Generatives Verhalten von in Deutschland lebenden Türkinnen
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Generatives Verhalten von in Deutschland lebenden Türkinnen
Generatives Verhalten von in Deutschland lebenden Türkinnen unter Berücksichtigung relevanter Ereignisse im individuellen Lebensverlauf Statistische Woche München 2010/ VDSt, DGD 13.10.2010 Ludwig-Maximilians-Universität, München Robert Naderi Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Kinderzahl von Türkinnen und deutschen Frauen ohne Migrationshintergrund im Alter von 40 bis 75, 2008, in % 38,7 35,5 25,6 25,2 26,6 16,2 13,8 8,2 6,2 4,1 Kinderlos Ein Kind Zwei Kinder Türkinnen Drei Kinder Deutsche ohne Mh. Quelle: Mikrozensus 2008, Statistisches Bundesamt Vier Kinder und mehr Hintergrund • In Deutschland lebende türkische Staatsbürgerinnen unterscheiden sich in ihrem generativen Verhalten von deutschen Frauen ohne Migrationshintergrund und teilweise auch von anderen Migrantinnen. Sie bekommen mehr Kinder. • Der Forschungsstand zeigt dabei, dass gleichzeitig die Lebensverläufe unterschiedlich sind: Frauen mit eigener Migrationserfahrung bekommen später Kinder (Aufschub). • Es liegt also nahe, dass generatives Verhalten generell und insbesondere von Migranten durch Einbeziehung von Ereignissen im Lebenslauf besser verstanden werden kann. Fragestellung • Welchen Einfluss haben zentrale Ereignisse im Leben von in Deutschland lebenden Türkinnen auf den Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes (und weiterer Kinder)? – Welchen Einfluss hat die Migrationserfahrung und der Zeitpunkt der ersten Eheschließung? – Wie verteilen sich die Reihenfolgen dieser Ereignisse in dieser Bevölkerungsgruppe? Annahmen • Eigene Migrationserfahrung von Türkinnen führt zu einem Aufschub der Geburt des ersten Kindes. • Das Alter bei der Einwanderung spielt eine erhebliche Rolle beim Aufschub – je höher das Alter umso später wird das erste Kind geboren. • Der Zeitpunkt der Eheschließung wirkt sich auf den Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes aus. Datengrundlage • Generations and Gender Survey (GGS) Zusatzerhebung türkischer Staatsbürger (2006); partiell GGS Hauptbefragung (2005) • Frauen der Jahrgänge 1926/1927 bis 1966 (40/41 – 79 Jahre) – Türkinnen n=681 – Frauen ohne Migrationshintergrund n=2814 Zeiträume zwischen der Geburt des ersten Kindes und der Einreise, Türkinnen der Geburtsjahrgänge 1966 und früher (in %) 30,9 27,3 16,1 15,1 10,7 Mehr als 5 Zwischen 1 und 1 Jahr vor- Zwischen 1 und Mehr als 5 Jahre vorher 5 Jahre vorher bzw. nachher 5 Jahre Jahre nachher nachher Datenquelle: GGS Zusatzerhebung türkischer Staatsbürger in Deutschland (2006), n=346 (ungewichtet); Analyse mit Gewicht Zeiträume zwischen der Geburt des ersten Kindes und der Einreise, nach dem Alter bei der Geburt des ersten Kindes, Türkinnen der Geburtsjahrgänge 1966 und früher (in %) 80,0 70,0 Mehr als 5 Jahre vorher 60,0 Zwischen 1 und 5 Jahre vorher 1 Jahr vor- bzw. nachher 50,0 40,0 30,0 Zwischen 1 und 5 Jahre nachher Mehr als 5 Jahre nachher 20,0 10,0 0,0 15 bis 19 20 bis 24 25 bis 29 30 bis 34 Datenquelle: GGS Zusatzerhebung türkischer Staatsbürger in Deutschland (2006), n=292 (ungewichtet); Analyse mit Gewicht Abstände der Geburtstage der Kinder, nach dem Alter bei Einreise (in Monaten), Türkinnen der Geburtsjahrgänge 1966 und früher Abstände in Monaten (Median) Alter bei Zuwanderung 15. Geburtstag der Befragten bis zur Geburt ihres 1. Kindes Geburtstag 1. zu 2. Kind 1 bis unter 18 Jahre 76,9 41,0 61,8 35,4 18 bis unter 25 Jahre 83,0 34,0 36,4 42,9 120,0 31,0 31,0 25,0 95,2 n=493 34,0 n=393 36,0 n=225 33,0 n=90 110,0 n=2289 37,0 n=1522 41,0 n=518 34,0 n=170 25 Jahre und älter Insgesamt Vergleichsgruppe, Frauen ohne Migrationshintergr., 41 und älter Geburtstag 2. zu 3. Kind Geburtstag 3. zu 4. Kind Datenquelle: GGS Zusatzerhebung türkischer Staatsbürger in Deutschland (2006) und GGS Hauptbefragung (2005), Analyse mit Gewicht Zeitlicher Abstand der Geburt des ersten Kindes zur ersten Eheschließung, Türkinnen 40+ mit eigener Migrationserfahrung (in %) 53,5 15,9 2,5 3,4 18,0 5,4 1,3 Über 5 Jahre 5 Jahre bis 1 12 bis 3 3 Monate vor 3 bis 12 1 Jahr bis 5 Über 5 Jahre vor 1. Heirat Jahr vor 1. Monate vor 1. bzw. nach 1. Monate nach Jahre nach 1. nach 1. Heirat Heirat Heirat Heirat 1. Heirat Heirat Datenquelle: GGS Zusatzerhebung türkischer Staatsbürger in Deutschland (2006), n=445 (ungewichtet) Zeitlicher Abstand der ersten Eheschließung zum Datum der Einreise, Türkinnen 40+ mit eigener Migrationserfahrung (in %) 30,8 19,6 17,7 Über 5 Jahre 5 Jahre bis 1 vor Einreise Jahr vor Einreise 8,1 7,7 8,0 8,1 12 bis 3 Monate vor Einreise 3 Monate vor bzw. nach Einreise 3 bis 12 Monate nach Einreise 1 Jahr bis 5 Jahre nach Einreise Über 5 Jahre nach Einreise Datenquelle: GGS Zusatzerhebung türkischer Staatsbürger in Deutschland (2006), n=475 (ungewichtet) Reihenfolge Eheschließung, der Geburt des 1. Kindes und der Migration im Lebenslauf von Müttern mit türkischer Staatsangehörigkeit, Geburtsjahrgänge 1966 und früher (in %) 1. Eheschließung -> Geburt 1. Kind -> Migration 29,5 Migration -> 1. Eheschließung -> Geburt 1. Kind 22,4 1. Eheschließung -> Migration -> Geburt 1. Kind 14,7 1. Eheschließung gleichzeitig mit Migration 13,2 Geburt 1. Kind gleichzeitig mit 1. Eheschließung 7,5 6,0 Geburt 1. Kind gleichzeitig mit Migration Geburt 1. Kind -> 1. Eheschließung -> Migration Migration -> Geburt 1. Kind -> 1. Eheschließung 2,6 1,8 Geburt 1. Kind -> Migration -> 1. Eheschließung 1,3 Drei Ereignisse fanden gleichzeitig statt 1,2 Datenquelle: GGS Zusatzerhebung türkischer Staatsbürger in Deutschland (2006), n=407 (ungewichtet) Effekte der untersuchten Variablen und sozioökonomischer Merkmale (Ergebnisse Cox-Regression) • Abhängige Variable: Alter bei Geburt des ersten Kindes • Signifikante Effekte (Odds Ratio): – Zuwanderung im Alter nach 18 Jahren – Erste Eheschließung vor Migration – Erste Eheschließung bei Migration – (Fach-)Hochschulreife 0,45*** 2,16*** 2,26*** 0,64* • Keine signifikanten Effekte: Migrationserfahrung insg., Einkommen, Berufsausbildung (hohe), aktueller Beschäftigungsstatus, deutsche Sprachkenntnisse und Aufenthaltsdauer ***p<0,001; **p<0,01; *p<0,05 Datenquelle: GGS Zusatzerhebung türkischer Staatsbürger in Deutschland (2006), n=535 Zusammenfassung und Fazit • Die Geburt des ersten Kindes wurde von türkischen Migrantinnen im Alter von 40 und älter aufgeschoben. Allerdings wirkt sich die eigene Migrationserfahrung deutlicher aus, je älter die Migrantin bei der Zuwanderung war. • In der Regel wurde das erste Kind nach der ersten Eheschließung geboren. Der Zeitpunkt der Zuwanderung nach Deutschland war meistens danach, davor oder dazwischen. Das ein Kind vor der Eheschließung geboren wurde kommt nur selten vor. • Folglich: Für das Timing der Geburt des ersten Kindes spielt zwar die Wanderung eine Rolle, der Zeitpunkt der Eheschließung ist hingegen von größerer Bedeutung. Generatives Verhalten von selbst gewanderten Türkinnen in Deutschland zeichnet sich daher vor allem durch die Einhaltung dieser Reihenfolge aus. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an [email protected] Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Friedrich-Ebert-Allee 4 65185 Wiesbaden Tel.: 0611-754507 Fax: 0611-753960 www.bib-demographie.de