einblicke

Transcrição

einblicke
einblickE
WiSe 2010
Journal der Hochschule
2
Inhalt
Querblick
Soziale Gesundheit stärken: Das verkannte Potential sozialen
Wohlbefindens / sozialer Unterstützung / sozialer Sicherheit 4
EINblick
Studentische Identität und gutes Studium 10
»Ach wie gut, dass niemand weiß ...« Ein Interview mit Ingrid Lutz 12
Weiterbildung Pflegeberatung – ein neues Angebot 13
Neue Koordinationsstelle »Männer in Kitas« 14
Promotionskolleg »Soziale Professionen und Menschen­rechte« 15
Rückblick
Forschungsprojekt Ȁlter werdende Eltern und erwachsene
Familienmitglieder mit Behinderung« 16
Auf der Baustelle mit der Startwerkstatt 17
Bachelorpreis der Hamburger Caritasstiftung geht an Studierende der KHSB 17
Das Gute im Blick 18
Abschlussbericht der »Kundenstudie« zum unterstützten Wohnen in Berlin 18
Abschluss des europäischen Projekts UNIQ 19
Start des Projektes »Potenziale und Risiken in der familialen Pflege
alter Menschen« 20
Alternative Lehrveranstaltungen an der KHSB 20
Zusammenarbeit über Grenzen hinweg 21
Fachgespräch: »Qualitätsanforderungen und Qualitätssicherung internationaler
Praktika und Hospitationen« 21
Religiöse Praxis – die KHSB beteiligt sich am interreligiösen Dialog 22
Ehemaliger Student der KHSB erhält den Johannes-Stelling-Preis 22
Augenblick
Prof. Dr. Leo J. Penta 23
Prof. Dr. Birgit Bertram 30
Gott und die Welt
Reise nach Oswiecim 24
Die KHSB auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München 25
Fernblick
Wie machen es die anderen? 26
Kleine Schritte, die die Welt verändern… 27
Sattelt die Hühner, wir reiten nach Texas! 27
Ausblick
Internationaler Tag an der KHSB 28
Sport und Behinderung 28
Gerechte Finanzierung der Pflege 29
Veranstaltungen des ForumFamilie 29
Case-Management in der Sozialen Arbeit 29
3
Vorausblick
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich freue mich, Ihnen die vierte Ausgabe unserer Hochschulzeitung Einblicke
vorzulegen. Zu Beginn des Wintersemesters 2010 / 11 geben wir Ihnen einen Einblick in neue Entwicklungen in der Hochschule und blicken auf eine Vielzahl von
Projekten des Sommersemesters zurück. Vorangestellt ist der neuen Ausgabe als
QUERBLICK ein Beitrag von Prof. Dr. Dieter Röh mit dem programmatischen Titel
»Soziale Gesundheit stärken«. Gesundheit braucht mehr als medizinische Versorgung. Gesundheit ist abhängig von sozialen Bedingungen. Diesen Zusammenhang
zu reflektieren, durch Forschung auszuleuchten und Handlungsmethoden für gesundheitsorientierte Soziale Arbeit im Studium zu vermitteln, ist das Anliegen der
Instituts für Soziale Gesundheit und der katholischen Hochschule insgesamt. Soziale Gesundheit ist ein Profilelement der katholischen Hochschule. Wir ermöglichen
den Studierenden bereits im Bachelorstudium, sich in einem entsprechenden Studienschwerpunkt mit Anforderungen an eine gesundheitsorientierte Soziale Arbeit
zu befassen. Der Weiterbildungsmasterstudiengang »Klinische Soziale Arbeit« leistet eine Vertiefung und Ausdifferenzierung der sozialarbeiterischen Konzepte für
die Bearbeitung komplexer psychosozialer Problemlagen. Ich freue mich, dass wir
in den letzten Tagen die Nachricht erhielten, dass dieser Weiterbildungsstudiengang gerade erfolgreich reakkreditiert wurde. Der Beitrag von Prof. Dr. Röh steckt
den Rahmen und die Aufgaben einer gesundheitsbezogenen klinischen Sozialen
Arbeit ab. Wie denken Studierende über das Studium an der KHSB? Was ist gutes
Studium? Einen kleinen EINBLICK gibt das Forschungsprojekt »Studentische Identität und gutes Studium«. Es verweist auf die Notwendigkeit der kontinuierlichen
Arbeit an der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung von Lehre, Forschen
und Administration im Hochschulalltag. Darauf haben sich Lehrende, Studierende
und Verwaltungsmitarbeiterinnen während eines Hochschultags im Mai dieses
Jahres verständigt. Eine hochschulübergreifende Konsultation zum Thema Qualität
in Praktika und Hospitationen im Ausland führte in der KHSB Studierende und
Lehrende der drei Berliner Fachhochschulen des Sozialwesens und Vertreterinnen
der Akademie Jabok in Prag zusammen. Im RÜCKBLICK berichten wir über eine
Reihe von Forschungsprojekten, die in jüngster Zeit Ihre Arbeit erfolgreich beendet
oder gerade aufgenommen haben. Ihrer besonderen Aufmerksamkeit empfehle
ich die beiden Praxisforschungsprojekte Ȁlter werdende Eltern und erwachsene
Familienmitglieder mit Behinderung« und das Projekt »Potenziale und Risiken in
der familialen Pflege alter Menschen«. Beide Praxisforschungsprojekte haben im
Sommersemester ihre Arbeit aufgenommen. Sie greifen Fragen auf, die mit der
demographischen Veränderung unserer Gesellschaft verbunden sind und Herausforderungen für die sozialen Professionen bergen.
Ich empfehle die vielfältigen Einblicke in das Leben der KHSB Ihrer
Aufmerksamkeit.
4
Querblick
Soziale Gesundheit stärken: Das verkannte Potential sozialen
Wohlbefindens/sozialer Unterstützung/sozialer Sicherheit
1. Einleitung: Was macht uns eigentlich krank?
Die Top-Ten der Health Risks der WHO
Soziales und Gesundheit, das scheinen auf den ersten Blick
zwei verschiedene Dimensionen und Kategorien zu sein. Soziales – das hat scheinbar etwas mit Abweichung, Randgruppen,
Kriminalität, Jugendhilfe, Arbeitslosigkeit, Sozialamt zu tun, also
mit etwas, dass es nur bestimmte, marginalisierte, an den Rand
gedrängte Bevölkerungsgruppen betrifft. Gesundheit dagegen
– das hat etwas mit uns allen zu tun: Jeder und jede, ob jung
oder alt, ob Frau oder Mann, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, ob arm oder reich, wir alle hegen und pflegen unsere
Gesundheit und vermeiden oder erleiden Krankheit. Doch ist der
augenscheinliche Gegensatz auch ein tatsächlicher, d.h. hält er
wissenschaftlichen Kriterien und Ansprüchen stand? Schon die
Hinführung zur Frage lässt erkennen, dass dies gewiss nicht so
ist bzw. sein kann und der genauere Blick, den ich im Folgenden einnehmen möchte, zeigt uns, dass es keineswegs so ist.
Lediglich die öffentliche Meinung, die laienhafte Betrachtung
und auch die medial transportieren Bilder über Gesundheit und
Krankheit lassen so etwas vermuten. In diesem Beitrag soll es um
die Darstellung der sozialen Grundlagen von Gesundheit ebenso wie um die Frage nach der Herstellung sozialer Gesundheit
gehen. Ein prominenter Platz wird dabei der Sozialen Arbeit als
Expertise für die Zusammenhänge zwischen individueller Lebensführung und externen, kollektiven Umwelten mit Risiken und
Ressourcen zuerkannt. Soziale Arbeit verfügt wie keine andere
Profession bzw. Disziplin über genügend Kontext- und Anwendungswissen, um soziale Gesundheit herzustellen. Dass sie dies
nicht allein aus wissenschaftlicher Begründung und professioneller Tätigkeit heraus kann, werden die Hinweise auf gesellschaftliche Zusammenhänge zwischen sozialer Lage und Gesundheit
zeigen. Trotzdem soll versucht werden, die Handlungsbeiträge
der gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit in Form von Gesundheitsförderung, Gesundheitsberichterstattung, Klinischer
Sozialarbeit und Krankenhaussozialarbeit aufzuzeigen und damit
das Potential eines konsequenten Einbezugs der sozialen Seite
der Gesundheit zu verdeutlichen. Für einen ersten Zugriff auf
das Thema lohnt sich ein Blick auf die Top-Ten der Gesundheitsrisiken, die die Weltgesundheitsorganisation (2009, 9) für die
menschliche Gesundheit erkennt: »More than one third of the
world’s deaths can be attributed to a small number of risk factors. The 24 risk factors described in this report are responsible
for 44% of global deaths and 34% of DALYs; the 10 leading risk
factors account for 33% of deaths. […] The five leading global
risks for mortality in the world are high blood pressure, tobacco
use, high blood glucose, physical inactivity, and overweight and
obesity. […] The leading global risks for burden of disease in the
world are underweight and unsafe sex, followed by alcohol use
and unsafe water, sanitation and hygiene.«
5
Die Aufzählung verrät uns also zunächst, dass bestimmte Gesundheitsrisiken, wie z.B. Bluthochdruck, Tabakkonsum, hoher
Blutzucker, Bewegungsmangel und Übergewicht, für einen
Großteil tödlicher Krankheiten verantwortlich sind. Diese sind,
wie sich unschwer erkennen lässt, alle mit sogenannten Zivilisationskrankheiten, wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Diabetes oder Krebs, verbunden und damit dem Lebensstil moderner Menschen in den industriell entwickelten Staaten dieser
Welt geschuldet. Die Aufzählung zeigt uns aber auch, dass sich
daneben nach wie vor auch genügend Gesundheitsrisiken im
Bereich von Untergewicht, ungeschütztem Geschlechtsverkehr,
Alkoholmissbrauch und unsauberem Wasser bzw. mangelnder
Hygiene und dies vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern finden lassen. Zerfällt die Welt also in zwei Teile, deren
Gesundheitsrisiken recht unterschiedlich sind? Die einen gefährden durch ihren Lebensstil ihre Gesundheit und die anderen leiden unter den mangelhaften Umständen im Bereich Ernährung,
Versorgung und Gesundheitsverhalten? Sicherlich spricht einiges
für diese Polarität im Bereich der Gesundheitsstörungen bzw.
des Gesundheitsverhaltens, jedoch gibt es auch hierzulande genügend Hinweise für eine soziale Verursachung von Krankheiten
bzw. eine Mitverursachung respektive Verschlechterung derselben. Denn wie Abbildung 1 zeigt, ist, weltweit gesehen, die
Ausstattung und der Zugriff auf ökonomische Mittel, hier ausgedrückt durch das Einkommen der Bevölkerung, ein wesentlicher
Faktor, der das Krankheitsrisiko zum Teil erheblich potenziert.
Menschen mit geringem Einkommen sind beispielsweise sowohl
im Bereich des Gesundheitsverhaltens (siehe hierzu die ernährungsrelevanten Faktoren, wie z.B. hoher Blutzucker oder hohes
Cholesterin) als auch im Bereich der Umweltfaktoren (siehe hierzu Untergewicht bei Kindern oder unsauberes Wasser) größeren
Risiken ausgesetzt.
Figure 7: Percentage of disability-adjusted life years (DALYs) attributed to 19 leading risk factors,
by country income level, 2004.
Childhood underweight
Unsafe sex
Alcohol use
Unsafe water, sanitation, hygiene
High blood pressure
Tobacco use
Suboptimal breastfeeding
High blood glucose
Indoor smoke from solid fuels
Overweight and obesity
Physical inactivity
High cholesterol
Occupational risks
Vitamin A deficiency
Iron deficiency
Low fruit and vegetable intake
Zinc deficiency
Illicit drugs
Unmet contraceptive need
High income
Middle income
Low income
er rekurriert, sondern die gesunden bzw. kranken Lebensjahre
wiedergibt: In Abb. 2 ist klar zu sehen, dass sich hier die Einkommensverteilung erheblich negativer auswirkt als noch bei
den Risiken selbst, d.h. die Folgen von beispielsweise schlechter
Ernährung oder Alkohol- und Tabakkonsum wirken sich negativer bei geringem Einkommen aus als bei mittleren oder höheren
Einkommen.
Figure 6: Deaths attributed to 19 leading risk factors, by country income level, 2004.
High blood pressure
Tobacco use
High blood glucose
Physical inactivity
Overweight and obesity
High cholesterol
Unsafe sex
Alcohol use
High income
Middle income
Low income
Childhood underweight
Indoor smoke from solid fuels
Unsafe water, sanitation, hygiene
Low fruit and vegetable intake
Suboptimal breastfeeding
Urban outdoor air pollution
Occupational risks
Vitamin A deficiency
Zinc deficiency
Unsafe health-care injections
Iron deficiency
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
Mortality in thousands (total: 58.8 million)
Abb. 2: Anteile an »disability-adjusted life years (DALYs)« bezüglich der
19 führenden Risikofaktoren, in Verbindung mit dem Einkommensniveau
(WHO 2009, 10)
Liegt also in der sozialen Lage der Menschen selbst ein gesundheitliches Risiko? Die genannten sozialepidemiologischen Daten
deuten darauf hin und geben somit Anlass für eine verknüpfende Betrachtung beider Dimensionen: des Sozialen und der
Gesundheit. Zur Erklärung des augenfälligen Zusammenhangs
bieten sich zwei Modelle an: Zum einen wird in der sog. Verursachungshypothese davon ausgegangen, dass sich ein schlechter
sozio-ökonomischer Status negativ auf die Gesundheit auswirkt,
zum anderen erklärt die sog. Drift-Hypothese, warum kranke
Menschen (insbesondere chronisch kranke Menschen) häufiger
von Armut oder einem schlechten sozio-ökonomischen Status
betroffen sind als gesunde (vgl. Mielck 2000).
2. Warum machen uns soziale Faktoren krank?
Theoretische Grundlagen und Erklärungsmodelle
0
1
2
3
4
5
6
7
Percent of global DALYs (total: 1.53 billion)
Abb. 1: Todesfälle mit verursachenden Gesundheitsrisiken in Verbindung
mit dem Einkommensniveau (WHO 2009, 104)
Noch stärker schlägt diese Ungleicheit zu Buche, wenn man sich
die Lebensjahre mit schlechter Gesundheit (disability-adjusted
life years) anschaut, eine Maßzahl, die nicht auf die Lebensdau-
Die oben erwähnten Hypothesen lassen sich bislang vor allem
über ein transitives Modell erklären, das annimmt, dass bestimmte soziale Ungleichheiten für ein bestimmtes Risikoniveau
verantwortlich sind, das dann wiederum auf die Gesundheit
Einfluss nimmt. So entstehen durch die jeweilige soziale Lage
zum einen Unterschiede in den gesundheitlichen Belastungen
selbst, zum anderen aber auch im Bereich der Inanspruchnahme
gesundheitlicher Versorgung. Schließlich spielt auch das gesundheitsbezogene Verhalten selbst, also z. B. die Einstellung zur
eigenen Gesundheit und das daraus resultierende Maß an ge-
6
Querblick
sundheitsbewusstem Verhalten, eine entsprechende Rolle: Neben
den oben referierten Erkenntnissen und Erklärungen stehen der
Sozialen Arbeit im Bereich von Gesundheit und Krankheit weitere Theorien zur Verfügung. Mit der Sozialökologie oder ökosozialen Theorie verfügt sie über ein Grundverständnis, das das
Verhalten von Menschen in einem transaktionalen Zusammenhang mit ihren Verhältnissen sieht. Menschen agieren in einer
sie umgebenden natürlichen, kulturellen und sozialen Umwelt,
aus der sowohl Risiken wie auch Ressourcen für die Erhaltung
von Gesundheit oder die Vermeidung von Krankheit resultieren.
Soziale Ungleichheit
(Unterschiede in Wissen, Macht, Geld und Prestige)
Unterschiede in den
gesundheitlichen
Belastungen
(z. B. psychische und
physische Belastung am
Arbeitsplatz)
Unterschiede in den
Bewältigungsressourcen,
Erholungsmöglichkeiten
(z. B. soziale Unterstützung,
Grünfläche in der
Wohnumgebung)
Unterschiede in der
gesundheitlichen
Versorgung
(z. B. Zahnersatz, ArztPatient-Kommunikation)
Unterschiede im Gesundheitsverhalten
(z. B. Ernährung, Rauchen, Compliance)
Gesundheitliche Ungleichheit
(Unterschiede in Morbidität und Mortalität)
Abb. 3: Erklärungsmodell zur gesundheitlichen Ungleichheit,
Mielck 2000, S. 173
Sozialökologisch gedacht wird dabei Lebensführung als fortlaufender Bewältigungsprozess verstanden, der eine dynamische
und auf eine gelingende Lebensführung abzielende, beständige
Auseinandersetzung mit den individuellen Lebenszielen und
–möglichkeiten sowie den in der Umwelt vorfindlichen Ressourcen und Begrenzungen der eigenen Lebensführung umfasst. In
Abwandlung eines bekannten Satzes von Karl Marx (aus: »Der
achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte«) könnte man sagen:
Die Menschen machen ihre eigene Gesundheit, aber sie machen
sie nicht nur aus freien Stücken, nicht nur unter selbstgewählten,
sondern auch unter unmittelbar vorgefundenen und gegebenen
Umständen. Bei dem medizinsoziologischen Stressforscher Aaron
Antonovsky finden wir ein ähnliches Gesundheitsverständnis,
das wiederum für den Zusammenhang von sozialer Lage und
Gesundheit entscheidende Hinweise liefert. Antonovsky (1997)
beschrieb in seinem Modell der »Salutogenese« das Zusammenwirken einer individuellen, psychologischen Variable, die er »Kohärenzgefühl« nannte, und sozialen Variablen, die er unter dem
Terminus »Generalisierte Widerstandsressourcen« zusammenfasste. Das Kohärenzgefühl als ein Persönlichkeitsfaktor spiegelt
nach Ansicht Antonovskys eine psychische Disposition wider, die
allerdings durch Erfahrungen erworben wird und nach der Menschen in unterschiedlichem Maße davon überzeugt sind, dass sie
etwas an ihrer Lage, auch ihrer Gesundheit, verändern können
oder nicht. Das Kohärenzgefühl besteht aus drei Teilkomponenten: erstens durch die Fähigkeit zum Verstehen der jeweiligen
Anforderungen (sense of comprehensibility), die mich in die Lage
versetzt, Informationen in einem Bewertungsprozess als relevant, irrelevant, herausfordernd oder gefährlich und auch deren
Herkunft, voraussichtlicher Dauer und Dringlichkeit einschätzen
zu können. Zweitens zählt zum Kohärenzgefühl auch die Fähigkeit zum adäquaten Umgang mit diesen Erkenntnissen und der
Bewältigung im engeren handlungszentrierten Sinne (sense of
manageability). Diese Fähigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass
ich zur Lösung einer erkannten Herausforderung bzw. eines
Problems die nötigen praktischen Fähigkeiten besitzen muss, um
es anzugehen. Hierzu gehören also wiederum Kenntnisse über
Lösungswege und Bewältigungsressourcen wie auch Fertigkeiten
zu deren Umsetzung. Drittens gehört zum Kohärenzgefühl nach
Ansicht Antonovskys eine motivationale Komponente (sense of
meaningfulness), die anzeigt, wie viel Energie jemand zur Bewältigung des Problems aufbringen kann. Wesentlich hierbei ist, wie
viel »Sinn« in dem Problem selbst gesehen wird und vor allem,
wie stark die Überzeugung ist, das durch das eigene Handeln etwas zu verändern bzw. zu bewirken ist. Neben dieser individuellen Konstitution setzt das Modell der Salutogenese auch auf die
sog. »Generalisierten Widerstandsressourcen«, die Antonovsky
in individuellen (z.B. körperlichen Faktoren, Intelligenz, Bewältigungsstrategien) als auch in sozialen und kulturellen Faktoren
(z.B. soziale Unterstützung, finanzielle Möglichkeiten, kulturelle
Stabilität) sah. Unterm Strich wird deutlich, dass sich auch mithilfe dieses Modells die Zusammenhänge zwischen individueller
Konstitution (Verhalten) und sozialer Verfasstheit (Verhältnisse)
verstehen lassen. Zuletzt hat die Weltgesundheitsorganisation im
Jahre 2001 mit ihrer International Classification of Functioning,
Disability and Health (ICF) diesem bipolaren, aber komplementären Verständnis Rechnung getragen und die Entstehung von
Behinderung als negative Wechselwirkung zwischen einer Gesundheitsstörung und Umweltfaktoren sowie personenbezogenen Faktoren definiert (Deutsche Übersetzung unter www.dimdi.
de). Überhaupt setzt die Weltgesundheitsorganisation schon seit
ihrem Bestehen auf ein multidimensionales Gesundheitsverständnis und proklamierte schon 1948, dass Gesundheit ein Zustand
vollständigen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens
sei und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit oder Behinderung. Diese biopsychosoziale Sichtweise setzte sich auch in der
o.g. ICF sowie in der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung
(1986) durch und sollte als unumstrittener Maßstab für jedwedes Handeln im Bereich der Gesundheitsversorgung gelten.
Umgesetzt finden wir es jedoch bislang hauptsächlich in der
Rehabilitation, dort vor allem in psychosomatischen, psychotherapeutischen oder psychiatrischen Einrichtungen und wesentlich
seltener in rein somatischen Fächern der Medizin. Lediglich die
sog. »Integrierte Medizin« (v. Uexküll/Wesiack, 2003) leitet ihr
Handlungskonzept konsequent aus einem solchen biopsychosozialen Modell ab, ebenso wie die Klinische Soziale Arbeit (Pauls
2004, Ortmann/Röh 2008).
7
3. Formen von gesundheitsbezogener Sozialer Arbeit
Soziale Arbeit kann auf den oben beschriebenen Zusammenhang durch ihre Expertise für die Zusammenhänge zwischen
Individuum und Gesellschaft oder zwischen dem »Psychosomatischen« (Leib, Geist, Handeln) und dem »Sozialen« (Beziehungen, Normen, materielle Umgebung) in vielerlei Weise Einfluss
nehmen. Traditionell ist die Soziale Arbeit als Beruf schon in
ihren Pionierjahren (um 1900) als Fürsorgearbeit im Gesundheitswesen bzw. Gesundheitssektor tätig gewesen. Alice Salomon
(1872-1948), die 1908 die erste soziale Frauenschule mit dem
Anspruch der Professionalisierung des bisherigen, häufig ehrenamtlichen Helfens aufbaute, berichtet in ihrem Werk »Sociale
Diagnose« von 1926 von einer Aussage des amerikanischen Arztes Richard Cabot und schrieb hierzu: »Noch enger wurde das
Zusammenwirken von Arzt und Fürsorgerin in der sozialen Krankenhausfürsorge, für die uns die ersten Anregungen aus Amerika gekommen sind. Hierbei sind die sozialen Ermittlungen oft
geradezu als Unterlagen für die ärztliche Diagnose zu verwenden. Dr. Richard Cabot aus Boston, Begründer einer der ersten
sozialen Krankenhausfürsorge-Stellen, wollte durch Anstellung
geschulter Sozialbeamtinnen nicht eine Vermischung von ärztlicher und sozialer Arbeit, sondern eine chemische Verbindung
von beiden herbeiführen. Er sagt: »Wenn wir zusammenfassend
über unsere Fälle in der sozialen Krankenhausfürsorge berichten,
legen wir uns vier Fragen vor: 1. Wie ist der Gesundheitszustand
des Patienten? 2. Wie ist sein Charakter, sein geistig-moralischer
Zustand? 3. Wie sind die äußeren Verhältnisse beschaffen, unter
denen er aufgewachsen ist und lebt? 4. Wie sind die geistigseelischen Einflüsse beschaffen, unter denen er aufgewachsen ist
und lebt? Der Arzt weiß in der Regel viel über den ersten Punkt,
etwas über den zweiten – über die beiden anderen so gut wie
nichts auszusagen.« (S. 5 f.) Das hier in Andeutungen ersichtliche hierarchische Unterstellungsverhältnis, dass nämlich die
sozialen Ermittlungen als Unterlagen für die ärztliche Diagnose
zu verwenden seien, finden wir auch heute häufig wieder, wenn
sich beispielsweise Soziale Arbeit im Krankenhaus als sozialadministrative Tätigkeit darstellt, die sich parallel neben der medizinischen Behandlung hauptsächlich als Sozialberatung sowie Organisation von Anschlussheilbehandlungen oder Nachsorge (etwa
Unterbringung in Pflegeheimen bei älteren Patienten) manifestiert. Dass aber durch die Soziale Arbeit selbst ein Behandlungseffekt erzielt werden kann, und sei es auch nur, dass die medizinischen Behandlungen dadurch besser vom Patienten angenommen oder im häuslichen Alltag umgesetzt werden können oder
der behandelnde Arzt gleich auf die lebensweltlichen Zusammenhänge hingewiesen wird, liegt auf der Hand. Hierzu noch
einmal Richard Cabot, zitiert nach Alice Salomon: »Die soziale
Arbeit hat nicht einen besonderen Gesichtswinkel, sondern ist
auf den gesamten Menschen eingestellt, und das kann der soziale Arbeiter den Ärzten nahe bringen, die durch ihre Ausbildung
oft dazu verführt werden, das Blickfeld zu verengen.« (S. 6). In
dieser Zeit manifestierte sich die Gesundheitsfürsorge als Tätigkeit in den Bereichen der psychiatrischen Anstalten und sonsti-
gen Rehabilitationsstätten ebenso wie in der Trinkerfürsorge, in
den Gesundheitsämtern (dort v.a. als Tuberkulose-Fürsorge und
Hygiene-Beratung) und in der Schulgesundheitspflege. Ziel dieser
Bemühungen war es, neben der Verhinderung der Ausbreitung
von ansteckenden Krankheiten, wie etwa der Tuberkulose, auch
die Lebens- und Wohnbedingungen der Menschen insgesamt,
und zuvorderst in den Großstädten mit ihrer engen Bebauung
und den dunklen, unhygienischen, stickigen Mietwohnungen,
zu verbessern. Auch war mit dieser Gesundheitsfürsorge ein
gewisser Erziehungsanspruch verbunden, der die Menschen in
ihrem Lebensstil zu Mäßigung, Sauberkeit und Ordnung anhalten sollte. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter beteiligten sich
aber auch an den ersten Untersuchungen über gesundheitliche
Missstände im Rahmen der sog. Sozial-Enquêten, die hauptsächlich von den gerade erst entstandenen Krankenkassen oder auch
von Wohnungsbaugenossenschaften durchgeführt wurden. Soziale Arbeit hat also sehr früh einen Bezug zur gesundheitlichen
Lage und Versorgung gehabt und diesen in den letzten 100
Jahren auch ausbauen können. So beschreiben Ortmann/Waller
(2005) immerhin elf verschiedene Handlungsfelder, in denen
gesundheitsbezogene Soziale Arbeit stattfindet. Dabei kann man
zwischen Tätigkeiten im Gesundheitswesen (im Krankenhaus, im
Öffentlichen Gesundheitswesen, in der gesetzlichen Krankenversicherung, in der Sozialpsychiatrie, in der Suchtkrankenhilfe und
in der Rehabilitation) und solchen im Sozialwesen (Kindergärten,
Jugendhilfe, Schulen, Stadtteil, Wohnungslosenhilfe) unterscheiden. Sting/Zurhorst (2000) gehen von fünf großen Bereichen
aus: Gesundheits-Selbsthilfe, Jugendarbeit, Gemeinwesenarbeit,
Suchtkrankenhilfe, Klinische Sozialarbeit.
4. Vier Tätigkeitsfelder einer gesundheitsbezogenen
Sozialen Arbeit
An dieser Stelle möchte ich vor allem vier Ansätze bzw. Tätigkeitsbereiche unterscheiden, nämlich die Gesundheitsförderung
und die Gesundheitsberichterstattung als allgemeine und die
Krankenhaussozialarbeit und die Klinische Sozialarbeit als besondere Formen der Sozialen Arbeit im Bereich von Gesundheit und
Krankheit. Die Darstellung wird notwendigerweise auf Skizzen
der jeweiligen Bereiche reduziert bleiben müssen.
Gesundheitsförderung
Mit der Entdeckung von bakteriellen und viralen Übertragungswegen durch Robert Koch Ende des 19. Jahrhunderts erreichte
die Medizin einen neuen Zugang zu Krankheiten, die sie nicht
länger nur behandeln, sondern denen sie auch in weiten Teilen
vorbeugen konnte. Aufklärung und Information über notwendige Hygienemaßnahmen sowie weitere Maßnahmen, wie etwa
der Bau von Kanalisationen und einer Frischwasserversorgung
in den Städten, führten dazu, dass Übertragungskrankheiten
wie Tuberkulose oder auch Typhus erheblich zurückgingen und
gleichzeitig die weiteren Fortschritte in der Behandlung (und
v.a. die neuen Hygiene-Standards in der Geburtshilfe) für eine
8
Querblick
steigende Lebenserwartung der Menschen sorgten. Gegenüber
der Krankheitsvorbeugung, zu der man ein unbedingtes Wissen über die kausalen Zusammenhänge von Risikofaktoren und
Krankheitsfolgen benötigt, geht die Gesundheitsförderung von
einem anderen Prinzip aus. Sie wird als Prozess verstanden, der
Menschen befähigen soll, durch individuelle und soziale Maßnahmen mehr Kontrolle über ihre Gesundheit zu erlangen. Gesundheitsförderung setzt also neben der individuellen Ansprache
an das Gesundheitsverhalten unbedingt auch an den sozialen
Strukturen und sozialen Faktoren an, die die gesundheitliche
Lage von Menschen beeinflussen (siehe den oben beschriebenen
Zusammenhang von sozialer Lage und Gesundheit). Zudem wird
eine andere Philosophie mit Gesundheitsförderung verbunden,
denn anders als im Bereich Prävention wo nach einem pathogenetischen Muster gedacht und gehandelt wird (»Wie entstehen
Krankheiten?«), wird im Bereich der Gesundheitsförderung eine
salutogenetische Perspektive eingenommen (»Wie entsteht
Gesundheit?«). So werden vor allem die Ressourcen zum gesund bleiben, statt die Risiken zum krank werden in den Blick
genommen. Gesundheitsförderungsmaßnahmen wirken damit
zwar auf eine Art ebenfalls präventiv, fokussieren aber nicht die
Verhütung einer bestimmten Krankheit, sondern wollen die Gesundheit der Menschen im Allgemeinen stärken und verbessern.
Ein zentrales Dokument der Gesundheitsförderung ist die bereits
erwähnte Ottawa-Charta der Vereinten Nationen, die 1986 auf
einer der ersten Konferenzen zum Thema veröffentlicht wurde.
Sie definiert verschiedene Handlungsfelder (Entwicklung einer
gesundheitsfördernden Gesamtpolitik, gesundheitsfördernde Lebenswelten schaffen, gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen, persönliche Kompetenzen entwickeln, Gesundheitsdienste
neu orientieren), in denen mit den Handlungsstrategien Vernetzung, Anwaltschaft und Befähigung die gesundheitliche Lage der
Bevölkerung insgesamt verbessert werden soll. Zentral ist dabei
der sog. Setting-Ansatz: Maßnahmen zur Gesundheitsförderung
sollen nicht künstlich angelegt sein, sondern grundlegend in die
Lebenswelt der Menschen integriert werden, z.B. durch entsprechende Maßnahmen in Schulen, an Arbeitsplätzen, in Städten
usw. Damit gewinnt dieser Ansatz eine deutliche Nähe zur lebensweltorientierten Sozialen Arbeit und ist deshalb gerade für
viele Bereiche der Sozialen Arbeit von Bedeutung.
Gesundheitsberichterstattung
Eine eher indirekte Maßnahme zur Stärkung der sozialen Seite
der Gesundheit ist die seit den 1990'er Jahre entstandene und in
vielen Bereich mittlerweile etablierte Gesundheitsberichterstattung, die neben den klassischen Berichten über die soziale Lage
der Bevölkerung wesentliche Daten über die gesundheitliche
Lage und die gesundheitliche Versorgung sowie die Häufigkeit
von gesundheitlichen Belastungen liefern kann. Neben den eingangs zitierten Berichten der WHO werden auch in Deutschland
auf Bundes- (www.gbe-bund.de) als auch auf Länderebene und
vereinzelt auch in den Kommunen in regelmäßigen Abständen
Reporte erstellt, die entweder allgemeine Indikatoren und Maß-
nahmen beschreiben oder spezifische Schwerpunkte setzen, z.B.
zur Kindergesundheit. Zielgruppe der Gesundheitsberichte sind
in erster Linie jene Instanzen, die politische oder strukturelle Entscheidungen über Maßnahmen oder Veränderungen herbeiführen können, also Politiker, Arbeitgeber, Verbände, Krankenkassen
und andere Organisationen.
Klinische Sozialarbeit
Neben einer pädagogischen Ausrichtung hat die Einzelfallhilfe
in der Sozialen Arbeit auch eine therapeutische, behandelnde
Interventionsform herausgebildet, die in Anlehnung an den
anglo-amerikanischen Terminus »Clinical Socialwork« auch in
Deutschland als Klinische Sozialarbeit verbreitet ist. Die »klinische« Ausrichtung ist jedoch nicht auf »krankenhausbezogen«
zu reduzieren, vielmehr besteht der besondere Ansatz in der
Behandlung von sozio-psycho-somatisch zu verstehenden Störungen, Erkrankungen und Behinderungen im Allgemeinen, wobei das »Klinische« weit über eine rein individuelle Betrachtung
von Störungen hinausgeht und sich gerade durch den Einbezug
sozialer Umweltbedingungen auszeichnet. Denn immer ist im
Fall des sozialarbeiterischen Handelns das in Rechnung zu stellen, was bereits eine Pionierin der Sozialen Arbeit, Jane Addams
(1860-1935) als »vortex causation« bezeichnete: das »kumulative Feld persönlicher Schwierigkeiten, verwirrenden gesetzlichen
Regelungen, multiplen Krankheiten und konfliktiven Kulturen«
(Addams zitiert nach: Staub-Bernasconi 1995, 49). Krankheiten, Störungen und Behinderungen entstehen in der Analyse
Klinischer Sozialarbeit in einem Gefüge von bio-psycho-sozialen
Einflüssen und ziehen immer auch entsprechende Folgen in diesen Bereichen nach sich. Der Wert der gesundheitsbezogenen
Sozialen Arbeit, und damit auch der Klinischen Sozialarbeit als
behandlungskompetenter Professionalität innerhalb der Krankenversorgung bemisst sich daher am Ziel der Verringerung von
sozialen Gradienten sowohl im Zugang zu Gesundheits- und Sozialleistungen wie auch in der Bewältigung von gesundheitlichen
und sozialen Problemen. Klinische Sozialarbeit findet in therapeutischen Kontexten der psychiatrischen, neurologischen aber auch
in somatischen Bereichen der Krankenversorgung statt und liefert
dort wertvolle Beiträge zu einer ganzheitlichen Betrachtung und
Behandlung von Krankheiten. Sie bedient sich dazu moderner
Methoden Sozialer Diagnostik (vgl. Pantucek 2010, Pantucek/
Röh 2009, Heiner 2004) und Sozialer Therapie, um bestmögliche
Interventionen zur Verbesserung der gesundheitlichen Lage von
Einzelnen, Familien und Gruppen leisten zu können (vgl. Schaub
2008).
Krankenhaussozialarbeit
In einer besonderen Form findet Klinische Sozialarbeit auch
als Krankenhaussozialarbeit statt. Diese schon 1905 als soziale
Krankenhausfürsorge vom bereits erwähnten Bostoner Arzt Richard Cabot gegründete Institution hat sich mittlerweile auch in
Deutschland zur Standardversorgung entwickelt. Jedes Krankenhaus verfügt über einen Sozialdienst, der sich laut § 112, Abs. 2
9
Nr. 4 des Vierten Sozialgesetzbuches um die soziale Betreuung
und Beratung von Versicherten kümmern soll, wobei entsprechende Landeskrankenhausgesetze die Tätigkeitsfelder mitunter
näher spezifizieren. Nicht immer sind in diesen Sozialdiensten
Fachkräfte der Sozialen Arbeit tätig, da mitunter auch Pflegepersonal oder andere Berufsgruppen eingesetzt werden. Zu den
Aufgabenfeldern bzw. Tätigkeitsbereichen gehören neben der
sozialen Beratung von Patientinnen und Patienten und deren
Angehörigen auch das Case Management (häufig als Entlassungsmanagement) sowie soziale Gruppenarbeit und vereinzelt
auch Sozio- oder Sozialtherapie. Die Sozialdienste arbeiten dabei
eng mit dem medizinischen, pflegerischen und therapeutischen
Personal des Krankenhauses zusammen. Entscheidend für den
Erfolg der Krankenhaussozialarbeit ist der Zeitpunkt der Einbeziehung in die Behandlung (früh oder erst kurz vor der Entlassung), die damit verbundene Dauer und Intensität des Kontaktes
zu den Patientinnen und Patienten sowie die personelle und
organisatorische Ausstattung und Einbindung in die Organisationsstruktur des Krankenhauses. Klinische Sozialarbeit als Arbeit
im Krankenhaussozialdienst unterstützt die Bewältigungsprozesse bei akuten, schweren oder chronischen Erkrankungen,
insoweit die soziale Situation der Patienten betroffen ist. Sie
diagnostiziert die die Krankheit beeinflussenden soziale Faktoren, wie beispielsweise das Vorhandensein einer ausreichenden
materiellen, häuslichen Versorgung oder auch von Angehörigen, Freunden, Nachbarn, die den Patienten im Sinne sozialer
Unterstützung nach Rückkehr in ihre häusliche Umgebung
entsprechend helfen können. So nennen denn auch 63% der in
einer Studie der Deutschen Vereinigung für den Sozialdienst im
Krankenhaus (heute Deutsche Vereinigung für Sozialarbeit im
Gesundheitswesen, DVSG) befragten Nutzerinnen und Nutzer
eines Kranken­haussozialdienstes, dass Gegenstand der Beratung
die Hilfe durch die Familie war. 20% gaben an, dass es um nachbarschaftliche Hilfe in den Beratungen ging und für 37% war
die Hilfe im Haushalt von entscheidender Bedeutung. Daneben
sind Informationen über Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen,
Sozialstationen und anderweitige Betreuung von Interesse (Layer/Mühlum 2003, S. 35).
5. Ausblick
Soziale Arbeit und Gesundheit stehen in einem engen Zusammenhang, wie oben gezeigt werden konnte. Soziale Einflüsse,
wie z.B. die soziale Lage oder auch das Maß an sozialer Integration, wirken auf die Gesundheit von Menschen ein und Gesundheit selbst wiederum ist eine starke Ressource zur Bewältigung
von Lebensaufgaben und alltäglichen Anforderungen. Aus
diesem Grunde sollte die soziale Gesundheit der Bevölkerung
viel stärker in den Blickpunkt gerückt werden, hier sind enorme
Potentiale für mehr Gesundheit und auch effektivere Behandlung, insbesondere von schwerwiegenden oder chronischen
Erkrankungen, zu erwarten. Statt immer mehr Geld in die Medikotherapie oder die Apparatemedizin zu stecken, sollte sich
einerseits die Medizin selbst wieder zu einer »sprechenden Medizin« entwickeln und andererseits die sozialen Einflüsse auf Gesundheit ernsthaft und vollständig in die Versorgung integriert
werden. Hierzu bedarf es auch entsprechender Umsteuerungen
im Versorgungssystem, von denen die Integrierte Versorgung
nach § 140 SGB V eine solche moderne, integrierende Versorgungsform darstellen könnte. Soll das kooperative Zusammenwirken von Ärzten, Sozialdiensten, Pflege- und Krankenkassen,
stationären, wie teilstationären und ambulanten Hilfen und
vieler anderer Gesundheits- und Krankheitsinstitutionen erfolgreich verlaufen, bedarf es schließlich auch einer professionell
ausgeführten und anerkannten Klinischen Sozialen Arbeit bzw.
gesundheitsbezogenen Sozialen Arbeit, die ihre Expertise für die
Zusammenhänge zwischen individuell feststellbarer Krankheit
und lebensweltlichen, sozialen Einflüssen in den notwendigerweise multiprofessionellen Behandlungsprozess einfließen lassen
kann. Sollte dies geschehen, so ist die soziale Seite der Gesundheit berücksichtigt und sind die verkannten Potentiale sozialer
Ressourcen angemessen genutzt.
Prof. Dr. Dieter Röh ist Professor für Sozialarbeitswissenschaft an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Fakultät Wirtschaft und Soziales, Department Soziale Arbeit. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit,
insb. im Bereich der Behindertenhilfe, Psychiatrie und Klinischen Sozialarbeit
Die Literaturliste zum Artikel kann auf Anfrage gern zugeschickt werden.
E-Mail: kaplow [at] khsb-berlin.de
10
EINblick
Studentische Identität und gutes Studium
Einblick in die Ergebnisse eines Forschungsprojektes
Prof. Dr. Ralf Quindel
Der Bolognaprozess, die Rahmenbedingungen der Hochschulbildung in Deutschland und die konkrete Gestaltung von Bachelor- und Masterstudiengänge werden
vielerorts kritisch diskutiert. Studierende
klagen über die Verschulung durch Anwesenheitspflicht und hohe Prüfungsbelastung, Hochschullehrer/innen über die
mangelnde Motivation der Studierenden.
Diese Situation war Ausgangspunkt eines
Forschungsprojekts, das die Perspektive
der Studierenden beschreiben und verstehen möchte. Die qualitative Studie
wurde im Bachelor Soziale Arbeit an der
Katholischen Hochschule für Sozialwesen
Berlin im Wintersemester 2009/2010
von Prof. Dr. Ralf Quindel unter Mitarbeit
der Studierenden André Kremer und
Daniela Stegemann durchgeführt. Nach
einer Datenerhebung in Form von drei
Gruppendiskussionen mit Studierenden
der Sozialen Arbeit aus dem ersten und
siebten Semester, wurde die Auswertung
mit Hilfe eines inhaltsanalytischen Verfahrens vorgenommen. Aus den Ergebnissen
der Studie werden hier exemplarisch zwei
Aspekte ausgewählt und mit Zitaten aus
den Gruppendiskussionen mit Studierenden aus dem siebten Semester illustriert.
Die Bedeutung der Noten im Studium
Durch die Bolognareform sind in die Organisation des Studiums der Sozialen Arbeit mit Modulen, workloads und credits
quantifizierbare Steuergrößen eingeführt
worden, die für die Studierenden die
Benotung weit bedeutsamer machen als
im Diplomstudiengang. Dies liegt unter
anderem daran, dass von Beginn an alle
Noten in die Endnote einfließen, sowie
an der Reglementierung des Zugangs
zum Masterstudium. Diese Rahmenbedingungen verstärken die Konkurrenzorientierung der Studierenden: Noten
werden nicht als individuelle Bewertung
der eigenen Leistung, sondern primär im
Vergleich gesehen. Es entsteht ein starker
Druck mit guten Noten abzuschließen,
um sich nicht »abgehängt« zu fühlen.
D: Aber wenn ich dann so in der Klausur sehe,
da ist jetzt nicht die Mehrheit, die da jetzt kurz
vorm Durchfallen ist, sondern eigentlich ist das
meiste mit Eins ... Zwei. C: Aber ich find auch
grade das setzt einen nochmal unter Druck.
A: Ja. C: Dass man irgendwie das Gefühl hat:
Man muss jetzt mit Eins abschließen. So ungefähr, weil alle schließen ja mit Eins oder Zwei
ab.
Es kann ein Widerspruch entstehen zwischen dem Anspruch, etwas zu lernen,
und dem, eine gute Note zu erreichen:
Seminare und Lehrende mit hohem
Anspruch zu wählen, heißt auch, mehr
leisten zu müssen und doch potentiell
schlechtere Noten in Kauf zu nehmen.
»Wenn du dann wirklich was lernen willst,
dann dahin gehst, wo du denkst okay, von diesem Prof könnt ich wirklich profitieren, dann
ist es schwer!«
Für die Studierenden gilt es also, eine
Balance zu finden zwischen ihren inhaltlichen Interessen auf der einen und der
Orientierung an den Rahmenbedinungen
im Sinne eines angepassten, ökonomisch
11
effizienten Studiums auf der anderen Sei­
te. Inwiefern diese Balance gelingt, hängt
unter anderem von den strukturellen Rahmenbedingungen des Studiums ab.
Strukturelle Bedingungen für ein aktives,
interessiertes und (selbst-) kritisches
Studieren an der KHSB
Als wichtige Bedingung wird eine möglichst große inhaltliche Wahlfreiheit in der
Studiumsgestaltung gesehen, die die Bildung eigener Interessen ermöglicht. Die
Realität sieht jedoch momentan anders
aus: Der Umfang des verpflichtend zu
bearbeitenden »Stoffes« ist so groß, dass
kaum Zeit bliebt, eigene Interessen und
Neigungen auszubilden.
»So viel … einfach so viel Stoff hat und ich
finde wenig. kaum [?] herauszufinden was einen wirklich interessiert und sich da auch mehr
zu spezialisieren und dazu mehr zu machen
… sondern man hat halt einfach so viel zu
machen.«
Die mangelnde Wahlfreiheit im Studium
wird kritisiert, das »Ausprobieren« von
Themen und Lehrenden als studentisches
Privileg ist in dem engen Korsett des BASystems nicht mehr möglich.
»Und vielleicht liegt das tatsächlich dann an
diesem Bachelorsystem, dass das da nicht, oder
kaum unterstützt wird (...) Die Möglichkeit
zwei Seminare parallel zu belegen und dann
festzustellen, dass einem das eine schmeckt
und das andere nicht.«
Als gute Studienbedingungen haben die
Studierenden die semesterübergreifenden
und projektorientierten Lehrveranstaltungen START-Werkstatt und Studienschwerpunkt hervorgehoben. Die Eigenverantwortung und die Prozessorientierung wird
hier betont, ebenso, dass in diesen Veranstaltungen Freiräume vorhanden seien
zu bearbeiten, was wirklich interessiert.
Es sind die längeren Phasen über zwei
Semester hinweg, die auch ein anderes
Erleben von Prozessen erlauben:
»Startwerkstatt ist da schon ein Ansatz. Wo
ein größerer Freiraum ist, wie man auch mit,
auch vom zeitlichen Ablauf her mit anderen
Rhythmen arbeiten kann, als jetzt so eine
Seminarsitzung, die 90 Minuten dauert. Die
Studienschwerpunkte genauso. Was über zwei
Semester geht, was man erst langsam gären
lassen kann so, bis sich Gruppen finden, bis
sich Themen finden. Bis man so dran ist an der
Thematik und das man das über zwei Semester
entwickeln kann find ich (...) vom zeitlichen
Ablauf her ein wichtiges Strukturelement.«
Fazit
Soweit der kurze Einblick in die Ergebnisse des Forschungsprojektes. Statt einer
Zusammenfassung soll zum Abschluss
eine These zur »Studentischen Identität«
stehen, die beschreibt, wie sich die ge-
sellschaftlichen Widersprüche im Studium
der Sozialen Arbeit spiegeln: Es besteht
eine starke Diskrepanz zwischen dem
durch die Bolognareform etablierten
neoliberalen Studiumsethos (individueller
Leistungswille, Durchsetzungsvermögen,
Konkurrenz, Wettbewerb) und dem von
den Studierenden der Sozialen Arbeit
antizipierten Berufsethos (Reflexionsfähigkeit, Mitgefühl, Gerechtigkeit, Gleichheit,
Einsetzen für Schwächere, Akzeptanz von
Eigensinn).
Prof. Dr. Ralf Quindel ist Professor für Psychologische Grundlagen der Sozialen Arbeit und der
Heilpädagogik an der KHSB. Der ausführliche
Forschungsbericht ist auf der KHSB-Homepage
von Prof. Dr. Ralf Quindel als pdf-Datei veröffentlicht.
12
EINblick
»Ach wie gut, dass niemand weiß ...«
Ein Interview mit Ingrid Lutz, Leiterin des nächsten Durchlaufs der Weiterbildung Drama- und Theatertherapie, einem
Kooperationsprojekt des Referats Weiterbildung mit der Deutschen Gesellschaft für Theatertherapie (DGfT)
Das Gespräch mit Ingrid Lutz führte Mechthild Schuchert, Studienleiterin KHSB.
Frau Lutz, die Hochschule hat die Kooperationsanfrage der DGfT gern aufgegriffen und
wird gemeinsam mit Ihnen im nächsten Frühjahr ein zweites Mal die Weiterbildung Dramaund Theatertherapie beginnen. Für die KHSB
ist diese Weiterbildung ein weiteres wichtiges
Element in der Qualifizierung von Professionellen in den Feldern der Sozialen Arbeit, der
Heilpädagogik und der gesundheitsorientierten
Berufe mit kreativen, künstlerischen Methoden.
Wir haben uns auch deshalb gern für eine Zusammenarbeit mit Ihnen entschieden, weil wir
wissen, dass Sie über vielfältige Erfahrungen
in der dramatherapeutischen Arbeit mit Menschen, z.B. mit Suchterkrankungen, verfügen.
Wie kann die Dramatherapie hier nutzbar gemacht werden?
Ich muss etwas ausholen, um Ihnen ein
Beispiel zu nennen, mit dem ich Ihre Frage hoffentlich anschaulich beantworten
kann. Zum Ende eines dramatherapeutischen Prozesses mit alkoholabhängigen
Menschen erarbeiteten wir ein Stück mit
dem Titel: »Ach wie gut, dass niemand
weiß…« Dieser Satz bedeutete den Menschen viel, denn er fasste wesentliche Erfahrungen mit ihrer Suchterkrankung zusammen: die Angst, erkannt zu werden,
den Druck, das Suchtverhalten verstecken
zu müssen, die Einsamkeit und die soziale
Isolierung – aber vorrangig die Erfahrungen im Therapieprozess, wesentliche Teile
der eigenen Person nicht zeigen zu dürfen oder bagatellisieren zu müssen.
Eine theatertherapeutische Methode
besteht darin, dass die Gruppe die Rollen
entwickelt und einander zuweist. In dieser Gruppe gab es eine Frau von etwa 50
Jahren, die sehr »unscheinbar« war und
in ihrem Verhalten sehr unterordnend. In
diesem Stück nun wurde ihr die Rolle einer Domina zugewiesen. Zu meiner größten Überraschung nahm sie diese Rolle
sofort an und spielte sie mit Lust und Lei-
denschaft. Nach der Aufführung erzählte
sie mir lächelnd, dass ihr Mann sie nicht
erkannt hatte und jetzt ganz begeistert
sei. Er empfand offensichtlich zum ersten
Mal Respekt vor ihr – und das war ein
wichtiger Schritt für ihre Heilung.
Frau Lutz, ich sehe an diesem Beispiel, dass
diese Frau, die sich – wie Sie berichteten –
immer unterordnen musste – gern eine Rolle
nahm, in der sie dominieren darf, stärker noch
ausgedrückt: in der sie über die ihr zugewiesene Rolle dominieren muss, also eine Antirolle
übernimmt. Wie passt dieses Verhalten zur
»Sucht« und was
bedeutet es in
einem heilenden
Prozess, dass
diese Frau sich
zu einem dominanten Verhalten
entscheiden kann?
Sie hätte die Rolle
ja auch so spielen
können, dass
z.B. ihr Mann sie
erkennt … also
mit weniger Überzeugungskraft, mit
weniger Hingabe.
Ihre Sucht drückt die Abhängigkeit von
einem sehr engen Selbstverständnis aus.
Nur über das Suchtmittel gelingt »im
Rausch« kurzfristig der Ausbruch aus
einem engen Korsett, gefolgt von noch
größerer Selbstentwertung, wenn der
Rausch vorbei ist. Und so, wie sie ihre
Lebenswünsche verheimlichen muss,
muss sie auch die Sucht verheimlichen. Im
Schutz des Spiels und der Rolle findet sie
den »Raum«, tabuisierte Verhaltensweisen und Lebenswünsche auszuprobieren.
Im spielerischen Tun verliert sie die Angst
vor Bedürfnissen, die sie in ihrer Lebensgeschichte gelernt hat zu verneinen. Und
in diesem Spiel ging es ja nicht darum,
Domina zu sein, sondern auszuprobieren,
wie es sein kann, zu bestimmen und sich
nicht mehr zu unterwerfen. Im dramaund theaterherapeutischen Handeln geht
es darum, »Spiel-Räume« zu ermöglichen.
Ein schönes Bild – passend zum Leitgedanken
der künstlerischen und kreativen Verfahren, unbewussten, geheimen und ungenutzten Möglichkeiten Ausdruck zu verleihen. Wie gelingt
es, diese Fähigkeit zu lehren?
Man kann es nur »am eigenen Leib«
erfahren und lernen. Wir lehren es, indem wir auch in der Ausbildung »SpielRäume« eröffnen und die Lust, sich zu
entwickeln, ungenutzte Möglichkeiten
zu leben. Ausbilden heißt, geschützte
Räume der Bühne, geschützte Räume der
Rolle und von Ritualen anzubieten und
das Experimentieren zu unterstützen. Erst
danach kann gelernt werden, dies weiterzugeben.
Ich tue so, als ob … und ich kann ja – weil es
doch nur ein Spiel ist – immer wieder zurück ...
Ja, hier liegt die große Chance. Im Spiel
auf der Bühne, im Theater kann ich die
Angst vor einem mir fremden Verhalten
13
Weiterbildung Pflegeberatung
nehmen. Ich darf es probieren. Und es
mir aneignen oder auch wieder verwerfen. Und weiter spielen …, alles aus noch
einem anderen Blickwinkel sehen.
Welche Haltungen brauchen Sie und was kann
zum Gelingen dieser therapeutischen Arbeit
beitragen?
Ich brauche Respekt vor den Handlungen der Menschen, mit denen ich
arbeite. In der Sozialen Arbeit würde
man wahrscheinlich sagen, dass ich auf
die Ressourcen blicke, weg von der Defizitorientierung. Als Dramatherapeutin
respektiere ich das Suchtverhalten als
ein Lösungshandeln aus einem tiefen
Dilemma. Zwar ein destruktives – aber
ein Lösungsverhalten. Meine Aufgabe ist
es, Menschen dabei zu unterstützen, in
einem künstlerischen Schaffensprozess
diese lebensfeindlichen Formen in lebensförderliche zu verwandeln.
Woran können Sie erkennen, ob Sie mit einem
Menschen auf dem »richtigen Weg« sind?
Aus meiner Arbeit in einer Drogeneinrichtung in Peru habe ich einen ganz einfachen Indikator mitgebracht: Als geheilt
gilt dort jemand, der den eigenen Körper
und das Leben in seiner Umgebung würdigen, schätzen und pflegen kann. Dieser
Respekt vor dem Leben ist gleichzeitig die
Voraussetzung für ein soziales und ökologisches Miteinander.
Mit diesem Konzept passt die Dramatherapie
sehr gut in die neuen Ansätze der Suchttherapie. Was sagen Sie zur Nachhaltigkeit der
kreativen Verfahren?
Wir müssen auf einen wichtigen Punkt
hinweisen, der im Übrigen für die meisten therapeutischen Verfahren gilt: Die
Drama- und Theatertherapie kann ihre
Wirksamkeit nur entfalten, wenn der Klient/die Klientin wirklich Veränderungen
möchte. Diese kreativen Verfahren setzten eine hohe Motivation voraus – dann
können sie sehr nachhaltig wirken und zu
einer lebendigen und lebensförderlichen
Gesellschaft beitragen.
Ein neues Angebot Kooperation mit dem Institut für
Innovation und Beratung der EHB
Mechthild Schuchert
Ab dem 1. Januar 2009 haben die ca. 2,1
Millionen pflegebedürftigen Menschen
in Deutschland einen Rechtsanspruch auf
Pflegeberatung gegenüber ihrer Pflegekasse. Pflegeberaterinnen und Pflegeberater sollen Betroffene individuell beraten
und Hilfestellung bei der Inanspruchnahme von bundes- oder landesrechtlich
vorgesehenen Sozialleistungen und sonstigen Hilfsangeboten, die auf Unterstützung von Menschen mit Pflege-, Versorgungs- oder Betreuungsbedarf ausgerichtet sind, anbieten. Das individuelle Fallmanagement reicht von der Feststellung und
systematischen Erfassung des Hilfebedarfs
über die Erstellung eines individuellen
Versorgungsplans mit allen erforderlichen
Leistungen bis hin zur Überwachung der
Durchführung des Versorgungsplans.
Diese Pflegeberatung erfordert von den
Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern
zusätzliche Qualifikationen, die abhängig von den jeweils im erlernten Beruf
erforderlichen Kenntnissen und Qualifikationen sind. Das Referat Weiterbildung
hat in Kooperation mit dem Institut für
Innovation und Beratung der Evangelischen Hochschule Berlin (INIB) eine
modularisierte Weiterbildung konzipiert.
Sie entspricht den Empfehlungen des
GKV-Spitzenverbandes nach § 7a Abs. 3
Satz 3 SGB XI vom 29. August 2008. Die
drei Module Pflege, Recht und Case Management sind getrennt belegbar, bereits
erworbene Qualifikationen können nach
Einzelfallprüfungen angerechnet werden.
Mit dem erfolgreichen Abschluss des Moduls »Case Management« sind die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft
für Sozialarbeit (DGS) und des Deutschen
Berufsverbandes für Soziale Arbeit (DBSH)
erfüllt und die Zertifizierung als Case
ManagerIn kann beantragt werden. Die
wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof.
Dr. Gabriele Kuhn-Zuber (KHSB) und Prof.
Dr. Peter Sauer (INIB).
Weitere Informationen zum Beginn und zu den
Kosten entnehmen Sie bitte der Homepage.
www.khsb-berlin.de Referat Weiterbildung
14
EINblick
Die Türen der Kitas stehen Männern
weit offen
Neue Koordinationsstelle »Männer in Kitas«
tungen politischer Unterstützung – und
die gibt es ihrer Meinung nach bislang
nicht. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) will dies ändern und reagierte
Ende Juli auf das positive Klima für mehr
Männer in Kitas mit der Aufforderung an
die Verantwortlichen, Modellprojekte und
tätigkeitsbegleitende Qualifizierungen für
Erzieher zu entwickeln.
Ab dem 1. Januar 2011 stehen dafür
12,5 Millionen Euro zur Verfügung. Damit
werden drei Jahre lang mindestens zehn
Modellregionen, in denen mehr männliche Fachkräfte für Kindertagesstätten
gewonnen werden, gefördert. Diese
gleichstellungspolitischen Vorhaben hat
die Koordinationsstelle mit entwickelt
und ist nun für die fachliche Begleitung
zuständig.
Weltweit einmaliges Vorhaben
Anfang 2010 nahm die Koordinationsstelle »Männer in Kitas« ihre Arbeit an
der Katholischen Hochschule auf. Sie
verfolgt das Ziel, in den kommenden
Jahren gemeinsam mit Verantwortlichen
aus Politik und Praxis den Anteil männlicher Fachkräfte in Kitas zu erhöhen, und
wird vom Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
Der Einrichtung einer Koordinationsstelle
ging eine vom Familienministerium beauftragte Studie mit dem Titel »Männliche
Fachkräfte in Kindertagesstätten« voraus,
die von der Katholischen Hochschule für
Sozialwesen Berlin und Sinus Sociovision
GmbH erstellt wurde.
Nur 2,4 Prozent männliche
Fachkräfte in Kitas
Die Studie »Männliche Fachkräfte in
Kindertagesstätten« kommt zu dem Ergebnis, dass derzeit lediglich 2,4 Prozent
männliche Fachkräfte in Kitas arbeiten.
»Zwar steigt die absolute Anzahl der
männlichen Fachkräfte tendenziell, das
macht sich aber vor dem Hintergrund
der insgesamt zunehmenden Anzahl von
Fachkräften in Kitas kaum bemerkbar«,
kommentiert Jens Krabel, einer der drei
Autoren der Studie die aktuelle Situation.
Die wenigen in den Kitas anwesenden
männlichen Fachkräfte werden von allen
Befragten als für die pädagogische Arbeit
bereichernd wahrgenommen und geschätzt. Die Türen der Kitas stehen Männern weit offen. Trotz positiver Bilanz gibt
es zahlreiche Hürden und Barrieren, die
verhindern, dass Männer den Erzieherberuf ergreifen. »Der Facettenreichtum
des Berufs und der mittlerweile hohe Bildungsanspruch an die Arbeit in Kitas sind
wenig bekannt«, sagt Michael Cremers,
Mitautor der Studie.
Politische Unterstützung gewünscht
Mehr als 80 Prozent der Eltern sind der
Meinung, dass Träger von Kitas einen
wesentlichen Beitrag dazu leisten sollen,
den Anteil männlicher Fachkräfte in Kitas
zu erhöhen. Die Erhöhung des Männeranteils in Kitas bedarf vor allem aus Sicht
der Träger-Verantwortlichen und Kita-Lei-
»Das im Aktionsplan der Bundesregierung
eingesetzte Finanzvolumen ist weltweit
einmalig. Nicht einmal die skandinavischen Länder Norwegen oder Schweden
haben eine solche umfassende, von der
Politik unterstütze Aktion gestartet, um
männliche Fachkräfte für den Erzieherberuf zu gewinnen«, begrüßte Prof. Dr.
Stephan Höyng, Projektleiter der Koordinationsstelle, das Vorhaben des Bundesministeriums.
Weitere Informationen zur Koordinationsstelle,
zur Studie und zum Modellprojekt unter:
www.koordination-maennerinkitas.de
15
Neuerscheinung
Promotionskolleg
»Soziale Professionen und Menschen­
rechte«
»Hand in Hand die Welt begreifen«
Bildwörterbuch der deutschen
Gebärdensprache für Personen
ab 7 Jahren
Viel Lust auf Spaß und Spiel, ein bisschen
Neugier und zwei freie Hände – mehr
braucht es nicht für dieses einzigartige
Mitmach-Wörterbuch der Gebärdensprache. Von A wie Angeben über K wie
Klopapier bis Z wie Zuckerwatte sind hier
knapp 2000 Alltagsbegriffe versammelt.
Sämtliche Themen, die Menschen ab
etwa sieben Jahren umtreiben, werden in
wunderbar quirligen Wimmelbildern dargestellt, umrahmt von den dazugehörenden Gebärden-Zeichnungen. Schön und
gut, aber ist das nicht eher nur etwas für
Gehörlose? Wer das Buch mit hörenden
Kindern zusammen anschaut, weiß es
sofort besser: Mit Begeisterung eignen sie
sich die neue „Geheimsprache“ an. Auch
wir Erwachsenen haben großen Spaß
daran, diese expressive Sprache auszuprobieren und im wahrsten Wortsinn zu „begreifen“, welche Ausdrucksmöglichkeiten
in uns stecken. Wer dieses Buch betrachtet, kann nicht still sitzen bleiben!
Hand in Hand die Welt begreifen
Bildwörterbuch der deutschen Gebärden­
sprache für Personen ab sieben Jahren
Klett Kinderbuch Verlag
192 Seiten, gebunden
EUR 19,90 [D] • EUR 20,50 [A] CHF 32,90
ISBN 978-3-941411-26-5
Als Förderprogramm für NachwuchswissenschaftlerInnen läuft seit Januar 2010
das Promotionskolleg »Soziale Professionen und Menschenrechte« an der KHSB.
Das Kolleg bietet einen Rahmen für
kontinuierlichen, fachlichen Diskurs und
zielt darauf, Promotionen von FachhochschulabsolventInnen zu unterstützen.
Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der
Förderung der Chancengleichheit von
Frauen. Aus zahlreichen Bewerbungen
wurden neun PromovendInnen in das
Kolleg aufgenommen. Davon erhalten
fünf Frauen ein Promotionsstipendium.
Mit ihren Promotionsvorhaben sind die
KollegiatInnen an verschiedenen Universitäten deutschlandweit eingebunden.
ProfessorInnen der KHSB wirken in der
Regel als ZweitgutachterInnen in den
Promotionsverfahren mit und begleiten
die KollegiatInnen fachlich. In den monatlichen Kollegstreffen wird zum einen der
Austausch über die Forschungsprojekte
sichergestellt. Zum anderen werden Themen entlang des Forschungsprogramms
»Soziale Professionen und Menschenrechte« erarbeitet. Im Mittelpunkt stehen dabei die Reflexion von Sozialer Arbeit und
Heilpädagogik als Menschenrechtsprofession sowie die Grundlagen der Praxisforschung.
Aktuelle Forschungsprojekte
im Kolleg
»Subjektive Theorien von MitarbeiterInnen in den Erstanlaufstellen für
Flüchtlinge und deren Einfluss auf das
frühe Erkennen von Problemlagen
von Flüchtlingen mit Behinderung«
von Doris Gräber (Prof. Dr. Ralf Quindel)
»Begegnung, Bildung und Beratung
für Familien im Stadtteil – eine exemplarisch-empirische Untersuchung«
von Sarah Häseler (Prof. Dr. Jens Wurtzbacher)
»Lerndienste und Machtspiele. Der
entwicklungspolitische Freiwilligendienst aus der Sicht der Aufnahmeorganisationen. Eine qualitativ-empirische Studie und netzwerktheoretische
Reflexion« von Ute Elisabeth Hoffmann
(Prof. Monika Treber)
»Schule aus Sicht der Migrantenfamilien – eine systematische Darstellung
von Handlungs- und Deutungsmustern von Migrantenfamilien im Verhältnis zu Bildungsmöglichkeiten und
Schule in Deutschland« von Meryem
Ucan (Prof. Dr. Gaby Straßburger)
»Lebenslagen und Familiengeschichten von Menschen mit so genannter
geistiger Behinderung« von Thomas
Schmidt (Prof. Dr. Reinhard Burtscher)
»Beteiligungskulturen der Jugendhilfe aus Sicht der Eltern« von Judith
Schobert (Prof. Dr. Gaby Straßburger)
»Zur Bedeutung sozialer Unterstützung für die Gesundheit gewaltbetroffener Frauen in Frauenzufluchtswohnungen« von Juliane Wahren (Prof.
Dr. Karlheinz Ortmann)
»Die gemeinnützige Arbeit als Sanktion. Arbeitslose im Konflikt von Norm
und Realität« von Frank Wilde (Prof. Dr.
Jens Wurtzbacher)
»Ein systemischer Vergleich der
Frühförderung in Schweden und
Deutschland anhand der Zielsetzung
der Inklusion als Menschenrecht.
Möglichkeiten und Grenzen einer Optimierung der deutschen Frühfördersysteme« von Anja Wohlfahrt (Prof. Dr.
Monika Schumann)
Weitere Informationen finden Sie im Internet
unter www.khsb-berlin.de Forschung Promotionskolleg
16
Rückblick
Forschungsprojekt Älter werdende Eltern und erwachsene Familienmitglieder mit Behinderung zu Hause – Innovative Beratungs- und Unterstützungsangebote im Ablösungsprozess an der KHSB gestartet
Auf Einladung von Prof. Dr. Burtscher
trafen sich am 31.05.2010 an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen die
Projektpartner für das Forschungsvorhaben »ElFamBe« zu ihrem ersten Treffen.
Dies war der offizielle Startschuss für das
vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung geförderte Projekt. Ziel des
ersten Treffens war es, sich gegenseitig
besser kennenzulernen, erste Forschungsaufgaben vorzustellen und zu diskutieren.
Im Anschluss fand im Senatsaal der Hochschule ein Empfang zusammen mit der
Hochschulleitung, Projektpartnern und
Hochschulmitarbeitern statt. Die Projektfinanzierung erfolgt über die Förderline
»Soziale Innovationen für Lebensqualität
im Alter« »SILQUA-FH«, es ist neben dem
Forschungsprojekt SEVERAM das zweite
Forschungsvorhaben, das an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin,
über diese Förderlinie finanziert wird.
Das Projekt läuft von Mai 2010 bis April
2013. Das Forschungsvorhaben stellt älter
werdende Eltern, die ihre erwachsenen
Söhne und Töchter mit Behinderung zu
Hause betreuen, in den Mittelpunkt. Im
Rahmen eines partizipativen Modells
werden innovative Unterstützungsarrangements entwickelt mit dem Ziel, die
Lebensqualität in den beschriebenen Familien zu verbessern.
Folgende Aufgaben sind im Rahmen des
Projekts vorgesehen:
›› Bedarfserhebung in Berlin
›› Familienbegleitung und Infrastrukturanalyse
›› Entwicklung, Erprobung und Evaluierung niedrigschwelliger Unterstützungsangebote
›› Multiplikatorenschulung und Erarbeitung eines Praxishandbuches
›› Sicherung von Nachhaltigkeit durch
Netzwerkarbeit
Als Kooperationspartner sind beteiligt:
›› Eltern beraten Eltern von Kindern mit
und ohne Behinderung e.V.
›› Eltern für Integration e. V.
›› Eltern helfen Eltern e.V. in Berlin-Brandenburg
›› Lebenshilfe Berlin gGmbH
›› Spastikerhilfe Berlin eG
›› IN VIA Projekte Berlin gGmbH
›› Der Paritätische Wohlfahrtsverband
Landesverband Berlin e.V.
›› Humboldt-Universität zu Berlin
Weitere Informationen finden Sie auf folgenden Seiten im Internet:
www.khsb-berlin.de Reinhard Burtscher
Kontakt: reinhard.burtscher[at]khsb-berlin.de
oder thomas.schmidt[at]khsb-berlin.de
17
Auf der Baustelle mit der Startwerkstatt
Ulrich Binner
Am 13.04.2010 fand die Startwerkstatt
von Prof. Dr. Ortmann in einem besonderen Rahmen statt. Die Studierenden
besuchten das Generationsübergreifende
Wohnprojekt Alte Schule Karlshorst. Dies
geschah aber nicht, um das Projekt zu
besichtigen, sondern um tatkräftig beim
Bau eines generationenübergreifenden
Spielplatzes mitzuhelfen.
Die Alte Schule Karlshorst steht mit der
Katholischen Hochschule in einer besonderen Verbindung. Von 2006 bis 2009
wurde das Vorhaben während der Projektentwicklung, der Umsetzung und des
ersten Wohnjahres durch die Katholische
Hochschule wissenschaftlich begleitet.
In dem Generationsübergreifenden
Wohnprojekt Alte Schule Karlshorst leben
Menschen in allen Lebensphasen und in
unterschiedlichen Lebenslagen, mehrere
Bewohner sind von Schwerbehinderungen betroffen und pflegebedürftig. Das
Altersspektrum der Bewohnerschaft reicht
von drei bis neunzig Jahre, insgesamt
leben 29 Kinder und Jugendliche in der
Alten Schule. Das ehemalige Schulhaus,
das innerhalb von zwei Jahren durch die
SelbstBau Genossenschaft in ein barrierefreies Wohnhaus für 20 Mitparteien
umgebaut wurde, beherbergt auch eine
Wohngruppe des Kinderhaus Berlin Mark Brandenburg e.V., in der zehn Kinder und Jugendliche zwischen drei und
16 Jahren, deren Eltern überfordert, alkoholkrank oder obdachlos sind. Das Wohnprojekt umfasst neben dem Haupthaus
auch ein ca. 5000m² großes Außengelände für dessen Ausbau bislang sowohl das
Geld als auch die benötigten Fachkräfte
fehlten. ZIBB und radioBerlin 88.8 haben
nun mit Hilfe ihrer Zuschauer und Zuhörer
innerhalb von 96 Stunden diesen Ausbau
in Angriff genommen, nachdem eine
Bewohnerin der Kinderhauswohngruppe
mit einem Brief um Unterstützung bei der
Gestaltung des Hofs bat. Durch den Umbau konnten sowohl Spielgeräte und ein
Baumhaus für die Kinder auf dem Gelände aufgebaut werden, als auch ein barrierefreier Mehrgenerationentreffpunkt
und Hochbeete für die Bewohner, die auf
einen Rollstuhl angewiesen sind, realisiert
werden. Die Studierenden der Startwerkstatt beteiligten sich am ersten Tag der
Bauarbeiten im Rahmen ihrer Seminarzeit
(10 - 17.30 Uhr) rege und mit vollster
Tatkraft an den Bauarbeiten. Das Prinzip
der SelbstBau e.G., dass sich Gruppen
durch gemeinsames Arbeiten finden und
verfestigen, konnte so am eigenen Leib
ausprobiert werden. Mit Spaten und
Spitzhacke rodeten die Studierenden die
ihnen zugewiesenen Teile des Geländes.
Wie viele Schubkarren mit abgetragener
Deckschicht und abgeschnittenem Wildwuchs an diesem Tag zusammen kamen,
hat wohl keiner gezählt, der Muskelkater
am nächsten Tag zeigte aber allen Beteiligten, dass sie am Dienstag viel geschafft
hatten…
Bachelorpreis der Hamburger
Caritasstiftung geht an Studierende
der KHSB
Die »Caritasstiftung Hamburg – Menschen in Not« hat am 2. Juni 2010 erstmalig einen Bachelorpreis für Abschluss­
arbeiten in den Studiengängen Soziale
Arbeit und Sozialpädagogik verliehen.
Zur Verleihung in die Rathauspassage
kamen u.a. die Staatsrätin der Hamburger
Sozialbehörde, Frau Dr. Angelika Kempfert, Mitglieder des Stiftungsvorstandes
und Stiftungsrates, Mitarbeiter des Caritasverbandes sowie weitere Kooperationspartner. Nach einer Begrüßung von
Caritasdirektor Laschinski wurden die
Preisträger für ihre Arbeiten mit einem
Blumenstrauß, einer Urkunde und einem
entsprechenden Geldbetrag ausgezeichnet und stellten ihre Abschlussarbeiten
dann in zehnminütigen Vorträgen vor.
Von den sieben norddeutschen Hochschulen in Hamburg, Kiel, Bremen und
Berlin, mit denen die Stiftung beim Bachelorpreis kooperiert, hatten vier Hochschulen insgesamt zehn Arbeiten eingereicht. Prof. Sturzenhecker (Hamburg),
Prof. Panitzsch-Wiebe (Hamburg) und
Prof. Bernzen (Berlin) prüften die Arbeiten
und wählten die drei Preisträger aus. Den
2. Preis erhält Doreen Schrötter von der
Kath. Hochschule für Sozialwesen in Berlin. Sie schrieb eine preiswürdige Arbeit
über ein Patenschaftsmodell für Kinder
aus suchtbelasteten Familien.
18
Rückblick
Das Gute im Blick
Der Abschlussbericht der »Kundenstudie« zum Unterstützten Wohnen
in Berlin liegt vor: Standortbestimmung und Strategievorschlag.
Ralf Quindel und Kai Schmidt
Im Rahmen eines Hochschultags diskutierten am 26. Mai 2010 Lehrende, Studierende und Verwaltungsmitarbeiterinnen
Erfahrungen mit Verfahren der Qualitätssicherung und erörterten Ansätze zu deren Weiterentwicklung. Die Themen der
sieben Arbeitsgruppen, die den Kern des
Tages bildeten, deckten unterschiedliche
Ebenen (Lehrveranstaltung, Modul, Studiengänge) der Qualitätssicherung, Kernprozesse (Studieneingangsphase, TheoriePraxis Verknüpfung, Prüfungen) der Lehre
sowie das Profil der Hochschule ab.
Die Weiterentwicklung der Verfahren der
Qualitätssicherung an der KSHB ist nach
Einschätzung der Teilnehmerinnen und
Teilnehmer am Hochschultag insbesondere im Hinblick auf vier Bereiche sinnvoll
(vgl. Bericht der Kommission für Qualitätssicherung zum Hochschultag):
›› Wiederholt wurde der Wunsch nach
mehr Information und Transparenz der
Verfahren geäußert. So wurde z. B. in AG
1 ausgehend von der Einschätzung, dass
das Verfahren der Lehrevaluation wenig
transparent ist, einige Ideen entwickelt um
die Transparenz des Verfahrens zu verbessern
›› Die Frage, wie sich die Qualität der
Lehre durch Vernetzung unterschiedlicher Akteure und durch Etablierung von
Kommunikationsräumen verbessern ließe,
nahm in den Arbeitsgruppen einen breiten
Raum ein.
›› Dass der im Qualitätskreis beschriebene
idealtypische Zusammenhang von Planen,
Handeln, Überprüfen und Verbessern in
vielen praktizierten Verfahren der Quali-
tätssicherung mehr zur Geltung gebracht
werden könnte, war ein weiteres zentrales
Thema des Hochschultags.
›› Ein viertes Thema, das sich durch mehrere Arbeitsgruppen zog, war die Perspektive
auf die Verantwortlichkeit für Verfahren
der Qualitätssicherung. In mehreren
Zusammenhängen äußerten Hochschulmitglieder die Einschätzung, dass Verantwortlichkeiten auszudifferenzieren und zu
klären seien. Am deutlichsten wurde diese
Einschätzung im Hinblick auf die Rolle der
Modulverantwortlichen zum Ausdruck gebracht (AG 5).
Abgeleitet von den Ergebnissen des
Hochschultags hat der Akademische
Senat in seiner Sitzung am 14. Juli 2010
eine aus den Säulen Qualitätskonzept,
Prozessdokumentation und Entwicklung
von Verfahren der Qualitätssicherung
bestehende Qualitätsstrategie beschlossen und die KfQ mit der Umsetzung
beauftragt. Dadurch soll die Transparenz
und Information über Verfahren der Qualitätssicherung erhöht, die Vernetzung der
Akteure verbessert, Qualitätskreisläufe
geschlossen und Verantwortlichkeiten
ausdifferenziert werden.
Im April diesen Jahres hat das Forschungsprojekt »KUNDENSTUDIE« –
BEDARF AN DIENSTLEISTUNGEN ZUR
UNTERSTÜTZUNG DES WOHNENS VON
MENSCHEN MIT BEHINDERUNG« seinen
Abschlussbericht vorgelegt. Gefördert
von Aktion Mensch wurde das Projekt
von 2007– 2009 an der Katholischen
Hochschule für Sozialwesen Berlin unter
Leitung von Prof. Dr. Monika Seifert und
der wissenschaftlichen Mitarbeit von Dr.
Birgit Steffens durchgeführt. Kooperationspartner waren der Paritätische Wohlfahrtsverband (Landesverband Berlin) und
die Eberhard-Karls-Universität Tübingen
(Forschungsstelle »Lebenswelten behinderter Menschen«). Schwerpunkt der
Studie war eine mehrperspektivische und
mehrdimensionale Analyse der wohnbezogenen Unterstützungsleistungen für
Menschen mit geistiger und mehrfacher
Behinderung im Land Berlin. Im Sinne
partizipativer Forschung haben sich rund
250 Frauen und Männer mit Behinderung
an Befragungen, Interviews, Workshops
und stadtteilbezogenen Praxispro-jekten
beteiligt. Als weitere Experten wurden
Vertreter der Behindertenhilfe und der
Sozialverwaltung sowie lokale Akteure
sozialer Einrichtungen und Dienste in die
Untersuchungen einbezogen.
Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild der aktuellen Strukturen und
Entwicklungen im Bereich des Wohnens
sowie der Erfahrungen der behinderten
Menschen mit den Unterstützungsleistungen und mit dem Zusammenleben im
Wohnquartier. Ihre Veränderungswünsche
zeigen, dass verlässliche soziale Beziehun-
19
Abschluss des europäischen Projekts UNIQ - Users Network to
Improve Quality: Nutzerinnen und Nutzer evaluieren Angebote.
Monika Seifert / Janna Harms
gen und individuelle sozialraumorientierte
Wohn- und Unterstützungsarrangements
einen zentralen Stellenwert haben.
Die Erkenntnisse der »Kundenstudie«
werden zu einem Strategiekonzept verdichtet, das konkrete Maßnahmen auf
dem Weg zur Inklusion benennt. Sie
betreffen die Ebene des Individuums und
seiner Lebenswelt sowie die Ebene des
Hilfesystems und des Sozialraums, unter
Einbeziehung von behinderten Menschen
mit Migrationshintergrund. Durch die
Vermittlung theoretischer Prämissen und
Leitorientierungen der Behindertenhilfe
mit den realen Versorgungsstrukturen
eröffnet die Studie neue Entwicklungsperspektiven. Sie liefert einen praxisbezogenen Baustein zur Umsetzung der
UN-Behindertenrechtskonvention, die die
vollständige gesellschaftliche Partizipation
von Menschen mit Behinderung in einem
inklusiven Gemeinwesen einfordert und
seit 2009 verbindliche Grundlage für das
nationale Recht ist. Die Studie hat für die
Weiterentwicklung der Strukturen und
Prozesse nicht nur der Behindertenhilfe
bundesweite Bedeutung.
Mit dem Workshop »Qualität sicherstellen: Dienstleistungen auf der Grundlage
von Rechten und Werten« fand das
UNIQ-Projekt auf dem 15. Weltkongress
von Inclusion International im Juni 2010
in Berlin seinen Abschluss. UNIQ ist eines von acht europäischen Projekten
im Programm Progress, mit denen die
EU-Kommission bewährte Methoden zur
Definition, Verbesserung und Messung
der Qualität sozialer Dienstleistungen in
den Mitgliedsländern verbreiten möchte. Koordiniert wurde das Projekt von
Atempo aus Österreich. Projektpartner in
Berlin waren der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin, die Senatsverwaltung für
Integration, Arbeit und Soziales und die
Katholische Hochschule für Sozialwesen
Berlin. Die Hochschule wurde vertreten
durch Prof. Dr. Monika Seifert und Dipl.Heilpäd. (MA) Janna Harms.
Im Zeitraum von 2009-2010 wurde in
drei Ländern (Deutschland, Tschechien,
Norwegen) getestet, wie das in Österreich
entwickelte Evaluationsmodell Nueva auf
die Bedingungen in anderen europäischen Ländern übertragen werden kann.
Nueva evaluiert die Qualität von Diensten
für Menschen mit Lernschwierigkeiten
und Behinderung. Das Besondere: Menschen mit Lernschwierigkeiten waren an
der Entwicklung der Evaluationsinstrumente beteiligt und arbeiten als Interviewer aktiv bei der Durchführung und
Auswertung mit.
In Berlin wurden im Rahmen des UNIQProjekts vier Nutzerinnen und Nutzer
von Wohnangeboten für Menschen mit
Lernschwierigkeiten in Grundlagen der
nutzerorientierten Evaluation geschult.
Als UNIQ-Peers führten sie Testinterviews
in Wohneinrichtungen der Berliner Behindertenhilfe durch. In einem Seminar
von Professor Dr. Monika Seifert haben
sie über ihre Erfahrungen berichtet. Eine
Teilnehmerin brachte nach Abschluss
des Projekts zum Ausdruck, was die Mitarbeit für sie bedeutet: »Nueva ist eine
neue, gute Möglichkeit für Menschen
mit Lernschwierigkeiten, etwas auf die
Beine zu stellen und im Vordergrund
zu stehen. Hier sind wir. Hier bin ich.
Wir haben unsere Rechte und unsere
Fähigkeiten. Wir werden bei Nueva so
akzeptiert wie wir sind und nicht als blöd
dargestellt.« (Näheres zum Projekt: http://
www.nueva-network.eu/cms/de/UNIQ/
UNIQ_in_Deutschland/).
Die Nueva-Evaluationsmethode wird in
Berlin auf breiter Basis von der Fachverwaltung und von Trägern der Behindertenhilfe unterstützt. Der Beginn einer
Ausbildung für Menschen mit Lernschwierigkeiten zur Nueva-Evaluatoren ist
zum Ende des Jahres 2010 geplant.
20
Rückblick
Forschungsprojekt Potenziale und Risiken in der familialen
Pflege alter Menschen an der KHSB gestartet
Alternative Lehrveranstaltungen
an der KHSB
Ulrike Poppe, Studentin an der KHSB
Am 1. September 2010 fällt der Startschuss für ein neues vom Bundesfamilienministerium finanziertes praxisbezogenes
Forschungsprojekt an der KHSB. Die
Mittel für das Projekt mit den Standorten
Siegen und Berlin wurden von Professor
Dr. Suanne Zank (Universität Siegen) und
Professor Dr. Claudia Schacke (KHSB) eingeworben. Das Projekt Purfam ist mit der
Früherkennung, Prävention und Intervention prekärer, von Gewalt bedrohter oder
betroffener familiärer Pflegebeziehungen
befasst.
Hintergrund und wesentliche Inhalte
des Projektes
Cirka 70% pflegebedürftiger älterer
Menschen werden zuhause von Familienangehörigen betreut. Die Betreuung
insbesondere demenzkranker Angehöriger ist mit vielfältigen Anforderungen
verbunden, die zu Überlastung und
schwerwiegenden physischen und psychischen Beeinträchtigungen der Pflegenden
führen können. Chronische Überlastung
wiederum gilt als eine Hauptursache von
Aggressivität und Gewalt in der Pflege.
Zwar leistet die überwältigende Mehrheit
der Angehörigen eine gute, engagierte
und aufopferungsvolle Pflege. Zu den
Risiken der familialen Pflege zählen
jedoch auch körperliche und seelische
Misshandlungen sowie Vernachlässigung.
Bislang existieren jedoch kaum Konzepte,
die die (Früh)erkennung, Prävention und
Intervention von Gewalt in der häuslichen
Pflege älterer Menschen in den Blick nehmen. Vor diesem Hintergrund besteht das
übergeordnete Ziel von Purfam in der Op-
timierung des Praxishandelns in der Angehörigenarbeit, wobei der Schwerpunkt
auf Gewaltprävention durch Früherkennung und Ressourcenstärkung liegt.
Im Einzelnen beinhaltet das Projekt folgende Bausteine:
1. Analyse internationaler Best-PracticeAnsätze
2. Tagung mit internationalen Experten
3. Entwicklung von Früherkennungsmaßnahmen
4. Durchführung von Workshops mit
Mitarbeitern in ambulanten Pflegediensten
5. Evaluation der Interventionsmaß­
nahme
6. Bundesweite Implementierung von
Screeningverfahren und Interventionsangeboten
7. Erarbeitung eines Maßnahmenkatalogs für Entscheidungsträger aus
Gesundheits- und Sozialpolitik, Erarbeitung eines Handbuchs / Manuals
für die Praxis.
Das Projekt hat eine geplante Laufzeit
von 2 1/2 Jahren (Standort Berlin) und
ein Gesamtvolumen von 604.705 EUR
(199.830 EUR Standort Berlin). Durch die
Kooperation mit Professor. Dr. Susanne
Zank besteht für die beiden an der KHSB
beschäftigten Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen die Möglichkeit, im Rahmen
des Projekts zu promovieren. Interessierte
Studierende der KHSB sind eingeladen,
das Projekt kennenzulernen und ggf. ihre
Abschlussarbeit zu schreiben.
Unter dem Motto »Rolle und Funktion
der Professionellen im Sozialwesen« fanden im Sommersemester 2010 fünf alternative Lehrveranstaltungen an der KHSB
statt. Die Idee zur Veranstaltungsreihe
stammt aus dem Bildungsstreik 2009. Das
Organisationsteam aus Studierenden und
Lehrenden hat es sich zum Ziel gesetzt
selbstorganisierte Lehrveranstaltungen
sowie ein kritisches Bewusstsein und
einen Blick auf gesamtgesellschaftliche
Zusammenhänge an die Hochschule zu
bringen und zu entwickeln. Die Themen
reichten vom Einblick in den Berufsalltag
von Berufseinsteigern und »alten Hasen«
im Sozialwesen über Einblicke in internationale Verhältnisse. In einer weiteren Veranstaltung ging es um die Entwicklungen
in der Trägerlandschaft Berlins und deren
Auswirkungen auf die Beschäftigungsverhältnisse von Bachelorabsolventen. Hierzu
wurden Vertreter/Innen von Gewerkschaften und Trägern der Sozialen Arbeit
und Heilpädagogik eingeladen. Es folgte
ein Gastvortrag zum Thema »Kritische
Theorie« von Dr. phil. Alexander Demirovic, bei dem man angeregt wurde einen
Blick über den Tellerrand zu wagen und
gedanklich neue Wege einzuschlagen. In
der letzten alternativen Lehrveranstaltung
stand der Austausch über die vollendete
erste Lehrveranstaltungsreihen, sowie
das Schaffen gemeinsamer Perspektiven
an der KHSB für kommende Semester im
Vordergrund. Resümierend ist zu sagen,
dass ein großes Interesse an sozialpolitischen Themen herrschte, aber auch
darüber hinaus. Besonders die Gespräche
im Anschluss an die Veranstaltungen
21
Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
Fachgespräch: »Qualitätsanforderungen und Qualitätssicherung
internationaler Praktika und Hospitationen«
Bernd Streich
erfreuten sich großer Beliebtheit. Alles in
allem wurden die alternativen Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2010
begeistert aufgenommen und zum Anlass
tiefgehender Diskussionen. Aufgrund dieser Tatsachen und der tollen neuen Ideen
aus der letzten Veranstaltung wird es im
Wintersemester weitergehen! Schon jetzt
wird angedacht das Repertoire von Veranstaltungen um einen aktiveren Teil in
Form von Workshops zu ergänzen. Natürlich sind alle eingeladen, die ihre Themen
umgesetzt sehen wollen, die sich an der
Organisation beteiligen möchten oder
die einfach nur die Lust verspüren eine
Veranstaltung zu organisieren. Informationen zu den Organisationstreffen und
dem weiteren Vorgehen – oder einfach
nur ein/e persönlichen Ansprechpartner/in
gibt es unter folgender Adresse:
internes[at]khsb.de
»Qualität« ist in aller Munde. – auch in
Hochschulen und hier vielleicht in den
letzten Jahren in einem besonderen Maß.
Dies führte verschiedene Hochschulen mit
sozialer Ausrichtung zusammen. Unter
dem Thema »Qualitätsanforderungen
und Qualitätssicherung internationaler
Praktika und Hospitationen« fand am
03./04.Mai 2010 ein interessantes Fachgespräch in Berlin statt. Tagungsort war
die Evangelische Hochschule Berlin und
die KHSB, also Zehlendorf und Karlshorst.
Dem »Ev. Verein zur Förderung der Initiativen gegen Arbeitslosigkeit Berlin-Steglitz
e. V.« – Eviga genannt – war es gelungen
die Evangelischen Hochschule Berlin
(EHB), die Alice-Salomon-Hochschule
Berlin (ASH), die Katholischen Hochschule
für Sozialwesen Berlin (KHSB) und die
Akademie für Sozialpädagogik und Theologie Prag (Jabok) zusammen zu führen,
um sich über internationale Praktika und
Hospitationen auszutauschen und vielleicht auch Anregungen zu erarbeiten,
insbesondere auch für Praktika in östlichen Nachbarländern. Ziel war es, das
Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu
betrachten und die Erfahrungen der beteiligten Fachhochschulen und von Eviga
einer Fachöffentlichkeit vorzustellen und
darüber ins Gespräch zu kommen. Beteiligt waren neben vielen Vertretern aus
den beteiligten Institutionen auch alle drei
Rektorinnen der Hochschulen. Von besonderem Interesse waren die Erfahrungen von Studierenden und Lehrenden der
Jabok aus Prag. Die Jabok – Akademie für
Sozialpädagogik und Theologie in Prag ist eine Einrichtung der Gemeinschaft der
Salesianer Don Boscos, einer katholischen
Ordensgemeinschaft, die sich insbesondere um Kinder und Jugendliche kümmert.
Die Schule in Prag bietet eine CollegeAusbildung in der der christliche und der
Don-Bosco- Geist im Bereich der Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Theologie seine
Verankerung hat. Die Initiatoren wollten
sich mit diesem Fachgespräch zu einem
bildungspolitischen Thema an aktuellen
Debatten beteiligen. Dies wurde auch
in der abschließenden Podiumsdiskussion unter dem Thema: »Nachhaltigkeit
und Effekte internationaler Praktika und
Hospitationen für Studium und Lehre«
mit den Rektorinnen Frau Prof. Dr. Borde
(ASH), Frau Prof. Treber (KHSB), Herrn
Prof. Dr. Hildebrand und Herrn Direktor
Mgr. Martinek (Jabok) deutlich.
Ein herzlichen Dank allen, die zum Gelingen dieses Fachgesprächs beigetragen
haben.
22
Rückblick
Religiöse Praxis – die KHSB beteiligt
sich am interreligiösen Dialog
Ehemaliger Student der KHSB erhält den
Johannes-Stelling-Preis gegen Rechtsextremismus
Bernd Streich
Interreligiösen Dialog praktisch erlebten
Studierende aus dem religionspädagogischen Bachelorstudiengang im April des
Jahres. Sie nahmen zusammen mit Frau
Professor Dr. Christine Funk teil an einen
Vortrags- und Gesprächsabend, zu dem
der Sachausschuss »Ökumene und interreligiöser Dialog« des Diözesanrates der
Katholiken im Erzbistum Berlin und die
islamischen Organisation DITIB (TürkischIslamische Union der Anstalt für Religion
e.V.) eingeladen hatten. Das Thema »Religiöse Praxis in Christentum und Islam«
stand an diesem Abend im Mittelpunkt.
Und gab viel Stoff zum Austausch. Für
die religiöse Praxis im Islam spielen die
fünf Grundpflichten dieser Religion,
auch »Pfeiler« oder »Säulen« des Islams
genannt, eine maßgebende Rolle: Glaubensbekenntnis, Gebet, Unterstützung
der Bedürftigen, Fasten und Pilgerfahrt.
Impulsreferate zur religiösen Praxis im
Islam wurden von Andry Abbas Schulz
und im Christentum von Dompropst Dr.
Stefan Dybowski gehalten. Sie ließen
schon etliche Parallelen deutlich werden.
In kleiner Runde konnten die Teilnehmenden über die Bedeutung der religiösen
Praxis für das eigene Leben miteinander
ins Gespräch kommen. Im Podium- und
Plenumsgespräch zeigten sich einige
Entsprechungen im Christentum und im
Islam. Zum Gelingen des Abends trugen
viele junge Muslime durch ihr engagiertes
Gespräch bei, ebenso die Beteiligung von
interessierten Nicht-Christen.
Weitere Kooperationveranstaltung: 25.10.2010
»Sterben und Tod aus christlicher und islamischer Perspektive« (Berliner Hospizwoche)
Der Leiter der Kreisgeschäftsstelle der Caritas in Anklam und ehemaliger Student
der KHSB (damals KFB), Ulrich Höckner,
erhielt am 22. Juni 2010 den mit 2.000
Euro dotierten Johannes-Stelling-Preis
der SPD Fraktion des Landtages Mecklenburg-Vorpommern. Ulrich Höckner
war in der Vergangenheit in seinem Heimatort Bargischow immer wieder offen
gegen rechtsextremistische Tendenzen
eingetreten. Sein Engagement gegen
die zeitweilige Nutzung eines dörflichen
Jugendclubs durch den sogenannten Heimatbund Pommern – eine Vorfeldorganisation der militanten Neonazikameradschaften – führte zu einer beispiellosen
Verleumdungs- und Schmutzkampagne
gegen ihn und seine Familie. Trotz der
erheblichen Anfeindungen blieb Höckner
bei seiner engagierten demokratischen
Grundhaltung und trat als unabhängiger
Kandidat zur Kommunalwahl an. In seiner
Laudatio würdigte der Ministerpräsident
des Landes Mecklenburg-Vorpommern,
Erwin Sellering, die Leistungen von Ulrich
Höckner und der weiteren Preisträgerin
Jutta Bressem. Beim Kampf gegen Rechtsextremismus brauche man einen »langen
Atem«, so Sellering. Wichtig sei, dass
rechtsextreme Straftaten konsequent verfolgt würden. Von ganz besonderer Bedeutung sei zudem die Bekämpfung des
Rechtsextremismus im gesellschaftlichen
Raum: »Hier sind alle gesellschaftlichen
Akteure gefragt. Das Engagement der
beiden Preisträger kann dabei Vorbild für
viele andere sein«, so Sellering. Der Preis,
der seit 2006 verliehen wird, ist benannt
nach Johannes Stelling, einem sozial-
demokratischen Politiker der Weimarer
Republik, der im Juni 1933 in Berlin während der sogenannten Köpenicker Blutnacht ermordet wurde. Ulrich Höckner,
der neben seiner Tätigkeit für die Caritas
auch Vorsitzender des Präventionsrates
der Stadt Anklam ist, war von 1992 bis
1996 Student der damaligen KFB. Die gesamte Hochschule gratuliert ihm von Herzen zu diesem Preis und wünscht ihm für
sein Wirken alles Gute und Gottes Segen.
Augenblick
23
Neuerscheinung
Traditionen der B.A. und M.A. oft liegen
lässt und die Schwächen zu eigen macht.
Doch die KHSB ist für mich besonders erfüllend, weil man hier Theorie und Praxis
als Selbstverständlichkeit verbinden kann.
Es ist eine Plattform, um Innovatives in
Deutschland zu initiieren. Deshalb wollte
ich an eine (Fach-)Hochschule anstatt eine
Uni-Praxis zu generieren und zu reflektieren.
Prof. Dr.
Leo J. Penta
Professor für Gemeinwesenarbeit und
-ökonomie
Warum möchten Sie ausgerechnet an einer
katholischen Hochschule für Sozialwesen unterrichten?
Weil ich Priester bin, könnte man einerseits meinen, dass es »natürlich« ist, dass
ich hier bin. Die meisten Leute überrascht
es jedoch, dass ich nicht Theologie , sondern Stadtteil- oder Gemeinwesenarbeit
unterrichte. Für mich ist es dabei wichtig
darauf hinzuweisen, dass es verschiedene
Ausdrucksweisen des kirchlichen Auftrags
geben kann.
Was finden Sie an Ihrer Arbeit an der KHSB
besonders erfüllend, herausfordernd oder änderungsbedürftig?
Ich arbeite an der KHSB seit langem und
habe viele Wellen der Curriculumsreform
erlebt. Das war nicht immer einfach,
weil ich oft das Gefühl hatte, schon die
nächste »Reform« entwerfen zu müssen, bevor die alte wirklich eingespielt
war. Nach wie vor schätze ich sehr die
Studienschwerpunkte, bei deren Entwicklung ich in meiner Anfangszeit an
der Hochschule mitwirken durfte. Auch
herausfordernd war die Tatsache, dass
ich früher und lange Zeit der erste und
einzige Nicht-Deutsche Professor an der
KHSB war; es bedurfte ein hohes Maß an
kultureller Übersetzung! Ich finde es nach
wie vor schade, dass die Bologna-Reform
das Beste aus den anglo-amerikanischen
Wenn Sie Ihren Studierenden eins vermitteln
könnten, was wäre das?
Die Menschen, mit denen sie arbeiten,
sind nicht Kunden oder gar Klienten – wie
sie leider meistens benannt werden. Sie
sind Personen! »Klient« kommt aus dem
Lateinischen und bedeutet »der Hörige«
– der Inbegriff eines Objekts! Studierende
sollten lernen, sie aber als Subjekte zu
sehen und zu schätzen.
Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Strömung
in der Sozialen Arbeit bzw. Heilpädagogik, die
mehr beachtet werden müsste?
Die Sozialraumorientierung.
Glauben Sie, dass es in den Sozialen Berufen
Fortschritt gibt?
Wessen Fortschritt? Fortschritt – aber
aus welcher Sicht? In erster Linie gibt
es Veränderung. Aber nicht jedwede
Veränderung ist positiv, ist »Fortschritt«.
Manche Änderungen sind einfach Modeerscheinungen, manche bringen keine
Besserungen, manche sind gar gefährlich.
In der Sozialen Arbeit liegen geschichtlich
gesehen die Beispiele für einen gefährlichen »Fortschrittsglauben« auf der Hand.
Haben Sie eine Person im Umfeld der Sozialen
Berufe, die Sie als Vorbild sehen?
Paulus und Saul Alinsky.
Welche Autorin oder welchen Autor lesen Sie
besonders gern?
Hannah Arendt.
Was würden die meisten Menschen von ihnen
gar nicht erwarten?
Ich fahre gern Kajak.
Kundenstudie – Bedarf an Dienstleistungen zur Unterstützung des Wohnens von Menschen mit Behinderung
Die UN-Behindertenrechtskonvention hat
seit 2009 für die Behindertenpolitik in
Deutschland programmatische Bedeutung. Unter der Zielperspektive Inklusion
proklamiert sie die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am
Leben in der Gemeinde. Vor diesem Hintergrund hat die Berliner »Kundenstudie«
eine Standortbestimmung der wohnbezogenen Unterstützungsleistungen für
Menschen mit geistiger und mehrfacher
Behinderung vorgenommen und den
Handlungsbedarf präzisiert. Die Erkenntnisse werden in einem Strategiekonzept
verdichtet, das konkrete Maßnahmen
auf dem Weg zur Inklusion benennt. Sie
betreffen die Ebene des Individuums und
seiner Lebenswelt sowie die Ebene des
Hilfesystems und des Sozialraums.
Die Forschungsarbeit weitet den Blick
über das System der Behindertenhilfe
hinaus auf sozialraumorientierte Ansätze der Sozialen Arbeit und der Sozialen
Stadtentwicklung. Dabei wird den Unterstützungsbedarfen von behinderten
Menschen mit Migrationshintergrund
besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die
Studie hat für die Weiterentwicklung der
Strukturen und Prozesse (nicht nur) der
Behindertenhilfe bundesweite Bedeutung.
Taschenbuch: 420 Seiten
Rhombos-Verlag; Auflage Juli 2010
ISBN-10: 3941216287
24
Gott und die Welt
Reise nach Oswiecim
Fahrt zu den Gedenkstätten des Konzentrationslagers Auschwitz vom
5. bis 9. Februar 2010
Vor der Reise
Dem Aushang für die Fahrt nach Auschwitz im Dezember 2009 folgte eine Phase
überraschend intensiver Kommunikation: Kolleginnen und Kollegen sprachen
mich an: »Ja, es ist nötig, sich mit dem
Ort zu konfrontieren.« Einige warnten:
» Einfach so? Haben Sie sich das gut
überlegt?« Es gab auch Distanzierung:
»Auschwitz? Nein, das reicht jetzt doch.
Es gibt wichtigere Themen für mich.«
Einige Kollegen erzählten mir von Vorfahren, die in Konzentrationslagern waren.
Einige überlegten, ob sie Urlaub dafür
investieren sollten. Auch Studierende erwogen das Für und Wider einer Reise zu
den Gedenkstätten der Vernichtungslager
des Nationalsozialismus Auschwitz und
Auschwitz-Birkenau. »Interesse hätte ich
schon, aber ich trau mich nicht.« »Für
das Geld kann ich eine Woche schönen
Urlaub machen.« »Ich war schon mal da.
Einmal reicht mir. Aber gut, dass es die
Möglichkeit gibt, hin zu fahren.«
Ohne die konkrete Anbindung an ein
Seminar sollte eine persönliche Erfahrung
und Auseinandersetzung ermöglicht werden, mit dem, wofür der Name »Auschwitz« in der Geschichte steht. Von der
»Erziehung nach Auschwitz« über die
Theologie, die sich von daher in Frage
gestellt sieht, bis hin zu den Auswirkungen von Selektion, die die Arbeitsbereiche
der Sozialen Arbeit und Heilpädagogik
betreffen.
Verlauf der Reise
Am 5. Februar 2010 machte sich eine
Gruppe von 19 Personen mit der Bahn
auf den Weg nach Oswiecim. 14 Studierende aus allen Studiengängen, 2
Professoren und 3 Mitarbeitende der
Verwaltung. Am Abend erreichten wir
die Begegnungsstätte »Zentrum für Dialog und Gebet«, einer Einrichtung der
katholischen Kirche, in der wir komfortabel untergebracht waren. Am ersten
Tag besuchten wir die Lagergebäude des
sogenannten »Stammlagers Auschwitz
I«. Unser Begleiter, der hauptberuflich als
Geschichtslehrer arbeitet und seit zwanzig Jahren nebenamtlich Besucherinnen
und Besucher durch die Gedenkstätten
begleitet, erschloss uns über das unmittelbar zu Sehende hinaus eine Ahnung
des »Funktionierens des Lagers«, indem
er uns an vielen Zeugenberichten teilhaben ließ, die er im Laufe seiner Tätigkeit
vernommen und recherchiert hatte. Nach
dem Besuch der Lagergedenkstätte mit
der ganzen Gruppe gab es am Nachmittag Zeit, nochmal in kleineren Gruppen
oder alleine das Gelände zu begehen
und auch die sog. Nationalausstellungen
anzusehen. Hier dokumentieren und
gestalten die einzelnen von der Shoah
betroffenen Länder das Gedenken an ihre
Staatsangehörigen. Am Vormittag des
zweiten Tages besuchten wir mit unserem Guide die Gedenkstätte des riesigen
Lagers Birkenau. Am Nachmittag hatten
wir die Gelegenheit, mit Archivalien des
Archivs des Lagers in Kontakt zu kommen. Lagerbücher, Transportlisten, Personalakten der Aufseher u.s.w. Hier kann
man komplementär zu der Qual und dem
Leiden der Gefangenen, die man erahnt,
den Versuch besichtigen, alles in verwaltungsmäßiger Ordnung darzustellen.
Am Vormittag des nächsten Tages hatten
wir eine Begegnung mit Herrn Wilhelm
Brasse. Er war als politischer Häftling im
Stammlager gefangen und musste als
gelernter Fotograf die neu ankommenden
Häftlinge für die Akten fotografieren und
später auch die Menschen, mit denen
Ärzte, wie Dr. Mengele und Prof. Dr.
Clauberg, ihre medizinischen Versuche
machten. Nach der Befreiung des Lagers
wollte er natürlich seinen Beruf weiter
ausüben, war dazu aber nicht mehr in
der Lage, weil er - traumatisiert von dem
im Lager Erlebten - immer wieder Opfer
der Experimente vor Augen hatte. Am
Nachmittag unseres letzten Tages besuchten wir mit dem Zivildienstleistenden
des Zentrums für Dialog und Gebet das
Stadtzentrum von Auschwitz und hörten
etwas von der wechselvollen Geschichte
der Stadt, bevor sie durch die Einrichtung
dieses Vernichtungslagers zum Synonym
der Shoah wurde und seitdem kaum je
als eigene wahrgenommen werden kann.
An den Abenden trafen wir uns in der
Gruppe und versuchten, die Eindrücke
des jeweiligen Tages anzuhören. Aus
dem Vielen, das zur Sprache kam: die
Verstörung, die die Fotos der ausgemergelten und ausgebeuteten Menschen
25
auslösen. Die Verzweiflung, die der Block
11, der »Todesblock« hervorruft, in dem
Unrechtssystem die Fiktion von rechtmäßigen Verurteilungen von Verstößen
gegen Lagergesetze exekutiert wurde und
Gefangene als Häftlinge zusätzlich brutal
eingesperrt wurden. Die Fassungslosigkeit
über Werkzeuge für die »Sonderstrafen«,
denen die Häftlinge ausgesetzt waren, die
der Brutalität und der Erniedrigung immer
noch den Anschein von Rechtmäßigkeit
geben sollten. Neben der Erschütterung
über das vielfache Leiden der Häftlinge,
für die es keine rechte Sprache zu geben
scheint, gab es auch Reaktionen der Empörung, z.B. über die effiziente Organisation zur eigenen Bereicherung des NSStaates. Empörung darüber, dass die Juden aus Griechenland beispielsweise ihre
Fahrkarten zum Vernichtungslager selbst
bezahlen mussten, darüber, wie die Habe
der Deportierten säuberlich desinfiziert,
gelagert und magaziniert wurde, um sie
ausgebombten Bewohnern im »Reich«
als Ersatzgüter anbieten zu können. Empörung und Wut, wie die Menschen mit
Ankunft im Lager wie Sachen behandelt
und wie sorgfältig die Sachen ihres Besitzes behandelt wurden. Und Erschrecken über den »Wert von Modernität«
zeigte sich angesichts der »innovativen
Technik«, mit der die Massenvernichtung
organisiert wurde.
Nach der Reise
Nachdem wir am 9. Februar 2010 wieder
in Berlin angekommen waren, gingen wir
in die vorlesungsfreie Zeit. Bei einem Treffen zu Beginn des Semesters stellten wir
fest, dass wir mit vielen Eindrücken nicht
»fertig« waren. Dass sie einerseits nicht in
die erlebten Alltage zu passen scheinen,
andererseits hörten wir aber auch von
Alltagserfahrungen und Themen, die sich
als durchsichtig erweisen für das, was wir
beim Besuch der Gedenkstätten erfahren
haben.
Die KHSB auf dem 2. Ökumenischen
Kirchentag in München
Bernd Streich
Unter dem Motto »Forschung & Lehre«
präsentierten sich die 17 kirchlichen
Hochschulen in Deutschland auf dem 2.
Ökumenischen Kirchentag in München
mit einem gemeinsamen Stand.
Mit mehr als 20 Vorträgen, Filmvorführungen, Performances und Diskussionsrunden stellten die kirchlichen Fachhochschulen der Rektorenkonferenz kirchlicher
Fachhochschulen (RKF) ihr breites Themenspektrum vor. Die Inhalte reichten
von Religion und Religiosität über Soziale
Arbeit, Bildung und Erziehung bis hin
zu Pflege und Alter. Der Focus lag dabei
auf Forschungsprojekte aus den einzelnen Hochschulen. Die KHSB war täglich
am Stand vertreten: am Samstag durch
die Rektorin, Frau Prof. Monika Treber
und am Donnerstag durch Herrn Bernd
Streich. Herr Prof. Dr. Stephan Höyng war
im Dialogforum auf dem Stand beteiligt
und stellte am Freitag unter dem Thema:
»Männer in Kindertagesstätten – Bedarfe,
Schwierigkeiten und Handlungsempfehlungen« sein Forschungsprojekt vor. Ziel
des Projektes ist es, in den kommenden
Jahren gemeinsam mit politisch und praktisch Verantwortlichen den Anteil männ-
licher Fachkräfte spürbar zu steigern. Der
gemeinsame Stand war einer der größten
Stände in der Halle A6 und bot vielfältige
Informationen, die Möglichkeit zum Gespräch mit Studierenden, Lehrenden und
Mitarbeitern der Administration. Viele
Interessierte informierten sich über konkrete Studienmöglichkeiten und fragten
nach Besonderheiten einzelner Hochschulen. Es gab auch viele Gäste, die sich über
die kirchlichen Hochschulen informieren
wollten. So war Erzbischof Marx aus
München sehr interessiert und ein gefragter Gesprächspartner.
Studierende der Katholischen Hochschule
Nordrhein-Westfalen führten ein Umfrageprojekt zum Thema »Ökumene«
durch. Sie fragten Jugendliche und junge
Erwachsene nach ihren Ansichten zur
Ökumene. »Damit ihr Hoffnung habt«
war das Motto des 2. Ökumenischen
Kirchentages. Die Zusammenarbeit der 11
evangelischen und 6 katholischen Hochschulen war gelungen und gibt Hoffnung
zu weiterer guter ökumenischer Zusammenarbeit, nicht erst beim 3. Ökumenischen Kirchentag.
26
Fernblick
Wie machen es die anderen?
Deutsch-französischer Austausch zu Studium und Praxis im Nachbarland
Wie machen es die anderen? Das ist die
Leitfrage des deutsch-französischen Austauschs, den die KHSB in Zusammenarbeit
mit dem Institut Universitaire de Technologie de Rennes, dem Interkulturellen
Netzwerk e.V. und unterstützt durch das
Deutsch-Französische Jugendwerk in diesem Jahr durchführt. Im Mittelpunkt des
deutsch-französischen Gemeinschaftsprojekts steht der professionsbezogene Austausch und der Vergleich der deutschen
Studiengänge Soziale Arbeit, Heilpädagogik, Bildung und Erziehung sowie des
französischen Studiengangs Animation
Sociale et Socio-culturelle. Den Studierenden des jeweils anderen Landes soll gezeigt werden, welche potentiellen Berufsfelder mit der erworbenen Qualifikation
angestrebt werden können. Neben diesen
fachlich orientierten Zielen stehen der
kulturelle Austausch und die Entdeckung
der jeweils anderen Kultur im Zentrum.
Die erste Austauschwoche, an der neben
Professorinnen und Betreuern 8 deutsche
und 10 französische Studierende teilnahmen, fand im Juni 2010 in Berlin statt. Als
Highlights wurden die praxisnahen Exkursionen in die verschiedenen Einrichtungen
wie z.B. Unter Druck/Kultur von der Stra-
ße sowie Kontakt- und Beratungsstelle für
Flüchtlinge und MigrantInnen e.V. erlebt.
Da in Frankreich keine institutionell verankerte Arbeit mit Obdachlosen existiert,
sondern nur eine Grundversorgung für
Obdachlose geleistet wird, war insbesondere dieses Thema für die französischen
Studierenden von großem Interesse. Aber
auch der Unterschied zwischen den deutschen und französischen Studiengängen
sowie den potentiellen Berufsfeldern
erzeugte noch mehr Neugier und den
Wunsch, die einzelnen Studiengangsinhalte noch besser kennen zu lernen. In
binationalen Gruppen wurden verschiedene Themen so z.B. zum Thema Arbeit
mit Jugendlichen, KITA und Arbeit mit
Obdachlosen bearbeitet. Die binationalen
Gruppen entwickelten zu diesen Themen
fiktive Projekte. Trotz unterschiedlich
vorhandener Fremdsprachenkenntnisse
schafften es die Studierenden, gemeinsam originelle Projektideen zu entwickeln
und Sprachhemmnisse sowie kulturelle
Unterschiede zu überwinden. Die Gruppenmitglieder lernten hierbei gegenseitig
voneinander. Die Studierenden der KHSB
lernten z.B. die in Frankreich verbreitete
Methode des Debatten-Cafés kennen, die
themenspezifisch eingesetzt wird. Es werden hierbei Betroffene, der Bürgermeister
sowie VertreterInnen von Organisationen
eingeladen, um das spezifische Thema zu
diskutieren. Nach der Austauschwoche
waren sich die deutschen und französischen Studierenden einig, dass es eine
gelungene Austauschwoche war. Die
Tränen bei der Verabschiedung zeigten,
dass nicht nur ein fachlicher Austausch
stattgefunden hatte, sondern dass auch
grenzüberschreitend neue Freundschaften
geschlossen worden waren. Aber der
Abschied ist ja noch kein richtiger: Im
November diesen Jahres wird die Rückbegegnung in Rennes stattfinden – hier wird
es für die Studierenden der KHSB dann
um die Frage gehen: Wie machen es die
anderen?
Wege ins Auslandssemester &
Auslandspraktikum
…interkulturelle Erfahrungen sammeln, über
den Tellerrand hinausblicken, das professionelle
Spektrum erweitern, die Fremdsprachenkenntnisse verbessern, auf eigenen Beinen stehen…
Es gibt gute Gründe, einen studienintegrierten Auslandsaufenthalt zu planen.
Die KHSB unterstützt Studierende bei
der Planung eines Auslandssemesters
und Auslandspraktikums. Als anerkannte
ERASMUS-Hochschule kann die KHSB
jährlich Stipendien an Studierende vergeben, die an einer der 17. Partnerhochschulen studieren oder ein Praktikum
an einer sozialen Einrichtung in Europa
absolvieren wollen.
Weitere Informationen erhalten Sie bei:
Marion.Mueller[at]khsb-berlin.de
27
Kleine Schritte,
die die Welt verändern…
Mein Praktikum auf den Philippinen
Paradiesische Natur und Pazifik, Palmenund Bananenwälder sowie wunderbare
Natur … das sind unsere ersten Eindrücke, als wir in Davao City auf den Philip­
pinen ankommen, um dort unser Praktikum bei der Kindernothilfe zu absolvieren. Schnell folgen allerdings auch andere
Bilder von der Realität auf den Philippinien und den Problemen des Landes: Die
Armut ist sehr groß, oft leben bis zu fünf
Generationen in einer kleinen Holzhütte.
Die Menschen haben Krankheiten aufgrund schlechter Hygiene und Ernährung.
Kinderarbeit und Kinderprostitution sind
Alltag. Es gibt viele Kinder, die auf der
Straße leben. Die Mitglieder armer Familien sind kaum gebildet und selten über
Menschenrechte aufgeklärt. Gewalt als
Erziehungsmethode ist vorherrschende
Realität. Unser Praktikum eröffnet uns die
Möglichkeit, mit Straßenkindern in einem
Slumgebiet zu arbeiten. Für diese Kinder
veranstalten wir Kunst- und Tanzprojekte.
Wir arbeiten mit den Bajaos. Die Bajaos
gehören zu den ethnischen Minderheiten
auf der Südhälfte der Insel Mindanao.
Außerdem erhalten wir die Möglichkeit,
zwei Wochen in einer Einrichtung zu arbeiten, die psychisch und körperlich misshandelte Mädchen betreut. Aus der Sicht
von Sozialarbeitern gibt es auf den Philippinen sehr viel zu tun und Hilfe von Außen ist hier von großer Bedeutung. Wer
helfen will, kann Partner von Pag-Ugmad
(meine Organisation) werden. Schon mit
2 oder 3 Euro kann Kindern auf den Philippinen für eine Woche geholfen werden.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Menschen
zu unterstützen, sodass sie eine Chance
haben in die Schule zu gehen, jeden Tag
zu essen zu bekommen und einen sicheren Schlafplatz zu finden.
Willst Du aktiv werden? Dann fordere weitere
Informationen an: ninawahle[at]gmx.de
Sattelt die Hühner, wir
reiten nach Texas!
Das vierte Semester rückt näher und die Frage
des passenden Praktikums wird für viele Studierende immer drängender. Benny und Rico
studieren Soziale Arbeit hier an der KHSB und
wagen den Fernblick nach Austin, Texas. Rico
berichtet:
Austin gehört mit seinen über 750 000
Einwohnern zu den größten Städten in
Texas. Hier gibt es zwei große und mehrere kleine Universitäten, sodass das Stadtbild von jungen Leuten und Alternativen
geprägt ist, ganz nach dem Motto »Keep
Austin weird«. Man merkt außerdem,
dass Austin nicht zu unrecht als eine der
»grünsten« Städte der USA gilt, da sich
hier viele »grüne« Unternehmen angesiedelt haben und viele »Austinites« sehr
umweltbewusst leben, Hybrid-Autos,
Fahrräder, Busse und die Tram nutzen.
Es fällt auch sofort auf, dass Austin zu
Recht als die »Live Music capitol« der
Welt gilt. Man kann jeden Abend in unzähligen Bars und Clubs auf der berühmten 6th Street und »SoCo« live Bands
erleben. Zudem veranstaltet die Stadt
jedes Jahr zwei international bekannte
und geschätzte Festivals: das »South by
Southwest« und »Austin City Limits«.
Wir hätten uns also keinen besseren Ort
aussuchen können, um uns während des
Praktikums auch in der Stadt wohl zufühlen. Die Unterschiede in der Sozialen
Arbeit im Vergleich zum Sozialsystem in
Deutschland erscheinen uns nicht all zu
groß. Wir arbeiten beide in einer NonProfit-Organisation für Menschen mit
HIV / Aids. Ich selbst (Rico) bin in einem
Wohnprojekt tätig und Benny arbeitet
in einem Hospiz. Uns beeindruckt, wie
stark die verschiedenen Einrichtungen in
Austin untereinander vernetzt sind und
wie offen und dennoch professionell die
Kommunikationsstrukturen sind. Unsere
Aufgaben sind sehr vielfältig und reichen
von »Counseling« über Case Management bis hin zur Mitarbeit bei verschiedenen Projekten: Zum Beispiel einen
Nachbarschaftsgarten zu organisieren,
Fundraising-Aktionen wie das alljährliche
Fahrradrennen der »AIDS Service Agencies« in Austin zu unterstützen oder mit
einer Ressourcen Map den Dschungel an
Hilfsangeboten für die Klienten verständlicher zu machen. Neben dem Praktikum
haben wir zusätzlich die Chance, einen
Einblick in das »Social Work«-Studium
an der University of Texas in Austin zu
bekommen. Wir besuchen ein Seminar zu
»International Social Work« und halten
dort eine Präsentation über Soziale Arbeit
in Deutschland. Das Auslandspraktikum in
Austin ist für uns beide ein voller Erfolg!
Wir treffen hier interessante Menschen,
lernen viel Neues über US-amerikanische
Sozialarbeit und stellen fest, dass viele europäische Vorurteile gegenüber der USA
nicht mehr sind als eben nur Vorurteile.
28
Ausblick
Internationaler Tag an der KHSB
24. November 2010
13:30 Uhr – 18:00 Uhr
»Sport und Behinderung – Die Herausforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention« Symposium
am 22. November 2010 im Stadion von
Bayer 04 Leverkusen (BayArena)
»Die KHSB ist internationaler als man
denkt!« Viele Studierende bringen internationale Erfahrung mit, interessieren sich
für andere Länder, wollen im Studium
ins Ausland oder engagieren sich über
Grenzen hinweg. Auch Lehrende sind oft
international aktiver als es scheint. Es gibt
hier und da an der KHSB Projekte mit internationaler Ausrichtung, von denen die
wenigsten wissen. Diese Internationalität
soll sichtbar gemacht werden. Am 24.
November gibt es hierfür einen Internationalen Tag. Geplant sind neben Diskussionsrunden, Schnupperworkshops, Vorträgen und Ideenworkshops auch Foren für
den Erfahrungsaustausch zu international
ausgerichteten Themen. Für ein spannendes Programm und eine Menge Spaß
ist somit gesorgt. Am besten den Termin
gleich in den Kalender eintragen!
Das Thema »Sport und Behinderung« ist
nicht neu. Neu aber sind jene Anforderungen, die die UN-Behindertenrechtskonvention an sämtliche kollektiven und
individuellen Akteure des Sports stellt.
Diese Konvention bedeutet für den Sport
weitaus mehr als nur die Sicherstellung
des Zugangs von Menschen mit Behinderungen zu Sportstätten und der Möglichkeit ihrer Teilnahme an sportlichen
Aktivitäten! Welche Implikationen sie für
die diversen kollektiven und individuellen Akteure des Sports mit sich bringt
und wie die aus ihr hervorgehenden
Grundsätze in den diversen Bereichen
des Sports in konkrete Strukturen und
Handlungen umgesetzt werden können,
ist Gegenstand dieses Symposiums, das
vom ICEP in Kooperation mit dem »Wissenschaftlichen Beirat des Arbeitskreises
Kirche und Sport« und der »Arbeitsstelle
Pastoral für Menschen mit Behinderung«
der Deutschen Bischofskonferenz veranstaltet wird. Referent/-innen sind u.a.
Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper (Deutscher
Olympischer Sportbund, Vizepräsidentin
für Bildung und Olympische Erziehung);
Hubert Hüppe (Behindertenbeauftragter
der Bundesregierung); Prof. Dr. Andreas
Lob-Hüdepohl (Präsident der Katholischen
Universität Eichstätt-Ingolstadt).
… und wer sich im Vorfeld aktiv einbringen will, kann sich bei uns melden.
Wir freuen uns auf Ihr/Euer Kommen!
Kontakt
Franziska Leers & Sara Kauer
internationalertag[at]khsb-berlin.de
Carolin Osterburg & Teresa Ernst
ausland[at]khsb-berlin.de
Marion Müller
marion.mueller[at]khsb-berlin.de
Information und Anmeldung:
Florian Kiuppis
ICEP - Berliner Institut für christliche Ethik
und Politik
Telefon 030 – 50 10 10 913
kiuppis[at]icep-berlin.de
www.icep-berlin.de
29
»Gerechte Finanzierung der Pflege
– wie muss Solidarität künftig organisiert werden?« 28. Oktober 2010,
Katholische Akademie Berlin
veranstaltungen des ForumFamilie
im Wintersemester 2010/11
Case-Management in der Sozialen
Arbeit – Chance für die Profession –
Fluch oder Segen?
Fachtagung am 27.11.2010
Die Ermöglichung einer menschenwürdigen Pflege ist eine der großen sozialpolitischen Herausforderungen der kommenden zwei Jahrzehnte. Die Erweiterung
des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und die
Dynamisierung der Beiträge durch die
Pflegereform 2008 haben die Frage nach
den strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen der sozialen Pflegeversicherung (SPV) nur zum Teil beantwortet.
Es bleibt nach wie vor unklar, ob und wie
eine solidarische und paritätisch getragene Finanzierung auch langfristig zu realisieren ist. Im Rahmen dieser Fachtagung
werden Zukunftsfragen der Finanzierung
der SPV und den sich daran anschließenden Herausforderungen für Politik,
Ökonomie und Sozialethik diskutiert.
Die Fachbeiträge aus der Wissenschaft
und die politische Kontroverse sollen zur
Reflexion der ethischen Dimensionen der
Finanzierung von Pflege und zur Entwicklung geeigneter Lösungswege in Politik
und Gesellschaft beitragen.
Das ICEP veranstaltet diese nichtöffentliche
Fachveranstaltung in Kooperation mit dem Verband Katholische Altenhilfe Deutschland und
der Katholischen Akademie Berlin.
4.11.2010 | Das Patenprojekt: Bereichung der
eigenen Lebenswelt für Kinder, Eltern und
Paten. Ein Unterstützungsmodell für Kinder, die
eine Erweiterung ihres familiären Netzwerkes
benötigen.
Andrea Rakers, Dipl.Päd, LebenLernen e.V.
Kooperationsprojekt von PiK GmbH mit
LebenLernen e.V. und Aktion Mensch,
das Paten sucht, schult und begleitet,
damit Kinder ohne stabiles soziales Netzwerk eine dauerhafte zusätzliche verlässliche Bezugsperson haben für ihre gesunde
Entwicklung.
Eine Fachtagung in Zusammenarbeit mit dem
Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit e.v.
(DBSH)
18.11.2010 | Auf der Suche nach den »neuen
Vätern« – Männer zwischen Familienarbeit und
Brotverdienen.
Johanna Possinger, Dipl.-Kulturwirt, Referemntin für Familienpolitik beim Deutschen Verein
für öffentliche und private Fürsorge, Berlin
Statt um »Vätermonate« und Elternzeit
geht es auch um vielfältige Vereinbarkeitsdilemmata zwischen betrieblichen
Hindernissen und persönlichen familiären
Ansprüchen – Ergebnisse einer empirischen Studie bei einem großen Energiekonzern.
13.1.2011 | Die Begleitung von pflegenden Angehörigen demenzerkrankter Menschen durch
Soziale Arbeit.
Antje Doliff, cand. BA Soz.Arbeit (KHSB); Projektmitarbeiterin am Demenzzentrum Schwerin
Neue Versorgungsstrukturen und niedrigschwellige Betreuungsangebote
Immer donnerstags 14.00 – 15.30 Uhr in
Raum 214. Jede Veranstaltung wird hochschulöffentlich angekündigt.
Case Management bewegt sich in der Polarität zwischen einer von Klienten beauftragten Hilfe-(dienst)-leistung und dem
Anspruch hoher fachlicher Arbeit auf der
einen Seite, und der Beauftragung zur
kosten- und wirksamkeitsorientierten
Verknüpfung gesundheitlicher, sozialer
und materieller Dienste auf der anderen
Seite. Chancen und Risiken des Case
Management hängen daher entscheidend
von den sozialpolitischen Rahmensetzungen, aber auch den Ausbildungsstandards
ab. Entsprechend können Erfordernisse,
Bedeutung, Reichweite, Motive, Inhalte und Wirkung des Case Managment
höchst unterschiedlich sein. Das Referat
Weiterbildung wird mit dem DBSH die
Positionierung von Case Management in
der Sozialen Arbeit bilanzieren. Eingeladen sind Prof. Dr. Matthias Müller von der
Fachhochschule Neubrandenburg, Prof.
Dr. Remmel-Faßbender, Katholische Fachhochschule Mainz und Friedrich Maus,
DBSH
Weitere Informationen bekommen Sie bei
Mechthild Schuchert, Referat Weiterbildung.
Telefon 030 – 50 10 10 37
mechthild.schuchert[at]khsb-berlin.de
30
Augenblick
Ich bin seit 18 Jahren hier und habe viel
miterlebt – Umzüge, Reformen, Änderungen, was nicht immer einfach war. Dadurch aber ist ein Ethos entstanden, das
die Menschen hier zusammenhält, trotz
aller Differenzen.
Prof. Dr.
Birgit Bertram
Professorin für Mikrosoziologie
Warum möchten Sie ausgerechnet an einer
katholischen Hochschule für Sozialwesen unterrichten?
Es entspricht meiner Vision vom Menschen, dass jeder Mensch, ob groß oder
klein und egal in welchem Kontext, immer ein ganzer Mensch ist und damit ein
Ebenbild Gottes.
Was finden Sie an Ihrer Arbeit an der KHSB
besonders erfüllend, herausfordernd, oder änderungsbedürftig?
Das hängt mit der ersten Frage zusammen. Ich mag es, wie menschenfreundliche und zugleich kompetente Lösungen
gesucht und auch gefunden werden. In
meinem Leben bin ich kreuz und quer
durch die Republik gezogen und habe
immer im Kontext der Caritas in der
Kinder- und Jugendhilfe gearbeitet und
dabei eine eindrückliche Kombination von
Professionalität mit Herzlichkeit erlebt.
Und das finde ich hier an der Hochschule
fortgesetzt, nämlich eine hohe Übereinstimmung von Menschenfreundlichkeit
und Herzlichkeit, gepaart mit hoher
Professionalität. Das finde ich großartig.
Wenn Sie Ihren Studierenden eins vermitteln
könnten, was wäre das?
Die Person ihres Gegenübers ganzheitlich
ernst zu nehmen, weder auf den »Kopf«
zu reduzieren noch auf das »Problem«,
aber auch nicht auf die Interessen der Institutionen – sonst wird schnell übersehen,
was wirklich hilft. Nützlich ist das Wissen,
dass die kleinen Lebenskreise Stabilität
und Hilfe ermöglichen. Das Schöne an der
Mikrosoziologie ist, die Wirksamkeit der
sozialen Netzwerkstrukturen zu erkennen
– Familien, Freundschaften, Nachbarschaften – eben den Menschen in seinen
Beziehungen zu seinen Mikrosystemen.
Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Strömung
in der Sozialen Arbeit bzw. Heilpädagogik, die
mehr beachtet werden müsste?
Ich lehre in den sog. Bezugswissenschaften, aber ich würde sagen: das Studium
der gelebten Familienwirklichkeit aus der
Perspektive ihrer Mitglieder, und dazu die
empirischen Befunde ernst nehmen.
Glauben Sie, dass es in den Sozialen Berufen
Fortschritt gibt?
Auf jeden Fall. Wir wissen jetzt viel dezidierter über die Entwicklungspotentiale
von Menschen Bescheid, und das ist ein
Ergebnis der Integration von verschiedenen Disziplinen: Neurologie, Medizin, Pädagogik, Psychologie, Soziologie – all das
ergibt ein Mosaik, das hilft, die menschliche Entwicklung in unterschiedlichen
Kontexten besser zu verstehen. Einige
Entwicklungen tragen schon Früchte.
Kinder werden zunehmend ganzheitlich
ernst genommen, sozusagen schon als
kleiner Mensch ein ganzer Mensch. Im
Mittelpunkt sollte nicht stehen, wo es erst
hinkommen soll, sondern wie es jetzt sein
Leben mitgestalten kann. Kinder haben
das Recht, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden.
Haben Sie eine Person im Umfeld der Sozialen
Berufe, die Sie als Vorbild sehen?
Weiß ich ehrlich gesagt nicht.
Welche Autorin oder welchen Autor lesen Sie
besonders gern?
Ich lese viel Belletristik und auch »gute«
Krimis, und es fällt mir schwer, einzelne
Namen zu nennen. Diese Lektüre brauche
ich als Gegengewicht zu den wissenschaftlichen Texten. Ich habe zuerst Psychologie studiert und schwankte damals,
ob ich nicht doch Kriminalistin werden
könnte, denn mich fasziniert es herauszufinden, warum ein Mensch so handelt,
wie er es tut. Das kann ich gut in meine
Arbeit integrieren: Im Biographie-Seminar
gibt es neben der wissenschaftlichen Literatur auch eine Romanliste für den »biographischen Blick«, was die Studierenden
sehr schätzen.
Was würden die meisten Menschen von Ihnen
gar nicht erwarten?
Die meisten sind völlig verblüfft – ich
mache große Teppichbilder, die jeweils
zwischen 3 und 5 Jahre dauern, und zwar
Bilder, die ich im Kopf habe und denen
ich mit Wolle und Farbe Gestalt gebe. Ich
brauche etwas, was ich mit den Händen
anfertige. Der letzte Teppich heißt »Californian Stranded Goods«, und gerade
entsteht einer über Musik: »Hallelujah«!
Personalia
Impressum
Katholische Hochschule
für Sozialwesen Berlin
Köpenicker Alle 39-57
10318 Berlin
Herausgegeben von der Rektorin
Prof. Monika Treber
Im Sommersemester 2010 haben einige Kolleginnen und Kollegen die Hochschule
verlassen. Ihnen gelten unser Dank und unsere guten Wünsche für die Zukunft.
Tombolo Mukengechay
Mitarbeiter in der Verwaltung seit 01.01.1992
Judith Schobert
wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt »Aktuelle Entwicklungen
in der Sozialpädagogischen Familienhilfe« seit 04.09.2009
Neu berufen bzw. angestellt wurden:
Dr. Ute Fischer
Gastprofessorin für Heilpädagogik
Projektmitarbeit:
Chefredakteur
Dr. Ian Kaplow, Presse
kaplow[at]khsb-berlin.de
Ausgabe WiSe 2010
Astrid Homann
Sachgebietsbearbeitung in der Koordinationsstelle »Männer in Kitas«
Thomas Schmidt
wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Ȁlter werdende Eltern und
erwachsene Familienmitglieder mit Behinderung zu Hause«
Sandra Schulte
Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit, Web-Site-Management und Tagungsplanung
in der Koordinationsstelle »Männer in Kitas«
Dienstjubiläum:
Layout & Satz
Norbert Poppe | transformhaus.de
Druck: Pinguindruck Berlin
Auflage: 5000
Gedruckt auf Papier mit FSC Umweltsiegel
Bildnachweis
S. 4 Dmitry Nikolaev - Fotolia.com
S. 13 deanm1974 - Fotolia.com
S. 20 Alexander Raths - Fotolia.com
S. 21 willma... / photocase.com
S. 24 istock.com
S. 26 Kristin Werschnitzke
Alle anderen Bilder KHSB
Wir gratulieren Frau Annegret Schenkel zum 25-jährigen Jubiläum im kirchlichen
Dienst am 01.09.2010.
31

Documentos relacionados