Filmkritik zu "Die Passion Christi" von Peter Hasenberg

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Filmkritik zu "Die Passion Christi" von Peter Hasenberg
Pressespiegel Kritik von Peter Hasenberg in: film-dienst 06/2004 (18.03.2004)
Filmkritik zu "Die Passion Christi" von Peter Hasenberg, Filmreferent der
Deutschen Bischofskonferenz (in: film-dienst 06/2004):
Mel Gibsons "Die Passion Christi" ist der vielleicht radikalste, brutalste und wahrscheinlich auch kurioseste Jesusfilm aller Zeiten. Was
anfangs ein intimes Glaubenszeugnis des Regisseurs gewesen sein
mag, wurde durch die gnadenlose Vermarktung ein spekulatives
Produkt, das man kaum noch unvoreingenommen zur Kenntnis
nehmen kann. Versucht man, sich vom Ballast der zahllosen Diskussionen zu befreien, kann man in Umrissen einen Film erkennen, der
ein zentrales Mysterium des christlichen Glaubens in den Mittelpunkt
stellt: die Deutung des Kreuzestodes Jesu als Erlösungstat für die
Menschheit, wie es bereits im vorangestellten Motto aus Jesaja 53,5
("Er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen ... durch seine
Wunden sind wir geheilt") anklingt.
Gibsons Film ist ein drastisches Passionsspiel. Es erzählt von den
letzen zwölf Stunden im Leben Jesu. Die Handlung beginnt im Garten Getsemani und endet im Grunde mit Jesu Tod am Kreuz. Die
Auferstehung ist als filmisch unbefriedigend umgesetzter Epilog nur
angehängt. Der Film eröffnet mit dem betenden Jesus in der Zwiesprache mit Gott. Damit stellt Gibson seine Grundaussage an den
Anfang: Jesus ist Gottes Sohn, der auf die Welt gekommen ist, um
den Auftrag seines Vaters zu erfüllen, sein Leben hinzugeben, damit
die Menschheit mit Gott versöhnt wird. Satan, der in androgyner
Gestalt - dargestellt von einer Schauspielerin, aber mit männlich
tiefer Stimme - als Versucher an ihn herantritt, ist der dritte Akteur im
Heilsdrama. Mit dem Verrat Jesu und der Verhaftung durch die
Knechte des Hohenpriesters beginnt die Leidensgeschichte - ein
nicht enden wollender Weg der Grausamkeiten, an dessen Ende der
Körper Jesu so gnadenlos zerstört ist, dass es keinen Zentimeter
ohne Blut und Wunden gibt. Schon die Knechte des Hohenpriesters
misshandeln Jesus rabiat, als er vor dem Hohen Rat als Gotteslästerer angeklagt wird. Noch erbarmungsloser sind die römischen Henkersknechte. In einer unglaublich brutalen Szene wird Jesus auf
Befehl des Statthalters Pontius Pilatus ausgepeitscht, bis seine Haut
in Fetzen hängt und große Blutlachen im Hof zurückbleiben. Der
Weg zur Hinrichtung ist nochmals eine endlose Reihe von Stürzen
und Schlägen. Neben Maria, Maria Magdalena und Johannes, die
Jesus auf seinem Weg bis zum Ende begleiten, erscheint immer
wieder Satan inmitten der Schriftgelehrten, römischen Soldaten oder
im Volk.
Jesus vollendet seine Mission am Kreuz mit dem Satz "Vater, in
deine Hände befehle ich meinen Geist". Im gleichen Moment schreit
Satan, der den göttlichen Heilsplan nicht hat verhindern können,
gellend auf. Damit verweist Gibson auf den Anfang und schließt den
Kreis. Unterbrochen wird der Kreuzweg immer wieder durch kurze
Rückblenden auf das Leben Jesu, die zum Teil erfunden (Kindheit,
Jesus als Zimmermann), zum Teil klassischen Bibelstellen (Bergpredigt, Abendmahl) entlehnt sind. Gibson stellt den Opfertod Jesu in
den liturgischen Kontext, montiert Szenen der Aufrichtung des Kreuzes und des Abendmahls parallel, bei dem Jesus Brot und Wein als
seinen Leib und sein Blut interpretiert. Diese Verknüpfung ist eine
auch theologisch stimmige Umsetzung seines Konzepts. Sie kann
aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film unter einem
grundsätzlichen Problem leidet, weil er nämlich nicht als Meditation
über Glaubenswahrheiten angelegt ist, sondern "die Wahrheit" als
vorgeblich realistisches, in allen Details ausgemaltes Geschehen
vermitteln will. Die Dialoge in Lateinisch und Aramäisch sollen historisch verbürgte Authentizität vermitteln, obwohl die Bibel doch ein
Glaubenszeugnis und kein Dokumentarbericht ist. Die Mischung aus
biblischen Texten, frommer Legende (Veronika), traditioneller Symbolik (Schlange, Taube) und Bildern einer ins Mittelalter zurückreichenden Blutmystik ergeben Bezugsebenen, die Katholiken z.T.
durchaus vertraut sind.
In Kirchenliedern heißt es beispielsweise, dass die Gläubigen "in
seinem Blute gereinigt von Schuld" sind. Gibson bringt dies aber
nicht metaphorisch, sondern meint, er könne dies darstellen, indem
er Ströme von Blut über die Leinwand fließen lässt. Eine ganze
Reihe von (rituellen) Waschungen kulminiert am Ende in der Blutfontäne, die sich aus der Seitenwunde Jesu über die unter dem Kreuz
Stehenden ergießt.
Das Thema des kostbaren Blutes, das für die Menschen vergossen
wurde, beschäftigt Gibson dabei bis zur Besessenheit. In einer Szene nach der Geißelung, die Gibsons Vision von der Schlachtbank in
Szene setzt, gibt es eine (nach Visionen der westfälischen Mystikerin
Anna Katharina Emmerich inspirierte) Szene, in der Maria und Maria
Magdalena die Blutlachen mit weißen Tüchern aufwischen: ein
meditativer Akt der Trauerverarbeitung. Maria spielt in Gibsons
Dramaturgie überdies eine zentrale Rolle. Sie ist das Gegengewicht
zu der anderen Begleiterfigur im Passionsgeschehen, dem Satan als
eine Art "Anti-Maria". Jesu Mutter ist Stellvertreterin des Zuschauers
und Trägerin der Heilsperspektive, sie ist die einzige, die versteht,
warum Jesus leiden und sterben muss. Der Regisseur hat in Interviews immer betont, dass er die Größe des Opfers verdeutlichen
wollte. Dabei übersieht Gibson jedoch, dass es nicht darauf ankommen kann, die Größe des Opfers in der Menge vergossenen Blutes
und der Zahl der Wunden zu messen, sondern seinen Sinn vor dem
Hintergrund der "guten Nachricht", dem Evangelium vom anbrechenden Gottesreich, zu verstehen. Zwar bemüht sich Gibson, in
Rückblenden die jesuanische Auslegung der Schrift zu vermitteln,
diese aber sind so fragmentarisch, dass sie von Gläubigen vielleicht
eingeordnet werden können, weniger bibelfeste Zuschauer aber
ratlos machen: Es besteht ein eklatantes Ungleichgewicht zwischen
den breit ausgemalten Gewaltbilden und dem auf wenige Zitate
geschrumpften Kernbestand der Botschaft der Liebe.
Einer der heikelsten Punkte des Films betrifft den Vorwurf des
Antisemitismus. Gibson stellt in einer völlig unreflektierten Übernahme der biblischen Erzählungen die Beteiligung der Juden am Prozess gegen Jesus heraus. Der Hohe Rat bildet eine Mauer der Ablehnung, Kaiphas wirkt kalt und berechnend. Allerdings muss der
Inszenierung zugute gehalten werden, dass sie immer wieder Figuren hervorhebt, die sich von der allgemeinen Hysterie absetzen. Das
beginnt mit dem Knecht Malchus, setzt sich fort mit zwei Mitgliedern
des Hohen Rates, die das Gerichtsverfahren kritisieren, und führt bis
zu den weinenden Frauen sowie Veronika und Simon von Cyrene,
dem ein römischer Soldat ein verächtliches "Jude!" entgegenschleudert, als er der Grausamkeit Einhalt gebieten will. Diese Abstufungen
in der Figurenzeichnung geben zu erkennen, dass Gibson keine
antisemitische Hetzkampagne beabsichtigt; dennoch tilgt das die
mögliche Wirkung der negativen Bilder von Juden letztlich nicht.
Gibsons öffentliche Beteuerungen, er sei kein Antisemit, sind problematisch, weil er sich nie von den offen antisemitischen Äußerungen
seines Vaters distanzierte und auch die Befürchtungen jüdischer
Organisationen nicht ernst genommen hat.
Symptomatisch ist die Auseinandersetzung über den historisch so
verhängnisvollen Satz "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder" (Mt 27,25). Diese Zeile wurde nicht, wie zunächst verlautet,
herausgeschnitten, sondern lediglich in der Untertitelung weggelassen. Als eine im Film noch enthaltene Art Geheimcode könnte er
aber erst recht für antisemitische Kampagnen instrumentalisiert
werden.
Es ist leicht, die künstlerischen Mängel zu kritisieren: die überzogenen Gewaltdarstellungen, die naive Symbolik, das drastische SoundDesign, die effekthascherische Musik, die taumelnde Dramaturgie
des Deliriums, die von Gewalt zu Hysterie mit wenig Ruhepunkten
dem Höhepunkt des Schreckens entgegenstrebt, schließlich die
mangelnde visuelle Originalität der Bilder, für die Gibson Anleihen
bei der bildenden Kunst, anderen Jesusfilmen von Pasolini bis Scorsese und bei Genres wie Horror- und Antikenfilm macht. Schwerer
fällt es, die Opferthematik für erledigt zu erklären. Gibson stört sich
nicht daran, was die aktuelle theologische Forschung dazu sagt; er
beharrt darauf, dass der Opfertod Jesu für die Sünden der Menschheit, der in der Eucharistie gefeiert wird, der zentrale Punkt seines
Glaubens ist. Er bewegt sich damit sicher nicht auf der Höhe der
theologischen Diskussion, aber durchaus im Kontext der "Theologie"
des Kinos, das auf dem Opfer beharrt und in zahllosen Filmen von
"Breaking the Waves" (fd 32 145) bis zu "Der Herr der Ringe" inszeniert.
Weil "Die Passion Christi" keine Kompromisse zulässt, zwingt der
Film dazu, Stellung zu beziehen und in Abgrenzung von Mel Gibson
die Kernfragen des Glaubens neu zu thematisieren. Der Wert seines
Films an sich darf mit Fug und Recht bezweifelt werden, aber selbst
wenn man ihn als gescheitert betrachtet, wirft er Fragen auf, denen
sich Christen stellen müssen.
Peter Hasenberg
Pressespiegel Artikel von Uwe Siemon-Netto in: Rheinischer Merkur, 11.03.2004
PRO UND CONTRA (1)
Ja, so litt Jesus für uns
Autor: Uwe Siemon-Netto
Wir leben im 21. Jahrhundert. Da kann die größte Leidensgeschichte
aller Zeiten nicht im Flüsterton erzählt werden, wenn sie die Menschen wachrütteln soll, was Mel Gibson mit seinem Film „Die Passion Christi“ beabsichtigt.
Wohl wahr: Gibson hat mit dem Vorschlaghammer draufgehauen.
Aber Gewalt und Sex, Lärm, Drama, grelle Farben sind Hollywoods
Erfolgsrezepte. Die Erotik passt hier nicht zum Thema, aber der
anderen Elemente hat Gibson sich kräftig bedient. Er hat genial die
Gewalt, die Christus angetan wurde, in den Dienst des Evangeliums
gestellt. Es fließt schier unerträglich viel Blut. Aber viel Blut sprudelt
auch von Jesu genagelten Füßen in Grünewalds Altarbild in Colmar.
Weil auch im frühen 16. Jahrhundert den Zeitgenossen drastisch
mitgeteilt werden musste, was Gott für seine Menschheit erlitten hat.
Wir stehen heute noch beklommen vor diesem Altar – oder auch
erschrocken, um ein Lieblingswort Luthers zu gebrauchen, so erschrocken wie die Millionen Amerikaner, die seit Aschermittwoch in
die Kinos strömen, um Gibsons Film zu sehen. Hernach sind sie
minutenlang unfähig, sich von ihren Sesseln zu erheben. „Die Erschrockenen muss man mit dem Wort der Gnade aufrichten“, sagte
Luther. Ob dieses Wort in Gibsons Leinwandprodukt überkommt? Ich
behaupte: Ja.
Man kann Gibson wahrlich nicht vorwerfen, sich nicht treu an die
Evangelien gehalten zu haben. Aber er hat auch andere, hochtheologische Themen eingeflochten, zum Beispiel die Figur des Satans,
einer luminösen, androgynen Gestalt, die in diesem Film immer
wieder auftaucht, zuerst im Garten Gethsemane, wo Satan den
kosmischen Sinn der Passion Christi entdeckt und eine Schlange auf
Jesus loslässt, der ihr den Kopf zertritt (vgl. 1 Mose 3,15). Hier wird
uns, wie der amerikanische Theologe Robert Benne staunend kommentiert, die Geschichte des zweiten Adam auf einer Kinoleinwand
präsentiert.
In einer Zeit, in der Christen sich genieren, an den Teufel zu glauben – und Pfarrer ihn aus ihrer Predigt verbannt haben –, erinnert
hier ein Filmemacher an seine Realität. Der Teufel ist am fleißigsten,
wo das Heiligste am stärksten präsent ist, sagte Luther. Bei Gibson
versucht Satan immer wieder, Christi Werk zu torpedieren. Kein
Mensch allein könne die Sünde der Welt tragen, versucht er dem vor
Angst Blut schwitzenden Jesus einzuflüstern.
Zum Schluss fährt Satan unter Protestschreien in seine Unterwelt
zurück. Er hat versagt. Dieser guten Nachricht entspricht das Motiv
des Christus Victor, der Sünde, Tod und Teufel überwindet, am
dritten Tag wiederaufersteht und den Sieg für alle, die an ihn glauben, davonträgt. Dass dieser Sachverhalt, für den Christen seit fast
2000 Jahren Gott danken, ausgerechnet in unserer geistlich verwahrlosten Zeit ein Kassenschlager werden kann, ist so spektakulär,
dass gemessen daran alle hämischen Unterstellungen gegen diesen
Film grotesk wirken.
Zu diesen Unterstellungen gehört auch der Vorwurf der Judenfeindlichkeit des Gibson-Werkes, ein Vorwurf, der zuweilen selbst gegen
Bachs Passionen erhoben wird. Dies ist aber eine Minderheitsmeinung. Gegen solche Unterstellungen empören sich fromme Juden
wie der Rabbiner Daniel Lapin und der Filmkritiker Michael Medved,
die von Gibsons „Passion Christi“ sogar segensreiche Konsequenzen erwarten. Lapin prophezeite, dass der Film die zweite große
Erweckung in Amerika auslösen werde – aus seiner Sicht eine gute
Sache, weil er weiß, dass Juden unter bekennenden Christen am
sichersten aufgehoben sind. „The Bible Belt is our security belt“, sagt
er – der „Gürtel“ bibeltreuer Landstriche in den USA sei der Sicherheitsgurt der Juden.
Medved erinnert zudem seine Glaubensbrüder: „Gibsons Film
handelt nicht von ,den Juden’, sondern von einem spezifischen
Juden, den Mel Gibson und zwei Milliarden andere als den Messias
und die fleischgewordene Gottheit verehren.“ Er selbst teile diese
Verehrung nicht, betont Medved, „sonst wäre ich ein Christ“. Aber
Christen – einschließlich des Katholiken Gibson – hätten das Recht,
ihren Glauben zu leben und künstlerisch darzustellen. Viele Synago-
gengemeinden teilen diese Ansicht und haben folglich Tausende von
Kinoplätzen für „Die Passion Christi“ gebucht, so wie sich ihre Mitglieder ja auch nicht scheuen, in einer Nachbarkirche die Matthäusoder Johannespassion zu hören.
Man mag einwenden, die Worte der Film-Maria „Was unterscheidet
diese Nacht von allen anderen?“ seien antijudaistisch. Sie stammen
aus der Seder-Liturgie. Wird hier insinuiert, dass die Leidensnacht an
die Stelle des Pessach-Festes tritt, will heißen: Ersetzt der neue
Bund im Blut Christi den alten Bund Gottes mit seinem Volk?
Mit Verlaub: Dies ist ein Film für Menschen, an denen solche theologischen Finessen, so sie denn beabsichtigt wären, was ich nicht
glaube, völlig vorbeigehen. Dies ein Kunstwerk, dessen Autor sich
selbstverständlich auch künstlerische Freiheiten nimmt, aber von der
ersten Sekunde an klar macht, worum es geht: „Er ist um unserer
Missetat willen verwundet und unserer Sünde willen zerschlagen“
(Jesaja 53,5). Diese Worte flimmern zu Beginn über die Leinwand.
Gibsons Kritiker mögen das übersehen haben, nicht aber das Publikum, das stumm und mit feuchten Augen das Lichtspielhaus verlässt.
Gibson schärft seinen Zuhörern nichts anderes ein als Johann
Hermann, der mitten im Dreißigjährigen Krieg gedichtet hatte: „Was
ist doch wohl die Ursach’ solcher Plagen?/ Ach, meine Sünden
haben dich geschlagen./ Ich, mein Herr Jesu, habe dies verschuldet,/
was du erduldet.“ Nicht von Juden ist da die Rede, sondern von
allen. Es ist daher absurd, die Visagen des Jerusalemer Pöbels als
Beweis für antijüdische Intentionen zu deuten. Der Pöbel ist immer
scheußlich. Gibsons Mob setzte sich übrigens aus italienischen
Statisten zusammen; die einzigen wirklich „jüdischen“ Antlitze hier,
die der Maria und der (apokryphen) Veronika, sind schön und anziehend.
Manche halten aus allgemeinprotestantischer Sicht Gibson vor,
dass bei ihm eine dezidiert katholische Theologie durchschimmere.
Seine Schilderung der Leiden Christi entspricht dem klassischen,
„katholischen“ Sühneverständnis, das aber auch strenge Lutheraner
teilen, für die der Karfreitag der höchste Tag im Kirchenjahr ist.
Gibsons Erfolg ausgerechnet im kalvinistisch geprägten Amerika
entscheidet die große ikonoklastische Kontroverse der Neuzeit
zugunsten der Ikonodulen, also der Katholiken, Orthodoxen und
Lutheraner, über deren Altären eben nicht das leere Kreuz hängt.
Dies ist besonders in den USA wichtig, wo sich Protestanten gern
am Kruzifix vorbei zur Auferstehung mogeln und damit eine „Christianity light“ erfanden, über das H. Richard Niebuhr lästerte: „Ein Gott
ohne Zorn bringt den Menschen ohne Sünde in ein Reich ohne
Gericht mittels der Dienste eines Christus ohne Kreuz.“ Dieser Illusion hat Gibson ein Ende gesetzt. Es ist das Ende der homöopathischen Variante der Passion, die das Christentum verludern ließ. Ja,
in der „Passion Christi“ fließt viel Blut, weil dies einmal den Evangelien und zum anderen dem einzigen Genre entspricht, mit dem die
Mehrheit der Menschen heute erreicht werden kann. Schade, dass
Gibson unter Druck die Worte „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ aus den englisch- und deutschsprachigen Unterzeilen
herausschnitt, wenn auch nicht aus dem aramäischen Dialog. Hier
wurde christliche Theologie der Political Correctness geopfert. Für
den Katholiken Gibson, dessen Berater wohl die Hermeneutik des
Mittelalters im Sinne hatten, war gerade dieser Satz von hoher heilsgeschichtlicher Bedeutung. Im Mittelalter deuteten Theologen Bibelstellen auf vierfache Weise: wörtlich, moralisch, allegorisch und
anagogisch.
In Gibsons Film ist gerade die anagogische Sicht entscheidend:
Wie eine Dusche sprüht die Speerwunde in der rechten Seite Jesu
Blut und Wasser auf diejenigen, die unterm Kreuz stehen: „Sein Blut
komme über uns“ – und wasche uns von der Erbsünde rein. Ein
anderes Mittel gibt es nicht.
Uwe Siemon-Netto ist Ressortleiter für Religion beim Nachrichtendienst UPI in Washington.
Pressespiegel Artikel von Werner Schneider-Quindeau in: Rheinischer Merkur, 11.03.2004
PRO UND CONTRA (2)
Nein, die Gewalt erschlägt alles
Autor: Werner Schneider-Quindeau
Ein erbarmungsloser Film erwartet die Besucher von Mel Gibsons
„Passion Christi“, ein Faustschlag ins Gesicht oder in die Magengrube. Kein Exzess der Gewalt scheint brutal genug. Der Film schwelgt
in blutrünstigen Details, als läge in der Ausgestaltung der Folter und
der Erniedrigung eine besondere Lust. Während die Evangelien die
Einzelheiten der Passion kaum beschreiben, löst der Film in ekstatischen Darstellungen der Gewalt gegen Jesus Faszination und
Schrecken aus.
Für Paulus sind die geschichtlichen Umstände der Gefangennahme
und Hinrichtung Jesu nahezu bedeutungslos. Die heilsame Bedeutung des Todes Jesu im Lichte seiner Auferweckung wird umso
stärker betont. Wer aber das Evangelium, die lebensbejahende
Botschaft von Gottes Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, auf
die Passion Jesu reduziert, steht in Gefahr, einem Leidens- und
Opferkult zu huldigen. Das leere Grab am Ende des Films wirkt wie
ein Fremdkörper. Es geht allein um die Zurichtung Jesu zum Opfer.
Karfreitag und Ostern gehören aber zusammen, das Kreuz Jesu
und seine Auferweckung von den Toten, damit nicht einerseits eine
todesversessene Opfermythologie oder andererseits eine Leid und
Tod vergessende Lebensverherrlichung herauskommt. Gibson unterschlägt diesen Zusammenhang.
Die Passionsspiele aller Zeiten wollten durch den Anspruch effektvoller Inszenierung die Emotionen der Menschen erreichen. Auch ein
Blick in die Filmgeschichte zeigt, dass die Passion Christi sehr oft
dargestellt wurde, weil sie als Erzählung wie als ikonografische
Tradition in der westlichen Kultur verwurzelt ist.
Der Sozialwissenschaftler René Girard hat in seinem Werk „Das
Heilige und die Gewalt“ die Bedeutung der Opfervorstellung für die
Gesellschaft untersucht. Im Opfer, das widerstandslos wie ein Schaf
zur Schlachtbank geführt wird, vergewissert sich die Gesellschaft
ihres eigenen inneren Zusammenhalts. Durch das Opfer wird
Gemeinschaft gestiftet. Ebenso scheint dem Film eine Gemeinschaft
stiftende Funktion zuzukommen, die über Faszination und Schrecken
auf eine spezifische Parteinahme des Publikums für das unschuldige
Opfer zielt, die zu Rachegefühlen führt.
Die Wirkungsforschung im Hinblick auf Darstellungen brutaler
Gewalt in Film und Fernsehen hat das Paradox aufgewiesen, dass
eine Identifizierung mit dem Opfer zur Erhöhung des Aggressionspotenzials führt. Im Film sind es vor allem die Repräsentanten der
Juden und die römischen Schergen, auf die sich die gesteigerte Wut
des Publikums richten könnte. Insofern ist der Antijudaismus des
Films keine theologische Spitzfindigkeit, sondern durch seine affektive Wirkung besonders perfide, da er durch die Gewaltdarstellung
geradezu unbewusst erzeugt wird. Dass Jesus wie seine Jüngerinnen und Jünger Jude ist, wird nebensächlich. Und wenn Maria und
Maria Magdalena aus der Erzählung des Passahfestes im Kontext
der Gethsemaneszene zitieren („Was unterscheidet diese Nacht von
allen anderen Nächten?“), wird die Heilsgeschichte Israels durch die
Heil stiftende Opfergeschichte Jesu ersetzt. An die Stelle der jüdischen Heilserfahrung ist der sich opfernde Christus getreten: Das ist
traditioneller christlicher Antijudaismus pur.
Die Passion Christi in der Geschichte des Christentums hat immer
wieder eingeladen, sich dieses gewaltige Opfer am eigenen Leib zu
vergegenwärtigen. Flagellanten und Asketen, die durch körperliche
Züchtigung den Kreuzweg Jesu imitierten, sind sicher die auffälligsten Erscheinungen. Aber durch den Film erfährt die Gewalt eine die
Realität übersteigende Anschauung. Insofern ist der Realismus, der
dem Publikum durch den Gebrauch der antiken Sprachen Latein und
Aramäisch nahe gelegt wird, ein falsches Versprechen. Die Gewalt
wird überhöht, sie gewinnt gleichsam einen kultisch-transzendenten
Charakter. Die Leinwand wird zur mythischen Projektionsfläche, auf
der das Blut und die Wunden, die Spucke und die zerfetzte Haut, das
rohe Fleisch und die überdimensionierten Nägel zu einem einzigen
Bild des geschlachteten Opfers verschmelzen. Die Steigerung der
Gewalt verankert dieses Bild selbst mit aller Gewalt in den Phantasien der Zuschauenden. Durch den missionarischen Anspruch verstärkt, stellt diese Inszenierung eine Überwältigungsstrategie dar, die
keine Gnade und kein Erbarmen mit dem Publikum kennt. Insofern
ist „Die Passion Christi“ nach meinem Verständnis ein zutiefst antichristlicher Film.
Für Kirche und Theologie stellt sich die Frage, wie dieses Opfer zu
verstehen ist: Trägt es zur Überwindung von Gewalt bei, oder führt
es durch Visualisierung und Dramatisierung zu deren Steigerung?
Viele Passionslieder betonen das Leiden Jesu, indem sie die erlittene Gewalt anschaulich vor Augen führen. Im Unterschied zum Film
wird hier aber der Ton der Klage und der Trauer vernehmbar über
ein Opfer, das schuldlos Gewalt und Spott, Folter und Tod erleidet.
Dieser Ton ist bei Gibson nur mehr am Rande vernehmbar. Allein die
Frauen scheinen dafür in klassischer Rollenzuschreibung zuständig
zu sein.
Der heroische Schmerzensmann steht dagegen bei ihm ganz im
Zentrum. Zwar gibt es im Garten Gethsemane einen Moment des
Ringens, der jedoch bereits durch die düstere Atmosphäre in den
weltgeschichtlichen Kampf zwischen Gut und Böse eingebettet ist.
Jesus ist bereits hier ein körperlich Gezeichneter, der diesen Kampf
mit dem Teufel aufnehmen muss. Im Unterschied zu den biblischen
Texten erscheint der Teufel in androgyner Gestalt als Phantasmagorie des Bösen während des gesamten Leidensweges Jesu immer
wieder, um die universale Bedeutung seines Opfergangs zu versinnbildlichen. In den Juden und den Römern findet Satan seine Handlanger, die im wahrsten Sinne auf Teufel komm raus den Tod Jesu
wollen. Während die Evangelien die Auseinandersetzung mit dem
großen Verführer lediglich an den Anfang des Wirkens Jesu legen
und ihm dann nur noch einen geringen Raum einräumen, erhält er
bei Gibson die Rolle des großen Gegenspielers.
Die biblische Passionsgeschichte verweigert sich der Phantasie von
einem solchen dualistischen Machtkampf. Der Tod Jesu ist im Lichte
der Auferstehungsbotschaft und der Verkündigung Jesu das letzte
Opfer, mit dem jegliche Opfergeschichte an ihr Ende kommen soll.
Nichts Heroisches und nichts Erhabenes hat dieses Opfer, und es
bedarf keiner zweistündigen ekstatischen Gewaltphantasien, um das
Elend und die Erbärmlichkeit der Kreuzigung zu beschreiben. Jesu
Worte in der biblischen Passionsgeschichte verweisen alle über das
Kreuz hinaus: auf Gott, auf die Wahrheit, auf den Menschensohn,
auf den Messias. Die Heilsbedeutung des Todes Jesu wird nicht
dadurch erkannt, dass sein Leiden in einer Gewaltorgie und im
Blutrausch überdimensional ausgestaltet wird. Sein Tod steht im
Gegenteil für die Überwindung der Gewalt, die durch Hass, Missachtung, Zynismus und Allmachtswahn entsteht. Wer die Nächsten-, ja
sogar die Feindesliebe predigt, für den hat die Gewalt ihre Faszination verloren.
Bei Gibson sind es besonders die filmischen Mittel, die seine Lust
an der Gewalt demonstrieren: die Nahaufnahmen des zerschlagenen
Körpers, die Zeitlupe, um die Qual des Schlags oder den verräterischen Kuss des Judas zu verstärken, und die dramatische Musik, die
den körperlichen Schmerz bis in die Ohren klingen lässt. Dass mit
Jesu Tod Vergebung, ja sogar Versöhnung und Friede zwischen
Gott und Mensch Wirklichkeit wird, weil er unsere Feindschaft gegen
Gott überwindet, damit wir unsere gewalttätige Feindschaft untereinander hinter uns lassen können, das wird in diesem Film nicht erkennbar.
Bei aller Kritik bietet der Film jedoch Anlass, sich selbstkritisch über
das Verhältnis der christlichen Tradition zur Gewalt und zum Opfer
zu besinnen. Denn der eigene Anteil an der Gewaltgeschichte ist
nicht gering. Dafür ist Gibsons Film ein erschreckendes Beispiel.
Werner Schneider-Quindeau leitete die Jury des ökumenischen
Filmpreises bei der Berlinale.
Pressespiegel Stellungnahme der Evangelischen Kirche für Deutschland (EKD), 08.03.2004 /
Artikel vom Evangelischen Pressedienst (epd), 08.03.2004
Hannover, 8. März 2004 ƒ Pressestelle der EKD ƒ Christof Vetter
Schreiben des Kirchenamts der EKD an die Gliedkirchen:
Thesen zu Mel Gibson's Film "The Passion of the Christ"
1. Trotz Latein und Aramäisch keine Authentizität
"Es ist, wie es war", soll Papst Johannes Paul II. über den Film
gesagt haben, was vom Vatikan umgehend bestritten wurde. Und
Billy Graham soll gesagt haben: "Der Film macht uns alle zu Zeitzeugen!" Beides ist definitiv falsch. Mel Gibson ist zwar ein Authentizitätsfanatiker, aber einer auf Holzwegen, denn mit keinem noch so
eindrücklichen aramäischen Originalton wird die Geschichte auch
nur einen Millimeter authentischer. Was wir von Jesu Sterben wissen, wissen wir aus der Bibel, eine von seinen Auferstehungszeugen
verfassten Erzählung, die zweifellos Anhalt an der Geschichte hat,
aber eben gerade nicht authentisch im Sinne einer exakten Rekonstruktion des Ablaufes ist und auch gar nicht sein will. Der Film kann
- wie alle Darstellungen des Leidens Jesu Christi - die Bibel illustrieren, darin auch interpretieren und inszenieren, aber eben nicht authentisch sein. So entstehen dann auch historische Fehler oder
anachronistische Interpretationen: Die Kreuzigung wird historisch
insofern falsch dargestellt, als die Nägel durch die Hände getrieben
werden und nicht - wie es richtig wäre - durch Elle und Speiche vor
dem Handwurzelknochen. Und auf dem Weg nach Golgatha tritt eine
Frau an Jesu heran und reicht ihm ein Tuch, er drückt es sich in sein
blutverschmiertes Gesicht, - und fertig ist das Schweißtuch der
Veronika.
2. So viel Gewalt braucht wirklich niemand ....
... um das Erlösungswerk Jesu Christi eindrücklich zu finden. "Durch
seine Wunden sind wir geheilt", wird Jesaja 53,5 zu Beginn des
Gibson-Filmes zitiert. Mel Gibson missversteht diesen Satz aber und
inszeniert ein grausiges, bluttriefendes Werk, das sich in den
Schmerzen des Erlösers weidet (M. Drobinski SZ "Weiden am Leiden"). Dahinter liegt ein missverstandener Sündenbegriff: Die Exzeptionalität Jesu Christi liegt nicht in der Schwere seines Leidens oder
in der besonderen Härte seines Schicksals, denn man muss befürchten, dass viele Menschen vor und nach ihm in noch viel grausamerer
Weise malträtiert worden sind. Das Geheimnis der Erlösung ist die
Art der "Wunde", die er getragen hat, nämlich die Sünde der Gottesferne. Gibson aber badet in einer Schmerzensmann-Frömmigkeit,
die alles Gewicht auf die Äußerlichkeit des Leidens Jesu legt, so als
könne von Menschen verursachte Brutalität und Grausamkeit des
Leidens Jesu Christi die einzigartige Qualität des Erlösungswerkes
Jesu Christi steigern. Der Leidens- und Schmerzensweg Jesu ist
aber zuerst Abbild und Ausdruck der damals gewöhnlichen, römischen Menschenverachtung. Wohl deswegen ist den Passionsgeschichten die Geißelung lediglich einen Halbsatz wert, Mel Gibson
macht daraus ein Viertel seines ganzen Films.
3. Wer Antisemitismus sucht ....
Der Film von Mel Gibson bemüht sich auf seine etwas skurrile Weise
die These zu illustrieren, dass es nicht "die Römer" oder "die Juden"
waren, die Christus getötet haben, sondern dass jeder Mensch durch
seine Sünde mitverantwortlich ist. "Ich bin's, ich sollte büßen" (EG
84,4), diese Paul-Gerhardt-Liedstrophe zeigt jedenfalls die Intention
des Filmes an. Natürlich wird jeder, der entsprechende Sensoren
mitbringt, manche Volksszenen, manche markanten Gesichter,
manche Schuldverteilung zwischen Pontius Pilatus und "den Juden"
für problematisch halten und als Wasser auf die Mühlen des Antisemitismus verstehen können. Als Kirche distanzieren wir uns von
allem antisemitistischen Missbrauch des Filmes und verweisen
darauf, dass die evangelischen Kirchen seit der "Erklärung von
Weißensee" 1950, den rheinischen Synodalbeschlüssen Anfang der
80er Jahren und den EKD-Studien "Christen und Juden I-III, 19752000" deutlich gemacht haben, dass Antijudaismus durchaus zur
christlichen Schuldgeschichte gehörte, dass die Kirchen heute aber
entschiedene Gegner jeder Art von Antisemitismus und Rassismus
sind. Und fairer Weise muss man Mel Gibson zubilligen, dass in
seinem Film Römer und Juden gleichermaßen schlecht wegkommen; "die Juden" werden nicht anders als "die Römer" in ihrem Hass
und ihrem Mitgefühl, in ihrer Brutalität und ihrem Erbarmen, in ihrer
Schaulust und in ihrer Hetzerei zumeist als Individuen gezeigt, oft mit
Namen kenntlich gemacht und selbst als namenlose Soldaten erkennbar als einzelne Individuen inszeniert. Gibson will offensichtlich
doch zuerst die "Menschheitsschuld jedes einzelnen" am Tode des
Erlösers zeigen, nicht eine spezifisch jüdische Schuld.
4. Empfehlung
Der Film von Mel Gibson "The Passion of the Christ" sollte von den
Kirchen weder empfohlen noch "skandalisiert" werden, sondern es
sollte nüchtern gesagt werden, was der Film ist: eine auf die letzten
zwölf Stunden reduzierte Illustration der biblischen Passionsgeschichte, der die theologische Tiefe fehlt, die seine Brutalität ausgleichen könnte.
Der Film wird aufgrund seiner Grausamkeit vermutlich erst ab 16
Jahren FSK freigegeben, eine völlig richtige Entscheidung, denn der
Film eignet sich nicht für die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden.
Auch sollten Pfarrer und Pfarrerinnen erst dann mit Gemeindegruppen in diesen Film gehen, wenn sie sich den Film zuvor allein angeschaut haben, um dann einzuschätzen zu können, ob sie diesen
Grad an Brutalität ihrer jeweiligen Gemeinde zumuten können und
wollen.
EKD: Gibsons "Passion"-Film brutal und ohne theologische Tiefe
Frankfurt a.M. (epd). Nach der katholischen Kirche hat jetzt auch die
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) den umstrittenen JesusFilm "The Passion of the Christ" deutlich kritisiert. Dem Film des
Australiers Mel Gibson fehle theologische Tiefe, heißt es in einem
Brief an die evangelischen Landeskirchen, der dem epd vorliegt. Die
gezeigte Brutalität könne daher nicht ausgeglichen werden. Die EKD
wolle das Werk weder empfehlen noch skandalisieren.
Auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz hatte den Streifen beanstandet: Er verkürze die Botschaft der Bibel und könne
antisemitische Sichtweisen fördern. Der Film, der die letzten zwölf
Stunden im Leben von Jesus Christus darstellen will, soll am 18.
März auch in Deutschland anlaufen.
Die EKD befürwortete eine Freigabe erst ab 16 Jahren. "Der Film
eignet sich nicht für die Arbeit mit Konfirmanden", hieß es in dem
Schreiben aus dem Kirchenamt in Hannover. Pfarrer sollten erst den
Film allein anschauen, bevor sie über den Besuch mit Gemeindegruppen entschieden, "um dann einschätzen zu können, ob sie
diesen Grad an Brutalität ihrer jeweiligen Gemeinde zumuten können
und wollen".
Gibson bade "in einer Schmerzensmann-Frömmigkeit", die alles
Gewicht auf die Äußerlichkeit des Leidens Jesu lege. Der Leidens-
und Schmerzensweg Jesu sei aber vor allem das Abbild der damals
gewöhnlichen römischen Menschenverachtung, beurteilt die EKD.
Deswegen werde die Geißelung Jesu in den Passionsgeschichten
der Bibel wohl nur in einem Halbsatz erwähnt. Mel Gibson mache
daraus aber ein Viertel seines ganzen Films.
Differenziert setzen sich die beiden großen Kirchen mit dem in dem
öffentlich erhobenen Antisemitismus-Vorwurf gegen den Film auseinander. "Fairer Weise muss man Mel Gibson zubilligen, dass in
seinem Film Römer und Juden gleichermaßen schlecht wegkommen", heißt es in dem Schreiben der EKD, die sich darin "von allem
antisemitischen Missbrauch" des Films distanziert.
Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, hatte am Donnerstag erklärt, dass die
Bischöfe direkte antisemitische Äußerungen nicht hätten ausmachen
können. "Aber die massiven Gewaltszenen können vielleicht doch
indirekt eine negative Auswirkung auf die Menschen haben, die den
Film sehen", sagte Lehmann. Er befürchte daher, dass zwar nicht
der Film an sich, wohl aber dessen Rezeption "antisemitische Unterstützung"
leisten
könne.
(02406/7.3.2004)
Pressespiegel Pressebericht der Dt. Bischofskonferenz, 04.03.2004 (Quelle: dbk.de) /
Stellungnahme der Katholischen Filmkommission für Deutschland
Pressebericht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz
Kardinal Karl Lehmann (Mainz) im Anschluss an die Frühjahrs-Vollversammlung
in Bensberg vom 01. bis 04. März 2004
Zum Film "Die Passion Christi" von Mel Gibson
Die Publizistische Kommission hat aufgrund einer Vorabaufführung
des Films "Die Passion Christi" einen Bericht gegeben. Auch der
Erzbischof von Hamburg, Dr. Werner Thissen, hatte bereits Gelegenheit, den Film zu sehen, der am 18. März 2004 in den deutschen
Kinos anlaufen soll. Der Film hat bereits heftige Kontroversen ausgelöst.
Dieses filmische Passionsspiel spricht eine zentrale Frage des
Glaubens an. Mit der drastischen Darstellung der Grausamkeiten
verkürzt es jedoch auf problematische Weise die Botschaft der Bibel.
Das kann vor allem bei einem Publikum, das mit dem christlichen
Glauben nicht vertraut ist, zu Missverständnissen führen. Für ein
besseres Verständnis des Films halten wir deshalb begleitende
Angebote für notwendig. Mit ihrer Hilfe soll den Zuschauern die
Möglichkeit gegeben werden, sich kritisch mit den aufgeworfenen
Fragen und Problemen auseinander zu setzen.
Im Hinblick auf den Vorwurf, der Film sei antisemitisch, fällt den
kirchlichen Gemeinden und ihren Priestern eine große Verantwortung zu: Das Evangelium vom Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu
Christi ist als Erlösungsbotschaft zu feiern, die nicht bestimmte
Gruppen verurteilt. Daher ist es in jenem Geist des Respekts gegenüber dem jüdischen Volk und dem Judentum zu verkünden, der aus
der Karfreitagsfürbitte für die Juden spricht: Gott "bewahre sie in der
Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen". Vor
einer antisemitischen Instrumentalisierung des Leidens Jesu warnen
wir eindringlich.
Auf der Internetseite der Deutschen Bischofskonferenz
(www.dbk.de) haben wir unter dem Stichwort "Passion" Informationsmaterial zum Film "Die Passion Christi" zusammengestellt. Darüber hinaus werden kirchliche Publikationen (zum Beispiel "filmdienst" oder "Herder-Korrespondenz"), katholische Akademien und
Bildungseinrichtungen
das
Thema
aufgreifen.
Stellungnahme der Katholischen Filmkommission für Deutschland:
In Anlehnung an Passionsspiele, die den Stationen des Kreuzweges
folgen, stellt der australische Regisseur Mel Gibson den Kreuzestod
Jesu als Erlösungstat für die Menschheit dar. Seine theologische
Konzeption, die den Opfertod in Zusammenhang mit der Eucharistie
stellt, ist in Ansätzen durchaus ernst zu nehmen, obwohl der Film in
Grundpositionen, aber vor allem in der Wahl seiner darstellerischen
Mittel extrem problematisch erscheint: in seinem völlig überzogenen
Wahrheitsanspruch, die Bibel authentisch wiedergeben zu wollen, im
besessenen Ausmalen der Grausamkeiten von Geißelung und Kreuzigung, dem eklatanten Ungleichgewicht zwischen den Abscheu
erweckenden Bildern der "Abschlachtung" und der auf einen minimalen Zitatenschatz geschrumpften Botschaft der Liebe. Heikel ist die
Überzeichnung der Juden, die offen ist für eine Instrumentalisierung
im Sinne antisemitischer Propaganda. Gibson mutet dem Publikum
einiges an schwer aushaltbaren Bildern von Blut und Gewalt zu und
lässt nicht nur Bibel unkundige Zuschauer eher ratlos zurück. Er
kann allenfalls christlich-religiös beheimatete Zuschauer provozieren,
in distanziert-kritischer Aufarbeitung des Films Fragen nach Sinn und
Stellenwert des Erlösungsgeschehens von Jesu Tod und Leben im
christlichen Glauben neu zu überdenken.
Pressespiegel Dt. Bischofskonferenz: Informationen über den Film „Die Passion Christi“, 03.03.2004
Quelle: dbk.de/stichwoerter/in_sw_passion_1.html
Informationen über den Film "Die Passion Christi" von Mel Gibson
Deutsche Bischofskonferenz
1. Film und Regisseur
"Die Passion Christi" (USA 2004) ist ein Werk des in Hollywood lebenden
australischen Schauspielers und Regisseurs Mel Gibson, das schon in der
Produktionsphase erhebliche Kontroversen ausgelöst hat. Der Film schildert
die letzten zwölf Stunden im Leben Jesu und erhebt den Anspruch, die Leidensgeschichte authentisch wiederzugeben. Dazu gehört, dass die Dialoge in
Lateinisch und Aramäisch gehalten sind. Ursprünglich wollte der Regisseur
ganz auf Untertitel verzichten, hat aber dann doch Zugeständnisse an das
Publikum gemacht. Als wichtige Quelle dienen neben den Evangelien vor
allem die Visionen der westfälischen Mystikerin Anna Katharina Emmerick
(1774-1824).
Mel Gibson, der den Film mit seiner eigenen Produktionsfirma Icon Pictures
und unter Einsatz seines privaten Vermögens – die Rede ist von 23 - 25 Mio.
Dollar - realisiert hat, hat in der Öffentlichkeit erklärt, dass er die Inspiration zu
diesem Film bekommen habe, als er vor 13 Jahren nach einer Phase der
Depression, in der er dem Selbstmord nahe gewesen sei, zum Glauben gefunden habe. Er bezeichnet sich als gläubigen Katholiken, ist verheiratet, hat
sieben Kinder und gehört einer kleinen traditionalistischen Gemeinde ("The
Holy Family") bei Los Angeles an, die die Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnt und die Messe weiterhin auf Lateinisch abhält. Sein
85jähriger Vater, Hutton Gibson, ist in der Öffentlichkeit durch extreme Äußerungen unangenehm aufgefallen. So hat er in Interviews beispielsweise das II.
Vatikanum als Freimauererputsch mit jüdischer Unterstützung bezeichnet oder
den Holocaust als Erfindung abgestritten.
2. Entwicklung der Kontroverse
Die Kontroverse um den Film in den USA begann damit, dass eine Ad-hocKommission aus neun Theologen, Mitglieder eines Ausschusses für katholisch-jüdische Beziehungen der US Bischofskonferenz, und Experten der
jüdischen Anti-Defamation League ein Gutachten über eine ihnen vorliegende
Drehbuchfassung des Films anfertigten. Darin wurden dem Film mögliche
antisemitische Tendenzen unterstellt. Das Drehbuch war der Arbeitsgruppe
offenbar von einem besorgten Mitarbeiter der Produktionsfirma zugespielt
worden. Gibson drohte mit rechtlichen Konsequenzen, da die nicht autorisierte
Drehbuchfassung widerrechtlich an den Ausschuss gegangen war. Die US
Bischofskonferenz stellte im Juni 2003 in einer Stellungnahme fest, dass die
Arbeitsgruppe nicht im offiziellen Auftrag der Bischofskonferenz gehandelt
habe und entschuldigte sich bei dem Regisseur. Die katholischen Mitglieder
der Kommission erklärten, ihre Stellungnahme sei nie für die Öffentlichkeit
gedacht gewesen, sondern als Hinweis für den Regisseur, in der Hoffnung, er
werde dann gewisse Gefahren einer den Antisemitismus fördernden Wirkung
vermeiden. Damit war aber eine intensive Diskussion entfacht, noch bevor
jemand auch nur einen Meter des fertigen Films gesehen hatte.
Im Spätsommer und Herbst veranstaltete Mel Gibson eine Reihe von Voraufführungen der noch unfertigen Fassung vor ausgewählten Fachleuten, was zu
unterschiedlichen Reaktionen führte. Während es positive Stimmen von Kirchenvertretern der katholischen und protestantischen Kirche gab – auch einige
positive Stimmen aus jüdischen Kreisen wie die des prominenten orthodoxjüdischen Filmkritikers Michael Medved, blieben nach wie vor Vorwürfe bestehen, der Film könne antisemtische Tendenzen bestärken, indem er die aus
den alten Passionsspielen bekannten Darstellungen der Juden als "ChristusMörder" wieder aufleben lasse.
Aufführungen einer Arbeitskopie im Vatikan im September 2003 erbrachten
positive Reaktionen. Kardinal Dario Castrillon Hoyos, Präfekt der KlerusKongregation, wurde in der Presse zitiert mit der Aussage, der Film sei "ein
Triumph des Glaubens und der Kunst". Der Präsident der internationalen
katholischen Medienorganisation SIGNIS, P. Peter Malone, der den Film im
Oktober 2003, sehen konnte, sprach von einem beachtlichen Kunstwerk und
sah keine antisemitischen Tendenzen. Anfang Dezember 2003 gab es eine
Vorführung vor dem Papst. Danach berichteten die Medien, der Papst habe
sich zustimmend geäußert: "Es ist so dargestellt, wie es war." Später wurde
vom Sekretär des Papstes, Erzbischof Stanislaw Dziwisz, und dem Pressesprecher Joaquin Navarro-Valls diese Äußerung des Papstes dementiert: der
Papst habe keine Stellung bezogen, sondern überlasse die Kunstkritik grundsätzlich den Experten. P. Joseph Augustine di Noia OP, Untersekretär der
päpstlichen Glaubenskongregation, gab im Dezember ein ausführliches Interview, in dem er feststellte: "Den Film zu sehen, wird für viele Menschen eine
intensive religiöse Erfahrung bedeuten." Gibsons Film helfe "etwas zu begreifen, was fast jenseits uneres Verstehens liegt." Auch Erzbischof John P. Foley,
der Präsident des Päpstlichen Rates für die Sozialen Kommunikationsmittel,
gestand, der Film habe ihn "sehr bewegt" und erhalte ihn für "eine sehr gute
Meditation über das Leiden Christi". Foley traf sich Mitte Februar 2004 mit
Abraham Foxman, dem Direktor der Anti-Defamation League. Foxman wollte
erreichen, dass der Vatikan den Film verurteilt, weil der der offiziellen Lehre
der Kirche im Hinblick auf das Verhältnis zu Judentum widerspreche. Erzbischof Foley vertrat jedoch die Auffassung, der Film sei nicht antisemitisch: "Ich
habe ihn als Meditation über das Leiden Jesu aufgefasst und über meine
eigene Verantwortung und die Verantwortung von uns allen für das Leiden und
den Tod Jesu."
Im Januar hatte der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper vor einer antisemitischen Instrumentalisierung des Leidens Jesu gewarnt. Handlungen von
Juden zur Zeit Jesu könnten den heutigen Juden nicht zur Last gelegt werden,
so der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates.
Der Regisseur hat sich von jeder Form des Antisemitismus immer deutlichst
distanziert. Er reklamiert, dass es ihm um die Wahrheit gehe, um eine getreue
Wiedergabe des Leidens Christi auf Grundlage der Evangelien. In einem im
Februar 2004 ausgestrahlten Interview des US-Senders ABC bezeichnete
Gibson Antisemitismus als Sünde. Wörtlich sagte er: "Antisemitisch zu sein
bedeutet unchristlich zu sein, und das bin ich nicht." Unabhängig von der
Beurteilung der Glaubwürdigkeit dieser Aussage des Regisseurs, blieben
Kritiker dabei, dass der Film antisemitische Tendenzen bestärken könne, weil
er die Juden negativ darstelle und sie für den Tod Jesu verantwortlich mache.
Problematisch blieb auch, dass sich der Regisseur nie von den offen antisemitischen Äußerungen seines Vaters distanziert und im Umgang mit den jüdischen Organisationen, die ihre Bedenken vorgetragen haben, wenig Dialogbereitschaft gezeigt hat.
Grundsätzlich sind die Antisemitismus-Vorwürfe in Bezug auf Jesusfilme nicht
neu. Sie begleiten die Geschichte des Bibelfilms von Anfang an. Auch in
Bezug auf Passionsspiele (Oberammergau) ist die Frage aufgeworfen worden
und hat zu Textbearbeitungen geführt. Die Veröffentlichung des jüdischen
Historikers Daniel Jonah Goldhagen "Die katholische Kirche und der Holocaust" (2002) hatte die Frage nach den antisemitischen Stellen in der Bibel
erneut thematisiert.
Ein zweites Problem betrifft die Gewaltdarstellung. Mel Gibson, der schon in
seinem Oscar-gekrönten Film "Braveheart" (1994) eine ausführliche Schilderung der Folterung seines schottischen Freiheitshelden geboten hatte, setzt in
seinem Film auf eine kompromisslos realistische Darstellung der Folterungen
und der Kreuzigung. Er hat diese extreme Gewaltdarstellung verteidigt mit der
Erklärung, er müsse den Zuschauer "über eine gewisse Grenze hinaus"
bringen, um so die "enorme Größe des Opfers" Christi begreiflich zu machen.
Wer Gewaltdarstellungen nicht ertragen könne, dürfe sich den Film nicht
anschauen oder solle gegebenenfalls nach der Hälfte das Kino verlassen,
sagte der Regisseur in einem Interview.
Der Start des Films in den USA am 25. Februar 2004 hat die Fronten nicht
geklärt. Die Kritiker der Zeitungen waren sehr gespalten. Es gab vehemente
Kritik, vor allem an der Gewaltdarstellung und an den antisemitischen Untertönen, wie auch Lob. Kirchenvertreter, die den Film sichteten, bemängelten in
erster Linie die überzogene, drastische bis bizarre Ausmalung biblischer
Szenen sowie die Gewaltdarstellung insgesamt. Die Kritik an den antisemitischen Zügen wird von jüdischen Organisationen und auch einzelnen Kritikern
nach wie vor erhoben.
In den USA hat die Bischofskonferenz vor dem Start des Films ein
128seitiges Buch veröffentlicht, das kirchliche Position zum Judentum dokumentiert. Das Amerikanische Jüdische Komitee hat eine 40-seitige Broschüre,
die die theologischen Bedenken erläutern soll, angekündigt.
In den USA werden zum Teil ganze Gemeinden mit dem Film konfrontiert und
man debattiert darüber, ob er auch für Kinder und Jugendliche zugänglich sein
sollte. In den USA ist der Film für Jugendliche unter 17 Jahren nicht freigegeben worden. Es steht zu erwarten, dass der Film in Deutschland eine Freigabe
"ab 16 Jahren" erhalten wird.
In Deutschland war der Film bisher nur in einzelnen Vorführungen für die
Presse und ausgewählte Kirchenvertreter zu sehen. Die ersten Kritiken, die in
der Presse erschienen, lassen darauf schließen, dass der Film hierzulande
eine überwiegend negative Bewertung erhält. Auch hier spielt die Kritik an der
Gewalt und die Gefahr antisemitischer Züge die Hauptrolle.
3. Ansätze zur Bewertung des Films
Nach Sichtung des Films in der in den USA gezeigten Fassung mit englischen
Untertiteln sind folgende Gesichtspunkte festzuhalten:
3.1. Allgemeine Einschätzung
Der Film hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Er kann dem überzogenen
Wahrheitsanspruch, das Leiden Jesu "so wie es war" zu schildern, in keiner
Hinsicht gerecht werden. Er kann aber auch nicht als antisemitisches Pamphlet
oder gewaltverherrlichendes Spektakel einfach abgetan werden, da er Fragen
aufwirft, die diskussionswürdig sind, wenn auch die Mittel, die er einsetzt, oft
höchst fragwürdig sind. Er wäre einerseits als das Werk eines Gläubigen, der
von missionarischem Eifer besessen die Welt bekehren will, durchaus zu
respektieren, auf der anderen Seite ist der Film aber inzwsichen – obwohl
jenseits der großen Hollywood-Studios entstanden – ein kommerziell vermarktetes Produkt geworden, was z.T. mit höchst fragwürdigen Auswüchsen verbunden ist, wenn z.B. in Amerika Kreuznägel als Anhänger verkauft werden.
Man kann das Werk als ein filmisches Passionsspiel, eine kinematographische Liturgie, sehen, als eine auf der Bibel basierende, aber letztlich in den
Akzentsetzungen und Detailschilderungen extrem subjektive Vision des Regisseurs vom Leiden und Sterben Jesu Christi. Dabei mag man sowohl einzelne
ästhetisch und theologisch überzeugende Ansätze entdecken, aber insgesamt
stellt der Film eine starke Verkürzung der Botschaft der Bibel dar. Vor allem für
europäische Sensibilitäten wird ein z.T. überzogener Einsatz von Mitteln zur
Effektsteigerung problematisch sein. Das Spektrum möglicher Wirkungen und
Reaktionen wird von vehementer Ablehnung bis zu Impulsen zu einer vertieften Auseinandersetzung mit den Geheimnissen des Glaubens reichen, wenn
die aufgeworfenen Fragen in kritisch-distanzierter Haltung aufgearbeitet
werden.
Pressespiegel Dt. Bischofskonferenz: Informationen über den Film „Die Passion Christi“, 03.03.2004
Quelle: dbk.de/stichwoerter/in_sw_passion_1.html
3.2. Wahrheitsanspruch
Der Film ist keine authentische Schilderung der Passion Jesu, auch wenn der
Realismus immer betont worden ist. Der Ansatz des Films, die Bibel wahrheitsgetreu widerzugeben, ist grundsätzlich nicht tragfähig, weil die Bibel nicht
als Dokumentarbericht gelesen werden kann und weil der Film neben wörtlichen Textzitaten viele detaillierte Ausschmückungen enthält, die durch die
Bibel nicht abgesichert sind. Einige Details gehen auf die Visionen der Anna
Katharina Emmerick zurück, die aber in keinem Fall eine der Bibel vergleichbare Autorität beanspruchen können. Auch die Tatsache, dass die Figuren nur
Latenisch und Aramäisch sprechen, ist kein Beweis dass auch jedes andere
Detail authentisch ist, zumal Historiker inzwischen auch deutliche Kritik an der
sprachlichen Ebene geäußert haben, weil die Figuren – wie sie sagen – in
manchen Kontexten eher Griechisch gesprochen hätten.
3.3. Aufbau des Films
Der Film steht unter dem Motto von Jesaja 53,5 ("Er wurde durchbohrt wegen
unserer Verbrechen ... und durch seine Wunden sind wir geheilt."). Die Handlung beginnt mit dem betenden Jesus im Garten Getsemani und folgt seinem
Weg bis zum Tod am Kreuz. Mit einem Tableau, das den klassischen PietàDarstellungen entspricht, scheint der Film zu enden, da eine Schwarzblende
die Eisntellung abschließt. Danach ist gewissemaßen als Epilog eine in wenigen Bildern skizzierte Darstellung der Auferstehung angefügt. Ein Stein wird
weggerollt, leere Leinebinden fallen in sich zusammen, der körperlich unversehrte Jesus steht auf, an seinen Händen sieht man noch die Wundmale.
Die Eingangsszene vermittelt die Grundkonstellation der sich abspielenden
Heilgeschichte. Jesus ist im Zwiegespräch mit seinem Vater. Hinzu tritt Satan
in androgyner Gestalt – dargestellt von einer Frau, aber mit einer tiefen, fast
männlichen Stimme -, ein Versucher, der Jesus vom vorgezeichneten Weg des
Heils abzubringen versucht und ihn in Frage stellt. Mit dem Verrat des Judas
und dem Erscheinen der Knechte des Hohenpriesters im Garten beginnt die
eigentliche Passionsgeschichte. Schon bei der Verhaftung entsteht ein wüster
Kampf. Jesus wird auf dem Weg zum Hohenpriester von den Knechten brutal
misshandelt. Die Zerstörung des Leibes beginnt hier und setzt sich bis zum
Ende fort, ein nicht enden wollender Prozess der Grausamkeiten, an dessen
Ende der Leib Jesu völlig mit Wunden übersät ist, dass kein Zentimeter Haut
mehr ohne Striemen und klaffende Wunden bleibt. Die Handlung folgt der in
der Bibel bezeugten Stationen: das Verhör bei Kaiphas, die Vorführung bei
Pilatus, die Überstellung an Herodes und wieder die Verhandlung bei Pilatus.
Die Darstellung der Leiden nimmt dabei den größten Raum ein. Die Geißelung
ist so brutal dargestellt, wie es nur geht. Auf dem Weg nach Golgotha sieht
man einen taumelnden Jesu, der vor lauter Stürzen und Schlägen kaum
vorwärts kommt. Die Kreuzigung bildet den blutigen Abschluss.
Unterbrochen wird die Passionsgeschichte durch Rückblenden, die Leben
und Wirken Jesu fragmentarisch vermitteln. Sie bestehen aus erfundenen
Szenen (Jesus als kleiner Junge, Jesus als Zimmermann mit seiner Mutter)
und klassischen biblischen Stellen (Bergpredigt, Fußwaschung, Abendmahl).
Die Rückblenden sind äußerst kurz gehalten, zum Teil ohne Dialog oder
beschränkt auf ein bis zwei markante Sätze, die in der Regel Originalzitate aus
der Bibel sind.
3.4. Formale Aspekte
Mel Gibson orientiert sich in seinen Bildern zum einen an Vorbildern der
klassischen Kunst. Die Pietà-Einstellung ist wie ein lebendes Bild angelegt. Die
Szenen vor dem Hohenpriester sind in bräunliche Farbgebung und in einer
Lichtführung gehalten, die Assoziationen an den Stil der Gemälde Rembrandt
hervorrufen, als wesentliches Vorbild hat Gibson auch die Gemälde von
Caravaggio genannt. Zum anderen stützt sich Gibson auf Vorbilder aus der
Geschichte der Jesusfilme von Pasolini bis Scorsese. Der Drehort seines Film
lag nahe bei dem Drehort, an dem Pier Paolo Pasolini seinen Film "Das erste
Evangelium – Matthäus" (1964) gedreht hat. Die Figur des Satans, verkörpert
durch eine Frau, erinnert an eine ähnliche Figur des schwarzen Eremiten in
George Stevens‘ "Die größte Geschichte aller Zeiten" (1965). Die Szenen vor
dem Hohen Rat sind offenbar inspiriert durch Franco Zeffirellis "Jesus von
Nazareth" (1976). Die blutigen Details der Kreuzigung greifen auf Scorseses
"Die letzte Versuchung Christi" (1988) zurück und übertreffen dessen Darstellung sogar noch.
Neben Vorbildern aus der Tradition malerischer und filmischer Darstellungen
biblischer Szenen sind auch Muster aus populären Filmen zu erkennen. Der
Film beginnt wie eine klassische Friedhofsszene im Horrorfilm: man sieht den
Mond, hört unheilschwangere Musik, der Garten ist in bläulich-fahles Licht
getaucht, man sieht eine schwarze Gestalt, die Unverständliches murmelt.
Auch die Visionen der Judas, der einen Dämon sieht oder von Jungen verfolgt
wird, deren Gesichter sich plötzlich fratzenhaft verzerren, sind ebenso dem
Horrorfilm entlehnt, wie auch die Krähe, die dem mit Jesus gekreuzigten
Verbrecher am Kreuz die Augen aushackt. Ein weiteres Vorbild liegt in den
Antikenfilmen wie "Gladiator" (2000).
Die Grausamkeiten, die Jesus angetan werden, sind so ausgiebig wie nur
möglich geschildert und werden dramaturgisch in einer Art und Weise gesteigert, wie man es aus Hollywoodfilmen kennt. Bei der Geißelung demonstriert
der römische Soldat die Wirkung der mit Widerhaken versehenen Peitsche an
einem Holztisch, bevor er Jesus misshandelt. Der Zuschauer kann sich in
Gedanken schon die Grausamkeitn ausmalen, bevor er sie sieht, was die
Wirkung noch einmal steigert. Ein wesentliches Element ist auch das der
Steigerung durch Wiederholung. Gibson vermittel den Eindruck eines nicht
enden wollenden Leidens, weil die Stürze und Schläge kein Ende nehmen
wollen, obwohl Jesus schon mehr tot als lebendig ist.
Die Szenen der Misshandlungen heben immer wieder in Großaufnahmen
Details hervor. Dagegen geschnitten sind Bilder von Menschen, die auf die
Gewalt reagieren. Maria, die mit ihrem Sohn leidet, der Hohepriester, der kalt
und unbeeindruckt zuschauet, ein Soldat, dem die Freude am blutigen Geschäft ins Gesicht geschrieben steht.
Die Kameraführung verstärkt die emotionale Einbeziehung des Zuschauers. Er
bleibt nicht auf Distanz, sondern wird an das Geschehen herangeführt. Immer
wieder nimmt die Kamera auch die Position Jesu ein, der Zuschauer sieht also
mit Jesu Augen, beispielsweise wenn er stürzt und die Welt aus seinem Blickwinkel buchständlich auf den Kopf gestellt wird. Immer wieder wird auch die
vertikale Dimension betont, die Kamera fährt an Jesu Körper hoch oder sie
blickt von oben, sozusagen aus der göttlichen Perpsketive auf das Geschehen.
Die Szenen sind in einem Rhythmus von Bewegung und Ruhe angeordnet.
Gewalttätige Sequenzen oder tumultartige Szenen wechseln sich mit Bilder der
Ruhe ab, mit kurzen Rückblenden, die den unversehrten Jesus bei seinem
Wirken zeigen oder Bilder von Menschen (Maria, Maria Magdalena, Veronika,
Simon von Zyrene), die Mitleid zeigen. Immer wieder wird die Handlung durch
Zeitlupenaufnahmen verlangsamt, was eigene Akzente setzt.
Der Einsatz der Musik und der Toneffekte, die die Geräusche wie Peitschenhiebe hyperrealisitsch verstärken, sollen die Wirkung beim Zuschauer steigern.
Dabei ist nicht zu übersehen, dass der Regisseur hier in der Intention, den
Zuschauer durch die Bilder zu überwältigen, auch überzieht und eher gegenteilige Reaktionen der Abwehr provozieren kann.
3.5. Theologische Ansätze
Die Darstellung der Passion dient dem Regisseur dazu, die Größe des Opfers
Christi zu verdeutlichen. Daher versucht er, den Zuschauer bis an physsiche
Grenzen zu bringen, meint durch Bilder der Gewalt einen heilsamen Schock,
ein Glaubenserlebnis vermitteln zu können. Dabei spielt das Thema des teuer
vergossenen Blutes eine zentrale Rolle. Die Leinwand wird für den Regisseur
gewissermaßen wie das Tuch der Veronika, das jeden Tropfen des vergossenen Blutes festhält. Veronika, eine Gestalt der frommen Legende, die im
Kontext der Kreuzwegdarstellungen bis heute präsent ist, hat in Gibsons Film
auch einen hervorgehobenen Auftritt. Das Thema wird auch unterstrichen in
einer Szene, in der Maria mit weißen Tüchern, die sie von der Frau des Pilatus
erhalten hat, die Blutlachen auf dem Platz der Geißelung aufwäscht.
Die filmisch überzeugendste Lösung einer theologischen Aussage ist die
Parallelmontage von Bildern der Kreuzigung und Szenen der Einsetzung des
Sakraments der Eucharistie. Eucharistie und Opfertod werden hier überzeugend zusammengebracht.
Die Blutszenen stehen in Zusammenhang mit Szenen der Waschung und
Reinigung, die besonders hervorgehoben werden: Jesus wäscht seine Hände
vor dem Essen, Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld, Jesus wäscht seinen
Jüngern die Füße. Die Blutfontäne, die sich am Ende aus der Seitenwunde auf
die unter dem Kreuz Stehenden ergießt, versucht die Erlösung als Reinigung
nicht nur metaphorisch, sondern konkret ins Bild zu setzen, indem er Ströme
von Blut zeigt.
Der Film akzentuiert auch deutlich zwei Ebenen des Geschehens. Zum einen
ist das historische Ereignis der Gefangenahme, des Prozesses und der Kreuzigung in einem Kontext der Auseinandersetzung zwischen den Juden und
den römischen Besatzern die erste Ebene, zum anderen gibt es darin eingebettet das eigentliche Heilgeschehen, in dem Jesus, Gottvater und der Satan
als Widersacher die Akteure sind. Der Film beginnt in dieser Dreierkonstellation und endet mit dem Kreuzestod auch mit dem Sieg über Satan, der einen
Schrei der Verzweiflung ausstößt, wobei beide Bilder- Kreuzestod und Schrei
Satans - von oben gefilmt sind, also aus der Perspektive Gottes.
Eine zentrale Figur ist für Gibson auch Maria. Während Juden die Römer den
tieferen Sinn dessen, was da vor sich geht, nicht begreifen, eröffnet Maria dem
Zuschauer eine Perspektive auf das Geschehen, die vom Bewusstsein des
göttlichen Wirkens geprägt ist. Zu Beginn sagt Maria: "Es hat begonnen, Herr.
So sei es." Sie signalisiert damit, dass sie weiß, was sich ereignen muss. Sie
ist in allen Szenen, im Hof des Hohenpriesters, bei Pilatus, bei der Geißelung,
beim Kreuzweg immer an der Seite Jesu und leidet mit, ohne dass sie direkt
einzugreifen versucht, weil sie die einzige Person ist, die erkennt, warum
Jesus leiden und sterben muss. Sie überstrahlt durch ihre Präsenz als einer
starke Gegenfigur die Frauengestalt, die Satan verkörpert und als eine Art
"Anti-Maria" gezeichnet ist.
Unzulänglich bleibt der Film, weil er in der Akzentuierung des Leidens die
Botschaft der Bibel extrem verkürzt. Die Botschaft Jesu wird nur fragmentarisch in wenigen Zitaten aus der Bergpredigt oder dem Kontext des letzten
Abendmahls verdeutlicht. Auch wird die Auferstehung, die in Zusammenhang
mit dem Kreuzestod zu sehen ist, nur filmisch unbefriedigend umgesetzt. Es
ergibt sich ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Bild der erlittenen
Gewalt, die ausgiebig Platz finden, und der auf einen minimalen Zitatenschatz
zusammengeschrumpften Botschaft der Liebe. Zuschauer mit guten Bibelkenntnissen werden vielleicht problemlos damit umgehen können, da sie die
nur angespielten Kontexte ergänzen können. Zuschauer, die weniger bibelfest
sind, werden viele Details kaum einordnen können, weil die Zusammenhänge
unklar bleiben. Der Film kann daher eigentlich nur mit einem richtigen Vorverständnis angemessen verarbeitet werden.
Dem Film liegt kein reflektiertes theologisches Konzept zugrunde, er verarbeitet nur Ansätze, die theologische Relevanz besitzen. Er ist sicher nicht auf der
Höhe der theologischen Debatte über den Opfertod und dessen Bedeutung.
Der Hinweis, dass der Regisseur sich durch die Visionen der Mystikerin Anna
Katharina Emmerick hat inspirieren lassen, weist darauf hin, das der Kern
seines Denkens im 19. Jahrhundert verwurzelt ist. Dennoch wirft er die Frage
nach einem angemessenen Verständnis des Erlösungsgeschehens, das
Leben und Sterben Christi umfasst, auf. Der Film ist letztlich ein Symptom
dafür, wieviel hier für die Theologie noch an Vermittlung zu leisten ist.
Pressespiegel Dt. Bischofskonferenz: Informationen über den Film „Die Passion Christi“, 03.03.2004
Quelle: dbk.de/stichwoerter/in_sw_passion_1.html
3.6. Antisemitismus-Vorwurf
Schon im Vorfeld wurde der Antisemitismus-Vorwurf erhoben, weil der Film die
Schuld an Jesu Tod einseitig den Juden anlaste. Der Regisseur hat sich gegen
diesen Vorwurf immer gewehrt. Der Film ist von seiner Intention her als nicht
unbedingt antisemitisch einzustufen. Natürlich spielen Juden in der Passionsgeschichte eine wesentliche Rolle, dabei stützt sich der Film im Kern auf
Passagen der Bibel. Vorzuwerfen ist ihm, dass er diese völlig unreflektiert und
ohne Rücksicht auf die Problematik in Szene setzt. Der Hohepriester Kaiphas
ist keine positive Figur, der Hohe Rat eine Mauer der Ablehnung und auch im
Volk, das kein als solches kein Gesicht bekommt, gibt es negativ gezeichnete
Figuren. Problematisch könnte erscheinen, dass Jesus schon von den Knechten des Hohenpriesters so mißhandelt wird, dass er bereits zerschunden ist,
als er vor Kaiphas steht. Dies ist aber nur der Auftakt von noch größeren
Grausamkeiten, die die römischen Soldaten Jesus zufügen. Die unbarmherzigen Henkersknechte der Römer sind ebenso negativ gezeichnet wie einige
jüdische Vertreter. Gegen den Antisemitismus-Verdacht spricht, dass der Film
erkennbar Wert darauf legt, immer wieder Gestalten hervorzuheben, die nicht
der allgemeinen Hysterie verfallen. Schon der Knecht Malchus, dem Jesus das
abgeschlagene Ohr wieder ansetzt, zieht danach nicht mit dem Pöbel weiter
sondern bleibt nachdenklich und berührt durch Jesu Handeln zurück. Unter
den Hohenpriestern gibt es Kritiker des Verfahren, die mundtot gemacht
werden. Simon von Zyrene und Veronika sind hervorgehoben als Gestalten,
die sich für Jesus einsetzen. Und diese Auftritte gewinnen in den sonst unruhigen Szenen ein ganz besonderes Gewicht. Wie bei den Juden gibt es auch bei
den Römern gibt es die Figur eines Offiziers, der das Ausmaß der Quälereien
einzugrenzen versucht und Mitleid empfindet.
Der Hohepriester erscheint als Machtmensch von starker Autorität, der kaum
emotionale Reaktionen zeigt. In der Auseinandersetzung mit Pilatus entsteht
eher der Eindruck, dass Jesus nur eine Nebenfigur ist. Pilatur gesteht seiner
Frau, dass er sich vor Kaiphas fürchtet und dvor, dass dieser einen Aufstand
anzetteln könnte. Die Auseinandersetzung mit Kaiphas wird zu einem politischen Kräftemessen. Kaiphas signalisiert dem römischen Statthalter, wie er
die Massen beherrscht, wenn er als erster "Kreuzige ihn" ruft.
Problematisch ist besonders, wie der Regisseur mit diesem schon in der
Frühphase des Projekts artikulierten möglichen Gefahren umgegangen ist.
Kurz vor dem Start des Films vermeldete die Presse zwar noch, dass der in
der Geschichte des Antisemitismus unheilvoll instrumentalisierte Fluch "Sein
Blut komme über uns und unsere Kinder" (Mt 27,25) geschnitten worden sei,
doch wurde kurz danach bekannt, dass der Satz weiter im Film verblieben ist,
dass er nur in den Untertiteln nicht auftaucht. Wenn Pilatus im Film seine
Hände wäscht und feststellt "Ich bin unschuldig am Blute dieses Menschen",
ist jedem mit der Bibel vertrauten Zuschauer eigentlich klar, was Kaiphas
darauf antwortet. Wird diese Stellt als "Geheimcode" verstanden, ist er als
unterschwellige Botschaft präsent und kann im Sinne antisemitischer Propaganda isntrumentalisiert werden.
Eine kritische Distanz ist hier angebracht. Die Haltung der Katholischen
Kirche in der Frage der Schuld der Juden am Tod Jesu, die die These von der
Kollektivschuld klar zurückweist, ist eindeutig, wie Kardinal Kasper vor Start
des Films nochmals herausgestellt hat.
3.7. Gewaltdarstellung
Kritiker heben noch häufiger als die Antisemitismus-Problematik die Gewaltdarstellung des Film hervor. In der Darstellung der Passion Christi geht Mel
Gibsons Film deutlich weiter als alle anderen Jesusfilme zuvor. Im Kontext der
Gewaltbilder, die das Kino heutzutage verbreitet, überschreitet der Film aber
keine neuen Grenzen. Zerstümmelte Körper, spritzende Blutfontänen gehören
fast schon zum alltäglichen Repertoire der Darstellung in Horror- und Actionfilmen und diese gehen deutlich über das hinaus, was der Film von Mel Gibson
zeigt. Darstellungen von Gewaltakten werden vor allem dann problematisch,
wenn sie diese genüßlich zelebrieren oder auch noch Vergnügen daran vermitteln. Dies tut der Passionsfilm jedoch in keiner Weise. Die Gewaltdarstellung
dient eindeutig dazu, Mitleid zu erzeugen. Dem Zuschauer wird das Unerträgliche zugemutet, er wird in eine Haltung versetzt, in der er der Gewalt Einhalt
gebieten will. Auch die Spiegelung der Gewalt in den Reaktionen auf Gesichtern, beispielsweise dem Marias, betonen eine Distanzierung von der Gewalt.
Der Regisseur betreibt die Gewaltdarstellung jedoch mit einer Besessenheit,
die nicht nachzuvollziehen ist. Mit der Monotonie der Gewalt, der ständigen
Wiederholung, erzeugt er nicht nur eine verstärkte Abwehrhaltung gegenüber
der Gewalt, sondern läuft Gefahr, dass die Häufung beim Zuschauer auch eine
Abstumpfung bewirkt.
Das Ausmaß der Gewaltbilder ist insgesamt indiskutabel. Dass der Regisseur
Bilder des Leidens zeigen muss, um sein Thema filmisch zu bearbeiten, ist
nachvollziehbar, aber die thematische Intention wäre auch mit einem reduzierten Einsatz gewalthaltiger Bilder zu vermitteln gewesen. Der Film beweist das
selbst, wenn er in der Geißelungsszene am Ende die Kamera auf das Gesicht
von Maria lenkt. Hier ist der Schmerz nachvollziehbar und die Grausamkeit der
Geißelung ist präsent, auch wenn man die Schläge nur akustisch hört. Die
Überwältigung des Zuschauers behindert die unbedingt notwendige kritische
Reflexion, als dass sie sie befördert.
Pressespiegel Stellungnahme der Filmbewertungsstelle der US-amerikanischen Bischofskonferenz.
Quelle: www.usccb.org/movies/p/thepassionofthechrist.htm
The Passion of the Christ
Full Review
"The Passion of the Christ" (Newmarket) is an uncompromising interpretive
dramatization of the final 12 hours of Jesus' earthly life. Unflinching in its
brutality and penetrating in its iconography of God's supreme love for humanity, the film will mean different things to people of diverse backgrounds. Cowriter, producer and director Mel Gibson has undoubtedly created one of the
most anticipated and controversial films of recent times.
Like other films on Christ's life, "The Passion" does not simply translate a
single Gospel narrative onto the screen. Rather it is a composite of the Passion
narratives in the four Gospels embroidered with non-scriptural traditions as well
as the imaginative inspiration of the filmmaker. The result is a deeply personal
work of devotional art - a moving Stations of the Cross, so to speak.
However, by choosing to narrow his focus almost exclusively to the Passion
of Christ, Gibson has, perhaps, muted Christ's teachings, making it difficult for
viewers unfamiliar with the New Testament and the era's historical milieu to
contextualize the circumstances leading up to Jesus' arrest. And though, for
Christians, the Passion is the central event in the history of salvation, the "how"
of Christ's death is lingered on at the expense of the "why?"
The film employs a visceral, undiluted realism in its retelling of the passion,
eschewing Sunday School delicacy in favor of in-your-face rawness that is
much too intense for children. That notwithstanding, the movie is an artistic
achievement in terms of its textured cinematography, haunting atmospherics,
lyrical editing, detailed production design and soulful score. It loses nothing by
using the languages of the time, Aramaic and Latin, as the actors' expressions
transcend words, saying as much - if not more than - the English subtitles.
The film opens with a distraught Jesus (Jim Caviezel) facing down evil,
personified as an androgynous being (played by Rosalinda Celentano), in the
mist shrouded garden of Gethsemane and progresses to his death on the
cross, followed by a fleeting, but poetically economic, resurrection coda.
Flashbacks of his public ministry and home life in Nazareth with his mother,
Mary (Maia Morgenstern) pepper the action, filling in some of the narrative
blanks.
Each flashback in the film is a welcome respite from the near incessant
bloodletting, but more importantly for how it conveys Jesus' core message of
God's boundless love for humanity, a love that does not spare his son death on
the cross so that we might have eternal life. More of these flashbacks would
have been helpful in fleshing out the life and teachings of Jesus.
Concerning the issue of anti-Semitism, the Jewish people are at no time
blamed collectively for Jesus' death; rather Christ himself freely embraces his
destiny, stating clearly "No one takes it (my life) from me, but I lay it down of
myself" (John 10:18). By extension, Gibson's film suggests that all humanity
shares culpability for the crucifixion, a theological stance established by the
movie's opening quotation from the prophet Isaiah which explains that Christ
was "crushed for our transgressions."
Catholics viewing the film should recall the teachings of the Second Vatican
Council's decree, "Nostra Aetate," which affirms that, "though Jewish authorities and those who followed their lead pressed for the death of Christ, neither
all Jews indiscriminately at that time, nor Jews today, can be charged with the
crimes committed during his passion."
Overall, the film presents Jews in much the same way as any other group - a
mix of vice and virtue, good and bad. Yet while the larger Jewish community is
shown to hold diverse opinions concerning Christ's fate - exemplified by the
cacophony of taunts and tears along the Via Dolorosa - it fails to reflect the
wider political nuances of first-century Judea. The scene of the stock frenzied
mob uniformly calling for Christ's crucifixion in Pilate's courtyard is problematic,
though once Christ begins his laborious way of the cross, Jewish individuals
emerge from the crowd to extend kindness - including Veronica wiping his face
and Simon of Cyrene helping carry the cross, as a chorus of weeping women
lament from the sidelines.
However, the most visually distinctive representatives of Jewish authority the High Priest Caiphas (Matia Sbragia) and those in the Sanhedrin aligned
with him – do come across as almost monolithically malevolent. Caiphas is
portrayed as adamant and unmerciful and his influence on Pilate is exaggerated. Conversely, Pontius Pilate (Hristo Naumov Shopov) is almost gentle with
Jesus, even offering his prisoner a drink. This overly sympathetic portrayal of
the procurator as a vacillating, conflicted and world-weary backwater bureaucrat, averse to unnecessary roughness and easily coerced by both his Jewish
subjects and his conscience-burdened wife, does not mesh with the Pilate of
history remembered by the ancient historians as a ruthless and inflexible brute
responsible for ordering the execution of hundreds of Jewish rabble-rousers
without hesitation.
However, while the members of Sanhedrin are painted in villainous shades,
the film is abundantly clear that it is the Romans who are Christ's executioners
(a fact corroborated by both the Nicene Creed and the writings of the Tacitus
and Josephus).
The Roman soldiers are unimaginably -- even gleefully-- sadistic in flaying
Jesus to within an inch of his life. "The Passion" is exceedingly graphic in its
portrayal of the barbarities of Roman justice. According to Gibson, much of the
visual grisliness of Christ's suffering sprung from his own personal meditations
on the Passion. As depicted, the violence, while explicit and extreme, does not
seem an end in itself. It is not the kind of violence made to look exciting,
glamorized or without consequences. It attempts to convey the depths of
salvific divine love. Nonetheless, viewers' justifiable reaction is to be repelled
by such unremitting inhumanity. In the end, such savagery may be selfdefeating in trying to capture the imagination of the everyday moviegoer.
In contrast to Jesus' physical agony is the emotional desolation seen in the
figure of the Virgin Mary. When Mary utters, "When, how, where, will you
choose to be delivered from this?" the viewer is pierced by the depth of Mary's
understanding of Christ's divinity and her sublime acceptance of seeing her
son suffer. It tears at one's heart to see Mary struggling to get close to Jesus
as he walks through the winding, narrow streets carrying the cross. Seeing him
suddenly fall, she is transported, along with the viewers, to Christ's childhood,
to a time when she was able to scoop him up when he stumbled. When she
finally reaches Jesus, and he is on the ground, crushed by the weight of the
cross, it is he who comforts her with his words, "See, mother, I make all things
new." Morgenstern's portrayal of Mary is beautifully rendered, never more so
than in the Pieta-like tableau when Christ's body is laid in her arms.
The juxtaposition of the wounded and bleeding body of Christ on the cross
with scenes of the Last Supper compellingly underscores how the Eucharist is
truly the body and blood of Christ. Other indelible images include a derided
Jesus faltering under the weight of the cross intercut with his earlier triumphant
entry into Jerusalem and a single raindrop - a tear from heaven - heralding
Christ's death. The power of the cross is also keenly conveyed. Jesus does not
recoil from either the horrific scourging at the hands of the Roman soldiers or
from carrying the burdensome cross. Instead, he declares his "heart is ready"
and embraces the cross as if comforting a fallen sinner. These are truly moving
and emotional points in the film.
Cinematically, there are flaws as well as triumphs in Gibson's film, such as a
recurring tendency to slip into the horror-genre conventions, including a scene
of a guilt-wracked Judas being taunted by little boys whose faces turn into
those of grotesque, macabre ghouls. And close-ups of Christ's scarred and
mutilated body are truly horrible.
For those coming to the film without a faith perspective it may have little
resonance. But for Christians, "The Passion of the Christ" is likely to arouse not
only passionate opinions, but hopefully a deeper understanding of the drama
of salvation and the magnitude of God's love and forgiveness. It is not about
what men did to God, but what God endured for humanity.
Subtitles.
Due to gory scenes of torture and crucifixion, a suicide and some frightening
images, the USCCB Office for Film & Broadcasting classification is A-III - adults. The Motion Picture Association of America rating is R - restricted.
Unflinching dramatization of the final agonizing hours of the
earthly life of Jesus Christ (Jim Caviezel), from the garden of Gethsemane to his crucifixion and resurrection, intercut with flashbacks to
his childhood and public ministry. Although the film's brutality poignantly conveys the depth of Christ's love by showing him freely enduring such extreme agony for the redemption of all sinners, the graphic
nature of the raw visuals is played to diminishing returns. Following
the basic outline of the gospel passion narratives, director Mel Gibson embroiders his interpretive retelling of scripture with extra-biblical
sources as well as his own imagination, to craft an at times profoundly moving movie which succeeds in stripping Christ's sacrificial
suffering of its Sunday school sugar-coating. While it is the film's
assertion that responsibility for Christ's torture and death rest
squarely with the Roman authorities, and away from the collective
Jewish populace, the movie presents a historically skewed depiction
of the Temple elite's sway with their imperial overlords. Subtitles.
Gory scenes of torture and crucifixion, a suicide and some frightening images.
The USCCB Office for Film & Broadcasting classification is A-III -adults. (R) 2
Pressespiegel Stellungnahme von SIGNIS-Präsident Peter Malone. (10.11.2003) Quelle: www.film-dienst.de
(auch auf der SIGNIS-Site: www.webzinemaker.net/signis-en/index.php3?action=page&id_art=71129 )
Mel Gibsons "The Passion of Christ"
Mel Gibsons "The Passion of Christ" spaltet seit mehrere Monaten in
Amerika, aber zunehmend auch in Europa die Geister, obwohl nur
wenige den fertigen Film bislang gesehen haben. Peter Malone,
Präsident der internationalen katholischen Filmorganisation SIGNIS,
konnte sich über den von Mel Gibson inszenierten Film ein eigenes
Urteil bilden. Eine "beachtliche filmkünstlerische Leistung" nennt
Malone das blutige Drama, das sich auf die letzten Tage Jesu konzentriert. Nach Sichtung der Rohfassung und einem Gespräch mit
Mel Gibson kam Malone zu einem "sehr positiven" Gesamturteil. In
seiner ausführlichen Stellungnahme, die wir im folgenden im englischen Wortlaut dokumentieren, betont Malone die theologische
Stärke der filmischen Evangelien-Adaption, auch wenn einige Szenen der Geißelung und Kreuzigung in ihrem Naturalismus für sensible Gemüter schwer erträglich seien. Gleichwohl sei der Rahmen der
Darstellung sehr authentisch. Da Gibson jedoch nicht durchwegs auf
Naturalismus setze, sondern auch Stilisierungen benutze, werden
dem Zuschauer immer wieder verdeutlicht, dass es sich bei "The
Passion of Christ" um eine filmische Fantasie und nicht um einen
dokumentarischen Bericht oder die historische Wirklichkeit an sich
handle. film-dienst
Stellungnahme von Peter Malone, dem Präsidenten der internationalen katholischen Filmorganisation SIGNIS:
STATEMENT ON
THE PASSION OF CHRIST, directed by Mel Gibson
10th November 2003
THE PASSION OF CHRIST
The Passion of Christ is a considerable cinematic achievement.
BACKGROUND
For over a year before the release of The Passion, scheduled for Ash
Wednesday, February 25th 2004, there was worldwide discussion
and quite some controversy about the film. This was based on apprehensions about how the film would be made as well as on sensitivities about Jewish-Christian history, anti-Semitism and current
dialogue between Judaism and the Churches, especially in the
United States. Some of the discussion, held on a high level, especially among theologians, biblical scholars and religious leaders was
based on reports of initial drafts of the film.
The Passion of Christ has been a long-cherished project of actordirector, Mel Gibson. Gibson's Catholic affiliation and his support of
traditional Catholicism was another controversial factor in the discussions.
Early screenings of The Passion as a work in process offered opportunities for Church leaders and Christians involved in media to
see the actual film, offer their opinions and dialogue with Mel Gibson.
There seemed to be a general consensus that the film was not antiSemitic. Some Jewish leaders and reviewers like Michael Medved
spoke positively about the film. Several heads of Vatican offices saw
a show-reel of the film and spoke in favour of the film, including
Archbishop John Foley, head of the Ponticial Council for Social
Communications and Cardinal Dario Castrillon of the Congregation
for the Clergy who issued a statement urging all priests to see the
film. Cardinal Walter Kasper received comments from Jewish leaders
and issued a statement that the Vatican at large was not recommending the film and that any recommendation would depend on
people seeing the completed film. This was the stance of many
religious leaders in the United States including the American Bishops
Catholic Conference.
As regards the Jewish-Christian issues and the explicit language
about the Jews in the Gospels, especially that of St John, it is important to realise that the more formal, 'official' antagonism between
Christians and Jews emerged in the early decades of the second
century. The Gospels of Matthew, Mark and John emerged from
Jewish communities. Luke's Gospel draws strongly on the Jewish
scriptures interweaving biblical references and motifs throughout the
text. The clash between Jesus and the religious leaders of his time
was a clash within Judaism, a religious controversy about the Messiah (of which there were a number in this period) and Jesus' claims.
Disciples who became Christians accepted his claims. Many religious leaders amongst the priests and the pharisees did not. There
were other converts like Paul, who was pround of his Jewish heritage
and who took a strong stance about disciples of Jesus not being
bound by details of Jewish law. It has been difficult, given the centuries of antagonism and the experience of repression and persecution
of Jews by Christian, and Catholic, communities to enter into the
context of Jesus' time and the mentality of the period.
The long traditions of Christians accusing Jews of being 'Christkillers' also played their part in the debate. While the Catholic Church
apologised for the long persecutions and the frequent anti-Semitism
of the past in a Second Vatican Council document (1965) and Pope
John Paul II visited the wailing wall in 2000 and inserted his own
prayer in a crevice, questions about Jesus' death as being part of
God's plan and how the Jewish religious leaders of the time and the
Romans, with Pontius Pilate, fitted into this plan, continue to be
raised.
I received an invitation to see the film at the Icon offices in Santa
Monica (Mel Gibson's Los Angeles production headquarters) on
October 24th, 2003. The version we saw was still a work in progress.
More work had to be done on special effects and on the sound track.
Mel Gibson met with me briefly after the screening and I was able to
have some discussion with him about the film. My attitude towards
the film was very positive.
BIBLICAL BACKGROUND
The Passion draws its narrative from each of the four Gospels, for
instance, the quake and the rending of the temple from Matthew, the
fleeing young man from Mark, the women of Jerusalem (here, Veronica and her daughter) from Luke, the Pilate sequences on truth from
John. This linking of incidents in one narrative is the way in which the
Gospel stories were remembered and written down. There is some
material drawn from the later legendary stories and apocryphal
gospels (Veronica and her veil, Desmes the 'bad' thief).
One of the difficulties that films of the life of Jesus encounter, especially from scholars and theologians who are not versed in the techniques and conventions of cinematic storytelling, is that they sometimes tend to be crititiqued and judged as if they were actual Gospels. They are found wanting at this level and dismissed or condemned. This is a danger for The Passion. It needs to be reiterated
that this is a film and that the screenplay is a 'version' of the Gospel
stories with no claim to be a Gospel.
This use of the four Gospels means that there are different perspectives on the Jews of the time in each Gospel. Matthew's Gospel
presupposes detailed knowledge of the Jewish scriptures and sees
Jesus as the fulfilment of prophecy. Hence the more 'apocalyptic'
scenes at his death. Mark and Luke look on from the outside, Luke
writing for readers familiar with Greek and Roman ways of storytelling. John's Gospel from the end of the first century echoes the roots
of Christianity in Judaism but acknowledges the growing rift.
The screenplay is able to combine Gospel incidents into a coherent
narrative of the passion with selected flashbacks to Jesus' infancy
and life at Nazareth (his fall as a child, his making a table in the
carpenter's shop, his relationship with his mother and his playful
sprinkling her with water as he washes his hands) which are inventions in the spirit of the Gospels, to Mary Magdalene's past where
she is combined with the woman taken in adultery of John 8, to Peter
Pressespiegel Stellungnahme von SIGNIS-Präsident Peter Malone. (10.11.2003) Quelle: www.film-dienst.de
(auch auf der SIGNIS-Site: www.webzinemaker.net/signis-en/index.php3?action=page&id_art=71129 )
and his protests of loyalty, to the Last Supper. There is a flashback to
the palm welcome of Jesus to Jerusalem during the heckling of the
crowd on the way to Calvary. There is dramatic development of
characters like Pilate and his wife, Simon of Cyrene, the centurion,
the good thief and the thief who reviles Jesus (with retribution seen in
the form of a vicious crow attacking him). Of interest is the portrait of
the Satan, the Tempter, who appears early as an androgynous
character, visual suggestions of female but male voice, growing more
obviously feminine as the film progresses and finally appearing at the
crucifixion (with a visual technique reminiscent of William Wallace
seeing his loved one at his execution) carrying a child. Once again,
this is imaginative license in interpreting Jesus' being tempted and
tested.
As with most Jesus' films, much attention is given to Judas. His
motivations are not made explicit in the film. It relies on audience
knowledge of Judas. The film portrays his action in Gethsemane and
subsequent dismay and return of his thirty pieces of silver. It introduces a theme of children meeting Judas and taunting him as he
goes to his death.
THEOLOGICAL BACKGROUND
The principal theological issues that concern viewers of Jesus-films
are:
1. The humanity and divinity of Jesus,
2. The resurrection of Jesus
The humanity and divinity of Jesus.
The Passion of Christ generally follows the approach to the person of
Jesus used by the Synoptic Gospels, a 'low' Christology, a focus first
on the humanity of Jesus and moving towards an awareness of his
divinity. When the film uses John as a source, it reflects that Gospel's 'high' Christology, the presupposition in the narrative that Jesus
is divine and expresses this divinity in word and action. The Synoptic
approach is seen in the flashbacks of incidents before the Passion as
well as in the main events of the Passion, the Agony in Gethsemane,
the treatment of Jesus by the Sanhedrin and Herod, the scourging
and crowning with thorns, the way of the Cross and the Crucifixion
itself. The Joannine approach is found in Jesus' declaration of his
being the Son of Man at his trial (which is also in the Synoptics) and
the discussions with Pilate about truth and about his kingdom.
This means that, theologically, the film presents the perennial
teaching that Jesus, in his person, was both human and divine in
nature.
The humanity of Jesus is often presented in a striking manner:
Jesus working in Nazareth, the experience of deep human pain in his
agony, scourging, falling on the way to Calvary, the nailing and his
experience on the cross. It is there in his dignity at his trial, his composure with Pilate and Herod. The film also highlights Jesus' human
anguish of soul and sense of abandonment in his agony and on the
cross, along with his profound surrender to the Father.
While the Jesus of cinema is usually slight and slender in build, Jim
Caviezel is a big and strong man, with some girth, a credible carpenter and a solid man. This makes the film's Jesus more real than
usual.
The Resurrection
Some commentators criticise a film which focusses on the Passion
for its meagre treatment of Jesus' resurrection. (This was a criticism
in the 1960s and 1970s of Jesus Christ Superstar.) Theologically, the
Passion makes sense only in the light of the resurrection.
While Mel Gibson's film wants to immerse its audience in the experience of the Passion, the final sequence has the stone rolled over the
tomb. The stone is rolled away, the cloths wound around Jesus' body
are seen collapsing and the camera tracks to Jesus in profile, sitting
in the tomb as a prelude to his risen life. These are the images with
which the audience leaves the theatre. The resurrection, presented
briefly, is still the climax of the Passion.
The Eucharist
There are flashbacks to the Last Supper during the Passion, especially to Peter protesting that he would not deny Jesus and to Jesus
washing the disciples' feet.
One of the major theological strengths of the film is the insertion of
the eucharistic scenes of the Last Supper during the nailing and the
lifting up of Jesus on the cross. As Jesus offers the bread as his
body, we see the body which is painfully broken and given for us. As
he offers the wine as his blood, we are only too conscious of the
bloodletting, blood poured out for us. Jesus tells his disciples that
there is no greater love than laying down one's life for friends - and
we see it in its fulness. He tells them to celebrate the eucharist so
that his passion and death will be present to them.
In this way, the screenplay highlights both aspects of the Eucharist,
the celebration of the meal, the communion and the sacrifice of
Jesus.
Mary
Mary has a strong presence in The Passion. She appears as a
woman in her 40s, striking rather than beautiful. She appears in two
flashbacks. Her demeanour is serious. She says very little. With
Mary Magdalene and John, she follows the passion and the way of
the Cross without any of the histrionics that characterise a number of
portraits of Mary, especially Pasolini's mother in The Gospel According to Matthew. At one stage, she wipes the blood of Jesus on the
praetorium floor after his scourging. She kisses his bloody nailed
feet. The bond between mother and son is suggested several times
by significant eye contact rather than words. The request for John to
take care of Mary is included. After Jesus is taken down from the
cross, she holds him in a Pieta tableau.
Most audiences should be satisfied with the portrayal of Mary.
Those who find some of the cinema representations of the past too
much like holy cards or plaster statues will appreciate a more biblically-grounded Mary.
Cinema background
The Passion of Christ comes after more than a century's old tradition
of Jesus' films. The silent era produced short instructional films as
well as features like From the Manger to the Cross, the Italian Christus and the Gospel section of D.W.Griffith's Intolerance. The major
films of the 20s were Ben Hur and The King of Kings, Cecil B. de
Mille's epic.
For thirtyfive years, 1927-1961, Jesus was not seen face-on as a
character in American studio Gospel films. He was seen in a number
of features made by American Protestant companies. He was
glimpsed in part (a hand, an arm, his legs on the cross or was seen
from a distance) in films as The Robe and Ben Hur in the 1950s.
After the gap, Jeffrey Hunter appeared as the King of Kings, Max
Von Sydow in The Greatest Story Ever Told. When Jeffrey Hunter
spoke in King of Kings, it was the first time audiences had heard an
actor speak the words of Jesus. Pasolini made a powerful black and
white version in the 1960s, The Gospel According to Matthew, and
Rosselini made The Messiah in the early 1970s. Brian Deacon appeared as Jesus, a more evangelical approach in the film, Jesus
(which was distributed in an edited version to pilgrims visiting Rome
for the millennial Jubilee). This trend reached its peak with Zeffirelli's
Jesus of Nazareth in the late 1970s.
Popular musical movements of the late 60s produced Jesus Christ
Superstar and Godspell which were both filmed in 1973.
Most of the films aimed at presenting a 'realistic' Jesus but many of
them (including Pasolini) used the straight Gospel texts (which were
intended to be read) as a substanial part of their screenplays, an
over-literal use of the Gospels. Zeffirelli, on the other hand, employed
the same method as was used in the forming of the Gospels, taking
incidents in Jesus' life and combining them dramatically to make an
impact on the audience. Nevertheless, with the use of western actors, European or American locations, these films were not as realistic as intended.
The musicals highlighted how screen Gospel storytelling is more
'stylised' than 'realistic'.
Since 1988, there have been a number of screen portrayals of
Jesus: The Last Temptation of Christ (1988), which was a 'novelised'
version of the Gospels, Jesus of Montreal (1988) and Man Dancin'
(2003) which were stories of putting on a passion play in a modern
city, the animated Jesus in The Miracle Maker (2000) and Jeremy
Sisto's engaging blend of the human and divine in the American
telemovie, Jesus (1999). More recently, there has been the rather
American picture of Jesus in Paulist Film Production's telemovie,
Jesus (2001, due for screening in 2004) and a more traditional Jesus
in Philip Saville's The Gospel of John.
It is in this tradition that The Passion comes to the screen. Mel
Gibson had indicated his skills in directing with Man Without a Face
(1993) and his Oscar-winning, Braveheart (1995). One of the principal intentions of the director and his co-screenwriter, Ben Fitzgerald,
is to immerse audiences in the realism of the passion of Jesus. Actor
Jim Caviezel was chosen to play Jesus (the only other name performer is Italy's Monica Bellucci as Mary Magdalene). Caviezel was
the same age as Jesus when the film was shot. As mentioned earlier, he is a believable human Jesus, a big, solid workingman who
Pressespiegel Stellungnahme von SIGNIS-Präsident Peter Malone. (10.11.2003) Quelle: www.film-dienst.de
(auch auf der SIGNIS-Site: www.webzinemaker.net/signis-en/index.php3?action=page&id_art=71129 )
was able to stand up to the terrible sufferings of the passion before
he died.
One of the controversial aspects of the film was the early decision
to have the film's dialogue in Aramaic and Latin but to have no subtitles. The language decision was followed through and works well.
We needed the subtitles, many of which are quotations from scripture. There is no distraction in hearing anachronistic American or
British voices and accents. Rather the audience hears what conversation was like in those days. It is helpful to be reminded that Jesus
spoke Aramaic and not English!
A useful distinction to be made is that between 'realism' and 'naturalism'. The latter refers to film-making that portrays action as it is,
home movies being a popular example, as is footage shot for newscasts. 'Realism' is film-making that helps audience have a genuine
feel for what is going on on the screen, as if it were real. A number of
cinematic devices, such as the style of different compositions for the
screen, the types of shots and the pace of the editing can be used to
give this impression of realism.
Mel Gibson has opted for much of his film to be 'naturalistic'. He has
plenty of time available and is in no hurry to take us away from the
picture of Jesus' suffering. Perhaps a number of people in the audience will find the scourging (in two grim parts) too much to watch.
With most of the characters being portrayed in a naturalistic way, the
action seems authentic. However, Gibson is able to use cinematic
devices which alter perceptions, helping us to realise that we are
seeing a particular version of the Passion, as all of us do when we
listen to the Passion narratives and use our imaginations. He frequently uses moments of slow-motion filming to make us dwell on a
particular moment.
This naturalism is seen in the confrontation in Gethsemane, at
Jesus' trial, with the scourging and the crowning with thorns and,
especially, the way of the cross as Jesus struggles with the cross,
falls with thudding impact, is nailed and the cross raised. The stylisation is seen in the close-ups, with the differences in lighting (Gethsemane blue, the confined space of the High Priest's court lamplit,
the broad daylight of the way of the cross), the framing of the characters with memories of the traditions of Christian painting, the lighting
and some of the tableaux, the passing of time as Jesus hangs on the
cross, his death and the apocalyptic aftermath, the intimations of the
resurrection.
This offers a credible picture and understanding of Jesus. Gibson
has introduced some effective elements to reinforce this. For instance, in the garden, Jesus is hit in the eye and from then on and
during the trial, he has the use only of one eye; when he is able to
open his injured eye, Gibson makes a great deal of his ability with
eye-contact, with Pilate, with his mother and with John at the foot of
the cross, simply looking at Jesus and nodding as he agrees to care
for Mary.
Comment has already been made on the use and insertion of
flashbacks.
Dramatically, familiar Gospel characters are briefly developed which
helps the narrative: Peter, Judas, Pilate, Pilate's wife, Simon of
Cyrene, Herod, the two thieves crucified with Jesus. Veronica is
introduced as she watches Jesus pass and wipes his face with her
cloth - but Gibson shows restraint by letting us see her holding the
cloth and, if we look closely, suggestions of the outline of Jesus' face
can be glimpsed. The Roman soldiers are also vividly dramatised:
the brutes at the scourging with their sadistic commander, the
drunken soldiery mocking and brutalising Jesus along the way and
on Calvary, the more sympathetic centurion. The key figure who has
powerful dramatic impact in every Jesus' film is Judas. The taunting
of the tormented Judas and the children pursuing him to his death is
dramatically effective.
The Passion of Christ offers a credible, naturalistic Jesus whose
sufferings of body and spirit are real. What impact it will have on
those who are not believers is very difficult to predict. For those who
believe, there is the challenge of seeing pain and torture which are
easier to read about than to see, but there is also the satisfaction of
experiencing familiar Gospel stories in a different way.
Peter Malone (SIGNIS-Präsident)
Pressespiegel Artikel von Jens Jessen in: Die Zeit, Nr. 11, 04.03.2004
Keine Gnade
Nur Blut, Schmerzen und Hass: Mel Gibsons unchristlicher Christus-Film
Von Jens Jessen
Zwei Stunden Blut, sickerndes Blut, spritzendes Blut, vertrocknendes
Blut. Zwei Stunden Folter, platzende Haut, klaffendes Fleisch, mit
Sachverstand durchbohrte Hände und Füße. Zwei Stunden Schadenfreude, höhnische Gaffer, triumphierende Plebs, lüsterne Priester
und eine schweinisch begeisterte Soldateska. Zwei Stunden dauert
Mel Gibsons Film über Leiden und Sterben Jesu, und nur selten
zeigt er etwas anderes als die Großaufnahmen langsam und genüsslich zerstörten Menschenfleisches. Er schildert nicht Die Passion
Christi, wie der Titel behauptet, es handelt sich um kein Heilsgeschehen, um keine Erlösung von den Sünden dieser Welt, die Jesus
um der Menschen willen auf sich nahm. Es handelt sich um ein
kalifornisches Splatter-Movie.
Mel Gibson mag fromm sein; sein Film ist es nicht. Er gibt kein
christliches Bekenntnis, er liefert christliche Pornografie. Sein Werk
(man scheut sich, es so zu nennen) ist auf unvorstellbare Weise
dumpf und dumm und blasphemisch. Die Passionsgeschichte, wie
sie die Evangelisten schildern, folgt einem Heilsplan Gottes. Judas,
der Jesus verrät, Petrus, der ihn verleugnet, die Hohenpriester, die
seinen Tod fordern, Pilatus, der ihn zur Kreuzigung freigibt, sie alle
sind Werkzeuge dieses Heilsplanes. Sie werden schuldig, aber sie
können nicht anders. Mehr noch: Auch sie werden durch Jesu Tod
von ihrer Schuld erlöst. Das ist die Frohe Botschaft des Evangeliums.
Wollust der Folter
Von diesem Evangelium weiß und erzählt der Film nichts. Sein
Evangelium ist vielmehr eine Frohe Botschaft für die S/M-Szene von
Los Angeles. Es gibt keine Erlösung von dem Bösen, aber ein geheimes Frohlocken über das Böse. Es ist die zitternde Erregung des
Masochisten in der Erwartung von Schmerzen. Es ist die sabbernde
Gier des Sadisten, den ersten Schlag zu tun. Das entzückte Auge
der Kamera ruht auf den entzückten Augen der Folterknechte, die
mit jedem Schlag dem Ziel ihrer Wollust näher kommen.
Mit Genuss weidet sich Gibsons Fantasie an der Bosheit der Juden
und Römer. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er den Juden größere Bosheit beimisst, aber es gibt auch keinerlei Erbarmen mit den
Sündern, wie es das Evangelium predigt. Dieser Genuss und diese
Erbarmungslosigkeit sind es, von denen die sinistre Wirkung des
Films ausgeht und vielleicht auch der antisemitische Eindruck, den
manche Zuschauer in Amerika empfanden.
Mel Gibsons Film, selbst wenn man ihn nicht als blasphemisch
bezeichnen wollte, legt einen befremdlichen und begeisterten Nachdruck auf alles, was an der Passionsgeschichte nicht als christlich,
sondern als heidnisches Opferspektakel aufgefasst werden könnte.
Darin liegt eine doppelte Ketzerei: einmal gegen das Alte Testament,
dem doch die Befreiung des Volkes Israel vom menschlichen Blutopfer zugrunde liegt, und das zweite Mal gegen das Neue Testament,
das die Vergebung der Sünden verheißt. Gibsons Film lehrt nicht die
Versöhnung, sondern die Unversöhnlichkeit. Die Guten bleiben die
Guten und die Bösen die Bösen. Das ist nicht christlich, sondern
gnostisch, vorsichtig gesagt. Man könnte auch sagen: Er predigt
nicht die Liebe, sondern den Hass.
Das alles ist unfassbar traurig und dumm. Es ist aber auch unfassbar langweilig und lächerlich. In die Leidens- und Gewaltbegeisterung Mel Gibsons kann sich kein Zuschauer einfühlen, der diese
Obsession nicht teilt. Es ist mit diesem Werk ein wenig wie mit Fassbinders kurioser später Genet-Verfilmung Querelle, in der unablässig
muskulöse Matrosen auf einem Schiff hin und her laufen, es nimmt
überhaupt kein Ende mit dem Auf-und-ab-Spazieren. Dem Heterosexuellen bleibt die besondere Schönheit dieser Szene naturgemäß
verborgen; genau so, wie sich dem Homosexuellen der Reiz von
David Hamiltons Zärtlichen Cousinen nur mühsam erschließt. Das ist
unausweichlich; es ist aber auch komisch, und von dieser traurigen
Komik hat Mel Gibson mehr in seinen Film eingeschleppt, als ihm
bewusst sein dürfte.
Es gibt nämlich nicht nur eine Pornografie der Sexualität, sondern
auch eine Pornografie der Gewalt. Beide lassen sich leicht an einem
Indiz erkennen: Es ist die Verkümmerung der Handlung zu einem
bloßen Vorwand. Bei Mel Gibson bleibt von der Vorgeschichte der
Passion nur das Gebet Jesu in Gethsemane; und schon die Gefangennahme vollzieht sich als Orgie der Gewalt. Sie setzt auf dem
denkbar höchsten Pegel ein und wird auch durch die Verhandlungen
der Hohenpreister mit Pilatus nur unterbrochen, aber niemals so
lange, dass der gewaltlüsterne Zuschauer sich etwa betrogen fühlen
könnte. Pornografie duldet keine Ablenkung von der Hauptsache.
Sohn des Teufels
Unfassbar lustlos ist auch die Schilderung der Nachgeschichte, das
heißt der Auferstehung. In der Grabhöhle scheint Jesus, vom Leichentuch umhüllt, zu liegen; vielleicht aber auch nicht, denn das
blütenweiße Paket ist offenbar hohl, es sackt in sich zusammen wie
ein Schlauchboot, aus dem die Luft entweicht, und dann erscheint
Jesus frisch und wohlgemut am linken Bildrand und schreitet von
dannen.
Noch ärgerlicher und verräterischer als die Beiläufigkeit der Rahmenhandlung sind aber die Hinzuerfindungen Mel Gibsons. Er hält
sich im Allgemeinen an die Evangelien, wobei er sich freilich für
keines entscheiden, sondern das Beste aus allen vier haben will. So
offenbart sich Jesus nicht nur selbst den Häschern (nach Johannes),
sondern wird außerdem noch zur sicheren Identifizierung von Judas
geküsst (nach Matthäus, Markus, Lukas). Aber bei der Kreuzigung
überkommt Gibson dann doch die Lust auf ein zusätzlich saftiges
Detail. Dem mitgekreuzigten Verbrecher (es ist nur einer statt der
biblischen zwei) hackt ein Rabe das Auge aus, tief taucht er in die
blutige Höhle ein, nachher ist das ganze Köpfchen feucht verschmiert.
Begeisternd dagegen (um einmal etwas Nettes über den Film zu
sagen) ist eine andere Hinzudichtung. Es ist der Teufel, der gelegentlich zwischen anderen Passanten durchs Bild läuft. Er hat das
androgyne Gesicht eines Transvestiten; einmal krabbelt ihm eine
Made ins Nasenloch. Man kennt ihn aus der Szene in Gethsemane,
wo er Jesus beim Gebet durch Einflüsterungen des Zweifels stört;
eine Schlange schlüpft unter seinem Gewand hervor, man ahnt den
Pferdefuß. Das alles ist von köstlicher Blödheit, aber die köstlichste
Szene ist doch die, wo der Teufel ein Baby an der Brust trägt. Gibson verrät hier einen Sinn für Gerechtigkeit, den man nicht erwartet
hätte. Wenn Gott ein Menschenkind haben darf, will Gibson es dem
Teufel nicht verwehren. Natürlich sieht es recht garstig aus; aber
auch der Teufel blickt mit Fortgang der Passion immer missmutiger.
Dass Jesus so gar nicht aufgeben will, schlägt ihm auf die Laune.
Der unfreiwillige Humor, den Gibson hier ein zweites Mal beweist,
könnte am Ende versöhnlich stimmen. Aber vielleicht hat der Regisseur keineswegs nur seinen privaten Besessenheiten nachgegeben
(deren Zurschaustellung immer peinlich ist). Vielleicht hat er im
Gegenteil kühl kalkuliert, dass die Gewalt, die in den letzten Jahren
zum beherrschenden Motiv des zeitgenössischen Films aufrückte,
auch das geeignete Medium für eine Aktualisierung der Passionsgeschichte abgeben könnte. Vielleicht meint er, dass Jesu Blut, das
sein Film bis zum Exzess feiert, überhaupt das Einzige ist, mit dem
sich das Evangelium filmisch attraktiv machen ließe. Das hieße
freilich, dass sein Film weder dumm noch privatistisch wäre – sondern ein schreckliches Zeichen für die Verfassung unserer Gegenwart.
Pressespiegel Artikel von Christian Thomas in: Frankfurter Rundschau, 28.02.2004
Die Zerstörung des Gesichts
Die Reaktionen der Kirche auf den Mel-Gibson-Film zeigen, dass die Institution mit ihren
Bildern zur Passionsgeschichte vertraut ist
VON CHRISTIAN THOMAS
Die jüngste Sicht auf die Passion Christi, so wie sie jetzt brutal ins
Kino kommt, ist mit ihrem Schreckensrepertoire spät dran. Mel Gibsons Passionsschocker mag heute schon und erst recht am Gründonnerstag, wenn die Leidensgeschichte auch in Deutschland auf
die Leinwand kommt, der letzte Schrei unter den Kinokassenschlagern sein. Und doch muss man in diesen Tagen kein passionierter
Kinogängern sein, um die Gewalt, die, wie man hören und lesen
kann, der Regisseur zur Anschauung bereithält, dennoch vor Augen
zu haben. Schaudern (lernen) kann der Augenmensch auch ohne
jedwede Verfilmung der Passionsgeschichte.
Spätgotischer Naturalismus
Denn im Namen des Realismus darf man festhalten: Auch wenn
Gibsons fundamentaler Katholizismus in der Filmgeschichte eine
Zäsur markieren sollte, trotz Pasolini und Scorsese, trotz irgendwelcher Sandalenfilme oder TV-Evergreens wie Ben Hur, so darf der
Kunstbetrachter schon länger bangen - ob nun innerweltlich gruselnd
oder aber sich gottgefällig Furcht einflößend. Denn in der Kunsthistorie ist der entsetzliche Leidensweg, der auf Golgatha endet, mit
Beginn der Romanik ein zentrales Thema in der christlichen Kunst.
Zuvor ließ die Scham angesichts einer derart schmählichen Todesart
ausgerechnet des Erlösers vor jeder Darstellung zurückschrecken.
Die Gotik dann hat sich des Themas angenommen, binnen eines
Jahrhunderts zunehmend derber, schließlich krude bis hin zur Darstellung des Widerwärtigen, vor dem auch der Christenmensch nur
noch die Augen verschließen konnte. Schon Hans Multscher zeigte
1437 einen grimassierenden Pöbel, höhnende Frauen, den Schmerzensmann mit Steinen bewerfende Kinder. Multschers "Kreuztragung" aus dem Wurzacher Altar zeigt die Passion nicht mehr aus der
Erlöserperspektive, sondern allein unter dem Eindruck umfassender
Erniedrigung. Kein Beistand für die gefolterte Kreatur, keine Angehörigen, keine Engel, kein Gott.
Erst recht die Spätgotik hat das Schaurige der Kreuzigung entdeckt.
Und da ließe sich manche prominente Darstellung nennen - auch der
Isenheimer Altar Matthias Grünewalds. Im geschlossenen Zustand
zeigt der Mittelschrein das Leid Christi in entsetzlicher Anschaulichkeit, mit einem grauenhaft zerstörten Antlitz. Doch auch im Verborgenen, ob nun in einer heute unauffälligen Vorstadtkirche aus dem
14. Jahrhundert oder in einem gotischen Kleinod auf dem Lande,
sind die Gläubigen seit Kindesbeinen ein- und ausgegangen, obwohl
es vor Gewalttaten nur so gewimmelt hat.
Randgruppen auf Golgatha
Mit dieser Feststellung verbindet sich kein Vorwurf gegen die Kirche,
denn das wäre zugleich ein Einwand gegen die Kunst der Schreckensdarstellung, zwischen transzendentaler Verklärung und innerweltlichem Geißelbegehren (das in zahllosen Fällen den Vergeltungsgedanken nicht versäumte). Denn wer auf Golgatha als Randgruppe ins Bild gerückt wurde, das wurde dem frommen Betrachter
immer wieder auch wie steckbrieflich vor Augen geführt, an erster
Stelle der Jude. Bereits das Holzschnittartige war eine gotische
Angelegenheit - man denke an die illuminierte Handschrift im Eng-
land des späten 13. Jahrhunderts. Karikaturenhaft gestaltet die
Figuren, grotesk verzerrt deren Gesichter, erst recht das des Schergen, der Christus die Hände an den Kreuzbalken schlägt. Doch
ebenso gilt das für den offensichtlich wohl Betuchten, der mit seiner
krummen Nase den mittelalterlichen Antisemitismus bedient. Das
Blut des Gemarterten spritzt aus einer Wunde, die ihm eine besser
gekleidete Frau zufügt; sie zeigt ihrem Opfer den Vogel. Die Londoner Handschrift ist nur ein Beispiel für die Popularität einer Darstellungsweise, die an einem Naturalismus Gefallen fand, der nicht
unbarmherziger hätte sein können, nicht ressentimentgesättigter.
Vielleicht, um einen sehr großen Sprung von Alteuropa direkt in die
Neue Welt zu machen, hat die Aufregung, die The Passion of Christ
gerade in den USA ausgelöst hat, damit zu tun, das in God's own
Country eine lebendige Anschauung gotischer Kirchen und ihrer
zentralen Bildwerke fehlt. Anders als im christlichen Abendland, wo
man nicht erst das sechzehnte Lebensjahr vollenden muss, auf dass
einem als Kirchgänger das Motiv in Fleisch und Blut übergehe,
scheint der Tumult um den Gibson-Film von einer gegenwartsfixierten Auffassung von Brutalität zu leben. Sollte an dieser These etwas
dran sein, so bleibt dennoch die Feststellung bestehen, dass auch
die Mittelalter-, Renaissance- und Barockabteilungen der amerikanischen Museen alles andere als jugendfrei sind. Denn auch hier stirbt
Christus nicht einen bloß erhabenen, sondern den widerlichen Tod.
Es ist unbestritten, dass bereits die kurzen Sequenzen und Standfotos, mit denen der Verleih das europäische Publikum in Erwartung
oder Aufruhr versetzt, eine schier unerträgliche Brutalität zeigen, ein
fanatisches Bekenntnis zur Brutalität - und das wäre tatsächlich ein
ästhetischer Einwand gegen den Film. Doch daneben ist bereits das
eine oder andere Bild veröffentlicht worden, das nicht nur aus der
Fantasie eines Regiebarbaren stammt, sondern aus dem Bildervorrat
der christlichen Ikonographie. Damit ist noch keine ästhetische Verteidigung des Films zu begründen, der auch wie ein Blutrausch
daherzukommen scheint. Aber sie weist darauf hin, dass der Papst,
nachdem ihm der Film vor Augen geführt worden ist, den Realismus
hervorgehoben haben soll. Der Papst konnte sich mit dem Wie der
Darstellung tatsächlich aus religiösen und aus ästhetischen Gründen
arrangieren. Bischöfe und Erzbischöfe, so liest man seit Tagen,
schließen sich mit ihrem Urteil an und dementieren damit wiederum
das Dementi der katholischen Kirche, der Papst habe sich so nicht
geäußert.
Gerade die Urteile, die aus der Institution Kirche kommen, machen
deutlich, dass sie damit vertraut ist, was sie hinter ihren Mauern an
Schreckensschätzen birgt. Es geht um einen Bildervorrat seit der
Gotik, zu dem die Kirche auch ästhetisch immer schon aufgeschaut
hat - denn ansonsten hätte auch sie vom Glauben abfallen müssen.
Es ist ein Arsenal, aus dessen ästhetischen Darstellungen allein nur
der Erlösungsgedanke herausführt. Der eine oder andere Filmfreund
aber könnte in so heillose Not geraten, dass er sich im Kino wird
anderweitig umschauen müssen.
Pressespiegel Artikel von Walter Schmithals in: Die Zeit, Nr. 10, 26.02.2004
Nicht die Juden, Gott selbst hat Christus ausgeliefert
Mel Gibson muss den Antisemitismus-Vorwurf nicht fürchten. Problematisch ist aber die unhistorische
Bibellektüre der Fundamentalisten
Von Walter Schmithals
Was den Oberammergauer Passionsspielen recht ist, ist Mel Gibsons Film Die Passion Christi billig, nämlich der Vorwurf der Judenfeindschaft. Indessen wird mit solchem Vorwurf nur der Sack geschlagen, wo doch der Esel gemeint ist; denn eine Passionsdarstellung, die sich an die Berichte der Evangelisten vom Leiden und
Sterben Jesu hält, kann dem Vorwurf gar nicht entgehen. Es sind ja
die Evangelien selbst, die vor allem in den Passionsberichten voll
von vorwurfsvollen und schroff feindlichen Aussagen über die Juden
sind.
Dabei ist eine sich steigernde Feindseligkeit unverkennbar. Das
frühe Glaubensbekenntnis – „unter Pontius Pilatus gekreuzigt“ –
erwähnt die Juden noch gar nicht. Der ältesten Passionserzählung
zufolge, wie wir sie aus dem Markusevangelium rekonstruieren
können, überstellen die Führer der Juden Jesus zwar an Pilatus, der
kurzen Prozess mit ihm macht, aber es sind nicht die Menschen,
sondern Gott selbst ist es, der dies Geschehen bestimmt und Jesus
an Leiden und Tod ausliefert. Erst die späteren Evangelien, die um
die erste Jahrhundertwende geschrieben wurden, stellen die Juden
als die eigentlich Schuldigen am Tod Jesu heraus, indem sie
zugleich Pilatus, der seine Hände demonstrativ in Unschuld wäscht
und sich schließlich dem Druck der Juden beugen muss, zum Fürsprecher Jesu machen. Diese Darstellungsweise wurde von den
apokryphen Pilatus-Akten aufgenommen und erreichte ihren Höhepunkt, als Pilatus in der äthiopischen Kirche unter die Heiligen aufgenommen wurde.
Wie kommt es zu dieser Entwicklung? Die Mehrzahl der christlichen
Gemeinden verblieb in der frühen Zeit im Synagogenverband, der zu
jener Zeit noch ganz unterschiedliche jüdische Glaubensrichtungen
vereinte, und genoss damit ein nur den Juden vom römischen Kaiser
gewährtes Privileg; denn wer die Tempelsteuer entrichtete, von der
die Opfer bezahlt wurden, die täglich in Jerusalem für das Wohl des
Kaisers dargebracht wurden, war von der Pflicht befreit, öffentlich
dem vergöttlichten Kaiser selbst Opfer darbringen zu müssen. Aber
nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 reorganisierte sich
das Judentum unter dem bestimmenden Einfluss der Pharisäer und
duldete fortan die Christen nicht mehr in der Gemeinschaft ihrer
Synagogen. „Die Juden hatten beschlossen“, so erfahren wir aus
dem Johannesevangelium, dass jeder aus der Synagoge ausgeschlossen werde, der Jesus als den Christus bekenne (Johannes
9,22). Damit verloren die Christen auch den Schutz, der den Angehörigen der Synagoge von Rom gewährt wurde, und da sie den allen
Bewohnern des Reiches abverlangten Loyalitätsbeweis, nämlich das
Opfer vor dem Bild des Kaisers zu bringen, nicht bereit und imstande
waren, begann die Zeit der Christenverfolgungen.
Justizmord oder Aufruhr?
Die Synagogen waren gehalten, sich von ihren ehemaligen Mitgliedern zu distanzieren und die Grenze zu den christlichen Gemeinden
deutlich sichtbar machen, um nicht selbst des Aufruhrs verdächtigt
und in die Verfolgung verstrickt zu werden, und so kommt es zur
öffentlichen Verleumdung und Anklage der Christen durch die Juden.
Noch um das Jahr 200 nennt der Apologet Tertullian die Synagogen
den „Quellort der Verfolgungen“, und der Bericht vom Martyrium des
Bischofs Polykarp schildert eine Generation zuvor den Eifer, mit dem
die Juden in ihrem Hass gegen die Christen die Heiden noch übertreffen. Im Rahmen solcher Vorwürfe spielte die Tatsache eine herausragende Rolle, dass Jesus durch den römischen Statthalter
Pontius Pilatus zum Tode am Kreuz verurteilt worden war, konnte
dieser Hinweis doch als Erweis dessen dienen, dass die Christen
von Anfang an politische Aufrührer gewesen sind.
Gegen solche Vorwürfe vonseiten der Juden setzen sich die Verfasser der Evangelien zur Wehr. Sie kontern mit der Erklärung, dass
die Juden schon immer die Christen verleumdet hätten, wenn sie
zum Beispiel Pilatus gegenüber behaupteten, Jesus habe das jüdische Volk zum Aufstand gegen Rom angestiftet, sich selbst zum
König gemacht und verboten, dem Kaiser Steuern zu zahlen (Lukas
23,2). Pilatus aber habe, so lesen wir in den Evangelien, solchen
Verleumdungen keinen Glauben geschenkt. Immer wieder habe er
öffentlich erklärt, dass er Jesus mehrmals verhört habe, ohne irgendeine Schuld an ihm zu finden. Wenn er Jesus trotzdem habe
kreuzigen lassen, dann nur, weil die Juden gedroht hätten, ihn beim
Kaiser zu denunzieren: „Läßt du diesen frei, so bist du des Kaisers
Freund nicht mehr; denn wer sich zum König macht, der ist gegen
den Kaiser“ (Johannes 19,12). Es handele sich also bei Jesu Kreuzigung um einen von den Juden verschuldeten Justizmord.
In den Passionsdarstellungen der Evangelien lagern folglich zwei
historische Ebenen übereinander. In der ersten Ebene, den Jerusalemer Ereignissen um das Jahr 30 nach Jesu Geburt, spiegelt sich
die zweite Ebene, der Konflikt zwischen Juden und Christen zur Zeit
der Evangelisten und der beginnenden Verfolgungen um das Jahr
100 nach Christus. Über den jüdischen Anteil an den historischen
Ereignissen, die um das Jahr 30 zu dem „gelitten unter Pontius
Pilatus“ führten, können wir nur mit großer Zurückhaltung Aussagen
machen. Er war jedenfalls sehr viel kleiner, als er in der Darstellung
der Evangelien erscheint, man kann aber auch nicht ausschließen,
dass er ohne Bedeutung gewesen ist.
Die ersten Christen waren Juden
Die Entwicklungen und Ereignisse, die zwei Generationen später die
Passionsdarstellung unserer Evangelien bestimmten, liegen dagegen deutlich vor Augen. Was uns freilich heute nach einer fast 2000jährigen leidvollen Geschichte als Ausdruck von Judenfeindschaft
erscheint, wenn wir die Evangelien lesen, war zu ihrer Zeit Ausdruck
einer politisch-religiösen Auseinandersetzung am Rande der damaligen Gesellschaft, Anzeichen eines tragisch zu nennenden Konflikts
zwischen der Synagoge, die nach der Katastrophe des jüdischen
Aufstandes in ihrer Weise um ihr Überleben im römischen Reich
kämpfte, und der jungen Kirche, die sich der Verfolgungen zu erwehren hatte und von Konfiskation des Vermögens, von Verbannung und
von Martyrien bedroht war. Eigentliche Judenfeindschaft, wie sie in
der antiken Gesellschaft verbreitet war, oder gar neuzeitlicher Antisemitismus waren dabei schon deshalb nicht im Spiel, weil etwa der
Evangelist Matthäus, der die Juden besonders heftig für die Verurteilung Jesu verantwortlich macht, selbst ein Jude war, wie denn überhaupt damals die meisten Christen noch geborene Juden oder doch
„Judengenossen“ waren, also Heiden, die sich dem Judentum geöffnet und der Synagoge angeschlossen hatten.
Indessen zeigt sich bei der Diskussion über Mel Gibsons Film
erneut, welche Schwierigkeiten der Umgang mit den auf solche
Weise entstandenen Passionsberichten der Evangelisten bereiten
kann. Christliche Fundamentalisten werden bestreiten, dass wir in
ihnen zwei historische Ebenen zu unterscheiden haben, und werden
also weiterhin die jüdischen Führer in Jerusalem für den Tod Jesu
verantwortlich machen und Pilatus freisprechen. Ihnen gegenüber
wäre darauf zu insistieren, dass daraus gerade für sie keine Judenfeindschaft folgen kann, weil doch, theologisch gesprochen, im
Leiden und Sterben Jesu überhaupt keine Menschen am Werk sind,
sondern Gott selbst.
Einsichtige Leser und Ausleger der Passionsgeschichte werden
dagegen die verschiedenen historischen Situationen wohl zu unterscheiden und zu bedenken wissen. Sie verstehen, was im Übergang
vom 1. zum 2. Jahrhundert zu dem kaum vermeidlichen Konflikt
zwischen Synagoge und Kirche führte, und sie sind infolgedessen
dagegen gefeit, die darauf bezogenen Passagen der Passionsgeschichte anders als historisch zu betrachten und die vielen Jahrhunderte der christlichen Judenfeindschaft mit den Jahrzehnten zu
rechtfertigen, in denen die Christen aufgrund jüdischer Denunziationen blutiger Verfolgung ausgesetzt waren.
Walter Schmithals ist emeritierter Professor für evangelische Theologie an der Humboldt-Universität Berlin
Pressespiegel Artikel von Lloyd Baugh, SJ in: America, the national Catholic Magazin
www.americamagazine.org/baugh-passion.cfm (23.02.2004)
Palestinian Braveheart
By Lloyd Baugh, S.J. - America for Feb. 23, 2004. - Copyright America Press Inc. 2004.
Lloyd Baugh, S.J., teaches theology and film studies at the Pontifical Gregorian University in Rome and is the author of Imaging the Divine:
Jesus and Christ-Figures in Film.
When Mel Gibson’s film “The Passion of the Christ” is released on
Ash Wednesday, it will bring the 106-year tradition of the Jesus-film
full circle. The very first films about Jesus, silent films lasting only a
few minutes, were Passion plays. Since then, the genre has ranged
widely from Hollywood epic to didactic exposition, from musical to
popular evangelical treatment. Where does Gibson’s “Passion” stand
in this tradition?
While any honest attempt to represent artistically the life of Christ is
laudable, many of the Jesus-films offer object lessons in things to
avoid when making a film about Jesus. The earliest Passions—
precisely because they are silent and brief—favor exaggerated
gestures by their actors and neatly divide characters into good guys
and bad guys. In the brief Jesus episodes in D. W. Griffith’s “Intolerance” (1916), for example, the disciples of Jesus are unabashedly
good, and the Jewish religious authorities are all unabashedly evil.
The Hollywood-epic tradition tends to “enhance” the Gospel text
with fictional characters and episodes, often disconnected from the
central story of Jesus. A Mary Magdalene-Judas liaison, for example,
opens “The King of Kings” (1927). The identity of Hollywood actors—
Charlton Heston, Shelley Winters, Sidney Poitier, Angela Lansbury
and Pat Boone in “The Greatest Story Ever Told” (1965)—can also
overwhelm the characters they portray and thus interfere with the
communication of the Gospel message. The Jesus musicals introduce the problem of the credibility of a Jesus character who, along
with his disciples, regularly breaks into song. In “Godspell” the device
works; in “Superstar” it does not (both 1973).
The popular evangelical approach in “Jesus” (1999) also has difficulties. Here Jesus engages in a water-fight with his disciples at the well
in Samaria and never gets around to talking with the woman. The
Christian message is compromised so that the film might appeal to
all. Even Franco Zefirelli’s “Jesus of Nazareth” (1977), while seamlessly crafted and breathtakingly beautiful, lacks the radical incisiveness that marks the Gospels. By contrast, last year’s “The Gospel of
John” shows the problem of a too literal, and ultimately bland, transfer of biblical text, entire and verbatim, to the film genre. Likewise,
the cool didacticism of “The Messiah” (1976)—Jesus teaches and
preaches here more than in any other film—leaves the viewer
strangely uninvolved.
Before Gibson’s “Passion,” Martin Scorsese’s “Last Temptation of
Christ” (1988) was the most controversial of the Jesus-films. When it
appeared, many people were scandalized because of the “last temptation” sequence, which they erroneously viewed as an objective
representation of Jesus’ sexual acting out. In fact, more serious
issues involve the film’s inconsistent and often violent style, its heavily psychological analysis and the skewed anthropology it applies to
Jesus. In spite of Scorsese’s repeated professions of faith to the
press and the hastily produced disclaimer before the opening titles,
the movie fails to resolve the mystery of the human/divine dimensions of Jesus’ existence and to represent a valid Christian theology
of salvation.
The latest of the Jesus-films, Mel Gibson’s “The Passion of the
Christ” offers a very powerful emotional experience, at times painful
to watch. While avoiding most of the excesses of the Hollywood
epics, Gibson’s “Passion” does develop, at times annoyingly, some
dimensions of the biblical narrative, usually moving them in the
direction of the sentimental. The role of Pilate’s wife, for example, is
much expanded and includes a meeting with Jesus’ mother. There is
a seemingly endless scourging scene, represented in several episodes. And Gibson slips several times into the kitsch that characterizes the Hollywood Jesus-film. In order to have Jesus in chains meet
Judas one more time, Gibson has him beaten by the arresting soldiers, then lose his balance and fall over a cliff and, in a weird imitation of bungee-jumping, remain suspended just a few feet from the
ground above Judas. And to punish the bad thief for cursing Jesus,
Gibson has a huge raven land on his cross and—a reference to
Hitchcock’s “The Birds”?—peck out his eyes. Again, to suggest that
the Roman soldier with the lance is “washed in the blood of the
Lamb,” Gibson has him fall to his knees under a shower of Jesus’
sacred blood.
“The Passion” has nothing of the musical about it, but its representation of Herod and of his encounter with Jesus seems directly lifted
from “Superstar.” If “Jesus of Nazareth” lacked incisiveness and “The
Messiah” lacked emotional impact, Gibson’s film makes up for both.
Its theological point is crystal clear, and its emotional impact on the
viewer is undeniably powerful. Gibson, like Scorsese in “Last Temptation,” subjects the viewer to an emotional roller-coaster ride. The
two films share heavy production values—energetic photography,
special effects, aggressive editing and a heavy music score—and at
times an overpowering focus on physical and emotional violence.
Pier Paolo Pasolini’s “Gospel According to Matthew” (1964) is still
the greatest of the Jesus-films. Although radically different, Gibson’s
“Passion” curiously has several elements in common with “Gospel.”
Pasolini made his film because of a profound personal religious
experience after reading Matthew’s Gospel during a retreat in Assisi.
Gibson’s faith-commitment in the Catholic tradition—made even
clearer to me when I spoke with him after a screening of “Passion”—
is undeniable. And both men produced and made their films with
unflagging courage and spiritual energy.
The two films are strong, uncompromising documents in both content and style. The Christian messages they proclaim are unambiguous. They confront their viewers, perhaps uncomfortably, with radical
choices—as did the preaching of Jesus. Perhaps because of this,
both films have been subjected to a firestorm of controversy. During
the production of Pasolini’s “Gospel,” condemnations were published
in the Italian media by people who could have no idea what the
finished film would be like. Critics said that Pasolini—a former member of the Italian Communist Party, an atheist and openly homosexual—could not possibly make a valid film about Jesus. The premiere
of the film at the Venice Festival of 1964 was presided over by hundreds of armed carabinieri. Riots were expected. The film was also
strongly criticized in the Vatican’s L’Osservatore Romano. But some
33 years later it was recognized by the Vatican as one of the greatest
films ever made.
A highly charged, polemical atmosphere has also developed around
Gibson’s film. Accusations are made; church authorities are cited by
one side and then the other; reviews prophesying doom are written
by people who have not seen the film; and irrelevant and often inaccurate comments are made about the director’s personal life and
faith. The accusations, for the most part, have to do with what is
suspected to be the anti-Semitic stance of the film. Some are based
on an early cut of the film and on copies of an early version of the
script. The issue here—and it has been an issue for most of the
Jesus-films—is the way the film portrays responsibility for the condemnation and execution of Jesus. Are the Romans blamed? Jewish
religious leaders? Only some of these leaders? Or is the blame
widened to the Jewish people?
In the version I previewed just weeks before the opening, the film
assumes a balanced position. Although Caiaphas and his colleagues
who push the Romans to condemn Jesus may be slightly stereotyped and their power over a weak and perhaps too good Pilate
exaggerated, their position is balanced by the several dissenting
members of the council—Jews who strongly condemn the judicial
inquiry as a “travesty...a beastly travesty” and angrily quit the assembly.
During the “trials” of Jesus, regrettably, the film has too many people gathered in the courtyards, something against which the American bishops warn in published guidelines for the dramatization of the
Passion (see Eugene J. Fisher’s article in America, 2/16). The bishops argue that the “small ‘crowd’” (historically more probable) should
never be replaced by a “teeming mob.” As if to compensate for this
lapse, Gibson does not include the usually offensive words of the
crowd, “His blood be on us and on our children” (Mt 27:26), the
sentence that has been perhaps the most notorious basis for the
persecution of Jews by Christians over the centuries. Furthermore,
not everyone in the large crowd is against Jesus. Dissenting voices
can be heard.
Pressespiegel Artikel von Lloyd Baugh, SJ in: America, the national Catholic Magazin
www.americamagazine.org/baugh-passion.cfm (23.02.2004)
A few moments later Gibson shows crowds of people crying out in
favor of Jesus as he struggles to ascend Calvary. Their protests are
so strong that the Roman soldiers have trouble controlling them.
Furthermore, Gibson develops the character of Simon of Cyrene,
referred to disparagingly by a Roman soldier as “You Jew!” The antiSemitism here is the Roman’s, and the film clearly condemns him.
Simon’s interplay with the agonizing Jesus is a beautiful touch and a
clear statement against anti-Semitism.
Finally, the clearest evidence of the film’s stance is its striking
penultimate scene. In a physically static but morally dynamic representation of the Pietà, Mary stares not at the dead Jesus but directly
into the camera, and therefore directly at the viewer. This is the only
time in the film that Gibson breaks the dramatic frame of the narrative and addresses the viewers directly. This shot, lasting a long 20
seconds, invites the viewers to enter the narrative and assume their
responsibility, as sinners, for the death of this Jesus, who—the film
repeatedly makes clear—has died for our sins. Gibson here is saying, more strongly than any other director has done, that it is not the
Jewish people who killed Jesus; every one of us sinful human beings
is responsible for his death.
Although Pasolini’s “Gospel” and Gibson’s “Passion” have some
elements in common, the differences between the two films are
fundamental. The most obvious difference is that Gibson’s is a Passion play, while Pasolini’s covers almost all of Matthew’s Gospel.
Pasolini limits the dialogue of his film exclusively to the words of
Matthew, while Gibson develops it widely. While both films have
English subtitles, Pasolini has his characters speak in Italian; Gibson’s communicate in Aramaic and Latin. Unique in the tradition of
the Jesus-film, this audacious move on the director’s part is wonderfully effective.
In the final analysis, Gibson’s film is a highly personal interpretation
of the Jesus story, something to which he admits quite candidly. It is
very much “The Gospel According to Mel.” In its content, it reflects
elements from the Gospels, from other, noncanonical books and
from the director’s own devotional interest. In its style, it reflects
many elements from mainline Hollywood cinema—a genre Gibson
knows well—and most obviously from Gibson’s previous directorial
and acting effort, “Braveheart” (1995). The tagline, “All men die. Not
all men really live,” from “Braveheart” is oddly similar to the tagline on
some of the posters for “The Passion of the Christ”: “Dying was his
reason for living.”
In contrast to Pasolini’s film in ascetic black and white with straightforward linear editing, “Passion” is in vivid color and uses flashbacks
and parallel-editing to present its narrative. While Pasolini inserts a
few brief excerpts of classical music contrapuntally, Gibson enhances most of his film with an original music score. Where Pasolini
favors very basic and unobtrusive camera angles and movements;
Gibson employs a wide variety of self-conscious and often dizzying
photographic techniques, including some shocking digital special
effects, all staples of the contemporary Hollywood action drama.
Each director also announces the theological position of his film in
its title. Pasolini’s “Gospel” proclaims the good news of Jesus Christ,
his life, preaching, healing, passion, death and resurrection as the
definitive event of salvation and liberation for the people of God.
Although uncompromising in its demands, Pasolini’s film has a theology of joy and hope in the risen Lord.
In contrast, Gibson’s “Passion” evinces primarily a theology of
atonement, a theology of the cross. He focuses narrowly on the
suffering and death of Jesus and his free decision to take onto himself—like the scapegoat, like the Suffering Servant of Isaiah—the
sins of humanity and to live this horrific ordeal to redeem sinners. To
set up this focus, the film opens with a quotation from one of the
Suffering Servant songs in Isaiah: “He was wounded for our transgressions, crushed for our iniquities” (Is. 53:5). Every lash of the whip
during the extended scourging scenes represents one of these human transgressions. Gibson’s flashbacks to the Last Supper act as a
hermeneutic for that agony: Jesus is the sacrificial lamb, the victim
on the altar, whose body and blood—as in the eucharistic sacrifice—
are offered in atonement.
The resurrection scene of every Jesus-film reveals much about the
director’s theological position. Pasolini creates a 15-second-long shot
of Jesus standing on a hilltop, strongly and urgently proclaiming the
concluding words of Matthew’s Gospel, “Go therefore and make
disciples of all nations...I am with you always” (Mt. 28:19-20), while a
group of disciples runs joyously toward him. On the soundtrack, an
explosion of sacred music—the Gloria from the Congolese “Missa
Luba,” with its pounding drums and joyful voices—underlines the
significance of this Resurrection as a cosmic victory not only for
Jesus but for the entire people of God, a victory with a clear communitarian and missionary thrust.
In high contrast, Gibson’s resurrection scene—I won’t give away the
specifics—represents that event not as a cosmic victory for all
women and men of all times and for all of human history, but rather
as a private experience of Jesus, with no implications either for his
disciples or for the viewers of the film. There is no joy or hope in the
scene. Mary the mother of Jesus, Mary Magdalene, John and the
converted Roman soldier remain suffering and passive in the Pietà
tableau, separated from the Resurrection by a screen that is black for
six seconds, and by the self-centered and isolated risen Lord. Gibson, caught up in the extreme preoccupation with the sins of humanity that informs his atonement theology, misses a chance to give all
of us sinners hope.
Gibson’s “The Passion of the Christ” is not easy to watch. The
physical violence visited on Jesus goes on seemingly without end
and has earned the film an R rating. It is “over the edge” (Gibson’s
own words), at times exaggerated beyond what is necessary to
represent Jesus’ self-sacrifice for the redemption of us sinners. In the
Spiritual Exercises of St. Ignatius, the “Third Week” explores Jesus’
Passion, contemplated in prayer at times as vividly as anything in
Gibson’s film. But the Spiritual Exercises place the retreatants’ experience of the Passion between an experience of the ministry of
Jesus (the “Second Week”) and the Resurrection of Christ (the
“Fourth Week”), during which the retreatant lives the joy and power
and victory of the risen Lord. This offers us hope.
Gibson’s film is a devotional meditation in the Franciscan mode on
the Stations of the Cross. We experience Jesus’ passion from the
outside, separated from the good news of his preaching and healing
ministry, and isolated from his Resurrection. We remain at the foot of
the cross, passive and despairing with the other mourners. But for
John and the soldier, for the women—who in the Gospel are the first
witnesses of the Resurrection—and for us sinners who find hope in
the victory of the risen Lord, Gibson’s “Passion” offers little hope.
John O'Malley, S.J., "A Movie, a Mystic, and a Spiritual Tradition:
Anne Catherine Emmerich & the Passion of the Christ" (America,
Mar. 15, 2004)
Richard Blake, S.J., "Mel O'Drama: The Passion of the Christ,"
(America, Mar. 15, 2004)
Eugene J. Fisher, "The Bible, the Jews and the Passion" (America,
Feb. 16, 2004)
The Narratives of Jesus’ Passion and Anti-Judaism by Raymond E.
Brown (America, April 1, 1995)
Pressespiegel Artikel von Franziskus v. Ritter-Groenesteyn in: Rheinischer Merkur, 19.02. 2004
So muss es gewesen sein
Judenfeindliche Ausfälle, blutige Exzesse: Heftige Kritik eilt dem Passionsdrama voraus, das in Deutschland erst Ostern zu sehen sein wird.
Autor: Franziskus v. Ritter-Groenesteyn
Noch jetzt, zwei Tage nach der Preview, stehe ich unter ihrem markerschütternden Einfluss. Ich weiß nicht, wie ich zu der Ehre kam,
die Vorabversion von Mel Gibsons höchst umstrittenem neuen Film
über die Passion Jesu – genauer: über die letzten qualvollen Stunden seines Lebens, hier auf Erden – in Salzburg in einem kleinen
Kreis Erwähler zu sehen. War es die Exaltmedia-Gruppe aus Hamburg, war es Icon Pictures, Mel Gibsons Produktionsfirma aus Santa
Monica – ich weiß nur eins: Es ging mir wie dem Jünger Johannes
(der, den Jesus liebte): Ich kam, sah und glaubte.
Seit Jahren schon waren mir die Hollywood- Maßkonfektionen
christlichen Leids ein Dorn im Auge. Mit Ausnahme eines Filmes
(„Ben Hur“) ging mir keiner so unter die Haut, wie dies Mel Gibsons
visionäre Sicht der Leiden Jesu vermochte. Sie alle spielen das Leid
der Kreuzigung nur herunter auf das wie ein Sonntagnachmittagsspaziergang anmutende Gestolpere durch eine antike Stadt.
Mel Gibson dagegen, der den Film aus eigener Tasche finanziert
hat (30 Millionen Dollar) und keine der großen Hollywood-Schmieden
für den Vertrieb begeistern konnte, stützt sich bei seinen Bildern, die
an das urgewaltige Lichtspiel eines Caravaggio erinnern, auf die
Passionsvisionen der Mystikerin Anna Katharina Emmerich (deren
Seligsprechung kurz bevorsteht) und auf modernste medizinwissenschaftliche Erkenntnisse, wie sie die Analyse des Grabtuchs von
Turin ergeben haben. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die
Einwohner der italienischen Stadt Matera – einer der Drehorte für
„The Passion“ - ausriefen „E Gesù!“, als sie das geschlagene und
zerschundene Gesicht des Jesus-Darstellers, Jim Caviezel („Der
Graf von Monte Christo“, „Angel Eyes“, „Der schmale Grat“) das
schwere Kreuz schleppend an sich vorbeikommen sahen.
Im Film ist dies eine der bewegendsten Szenen, ist sie doch angereichert um eine Rückblende, wie man sie nicht genialer setzen
kann: Als Jesus stolpert, stolpert er zugleich als kleines Kind. Maria,
seine Mutter, sieht ihn in Zeitlupe stürzen, lässt alles fallen und eilt
ihm zu Hilfe. Schnitt: Maria kniet neben ihrem blutüberströmten
Sohn, der gerade das erste Mal unter der Last des bohlig-kantigen
Kreuzes zu betörender Musik zusammenbricht, und tröstet ihn in der
Sprache der Liebe, auf Aramäisch, mit den Worten einer Mutter,
deren Herz vom Leid ihres Sohnes bereits zerrissen ist: „Ich bin da,
ich bin doch da.“
Der Stiefel eines Soldaten stößt sie grob zur Seite, und wir bleiben
mit Maria ohnmächtig zurück, eingeschlossen in den geifernden
Hass einer vom Bösen aufgestachelten Stadt, die doch noch vor
kurzem Palmwedel geschwungen hat.
Originale Sprachen
Es ist ein Film der Bilder. Worte, wenn sie gesprochen werden –
meist sprechen die Augen -, klingen fremd und vergessen und doch
vertraut. Mel Gibsons Darstellern, allen voran Caviezel, ist es gelungen, zwei tote Sprachen, Latein und Aramäisch, zu überzeugender
Lebendigkeit zu erwecken. Wenn Pilatus tief vor sich hingrübelnd
darüber sinniert „Quid est veritas?“ (Was ist Wahrheit?) und dabei an
seinen Kopf in der Schlinge Cäsars denkt; oder wenn der sehr würdevoll und attraktiv aussehende Hohepriester Caiphas kalt lächelnd
auf Aramäisch, der Alltagssprache der Juden, das todbringende
„Kreuzige ihn“ fordert oder Maia Morgenstern darauf Monica Bellucci
mit Worten ägyptischen Ursprungs fragt: „Warum ist diese Nacht
anders als andere Nächte?“ – Worte aus der jüdischen PessachLiturgie –, so hat man das Gefühl, mittendrin zu sein, in einem unbegreiflichen Heilsgeschehen, das die Jahrtausende danach unumstößlich verändern wird. Man liegt mit Monica Bellucci als Maria
Magdalena zu Füßen eines Mannes, der selbst im größten Schmerz
noch Ruhe ausstrahlt, und weiß sich von ihm irgendwie getragen.
Alles, was dieser Film vermittelt, vollzieht sich in der Bauchgegend,
da krampft es sich zusammen, da wird es warm. Es ist ein beständiges Wechselbad der Gefühle. Und so wie bei einem über Jahrzehnte
gereiften Cognac kommt der wohltuende Afterburner erst Tage
danach.
Furchtbar, wie römische Alltagsroutine sich zum tobenden, fleischzerfetzenden Blutrausch steigert. Grausam mit anzusehen die endlo-
sen Tritte in den wie von Messern zerschnittenen Unterleib, in das
dornendurchbohrte Jochbein-geschwollene Gesicht, roh und ohne
Erbarmen. Wahrlich, der Leib Jesu, ein Abbild des jesajaschen
Schmerzensmanns: „Vom Kopf bis zum Fuß kein heiler Fleck, nur
Beulen, Striemen und frische Wunden.“ Einmal während des Geißelungsdrehs in Cinecittà in Rom wurde Caviezel tatsächlich getroffen,
und er sagte dazu: „Dieser Kerl schlug mir quer über den Rücken
und hinterließ eine 14 Zoll lange, offene Wunde, die mir förmlich das
Licht ausblies.“ Diese Narbe diente ab da als Muster für die aufwändige Maske des von Geißelhieben zerfetzten Leibes. Es ist einfach
unvorstellbar, was der Schmerzensmann gelitten hat, denn so stellt
es sich für das Auge schonungslos offen und für Hollywood gänzlich
ungewöhnlich dar.
Maria – schön im Schmerz
Und immer wieder die Mutter; sei es, wie sie den kalten Pflasterstein
liebkost, unter dem metertief ihr Sohn im Verlies seiner Verhandlung
in Ketten harrt, sei es, das frische Blut hilflos aufwischend, das die
Spur der von römischer Grausamkeit davongezerrten Leibesfrucht
am Boden hinterlassen hat, sei es der blutverschmierte Abschiedskuss unter dem Kreuz. Sie ist die Mater Dolorosa, die SchwertDurchbohrte, und sie sieht so aus, wie sie uns der alte Meister Fra
Filippo Lippi so meisterhaft hinterlassen hat: verinnerlicht und schön
im Schmerz.
Nein, es ist kein gewöhnlicher Film, der da unaufhaltsam auf uns
zurollt wie der mächtige Grabrollstein in der Szene der Auferstehung.
Nimmt es wunder, wenn der Darsteller von Jesus, Jim Caviezel,
dieselben Initialen trägt wie Jesus Christus und er, als er am Kreuze
stundenlang dem kalten italienischen Nordwind ausgesetzt war,
genauso alt war, wie Jesus selbst, nämlich 33 Jahre? Oder, als man
wegen des aufziehenden Gewitters die kostenexplodierende Entscheidung trifft, den Drehtag abzubrechen, in diesem Moment der
Blitz in das Kreuz einschlägt, so als wolle eine himmlische Macht
sagen: „Hier geblieben!“ Nein, „Wunder“ sind von diesem Film nicht
zu trennen, oder wie es Jim Caviezel formuliert: „Der ganze Film war
ein einziges Wunder.“
Und so ist auch die Nachwirkung dieses Films. Ein Baptistenpastor
aus Texas, Arch Bonnema, hat, nachdem er die Preview gesehen
hatte, gleich 20 Kinoleinwände für seine Schäflein reservieren lassen
und dafür tief in die Tasche gegriffen: 42 000 Dollar. Chuck Norris
(„Die Feuerwalze“) ließ sich sogar dazu hinreißen zu sagen: „Dieser
Film wird Hollywood verändern!“ Und tatsächlich, mittlerweile werden
die USA wie von einer Tsunami-Welle überrannt: Allein vier Millionen
Karten Vorbestellung, acht Millionen Besucher auf der offiziellen
Website (deutsche Version: www.passion.film.de), und täglich werden es mehr.
Überall, wo der Film gezeigt wurde, gibt es die gleiche Reaktion:
Stille! Minutenlange Stille! Man bleibt gebannt von dem Geschauten
einfach sitzen, unfähig, Worte zu finden, die ausdrücken könnten,
was man soeben erlebt hat. Und es bleibt einem unverständlich, wie
eine jüdische Minderheit in den USA (Anti-Defamation League)
diesem Film Antisemitismus nachsagen kann, sind es doch Juden,
die Juden peinigen (Caiphas) und sind es doch Juden, die sich für
Juden einsetzen (Simon von Cyrene), und ist es doch die Botschaft
der Liebe, die so unmissverständlich an den Anfang des Filmes
gesetzt ist und jeden einschließt, Juden, Christen, Moslems, überhaupt jeden Menschen, der sich davon berühren lassen will.
Es bleibt das zugegebenermaßen gewagte Resümee, wenn „Die
Passion Christi“ am Aschermittwoch in Amerika und danach in vielen
anderen Ländern dieser Erde in die Kinos kommt (Deutschlandstart:
Gründonnerstag, 8. April), wird es eine neue cineastische Zeitrechnung geben müssen: vor „Passion“ und nach „Passion“.
Ein Film wie die Urgewalt eines Orkans, ein Film, der, wie es der
Apostelgeschichtsschreiber Lukas formulierte, „mitten ins Herz“ trifft.
Der Autor ist Jurist, tätig in der internationalen Filmfinanzierung („Der
Herr der Ringe“ II und III) und Drehbuchautor.
Pressespiegel Artikel auf der Internetseite www.kath.net (18.02.2004)
Gibson verteidigt seinen Film: Es ist eine ,Passion der Liebe’
In einem Exklusiv-Interview mit dem US-Fernsehsender ABC erklärte der Regisseur, die Kritiker hätten
Probleme mit dem Evangelium
New York (www.kath.net)
Am “Höhepunkt des spirituellen Bankrotts” habe er zum Glauben
gefunden, erzählt Mel Gibson. Es war vor über einem Jahrzehnt,
nach viel Alkohol und Drogen. Eines Tages habe er darüber nachgedacht, aus dem Fenster zu springen. Stattdessen griff er zur Bibel,
und sein Leben veränderte sich nachhaltig – bis zu seinem letzten
Film „The Passion of Christ“.
Ich habe einfach gesagt „Hilfe“, sagte Gibson im Interview mit dem
US-Fernsehsender ABC, das am Montagabend ausgestrahlt wurde.
„Der Schmerz geht der Veränderung voraus, was eine großartige
Sache ist“, sagte Gibson. „Das ist die gute Nachricht.“ Sein Glaube
geht demnächst rund um die Welt – im Film „The Passion of Christ“.
Über die Kontroversen rund um den Streifen diskutierte der Schauspieler und Regisseur mit ABC-Moderatorin Diane Sawyer in einer
Spezialausgabe von „Primetime“.
Gibson verteidigte seine Verfilmung der letzten zwölf Stunden im
Leben Jesu gegen Antisemitismusvorwürfe. Antisemitismus sei
„unchristlich“ und eine Sünde, die gegen die Glaubensbrüder verstoße. Gefragt, wer Jesus getötet habe, antwortete Gibson: „Die große
Antwort ist: Wir alle haben es getan.“ Er selbst würde sich an die
erste Stelle reihen. Der Schauspieler erklärte, er habe sein Bestes
getan, um das Evangelium in „The Passion of Christ“ gut zu interpretieren.
Zum Holocaust sagte Gibson: “Ob ich glaube, dass es Konzentrationslager gab, wo schutzlose und unschuldige Juden unter dem NaziRegime auf grausame Art und Weise umkamen? Natürlich glaube
ich das – absolut. Das war eine Grausamkeit unendlichen Ausmaßes.” Jene, die ihn aufgrund des Films kritisierten, hätten eigentlich
Schwierigkeiten mit den Evangelien, meinte Gibson. “Da liegt ihr
wirkliches Problem.”
Gibson bejahte die Frage, ob der Holocaust eine “besondere Art des
Bösen” sei. Er fügte hinzu: “Warum brauchen Sie mich, damit Sie
das hören? Es ist so, das ist ganz offensichtlich. Sie werden dafür
getötet, für das, wer und was sie sind. Ist das nicht böse genug?”
Foxman: “The Passion” ist kein antisemitischer Film
Abraham Foxman, US-Direktor der jüdischen Anti-Defamation League (Liga gegen Verleumdung, ADL), erklärte in einem zugeschalteten Beitrag, er meine nicht, Gibson sei Antisemit. Er äußerte jedoch
Bedenken gegenüber dem Film. “Ich glaube nicht, dass es ein antisemitischer Film ist”, sagte Foxman.
“Ich glaube, dass dieser Film das Potential in sich trägt, Antisemitismus zu schüren und zu bestärken.” Der Film spiegelt Gibsons “Vision” und seinen Glauben wider, ist Foxman überzeugt: “Er ist ein
tiefgläubiger Mensch, und ich respektiere das. Aber manchmal gibt
es Konsequenzen, die nicht beabsichtigt sind.”
Glaube, Hoffnung, Liebe, Vergebung
Im Film gehe es um „Glaube, Hoffnung, Liebe und Vergebung“,
erklärte Mel Gibson im ABC-Interview. Es handle vom „Opfer Christi“. Jesus sei für unsere Sünden geschlagen worden, „und durch
seine Wunden sind wir geheilt. Das ist der entscheidende Punkt
beim Film.“
Der Regisseur gab zu, dass der Streifen „sehr gewalttätig“ ist, meinte
jedoch: „Wer das nicht mag, soll sich den Film nicht ansehen … Wer
nach der Hälfte das Kino verlassen will, soll das tun.“
„Ich wollte, dass es schockiert“, gab Gibson zu. „Und ich wollte auch,
dass es extrem ist. Ich wollte, dass der Zuseher dadurch eine Grenze überschreitet, damit er das enorme Ausmaß des Opfers erkennt –
zu sehen, dass jemand all dies ertragen kann und noch immer mit
Liebe und Vergebung antwortet, sogar inmitten extremer Schmerzen,
Leiden und der Lächerlichkeit preisgegeben.“ Er wolle inspirieren,
Gefühle ansprechen und hoffe, dass die Menschen den Film als
„Passion der Liebe“ wahrnehmen.
zusammengestellt von Matthias Ganter, Medienzentrale des Erzbistums Köln