Albrecht Dürer :„Selbstbildnisse“ Bildbetrachtung

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Albrecht Dürer :„Selbstbildnisse“ Bildbetrachtung
RENAISSANCE
Bildbetrachtung/Bildanalyse
Albrecht Dürer :„Selbstbildnisse“
Selbstbildnis mit Landschaft, 1498
Selbstbildnis mit Pelzrock, 1500
Schon seine Zeitgenossen bewundern Dürer wegen seiner Begabung, vor allem für seine Fähigkeit zur Darstellung von Details. Er ist
in seiner Zeit ein gesuchter und gut bezahlter Porträtist. Immer
wieder wählt er die eigene Person als Motiv und zeigt sich darin mit
aller Ehrlichkeit und einer großen Portion Selbstbewusstsein.
In seinem Selbstbildnis von 1498 ist es sein Ziel sich zu präsentieren als jungen Patrizier, als den bestangezogenen, feinsten
Mann nördlich der Alpen. Deshalb hat er seine schicksten Kleider angelegt, sich sorgfältig frisiert, das Cape locker über die
Schulter gehängt. Die Bluse sitzt lose und lässt einen glatten,
weichen Oberkörper sehen - Schönheitsideal einer Zeit, die sich
an den antikisch-schönen Körpern orientiert. Glacéhandschuhe
und die lässig-elegante Kopfbedeckung sollen davon überzeugen, dass Dürer so viel wert wie ein junger Adeliger ist. Es ist
nämlich zu dieser Zeit den hochstehenden Personen vorbehalten,
ein Bildnis von sich malen zu lassen. Auch dies kommt gerade erst
in Mode gekommen, vorher hat man nur Heilige und Szenen der
Bibel gemalt. Dass der Künstler selbst ein Bild von sich schafft,
sich ernst und wichtig nimmt, ist die eigentlich herausragende
Bedeutung seiner Selbstporträts, denn Dürer ist „nur“ Künstler,
in der Auffassung seiner Zeit also eher als gut bezahlter Handwerker einzustufen. Sein Bildnis ist damit ein Beweis des sozialen Aufstiegs und eindeutig repräsentativ: Genau so will Dürer
von seinen Zeitgenossen und der Nachwelt gesehen werden.
Immer wieder in anderen Kleidern und Kostümen porträtiert er
sich; und immer sieht der Betrachter mehr als den bloßen äußeren Schein von Reichtum und gesellschaftlicher Stellung. Er sieht
einen Menschen, der sehr genau beobachtet und konzentriert bei
der Arbeit ist, seine gespannte Haltung und den kritischen Blick.
Entscheidend weiter entwickelt ist dies im Selbstporträt mit Pelzrock, das Dürer im Jahr 1500, nach seiner zweiten Italienreise,
malt. Er stellt sich in der für Christus gebräuchlichen Haltung dar,
ganz frontal gesehen mit ernster, unbewegter Miene. So wirkt
das Bildnis nicht mehr natürlich, sondern gestellt; es ist eine bewusst gewählte Pose. Häufig lässt man sich damals in Kleidung
und Haltung seines Schutzpatrons malen, so dass dieses Bildnis
eher als Glaubensbekenntnis denn als Gotteslästerung zu verstehen ist.
Die strenge Komposition - Mittelachse, Dreieck - gibt dem Gemälde den Ausdruck von erhabener Würde, es ist ein Idealbild.
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Porträt
RENAISSANCE
AUFGABE:
Gestalte mit einem weichen Bleistift diese schematische Vorlage zu einem Kopf mit Augen, Nase, Mund und Ohren weiter.
Beachte: Die Ohren befinden sich genau im mittleren Drittel des Gesichts. Erzeuge mit Hilfe der Schraffur dann eine plastische Wirkung. Dunkle Partien sind die Augenhöhlen, die Seitenflächen der Stirn und Wange und die Grübchen am Mundwinkel. Hell bleiben z. B. der Nasenrücken, das Kinn, die Wangenknochen stehen. Oberhalb der Gesichtsfläche geht der Kopf
weiter, der Haaransatz liegt am Rand des Gesichtsfeldes.
Ein besonderes Problem sind Augen, Nase und Mund. Das erfordert zusätzliche Studien! Die Porträtdarstellungen von Künstlern, Fotografien oder ein Spiegel können dir dabei helfen.
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Porträt
RENAISSANCE
KOPFHÖHE
1/3 Stirn
1/3 Nase
GESICHT
1/3 Mund und Kinn
Die Kreisformen erleichtern es
die Gesichtsfläche zu zeichnen
und geben den Verlauf von
Wangenknochen und Kiefer
an. Auch bei Mona Lisa lässt
sich das Schema finden.
Für die Angabe von Maßverhältnissen = Proportionen beim menschlichen Kopf hat man
schon in der Antike Berechnungen und Versuche angestellt. Vitruv gibt an, dass die
Gesichtsfläche dreigeteilt werden kann. Diese Regeln für einen idealen Kopf übernehmen die Künstler der Renaissance, so lernt
es auch Albrecht Dürern von den Italienern.
Er übersetzt diese Theorie ins Deutsche.
Auch das Gesicht der Venus
ist ein Idealbild. Es entspricht
dem, was im 15. Jahrhundert
als absolut schön und perfekt
galt: ein göttliches Ideal. Bei
einem „wirklichen Menschen“
funktioniert dies auch, z. B.
wenn man sein eigenes Gesicht vermessen würde. Aber
das Schema passt selten
ganz genau, es ist ja auch nur
eine konstruierte Gesetzmäßigkeit. Solch ein Schema ist
aber hilfreich, wenn man ein
Porträt zeichnen will. Und so
haben die Künstler seit der
Renaissance dieses Schema
auch angewendet: als Hilfsmittel. Künstler haben zwar
immer wieder versucht Idealporträts zu gestalten auf der
Suche nach Antwort auf die
Frage: Was empfinden wir eigentlich als schön? Aber sie
haben auch Wert darauf gelegt, individuelle Besonderheiten festzuhalten.
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Ausschnitt aus „Geburt der Venus“ von Sandro Botticelli.
In dieser Werbung ist es eine Firma, die unter dem Namen Medici
arbeitet. Zur Zeit Botticellis - um 1500 - sind die Medici eine einflussreiche Familie in Florenz, die die Kunst sehr fördern.
AUFGABE:
Wähle Fotografien oder geeignete Bildvorlagen aus Zeitschriften aus und zeichne mit einem Farbstift das Schema des menschlichen Kopfes über die abgebildeten Gesichter.
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Porträt
RENAISSANCE
AUFGABE:
Zeichne die zweite Hälfte dieses Gesichts! Verwende einen weichen Bleistift, achte auf eine saubere Schraffur (kein
Wischen); der Übergang von Kopie und Zeichnung soll nicht zu sehen sein! Zeichne dir als Hilfe die Höhe der Pupille ein!
AUGENblick
Augen, sagt man, sind „Spiegel der Seele“ und ein ebenso schwieriges wie interessantes Motiv.
Das Auge liegt gut geschützt in der Augenhöhle und wird geschützt vom Lid, das sich völlig über dem Augapfel schließen kann. Wegen der Form des geöffneten Auges spricht man auch von „Mandelaugen“; die Iris wird beim normal
geöffneten Auge vom oberen Lid teilweise verdeckt, der untere Teil des Kreisbogens dagegen ist sichtbar. Ein Lichtreflex kennzeichnet ein lebendiges Auge.
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