Calwer Leseproben
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Liedermacher im Gesangbuch, ISBN 3-7668-3695-1 Paul Gerhardt 1607-1676 Unter allen, die da leben, hat ein Jeder seinen Fleiß und weiß dessen Frucht zu geben, doch hat der den größten Preis, der dem Höchsten Ehre bringt und von Gottes Namen singt. Unter allen, die da singen und mit wohlgefasster Kunst ihrem Schöpfer Opfer bringen, hat ein jeder seine Gunst; doch ist der am besten dran, der mit Andacht singen kann. Paul Gerhardts Schlussgedicht zu VIER GEISTLICHE LIEDER von Joachim Pauli, Berlin o.J. (wohl 1665) Paul Gerhardt! - schon der bloße Name klingt wie Orgelton und Glockenschall, so beginnt Ernst Kochs 1907 seine Biographie. Der Zugang zu diesem Dichter kann sehr verschieden motiviert sein. Mit HULDIGUNG FÜR PAUL GERHARDT fasst Kurt Ihlenfeld die Ergebnisse seiner Beschäftigung zusammen. EIN WINTER MiT PAUL GERHARDT betitelt Albrecht Goes in Tagebuchnotizen seine Beobachtungen und Empfindungen. Es ist mir immer als ginge die Sonne auf, wenn der Name in mein Gedächtnis tritt, bekennt Rudolf Alexander Schröder, und sehr persönlich fügt er an anderer Stelle hinzu- Es sind Paul Gerhardts Lieder gewesen, an denen ich mit leiser Hand zurückgeführt worden bit), noch ehe mir das Wort der Schrift selbst wieder lebendig geworden war. Die eigene Kinderzeit und das elterliche Haus, Heimat und Gemüt verbinden sich mit Gerhardts Versen. Der Dramatiker Friedrich Hebbel erzählt in seinen Aufzeichnungen 1845: Ich musste meiner Mutter immer aus einem alten Andachtsbuch den Abendsegen vorlesen, der gewöhnlich mit einem geistlichen Liede schloss. Da las ich eines Abends das Lied von Paul Gerhardt, worin die schönen Verse >Die güldnen Sternlein prangen / am blauen Himmelssaal ...< vorkommen. Das Lied, vorzüglich aber dieser Vers, ergriff mich gewaltig, ich wiederholte es zum Erstaunen meiner Mutter wohl zehnmal. Im Horizont bürgerlicher Erlebnislyrik und unter kräftiger Benutzung der Legenden-Literatur nähert sich Theodor Fontane, als er im Juni 1862 Mittenwalde besucht - Wenn Gerhardt dann abends an dem offenen Hinterfenster seiner Arbeitsstube saß und über die Stadtmauer hinweg in die dunkler werdenden Felderblickte, während von der Propsteikirche her der Abend eingeläutet und eine alte Volksweise vom Turm geblasen wurde, dann ward ihm das Herz wei't, und den Atem Gottes lebendiger fühlend, kam ihm selber ein Lied und mit dem Liede Glück und Erhebung ... So entstand das Abendlied. - Nun ruhen alle Wälder.., jenes Musterstück einfachen Ausdrucks und lyrischer Stimmung ... Gerhardts Lieder sind mittlerweile in alle Fremdsprachen und Kulturbereiche übersetzt. Sie vermögen sogar christlichen Geist an andere Religionen zu vermitteln, wie Albert Schweitzer 1916 in Lambarene beobachtet. Das Historische an dem Christentum liegt dem Eingeborenen naturgemäß fern... Dafür aber hat er ein elementares Bewusstsein von der Erlösung als solcher ... >Ich lag in schweren Banden, /du kommst und machst mich los<. Dieses Wort aus Paul Gerhardts Adventslied spricht wie kein anderes aus, was das Christentum für den primitiven Menschen ist. Immer und immer wieder muss ich daran denken, wenn ich auf einer Missionsstation am Gottesdienst teilnehme. Noch Ins Gefängnis dringt seine Stimme. Wenige Tage nach seiner Verhaftung schreibt Dietrich Bonhoeffer in einem Brief an seine Eltern - ... Dagegen ist es gut, Paul-Gerhardt-Lieder zu lesen und auswendig zu lernen, wie ich es jetzt tue. übrigens habe ich meine Bibel und Lesestoff aus der hiesigen Bibliothek, auch Schreibpapier jetzt genug (14. April 1943). In seinem Pfingstbrief von 1943 heißt es - Als die Glocken heute früh läuteten, hatte ich große Sehnsucht nach einem Gottesdienst, aber dann habe ich es gemacht wie Johannes auf Patmos und für mich allein einen so schönen Gottesdienst gehalten, dass die Einsamkeit gar nicht zu spüren war, so sehr wart ihr alle, alle dabei und auch die Gemeinden, in denen ich Pfingsten schon gefeiert habe. Das P. Gerhardtsche Pfingstlied mit den schönen Versen.- >Du bist ein Geist der Freude und >Gib Freudigkeit und Stärke ...< sage ich mir seit gestern Abend alle paar Stunden auf und freue mich daran. An seinen Freund Eberhard Bethge berichtet Bonhoeffer: ... In den ersten zwölf Tagen, in denen ich hier als Schwerverbrecher abgesondert und behandelt wurde - meine Nachbarzellen sind bis heute fast nur mit gefesselten Todeskandidaten belegt -, hat sich Paul Gerhardt in ungeahnter Weise bewährt, dazu die Psalmen und die Apokalypse. Ich bin in diesen Tagen vor allen schweren Anfechtungen bewahrt worden (18. November 1943). - ... Außerdem habe ich zum ersten Mal in diesen Tagen das Lied: >Ich steh an deiner Krippen hier ...< für mich entdeckt. Ich hatte mir bisher nicht viel daraus gemacht. Man muss wohl lange allein sein und es meditierend lesen, um es aufnehmen zu können. Es ist in jedem Worte ganz außerordentlich gefüllt und schön. Ein klein wenig mönchisch-mystisch ist es, aber doch gerade nur soviel, wie es berechtigt ist,- es gibt eben neben dem Wir doch auch ein Ich und Christus, und was das bedeutet, kann gar nicht besser gesagt werden als in diesem Lied (4. Advent 1943). - Zwar beschäftigen mich die theologischen Gedanken unablässig, aber es kommen dann doch auch Stunden, in denen man sich mit den unreflektierten Lebens- und Glaubensvorgängen genügen lässt. Dann freut man sich ganz einfach an den Losungen des Tages ..., und man kehrt zu den schönen Paul-Gerhardt-Liedern zurück und ist froh über diesen Besitz (21. Juli 1944, am Tag nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler). - Noch etwas ganz anderes.- Nicht nur die Tat, sondern auch das Leiden ist ein Weg zur Freiheit. Die Befreiung liegt im Leiden darin, dass man seine Sache ganz aus den eigenen Händen geben und in die die Hände Gottes legen darf. Und am Schluss fügt Bonhoeffer, als Gesangbuchnummer verschlüsselt, Gerhardts Verse an (EG 283, Str. 3,4) - Ach dass uns doch Gott sagte zu/des Krieges Schluss, der Waffen Ruh/und alles Unglücks Ende! - Auch dass doch diese böse Zeit/bald wiche guten Tagen, / damit wir in dem großen Leid/nicht möchten ganz verzagen! ... (28. Juli 1944). Am Gesangbuch selbst ist seine Bedeutung abzulesen: ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Luther und Gerhardt. Zum Stammteil des Evangelischen Gesangbuchs hat Luther 30 Lieder und Gesänge beigetragen, Gerhardt 26. Werden aber die Strophen gezählt, ist der Wettlauf entschieden: Gegenüber 150 von Luther sind es deren 289 von Gerhardt, fast das Doppelte. Rechnet man die weiteren Beispiele in den landeskirchlichen Regionalteilen hinzu, ist es vollends klar: Paul Gerhardt ist der Spitzenreiter unter den geistlichen Liedermachern, der ausgesprochene Publikumsliebling. Wenn überhaupt, dann sind es vornehmlich seine Verse, die im Gottesdienst, in Haus und Schule, bei Chorabenden und auf Wanderungen im Grünen, im stillen Kämmerlein und am Krankenbett gesungen, gelesen und gelernt, zitiert und rezitiert werden. In krassem Gegensatz zu seiner literarischen Bedeutung und volkstümlichen Beliebtheit steht sein fast unauffälliger, durchschnittlicher Lebenslauf. Paul Gerhardt ist am 12. März 1607 im bäuerlich behäbigen Landstädtchen Gräfenhainichen geboren, 23 km südlich der Lutherstadt Wittenberg in Richtung Halle. Sein Vater Christian arbeitet als vermögender Ackerbürger, Gastwirt und zweitweiliger, mit zwei anderen Amtspersonen wechselnder Bürgermeister, seine Mutter Dorothea stammt aus dem Hause des Superintendenten Caspar Starcke in Eilenburg. Bäuerliche Bodenständigkeit und gelehrte Theologentradition treffen in seiner Herkunft zusammen. Eine überschaubare Welt in dem etwa tausend Seelen zählenden Flecken,- traditionsbewusste Provinz, die Leute kennen sich und pflegen persönlich nachbarschaftlichen Kontakt. Eine mittelalterliche Stadtmauer umgibt den Ort, zwei Tore gewähren Einlass, innerhalb stehen Stall und Scheune, Gärten und Bäume, außerhalb liegen die Schäfereien und Mühlen und weiter draußen Feld und Wald - die Natur wird unverstellt als Schöpfung Gottes und Gleichnis des Ewigen erlebt. Abend und Morgen sind elementare Ereignisse,- kein elektrisches Licht erhellt die Nacht zum Tage. Solche Grunderfahrungen bestimmen Gerhardt sein Leben lang, selbst wenn er später In der Residenz, in der reichen Großstadt wohnt und wirkt. Die ersten geistigen Anregungen bekommen die jungen Kinder im Verbund von Kirche und Schule, die auch räumlich beieinander die Ortsmitte markieren. Kinder singen bei Gottesdiensten, Trauungen und Begräbnissen, einstimmig schlicht und wohl auch polyphon mehrstimmig gemeinsam mit den Bürgern in der Kantorei. Mit den ersten Lese- und Schreibübungen nehmen sie die unumstrittenen Lehr- und Glaubensinhalte in sich auf. Als Paul zwölf Jahre alt ist, stirbt der Vater, die Mutter folgt ihm zwei Jahre später. Das elterliche Anwesen samt der Wirtschaft wird offensichtlich gewinnbringend weiterbetrieben, denn die beiden Söhne Christian und Paul können an eine wissenschaftliche Ausbildung denken,- die jüngeren Schwestern Anna und Agnes werden wohl bei Verwandten untergebracht. Im Frühjahr 1622 - mit 15 Jahren - wechselt Paul Gerhardt auf die jüngste der drei berühmten sächsischen Fürstenschulen nach Grimma; er belegt eine der Koststellen für jährlich 15 Gulden, nicht etwa eine Freistelle. Ehemals ein Augustinerkloster, jetzt ein Internat mit 96 Alumnen, darinnen die Jugend zu Gottes Ehren und im Gehorsam erzogen, in den Sprachen und Künsten und vornehmlich in der Heiligen Schrift gelehrt und unterwiesen werde, auf dass es mit der Zeit an Dienern der Kirche und anderen gelehrten Leuten in unsern Landen keinen Mangel gebe, heißt es in der Stiftungsurkunde. Klösterlich und klausurartig streng ist auch die Erziehung und Bildung. Die Schüler nehmen im alten Refektorium ihre Mahlzeiten ein,- sie hausen in den unheizbaren, dunklen Zellen im Obergeschoss, mit Kutten bekleidet und in einen erbarmungslosen Tageslauf eingespannt: sommers wie winters um fünf Uhr morgens Gebet im Knien, Vorbereitung auf den Unterricht und erste Lektion, Frühmette in der benachbarten Klosterkirche, anschließend die Morgensuppe, und wieder Lektionen, Studierstunden mit Wiederholungen und Vorbereitungen, um zwölf Uhr der Musikunterricht, und wieder pauken und pauken bis zum Schlaftrunk um acht Uhr abends. Zur Stadt darf es keine Kontakte geben; einmal in der Woche ein gemeinsamer, Spaziergang in Reih und Glied zum Nimbscher Wäldchen, Heimaturlaub erst nach zweljährigem Aufenthalt und dann höchstens für zwei Wochen im Jahr. Der ältere Bruder Christian hält diesen drakonischen Drill nicht durch. Er flieht aus der Schule ohne Anzeigung einiger Ursach; als er aber zu Hause ankommt, schickt ihn der Stadtrat mit einem Boten sofort wieder zurück. Der Rektor jedoch zeigt Verständnis, in Ansehung seines herzlichen Bedauerns wird er alsbald in Gnaden entlassen. Paul vermag sich anzupassen,- sogar als die Pest ausbricht und eine Abreise freigestellt wird, bleibt er im Internat - wo soll er als Waise denn auch hin? Der reformatorisch-humanistische Bildungsgang verläuft in drei Klassenstufen; Religion und Latein stehen im Mittelpunkt des Schulalltags. Religion heißt Kenntnis der reinen Lehre Luthers, wie sie im Konkordienbuch und im COMPENDIUM des Wittenberger Professors Leonhard Hutter in Frage-Antwort-Methode festgeschrieben ist,- und heißt Gottesfurcht, wie sie in dieser Lebensgemeinschaft durch liturgische Gebetszeiten und biblische Lesungen bei den Mahlzeiten eingeübt wird, mit dem Ziel, dass die Schüler den Gedanken an Gott den ganzen Tag nicht aus den Augen verlören, begründet schon der erste Rektor Adam Siber diese Praxis. Latein ist die alleinige Umgangs und Bildungssprache; deutsch redet der Pöbel, nicht der Gelehrte. Die Unterrichtsmethode besteht seit Melanchthons Zeiten in der Imitation, der Nachahmung: Weisheitssätze und Wortspiele, Sentenzen und Sprüche werden unablässig dem Gedächtnis eingeprägt. In der Transformation, der Umwandlung, werden dann die rhetorischen und poetischen Regeln auf die eigenen Sprachprodukte angewandt-. Eine derart geschmückte Festrede zeigt den glänzenden Fortschritt im Bildungsstand; die selbstgedrechselten lateinischen Verse gelten als gelungen, wenn sie dem Vorbild der antiken Klassiker möglichst nahekommen. Es erscheint uns wie ein unbegreifliches Wunder, dass Paul Gerhardt später so genial und gelöst, so meisterlich seine Gedanken in der Muttersprache auszudrücken vermag. Vielleicht hat die Begegnung mit Musik mehr bewirkt, als sich vordergründig aufweisen lässt: der Unterricht in Theorie und Praxis, der Schülerchor, der neben dem lateinischen Hymnengesang auch neuere Kunstmusik von Orlando di Lasso oder Adam Gumpelzhaimer pflegt, die Mitwirkung im Gemeindegottesdienst. Die reguläre schulische Ausrichtung jedenfalls hat zur Sprachmächtigkeit eines deutschen Dichters herzlich wenig beigetragen. Ein Zwischenzeugnis, eine Beurteilung vom Jahre 1625, hat sich In den Schulakten erhalten und lautet übersetzt: Von nicht schlechter Veranlagung. Er zeichnet sich hinsichtlich Fleiß und Gehorsam aus. Die schriftliche Arbeit kann zum großen Teil hingenommen werden, auch die hinzugefügten (lateinischen) Vers'chen sind erträglich - ordentlicher Durchschnitt, keine Spitzenposition. Im Dezember 1627 - er ist gut 20 Jahre alt - verlässt er nach erfolgter Abschlussprüfung die Fürstenschule. Im Januar 1628 schreibt sich Paul Gerhardt als Student der Theologie an der Universität in Wittenberg ein, Hochburg und Hort des orthodoxen Luthertums in reiner Lehre und rechtem Leben. Das bestimmt ihn zeitlebens im Wissen und im Gewissen. Der große Krieg geht schon ins zehnte Jahr, aber es gibt Pausen, in denen sich das Leben wieder erholt, und Landstriche, die vom Elend noch verschont bleiben, Oasen der Normalität. Gerhardt kann studieren: biblische Wissenschaft und dogmatische Systematik, und dies speziell als polemische und apologetische Kontroverstheologie, in Abgrenzung gegen die katholische Kirche und die caivinistische Konfession. Seit fünfzig Jahren sieht man diesen Kampf als vordringlichste Aufgabe und heiligste Glaubenspflicht an. Daneben sind auch Strömungen einer verinnerlichten lutherischen Orthodoxie lebendig, die Erbauungsbücher eines Johann Arnd werden wohlwollend gelesen. Der Universalgelehrte Paul Röber, Professor und Generalsuperintendent, vertritt eine biblisch begründete, praktisch orientierte und persönlich vertiefte Theologie. Seine Studenten lädt er einmal mit diesem Hinweis zu einer biblischen Vorlesung ein: ... so werdet ihr einst auch euren Zuhörern nützlich werden können, da auch der Heilige Geist jene Mysterien <Geheimnisse der Bibel> nicht immer in derselben Form vorgetragen hat, sondern bald in der Form eines Briefes, bald in der eines Liedes, bald in einer Parabel oder Allegorie, bald in Geschichten oder Gesetzen, bald in Prosa oder Poesie. Rüber hat eine künstlerische Ader, er dichtet und liebt Musik,- er gilt als beliebter Prediger, der gerne Liedstrophen zitiert und sogar ausgesprochene Liedpredigten hält. Wenn Paul Gerhardt schon in Wittenberg oder später? - dessen Lied 0 Tod, o Tod, du greulichs Bild überarbeitet, könnte es ein Zeichen sein, dass er in der Nähe dieses Professors seine theologische Ausrichtung und geistliche Heimat gefunden hat. In Wittenberg gibt es auch einen Lehrstuhl für Rhetorik und Poetik, den Professor August Buchner innehat. Er verbreitet und verbreitert das poetische Regelwerk von Martin Opitz, das sich immer mehr durchsetzt und den Autoren nicht mehr die Anstrengungen von Korrektur und Adaption abverlangt, mit denen sich Johann Heermann noch abgemüht hat. Dichten wird als Handwerk verstanden, das man erlernen kann, und die Möglichkeiten zum Gelegenheitsgedicht lassen nicht lange auf sich warten: Geburtstag, Hochzeit und Kindstaufe, Doktorpromotion und Buchveröffentlichung, Amtseinsetzung und Stellenwechsel, Tod und Begräbnis - nichts geht ohne Verse ab- erhabene Dokumente, die den Anlass ins rechte Licht und das eigene Können wortreich unter Beweis stellen. Buchner sammelt einen bedeutenden Schülerkreis um sich-. Zu den unmittelbaren Studiengenossen Gerhardts in Wittenberg gehören der gleichaltrige Christian Keimann (Meinen Jesum Iass ich nicht EG 402, in Zusammenarbeit mit seinem Kantor Andreas Hammerschmidt Freuet euch, ihr Christen alle EG 34), der weitgereiste Philipp von Zesen (Die güldene Sonne / bringt Leben und Wonne EG 444 mit der ariosen Melodie von Johann Georg Ahle und in dem von Buchner favorisierten hüpfenden Daktylus verfasst, den Gerhardt in seinem ähnlichen Morgenlied dezent anklingen lässt) und Johann Olearius, der es schneller als Gerhardt zu Amt und Würden gebracht hat. Die Lieder von Olearius sind stärker auf den gottesdienstlichen Gebrauch ausgerichtet: Wunderbarer Gnadenthron (EG 38), Gelobet sei der Herr (EG 139), Gott Lob, der Sonntag kommt herbei (EG 162), Herr, öffne mir die Herzenstür (EG 197). Dem Einflussbereich Buchners sind vor allem zwei Dichter zuzurechnen, Paul Fleming (bekannt ist sein auf der RusslandPersien-Reise 1633 verfasstes Lied In allen meinen Taten EG 368) und Simon Dach, der wiederum seine Kunst dem Königsberger Dichterbund weitergibt: Georg Weissel mit Macht hoch die Tür (EG 1, GL 107), 0 Tod, wo ist dein Stachel nun (EG 113), Such, wer da will, ein ander Ziel (EG 346); Valentin Thilo und sein Lied Mit Ernst, o Menschenkinder (EG 10 Str. 1-3, GL 113); Heinrich Albert mit Gott des Himmels und der Erden (EG 445); Georg Werner mit Freut euch, ihr Christen alle (EG 129) und der in Königsberg studierende Jurist Heinrich Held mit Gott sei Dank durch alle Weit (EG 12) und Komm, o komm, du Geist des Lebens (EG 134). In den Studienjahren Gerhardts hat sich in Wittenberg eine für das geistliche Lied entscheidende Stil- und Wortkultur als Wurzelboden entwickelt - wir spüren heute noch den Gleichklang -, aus dem sich dann die verschiedenen Individualitäten entfalten konnten. Es bleiben viele Fragen. Von Gerhardt sind nur spärliche Dokumente erhaltenaus späterer Zeit einige amtliche Schreiben und Gutachten, ein paar persönliche Briefe, vier nach damaligem Brauch gedruckte Beerdigungssermone, Nowen zu Bibellektionen und Gebeten. Auch seine Lieder, so anschaulich sie sein mögen, lassen kaum Rückschlüsse auf seine Entwicklung zu. Fünfzehn Jahre lang lebt Gerhardt in der Universitätsstadt* ein ewiger Student? - die Studiengänge sind aber noch nicht definitiv festgelegt. Ein schwerlebiger Spätentwickler? Ein entschlussschwacher Zauderer? Sicher von allem etwas. .......