Hotels - Alex van Heeren

Transcrição

Hotels - Alex van Heeren
15–16/2013
Brady Dougan · Bernie Ecclestone · Michael Haefliger · Peter Sauber · Reto Wittwer
Credit Suisse | Michael Haefl iger | Novartis | Heinz Wälti | Digital Banking | Jürgen Steinemann | Fussball-Agenten | Aktienboom | Hotel-Rating
Das Schweizer Wirtschaftsmagazin
15–16/2013
26. Juli–22. August 2013
CHF 9.80 / Euro 8.–
www.bilanz.ch
Novartis
Der
Heiler
Wie Jörg Reinhardt die
Wunden der Ära Daniel Vasella
kurieren will
Fussball
Das dreckige Geschäft
der Agenten
BIL_15_CO_Cover.indd 1
Aktienboom
Welche Titel noch
Chancen bieten
Hotels
Die schönsten der
Schweiz und der Welt
22.07.13 15:31
3
HOTELIER
DES JAHRES
Leo Maissen,
«Tschuggen Grand
Hotel», Arosa
Mit einem untrüglichen Gespür
für den richtigen Ton und einer
grossen Portion Menschenkenntnis versteht es der
33-jährige Bündner, seinen
Gästen das zu geben, was er
selbst von einem guten Hotel
erwartet: «Das Wichtigste ist,
als Mensch mit besonderen
Ansprüchen, Eigenheiten und
Gefühlen wahrgenommen
zu werden und nicht als
Reservierungsnummer.»
Leo Maissen ist so lässig wie
professionell und verbreitet
eine ruhige Dynamik, die auch
sein Team mitreisst.
Der grosse
Unterschied
Ohne kompetente und motivierte Mitarbeiter kann selbst das schönste
Hotel kaum punkten: Im 17. BILANZ-Hotel-Rating dominieren vorne
die Klassiker, während vor allem Boutiquehotels zu den Aufsteigern gehören.
CLAUS SCHW EITZER TEXT / DAN CERMAK FOTOS
15–16/2013 BILANZ 75
4
Luxus Hotel-Rating
EMPFANGSCHEF
DES JAHRES
Christian Henninger,
«Arosa Kulm Hotel», Arosa
Herzlich, aber nicht
gekünstelt, wohlinformiert, aber nicht
indiskret, fürsorglich,
doch nicht aufdringlich: So arbeitet
Christian Henninger
mit nicht nachlassendem Engagement daran, seine Gäste etwas
glücklicher zu machen. Dabei beherrscht er
die kleinen Nuancen entspannter Genusskultur, die Balance zwischen umsichtiger
Planung und gekonnter Improvisation. Im
Unterschied zu vielen anderen Front-OfficeManagern richtet er sich in erster Linie
nach den Gästen – und nicht danach, was
für das Hotelteam am bequemsten wäre.
MAÎTRE D’HÔTEL DES JAHRES
Giovanni Ferraris,
«Eden Roc», Ascona
W
as bringt ein
gutes Hotel
zum Strahlen? Die Mitarbeiter! Sie
machen auch
im Beau-Rivage Palace (Rang 1) in Lausanne den
Unterschied aus – und brechen den etwas
pompösen Glamour des Belle-EpoquePalasts mit entspannter Gastlichkeit und
heiterer Professionalität.
Der diesjährige Primus unter den
Schweizer Stadthotels ist ein Leuchtturm
für herausragende Teamplayer. Aus-
nahmslos alle führenden Mitarbeiter des
«Beau-Rivage Palace» gehören zu den
Besten ihres Fachs. Dazu zählen Concierge Sylvie Gonin, Empfangschef Marcel
Bernard, Spa-Leiter Stéphane Reumont
und Sommelier Thibaut Panas. Aber auch
Barchef Alexandre Peyraud, der als
«Barchef des Jahres 2013» seinen Titel
sozusagen stellvertretend für die ganze
Crew holt.
Auch die wiederholt als «Hotelunternehmer des Jahres» nominierte Besitzerfamilie Landolt gehört zur Crème de la
Crème im Geschäft, und François Dussart hat zweifellos das Zeug zum «Hote-
lier des Jahres». Sein Credo: Sei niemals
nachlässig! Seine Leute überzeugt der
kosmopolitische Franzose regelmässig
davon, dass die Perfektion im Detail liegt
und jeden Tag von neuem erarbeitet werden muss. Das kontinuierliche Update
des stolzen Hauses durch eine Garde internationaler Innenarchitekten, zuletzt
etwa mit vierzig hinreissend renovierten
Zimmern, ist bei dieser Dichte an engagiertem Personal fast nur noch eine angenehme Nebensache.
Im Dolder Grand (2), dem Spitzenreiter der drei letzten Jahre, verleiht ein
anspruchsvolles Kunstkonzept dem Gla-
Foto: PR (1)
Giovanni Ferraris ist das Alter Ego des Küchenchefs Rolf Krapf im Restaurant La Brezza. Als
authentische Persönlichkeit ist er zudem ehrlicher
Begleiter und kompetenter Berater der Gäste,
spiegelt gekonnt die Stimmung am Tisch, ist
immer aufmerksam und nie lästig. Seine Philosophie: Einen guten Maître dürfen die Gäste in seiner
Funktion gar nicht wahrnehmen. Er muss mit
unsichtbarer Selbstverständlichkeit agieren, die
allein den perfekten Ablauf eines Mittag- oder
Abendessens für den Gast zum Ergebnis hat.
76 BILANZ 15–16/2013
5
mour Tiefe. Dazu gehört das neue KunstiPad, das die Gäste durch die beachtliche
Sammlung mit rund 130 Werken führt.
Schade, dass das «Dolder» dieses Konzept nicht ganz so konsequent verfolgt
wie etwa das «Royal Monceau» in Paris,
das den Eingangsbereich als sublimen
Kunst- und Architekturbuch laden nutzt
und zudem exklusiv einen «Art Concierge» beschäftigt, der gute Kontakte zur
Kunstszene pflegt. Dafür ist die Summe
der selbstverständlich erbrachten Aufmerksamkeiten im «Dolder» so erstaunlich wie die Küche von Heiko Nieder,
unserem «Hotelkoch des Jahres».
Besondere Anerkennung verdient das
Trois Rois (4) in Basel dafür, dass der
Servicegeist trotz klaren Verkaufsabsichten in keiner Hinsicht nachlässt und der
Hotelflorist für den aufwendigsten Blumenschmuck im Land unverändert aus
dem Vollen schöpfen kann. Ausserdem
ist Chef-Concierge Cristina Bally konstant eine der Besten ihres Fachs.
Die besten Stadthotels der Schweiz
Die drei Hotelikonen «Beau-Rivage Palace», «Dolder Grand» und «Montreux
Palace» führen erneut die Rangliste an, haben jedoch ihre Positionen gewechselt.
Rang
Bewertungssäule*
2013 2012
Hotel Ort
A
C
D
3
Beau-Rivage Palace Lausanne Ouchy
04
03
01
04
3,00
2
1
The Dolder Grand Zürich
05
01
02
06
3,50
3
2
Fairmont Le Montreux Palace Montreux
07
02
08
01
4,50
4
5
Les Trois Rois Basel
02
06
06
05
4,75
5
6
Baur au Lac Zürich
01
08
03
08
5,00
5,25
6
4
La Réserve Genève Genf Bellevue
06
04
09
02
7
9
Widder Hotel Zürich
09
07
05
03
6,00
8
12
Park Hyatt Zürich Zürich
10
05
16
09
10,00
Four Seasons Hotel des Bergues Genf
03
11
11
16
10,25
Victoria-Jungfrau Interlaken
12
09
04
17
10,50
9
10
10
8
11
11
Schweizerhof Bern
08
14
17
12
12,75
12
13
Trois Couronnes Vevey
14
10
14
15
13,25
13
7
Mandarin Oriental Geneva Genf
13
13
22
07
13,75
14
17
Grand Hôtel du Lac Vevey
11
15
21
11
14,50
15
15
Lausanne Palace Lausanne
15
17
07
21
15,00
Die weltbesten Stadthotels
Auf der Gewinnerseite sind vermehrt kleinere Hotels, die mit Eigenständigem
verblüffen. Einen kometenhaften Start legt «The Upper House» hin.
Foto: PR (1)
Rang
Urbane Retreats. Wie die beiden Erstplatzierten positioniert sich das Réserve
Genève (6) als City Retreat und steht
damit für die Tendenz in der weltweiten
Stadthotellerie, die Stadt rund ums Hotel
vergessen zu lassen. Die Gäste sollen sich
wie in einem Country Resort oder zumindest wie in einer Hoteloase fühlen,
mit dem Vorteil, innert weniger Minuten
am Downtown-Geschehen teilhaben zu
können. Unter den weltbesten Stadthotels gelingt dies dem Hotel Bel-Air (8)
in Los Angeles, dem Royal Mansour (9)
in Marrakesch, dem Cipriani (11) in Venedig, dem Four Seasons Hotel Firenze
(12) und dem Oberoi Rajvilas (25) in
Jaipur besonders gut. Auch das Capella
Singapore (54) und The Siam (59) in
Bangkok sind überzeugende BusinessLeisure-Hybride.
Zu den internationalen Lieblingsadressen urbaner Luxusnomaden gehören vermehrt auch unabhängige Kleinhotels mit Privathaus-Flair, wo man das
Frühstück morgens quasi direkt beim
Koch in der Küche bestellt und es kaum
Backstage-Bereiche fürs Personal gibt. So
im Ett Hem (31) in Stockholm, im Algodon Mansion (32) in Buenos Aires oder
im Ellerman House (39) in Kapstadt. Das
Hub Porteño (70) in Buenos Aires begeistert zudem mit einem stark vernetzten
Concierge-Team, das seine Aufgaben
mehr als ernst nimmt und jedem Gast Note ø
B
1
Bewertungssäule*
2013 2012
Hotel Ort
A
Note ø
B
C
D
1
24
The Connaught London
04
05
09
01
4,75
2
10
Mandarin Oriental New York New York
05
02
11
03
5,25
3
NEU
The Upper House Hongkong
09
01
06
06
5,50
4
5
The Mark New York
10
04
07
02
5,75
5
2
Park Hyatt Tokyo Tokio
01
08
05
10
6,00
6,25
6
6
Four Seasons Hotel New York New York
02
07
01
15
7
3
The Peninsula Hong Kong Hongkong
06
12
02
07
6,75
8
1
Hotel Bel-Air Los Angeles
14
13
03
11
10,25
9
12
Royal Mansour Marrakesch
13
14
10
05
10,50
10
18
Park Hyatt Sydney Sydney
12
06
17
09
11,00
11
19
Cipriani Venedig
07
16
08
16
11,75
12
11
Four Seasons Hotel Firenze Florenz
19
09
12
08
12,00
13
25
The Fullerton Bay Hotel Singapur
16
10
20
04
12,50
14
21
Four Seasons Hotel Bosphorus Istanbul
08
15
16
14
13,25
15
8
Four Seasons Hotel George V Paris
03
17
13
23
14,00
Die besten Schweizer Dreisterne- und
Unique-Boutique-Stadthotels
Das «Krafft Basel» hält sich auf dem ersten Rang, das «Hotel Bad Bubendorf»
prescht vor. Beide Häuser setzen auf Perfektion in der Einfachheit.
Rang
2013
Bewertungssäule*
2012
Hotel Ort
Note ø
A
B
C
D
1
1
Krafft Basel Basel
01
01
02
04
2,00
2
5
Hotel Bad Bubendorf Bubendorf/Liestal
03
03
03
01
2,50
3
3
Florhof Zürich
05
02
04
02
3,25
4
2
Der Teufelhof Basel
02
04
01
10
4,25
5
4
Ramada Feusisberg-Einsiedeln Schindellegi
07
12
05
03
6,75
6
6
Greulich Zürich
04
09
07
09
7,25
7
NEU
Sorell Hotel Rigiblick Zürich
06
05
06
13
7,50
8
7
See- und Seminarhotel Flora Alpina Vitznau
08
07
09
07
7,75
9
NEU
25hours Zürich West Zürich
13
06
08
06
8,25
10
12
Gasthof Hirschen Eglisau
09
11
12
11
10,75
* A = Umfrage Top-Hoteliers; B = BILANZ-Hoteltest; C = Wertungen Fachguides; D = Umfrage Reiseprofis.
Siehe «So wurde bewertet» auf Seite 79.
Das vollständige Hotel-Rating mit den weiteren Rängen finden Sie unter www.bilanz.ch
15–16/2013 BILANZ 77
6
Luxus
Hotel-Rating
Luxus
Das
Thema
SOMMELIER DES JAHRES
Christian Grimm,
«Hotel Allegro», Bern
Es gibt Sommeliers,
die gerade mal Weissvon Rotwein unterscheiden können.
Zwar sprechen auch
sie von der Stilistik
oder der Mineralität
eines Weines, nur
hinterfragen darf man solche Ausführungen
nicht. Christian Grimm ist anders: ein
Weinfreak, der die Doppelrolle als Maître
d’hôtel und Sommelier im Restaurant
Meridiano mit süddeutscher Herzlichkeit
erfüllt. Er setzt weniger auf WichtigtuerEtiketten, dafür mehr auf sehr gute Weine
einer hochsoliden oberen Mittelklasse und
sorgt so für einen genüsslichen Abgang
jedes Gourmetmenus.
SPA-LEITERIN DES JAHRES
Regula Pescari Haldemann,
«Castello del Sole», Ascona
Der tägliche Wahnsinn nervt. Wir eilen vom
Meeting zur Party, vom Fitnessclub ins
Restaurant, essen zu schnell, trinken zu viel,
schlafen zu wenig. Und beim Blick in den Spiegel
wundern wir uns, warum Leute, die doppelt so
alt sind wie wir, nur halb so alt aussehen. Ein
Fall für Regula Pescari. Sie engagiert sich beispielhaft dafür, dass die Spa-Gäste im «Castello
del Sole» rasch von ihrem Stress-Level herunterkommen und mit stark individualisierten
Treatments gezielt ihre Gesundheit stärken und
die innere Balance wiederfinden können.
Durchstarter und Newcomer. Bemerkenswerte Revivals sind diesmal dem Park
Hyatt Sydney (10), dem Gritti Palace
(24) in Venedig, dem Four Seasons Hotel
Toronto (42) und dem Rosewood Hotel
Georgia (91) in Vancouver gelungen. Das
Fullerton Bay Hotel (13) an der Marina
Bay Waterfront in Singapur und das
Haymarket Hotel (26) in Londons Thea-
terdistrikt stiegen in unserer Wertung
jeweils um zwölf Ränge. Ähnlich grosse
Sprünge machten das Mandarin Oriental New York (2), das Four Seasons
Hotel Bosphorus (14) in Istanbul und das
Conservatorium Hotel (29) in Amsterdam. Bemerkenswert sind The Address
Downtown (23) in Dubai, das Bulgari
Hotel London (41), das Hotel Santa Teresa (52) in Rio de Janeiro, das Stue (62)
in Berlin und das Aman Canal Grande
Venice (67) in Venedig.
Mit einer beeindruckenden, fast schon
poetischen Design- und Service-Sensibilität hat sich The Upper House in Hong-
kong aus dem Nichts auf Rang 3 katapultiert. Es trifft genau die Nische, die man
in dieser Stadt voller ambitionierter, aber
nie ganz zufriedenstellender Hotels sucht
(zu gross, zu klein, zu laut, zu teuer, zu
unflexibel) und bietet trotz lässigem
Understatement alle Wahlmöglichkeiten,
die man sich von den führenden Hotellerieketten wünscht. Die 117 Zimmer, die
sich auf die obersten zehn Etagen eines
Wolkenkratzers verteilen, sind mindestens 68 Quadratmeter gross – ihr Stil ist
unaufgeregt, aber trotzdem aufregend.
Der Blick auf die Teller im gemütlich
mondänen Café Gray macht ebenso viel
Fotos: PR (3)
auf Wunsch die bestinformierten Ansprechpartner und lokalen Insider vermittelt, egal ob es um Tango, Polo, Kunst,
Essen, Mode oder eine Landpartie in ein
führendes Weingut geht.
78 BILANZ 15–16/2013
7
Eine einzige unmotivierte Réceptionistin
kann den Erlebniswert, den ein Hotel
vermitteln möchte, zunichtemachen.
Freude wie die Aussicht über den Victoria Harbour und Kowloon.
«Where old school is the new cool»
wäre der passende Spruch für die Londoner Luxushotellerie. Und ein weiterer
lautete: Nur wer sich bewegt, bleibt. Unbeeindruckt vom Auf und Ab der lauten
Konkurrenten und in sensationeller
Weise modernisiert, fängt das unlängst
noch als schwerfällig geltende Traditionshaus The Connaught (1) bei aller
englischen Gemütlichkeit den ganz speziellen Vibe des heutigen London ein –
unter anderem mit zwei wirklich interessanten Bars und einer sensationellen
Brunnenskulptur des japanischen Architekten Tadao Ando vor dem Eingang.
Ganz ohne Allüren, dafür nahe am Pulsschlag der Gäste, verleiht die Schweizer
Direktorin Nathalie Seiler-Hayez dem
heute weltbesten Stadthotel eine Integrität, die Ästhetik allein nicht vermitteln
könnte. Sie sagt: «Eine unmotivierte Réceptionistin, und sei es nur eine einzige,
kann das ganze Erlebnis, das wir vermitteln wollen, zunichtemachen.»
Ferien ohne Bling-Bling. Der Zeitgeist des
Bling-Blings ist auch in der Ferienhotellerie vorbei. Die Lust auf globalisierten
Chic schwindet, das Segment der presti-
Fotos: PR (3)
BESTES STADTHOTEL
DER SCHWEIZ
Beau-Rivage Palace, Lausanne
Ouchy Dem Zauber des Belle-EpoquePalasts kann man sich kaum entziehen.
Das Hotelteam fühlt den Puls der Gäste.
gereichen Hotel marken verliert bei anspruchsvollen Vielreisenden an Bedeutung. Die Stärke individueller Tophäuser,
die eine Geschichte zu erzählen haben
und dem Gast ein Erlebnis bieten, das er
so nirgendwo sonst findet, nimmt zu.
Mit dem Konzept, so wenig Hotel wie
möglich zu sein und zugleich höchste
Service- und Luxusstandards zu gewährleisten, stechen immer mehr Hideaways
heraus. Einheimische Vorzeigebeispiele
mit dem gewissen frechen Etwas sind die
Villa Honegg (8) auf dem Bürgenstock
und The Omnia Mountain Lodge (14) in
Zermatt. Auch das Vieux Manoir (10) am
Murtensee, das Hotel Guarda Golf (19)
und Le Crans (21) in Crans-Montana
sind das glatte Gegenteil von Luxusherbergen, wie man sie landläufig versteht.
Doch allesamt sind so exzellent geführt
und ausgestattet, dass sie in ihrer Gesamtleistung manche Hotelgiganten in
den Schatten stellen. Das «Vieux Manoir»
schliesst vorläufig am 27. Oktober –
wegen der Verweigerung einer sanften
Hotelerweiterung durch die Gemeinde.
Im Cervo (18) in Zermatt wirkt alles
piratenmässig improvisiert, doch Gastgeber Daniel Lauber hat alles durchdacht
und bis ins charmante Detail organisiert.
Typisches Paradox in diesen Hotelper- BESTES FERIENHOTEL
DER SCHWEIZ
Castello del Sole, Ascona Das Luxushaus berührt die Herzen. Hier sieht
man, wie Hotelmenschen ihren Beruf
als Berufung sehen und leben.
So wurde
bewertet
Das BILANZ-HotelRating ist der
umfassendste Hotelvergleich in Europa.
Er basiert auf vier
Bewertungssäulen und
einem breiten
Spektrum an Quellen.
A: Umfrage bei Top-Hoteliers.
BILANZ befragte 120 führende
Schweizer Hoteliers, wo sie
am liebsten absteigen – ausser
bei sich selber. Aus den
mehr als 4000 schriftlich
erhobenen Hotelempfehlungen
wurden Ranglisten in sechs
Kategorien erstellt. Bei der
Benotung der Hotels waren
die Anzahl der Nennungen und
der Wertungsdurchschnitt
ausschlaggebend.
B: BILANZ-Hoteltests. Die
Resultate basieren auf mehr als
400 Hotelbesuchen des Autors in
den vergangenen 24 Monaten.
Die Hotels wurden bewertet
nach je 20 infrastrukturellen
Kriterien (Spa-Einrichtungen,
Zimmerkomfort, aktuelle
Investitionen usw.) und weichen
Kriterien (Servicekultur,
Detailpflege, Innovationskraft
usw.).
C: Aktuelle Wertungen der
Fachguides. BILANZ rechnete
die Einstufungen von relevanten
Reise- und Gastro-Publikationen in ein einheitliches
Notensystem um. Zur Eruierung
der weltbesten Hotels ermittelte
BILANZ den Durchschnitt der
Ratings in einschlägigen
internationalen Publikationen.
D: Erfahrungen der Reiseprofis
und Tagungsveranstalter.
85 Hotelkenner, Reiseprofis
und Tagungsveranstalter
wurden im Mai 2013 zu ihrer
Beurteilung der führenden
Hotels befragt.
15–16/2013 BILANZ 79
8
9
10
Luxus Hotel-Rating
HOTELUNTERNEHMER
DES JAHRES
Nati und Giancarlo Felli,
«Hotel Guarda Golf», Crans-Montana
Viele Hotelunternehmer sind ausschliesslich finanziell
motiviert, weil sie
Shareholder im
Nacken haben. Das
«Guarda Golf» ist
privat und macht nur
das, was den Besitzern Nati und Giancarlo
Felli Freude bereitet. Die beiden entwickeln
ihr Hotel mit unendlicher Geduld und nach
dem Trial-and-Error-Prinzip weiter, bis
sie für jeden Bereich die ideale Lösung
gefunden haben. Die persönliche
Handschrift und die Passion des kosmopolitischen Paars ist in jedem Detail
zu spüren – hier ist gar nichts Mittelmass.
HOTELKOCH DES JAHRES
Heiko Nieder,
«The Dolder Grand», Zürich
Der 41-jährige Herdvirtuose beweist im schönen
«The Restaurant», dass eine solide klassische
Ausbildung die beste Voraussetzung für eine
innovative, richtungsweisende Aromenküche
ist. Er hat nichts von dem vergessen, was er bei
seinen Lehrmeistern in Norddeutschland gelernt
hat. Vor allem dies nicht: dass man nie aufhören
darf, seine Gäste zu überraschen. Ob Heiko
Nieder nun mit Steinbutt, Lamm oder Frühlingsgemüse hantiert – immer schmeckt es so, wie
man es zuvor kaum je serviert bekommen hat.
Arosa und dem Riffelalp Resort (5)
ob Zermatt besonders gut. Das wiederholt erstplatzierte «Castello del Sole» ist
kein Meilenstein der Innovation, aber
ein Refugium der Seele an einem der
schönsten Flecken in Europa.
Neu in den Top 25 der Schweiz dabei
sind das Frutt Lodge & Spa (23) in
Melchsee-Frutt und The Alpina (24) in
Gstaad. Beide Bergrefugien gingen aus
Immobilienentwicklungen hervor, die
einen Hotelbetrieb integrieren mussten,
um überhaupt bewilligt zu werden.
Schaut man etwas genauer hin, ist das
«Frutt Lodge & Spa» im Detail deutlich
bedürfnisgerechter konzipiert und liebevoller geführt als das «Alpina», das in
internen Kommunikationsabläufen noch
furchtbar viele Fehler macht und sich mit
grossem Marketinggetöse am Gast
vorbei inszeniert. Zwar ist der Innenausbau im alpinen Chalet Chic und mit flächendeckend verarbeitetem Altholz gelungen. Doch fehlt dem Hotelteam das
«feu sacré», dem Six Senses Spa das
Tageslicht und dem Haus ein klares Differenzierungsmerkmal.
Überraschend wenig überraschend
sind weitere Neulinge: In den Luxusabsteigen Crans Ambassador in Crans-
Montana, Resort Collina d’Oro ob
Lugano und Cordée des Alpes in Verbier
kommt bisher kein solider Mehrwert herüber, weshalb sie es auch nicht in die
BILANZ-Charts 2013 geschafft haben.
Internationale Strahlkraft. Auf Rang 29
steigt das radikal erneuerte Park Hotel
Vitznau am Vierwaldstättersee ein. Es
prunkt mit zahlreichen Superlativen – so
wurden 47 Arten Granit verbaut, im Keller lagern zigtausend Weinraritäten im
Wert von 30 Millionen Franken, und im
Mega-Aquarium ziehen kleine Haifische
ihre Runden durchs Spa –, doch die Aura
Fotos: PR (3)
82 BILANZ 15–16/2013
11
Ein gutes Hotel erkennt man an der Art,
wie sich die Gäste bewegen – entspannt und ungekünstelt,
weil sie sich in den Räumen wohlfühlen.
Fotos: PR (3)
heiterer Gelassenheit ist beim Umbau
ebenso verloren gegangen wie der Bezug
zur Geschichte und zum Standort. Aus
der alten Hoteldame ist ein unterkühlter
Macho-Palast geworden, der genauso
gut in den Emiraten stehen könnte.
Trotzdem gibt es Hoffnung. Immer
noch und immer wieder gibt es Hotels, in
denen die ursprüngliche Idee des Grandhotels weiterlebt: Häuser mit Charme,
erfüllt mit Leben, geführt mit Liebe – wie
das Gstaad Palace (2), das im kommenden Winter sein 100-Jahr-Jubiläum feiern
wird. Heute das einzige Grandhotel im
Berner Oberland mit internationaler
Strahlkraft, ist das weisse Märchenschloss weder auf die Selbstbeweihräucherung eines Mäzens noch auf absolute Gewinnmaximierung ausgerichtet,
sondern vor allem auf die Bedürfnisse
seiner Gäste.
Abenteuer mit Luxusgarantie. Stilbildende Traumhotels finden sich vermehrt
in Ländern, in denen man das Wasser
nicht trinken kann. Die dortige Tendenz:
Abenteuer werden luxuriöser – und
Luxus wird abenteuerlicher. In den Singita Game Reserves (6, 10 und 34) in
Südafrika und Tansania bekommt man
das Beste beider Welten. In echter Wild-
nis und doch immer sehr im Hemingway-Luxus erlebt man grosses Seelenkino. Nervenkitzelnde Safaris holen die
Gäste aus ihrer Komfortzone heraus –
aber nicht zu weit und nicht zu lange. In
den Lodges werden alle Erwartungen an
Ästhetik, Service und Küche übertroffen.
Die internationale Traveller-Gilde applaudiert. Wenn es beim Reisen um Momente geht, die das Herz höher schlagen
lassen und in der Erinnerung für immer
weiterleuchten, dann gibt es etwas beim
«Singita-Erlebnis», das alle Sorgen vergessen und den Gast das Leben mit allen
Sinnen spüren lässt.
In den Ranglisten der weltbesten Ferienresorts fällt eine Verschiebung der Luxushotelgruppen auf: Während vor wenigen Jahren zahlreiche Four-Seasons- und
One-&-Only-Häuser die BILANZ-Charts
anführten, rücken nun kleinere, ultraexklusive Gruppen wie Aman Resorts, Orient-Express Hotels und Como Hotels &
Resorts vor. Die grossen globalen Marken
sind heute vielen Ferienreisenden zu genormt, zu steril, zu vorhersehbar – zudem
fehlt oftmals der lokale Groove. Auch
reicht es nicht mehr, einen berühmten
Designer und einen namhaften Küchenchef zu engagieren oder auf Marktanalysen und Gästebefragungen zu
BESTES STADTHOTEL
DER WELT
BESTES FERIENHOTEL
DER WELT
The Connaught, London Eine Oase
der Gastfreundschaft für Leute, die
wie das Hotel sind: in der Tradition
verwurzelt, in der Welt zu Hause.
Huka Lodge, Taupo/Neuseeland Man
fühlt sich hier wie in einem zweiten
Zuhause. Kein übertriebener Luxus –
aber feinsinnige Bezüge zum Standort.
vertrauen. Letztere lullen die Hoteliers
nur ein, weil 95 Prozent der Stammgäste
zufrieden sind. Es braucht ein Quantum
Voodoo für den durchschlagenden Erfolg
im sensiblen und hart umkämpften
Hotelmarkt, der nur jene überleben lässt,
die gute Ideen mit einem feinsinnigen
Gespür für den jeweiligen Standort
umsetzen.
Steve Jobs der Hotelwelt. Adrian Zecha,
der aktive Gründer von Aman Resorts, ist
der Steve Jobs der Hotelwelt: Der Kunde
weiss nicht, dass er es unbedingt möchte,
bis es plötzlich auf dem Markt ist. Zecha
spürt, was seine Gäste als Nächstes wünschen, und macht es dann mit ausserordentlicher kreativer Energie stets richtig.
Ein Blick ins Amanpuri (3) im thailändischen Phuket, ins Amangiri (18) im USBundesstaat Utah oder ins Amanruya
(27) im türkischen Bodrum reicht: Der
pure Aman-Stil ist der Inbegriff von
«Anti-Bling-Bling» und wirkt so beruhigend, dass man eigentlich gar kein Spa
mehr braucht. Und mit dem neuen
Amanzoe (43) hat auch Griechenland
eine neue Homebase für LuxusGlobetrotter.
Den Häusern der Kette Orient-Express Hotels haftet ebenso ein schwer erklärbarer Zauber an. Neben der überaus
entspannten Luxusatmosphäre hinterlassen die meisten der 33 Häuser mit
ihren spektakulären Lagen einen starken emotionalen Eindruck – etwa El
Encanto (28) im kalifornischen Santa
Barbara oder La Samanna (54) auf der
Karibikinsel St. Martin, aber auch europäische Schmuckstücke wie La Residencia (16) auf Mallorca und das Splendido
(29) in Portofino.
Cecilia Pescini, seit 25 Jahren der
gute Geist der toskanischen Villa San
Michele (39), sieht es folgendermassen:
«Ein gutes Hotel erkennt man daran,
dass sich die Gäste ganz selbstverständlich darin bewegen – weil sie so entspannt sind und sich wohlfühlen.»
15–16/2013 BILANZ 83
12