Didaktisches Konzept von Grzega- und Schöner

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Didaktisches Konzept von Grzega- und Schöner
Didaktisches Konzept von Grzega- und Schöner-Kursen
Das Grundmodell, das unserem Kurs zu Grunde gelegt werden soll, ist Lernen durch Lehren (LdL), das von dem
Eichstätter Didaktiker Professor Dr. Jean-Pol Martin in den 1980er Jahren entwickelt worden ist. Kernidee des Modells
ist, möglichst viel Lerner zu möglichst viel Aktivität zu führen und dazu als Grundprinzip den Lernern selbst
möglichst viele Lehrfunktionen zu übertragen. Das mit der Stundenleitung beauftragte Schülerteam (ggf. auch mal
eine Einzelperson) muss sich zu den einzelnen zu vermittelnden Inhalten eine geeignete Methode überlegen
(Frontalunterricht, Partnerarbeit, Arbeit in 3er- oder 4er-Gruppen, Mindmapping, Diskussion u.Ä.; Besprechung von
Primärtexten, Textanalyse, Lückentexte, “Versuche”, sprachliche Spiele im weitesten Sinn, Besprechung von Fragen
und Problemen aus dem Sprachunterricht u.Ä.). Die Rolle des einstigen Lehrers ist jene des vorbereitenden,
begleitenden und unterstützenden Moderators – oder besser Supervisors.
Mit LdL werden Kreativität,
Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein und nicht zuletzt die allseits geforderten Schlüsselqualifikationen (wie
Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, komplexes Denken, das Suchen und Finden von Informationen, exploratives
Verhalten, Präsentationsfähigkeit, Projekt- und Internetkompetenz, Generierung von Wissen bzw. Strukturierung
von Informationen) einschließlich der Tugenden der Pflichterfüllung (wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ausdauer)
gefordert und gefördert.
Mit LdL verabschiedet man sich auch von der lebensfernen Linearität a priori des Frontalunterrichts; LdL stürzt
Schüler zunächst in lebensnahe Unsicherheit (die durch das Internet noch verstärkt worden ist), sie müssen
Unbestimmtheiten aushalten und lernen, Ungeordnetes und Komplexes erst allmählich allein, im Team, mit der Klasse
oder mit dem Lehrer a posteriori linear zu machen und somit immer mehr und immer größere kognitive Landkarten zu
entwickeln. Ein reiner Frontalunterricht (nur mit leichten Frage-Antwort-Spielchen angereichert) gibt dem
Vortragenden oft den Eindruck, dass viele Inhalte in rascher Zeit gemeistert werden. Erst wenn die Partizipation vieler
gewährleistet ist, erst wenn Unvorhergesehenes ermöglicht wird, kommt man in Situationen, wo man sich erstens sagt,
“ich dachte, es wäre allen klar” – oder sogar “ich dachte, es wäre mir klar”. Oft kommen interessante Fragen, Aspekte,
Erfahrungen auf, auf die der einzelne zunächst gar nicht kommen kann. Solche Anmerkungen können dann durchaus mit
einem generellen Problem verknüpft sein, das man gemeinsam lösen kann. Unklare, z.T. recht komplexe Situationen
sollten dann zunächst reduziert werden und im Dialog (oder besser: “Polylog”) über Impulse in Thesen- und
Antithesenform zu Synthesen führen, mit denen wir unsere kognitive Landkarten der verschiedenen Areale des
Verbsystems besser strukturieren, verknüpfen und erweitern können. Es gilt, möglichst alle Teilnehmer zu aktivieren
und möglichst viele ihrer Synapsen in Bewegung zu bringen: dies ist der Anfang von Forschung. Nur wenn man sich
selbst mit einem Stoff auseinandersetzt, wenn man ihn selbst beobachtet, wenn man ihn gleichsam selbst “begreift”,
dann kann man ihn auch begreifen. Dabei geht man schrittweise und ggf. immer wieder neu an den Stoff heran, stellt
selbst Beobachtungen auf, sammelt Informationen und gelangt so zu übergreifendem Wissen. Im Idealfall ist die
kognitive Landkarte des Leitungsteam schon deutlich größer als jene der übrigen Teilnehmer (!): die Leitungsteams
sollten in den Vorbereitungen schon gewisse Probleme erahnen. Freilich können dabei nicht alle Fragen und Fälle
antizipiert werden; nochmals verweise ich auf die Wichtigkeit des Dialogs/“Polylogs” im Unterricht – denn je mehr
TeilnehmerInnen sich an der Lösung eines Problems beteiligen, desto mehr fließen hilfreiche unterschiedliche
Kenntnisse und Kompetenzen in die Lösung des Problems ein und desto mehr kann abgesichert werden, dass alle über
das gleiche reden, dass alle gleichermaßen verstanden haben. Das Leitungsteams soll dabei lernen, eine Führungs- oder
Moderationsrolle zu übernehmen, um die übrigen TeilnehmerInnen zu Aha-Erlebnissen zu führen (Martin bezeichnet
dies als Teil einer “Weltverbesserungskompetenz”). Das Glücksgefühl, das wir empfinden, wenn wir ein Problem
selbst lösen konnten, bezeichnen die Psychologen als Flow-Effekte. In unseren Sitzungen sollte es möglichst viele
Möglichkeiten zu solchen Flow-Effekten geben.
Einige Hinweise zur Sitzungsgestaltung: Übergreifende Fragen (Wissensfragen) können als Einstieg gewählt
werden, aber auch als Abschluss. Definitionen können freilich frontal eingeführt werden, entweder a priori oder a
posteriori. Bei Wiederholungen sollte man statt Definitionsfragen lieber Anwendungs-/Transferfragen stellen und bei
etwaigen Problemen dann sekundär eine Definition wiederholen lassen. Man sollte für eine angenehme und
freundliche Kursatmosphäre sorgen. Es sollte auch versucht werden, Elemente einzubauen, an die man sich auf Dauer
erinnert (z.B. hat einmal ein Team Cartoons zu den Themen “Aktiv:Passiv” und “Thema:Rhema” gezeichnet, ein
anderes Team hat zum Thema Lehnwörter ein Kreuzwörträtsel erstellt). Aufmerksamkeitsressourcen gelten als eine
der wichtigsten Währungen unserer Zeit. Am Ende jeder Sitzung muss eine Art Zusammenfassung der wichtigsten
Punkte erfolgen. Wenn sich die Kursteilnehmer schon auf “ungeordneten, unlinearen” Unterricht einlassen, dann ist auf
jeden Fall eine Linearität a posteriori zu gewährleisten (ggf. ist noch eine schriftliche Zusammenfassung von einem
anderen Team zu erstellen). Das größte Problem ist stets das Zeitproblem. Man überschätzt das Zeitkontingent, das zur
Verfügung steht. Man sollte sich daher einen gut durchdachten Zeitplan überlegen. Bei Leitung einer Gesamtsitzung
sind grundsätzlich 10-15 Min. für mich zu reservieren. Dauert eine Gruppen- oder Partnerarbeit x Min. (z.B. 10 Min.),
dann sind erfahrungsgemäß – wenn alle die gleiche Aufgabe zu bearbeiten haben – x + ½ x Min. (z.B. 10 + 5 = 15 Min.)
für die Besprechung zu veranschlagen. Bei der Leitung von Wiederholungssequenzen sollten Transferfragen und eine
Diskussionsfrage (Ideensammlung zu einer weiterführenden Frage) eingebaut werden. Bei Fragen während der
Sitzungsvorbereitung bin ich stets ansprechbar. Die Sitzung sollte auch einmal mit mir vorbesprochen werden.
Ein ausführlicher Basisartikel zu LdL an der Uni ist unter http://www.ldl.de/material/berichte/uni/uni.htm
(Joachim Grzega) zu finden.
Joachim Grzega