 um zu bestehen] hat man Anspruch auf eine bzw. zwei faltas mehr) und fast für jedes Fach muss man eine Projektarbeit, häufig in Zusammenarbeit mit Unternehmen, anfertigen. Dieses bedeutete für uns Deutsche zunächst eine große Umstellung, da man in Münster daran gewöhnt war, zur Vorlesung zu gehen, wann man wollte, der Prof kannte einen häufig nicht und zum Lernen kam man irgendwie immer erst kurz vor den Klausuren. Beides hat so seine Vor- und Nachteile; häufig hatten wir hier in Mexiko im ersten Semester das Gefühl, an einer Beschäftigungstherapie teilzunehmen, da man einerseits viele Fächer hatte, deren Stoff man schon aus Deutschland kannte (z.B. Investigación de mercados, Contabilidad financiera oder Análisis de decisiones I und II) und manche Fächer stumpfes Auswendiglernen erforderten, andererseits ist die Praxisorientierung durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen sehr gut und das Arbeitsklima auf dem super modernen Campus (mit WLan-Netz, großer Bibliothek, Online-Datenbanken, Beamern in allen Räumen, Grünanlagen, etc.) tragen sehr zur Motivation der Studenten bei. Die Arbeitsbelastung war im ersten Semester hier trotz der Umstellung und der Belegung von acht Fächern (die Mexikaner können höchstens sechs belegen) gut ertragbar, so dass man an den Wochenende noch Zeit fand, andere Dinge zu tun. Ich habe beim BUCEOTEC, dem Tauchclub des Campus’, einen Fortgeschrittenen-Kurs absolviert und man konnte auch das Nachtleben von Mexiko-Stadt kennenlernen. Im zweiten Semester war die Arbeitsbelastung dann ungleich höher. Das schon vorher durch Mundpropaganda verschriene „Horrorfach“ Franquicias, ein Kurs der ich mit dem Aufbau von Franchise-Systemen für Unternehmen beschäftigt, entsprach vom Workload her drei Fächern, zum Glück hatte ich eine gut funktionierende Gruppe für das proyecto final (was in Mexiko viel wert ist!) und wir konnten das ca. 400-seitige Produkt der Zusammenarbeit am Ende des Semesters pünktlich abgeben. Einige schlaflose Nächte und nervenaufreibende meetings waren letztendlich doch 1 Jahr Mexiko 6 nicht umsonst und ich glaube Franquicias war das Fach, bei dem ich bisher am meisten sowohl über mexikanische Unternehmen, als auch über Teamwork und die systematische Lösung BWL-orientierter Problemstellungen gelernt habe. Es gab aber noch andere Fächer; in Formación Humana wurden aus uns z.B. bessere Menschen gemacht, in Seminario de Mercadotecnia haben wir einen Exportplan für Sangría, einen mexikanischen Softdrink, aufgestellt und in Ambiente internacional de los negocios haben wir erlebt, wie ein Kurs nicht organisiert und praxisorientiert ablaufen kann. Licht und Schatten also, alles in allem aber ein sehr gutes Semester! Im kürzlich zu Ende gegangenen verano, einem fünf-wöchigen Crashkurs mit drei Fächern pro Tag, haben wir dann noch Valores, Liderazgo und E-Business belegt. Dabei ging es um Werte im Arbeits- und Berufsleben, um Unternehmens- und Personalführung sowie um – ja, um e-business eben… die Arbeitsbelastung war hier gering, sowohl die Studenten als auch die Profs waren teilweise nicht sehr motiviert und die Veranstaltungen waren oft monoton, obwohl der Stoff an sich eigentlich recht interessant war. Im kommenden Semester werde ich noch vier Fächer belegen, muss aber dazu nicht auf den Campus fahren, sondern kann meine Hausaufgaben und Tests über das Internet schicken. Was das Praktikum angeht, später mehr (siehe Punkt 6). 1 Jahr Mexiko 7 Campus des ITESM, Ciudad de México Campus des ITESM, Ciudad de México Campus des ITESM, Ciudad de México Campus des ITESM, Ciudad de México 1 Jahr Mexiko 8 3) Wohnen in Mexiko-Stadt Nun hat man also Münster für Mexiko-Stadt getauscht. Was ändert sich? Viel. Alles! An Fahrrad fahren braucht man hier nicht mal zu denken. Was dem Münsteraner seine Leeze ist, ist dem Mexikaner sein bocho – sein Käfer. Will man hier über die Straße gehen, schaut man nicht nach Fahrrädern, sondern nach den kleinen grünen VWs, die sich hier wie nirgends in der Welt verkauft haben. Die Taxis haben dabei den Beifahrersitz abmontiert, um den Transportraum zu vergrößern und im bocho scheint man von Menschen, Hühnern über Koffer und Waschmaschinen bis hin zu Möbeln wirklich alles transportieren zu können. Darüber hinaus holt man einfach die Flex raus, nimmt das Dach ab und schon hat man ein bocho Cabrio. Ich habe auch schon Renn-Käfer oder zum Pickup umgebaute bochitos gesehen. Da ich kein Auto besitze hatte ich bisher mit dem täglichen Verkehrschaos nicht allzu viel zu tun, zur Uni bin ich immer mit dem pesero, einem Kleinbus der alle 2 Minuten an jeder Ecke hält, gefahren, weitere Strecken kann man auch gut mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln wie Metro oder Straßenbahn zurücklegen. Die Taxipreise sind hier viel günstiger als in Deutschland und für die Metro zahlt man 2 Peso (ca. 15 Cent), wofür man den ganzen Tag durch die ganze Stadt fahren kann. Ich mag die Metro, sie ist sehr sauber und sicher, es gibt viel Polizei in den Stationen und wenn man nicht gerade zu den Stoßzeiten fährt, kommt man schneller voran als über der Erde. Im TEC (der Uni) wird man zwar ab und zu komisch angeguckt, wenn man erzählt, dass man mit der Metro fährt, aber das liegt am Unwissen oder der Ignoranz derer, die die Metro nicht kennen, in der ja „geklaut, vergewaltigt und zusammengeschlagen wird“ („hat mir ein Freund erzählt, der das im Fernsehen gesehen hat!“). Uns Deutschen ist bisher noch nichts passiert, wenn man auf sich und seine Sachen aufpasst, kann man getrost (auch alleine oder als Frau) die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Im Allgemeinen ist die Sicherheit hier wahrscheinlich ein genau so großes Problem wie in jeder anderen Großstadt. Aber wieder zurück ans Tageslicht: Zu den Hauptverkehrszeiten steht alles, vor allem auf den Hauptstraßen von Mexiko-Stadt, und für viele 1 Jahr Mexiko 9 Mexikaner ist es normal, zwei bis zweieinhalb Stunden im Auto zu sitzen, um zur Uni oder zur Arbeit zu kommen. In der gleichen Stadt. Der Ring heißt hier im Gegensatz zu Münster nicht Ring sondern Periférico, er umschließt die 20Millionen Metropole komplett und hat an einigen Stellen bis zu fünf Spuren in jede Richtung und anderswo auch schon eine zweite Etage. Der Flughafen liegt mitten in der Stadt und wird gerade renoviert, da man für einen neuen außerhalb der City keine Baugenehmigung bekommen hat und dringen mehr Kapazität braucht. Fliegt man von Mexiko-Stadt los, steht die Maschine ca. 45 Minuten auf dem Rollfeld „Schlange“, ehe sie abheben kann, um ankommende und abfliegende Flugzeuge abzuwarten. Die ersten 20 Minuten des Fluges – egal in welche Richtung – sind dann ausschließlich über der Smog-Glocke von Mexiko-Stadt. Die Luftverschmutzung war im Februar auf Grund des Windes zu der Jahreszeit am ertragbarsten und die Sichtweite war bei klarem Wetter in der Stadt ca. 20 Kilometer. Man konnte sogar den Popocatépetl, den Vulkan südlich der Stadt in Richtung Puebla, am Horizont sehen. Die restliche Zeit des Jahres kann man teilweise nicht weiter als einen Kilometer weit sehen, besonders schlimm ist es im Zentrum, wo ich jetzt wohne… Bis zum 1. Juli habe ich mit Thomas und Maria, zwei Kommilitonen die mit mir hergekommen sind, in einem Haus im Süden der Stadt, ca. anderthalb Stunden von meiner jetzigen, neuen Wohnung, gelebt. Anfangs wohnten wir dort mit Omar, einem Mexikaner, zusammen, dann allein, später zog Thomas mit Freundin in eine andere Wohnung zusammen, dann Luz, eine Mexikanerin, ein, kurz darauf Paul, ein Italo-Amerikaner aus Queens, New York, mit schrecklichem Ami-Akzent, bis wir dann am 1. Juli alle ausgezogen sind. Die Querelen mit dem Vermieter, der alle Nase lang versuchte, uns mehr Geld abzuknöpfen und ständig die Regeln änderte, waren zum Schluss nicht mehr auszuhalten. Zwar hatten wir keinen Vertrag, aber er und seine Familie tauchten ständig unangemeldet bei uns auf, belogen uns und bezichtigten uns gleichzeitig, mit ihnen zu machen, was wir wollen. Gut, die Vorteile die wir in dem Haus hatten waren jede Menge Platz, eine ruhige Wohnlage in 1 Jahr Mexiko 10 unmittelbarer Nähe zum TEC (d.h. 20 Minuten Weg dorthin) und der relativ günstige Preis. Seit Anfang Juli wohne ich nun in einer Wohnung im dritten Stock eines Hauses einen Block von der Metro-Station Balderas weg. Das liegt mitten im Zentrum und ich werde es zur Arbeit nur drei Stationen mit der Metro haben. Da sich an der Station zwei Linien kreuzen, hat man eine sehr gute Verkehrsanbindung und meine zwei Mitbewohner Guillermo und Hector (beide Mexikaner) sind sehr nett. Die Zone in der die Wohnung liegt ist genau wie die, in der ich vorher gewohnt habe, nicht die hübscheste von MexikoStadt, aber ich glaube ich werde auch hier keine Probleme bekommen. Mein Zimmer ist kleiner als das vorherige, aber ich habe einen Balkon und die Wohnung hat verblüffende Ähnlichkeit mit deutschen Studenten-WGs, was hier in Mexiko eine Seltenheit ist. Guillermo, der Hauptmieter, hat die Wohnung vor kurzem renoviert und vermietet nun die Zimmer an Hector und mich unter. Blick vom Torre Latinoamericana im März – ohne Smog Blick vom Torre Latinoamericana im Dezember – mit Smog 1 Jahr Mexiko 11 Blick auf den Zócalo im Dezember – mit Smog Blick auf den Zócalo im März – ohne Smog Mexiko-Stadt bei Nacht Spektakel auf dem Zócalo im Stadtzentrum Gaby und ich auf dem Torre Mayor Blick auf den Paseo de la Reforma 1 Jahr Mexiko 12 Palacio Nacional – hier arbeitet Präsident Fox Torre Latinoamericana Santa Ursula Coapa – hier habe ich bis Ende Juni gewohnt Trajineras (Gondeln) in Xochimilco Palacio de Bellas Artes im Stadtzentrum 1 Jahr Mexiko 13 4) Land… Nach unserer Reise im Anfang August letzten Jahres nach Chiapas haben wir uns auch im Laufe der restlichen Zeit hier noch einiges angeschaut: Im September war ich mit Philipp und Thomas (zwei Kommilitonen) einige Tage in Puerto Escondido, Oaxaca. Dort haben wir über die puente (langes Wochenende) des Nationalfeiertags ruhige Strandtage genossen und am Pazifik entspannt. Im Oktober waren wir auf dem Festival Cervantino in Guanajuato im gleichnamigen Staat nördlich von DF. Mit Omar, unserem mexikanischen Mitbewohner sind wir mit dem Auto zunächst nach San Miguel de Allende gefahren und am Tag darauf nach einem kurzen Stopp im kleinen aber geschichtsträchtigen Provinznest Dolores de Hidalgo (hier wurde die mexikanische Unabhängigkeit ausgerufen) weiter zum Kultur- und Kunstfestival nach Guanajuato gefahren. Dort haben wir uns mit ein paar deutschen Mädels getroffen, unter ihnen die Tochter von Bekannten meiner Eltern, die zufällig am gleichen Tag wie ich nach Mexiko geflogen war, um hier zu studieren – allerdings in Guanajuato und der Flug war mit KLM statt mit Lufthansa. Im Dezember hat mich Ramón, ein mexikanischer Kommilitone aus Acapulco, Guerrero, zu sich nach Hause eingeladen und ich war eine Woche zu Gast bei ihm und seinen Eltern. Acapulco ist das Strandparadies, als das es verkauft wird, Gott sei Dank im Dezember (vor Weihnachten) noch nicht so überlaufen und mit einem Nachtleben, das keine Wünsche offen lässt. Nach meinem Trip nach Acapulco bin ich nach Deutschland geflogen, um Weihnachten und die Silberhochzeit meiner Eltern in heimischen aber deutlich kälteren Gefilden zu feiern, ehe es am 7. Januar wieder zurück nach Mexiko ging. Im Februar war ich nochmal in Acapulco um meine Prüfungstauchgänge für den Tauchkurs zu absolvieren, den ich im ersten Semester hier belegt hatte. Im April war ich dann mit Philipp und Maria (Kommilitonen), sowie deren Freund Thomas ein langes Wochenende in Túxpam, Veracruz. Hier haben wir 1 Jahr Mexiko 14 am Strand gezeltet, das Museum der Mexikanisch-Cubanischen Freundschaft besichtigt (es hat geregnet; von diesem kleinen Hafenort am Golf von Mexiko aus brach Fidel Castro seinerzeit mit Ché Guevara und Co. auf, um Cuba zu revolutionieren) und uns von den Mücken zerstechen lassen (ich hatte ungelogen über 400 Stiche am gesamten Körper!). Ende März kamen meine Eltern mich für drei Wochen besuchen und in der vorlesungsfreien Woche vor Ostern haben wir 2650 km. in einem Mietwagen zurückgelegt und dabei Taxco im Staat Guerrero, Oaxaca im gleichnamigen Staat, sowie die mir schon bekannten Stätten in Chiapas besucht. Schließlich ging es über Tulúm nach Cancún, Quintana Roo, wo wir das Auto am Flughafen abgegeben haben und die restlichen Tage vor Ostern auf der nahe gelegenen Insel Cozumel verbracht haben. Das Riff vor Cozumel ist das zweitgrößte der Welt und einer der Top-Tauchspots der Erde. Neben Haien, Schildkröten und Barrakudas waren hier vor allem spektakuläre Korallenriffe und Felsformationen zu sehen. Vor und nach meinem Sommerkurs am TEC bin ich im Mai und Juli je zwei Wochen bei Gaby in Maracaibo, Venezuela gewesen. Dort habe ich nicht viel gemacht, hauptsächlich entspannt, geschlafen, gegessen und im Mai meine Grippe auskuriert, die mich just am Ende der letzten Klausurenphase erwischt hatte. Gaby musste sowohl im Mai als auch im Juli noch zur Uni. Alles in allem muss man sagen, dass Mexiko ein unglaublich schönes und interessantes Land ist. Nicht nur die Kulturschätze, die man in Museen, Ausgrabungsstätten und Kolonialorten bewundern kann, sondern auch die Strände, Landschaften und Naturwunder sind eine Reise wert und Gott sei Danke hatte ich die Gelegenheit, einiges vom Land kennen zu lernen. Ich möchte gerne noch nach Mazatlán, Sinaloa, an der Pazifikküste reisen, wo eine Freundin von Gaby und mir, die ebenfalls als Austauschschülerin in Deutschland war, wohnt. Vom Norden des Landes kenne ich bisher nicht viel, Zacatecas und der Cañon del Cobre (Kupfer-Canion) sollen auch sehr schön sein. 1 Jahr Mexiko 15 Philipp, ich und Thomas in Puerto Escondido, Oaxaca Strand in Puerto Escondido, Oaxaca Straße in San Miguel de Allende, Guanajuato Treppe der Universität in Guanajuato, Guanajuato Ramón und ich am Strand in Acapulco, Guerrero Die Bucht von Acapulco, Guerrero 1 Jahr Mexiko Tauchen in Acapulco, Guerrero 16 Der Strand von Túxpam, Veracruz Der Stadtmeister 2005 in Tulúm, Quintana Roo… ;-) Philipp, der Ché und ich in Tuxpám, Veracruz Dad und ich in Teotihuacán, Estado de México Mom und ich in Tule, Oaxaca Botanischer Garten von Oaxaca, Oaxaca 1 Jahr Mexiko 17 5) …und Leute Mexikaner sind nicht wie Deutsche. Mexikaner sind Mexikaner. Latinos. Das heißt hier geht alles etwas langsamer zu. Trotz des täglichen Verkehrschaos muss selbiges ständig als Entschuldigung für Zuspätkommen oder Fernbleiben von Gruppentreffen herhalten, „Ich hole Dich um neun Uhr ab“ kann entweder „Sieh zu, wie Du hinkommst“ oder „Ich komme so gegen elf“ heißen und man muss bei Profs, Beamten und allen anderen immer etwas mehr Zeit mitbringen. Die Stadtbusse fahren nicht nach Plan, Profs kommen gerne etwas später und gehen dafür eher und bei der Bank oder der Post steht man schon mal gerne eine Stunde in der Schlange. Andererseits darf man aber nicht zu spät kommen, ist der Prof einmal da, bekommt man die Pizza nach einer halben Stunde Wartezeit gratis und braucht man sich keine Sorgen zu machen, die Metro zu verpassen; zwei Minuten später kommt schon die nächste! Die deutsche Tugend der Pünktlichkeit also wird einem wirklich erst bewusst, wenn man nicht immer unbedingt darauf zählen kann. Auch was einige andere Dinge angeht, wie z.B. organisiertes, systematisches Arbeiten (bei Hausaufgaben oder Gruppenarbeiten etwa) oder allgemeines Zeitmanagement („Ach, wenn ich um drei dort sein muss, kann ich ja gar nicht eine halbe Stunde später am anderen Ende der Stadt sein!?!“; „Gleich sofort schicke ich Dir meinen Teil der Aufgabe!“) sind wir den Mexis manchmal einiges voraus. Das erklärt wohl auch, dass wir mit acht Fächern manchmal besser zurechtkamen als die Mexis mit sechs. Natürlich sind die Mexikaner aber keine Unmenschen… ;-) Ganz im Gegenteil, bisher sind alle super freundlich zu uns und wir hätten keinen Grund, uns hier nicht wohl zu fühlen. Ich habe in dem einen Jahr hier viele nette und lustige Leute kennen gelernt, man wird zu Partys eingeladen, zu Ausflügen mitgenommen und fast immer gerne nach Hause gebracht oder von dort abgeholt. Zwar gibt es auch die großstadttypische Anonymität und im TEC sind viele Studenten, die mit Papas Auto kommen, keine Klamotten tragen wo nicht dick „Van Dutch“ oder „Tommy“ draufsteht – „gente nice“ oder „fresas“ eben – und nichts mit den von ihnen so genannten „nacos“ (auf deutsch würde man „Asi“ sagen) zu tun haben wollen, aber zum Glück kann 1 Jahr Mexiko 18 man sich die Leute mit denen man privat was unternehmen will ja aussuchen und da gibt es wie auf der ganzen Welt genügend Kontakte, die man knüpfen kann. In der Kultur der Mexikaner gibt es einige Dinge, die hier selbstverständlich sind, auf einen Deutschen aber erstmal befremdlich wirken: Die Polizei steht im Streifenwagen an der Ecke und hält ein Nickerchen, liest Pornohefte, lässt sich die Schuhe putzen oder schießt mit Spielzeugpistolen auf leere Coladosen (alles schon gesehen!) und lässt sich gerne den ein oder anderen Gefallen (oder das Mittagessen) bezahlen. In meinem zweiten Leben möchte ich gerne Polizist oder Straßenköter in DF werden, die Unbeschwertheit ihrer Lebensstile ist verblüffend ähnlich! In den Bussen läuft laute Musik, außen und innen sind sie mit absolut notwendigen TuningAccesoirs (Spoiler, Bodykit, Sportauspuff, Neonlicht, Subwoofer oder NOSNitroflaschen) ausgestattet und auf den Hauptverkehrsachsen in DF finden regelrechte Rennen um die am Straßenrand wartende Kundschaft statt. Der Mexikaner liebt es, seinen patio (den Hof) oder die Straße vor seiner Haustür täglich mit 120 Litern Wasser (das teuer in das Hochtal hinaufgepumpt wird), Seife und Schrubber zu säubern und was dem Deutschen seine Kartoffel ist, ist dem Mexi sein Taco, die Tortillas und der Chili. Ich persönlich mag das mexikanische Essen gerne, obwohl irgendwann der Chili-Wahn ein Ende haben muss… Süßigkeiten oder Bier mit Chili müssen ja nicht sein! Wenn der Deutsche zum Früh- oder Dämmerschoppen geht, geht der Mexikaner in eine cantina. Hier zahlt man das Fleisch nach Kilopreis und bekommt gratis Bier, Tequila oder anderen Schnaps dazu. Auch in der Disco kann man besser gleich eine ganze Flasche kaufen, als jeden Cuba Libre oder Tequila Sunrise einzeln zu bestellen. Die 10% Trinkgeld, die erwartet werden, setzen die Kellner gerne schon mal vorsorglich mit auf die Rechnung, nicht dass man sie vergisst und vielleicht gibt’s sie ja dann sogar doppelt. Nach einiger Zeit hat man sich an die Lebensumstände hier gewöhnt, kennt ungefähr die Lage der verschiedenen delegaciones (Stadtteile) und kann ohne Stadtplan (DIN A 4, ca. 120 Seiten stark) dorthin gelangen, wo man hin will. 1 Jahr Mexiko 19 Melissa, Mom, Dad, Gaby, Vanessa, Daniel, Maria und ich Cesar, Omar, ich, Marcia und Ana Laura Maria, ich, Ana Laura, Rodrigo, Philipp und Gaby Yusif, ?, José, Ramón, ?, ich, ? und Salvador Salvador, Maricarmen, ich, Gaby, Wander und Betty Cesar, Thomas, ich, Corinna, Philipp, David und Florian 1 Jahr Mexiko 20 6) Was kommt noch? Am 8. August fange ich mein Praktikum bei MAN Ferrostaal de México S.A. de C.V. an. Ich werde dort bis kurz vor Weihnachten im Bereich Finanzierung arbeiten und dabei helfen, reports für die deutsche Zentrale von Ferrostaal in Essen zu erarbeiten und Finanzierungspläne für und in Zusammenarbeit mit wenig kapitalstarken Kleinkunden hier in Mexiko zu erstellen. Genau weiß ich noch nicht, was mich erwartet, ich bin aber schon sehr gespannt und hoffe, dass das Praktikum mich weiterbringt. Ich soll ab und zu nach Querétaro (etwa zwei Stunden nördlich von Mexiko-Stadt) fahren, da Ferrostaal dort eine Busfertigung und dementsprechend dort viel Kundenkontakt hat, da neben der individuellen Fertigung auch der ganze Service für die Bussparte dort abgewickelt wird und dieser Bereich ein großes Wachstum verspricht. Gott sei Dank ist Gaby noch bis zum 7. August hier bei mir in Mexiko, so dass ich beim Kauf von neuen Hosen, Hemden, etc. nicht ganz auf meine (zweifelbaren) Stilkenntnisse allein gestellt bin. Im TEC werde ich noch eine Art Abschluss-Klausur machen müssen und den TOEFL (Englisch-) Test absolvieren. Beides sind Voraussetzungen für meinen Abschluss hier in Mexiko. Der offizielle Akt und die Titelvergabe werden am 12. Dezember stattfinden, danach darf ich mich dann Licenciado en Administración de Empresas nennen. Da ich wie schon erwähnt keine Vorlesungen mehr haben werde, war der Crashkurs im Juni das letzte Mal, dass ich einen Hörsaal von innen gesehen habe (zumindest für dieses Studium). Schon komisch, dass man bald fertig sein soll, die Zeit ging unglaublich schnell rum! Zu Weihnachten und Neujahr hoffe ich wieder nach Venezuela fliegen zu können, um diese Zeit bei Gaby und ihrer Familie verbringen zu können. Es wäre das sechste Mal, dass ich sie dort besuche und das erste Mal über die Feiertage. Am 5. Januar 2006 werde ich wieder nach Deutschland fliegen. Ob ich dann meine Diplomarbeit für die FH Münster in Deutschland, in Mexiko oder irgendwo anders schreiben werde, kann ich noch nicht sagen. Auch, ob ich erst im März oder schon im Januar beginne, weiß ich noch nicht. Ich denke, 1 Jahr Mexiko 21 viele dieser Fragen werden sich im restlichen Verlauf des Jahres und vor allem während des Praktikums – abhängig von dessen Verlauf – klären. Ich kann nicht ausschließen, nach meinem Rückflug nach Deutschland wieder nach Mexiko zurück zu kehren; zwar nicht für immer, aber zumindest für die Diplomarbeit oder einen ersten Zeitvertrag wäre es durchaus denkbar. Zusammenfassend kann ich sagen dass ich die Zeit hier in Mexiko genossen habe und noch weiter genieße! Ich habe nie bereut, hergekommen zu sein und freue mich auf die restlichen fünf Monate, die mir hier noch bleiben. Natürlich vermisse ich mittlerweile Dinge aus Deutschland – allen voran meine Familie, aber auch meine Freunde, deutschen Fußball, deutsches Essen, deutsches Fernsehen, das Wetter (ja wirklich, in Mexiko-Stadt ist es quasi immer Frühling; abgesehen von der Zeit von November bis Februar sind es immer so ca. 20 bis 25°C und fast immer scheint die Sonne. Ein Herbst wäre mal wieder nicht schlecht!), Autobahnen, Schokolade, deutscher Bier (!!!) und eine ordentliche Nachrichtensendung (gut, dass es Internet gibt und den Livestream der Tagesschau – die mexikanischen Nachrichten berichten besonders gerne über Soap Stars, Metzeleien und Verkehrsunfälle). Ich hoffe, dass ich die Wahlunterlagen zur Bundestagswahl noch rechtzeitig bekomme (an der Kommunalwahl in NRW habe ich letztes Jahr per Briefwahl teilnehmen können) und werde alles daran setzen, während der WM nächstes Jahr in Deutschland zu sein. Was man von den gerade angekommenen CALAStudenten der nächsten Generation gehört hat, muss die Stimmung während des Confederation Cups schon super gewesen sein (Gott sei Dank haben wir gegen Mexiko gewonnen – nicht auszudenken, was ich mir hier den Rest des Jahres hätte anhören müssen!) und außerdem haben sich schon ca. 120 Mexikaner bei mir angemeldet um während des Turniers bei mir zu wohnen. Ich hoffe ich habe Euch nicht zu sehr gelangweilt und Ihr habt einen kleinen Eindruck meines Lebens hier in Mexiko bekommen. Ich dachte es wäre mal sinnvoll einerseits für mich meine Erfahrungen zu ordnen und andererseits zu schildern, dass Mexiko auf jeden Fall eine Reise wert ist. Sollte noch jemand kommen wollen – mi casa es su casa!!!