Das Profil 1/2015
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Das Profil 1/2015
1/2012 1/2015 Die Zeitung des Rheinmetall-Konzerns Der Südpol wartet noch... In der Antarktis war er zwar noch nicht, doch den Rest der Welt kennt Johann Szopa von der KSPGDivision Motorservice praktisch wie seine Westentasche: Weit über 100 Tage im Jahr ist der 57-Jährige dienstlich unterwegs, wie er auf „Profil“-Seite 9 erzählt. Spürfuchs ABC kompakt Ein Leben ohne die Sucht Weltweit erlangte vor allem eine Variante des Radpanzers Fuchs Berühmtheit: der zur Aufklärung atomarer, biologischer und chemischer Kampfstoffe ausgelegte „ABC-Spürfuchs“ (siehe Seiten 10 + 11). Schon heute wird im Rheinmetall-Konzern viel getan, um Mitarbeiter vor einer Suchterkrankung zu bewahren, sie in der Sucht zu begleiten sowie bei der Reintegration in die Arbeitswelt zu unterstützen. Wie dies geschieht, zeigt „Das Profil“ auf den Seiten 17 bis 20. Kompetenter Partner für wertvolle Hinweise Meilenstein in Spanien Rheinmetall bestellt Rechtsanwalt als Ombudsmann 75 Millionen AGR-Ventile rds Düsseldorf. Kompetente Anlaufstelle: Der Rheinmetall-Konzern hat den in Frankfurt am Main ansässigen Rechtsanwalt Dr. Rainer Buchert zum Ombudsmann bestellt. Buchert, der diesbezüglich bereits seit längerem international renommierte Firmen wie Volkswagen, Lufthansa, Diehl, Rewe und Bertelsmann betreut, steht allen Mitarbeitern und Geschäftspartnern der Düsseldorfer Unternehmensgruppe seit 1. Januar 2015 als externe Anlaufstelle zur Klärung möglicher Compliance-Verstöße zur Verfügung. Dieses Hinweisgebersystem ist damit ein integraler Bestandteil der bei Rheinmetall bereits seit längerem arbeitenden ComplianceOrganisation, die in jüngster Zeit sowohl auf Konzernebene als auch in den Tochtergesellschaften der beiden Unternehmensbereiche Defence und Automotive erheblich ausgebaut und personell verstärkt worden ist. msc Abadiano. Das 75-millionste Abgasrückführventil (AGR-Ventil) lief kürzlich bei der baskischen Pierburg S.A. (Abadiano) aus der Produktionsstraße; das Werk der Pierburg GmbH in Spanien gilt als Leitwerk für AGRVentile. Seit 1994 werden jedes Jahr durchschnittlich etwa fünf Millionen der Ventile für Otto- und Dieselmotoren hergestellt. Technisch gesehen übernehmen Abgasrückführventile die Regelung der Rückführung von Abgas in den Motor. Grundlage für den Erfolg des schadstoffmindernden Bauteils waren vor allem die weltweit immer strenger werdenden Abgasvorschriften. Pkw mit Dieselmotoren ab der Euro 1-Abgasnorm verfügen über ein System zur Abgasrückführung, bei Autos ab Euro 3 ist sie Pflicht. Bei Fahrzeugen der Abgasstufen Euro 4 werden zunehmend Systeme mit gekühlter Abgasrückführung erforderlich, und bei Euro 6 kommt neben hoch gekühlter AGR zusätzlich Niederdruck-Abgasrückführung dazu. Das neuste Modell eines AGR-Ventils ist eine besonders kompakte, gewichtssparende Variante und seit letztem Jahr bei einem großen deutschen OEM in Serie. Standortchef Javier Egurrola freut sich über diesen Meilenstein: „Auf diesen Produktionsrekord sind wir stolz. Wir haben in der Geschichte des Abgasrückführventils immer wieder auf die steigenden Qualitätsansprüche des Marktes reagiert und sind mit den immer höheren Anforderungen an die Umweltrichtlinien regelrecht gewachsen.“ jpw Düssedorf/Stafford. Rheinmetall hat jetzt einen Millionenauftrag von den US-Streitkräften erhalten. Das US-Marineministerium gab bekannt, drei Rahmenverträge für moderne Infanterie- und Nebelmunition im Gesamtwert von 127,8 Millionen US-Dollar (95,7 Mio. €) an die American Rheinmetall Munitions, Inc. (ARM) Großauftrag zu vergeben; ARM ist eine Tochterfirma des Düsseldorfer Wehrtechnikunternehmens Rheinmetall Defence mit Sitz in Stafford (US-Bundesstaat Virginia). Die drei Rahmenverträge unterteilen sich in einen für 40mmTag/Nacht-Übungsmunition und zwei für 66mm-Granaten für fahrzeuggestützte Nebelmittelwurfanlagen. Bei allen handelt es sich um fünfjährige de wie Betrugs- und Wirtschaftsprüfungsdelikte, Korruption sowie Insidergeschäfte. Auch im Rheinmetall-Konzern ist das Hinweisgebersystem mittlerweile ein fester Bestandteil des internen Compliance Management Systems (CMS), wie Michael Salzmann, Chief Compliance Officer der Rheinmetall AG, erläutert: „Dieses System ist ein wichtiger systematischer Ansatz zur Aufdeckung von Korruption, Betrug, Untreue oder kartellrechtlichen Verstößen innerhalb des Konzerns. Es ist Teil unseres Risikomanagements und erlaubt die frühzeitige Kenntnis von Fehlverhalten sowie die konsequente Einleitung und Umsetzung notwendiger Maßnahmen und Schritte zum Schutz des Unternehmens. Der von uns in diesem Kontext beauftragte Ombudsmann – der Frankfurter Rechtsanwalt Dr. Rainer Buchert – dient Rheinmetall-Mitarbeitern dabei als unabhängiger Ansprechpartner.“ (Fortsetzung auf Seite 2) Rahmenverträge, die Flexibilität in Bezug auf Liefermengen und -zeiträume aufweisen und bis ins Haushaltsjahr 2019 laufen. Im Juni 2014 hatte die ARM im Vorgriff auf einen der Rahmenverträge bereits Bestellungen im Wert von 26,2 Millionen US-Dollar (19,1 Mio. €) erhalten. Weitere 6,8 Millionen US-Dollar (5,0 Mio. €) Auftragswert entfallen nun auf eine Bestellung von 66mm-Nebelgranaten, die vor kurzem erfolgt ist. Damit beträgt der aktuelle Auftragseingang aus den Rahmenverträgen 33 Millionen US-Dollar (24,2 Mio. EUR). Rheinmetall ist sowohl bei den Nebelmitteln als auch bei der 40mmMunition einer der weltweit führenden Anbieter. In beiden Bereichen deckt das Unternehmen das gesamte Spektrum ab und beliefert Streit- und Sicherheitskräfte weltweit mit Komponenten und Systemen. oho Düsseldorf/Rom. Ein wichtiger Schritt für die Sicherheit in der internationalen Luftfahrt: Das von Rheinmetall entwickelte Fremdkörperdetektionssystem DEB-RA kann nun im Rahmen des Airport Improvement Programs der US-Bundesluftfahrtbehörde FAA beschafft werden. Die FAA hat kürzlich eine Sondergenehmigung Genehmigt „Klare Kante“: Mit der Berufung eines Ombudsmannes setzt Rheinmetall eindeutige Akzente im Hinblick auf die Aufklärung und die Bekämpfung von Korruption im geschäftlichen Alltag. Foto: PM Images In zahlreichen international engagierten Unternehmen in Deutschland gehört ein firmeninternes Hinweisgebersystem heute zum betrieblichen Alltag (z.B. Daimler, BASF, Deutsche Bank, Allianz, Volkswagen); diese so genannten Whistleblowing-Systeme, bei denen oftmals externe Rechtsanwälte als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, bieten Mitarbeitern (und Geschäftspartnern) eine fachlich kompetente und anonymisierte Möglichkeit, auf Unregelmäßigkeiten oder Missstände im Unternehmen hinzuweisen. Der Begriff Whistleblowing selbst wurde allgemein im Zusammenhang mit dem „Sarbanes-Oxley-Act“ bekannt; dieses US-Bundesgesetz trat 2002 als Reaktion auf damalige Bilanzskandale (Enron, Worldcom) in Kraft. Es verpflichtet an der US-Börse gelistete Unternehmen zur Einrichtung eines internen Verfahrens, über das Mitarbeiter Verstöße gegen Verhaltensvorschriften melden können; dazu zählen zum Beispiel Straftatbestän- zur Beschaffung des derzeit weltweit fortschrittlichsten Systems zur Entdeckung von Fremdkörpern und Trümmerteilen auf Flughafenanlagen erteilt. Luigi Magliocchi, Geschäftsführer der Rheinmetall Defence Italia: „Dies gibt uns die Möglichkeit, unser weltweit führendes Fremdkörper-Detektionssystem jetzt auf dem großen US-Markt anzubieten.“ rds Frankfurt am Main/Düsseldorf. Mit der zum 1. Januar 2015 erfolgten Bestellung des Frankfurter Rechtsanwaltes Dr. Rainer Buchert als Ombudsmann hat der Rheinmetall-Konzern einen unabhängigen und fachlich versierten Juristen gewonnen, der sich seit rund anderthalb Jahrzehnten mit dieser äußerst sensiblen – und im Zweifelsfall nicht minder heiklen – Thematik beschäftigt. Im Jahre 2000 wurde dem gebürtigen Mörfeldener von der Deutschen Bahn AG das erste große OmbudsmannMandat übertragen. Derzeit betreut Buchert (Foto am Fuß der Seite) mehr als 20 namhafte – auch international ausgerichtete – Unternehmen, darunter der Volkswagen-Konzern, die Deutsche Lufthansa AG inklusive deren Tochter Swiss, mehrere Banken und Finanzdienstleister sowie eine Reihe mittelständischer Unternehmen (z.B. Ferrostaal/Essen). Der passionierte Freizeitpilot war von 1977 bis 1991 in verschiedenen leitenden Funktionen im Bundeskriminalamt in Wiesbaden tätig, zuletzt als Kriminaldirektor. 1991/92 erfolgte die Berufung zum Landeskriminaldirektor und Leiter der Kriminalpolizei des Landes Sachsen-Anhalt; anschließend war er Polizeipräsident von Stadt und Kreis Offenbach. „Das Profil“ sprach mit Dr. Rainer Buchert, der aktuell unter anderem auch als Dozent an der Frankfurt School of Finance & Management sowie korporatives Mitglied bei Transparency International engagiert ist und dessen ethische Positionierung im hier zitierten Kontext eindeutig ist: „Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit und Transparenz sind wichtige Garanten für geschäftlichen Erfolg; dieser wiederum beruht ganz wesentlich auf dem korrekten und ethisch einwandfreien Verhalten aller Mitarbeiter einer Unternehmung.“ Der Hinweisgeber wird geschützt „Profil“-Interview mit Rheinmetall-Ombudsmann Dr. Rainer Buchert Profil: Was genau ist ein Ombudsmann, und was sind seine Aufgaben? Buchert: Der Ombudsmann ist ein externer Rechtsanwalt, der Hinweise auf einen Verdacht von Straftaten oder ähnlich schweren Unregelmäßigkeiten vertraulich entgegennimmt. Durch Weitergabe solcher Hinweise an den Compliance Officer des Unternehmens wird dieses in die Lage versetzt, Unregelmäßigkeiten nachzugehen, sie aufzudecken und zu sanktionieren. Profil: Warum wird es immer wichtiger, dass ein Unternehmen einen Ombudsmann zur Aufklärung bzw. Bekämpfung von Korruption hat? Buchert: Hinweisgebersysteme wie der Ombudsmann sind heute als wesentlicher Bestandteil eines funktionierenden Compliance-ManagementSystems „state of the art“. Damit wird Profil: Der Name des Hinweisgebers wird also auf keinen Fall genannt? Buchert: Genau! Außerdem hat die Rheinmetall AG vertraglich unwiderruflich auf die Herausgabe von Hinweisgeberdaten verzichtet. Profil: Was sind Verstöße, die man Ihnen melden kann? Buchert: Es geht primär um Verdachtsfälle von Korruption, anderen wirtschaftskriminellen Handlungen oder ähnlich schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten, durch die das Unternehmen geschädigt wird. Melden kann man also zum Beispiel auch Verdachtsfälle von Betrug, Untreue oder Diebstahl. Der Ombudsmann ist aber kein Schlichter für Streitfälle und auch kein Kummerkasten; daher ist er auch nicht der richtige Adressat für Beschwerden. Profil: Bewegt sich der Hinweisgeber bei Meldungen an Sie nicht immer auch auf dem schmalen Grat zwischen Zivilcourage und Denunzierung? Gibt es Erfahrungen, dass das System auch als Plattform für gezieltes Denunziantentum – sagen wir es vorsichtig – „missbraucht“ wird? Öffnet man da nicht „Tür und Tor“ an der falschen Stelle? Buchert: Nein, auf keinen Fall! Sicherlich gehört Zivilcourage auch dazu, aber mit Denunzieren hat es wirklich nichts zu tun, wenn auf einen begründeten Verdacht von Korruption, Betrug, Untreue oder andere Straftaten hingewiesen wird. Vielmehr liegt es im Interesse des Unternehmens und aller ehrlichen Mitarbeiter, dass kriminelle Machenschaften Einzelner unterbunden, aufgeklärt und Schäden DER KONTA K T ZUM OMBUDSM A NN An Dr. Rainer Buchert können sich Mitarbeiter, aber auch Außenstehende (z.B. Geschäftspartner) mit vertraulichen Hinweisen auf mögliche wirtschaftskriminelle Handlungen bei der Rheinmetall AG wenden. Der Rheinmetall-Ombudsmann kann wie folgt kontaktiert werden: Dr. Buchert & Partner Rechtsanwälte / Bleidenstraße 1 / D-60311 Frankfurt am Main / Tel.: +49 (69) 71 03 33 30 oder +49 (6105) 92 13 55 / Fax: +49 (69) 71 03 44 44 / E-Mail: [email protected] / Homepage: www.dr-buchert.de Dr. Rainer Buchert wird von Rechtsanwältin Dr. Caroline Jacob aus der Kanzlei Dr. Buchert & Partner vertreten. (Fortsetzung von Seite 1) Mit anderen Worten: Mit der Berufung eines Ombudsmannes markiert der Düsseldorfer Konzern eindeutig Position und zieht eine „klare Kante“ im Hinblick auf die Aufklärung und die Bekämpfung von Korruption im geschäftlichen Alltag. Mit dem Hinweisgebersystem als eine klassische Säule einer funktionierenden Compliance-Organisation dokumentiert der Düsseldorfer Konzern gleichzeitig mehr als deutlich, dass die stringente Einhaltung von Recht und Gesetz bei allen geschäftlichen Aktivitäten weltweit absolute Priorität hat. Vorstandschef Armin Papperger: „Rheinmetall muss für saubere Geschäfte stehen. Nicht gesetzes-konforme Geschäftspraktiken können wir im Konzern keinesfalls dulden, weder bei Defence noch bei Automotive. Daher haben wir, nachdem es erste Hinweise auf unzulässige Zahlungen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit in Griechenland gab, alles daran gesetzt, eine zügige und lückenlose Aufklärung Michael Salzmann: „Das Unternehmen hat die Compliance-Organisation sowohl auf Konzernebene als auch in den Tochtergesellschaften beider Sparten deutlich gestärkt und personell ausgebaut. Wir haben darüber hinaus die Compliance-Intensität in beiden Sparten des Konzerns erheblich verstärkt, unter anderem durch ein striktes Regelwerk mit standardisierten Prozessen und Richtlinien (z. B. zu den Themen Zuwendungen, Kartellrecht, Wettbewerbsschutz, Umgang mit Beratern im In- und Ausland, Nutzung Social Media), durch die Verschärfung von Berichts- und Dokumentationspflichten, durch die Einbeziehung des Compliance-Bereiches in die Angebotsabgabe, durch strenge Vertragspartnerüberprüfungen sowie – last but not least – durch gezielte ‚Awareness‘-Schulung von Mitarbeitern, um sie für die vielfältigen Facetten und Konsequenzen der Compliance-Thematik intensiv zu sensibilisieren.“ Das anonymisierte Verfahren beim Rheinmetall-Hinweisgebersystem – Kompetenter Partner für wertvolle Hinweise Rheinmetall bestellt Rechtsanwalt als Ombudsmann Mit dem Hinweisgebersystem zeigt Rheinmetall laut Chief Compliance Officer Michael Salzmann „klare Kante“ in puncto Korrutionsbekämpfung. der Möglichkeit Rechnung getragen, frühzeitig vertrauliche Hinweise über möglicherweise korruptes Verhalten oder andere Straftaten zum Nachteil des Unternehmens zu erlangen. Profil: Wenn ein Mitarbeiter den Verdacht hat, dass in seinem dienstlichen Umfeld verdächtige Vorgänge ablaufen, kann er sich doch auch an eine Vertrauensperson bzw. vertrauliche Instanz im eigenen Hause wenden. Buchert: Natürlich gibt es weiterhin diesen Weg. Viele Hinweisgeber haben indes Angst vor Repressalien, wenn sie sich zum Beispiel an Vorgesetzte oder interne Stellen im eigenen Unternehmen wenden. Dann ist der Ombudsmann genau der richtige Ansprechpartner. Profil: Als Rheinmetall-Ombudsmann fungieren Sie auch für außenstehende „Whistleblower“ als Ansprechpartner. Buchert: Natürlich: Auch Außenstehende – zum Beispiel Geschäftspartner – können sich mit vertraulichen Hinweisen auf mögliche wirtschaftskriminelle Handlungen bei Rheinmetall an mich wenden. Profil: Wie gewährleisten Sie Vertraulichkeit? Buchert: Als Rechtsanwalt unterliege ich der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht und habe ein Zeugnisverweigerungsrecht. Dadurch kann ich die Identität eines Hinweisgebers zuverlässig schützen. Nur mit dessen ausdrücklicher Zustimmung gebe ich Hinweise an das Unternehmen weiter. Dies geschieht regelmäßig durch anonymisierte Berichte. Fotos: Ariane Gehlert/M. Kötter (Frankfurt a. M.) abgewendet werden. Ich hatte in den vergangenen Jahren im Übrigen noch keinen einzigen Fall, bei dem ein Hinweis eindeutig denunziatorischer Art war. Profil: Rheinmetall ist international tätig, von den gut 80 Unternehmensstandorten befindet sich der größere Teil im Ausland. Greifen Sie auch Hinweise aus diesen internationalen Einheiten auf? Buchert: Selbstverständlich! Man kann sich auf allen Kommunikationswegen in Deutsch oder Englisch an mich wenden. Die meisten Hinweise aus dem Ausland erreichen mich per E-Mail, also unter kanzlei@dr-buchert. de. Profil: Was sollten Hinweisgeber aus dem Rheinmetall-Konzern noch wissen? Buchert: Wichtig erscheint mir nochmals der Hinweis darauf, dass der Ombudsmann die weiterhin bestehenden internen Meldewege – z. B. zum Vorgesetzten, an den ComplianceVerantwortlichen, den Revisionsleiter oder den Betriebsrat – nicht ersetzt, sondern nur ergänzt. Auch sollte jeder wissen, dass ihm keine Kosten entstehen, wenn er sich an den Ombudsmann wendet und auf verdächtige Indizien oder Umstände hinweist; diese trägt das Unternehmen. Profil: Wo kann man sich noch detaillierter informieren? Buchert: Weitere Antworten auf typische Fragen von Hinweisgebern finden sich auf meiner homepage www.dr-buchert.de. herbeizuführen – und zwar in engster Kooperation mit den Ermittlungsbehörden. Dieses unmissverständliche Durchgreifen ermöglicht es uns, unseren Kunden im In- und Ausland klar und eindeutig zu vermitteln, welch hohen Stellenwert die Einhaltung von Recht und Gesetz für unsere weltweit rund 21 000 Mitarbeiter hat. Wir sind auf das Vertrauen unserer Investoren und Aktionäre ebenso angewiesen wie auf das Vertrauen der Banken, unserer Abnehmer und Zulieferer sowie natürlich auch unserer Ansprechpartner in Politik, Militär und Verwaltung. Es darf keinen Zweifel daran geben, dass bei Rheinmetall sauber gearbeitet wird.“ Um recht- bzw. gesetzlich unzulässiges Verhalten einzelner Mitarbeiter in Zukunft möglichst auszuschließen, hat Rheinmetall neben der Bestellung des Ombudsmannes in jüngster Zeit eine Reihe weiterer Maßnahmen umgesetzt, die die strikte Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen im geschäftlichen Alltag unterstützen. und damit die Möglichkeit für die Mitarbeiter, sich im Hinblick auf Person und Persönlichkeit nicht im eigenen Unternehmen offenbaren zu müssen – stellt für den 45-jährigen Chief Compliance Officer von Rheinmetall einen wichtigen Schritt dar, Verstöße gegen Recht und Gesetz einerseits sowie das konzerninterne Regelwerk andererseits festzustellen und sie disziplinarisch bzw. juristisch aufzuarbeiten. Noch einmal Michael Salzmann: „Dr. Rainer Buchert ist externer Strafrechtsanwalt und steht unseren Mitarbeitern praktisch rund um die Uhr als Ansprechpartner für Verdachtsfälle zur Verfügung: Im Bedarfsfall können sie sich vertraulich an ihn wenden oder sich auch persönlich offenbaren. In jedem Fall wird der Hinweisgeber uns gegenüber anonym bleiben; dafür steht die anwaltliche Schweigepflicht des Ombudsmannes.“ (Lesen Sie auch das Interview mit Rheinmetall-Ombudsmann Dr. Rainer Buchert auf dieser Seite sowie den Beitrag zu dieser Gesamtthematik „Trade Compliance Guideline setzt strikte Wegmarken“ mit KSPG-Expertin Anke Schumm auf der gegenüberliegenden „Profil“-Seite 3.) Drucktermin dieser Ausgabe: 25. Februar 2015 Nachdruck gestattet, Belegexemplar erbeten. Herausgeber: Rheinmetall AG Verantwortlich: Peter Rücker Chefredaktion: Rolf D. Schneider Anschrift: Redaktion „Das Profil“ Postfach 104261, 40033 Düsseldorf [email protected] Satz: Strack + Storch KG Gladbacher Straße 15 40219 Düsseldorf Druck: Druck & Medienservice Schürfeld Stolper Straße 8a, D-47269 Duisburg IN T ER V IE W Profil: Welche Aspekte beinhaltet der Bereich Zoll und Außenwirtschaft? Schumm: Zunächst einmal die Abwicklung des Im- und Exports. Die Importanmeldung ist eine Steuerklärung, während beim Export die Ausfuhrkontrolle im Mittelpunkt steht. Dabei geht es vor allem um die „Dual-Use“-Verordnung der Europäischen Union (EU), die vorgibt, bei welchen technischen Parametern ein Genehmigungsvorbehalt zu berücksichtigen ist. Außerdem gehören das sogenannte Compliance Screening dazu, also die Überprüfung unserer externen Partner anhand der Anti-Terror-Verordnungen der Vereinten Nationen und der EU, sowie die Zertifizierung aller KSPG-Gesellschaften als Authorized Economic Operator (AEO), auf Deutsch: zugelassener Wirtschaftsbeteiligter. Profil: Was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Schumm: Diese international zunehmend anerkannte Zertifizierung ist künftig sozusagen der Dreh- und Angelpunkt für die Im- und Exportabwicklung. Denn der Unionszollkodes (UZK), der von Mai 2016 an greift, sieht vor, die bisher praktizierten zollamtlichen Vereinfachungen und Bewilligungen an den AEO-Status zu koppeln. Für Unternehmen, die diesen Status dann nicht haben, wird die Ein- und Ausfuhr von Waren aufwändiger, sprich: kostet Zeit und Geld. Profil: Welche rechtlichen Hürden müssen außerhalb der Europäischen Union genommen werden? Schumm: Viele Staaten haben die Vorschriften für den Im- und Export verschärft. Es gibt besondere Meldepflichten, umfangreiche Prüfungen und spezielle Zertifizierungsanforderungen. Ohne die entsprechenden Dokumente werden die Warensendungen gar nicht erst abgefertigt oder landen auf irgendeinem Zollamt und können dort sogar beschlagnahmt werden. Dann warten die Kunden erst einmal vergebens auf ihre Ware. Aber auch unsere Produktionsstandorte können davon betroffen sein, etwa wenn es sich bei der Ware um Ersatzteile für Maschinen und Anlagen handelt. Dann drohen unter Umständen Produktionsausfälle. Profil: Spielen Zölle heute keine Rolle mehr? Schumm: Doch, allerdings keine so große wie früher. Dennoch lohnt es sich, genau hinzuschauen. Dazu ein Beispiel: KSPG liefert seit einiger Zeit Komponenten für Pumpen an einen Partner in Russland, der damit das Endprodukt herstellt. Bei Einfuhr der Komponenten in Russland wäre normaler Drittlandszoll zu entrichten. Kommen die Pumpen dann zurück, fiele in Deutschland nicht nur Zoll auf die Wertschöpfung an, sondern ebenso auf die Komponenten. Zölle auf Komponenten lassen sich grundsätzlich vermeiden, wenn in Deutschland das Zollverfahren „Passive Veredelung“ und in Russland „Aktive Veredelung“ beantragt wird. Profil: Bestehen noch weitere Möglichkeiten, die Produktion im Ausland – Stichwort Local Content – zolltariflich zu optimieren? Schumm: Der Local Content, also der nationale Wertschöpfungsanteil, ist vor allem bei Schwellenländern ein beliebtes Instrument der handelsbezogenen Investitionsauflage, obwohl das teilweise im Widerspruch zum Welthandelsrecht der World Trade Organization (WTO) steht. Wird der vorgeschriebene Local Content nicht eingehalten, fallen regelmäßig höhere Steuern im Inland an, aber auch Importzölle. Die Herausforderung ist, mit einer entsprechenden, ursprungsrechtlich geprägten Produktionsplanung den Local Content zu erbringen, um Eingangszölle zu sparen. Das Präferenzwesen mit der Präferenzkalkulation kann dabei unterstützen. Profil: Wie können Unternehmen vom Präferenzwesen profitieren? Schumm: Präferenzabkommen sind laterale, bilaterale oder multilaterale Abkommen wie etwa TTIP, über das gerade die EU und die USA verhan- Anke Schumm: Die zoll-rechtlichen Regelwerke sind kein Buch mit sieben Siegeln! Trade Compliance Guideline setzt strikte Wegmarken KSPG mit außenhandelsrechtlich optimierter Wertschöpfungskette Die KSPG AG, die Führungsgesellschaft des Rheinmetall-Unternehmensbereichs Automotive, erwirtschaftet mehr als 75 Prozent des Umsatzes (2013: knapp 2,5 Mrd. €) im Ausland. Dieser Anteil wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Denn die Wachstumsmärkte liegen vor allem in Asien sowie in Nord- und Südamerika. Obwohl das Schlagwort „Globalisierung“ in aller Munde sei, halte der internationale Warenverkehr jedoch nach wie vor zahlreiche Fußangeln und Fallstricke bereit, die schnell richtig Geld kosten können, so Anke Schumm, KSPG-Beauftragte für Zoll- und Außenwirtschaft. Mittlerweile sind zwar rund 160 Staaten der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization) beigetreten, aber dennoch läuft im weltweiten Handel noch längst nicht alles rund. Denn an die Stelle der Zollbarrieren, die WTOMitglieder abbauen müssen, treten zunehmend andere Handelshemmnisse wie technische Normen oder spezielle Zertifikate, mit denen die Staaten versuchen, die heimische Industrie vor allzu viel internationalem Wettbewerb zu schützen. „Im Vergleich dazu mutet der beinahe schrankenlose Binnenmarkt der Europäischen Union fast schon wie eine Insel der Glückseligen an“, sagt Schumm. Freihandelszonen mit jeweils eigenen Regeln gibt es aber auch außerhalb Europas, etwa in Nord- und Mittelamerika (Nafta), Südamerika (Mercosur) oder Asien (Asean). „Außerdem stehen bilaterale beziehungsweise multinationale Abkommen auf der Tagesordnung“, so die 55-jährige Zoll- und Außenwirtschaftsexpertin. Ein brandaktuelles Beispiel dafür ist die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP – Transatlantic Trade and Investment Partnership), die gegenwärtig verhandelt wird und die Vorschriften und Regeln in der Wirtschaft Europas und der USA langfristig so gestalten soll, dass sie besser zusammenpassen; bei diesen Verhandlungen geht es darum, Zölle und andere Handelsbarrieren im transatlantischen Handel zwischen der EU und den USA abzubauen. Schließlich sind international operierende Unternehmen auch von dem weltweiten Kampf gegen Terrorismus und sogenannte Schurkenstaaten betroffen. „Eine nationale Exportkontrolle wacht streng darüber, dass weder Güter, die zu militärischen Zwecken verwendet werden können, noch Geld – dazu gehören übrigens auch Gehaltszahlungen – in die falschen Hände gelangen“, erläutert Anke Schumm. Als Beauftragte für Zoll- und Außenwirtschaft berät sie den Vorstand von KSPG und die Geschäftsführungen der Tochtergesellschaften der drei KSPG-Divisionen Hartparts, Mechatronic und Motorservice in allen Fragen rund um dieses Thema, das die gesamte Wertschöpfungskette betrifft – vom Einkauf über die Produktion bis hin zum Vertrieb. Wobei dieser Grundsatz uneingeschränkt gilt: Wenn die Regeln beherrscht werden, lassen sich die Erträge optimieren, und niemand läuft Gefahr, mit mehr als dem sprichwörtlich einen Bein im Gefängnis zu stehen… Foto: Thomas Klink Neckarsulm/Neuenstadt am Kocher. Rund um die Welt haben Staaten komplexe Regelwerke erdacht, die den Im- und Export von Waren und Dienstleistungen steuern. Um sicherzustellen, dass die KSPG AG die Klippen des Außenhandels sicher umschifft, hat Personalvorstand PeterSebastian Krause Anfang 2014 eine so genannte Trade Compliance Guideline in Kraft gesetzt. Darin werden die Tochtergesellschaften verpflichtet, alle außenhandelsrechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigen und die dazu erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Mit Anke Schumm steht ihm eine erfahrene Expertin zur Seite. Die Diplom-Verwaltungswissenschaftlerin leitet seit 2001 den Bereich Zoll- und Außenwirtschaft der MS Motorservice International GmbH, die für das weltweite Ersatzteilgeschäft von KSPG zuständig ist. Nach und nach wurden auch Schwestergesellschaften von ihr beraten, und seit rund drei Jahren ist sie KSPGweit für das Thema verantwortlich. In einem Gespräch mit der Rheinmetall-Konzernzeitung „Das Profil“ erläutert die gebürtige Düsseldorferin, die auch in der Freizeit mit Hobbys wie Skifahren und Mountainbiking ein hohes Tempo an den Tag legt, wie die Marktposition des Unternehmens durch ein professionelles Management des internationalen Warenverkehrs zusätzlich gestärkt wird. 03 deln. Mit diesen Abkommen werden gemeinsame Wirtschaftsräume gebildet, in denen Zollfreiheit herrscht oder die Zollsätze zumindest deutlich reduziert sind. Profil: Ein konkretes Beispiel? Schumm: Nehmen wir einmal an, dass im Zuge einer Investitionsentscheidung Produktionskapazitäten von Mexiko in die USA verlagert werden sollen. Dann zahlen beispielsweise brasilianische Kunden Drittlandszoll, während Brasilien und Mexiko sich gegenseitig Präferenz gewähren, also für Lieferungen aus einem mexikanischen Produktionswerk kein Einfuhrzoll erhoben wird. Der Kunde wird die infolge der Belieferung aus den USA durch Zölle gestiegenen Kosten sicherlich nicht übernehmen wollen, sondern sich über den Preis zurückholen, was wiederum den Ertrag des Lieferanten schmälert. Profil: Welche Bedeutung haben außenhandelsrechtliche Aspekte für Investitionsentscheidungen? Schumm: Diese Aspekte stehen sicherlich nicht an erster Stelle. Aber sie sollten im Vorfeld gründlich untersucht werden, etwa wenn es um neue Produktionsstandorte oder Lagerzentren geht. Denn natürlich spielt es eine Rolle, welche Länder ich von dort aus vergünstigt beliefern kann, welche einen unkritischen Status haben und in welche man, salopp gesagt, nur schwer reinkommt oder gar nicht. Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass jedes Land eigene Vorschriften zu Exportkontrolle, Steuern und Zollverfahren hat, die eingehalten werden müssen. Die Organisation der internen Abläufe, die dazu erforderlich sind, können zusätzliche Kosten verursachen. Profil: Die komplexen nationalen und internationalen Regelwerke erscheinen ja geradezu wie ein Buch mit sieben Siegeln. Wie können Unternehmen wie KSPG da durchblicken? Schumm: Das geht selbstverständlich nicht von Deutschland aus, sondern nur durch einen ständigen Austausch zwischen regionalen Zollund Außenwirtschaftsexperten. Denn nur vor Ort lässt sich frühzeitig erkennen, welchen Kurs die Regierungen in Sachen Im- und Exportabwicklung sowie Exportkontrolle einschlagen, und wie Verstöße geahndet werden. Profil: Gibt es dieses Expertenteam bereits? Schumm: Wir bauen es im Zuge der Umsetzung unserer „Trade Compliance Guideline“ gerade auf. Zurzeit haben fünf Tochtergesellschaften von KSPG einen Außenhandelsbeauftragten. Wie viele Beauftragte es künftig sein werden, steht noch nicht endgültig fest. Aber ich gehe davon aus, dass es zumindest an jedem Standort einen geben wird. Nach heutigem Stand wären das dann insgesamt 14 Kollegen. Profil: Worin bestehen, auf einen kurzen Nenner gebracht, Ihre Aufgaben als KSPG-Beauftragte für Zoll- und Außenwirtschaft? Schumm: Zum einen unterstütze ich den Vorstand in allen Fragen, die dieses Thema betreffen, zum anderen stehe ich den Tochtergesellschaften mit Rat und Tat zur Seite. Darüber hinaus arbeite ich mit den Geschäftsführungen dieser Gesellschaften zusammen, um die „Trade Compliance Guideline“ mit Leben zu erfüllen. Denn dazu ist weit mehr erforderlich, als lediglich einen Beauftragten zu benennen. Vielmehr geht es darum, KSPG-weit eine Außenhandels-Organisation aufzubauen und dann kontinuierlich weiterzuentwickeln. Denn nur so können die vielfältigen nationalen Anforderungen berücksichtigt und alle relevanten internen Prozesse so weit wie möglich harmonisiert werden. Profil: Im Bereich der Zoll- und Außenwirtschaft gibt es ja zahlreiche Fußangeln und Fallstricke. Worauf muss besonders geachtet werden? Schumm: Dreh- und Angelpunkt ist die Wareneinreihung. Die wichtigste Regel lautet: Für ein Produkt gibt es nur eine zutreffende Warentarifnummer. Aus dieser Nummer, die im Zweifel bei den Zollbehörden mit einer sogenannten verbindlichen Zolltarifauskunft erfragt werden kann, resultiert, was mit der jeweiligen Ware zu tun und zu lassen ist. Das reicht von Zollabgaben über Exportbeschränkungen bis hin zu Umweltauflagen. Profil: Welche Konsequenzen hat es, wenn Waren nicht korrekt deklariert wurden? Schumm: Das hängt von der Art des Verstoßes ab. Bei der Importanmeldung kann eine falsche Wareneinreihung beispielsweise zu niedrigeren Zollsätzen führen. In diesem Fall liegt eine Steuerhinterziehung vor, die mit einer Nachforderung der Eingangsabgaben und Bußgeldbescheiden geahndet wird. Dagegen können Verstöße gegen Ausfuhrbeschränkungen auch schon mal eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen. Profil: Und wer haftet „im Fall des Falles“? Schumm: Immer der sogenannte Handelnde. Das heißt, nicht nur Führungskräfte können in das Visier der Behörden geraten, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch die Ebene der Sachbearbeiter. Die Höhe der Strafe hängt von der Qualifikation, der Berufserfahrung und dem Einkommen ab. Stellt sich heraus, dass der Sachbearbeiter einen persönlichen Vorteil aus dem Verstoß gezogen hat, kann eine Geldbuße von bis zu 25.000 € fällig werden. Dr. Thomas Oelschlägel Auch neue Generation der Aida-Kreuzfahrtschiffe wird mit KSPG-Großkolben angetrieben Varianten für Diesel und „Dual-Fuel“ Rostock/ Neckarsulm. Am 3. Mai 2014 öffneten sich für die „AIDAPrima“ die Schleusentore des Docks im japanischen Nagasaki. Gebaut wird das neue Flaggschiff der Kreuzfahrtflotte der Rostocker Reederei Aida Cruises von Mitsubishi Heavy Industries Ltd. Mit 300 Metern Länge und gut 37 Metern Breite bietet das Schiff, das 124 000 Bruttoregistertonnen hat, Platz für rund 3300 Passagiere. Luxuriöse Kabinen, zahlreiche Restaurants und ein vielfältiges Freizeitangebot versprechen Urlaubsfreuden pur. Modernste Technik sorgt dafür, dass die Umwelt soweit wie möglich geschont wird. So hat „AIDAPrima“ als erstes Kreuzfahrtschiff überhaupt einen „Dual-Fuel“-Motor, der sowohl mit jedem herkömmlichen Treibstoff als auch mit nahezu emissionsfreiem Flüssiggas (LNG) betrieben werden kann. Die Kolben für diesen Motor kommen – wie auch die Kolben für die drei Dieselaggregate des Schiffes, das eine Spitzengeschwindigkeit von 21,5 Knoten (ca. 40 km/h) erreicht – von KSPG. Seit Ende der 1940er-Jahre hat das Neckarsulmer Unternehmen weit über 500 000 Kolben für den maritimen Einsatz gebaut. „Bei Kreuzfahrtschiffen sind wir weltweit die Nummer eins“, sagt Großkolben-Chef Wolfgang Hartmann, und fügt hinzu: „Das gilt ebenso für Schiffsmotoren mit mehr als 5000 Kilowatt (ca. 7000 PS) Leistung.“ Auch eine Reihe der aktuellen Kreuzfahrtschiffe von Aida Cruises wie die „AIDAluna“, „AIDAblu“ und „AIDAsol“ haben Motoren mit Kolben aus Neckarsulm. „Mit ‚AIDAprima‘, der ein baugleiches Schwesterschiff folgen wird, sind wir jetzt auch in der neuen Generation der Aida-Flotte mit von der Partie“, freut sich der 60-jährige Kolbenexperte. Die neue Schiffsgeneration macht ihrem Namen alle Ehre – „Prima“ heißt „die Erste“. Denn das Schiff setzt neue Maßstäbe beim Umweltschutz. Ein neuartiges Rumpfdesign steigert die Energieeffizienz. MALS-Technologie (Mitsubishi Air Lubrication System), die das Schiff auf einem Fotos: Thomas Klink (2)/Aida Cruises (3) Luftblasenteppich gleiten lässt, und sogenannte betrieben, während der vierte wahlweise auch Pod-Antriebe, die unterhalb des Rumpfes in einer mit Flüssiggas gefahren werden kann. „Im Dieum 360 Grad drehbaren Gondel angebracht sind, selbetrieb sind die Kolben vor allem hohen Temreduzieren den Treibstoffverbrauch. Durch ein peraturen von bis zu 500 Grad Celsius ausgemehrstufiges Filtersystem wird der Ausstoß von setzt“, sagt Hartmann. Im Gasmodus kommt es Rußpartikeln sowie Stick- und Schwefeloxiden dagegen vor allem auf hohe Klopffestigkeit an. um 90 bis 99 Prozent gesenkt. Und mit dem neu „Das sogenannte Klopfen entsteht durch unkontentwickelten „Dual-Fuel“-Motor kann die „AIDA- rollierte Zündungen, die sich nie ganz vermeiden prima“ im Hafen mit umweltfreundlichem Flüssig- lassen, da die Motoren immer so nah wie möglich an der Leistungsgrenze gas betrieben werden, für das gefahren werden“, erläutert keine Abgasnachbehandlung der Maschinenbauingenieur. erforderlich ist. Die Kolben bestehen aus Im Bauch des Schiffes Bis heute weit über zwei Teilen, die mit vier Steharbeiten vier Antriebe des bolzen verschraubt sind. Das Kieler Herstellers Caterpillar obere ist aus geschmiedetem Motoren, die jeweils zwölf Stahl und das untere aus Zylinder in V-Anordnung haSphäroguss. „Dadurch halben. Jeder leistet rund 1000 ten die Kolben sowohl hohen Kilowatt, zusammen also Temperaturen als auch ho48 000 (ca. 65 000 PS). Drei werden mit Dieselkraftstoff für maritimen Einsatz hen Zünddrucken stand“, er- 500 000 Kolben klärt der Großkolben-Chef. Die Varianten für die Dieselaggregate haben einen Durchmesser von 430 Millimetern und wiegen 219 Kilogramm. Die Kolben für den „Dual-Fuel“-Motor haben einen um 30 Millimeter größeren Durchmesser. „Sonst würde dieser Motor im Gasbetrieb nicht die gleiche Leistung erreichen wie die Dieselaggregate“, erklärt Wolfgang Hartmann. Die Jungfernfahrt der „AIDAprima“ führt im Oktober 2015 von Yokohama nach Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ab Frühjahr 2016 wird das Kreuzfahrtschiff von seinem Heimathafen Hamburg aus zu siebentägigen Rundreisen zu den Metropolen Westeuropas in See stechen, und zwar das ganze Jahr hindurch. Auch wenn das Wetter nicht mitspielt, können die Passagiere tropische Strandatmosphäre genießen. Dafür sorgt ein ausfahrbares Foliendach, das kaum wahrnehmbar ist und – ideal für schöne Urlaubsbräune – UV-Licht durchlässt. Dr. Thomas Oelschlägel Wachstum durch neues Werk in China Großkolben von KSPG bei allen Herstellern schwerer Viertaktmotoren gefragt tho Neckarsulm. Im Jahr 2013 hat der Geschäftsbereich „Großkolben“ von KSPG einen Umsatz von 75 Millionen € erwirtschaftet. An der Spitze dieses Bereichs steht seit sieben Jahren Wolfgang Hartmann. Das „Profil“ sprach mit dem 60-Jährigen, der vor Beginn seiner beruflichen Laufbahn an der Universität Karlsruhe Maschinenbau mit Schwerpunkt Verbrennungsmotoren studiert hat, über die Marktentwicklung und die künftige Strategie des Geschäftsbereichs. Profil: In welchen Branchen werden die Großkolben von KSPG eingesetzt, und was bedeutet eigentlich „groß“? Hartmann: Das beginnt bei einem Durchmesser von 160 Millimetern und reicht bis zu 640. Diese „Jumbo“-Kolben bringen gut eine halbe Tonne auf die Waage, während die kleinsten Varianten um die sieben Kilogramm schwer sind – ein Pkw-Kolben wiegt im Schnitt lediglich 200 Gramm. Eingesetzt werden unsere Großkolben, die übrigens ausschließlich für Viertaktmotoren bestimmt sind, vor allem in Kraftwerken, Schiffen und Lokomotiven. Profil: Wer sind die wichtigsten Kunden? Hartmann: Heute gibt es in der westlichen Welt im Grunde nur noch fünf Hersteller von schweren Motoren. Das sind Wärtsilä, Rolls Royce und MAN in Europa und die beiden US-amerikanischen Unternehmen Caterpillar und General Electric. Bei allen sind wir als Lieferant gelistet und bei drei von ihnen mit Abstand die Nummer eins. Profil: Dann laufen die Geschäfte des „Großkolben“-Bereichs sehr gut, oder? Hartmann: Diese Frage würde ich gerne mit einem schlichten Ja beantworten. Aber ganz so einfach ist das nicht. Denn letztlich sind wir von der Entwicklung der Märkte abhängig. Im Energiesektor ist die Situation zurzeit sehr gut. So konnten wir im vergangenen Jahr für ein großes Projekt in Jordanien die Kolben liefern. Dabei handelt es sich um ein Gasmotorenkraftwerk mit insgesamt 500 Zylindern und einer Leistung von 500 Megawatt. Dagegen herrscht im Schiffsbau nach wie vor Flaute, was wesentlich dazu beigetragen hat, dass unser Umsatz 2013 gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozent zurückgegangen ist. Aber wir sind auf dem besten Weg, dies wieder wettzumachen. Profil: Wie sieht die Strategie für die mittlere Zukunft aus? Hartmann: Eine zentrale Rolle spielt unser neues Großkolben-Werk in China, das gerade in Kunshan, einem Vorort von Shanghai, errichtet wird. Mit diesem Werk, das zu 100 Prozent KSPG gehört, werden sich unsere Chancen auf dem asiatischen Markt deutlich verbessern. Denn auch unsere Kunden produzieren ihre Motoren zunehmend auf diesem Erdteil, wo mittlerweile mehr als 80 Prozent aller Hochseeschiffe gebaut werden, und fordern dies auch von ihren Lieferanten – Stichwort „Local Content“. Die Investition in das neue Werk hat sich für uns bereits gelohnt. Denn wir konnten zehn neue Projekte unter Dach und Fach bringen, die wir sonst wohl nicht erhalten hätten. tho Rostock. Hochseekreuzfahrten liegen nach wie vor im Trend. Laut einer aktuellen Studie konnte der deutsche Markt 2013 um über neun Prozent auf insgesamt rund 1,7 Millionen Passagiere zulegen. Die Schattenseite des Kreuzfahrtbooms: Es werden auch mehr Emissionen in die Luft geblasen. Damit ist jetzt bei der neuen Schiffsgeneration der Rostocker Reederei Aida Cruises Schluss. Denn die „AIDAprima“, die im Oktober 2015 mit Großkolben von KSPG „inside“ zu ihrer Jungfernfahrt auslaufen wird, sorgt mit modernster Antriebstechnologie dafür, dass die Passagiere ihren Urlaub auch ruhigen Umwelt-Gewissens genießen können. Über die Innovationen, die dazu erforderlich waren, sprach „Das Profil“ mit Jens Kohlmann (Foto links). Der 51-Jährige Ingenieur für Schiffsmaschinenbetrieb ist seit 1995 bei Aida Cruises. Zunächst arbeitete er an Bord, wechselte dann in die Neubauabteilung und ist heute als Director Yards & Strategic Projects unter anderem für die technologische Ausrüstung der Kreuzfahrtflotte der Rostocker Reederei verantwortlich. Sauberer Antrieb AIDAprima setzt neue Maßstäbe beim Umweltschutz Profil: Was wurde getan, um die Schadstoffemission der „AIDAprima“ zu reduzieren? Kohlmann: Zum einen besitzt sie als erstes Kreuzfahrtschiff überhaupt ein dreistufiges Filtersystem zur Abgasnachbehandlung, mit dem alle drei Emissionsarten, also Rußpartikel, Stickoxide und Schwefeloxide, zwischen 90 und 99 Prozent reduziert werden. Zum anderen haben wir die Energieeffizienz nochmals deutlich gesteigert. Denn das ist letztlich der effektivste Beitrag zum Schutz der Umwelt – und senkt zudem die Betriebskosten. Profil: Lässt sich die Energieeinsparung beziffern? Kohlmann: Im Vergleich zu unserem derzeit jüngsten Schiff „AIDAstella“ benötigt „AIDAprima“ rund 20 Prozent weniger Treibstoff. Dies resultiert je zur Hälfte aus einer Reduzierung des Stromverbrauchs für den Hotelbetrieb – beispielsweise durch Maßnahmen wie bessere Isolierung, elektronisch geregelte Pumpen und LED-Lampen – sowie einem innovativen Antriebskonzept. Profil: Was beinhaltet dieses Konzept? Kohlmann: Die „AIDAprima“ gleitet auf einem Teppich aus Luftbläschen durch das Wasser, wodurch der Reibungswiderstand erheblich verringert wird. Möglich macht dies das neue Mitsubishi Air Lubrication System (MALS), das in unserem neuen Flaggschiff erstmals eingesetzt wird. Außerdem verfügt es als weltweit erstes Kreuzfahrtschiff über einen „Dual-Fuel“-Motor, der ebenso wie die drei anderen Motoren mit Diesel betrieben werden kann, zur Energieerzeugung im Hafen wahl- weise aber auch mit emissionsfreiem Flüssiggas. Last but not least hat die „AIDAprima“ zwei sogenannte PodAntriebe, die unter dem Rumpf in Gondeln angebracht sind, die sich um 360 Grad drehen lassen. Da somit weder Antriebswellen noch eine Ruderanlage erforderlich sind, konnte die Form des Hecks optimiert und dadurch die Effizienz der Antriebe nochmals verbessert werden. Profil: Wird Aida Cruises seine gesamte Flotte mit modernster Umwelttechnologie à la „AIDAprima“ nachrüsten? Kohlmann: Ja, das wird nach und nach im Rahmen der regulären Werftzeiten geschehen. „AIDAluna“ beispielweise hat dieses Jahr bereits die ersten Installationen des Filtersystems erhalten. 06 A K T UEL L Ansprache Was macht eigentlich ein Zerspanungsmechaniker, welche handwerklichen Fertigkeiten kann ich lernen, und wie kann ich mich weiterentwickeln? Diese Fragen hat sich Lars Ringer vor Beginn seiner Ausbildung selbst gestellt. Heute kennt er die Antworten und will Schülern, die kurz vor ihrem Schulabschluss stehen, einen konkreten Einblick in seinen Ausbildungsberuf geben: „Als mir mein Ausbildungsleiter, Lars Ringer Jörg Wagener, dieses Ehrenamt angeboten hat, habe ich eine Chance gesehen, meine persönlichen, positiven Erfahrungen an andere junge Menschen weiterzugeben“, freut sich der 19-Jährige, der gemeinsam mit Ausbildungsbotschaftern weiterer Unternehmen in Celle unterwegs war. Für seinen ersten Einsatz hielt der engagierte Rheinmetall-Azubi vor jeweils rund 20 Schülern aus zwei Oberschulklassen einen vorbereiteten Kurzvortrag – mit guter Resonanz: „Die Schüler haben interessiert zugehört und nachgefragt.“ Berichtet hat er über seine vielfältigen Erfahrungen des sehr prägenden ersten Ausbildungslehrjahres: „Ich habe den Schülern erzählt, welche manuellen Grundfertigkeiten man erlernen kann, wie zum Beispiel das konventionelle Fräsen, also das spanabhebende Bearbeiten von Metallen und Kunststoffen mittels eines Fräswerkzeuges.“ Sein Anliegen war es, den Schülern die Scheu vor dem Start ins Berufsleben zu nehmen: Unterlüß/ „Bei uns sind die AzuLüneburg/Wolfsburg. bis zu Beginn ihrer Als eines der ersten UnternehA u s b i l d u n g s ze i t men im Landkreis Celle engagiert sich noch nicht in das die Rheinmetall Waffe Munition GmbH in tägliche ProdukUnterlüß für das Pilotprojekt „Ausbildungsbottionsgeschäft schafter“, an dem sich rund 60 Unternehmen mit eingebunden. über 90 Ausbildungsbotschaftern in der Region beOhne Druck teiligen. Das EU-Projekt wurde von der Industrie- und können wir Handelskammer (IHK) in Lüneburg-Wolfsburg initiiert, um in der AusSchülern beim Übergang von der Schulzeit ins Berufslebildungsben berufliche Orientierung zu geben. Die Idee des Prowerkstatt an jekts ist, dass Auszubildende, die sich bereits im zweiten der Maschine ‚üben‘ oder dritten Lehrjahr befinden, Schülern an allgemeinund werden und berufsbildenden Schulen ihren Ausbildungsberuf dabei sehr gut näherbringen. Lars Ringer ist der erste ausgewählte von den MeisBotschafter des Unterlüßer Unternehmens, der tern betreut.“ für den Ausbildungsberuf des ZerspanungsRinger, der sich mechanikers unterwegs ist; Anfang Demittlerweile im zember 2014 hatte er seinen ersten zweiten Lehrjahr beEinsatz bei einer Oberschufindet, hat den Schüle in Celle. lern auch Fragen zur beruflichen Weiterentwicklung beantwortet. So lernen Auszubildende bei Rheinmetall nicht nur handwerkliche Fertigkeiten kennen, sondern im zweiten Lehrjahr auch den Umgang mit computer- auf ann Unterlüß. Wer Auszubildende für sein Unternehmen gewinnen will, muss mitunter neue Wege bei der Rekrutierung des Nachwuchses gehen. Im Rahmen des EU-Projektes „Ausbildungsbotschafter“ der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg wirbt die Rheinmetall Waffe Munition GmbH in Unterlüß frühzeitig für die im Hause angebotenen Ausbildungsberufe und die Förderung betriebswirtschaftlichen Denkens. 15 Ausbildungsplätze in unterschiedlichsten Berufszweigen wollen jedes Jahr mit engagiertem Nachwuchs neu besetzt werden. „Die Sicherung des Nachwuchses hat für unsere Firma eine sehr hohe Priorität. Der Ausbildungsbotschafter als wichtige positive Schnittstelle zwischen Schule und Unternehmen spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle“, sagt Werner Wegat (Foto rechts), Leiter Human Resources bei der Rheinmetall Waffe Munition GmbH in Unterlüß. Die Kooperation mit Schulen ist eine gute Möglichkeit, frühzeitig mit potenziellen Auszubildenden in Kontakt zu treten. „Wir stellen fest, dass bisher bewährte Kanäle, zum Beispiel Stellenanzeigen und -börsen, vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräfteman- Augenhöhe als Ausbildungsbotschafter unterwegs gels nicht mehr ausreichen, um qualifizierte Bewerber zu gewinnen“, sagt Jörg Wagener, Abteilungsleiter Personal für den Defence-Geschäftsbereich Weapon & Munition. Für den 48-Jährigen, der bereits seit 16 Jahren für die Firmengruppe arbeitet, sind gerade Auszubildende in der zeitlichen Mitte ihrer Ausbildung als Botschafter die idealen Ansprechpartner für Schüler: „Die eigene Schulzeit mit den seinerzeit vorhandenen Einstellungen und Werthaltungen liegt noch nicht so lange zurück. Außerdem verfügen sie bereits über eine ganze Palette an fachlichen und sozialen Erfahrungen aus dem Berufsle- Ausbildungsbotschafter Lars Ringer und Personalleiter Jörg Wagener mit dem Unterlüßer Azubi-Team und den beiden Ausbildern Petra Främke (Hintergrund rechts) und Thomas Meyer. ben und wissen damit bereits, worüber sie reden.“ Das Pilotprojekt „Ausbildungsbotschafter“ ist auf positive Resonanz gestoßen; gesteuerten Maschinen, zum Beispiel CNC-Fräsmaschinen, um kompliziertere Werkstücke wie Konturen zu fräsen. Und im dritten Lehrjahr werden hochwertige Werkstücke bearbeitet, die für Waffenanlagen eingesetzt werden. Damit die Schüler etwas zum „Anfassen“ bekommen, hat Ringer bei diesem ersten Einsatz auch Werksteile mitgebracht, die er oder andere Azubis in der Ausbildungswerkstatt gefertigt haben. Wenn Lars Ringer das dritte Lehrjahr mit einer Prüfung erfolgreich abgeschlossen hat, will er das von der Firma angebotene Duale Studium zum Maschinenbauingenieur in Anspruch nehmen: „Das ist ein wirklich tolles Angebot, bei dem man im Beruf arbeiten und gleichzeitig studieren kann. Über diese Möglichkeit zur Weiterbildung und auch die Qualifizierung zum Techniker oder Meister hat er den Schülern berichtet.“ Für ihn war Rheinmetall in Unterlüß ein Glücksgriff: „Neben den vielen Entwicklungschancen haben wir ein super Betriebsklima. Man kann die Meister alles fragen, und etliche der anderen Auszubildenden sind mittlerweile meine Freunde geworden.“ Für den Einsatz als Ausbildungsbotschafter wurde Lars Ringer gut vorbereitet; er hatte – wie auch andere Ausbildungsbotschafter – an einem ganztägigen Präsentationsseminar der IHK teilgenommen. Die im Seminar gelernten Techniken der Moderation und Kommunikation waren für ihn ebenso hilfreich wie das ganz konkrete Feedback zu seinem eigenen Vortrag. „Mit dem Projekt wollen wir auch dazu beitragen, dass Auszubildende ihre soziale Kompetenz stärken“, erläutert Kirsten Deising, Ausbildungsplatzkoordinatorin der IHK Lüneburg-Wolfsburg. Im Anschluss an seinen Vortrag standen Lars Ringer und die anderen Ausbildungsbotschafter für persönliche Gespräche mit den Schülern bereit: „Ein Schüler ist auf mich zugekommen, weil er sich in unserem Unternehmen bewerben möchte. Ich habe ihm konkrete Tipps zur Bewerbung und zum Einstellungstest gegeben.“ Der gebürtige Dannenberger (Elbe) hat auch Fragen zu weiteren, von der Firma angebotenen Ausbildungsberufen, wie zum Beispiel Industriemechaniker oder Technischer Produktdesigner, beantwortet. „Es hat mir Spaß gemacht, den Schülern Lust auf eine tolle Ausbildung zu machen, ihnen die Scheu vor dem ersten Tag im Ausbildungsbetrieb zu nehmen und sie dazu zu ermutigen, sich bei unserem Unternehmen zu bewerben.“ Annette Neumann Unternehmen hat bereits gute Kontakte zu Schulen in Unterlüß und Suderburg geknüpft; im Rahmen eines Projektes „Jugend forscht“ bestand zum Frühzeitig finden und gezielt fördern daher sollen die Einsätze des Botschafters auf weitere Schulen im Landkreis Celle ausgedehnt werden. Das zum Rheinmetall-Konzern gehörende Beispiel eine Kooperation mit dem Christian Gymnasium in Hermannburg. Darüber hinaus arbeitet Rheinmetall in Unterlüß auch mit dem Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft zusammen, um die Unternehmenspräsenz vor Ort zu verstärken. Als Kooperationspartner von Schulen bietet das Bildungswerk eine fünftägige PC-gestützte Unternehmenssimulation an, bei dem die Schüler in die Rolle von Führungskräften schlüpfen und auf betriebswirtschaftliche und unternehmerische Fragestellungen vorbereitet werden. Wagener: „Dabei wird ein starker Praxisbezug hergestellt, der als erste echte Schnittstelle zwischen Schule und Beruf betrachtet werden kann.“ Fotos: Katja Knöfel (1)/Thomas Klink (5) Werk in progress msc Neuss. Rund 1400 Mitarbeiter mit ihren Partnern sowie etliche prominente Gäste – darunter neben Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Rheinmetall-Vorstandschef Armin Papperger zahlreiche Vertreter der städtischen Behörden, der am Bau beteiligten Gesellschaften und von Nachbarunternehmen auf der Hafenmole – feierten am 24. Oktober 2014 die Eröffnung des neuen Pierburg-Werks Niederrhein in Neuss („Das Profil“ 1/2014). Auf das Get-Together in lockerer Atmosphäre und die Möglichkeit eines Rundgangs durch die neuen Produktionsanlagen folgte ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm, charmant präsentiert von Moderatorin Angela Julie Wadenpohl. KSPG-Vorstandschef Horst Binnig resümierte in seiner Eröffnungsrede einmal mehr, dass das neue Werk ein deutliches Bekenntnis zum Standort Neuss sei. Der Komplex wurde in nur zwölf Monaten erbaut und bietet auf 28 000 Quadratmetern Produktions-, Verwaltungs- und Lagerfläche Platz für über 700 hochmoderne Arbeitsplätze. Bereits im Frühjahr vergangenen Jahres konnte Pierburg mit dem Bezug beginnen; einem detaillierten Zeitplan folgend, wurden schrittweise Fertigungsanlagen aus den beiden Standorten Neuss und Nettetal in das Werk Niederrhein transportiert und dort aufgebaut. Bis Mitte 2015 sollen alle Nettetaler Mitarbeiter an den neuen Werksstandort gewechselt haben. Bereits in der Planung des Bauvorhabens hatte der Neusser Automobilzulieferer großen Wert auf eine nachhaltige Bauausführung gelegt und schon im Vorfeld erklärt, dass eine DGNB-Silberzertifizierung angestrebt werde. Dazu PierburgChef Olaf Hedden: „Wir sind als Automobilzulieferer spezialisiert auf Komponenten zur Schadstoffreduzierung und zur Verbrauchsminderung. Daher ist es für uns selbstverständlich, dass auch unser neues Werk strengen Nachhaltigkeits-Kriterien entsprechen muss. Das Projekt Niederrhein wird zu einem Leitwerk in seinen Produktbereichen innerhalb der internationalen Standortstruktur von Pierburg werden.“ F otos: R a l f G r o t h e (8 )/ M ic h a el Re e nn r tz (7 ) msc Hannover. Zum 65. Mal fand im Frühherbst 2014 die IAA Nutzfahrzeuge (Nfz) in Hannover statt; die Fachmesse gilt als eine der weltweit wichtigsten Messen rund um die Logistik und Mobilität der internationalen Nfz-Branche und zeigte auf rund 265 000 Quadratmetern Fläche die gesamte Wertschöpfungskette dieses Fahrzeugsegments. Die stärkste Ausstellergruppe stellten einmal mehr die Zulieferer dar; von ihnen stammten auch rund siebzig Prozent der gezeigten Innovationen. Insgesamt stieg die Zahl der Aussteller um neun Prozent auf 2066. Mit dabei: die KSPG AG, die sich erstmals auf einem neuen Standplatz in Halle 16 und mit einem deutlich vergrößerten Messestand von rund 170 Quadratmetern Fläche präsentierte. Neuentwicklungen und innovative Komponenten für Nutzfahrzeugmotoren standen auf dem Programm, darunter beispielsweise ein Thermomanagementmodul für batterieelektrische Anwendungen. Durch die Nutzung einer Wärmepumpenfunktion kann der erforderliche Energiebedarf für das Heizen deutlich reduziert werden, was der Reichweite des Fahrzeugs zu gute kommt. Das Modul ist als wesentlicher Bestandteil des Klimatisierungssystems vorgesehen und klimatisiert hauptsächlich den Fahrgastraum sowie den Fahrerarbeitsplatz; vorhandene Aggregate wie der Antriebsmotor und der Generator werden dabei in einer innovativen, bislang nicht bekannten Weise als Wärmequellen in den Wärmehaushalt des Fahrzeugs eingebunden. Die Pierburg GmbH – innerhalb KSPG spezialisiert auf Schadstoffreduzierung und Verbrauchsminderung – präsentierte mechatronische Komponenten für Nutzfahrzeuge, darunter neue elektropneumatische Wandler und Ölventile sowie komplette Kühlermodule, die durch die konsequente Systemintegra- „on demand“ arbeiten und damit Kraftstoff sparen. Die KS Kolbenschmidt GmbH hat momentan weltweit Stahlkolben mit Durchmessern von 95 bis 150 Millimetern für neue Nutzfahrzeugprogramme in der Entwicklung. Auf der höhe und schafft in Kombination mit einem verlängerten Pleuel eine Reduzierung der Reibkräfte. So werden maßgeschneiderte Lösungen für teilweise konträre Forderungen präsentiert, die den Kraftstoffverbrauch reduzieren. Ein Highlights im Messejahr 2014 tion von Komponenten wie AGR-Ventil, Abgasklappen, Drosselklappenstutzen und AGR-Kühler die Reduzierung von Entwicklungs- und Applikationskosten ermöglichen. Außerdem wurden moderne Pumpenkonzepte vorgestellt, die Messe in Hannover informierte der Hersteller unter anderem über zwei Konzepte aus diesem Bereich: Das erste optimiert die Kühlung und erreicht damit eine Verringerung des Kühlölbedarfs; das zweite setzt auf eine minimale Bau- Frankfurt am Main. Eine zweite hochkarätige Messe war die Automechanika in Frankfurt am Main (16. – 20. September 2014). Die MS Motorservice International GmbH präsentierte sich auf knapp 500 Quadratmetern Fläche in Halle 5 auf einem Gemeinschaftsstand mit den deutschen Tochtergesellschaften MS Motorservice Deutschland GmbH und BF Germany GmbH. Anwesend waren außerdem Vertreter der Tochtergesellschaften aus Frankreich, Spanien, der Türkei, Brasilien und China. Eines der Messehighlights war der neue Onlineshop des Ersatzteilspezialisten. Er verfügt über eine deutlich überarbeitete Oberfläche mit intuitiver Benutzerführung und Features wie umfangreiche Suchmöglichkeiten, eine effiziente Bestellabwicklung und Verfolgung sowie Zusatzinformationen rund um die Produkte und Bestellungen. Außerdem wurden KS Stahlkolben für Nutzfahrzeuge und Industriemotoren gezeigt. Im Unterschied zu Pendelschaftkolben, die aus einem Oberteil aus Stahl und einem über den Bolzen verbundenen Schaft aus Aluminium bestehen, sind bei Monomaterialkolben aus Stahl neues Dreistofflager-Konzept KS R55Q für Hauptlager in leichten und mittelschweren Lkw und Bussen stellte die KS Gleitlager GmbH vor. Im Zusammenspiel der einzelnen Komponenten erreicht das Stahl-Aluminium-Polymer- höhere Kräfte, Temperaturen und Drücke realisierbar, so dass strengere Abgasnormen erfüllt werden können. Als einer der ersten wird Motorservice Stahlkolben künftig auch im Aftermarket anbieten. Ein weiteres, auch visuell deutlich erkennbares Thema war der neue Marktauftritt der KSPG AG, für deren Aftermarket-Geschäft die Motorservice-Gruppe zuständig ist. Innerhalb des neuen Auftritts zeigt sich der Ersatzteilspezialist als eine der drei Divisionen von KSPG und betont damit stärker als bisher seine Kompetenz als Tochtergesellschaft eines OE-Zulieferers. Unter dem Gruppenslogan „Unser Herz schlägt für ihren Antrieb“ definiert sich Motorservice als Servicepartner rund um den Motor mit einem breiten Portfolio an Qualitätsprodukten und Dienstleistungen. Divisionschef Hansjörg Rölle: „Die Automechanika war einmal mehr ein Highlight im Jahresgeschehen, und unser Stand war an allen Tagen außerordentlich gut besucht. Viele neue internationale Kunden sind gekommen, bestehende Kontakte wurden gepflegt und neue geknüpft. Wir sind mit dem Messeergebnis rundherum zufrieden.“ msc Fotos: Kornelia Danetzki (27)/EAC GmbH/Messe Frankfurt Exhibition Gmbh, Michael Zargarinejad Lager ein B elastbarkeitsniveau, das deutlich über der Leistungsfähigkeit der existierenden Stahl-AluminiumZweistofflager liegt. Damit dringt es auf eine Leistungsstufe vor, welche bisher den wesentlich aufwändigeren Galvanik-Gleitlagern auf Bronzebasis vorbehalten war. Ein weiteres Messethema waren Stahl-Bronze-Kunststoff-Verbundgleitlager, die unter dem Markennamen „Permaglide“ laufen. Wartungsfrei oder wartungsarm werden sie überwiegend in automotiven Anwendungen eingesetzt. Betrachtet man den Aufbau eines Nutzfahrzeugs, so müssen vielfältige Fahrzeugsysteme (z.B. Motor, Getriebe, Achsen oder Hydraulik) zusammenwirken. Für viele von ihnen lässt sich die Lösung einer speziellen Lageraufgabe durch eine gezielte Kombination aus Werkstoff, Oberfläche und Formgebung aus dem Permaglide-Baukasten finden. KSPGVorstandschef Horst Binnig zeigte sich zufrieden mit der Messepräsenz: „Der Nutzfahrzeugmarkt gewinnt für uns – nicht zuletzt aufgrund der immer strenger werdenden Abgasvorschriften – immer mehr an Bedeutung. Wir können hier unsere langjährigen Erfahrungen und Innovationskraft aus dem Pkw-Bereich einbringen und mit Produkten zur Schadstoff- und Verbrauchsreduktion punkten. Die IAA Nutzfahrzeuge war in vielerlei Hinsicht ein voller Erfolg – wir hatten zahlreiche interessante und wichtige Kundenkontakte, qualitativ gute Gespräche und haben mit unserem neuen Marktauftritt unsere umfassende Kompetenz am neuen Standplatz professionell präsentiert.“ Profil: Mit Motorservice kommen Sie viel rum. Haben Sie noch einen Überblick, welche Länder Sie in den vergangenen Jahren bereist haben? Szopa: Das ist wirklich schwierig. In der Antarktis, da war ich auf jeden Fall noch nicht (lacht). Aber davon abgesehen habe ich tatsächlich schon sehr viel gesehen. Ich war auf jedem Kontinent. In Australien und Neuseeland, Amerika, so gut wie jedem Land in Europa und ganz Nordafrika mit Ausnahme von Libyen. Auch die restlichen Länder Afrikas habe ich zu einem großen Teil gesehen. In Asien war ich natürlich in Japan und China, aber auch in Korea. Vietnam ist eines der Länder, das mir noch fehlt und das mich persönlich noch sehr reizen würde. Profil: In welchem Land oder an welchem Ort haben Sie etwas für Sie ganz Besonderes erlebt? Was waren Ihre persönlichen Highlights? Szopa: Es ist wirklich schwer, etwas aus der Vielzahl der tollen Begegnungen und Orte hervorzuheben. Zum Beispiel der Tee in Saudi Arabien mit guten Geschäftspartnern aus Dubai, die man inzwischen schon als Freunde bezeichnen kann. Inzwischen war ich auch einige Male schon privat dort, zum Urlaub machen. Aber auch die netten Menschen in Sambia und Botswana oder der Flug über den Kilimandscharo sind mir noch in guter Erinnerung. Ein Highlight, das mich schon sehr beeindruckt hat, war sicher Machu Picchu in Peru. Der Himmel, das Blau – das ist gigantisch. Du bist ja praktisch oberhalb der Wolkendecke. Absolut beeindruckend. Und seitdem kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, wie sehr man die Höhe tatsächlich spürt. Man redet in Seminaren auf einmal Unsinn oder wechselt in eine andere Sprache, und alle Einheimischen lachen sich schlapp. Oder man merkt nach ein paar Treppenstufen, dass die Luft zum Atmen fehlt. Aufgrund dieser Höhenlage bin ich mit einem ganzen Koffer voll handgefertigter Teile, die ich den Einheimischen abgekauft habe, nach Hause gekommen. Unter normalen Umständen hätte ich das wahrscheinlich nicht alles gekauft! Profil: Bei den zahllosen Kontakten, die Sie berufsbedingt pflegen, läuft Ihnen doch sicher auch ab und zu Prominenz über den Weg? Szopa: Nun, ich hatte es schon hin und wieder mit wichtigen Personen zu tun, die in ihren Ländern prominent sind. Bei einem Seminar in Ägypten hatte ich zum Beispiel das Vergnügen, den stellvertretenden Verteidigungsminister als einen unserer Gäste persönlich begrüßen zu dürfen. Profil: Sie kommen ja in Gegenden, die viele Menschen nie in ihrem Leben sehen. Ist man da nicht manchmal überfordert? Szopa: Inzwischen hab’ ich so viel gesehen, da haut mich nichts mehr um. Man darf nicht pingelig sein. Man weiß vorher nie, ob man in einem guten Hotel unterkommt, oder eben in einem Zimmer für neun US-Dollar. Manchmal schläft man auch auf einen Fußboden mit ein paar Anderen zusammen. Aber das geht alles und ist definitiv eine Erfahrung. „In der Antarktis war ich noch nicht!“ Johann Szopa ist für die KSPG-Division Motorservice seit zwölf Jahren weltweit unterwegs Johann Szopa ist Globetrotter von Berufs wegen. Als Serviceingenieur hält der 57-Jährige für die KSPG-Division Motorservice auf der ganzen Welt Vorträge über Motorenteile, deren Einbau und deren Wartung. Deutlich mehr als 100 Tage im Jahr ist der gelernte Kfz-Handwerker auf Achse, gut 250 000 berufliche Reisekilometer kommen übers Jahr dabei im Schnitt zusammen. Von Russland über China bis Südafrika und Australien – Szopa kennt die fünf Erdteile wie seine eigene Westentasche. Obwohl es auch für ihn noch weiße Flecken auf dem Globus gibt – zum Beispiel die Antarktis oder in Südamerika. „Das Profil“ sprach mit dem gebürtigen Oberschlesier (Lambsdorf), der seit Juli 2002 beim Neuenstädter Aftermarket-Spezialisten MS Motorservice International GmbH arbeitet, der seinerseits geschäftliche Beziehungen in weit über 130 Ländern der Erde unterhält. Profil: Kamen Sie schon einmal in gefährliche Situationen? Szopa: Ich war in Ägypten und Tunesien, kurz vor der Revolution dort, oder in Syrien, eine Woche vor Kriegsausbruch – da hatte ich echt Glück mit meinem Timing. Aber mir ist noch nie etwas passiert. Manche sagen: „Du bist ja verrückt, da überall hinzugehen!“ Nach Saudi Arabien beispielsweise oder auch in den Iran. Aber das ist alles kein Problem. Das Schlimmste, was mir jemals passiert ist, war eine Reifenpanne nachts auf der Landstraße in Sambia. Mit unseren Handys hatten wir dort keinen Empfang. Aber selbst das war am Ende ein tolles Erlebnis: Ein Einheimischer, der zufällig vorbeikam, ist mit seinem Wagen einen Umweg von 50 Kilometern zu unserem Hotel gefahren und hat dort Bescheid gesagt, dass wir Hilfe brauchen. Und dann kam tatsächlich Hilfe vom Hotel angefahren. Ein Tipp für Afrika-Reisenden: Auf keinen Fall nachts fahren, egal, wie die Straßen aussehen. Es gibt wirklich unglaublich nette und freundliche Menschen, die man so auf Reisen trifft. Profil: Gehen Sie auch viel unter die Menschen und versuchen, etwas von deren Alltagsleben mitzubekommen? Szopa: Meine Frau ist manchmal neidisch, was ich alles für Orte kennenlerne. Aber manchmal sieht man wirklich nur den Flughafen, das Hotel und den Kunden und ist dann schon wieder weg. Ich war schon zweimal in Moskau, aber habe noch nie den Roten Platz oder den Kreml gesehen. Ich war oft in China – aber die Chinesische Mauer habe ich erst gesehen, als ich 2013 mit meiner Gattin Karin und meinem Sohn André dort Urlaub gemacht habe. Bei einem einzelnen Aufenthalt bekommt man sicher nicht viel mit, aber wenn man immer wieder kommt und auch die Menschen nach und nach kennenlernt, erhält man auch tiefere Einblicke. Oft war es so, dass ich durch meine beruflichen Aufenthalte gemerkt habe, dass mich ein Ort interessiert – und dann bin ich privat noch einmal als Urlauber dort hingefahren. Profil: Was macht Ihnen bei Ihrer Arbeit am meisten Spaß? Szopa: Neue Menschen und Kulturen kennenzulernen, das ist für mich das Größte. Man sollte einfach keine Angst oder Bedenken haben. Man muss offen sein. Ich freu’ mich immer auf ein neues Land, in dem ich bis dato noch nie war. Auf neue Leute, neue Gesichter. Man passt sich dann einfach den Gegebenheiten an. Wenn man zum Beispiel in einem muslimischen Land ist, in dem gerade Ramadan ist, dann macht man eben mit. Das ist aber auch kein großes Problem, daran kann man sich gut gewöhnen. Einzig mit dem Trinken muss man aufpassen. Vor allem in warmen Ländern verliert man natürlich viel Flüssigkeit. Profil: Was macht die KSPG-Division Motorservice – bzw. Ihre Firma MSI – Ihrer Meinung nach besonders? Was können Sie einfach besser als andere? Szopa: Ich denke, das Verhältnis zu den Kunden ist schon wichtig. Das ist manchmal wirklich freundschaftlich. Da hat man einen viel direkteren Draht zueinander, das prägt MSI. Jahrelange Beziehungen insgesamt. Es wird sehr honoriert, dass wir einen persönlichen Kontakt zu den Kunden pflegen und wirklich auch in entlegene Ecken eines Landes kommen, in die sich niemals ein Tourist verirren würde. Das ist für die Menschen eine Ehre, dass jemand aus Deutschland zu ihnen kommt und sich um sie kümmert und ihnen Motorkenntnisse vermittelt. Viele Mitarbeiter von Kfz-Werkstätten sind ja einfach Schrauber, Tüftler ohne jegliche Ausbildung, die sich all ihr Wissen selbst angeeignet haben. Die haben ja auch nie die Gelegenheit, über die Materie zu diskutieren, es sei denn, mit ihren Kollegen, die oft auch nicht mehr wissen. Da kommt man sich manchmal vor wie ein Lehrer. Aber meine Gastgeber hören gut zu, sind wissbegierig und wollen wirklich intensiv dazulernen. Profil: Was ist den Kunden besonders wichtig? Gibt es da vielleicht Unterschiede je nach Land und Leuten? Szopa: Das Teil muss ein „Original“ sein. Das ist für die meisten der Hauptpunkt. Vor allem, weil natürlich viele Fälschungen im Umlauf sind. Da hilft es auch, dass wir den Menschen zeigen, wie sie Originalteile von Fälschungen unterscheiden können. Wichtig ist natürlich immer der Preis, aber zunehmend auch die Qualität. Die Kunden wissen, dass sie mit uns sehr gute Qualität zu einem fairen Preis bekommen. Profil: Welches Feedback erhalten Sie von den Kunden bezüglich Ihrer Produkte? Szopa: Je weiter entfernt Sie von Europa und den Industrienationen sind, desto mehr konzentriert sich die Kundennachfrage auf KolbenschmidtProdukte. Für viele Kunden, gerade auch in arabischen Ländern, die ganz andere Schriftzeichen benutzen, ist vor allem das KS-Logo ein Zeichen, das sie sofort wiedererkennen. Bei Pierburg ist dieser Effekt weniger häufig, weil es vielerorts (noch) keine Emissionsgesetze oder Abgasnormen gibt, und der Bedarf an schadstoffreduzierenden Teilen dementsprechend geringer ist. In Israel ist Pierburg aber zum Beispiel sehr bekannt und gefragt; dort haben wir sogar einen Vortrag vor Vertretern des Umweltministeriums gehalten. Das Seminar hat, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, dazu beigetragen, strengere Emissionsgesetze in Israel zu verabschieden. Profil: Wofür schlägt denn Ihr Herz, abgesehen von der Arbeit? Szopa: Durch meinen Beruf ist das Reisen nach wie vor meine große Leidenschaft. Ansonsten schlägt mein Herz für Fußball und für meinen Garten. Ich habe riesige Bananenstauden, auf die ich sehr stolz bin. Die Gartenarbeit entspannt. Das brauche ich, immer ein bisschen zu schnipseln und mich um meine Pflanzen zu kümmern. Soweit es die Zeit zulässt, bin ich auch noch als Fußballschiedsrichter aktiv. Das 1 Spürfuchs ABC Der Fuchs ist schlau und schnell. Beide Attribute des legendären Reineke treffen auch auf den vielseitigen und bewährten Transportpanzer gleichen Namens zu. Sein schlaues Konzept erlaubt zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten, und mit seinem leistungsfähigen Fahrwerk (Antriebsformel 6x6) ist er nicht nur bis zu 100 Kilometer pro Stunde schnell, sondern auch in schwerem Gelände äußerst mobil. Bereits in den 1970er Jahren eingeführt, zählt der Radpanzer Fuchs noch heute zu den zuverlässigsten „Arbeitstieren“ der Bundeswehr. Rund 900 Fahrzeuge in mehr als 30 verschiedenen Varianten (davon 16 Varianten 1A8) werden die deutschen Streitkräfte weiter nutzen – ein großer Teil davon auf dem derzeit modernsten Konstruktionsstand Fuchs 1A8. In dessen Design – unten zu sehen – flossen die Erfahrungen aus den zahlreichen Auslandseinsätzen ein. Dies äußert sich durch verstärktes Fahrgestell und Antriebsstrang, höheres Schutzniveau, neues Staukastenkonzept sowie Integration einer fernlenkbaren Waffenstation. Das alles steigert das Gewicht zwar auf rund 20 Tonnen, aber an Agilität geht nichts verloren. Weltweit erlangte vor allem eine besondere Variante des Fuchses Berühmtheit: der zur Aufklärung atomarer, biologischer und chemischer Kampfstoffe ausgelegte „ABC-Spürfuchs.“ 102 befinden sich im Bestand der deutschen ABC-Abwehrtruppe, davon bislang acht in der 1A8-Version. Großbritannien hat derzeit elf Spürfüchse im Bestand, Norwegen nutzt sechs, ebenso die Niederlande, Saudi-Arabien zehn und die Vereinigten Arabischen Emirate 32. Von Rheinmetall stammt nicht nur das Trägerfahrzeug; vor allem für die umfassende Integration und Vernetzung der an Bord befindlichen Vielzahl unterschiedlichster Einzelsensoren zeichnet das wehrtechnische Systemhaus verantwortlich. Einen Ausschnitt dessen, was alles dazugehören kann, zeigt die Schnitt-Grafik auf der rechten Seite. Vier Mann bedienen in der Regel das System: Fahrer, Kommandant, Spürer 1 und Spürer 2. Von Rheinmetalls Kompetenz im Bereich der ABC-Abwehr (oder wie es heute neudeutsch heißt) CBRNE-Defence (Chemical, Biological, Radiological, Nuclear, Explosives) profitieren aber auch zivile Einsatzkräfte. So setzt beispielsweise die Feuerwehr in NordrheinWestfalen zivile ABC-Spürfahrzeuge mit Rheinmetall-Technologie ein. Der produktive „Fuchsbau“ befindet sich in Kassel: In den ehemaligen Henschel-Werken unterhält Rheinmetall MAN Military Vehicles bis heute alle notwendigen Voraussetzungen für Instandsetzung, Modernisierung – und Neufertigung von integrierten Systemen inkl. der zugehörigen Trägerfahrzeuge! So konnte durch den Auftrag der Vereinigten Arabischen Emirate aus dem Jahr 2005 zur Lieferung von 32 modernen, vollintegrierten ABC-Spürsystemen das neue Trägerfahrzeug Fuchs 2 entwickelt werden. Der weitere Erfolg dieses Produkts ist ein eindrucksvoller Beweis für die Richtigkeit dieser Strategie. So laufen aktuell in der documenta-Stadt die ersten Exemplare für Algerien von den Bändern; das nordafrikanische Land wird freilich demnächst die Endmontage seiner Fahrzeuge in eigens dafür eingerichteten heimischen Produktionsstätten vornehmen. jpw 2 3 4 5 6 7 1| Doppelradspürgerät – zwei silikonummantelte Räder zur lückenlosen, automatischen Erkennung sesshafter Kampf- und Gefahrstoffe am Boden während der Fahrt 2| Standoff-Infrarot-Detektor – er erkennt flüchtige chemische Gefahrstoffe in der Luft auf Entfernung 3| „ABC-Heck“ mit u.a. Röhrenmagazin zum Probentransport, Markerschleuse, Handschuhausgriff und Zange zur Probennahme 4| Massenspektrometer (hinter dem Bedienerplatz) zur chemischen Analyse der gesammelten Proben 5| Bedienerplatz mit der Rheinmetall-Software „NBC-Inspector“ – das Herzstück des ABC-Rüstsatzes 6| Zentrales Computersystem 7| Fernbedienbare Waffenstation FLW 200 – unter Schutz bedienbar, zur Selbstverteidigung 7 2 6 3 1 4 5 Auftritt zum Jubiläum viele setzte Akzente Rheinmetall Defence auf der Eurosatory 2014 in Paris jpw Paris. Geburtstag zweier Institutionen: Sowohl der Eiffelturm als auch Rheinmetall feierten 2014 ihr 125-jähriges Jubiläum. Kein Wunder also, dass die Eurosatory 2014 als bedeutendste europäische Wehrtechnikmesse für Landsysteme zu einem Höhepunkt wurde. 1504 Aussteller aus 58 Staaten, 707 akkreditierte Journalisten, 55 770 Besucher, 172 offizielle Delegationen aus 88 Staaten und von drei internationalen Organisationen – die internationale Fachmesse in Paris gehörte 2014 wieder einmal zu den Spitzenevents der Branche. Rheinmetall setzte dabei alleine schon mit seinem neuen Messestand Akzente: Über 1800 Quadratmeter Grundfläche und zwei durch eine Brücke verbundene zweigeschossige Pavillons boten viel Ausstellungsfläche; darüber hinaus sorgten sieben Besprechungsräume für einen repräsentativen Rahmen, um die vielen Gäste aus aller Welt empfangen zu können. „Mehr als 130 Delegationen aus 54 Staaten hatten sich bereits im Vorfeld angemeldet. Dazu kamen noch weitere überraschende Gäste, die wir ebenso gerne empfangen haben“, so Dr. Daniel Berger, der mit seinem Team in bewährter Professionalität die Standleitung wahrnahm. Den Messebesuchern bot sich am Rheinmetall-Stand ein Überblick über das umfangreiche Produktportfolio, das die gesamte Wirkungskette „vom Sensor bis zum Effektor“ abdeckte. Unter den dreizehn Großgeräten auf dem Außengelände gab es gleich drei Premieren: das geschützte Fahrzeug „Survivor R“, das Flugabwehrgeschütz „Oerlikon Revolver Gun Mk2“ sowie das automatisierte Mörsersystem „Vingpos Mortar Weapon Station“. Die besondere Stärke des Düsseldorfer Traditionsunternehmens ist es darüber hinaus, neue und bereits bewährte Produkte und Systeme zu schlagkräftigen Gefechtsverbunden zu vernetzen. Dabei kann Rheinmetall sehr flexibel auf Kundenwünsche eingehen. Genau dies zeigte das Unternehmen auf der Eurosatory unter anderem am Beispiel von Soldatensystemen. Neben der umfangreichen Produktpräsentation trug aber nicht zuletzt die Leistung des Eurosatory-Teams aus allen Rheinmetall-Bereichen zum Gelingen der Messe bei. „Es ist immer wieder eine Freude, diesen ‚Rheinmetall-Teamgeist‘ zu sehen“, so Dr. Berger zufrieden. Nicht zuletzt deshalb gehörte der Eurosatory-Auftritt zu den Höhepunkten im Jubiläumsjahr von Rheinmetall. Unter den 1504 Eurosatory-Ausstellern aus 58 Staaten war traditionell auch Rheinmetall-Defence. Zu den auf dem Pariser Messegelände ausgestellten Großgeräten zählten der MBT Evolution, der Bergepanzer 3 Büffel und der Pionierpanzer Kodiak. Fotos: Angela Blattner (25)/© scaliger – Fotolia.com Weit über 130 hochrangige Delegationen aus aller Welt besuchten Rheinmetall an seinem repräsentativ gestalteten, mehr als 1800 Quadratmeter großen Messestand, der sich u.a. durch zwei mittels einer Brücke verbundene, zweigeschossige Pavillons auszeichnete. Die „Hardware“ aus dem gesamten Defence-Bereich von Rheinmetall wurde zudem durch moderne interaktive Präsentationstechnik ergänzt – und natürlich standen die Mitarbeiter jederzeit bereit, dem Fachpublikum Rede und Antwort zu stehen. Deutsches Reich hält die Mehrheit N 1925 verliert Krupp seinen Einfluss auf Rheinmetall Illustrationen: Dirk Oberländer ach dem Ende des Ersten Weltkrieges hatten die Siegermächte, vor allem die Briten und die Franzosen, im Versailler Vertrag festgelegt, dass deutsche Unternehmen nur noch eine eng begrenzte Anzahl von Rüstungsgütern fertigten durften. Interessanterweise wurden als Fertigungsstätten meist solche ausgesucht, die in den Jahren bis 1918 die „Nummer 2“ bei ihren jeweiligen Produkten gewesen waren. So erhielten z. B. auf dem Gebiet der Handfeuerwaffen nicht die Mauser-Werke in Oberndorf das „permit“, die Erlaubnis zur Fertigung, sondern deren kleinerer Konkurrent, die Simson-Werke in Suhl. Und für den Bau der wenigen dem Reich erlaubten Geschütze wurde nicht der Essener Krupp-Konzern zugelassen, sondern Rheinmetall in Düsseldorf. Leben konnte das Düsseldorfer Unternehmen davon allerdings nicht, genausowenig wie von dem verlustträchtigen Fertigungszweig Lokomotivbau, der anstelle der militärischen Produktion aufgenommen worden war. Unruhen und Streiks, Auftragsannullierungen, weitreichende Zerstörungen von Einrichtungen durch die Franzosen und Belgier, die zu Beginn der 1920er Jahre Teile des Rheinlands und des Ruhrgebietes besetzt hielten, oder die Hyperinflation hatten Rheinmetall bis 1925 an den Rand des Ruins geführt. Nur durch Kapitalerhöhungen und die Ausgabe von An leihen konnte das Unternehmen aufrechterhalten werden – und durch ein hohes Darlehen des Deutschen Reiches. Über dessen Umwandlung in Gesellschafterkapital wurde von 1925 an, vor nunmehr 90 Jahren, das Deutsche Reich Großaktionär bei Rheinmetall. Seit 1928 besaß die reichseigene VIAG AG sogar die Kapitalmehrheit. Warum stieg das Reich in dieser Zeit bei Rheinmetall als Aktionär ein? Der Grund ist darin zu suchen, dass das Militär während der Weimarer Republik mit teils schweigender, teils offener Zustimmung der Regierung hinter dem Rücken der Alliierten Kontrollkommission eine in Teilen illegale Aufrüstung plante. Nun besaß Krupp allerdings seit 1909 die Mehrheit an Rheinmetall und damit weitreichenden Einfluss auf das Unternehmen, den das Reich nunmehr selbst ausüben wollte. Mit der Folge, dass Krupp herausgedrängt wurde: Der Essener Konzern, mittlerweile selbst wieder ein wichtiger Produzent von Rüstungsgütern, zog sich nach und nach bei Rheinmetall zurück. Die Reichsbeteiligung – samt ihren unheilvollen Auswirkungen auf die nachmalige Rheinmetall-Borsig AG während des Dritten Reiches – blieb bis 1956 erhalten. Die junge Bundesrepublik Deutschland ging nach 1956 den umgekehrten Weg: Die Unternehmen, die zur Ausstattung des Bundeswehr herangezogen wurden, sollten nicht im Besitz des Bundes sein. So wechselte Rheinmetall für fast ein halbes Jahrhundert in den mehr heitlichen Besitz der Röchling-Familie. lb Nitrochemie wird zivil Mit dem ersten Konzept zur „Herstellung ziviler Feinchemikalien“ wird 1965 die Grundlage zur Herstellung chemischer Zwischenprodukte bei der Nitrochemie GmbH in Aschau gelegt. 1965 Geld auf’s Konto 1965 führt Rheinmetall die bargeldlose Gehaltszahlung ein. Tod von Alfred Pierburg Der Pierburg-Gründer in Neuss, Alfred Pierburg, stirbt am 3. April 1975, wenige Tage vor der Vollendung des 72. Lebensjahres. 1975 1905 1915 1935 Erste Gleitlager Bei der Karl Schmidt GmbH werden 1935 die ersten Aluminium-Gleitlager hergestellt. 1985 Geschützproduktion startete vor 115 Jahren Neue Hauptverwaltung An der Ulmenstraße in Düsseldorf lässt Rhein metall ein neues Haupt verwaltungsgebäude errichten. Trennung von WMF Rheinmetall trennt sich nach einem erfolglos durchgeführten Kartellverfahren von der Beteiligung an der WMF AG. Start für den „Wiesel“ Die Krupp MaK-Maschinenbau GmbH liefert 1990 den ersten lufttransportfähigen, gepanzerten Waffenträger „Wiesel 1“ in den Versionen TOW und MK20 an die Bundeswehr aus. Neue Kolben für Nutzfahrzeuge Kolbenschmidt stellt 1985 einen neu entwickelten Pendelschaftkolben, der durch den Einsatz von Eisenwerkstoffen mit entsprechend höherer Festigkeit eine Alternative zum Aluminiumkolben darstellt, für die Serieneinführung in Nkw-Motoren zur Ver fügung. 1985 hielt nicht viel von Rheinmetall Frankreich als auch Großbritannien über das Rohrrücklaufgeschütz verfügten, musste das Deutsche Reich nachziehen. Und so kam es im Jahre 1904 zum ersten reichsdeutschen Geschützauftrag an Rheinmetall: die Umrüstung des starren Feldgeschützes C/96 in ein Rohrrücklaufgeschütz, das anschließend unter der Bezeichnung C/96 n. A. (= neuere Art) im Heer eingeführt wurde. In den folgenden Jahren wurde Rheinmetall zu einem ernsthaften Konkurrenten Krupps auf dem Geschützsektor. Ob Flugabwehrkanonen, Feld- und Gebirgsgeschütze, Mörser, Festungs- oder Belagerungsgeschütze – an der Aufrüstung des Deutschen Reiches vor dem Ersten Weltkrieg war Rheinmetall maßgeblich beteiligt. Das führte soweit, dass Krupp glaubte wissen zu müssen, was der Nachbar in Düsseldorf machte. Über die Börse kaufte Krupp heimlich RheinmetallAktien auf und erwarb dadurch bis 1909 die Mehrheit am Unternehmen. So gelang es den Krupp-Ingenieuren, Einblick in technische Unterlagen zu erhalten. Das Reich war nach 1918 nicht glücklich über den Einfluss, den Krupp auf Rheinmetall hatte – und das führt uns zur nächsten Geschichte auf dieser Seite. lb 1990 B edeutende Meilensteine in der Unternehmensgeschichte Rheinmetalls waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Patente Heinrich Ehrhardts zur Herstellung nahtloser Rohre für Patronen und Geschützrohre sowie seine Beteiligung an der Entwicklung des Rohrrücklaufgeschützes. Das Deutsche Reich nutzte allerdings die Technologie des langen Rohrrücklaufes nicht, denn bei der Heeres- und der Marinetechnik war Kaiser Wilhelm II. allzu sehr auf den Essener KruppKonzern und dessen starre Geschütze fixiert. Deswegen lud Rheinmetall ausländische Gäste aus Europa, den USA und sogar aus China nach Unterlüß ein und überzeugte einige von ihnen, z. B. die Militärs aus Großbritannien, Norwegen oder den USA, von der Qualität der Geschütze. Auf dieser Basis begann der Erfolg von Rheinmetall: Im Jahre 1900, vor nunmehr 115 Jahren, begann die Produktion von Geschützen einschließlich der Geschützrohre. Schließlich konnte sich selbst der Kaiser der neuen Technik nicht verschließen. Angesichts der Problematik, dass sowohl Wilhelm II. Beginn der Produktion in Unterlüß In Unterlüß wird die Fabrikation von Geschützpatronen aufgenommen. Täglich werden 2000 – 3000 Patronen gefertigt. Kolbenschmidt in den USA 1990 gründet Kolbenschmidt in den USA mit der Atsugi-Unisia Corp. ein Gemeinschaftsunternehmen für Kolben. Im Oktober startet im Werk Marinette die Produktion. GTK Für das deutsch/französische Projekt „Gepanzerte Transportfahrzeuge“ gründet Rheinmetall 1995 ein Konsortium zwischen den Firmen MaK System Gesellschaft mbH, Rheinmetall Industrie GmbH, Wegmann & Co. GmbH und KraussMaffai AG. 1995 geschichte(N ) 2 01 5 PzH 2000 Die Erprobung der Panzerhaubitze 2000 wird mit der Erteilung der Einführungsgenehmigung 1995 erfolgreich abgeschlossen. Protective Shield Rheinmetall präsentiert im Erprobungszentrum Unterlüß erstmals das Schutzsystem Protective Shield. 2005 14 Stiche inklusive Mit dem Bienen-Truck durch die USA Trucker-Romantik mit einem kleinen Stachel: Richard Kussmaul transportiert mit seiner Spedition „Busy Bee Transport“ Bienen quer durch Amerika. Stiche gehören zum Berufsalltag. KSPG-Marketingexperte Paul Klapproth aus Auburn Hills in Michigan hat den leidenschaftlichen Truckfahrer getroffen. Ungefähr vier Monate im Jahr ist Rich im Durchschnitt unterwegs. Mehr als 100 000 Meilen legt er dabei zurück, quer durchs Land, von seinem Heimatort in der Nähe von Ypsilanti, Michigan, geht es nach Wisconsin, Georgia oder Maine und bis nach Kalifornien. „Zum Glück übernimmt Jayce viele der Strecken für mich“, sagt der Spediteur, der zwei Lkw besitzt. Die vielbeschworene Trucker-Romantik auf Amerikas Highways – für Rich ist sie immer noch lebendig. Auch wenn die Fahrer mit immer strengeren Vorschriften konfrontiert werden: mehr Papierkram, höhere Anforderungen an die Buchführung, Bilanzprüfungen, Fahrzeuginspektionen, Ruhezeiten, Drogentests auf der Strecke. Allerdings sind durch neue Technologien die Zeiten auch sicherer und gemütlicher geworden: Sitzheizung, Servolenkung, Klimaanlage ßen wir nehmen können, und wo der Verkehr gering sein wird“, erläutert Rich. „Unterwegs benutzen wir ein spezielles Radio, um immer auf dem neuesten Stand der Verkehrsinformationen zu sein. Wenn es einen Stau oder eine Baustelle gibt, suchen wir uns eine alternative Route, damit wir zügig weiterfahren können.“ Regelmäßig inspiziert Rich seinen Lkw, um sicherzustellen, dass dieser in gutem Zustand ist. Mit dieser wichtigen Vorsichtsmaßnahme minimiert er Ausfallzeiten. Für den Ernstfall haben Vater und Sohn immer einen Vorrat an Gurten und Schläuchen dabei, um den Lkw selbst warten zu können. Und sie informieren sich vor der Fahrt, wo sich auf ihrer Strecke Service-Standpunkte befinden. Immer mit an Bord: eine Notfallausrüstung aus Feuerlöscher, ErsteHilfe-Kasten, Warndreieck, Warnwesten und einen sogenannten EpiPen – ein Autoinjektor, der Adrenalin enthält und bei einer Bienenstichallergie hilft. Illustrationen: Dirk Meissner (2)/Fotos: Dwight Cendrowski (2)/shutterstock (1) Auburn Hills. Richard Kussmaul hat einen Stich, manchmal sogar auch fünf oder noch mehr. Der 51-jährige Amerikaner – von Familie und Freunden schlicht Rich genannt – vereinbart zwei Leidenschaften zu einem ungewöhnlichen Beruf: Er transportiert Bienen mit dem Lkw. Regelmäßig holt Rich mit seiner Spedition „Busy Bee Transport“ hunderte Bienenstöcke ab. Er fährt sie zu Farmen oder Obstgärten – überall dorthin, wo Blüten bestäubt werden sollen. Für den Trucker ist das keine große Sache. Seit mehr als 25 Jahren macht er das schon. Unzählige Male wurde er bereits gestochen. „Ich habe schon mehr Stiche abbekommen, als ich mich erinnern kann“, erzählt der Bienenmann lachend. „Erst neulich kam es während des Verladens zu einem Unfall, 36 Stiche waren die Folge.“ Rich nimmt es gelassen. Normalerweise trägt er keinen Schutzanzug, wenn er mit den kleinen Tieren arbeitet. Die Bienen, die sich auf seine Arme und Beine, sein Gesicht oder seinen Bart setzen, wischt er lässig weg. Rich liebt seinen Job: „Ich finde es großartig, auf diese Art den Lebensunterhalt für mich und meine Familie zu verdienen.“ Gerne erinnert er sich an seine erste Zeit im Bienenbusiness zurück. Richs Vater war Imker. Bereits als Zwölfjähriger half er ihm bei der Arbeit. „Ich bekam zehn Dollar pro Stunde – damals viel Geld für einen Jungen in meinem Alter!“, sagt Rich. „In meiner Jugend habe ich mich zwar anund bequeme Schlafmöglichkeiten gederen Dingen zugewandt. Doch als mein hören heute zur Grundausstattung. Sind Vater im Jahr 1986 pensioniert wurde, trat Vater und Sohn gemeinsam unterwegs, ich in seine Fußstapfen.“ Er kaufte sich wechseln sie sich mit dem Fahren ab. In einen Semi-Traktor mit Anhänger ihrem Lkw ist ein Doppelbett einund half einem Freund, Biegebaut, auf dem sie sich nen zu transportieren. ausruhen können. Die als Dabei packte ihn die Die richtige Plabesonders zuverlässig Leidenschaft – nung ist ausgeltenden Fahrzeuge des im Jahdie Firma „Busy schlaggebend re 1900 gegründeten US-Unternehmens Bee Transbeim BienenMack Trucks Inc. tragen eine Bulldogge als Emport“ war getranspor t. blem. Angeblich rührt dies aus einem für ihre chaboren. Die Bekommt rakteristische Mack-Silhouette vergebenen SpitznaZulassung, Rich einen men her. Fakt ist jedenfalls, dass besonders die Medien schwere n e u e n Trucks der Marke Mack lieben. Die Langstrecken-SchwerG ü t e r Auf trag, gewichtler der fahren muss er amerikanischen und verden AbHi g h ways haladen zu lauf der ben sich zu Leindürfen, Reise dewandhelden entwickelt und sind vielen Menschen nicht hatte er taillier t zuletzt aus dem Kult-Film „Convoy“ in Erinnerung. zuvor beim festlegen Mack gehört heute zu Volvo Truck und nutzt deren US Marine – den Tag Motorenplattformen. Unter der formschönen Corps erworder Abreise, Mack-Haube vertrauen die Entwickler bei alben. Heute ist die Uhrzeit der len Euro 4- bis Euro 6-Motoren auf medas Geschäft Abholung der chanische variable Wasserpumpen mit den Bienen ein Bienen und die sowie auf Ölpumpen „made Familienbetrieb: SeiZeit, die er benötigt, by Pierburg“. ne Frau Patrice kümmert um zum Bestimmungsort sich um Planung und Buchfühzu gelangen. Bienen gelten als rung, sein 23-jähriger Sohn Jayce begleitet lebende Fracht; der Lkw muss die ganze ihn bei den Transporten. „Selbst unser Jack Zeit fahren – sonst besteht die Gefahr, Russel Terrier Cheyenne leistet uns bei den dass sie sich überhitzen oder ersticken. Fahrten Gesellschaft“, erzählt Rich. „Wir überlegen vorher genau, welche Stra- Mack Trucks Sind Rich und Jayce am Abholort der Bienen angekommen, dauert es mehrere Stunden, bis der Lkw vollständig beladen und alles mit Netzen befestigt ist. „Für gewöhnlich befördern wir je 400 bis 500 palettierte Bienenstöcke zu einer Farm. In jedem Stock befinden sich zwischen 30 000 und 60 000 Bienen – wir transportieren also ungefähr 20 Millionen Bienen auf einmal“, zählt Rich auf. Wenn die beiden ihr Ziel erreicht haben, kann das Entladen ebenfalls mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Bienentransporte sind das Hauptgeschäft der Kussmauls, aber sie befördern nicht ausschließlich die gelb-schwarz gestreiften Insekten: Auf der Fahrt nach Hause holen sie häufig noch Waren ab, die sie auf ihrer Route mittransportieren können. Zwischendurch waschen die beiden ihren Lkw immer mal wieder ausgiebig. „Ein sauberer, frisch gewaschener Lkw hat bessere Chancen, durch Wiegestationen und Inspektionen zu kommen als ein schmutziger“, sagt Rich. „Zum Glück nehmen sich Inspekteure nur widerwillig ein Fahrzeug vor, in welchem Millionen von Bienen transportiert werden.“ Was für Rich wohl der schönste Teil seiner Arbeit ist? „Das Land zu sehen! Es gibt keinen besseren Blick, als den durch das Fenster eines Trucks“, sagt der amerikanische Bienenmann. Fotos: Ariane Gehlert (14)/CADMANN Das Unternehmerstadt-Puzzle ist perfekt: Mit dem Delta-D-Immobilienprojekt wird derzeit die letzte Baulücke auf dem ehemaligen Rheinmetall-Areal im Norden der nordrheinwestfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf geschlossen. Die Bauarbeiten im Stadtteil Derendorf starteten im März vergangenen Jahres; mittlerweile sind Grundsteinlegung und …..??? erfolgt, und das rund 60 Millionen € teure Immobilienprojekt, in das die neue Konzernzentrale der Rheinmetall AG integriert sein wird, nimmt auch sicht- und greifbar Form an. Der Gebäudekomplex mit seinen beiden deltaförmigen Neubauten und dem als architektonisches Bindeglied fungierenden, rund 100 Jahre alten und original wieder aufgebauten Backsteingebäude stellt eine spannende Mischung aus alter und moderner Architektur dar – Tradition und Moderne in konstruktivem Mix. „Profil“-Fotografin Ariane Gehlert hat den Baufortschritt von DeltaD in den zurückliegenden zwölf Monaten mit der Kamera begleitet; ihre effektvoll inszenierten, immer wieder gezielt mit (Gegen)Licht spielenden Aufnahmen spiegeln eine emotional ansprechende Ästhetik wider. Und zeigen ganz nebenbei, wie – mit kreativen Augen gesehen – aus einer „einfachen“ Baustelle ein durchaus künstlerisch gestaltetes Objekt werden kann. rds DELTA D Düsseldorf/Neuss/Neckarsulm. Etwa ein Zehntel aller Beschäftigten in Deutschland – vom Geschäftsführer bis zum Mitarbeiter in der Fertigung – konsumieren regelmäßig Alkohol am Arbeitsplatz. Mindestens fünf Prozent gelten als alkoholabhängig, weitere zehn Prozent sind – so das Ergebnis einer Expertenbefragung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen – alkoholgefährdet. Auch die Zahl derjenigen, die von Medikamenten wie etwa Schmerz-, Schlafund Beruhigungsmitteln abhängig sind, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Menschen, die suchtabhängig sind, sind oftmals häufiger krank als ihre Kollegen und erbringen nur 75 Prozent ihrer durchschnittlichen Arbeitsleistung. Die KSPG-Firmengruppe, der Unternehmensbereich Defence und die Holdinggesellschaft des Düsseldorfer RheinmetallKonzerns nehmen ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeber ernst. Im Jahr 2000 führte KSPG die Betriebsvereinbarung „Sucht“ ein, um gesundheitsbewusstes Verhalten zu fördern und den betroffenen Mitarbeitern Hilfe anzubieten. Im Mai 2014 hat der Unternehmensbereich Defence eine Rahmenvereinbarung zum Gesundheitsmanagement abgeschlossen, die auch das Thema Sucht-und Sozialberatung beinhaltet. Welche Tragweite sich hinter dieser Thematik verbirgt, und wie Betroffenen zum Beispiel konkret geholfen werden kann, das und vieles mehr stellt das „Profil“-Redaktionsteam auf dieser und den drei folgenden Seiten ausführlich vor. Helfen statt pflicht nachkommen. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Führungskräfte wissen, wie man auf die Verhaltensauffälligkeiten von Suchtkranken richtig reagiert. Falsch verstandene RückAngebote für suchtgefährdete Mitarbeiter sichtnahme ist an dieser Stelle fatal, weil sie dem Betroffenen erlaubt, dem Problem auszuweichen“, bekräftigt KSPGPersonalvorstand Peter-Sebastian Krause, in Personalunion Generalbevollmächtigter der Rheinmetall AG. Die Betriebsvereinbarung „Sucht“, die die KSPG-Firmengruppe im Jahr 2000 eingeführt hat, regelt den Umgang mit der Problematik „Sucht am Arbeitsplatz“ und bestimmt das Vorgehen mit Suchterkrankungsfällen: Unter anderem sind darin die Aufklärungsverantwortung der Suchtkommission, Schulungsmaßnahmen Mit und Hilfsangebote aufgeführt. „Hilfe anzubiedem Griff ten unter absoluter Schweigepflicht und mit der zur Flasche Sicherheit des Arbeitsplatzes ist unsere Kernoder zu Medikabotschaft an die betroffenen Mitarbeiter. Denn menten versuchen wir wollen die Gesundheit unserer Arbeitnehmer Menschen, Probleme zu nachhaltig erhalten“, skizziert Wolfgang Tretlösen. Nach Einnahme ist die bar, Vorsitzender des Konzernbetriebsrates der Welt scheinbar wieder in Ordnung. Rheinmetall AG. „Mittelfristig sollte eine entspreDrogenkonsum verschafft eine zeitweichende Betriebsvereinbarung für die jeweiligen se Leistungserhöhung, Angst- und SchmerzDefence-Geschäftsbereiche eingeführt werden: freiheit, Entspannung oder seelische und körEine ‚Aufklärungsinitiative‘ ist sicherlich erforderperliche Grenzerfahrungen. Außerdem verhelfen lich, um auch die Vorgesetzten ‚mitzunehmen‘. Suchtmittel zu einer zeitweisen Flucht aus drüDenn die Umsetzung einer solchen Vereinbarung ckender Realität. Greifen Frauen eher nach Mesteht und fällt mit den handelnden Personen.“ dikamenten in Erwartung einer entlastenden AbDie Suchtprävention ist im Rahmen des bei grenzung gegenüber familiären Anforderungen Rheinmetall europaweit geltenden betrieblichen und um Trauer- und Angstgefühle zu dämpfen, Gesundheitsmanagements eine der vier tragenneigen Männer eher zu einem übermäßigen Alden Säulen, die das System gemeinsam mit den koholkonsum, um berufliche Belastungen und Säulen Arbeits- und Gesundheitsschutz, BeSpannungen zu reduzieren. „Im Verhältnis sind triebliches Eingliederungsmanagement und Gezwei Drittel unserer männlichen Patienten alkosundheitsförderung trägt. Die Idee, die dahinter hol- und rund ein Drittel der Frauen medikamensteckt, ist, dass die einzelnen Säulen miteinantenabhängig. Die Medikamentensucht nimmt der vernetzt sind. Krause: „So ist zum Beispiel allerdings auch bei Männern zu“, stellt zum Beidas betriebliche Eingliederungsmanagement spiel Dr. med. Peter Subkowski, Ärztedirektor auch für Suchtkranke da, um sie nach Ausfallder Paracelsus-Berghofklinik in Bad Essen, fest. phasen zu unterstützen.“ Für den Facharzt für psychosomatische Medizin Suchtprävention bedeutet auch, frühzeitig sind an der Entstehung einer Abhängigkeit von Belastungen der Mitarbeiter zu erkennen. Sonja einem Suchtstoff viele Faktoren beteiligt: „NeGronauer, Personalleiterin der Pierburg GmbH ben einer genetischen Vorbelastung, sozialen im Werk Niederrhein in Neuss, liegt der Erhalt Beziehungen und biochemischen Auswirkungen der Gesundheit der Betroffenen besonders am der Droge ist die Suchtmittelabhängigkeit vor Herzen: „An unserem Standort werden alle Mitallem auf die seelische Persönlichkeitsstruktur arbeiter regelmäßig geschult. Dadurch werden eines Menschen zurückzuführen.“ Unternehmen insbesondere Führungskräfte in die Lage vertun sich häufig schwer im Umgang mit suchtmitsetzt, offen mit dem Thema umzugehen und telgefährdeten Mitarbeitern. Vorgesetzte, Personicht zu tabuisieren.“ Zum Suchtpräventionsnalfachleute und Betriebsräte reagieren mitunter programm zählt auch die vierwöchige berufsunsicher auf Mitarbeiter, die sich am Arbeitsplatz begleitende Ausbildung der internen Sucht-und auffällig im Zusammenhang mit Alkohol oder Sozialberater, die seit dem Jahr 2000 nach und Tabletten verhalten, krankheitsbedingt ausfalnach eingeführt wurde. len und verminderte Arbeitsleistungen zeigen. Für die Betroffenen sind die empathischen Die natürliche Reaktion der Betroffenen ist, dass Berater eine wichtige Vertrauensperson: Sie sie ihre Probleme verleugnen und alles dafür tun, begleiten die Mitarbeiter zu verschiedenen Anihren Suchtmittelmissbrauch zu verheimlichen. laufstellen wie Suchtkliniken und Diakonien, Dadurch wird das Problem verschleppt, der Bebieten moralische Unterstützung und betreuen troffene bekommt die benötigte Hilfe nicht oder Betroffene bei der Wiedereingliederung: „Hat zu spät, und dem Unternehmen entstehen mitder Betroffene nach einer Therapie Schwierigunter hohe betriebswirtschaftliche Kosten. keiten am Arbeitsplatz, versuchen wir ihn hier Kollegen und Vorgesetzte sind keine Therapeuzu unterstützen und nach Lösungen zu suchen“, ten, die eine Diagnose stellen können, ob ein Mitsagt Sabine Ziegler, die seit 2000 als Sucht- und arbeiter ein Suchtmittelproblem hat. Sie können Sozialberaterin bei der KSPG AG in Neckarsulm den Betroffenen aber auf auffälliges Verhalten arbeitet. Annette Neumann ansprechen und auf diese Weise ihrer Fürsorge- kündigen Konzernweite Illustrationen: Dirk Oberländer „Gesund führen gilt als erfolgreiche Strategie.“ Profil: Und wie steht es mit der Arbeit der Sucht- und Sozialberater? Krause: Vor allem die engagierte Arbeit der internen Sucht- und Sozialberater hat viel Positives bewirkt: Diese haben über die Jahre hinweg eine große Anzahl von Gesprächen geführt und Hilfe geleistet. Wir konnten bisher elf Sucht- und Sozialberater ausbilden, weitere 15 befinden sich in der Ausbildung. Wir sind überzeugt, dass es Sinn macht, das bei KSPG praktizierte Suchtpräventions-Modell oder ein vergleichbares Modell für die Mitarbeiter im gesamten Konzern zur Verfügung zu stellen. Profil: Wann soll die Übertragung auf die Defence-Sparte und die Düsseldorfer Holding erfolgen? Krause: Für die erfolgreiche Implementierung dieses Modells ist die Akzeptanz durch Führungskräfte, Mitarbeiter und Arbeitnehmervertreter von entscheidender Bedeutung. Wir bereiten uns derzeit darauf vor, die Gespräche mit allen Beteiligten aufzunehmen. troffenen eine wichtige Rolle im Krankheitsverlauf und bei der Wiedereingliederung nach Ausfallphasen zu? Krause: Im richtigen Umgang mit dem Problem Sucht am Arbeitsplatz hat der Vorgesetzte eine entscheidende Rolle. Typischerweise nimmt die Führungskraft zuerst Verhaltensauffälligkeiten im Zusammenhang mit Sucht wahr, auf die es richtig zu reagieren gilt. Falsch verstandene Rücksichtnahme ist an dieser Stelle fatal, weil sie dem Betroffenen erlaubt, dem Problem auszuweichen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Führungskräfte wissen, wie man auf die Verhaltensauffälligkeiten von Suchtkranken richtig reagiert. Profil: Die KSPG AG bietet bereits Seminare für Führungskräfte zum Thema „Sucht“ an – wie ist die Resonanz? Krause: KSPG-weit wurden alle Führungskräfte geschult. Die Sensibilisierung für dieses Thema konnten wir damit weiter fördern. Besonders gut kam an, das Thema nicht auf „Suchterkrankung“ zu beschränken, sondern feld gestaltet sein, damit Sucht und weitere gesundheitliche Schäden erst gar nicht entstehen beziehungsweise das Risiko dafür gemindert wird? Krause: Aus unserer Erfahrung entstehen die wenigsten Suchterkrankungen durch einen Faktor allein. Deshalb ist es nicht realistisch zu glauben, über die Gestaltung des Arbeitsumfeldes jegliche Suchterkrankung ausschließen oder ihr vorbeugen zu können. Viele schwierige Lebenssituationen entstehen außerhalb der Firma und des Arbeitsplatzes im privaten Umfeld, werden aber von den Betroffenen mitgebracht. Wenn dann das Arbeitsumfeld zusätzlich als belastend empfunden wird, kann dies eine an sich schon schwierige Situation weiter verschärfen. Profil: Wie setzen Sie an dieser Stelle an? Krause: Mit einem positiven Arbeitsklima, das unter anderem auch einen offenen, respekt- und vertrauensvollen Umgang miteinander voraussetzt. Ein solches Arbeitsklima verursacht nicht „Suchtprävention ist ein Gemeinschaftswerk“ „Profil“-Interview mit Peter-Sebastian Krause Profil: Warum fördert Ihr Unternehmen die Gesundheit der Mitarbeiter? Krause: Gesundheit ist nicht nur ein hoher individueller Wert, sondern auch von erheblicher Bedeutung für den unternehmerischen Erfolg. Als Unternehmen brauchen wir Mitarbeiter, die gesund und engagiert sind. Gleichzeitig sind die Anforderungen des beruflichen und privaten Alltags gestiegen. Unsere Initiativen im Rahmen des Gesundheitsmanagements sind darauf ausgerichtet, gesundheitlichen Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz vorzubeugen und Anregungen für eine gesunde Lebensführung zu geben. Profil: Welche Bedeutung hat die Suchtprävention in diesem Kontext? Krause: Die Suchtprävention ist eine der vier tragenden Säulen unseres „Hauses des Gesundheitsmanagements“. Arbeits- und Gesundheitsschutz, Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) und Gesundheitsförderung sind die drei anderen Säulen, von denen das System getragen wird. Die Basis für das System bilden die Mitarbeiter, und das Dach des Hauses ist der Lenkungskreis, der gemeinsam mit dem Gesundheitskoordinator die systematische Umsetzung aller Maßnahmen steuert und kontrolliert. Profil: Sind die Säulen miteinander verbunden? Krause: Ja! Kein Haus kann nur auf einer Säule stehen. Daher ist es wichtig, dass alle Säulen untereinander verbunden beziehungsweise vernetzt sind. So kann einerseits zum Beispiel über Gesundheitsmaßnahmen Stress reduziert und einer Sucht vorgebeugt werden; andererseits ist das betriebliche Eingliederungsmanagement auch für Suchtkranke da, um sie bei ihrer Wiedereingliederung zu unterstützen. Profil: Vor rund 15 Jahren führte die KSPG AG bereits die betriebliche Suchtprävention ein. Das sind rund eineinhalb Jahrzehnte Praxiserfahrung – was hat diese Investition aus Ihrer Sicht gebracht? Krause: Anlass bei der KSPG AG war eine aus persönlicher Erfahrung getriebene Initiative von Arbeitnehmern, Personalverantwortlichen und Vertretern der Betriebskrankenkasse. Die gemachten Erfahrungen haben unsere Erwartungen positiv übertroffen. Profil: Etwas konkreter bitte. Krause: Mit dieser Investition haben wir glaubhaft machen können, dass gerade beim Thema Sucht Maßnahmen realisiert werden können, die dem betriebswirtschaftlichen Interesse an geringen krankheitsbedingten ann Düsseldorf. Fragt man Peter-Sebastian Krause nach der Bedeutung der im betrieblichen Gesundheitsmanagement verankerten Suchtprävention, wird seine Grundhaltung schnell deutlich: „Menschen vor einer Suchterkrankung zu bewahren, sie in der Sucht zu begleiten und bei der Reintegration in die Arbeitswelt zu unterstützen, ist eine wichtige betriebliche Gesundheitsaufgabe.“ Die Rheinmetall AG nimmt ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeber von weltweit rund 21.000 Mitarbeitern sehr ernst. Das zeigt unter anderem die seit Mitte 2012 sukzessive umgesetzte, europaweit geltende Rahmenvereinbarung zum Gesundheitsmanagement des Konzerns: Mit Aktivitäten auf vier Gestaltungsfeldern – Arbeits-und Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung, Suchtprävention und Re-Integration – soll die Gesundheit der Mitarbeiter erhalten und gefördert, die Arbeitszufriedenheit erhöht und ein gesundheitsgerechtes Betriebsklima geschaffen werden. Die zum ganzheitlichen Gesundheitssystem gehörende Suchtprävention, die sich bei der KSPG-Firmengruppe sehr bewährt hat, soll auf die DefenceSparte und die Konzern-Holding übertragen werden – vorausgesetzt, dies findet Unterstützung und Akzeptanz bei den Arbeitnehmervertretungen und bei den Führungskräften. Zentrale Fragen in diesem Gesamtkontext sind zum Beispiel: Was können der Einzelne und der Betrieb zur Gesunderhaltung leisten, warum ist die Sucht-und Sozialarbeit ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Vorbeugung und der Bewältigung einer Suchterkrankung, und inwiefern kommt den Führungskräften eine Schlüsselrolle zu? „Das Profil“ sprach darüber mit Peter-Sebastian Krause, der seit Jahresbeginn 2014 Generalbevollmächtigter der Rheinmetall AG und Mitglied des Bereichsvorstands Defence mit der Zuständigkeit für Human Resources ist sowie seit Juli 2007 als Personalvorstand der in Neckarsulm ansässigen KSPG AG arbeitet. Der 1960 im schleswigholsteinischen Rendsburg geborene Jurist ist begeisterter Läufer und fährt sehr gerne Ski. Ausfallkosten Rechnung tragen und die gleichzeitig von den Betroffenen als echte Hilfestellung wahrgenommen werden. Nach meinem Eindruck rechnen es uns die Mitarbeiter und Führungskräfte hoch an, dass wir in Zeiten, in denen das Thema Kostensenkung höchste Priorität hat, in der Lage sind, ein solches Angebot zu machen. Sucht kennt keine sozialen Schichten Profil: Was verbinden Sie mit dieser Philosophie? Krause: Das Ziel, unsere Mitarbeiter positiv für unsere Unternehmung einzunehmen und dabei gleichzeitig einen wirkungsvollen Beitrag zur Reduzierung der negativen Effekte von Sucht im Betrieb zu leisten. Wir sind sicher, dass der Krankenstand nicht zuletzt auch durch diese Maßnahme über die zurückliegende Dekade nachhaltig reduziert werden konnte. Profil: Welche Rolle spielt die Suchtund Sozialarbeit bei der Suchtbewältigung? Krause: Eine bedeutende Rolle! Ein direkt Betroffener hat durch das Aufsuchen eines unserer Sucht- und Sozialberater die Chance, einen Ausstieg aus einer als ausweglos empfundenen Situation zu finden, anstatt in der Suchterkrankung eine vermeintliche Lösung zu suchen. Unsere internen Berater sind aber nicht nur für den Suchtkranken oder -gefährdeten oftmals erste und einzige Anlaufstelle, sondern stehen auch allen Mitarbeitern zur Verfügung, die Sucht – ob Alkoholabhängigkeit, Drogen- oder Spielsucht – in ihrem persönlichen Umfeld, beispielsweise bei Angehörigen, erleben müssen. Profil: Wie können interne Suchtund Sozialberater gezielt unterstützen? Krause: Betroffenen Menschen erscheint ihre eigene Situation zunächst ausweglos. Oft reicht in dieser Situation schon, dass der Kontakt zu Institutionen eröffnet wird, die kompetent helfen können. Hier setzt unser Sucht- und Sozialberatermodell an: Die Sucht- und Sozialberater arbeiten auch im Betrieb, das heißt beide Seiten kennen sich und haben bereits Vertrauen gefasst. Außerdem macht das direkte persönliche Umfeld es für die Betroffenen viel einfacher, sich bei Bedarf schnelle Hilfe zu holen. Profil: Warum kommt aus Ihrer Sicht dem Vorgesetzten des Be- um die Felder „Umgang mit Konflikten“, „Work-Life-Balance“ und „Burnout“ zu erweitern. Darüber hinaus hat die Schulung unseren Führungskräften auch erlaubt, eine Einschätzung der sie selbst treffenden Gesundheitsrisiken vorzunehmen. Profil: Gesund führen gilt als eine erfolgreiche Strategie. Wie fördern Sie diese Führungskompetenz? Krause: Wir haben zum Beispiel das Seminar „Gesundheitsorientiertes Führen“ in unseren konzernweiten Entwicklungsprogrammen für Führungskräfte, wie beispielsweise dem „Executive Development program“ (EDP) und dem „Young Manager program“ (YMP), als festen Bestandteil integriert. Darüber hinaus bieten wir es auch im Rheinmetall-Kolleg als Training für alle interessierten Führungskräfte an. Wie man Belastungen der Mitarbeiter erkennt und damit umgeht, wie man Gespräche führt und die Leistungs- und Widerstandskraft (Resilienz) der Mitarbeiter erhöhen kann, sind zum Beispiel Themen. Profil: Wie muss aus Ihrer Sicht das Um- nur keinen weiteren negativen Stress, sondern kann, wenn die Arbeit und Leistung Spaß machen, sogar als entlastend empfunden werden. Wenn in einer solchen Atmosphäre dann auch das Angebot zur Hilfe – durch unsere Sucht- und Sozialberater – angenommen wird, haben wir für die Betroffenen viel erreicht. Profil: Wie lassen sich suchtpräventive Angebote mit bereits existierenden Programmen der betrieblichen Gesundheitsförderung kombinieren? Krause: Die betriebliche Gesundheitsförderung besteht unter anderem aus Elementen wie gesunde Ernährung, Umgang mit Stress, RauchfreiSeminaren, Sportangeboten und einer angestrebten Work-Life-Balance. Wir sind der Überzeugung, dass unsere Mitarbeiter – wenn sie sich in diesen Feldern engagieren und auf ihre eigene physische und psychische Gesundheit achten – deutlich weniger Gefahr laufen, in eine Suchterkrankung zu geraten. „Die Sucht- und Sozialarbeit spielt bei der Bewältigung der Krankheit eine tragende Rolle.“ ann Bad Essen/Düsseldorf. Unter dem Motto „Leben ohne Sucht“ therapiert die ParacelsusBerghofklinik Bad Essen – sie ist eine von rund 90 Einrichtungen dieser Art in Deutschland – seit 1977 alkohol-, medikamenten- und cannabisabhängige Männer und Frauen mit Hilfe einer so genannten Entwöhnungsbehandlung. Diese dauert zwischen acht bis 15 Wochen. Der Entwöhnungsbehandlung geht in der Regel eine fünf-bis zehntägige Entgiftung voraus, die auf Einweisung des Hausarztes im Krankenhaus stattfindet und ausschließlich der Linderung körperlicher Entzugserscheinungen, wie zum Beispiel Zittern oder Schwitzen, dient. Leben ohne Sucht Ziel der Entwöhnungsbehandlung, die immer in Rehabilitationskliniken angeboten wird, ist es, die Betroffenen wieder fit für das Arbeitsleben zu machen. „Nach einer beruflich, familiär und persönlich konflikthaften Zeit können Patienten hier zunächst zur Ruhe kommen und mit Hilfe der intensiven Therapien die Linien für das bevorstehende suchtmittelfreie Leben legen“, sagt Dr. med. Peter Subkowski, Ärztedirektor in der ParacelsusBerghofklinik in Bad Essen. Neben den psychischen Wirkungen und Schädigungen durch das jeweilige Suchtmittel befasst man sich in der Klinik auch mit den Entstehungsbedingungen, dem Verlauf und den Folgen der Suchterkrankung. Subkowski: „Die meisten Patienten fragen sich, warum sie zu viel trinken oder Medikamente nehmen. In der Therapie gehen die Therapeuten dieser Frage nach. Frühe Lebensprägungen, Persönlichkeitsmerkmale, spätere Lebenserfahrungen, aber auch die aktuelle Lebens-, Arbeits- und Beziehungssituation spielen eine Rolle und können Auslöser für den Beginn einer Abhängigkeit sein.“ Der Wunsch, unangenehme Gefühle und schlechte Stimmung zu verändern, lässt Menschen zu Alkohol, Medikamenten oder Drogen greifen. Damit geht es ihnen kurzfristig besser, hat aber langfristig viele negative Folgen. In der Therapie geht es darum, diese Entwicklungen bewusst zu machen. Neue Erfahrungen ohne das Suchtmittel sollen dadurch erlebt und eingeübt werden (le- sen Sie dazu auch „Wir packen das Suchtproblem an der Wurzel an“). Ein erfahrenes Therapeutenteam kümmert sich in Bad Essen um jeden einzelnen Patienten: „Wir stimmen das Therapiekonzept auf die jeweiligen Bedarfe ab. Gruppentherapie, Einzelgespräche, Ergo- und Kunsttherapie sowie Arbeits- und Sporttherapie sind grundlegende Therapiefelder, die gute Voraussetzungen für den gewünschten Neustart in ein suchtmittelfreies Leben bieten“, sagt Diplom-Pädagogin Anne Weikert, die für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist und zuvor viele Jahre als Therapeutin gearbeitet hat. Auch können indikative Zusatzangebote, wie zum Beispiel Rückfallprophylaxe, Umgang mit Angst oder soziales Kompetenztraining die Betroffenen dabei unterstützen, künftig mit Konflikten und Problemen auch am Arbeitsplatz konstruktiv umzugehen. Angebote aus dem Bereich Ernährung, Bewegung und Entspannung können eine suchtmittelfreie, gesunde Lebensweise unterstützen. Weikert: „Hier findet also jeder Patient nach individueller Therapieplanung das Richtige.“ Zusammengehalten wird das Ganze durch den jeweiligen Bezugstherapeuten, der als Ansprechpartner begleitet, unterstützt und manchmal auch konfrontiert: „Therapie läuft ja nicht im- mer reibungslos. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kann wehtun. Wenn Suchtdruck entsteht, der Lebenspartner sich trennen will, finanzielle Probleme drücken oder die Kündigung ins Haus flattert, können Patienten in Krisen geraten“, weiß die 59-jährige, die seit 22 Jahren in der Klinik arbeitet. Hier kann der Bezugstherapeut helfen, indem er da ist, zuhört und Hinweise und Hilfestellungen zum Umgang mit den Problemen gibt. Er arbeitet mit den Therapeuten der anderen Bereiche, zum Beispiel Ergo- und Sporttherapeuten, eng zusammen. Regelmäßig finden Besprechungen und Supervisionen statt. Hier werden Eindrücke, Entwicklungen und der jeweilige Stand der Therapie des einzelnen Patienten zusammengetragen und Therapieziele modifiziert. Gegen Ende der Entwöhnungsbehandlung geht es darum, auf die Zeit danach vorzubereiten. Besuch der Arbeitsstelle während einer Heimfahrt, Gespräche mit Vorgesetzten oder Kollegen sowie die Anbindung an die Betriebliche Sozialberatung, die Nachsorge in der Suchtberatungsstelle und der Selbsthilfegruppenbesuch bilden wichtige Bausteine zur Stabilisierung der Abstinenz. Hamm. Für suchtkranke Menschen steht ein bedarfsgerechtes Angebot an Therapieplätzen zur Verfügung. Rund 90 Kliniken in Deutschland haben sich auf Suchtkrankann Bad Essen/Düsseldorf. Arbeit und Alkohol passen nicht zusammen. Leistungsabfall, Fehler in der Produktion, heiten spezialisiert und bieten medizinische und psychoZoff unter Kollegen und hohe Fehlzeiten kosten viel Geld. Daher kann es sich für Unternehmen lohnen, im Rahmen logische Betreuung für die Akutsituation und die Rehabilitation des Gesundheitsmanagements in die innerbetriebliche Beratung zu investieren. Das ist auch im Sinne der Rentenveran. Das Angebot der Suchtkliniken wird durch bundesweit aktive sicherungsträger: Sie übernehmen die Kosten für die Entwöhnungsbehandlung und beauftragen die Kliniken mit der Einrichtungen und Dienste ergänzt, die zur persönlichen, sozialen Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit. Um diese Ziele zu erreichen, arbeiten die betrieblichen Sucht- und Sozialbeund beruflichen Stabilisierung und Wiedereingliederung beitragen könrater des Rheinmetall-Konzerns unter anderem eng mit den Therapeuten der Paracelsus-Berghofklinik zusammen. So nen. Die Interessen dieser Einrichtungen werden von der im westfälischen ist im Laufe der Jahre ein Kompetenznetzwerk entstanden, auf das die Sucht- und Sozialberater, aber auch die FühHamm ansässigen Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) gebündelt. rungskräfte bei Rheinmetall in Form von Schulungen und Einzelfallberatungen zurückgreifen können. Den kranken Ihr Hauptanliegen ist es, sich Betroffenen kommt das zugute. Nach dem Motto „Gewusst wie“ kann ihnen so direkter und schneller geholfen werder Behandlung, Versorgung und den. Ob ein Mensch suchtabhängig wird, kann verschiedene Ursachen haben. Neben einer genetischen Vorbelastung Beratung suchtkranker Menschen zu widmen. In der E inr icht ung s da spielen Umweltfaktoren und die chemische Wirkung eines Rauschmittels eine Rolle. Für Dr. med. Peter Subkowski, tenbank der DHS (w w w.dhs.de) Ärztedirektor der Paracelsus-Berghofklinik in Bad Essen, ist die Abhängigkeit von einem Suchtstoff wie Alkohol oder fi nden Betroffene Informationen zu Medikamenten primär auf die seelische Persönlichkeitsstruktur eines Menschen zurückzuführen. „Das Profil“ sprach den ambulanten und stationären mit dem 58-jährigen Facharzt für psychosomatische Medizin über die Entstehung der Sucht, die EntwöhnungsbeSuchthilfeeinrichtungen. Wer sich in seiner Region zu bestimmten Fragen im handlung zur Aufarbeitung von Belastungen und Therapieangebote zur beruflichen Wiedereingliederung. Bereich Sucht beraten lassen möchte, findet auf der Homepage Adressen der Mitgliedsverbände mit Ansprechpartnern. Psychologen, Pädagogen oder Mediziner können im Rehabilitationsprozess helfen, soziale ProbErwachsenenalter für leme zu bewältigen, zum Beispiel die Reintegration am Arbeitsplatz, Sucht anfällig werden; Beziehungs- oder Schuldenprobleme. Eine gute Möglichkeit, er das Suchtmittel wird in Rückfällen vorzubeugen und sich mit anderen Betroffenen solchen Fällen auch als Beauszutauschen, bieten Selbsthilfegruppen. Links zu z u m lohnung eingesetzt. den Anonymen Alkoholikern oder dem BlauBeispiel Profil: Was hilft, um das en Kreuz finden sich ebenfalls auf reflektieren Suchtproblem in den Griff zu beder Homepage der DHS. sollte, wie er kommen? seine Arbeit anders Subkowski: Ein Schwerpunkt unseres strukturieren und wie es Behandlungsansatzes ist die Entwöhnungsbeihm gelingen kann, Aufgaben besser zu delegiehandlung. Wir verfolgen hier einen psychotheraren und Verantwortung abzugeben. Im Einzelgepeutischen Ansatz: Unsere Therapeuten arbeiten spräch kann der Betroffene gemeinsam mit dem ganz gezielt mit dem Patienten nicht nur aktuelle Therapeuten über solche Lösungsstrategien spreProbleme, sondern insbesondere länger zurückchen. Unser Anliegen ist es, den Patienten darin liegende Belastungen auf. Es geht darum, sich zu unterstützen, sich psychisch weiterzuentwidas eigene Suchtverhalten bewusst zu machen und zu erkennen, welche Funktion das SuchtmitÄrztedirektor Dr. med. Peter Subkowski von der Paracelsus-Berghofklinik tel hat, also ob es zum Beispiel als Mittel einge- ckeln. Profil: Was bringt die Gruppenpsychotherapie? setzt wird, um Konflikte auszuhalten oder ÜberSubkowski: Zunächst teilen wir den Patienten lastungen auszugleichen. Profil: Wie entsteht Sucht? einer Bezugsgruppe zu, die von seiner psychiProfil: Warum ist diese Bewusstmachung der Subkowski: Eine stoffliche Suchterkrankung schen Struktur und seinem beruflichen Umfeld zu Sucht wichtig? wird von vielfältigen Ursachen bestimmt. Hierbei den jeweils anderen Patienten passt. Wir haben Subkowski: Nur so kann der Patient andere verflechten und beeinflussen sich unter anderem zum Beispiel eine Bezugsgruppe für Polizisten Bewältigungsmechanismen für seine Probleme die individuelle Persönlichkeitsstruktur, geneund Rettungskräfte, die häufig traumatische Erfinden. Im Fall der Überbelastung heißt das, dass tische Vorbelastungen, aktuelle und vergangefahrungen gemacht haben. Unter Anleitung eines ne soziale Beziehungen sowie biochemische Gruppentherapeuten kann sich die Gruppe über Auswirkungen der Droge gegenseitig. Auch Entihre Erfahrungen austauschen, gemeinsam Belaswicklungs- und Reifungsprozesse in der Kindheit tungen aufarbeiten und schließlich verarbeiten. spielen eine wichtige Rolle in Bezug darauf, wie Profil: Wie unterstützen Sie bei der (beruflijemand als Erwachsener Probleme bewältigen chen) Reintegration? kann. Subkowski: In der letzten Phase der EntProfil: Können Sie dafür ein Beispiel geben? wöhnungsbehandlung wird der Patient von uns Subkowski: Ist ein Kind zum Beispiel ohne bemotiviert, eine Suchtberatungsstelle zwecks ziehungsweise mit einer häufig abwesenden MutNachsorge aufzusuchen und Kontakt zu einer Die Störung der ter oder Vater aufgewachsen, fehlt eine Identifiwohnortnahen Selbsthilfegruppe aufzubauen. kationsfigur beziehungsweise ein Vorbild, wie Persönlichkeit Um einen Rückfall in die Sucht zu vermeiden und man mit Belastungen umgeht. Die Bewältidauerhaft abstinent zu bleiben, sind neben der ist der Boden, Anpassung der Lebens- und Arbeitsgewohnheigung von Problemen ist jedoch ein wichtiger Bestandteil für gelungene psychiim Bedarfsfall auch anschließende ambulante auf dem Sucht ten sche Reifungsprozesse. Auch eine harte, Psychotherapien, zum Beispiel Paar- oder Famikalte Kindheit kann süchtiges Verhalten lientherapien, ratsam. Denn auch im näheren wächst. begünstigen. Wer als Kind wenig BeUmfeld des Patienten hat die Sucht Spuren hinstätigung und Liebe bekommt, kann im terlassen. Angebote für Suchtkranke „Wir packen das Suchtproblem an der Wurzel an“ Profil: Herr Trierweiler, wie verstehen Sie Ihre Rolle als Sucht- und Sozialberater? Trierweiler: Ich sehe mich als Begleiter im gesamten Prozess und als Vertrauensperson, denn als Suchtund Sozialberater unterliegen wir der Schweigepflicht. Wir wollen und können den Betroffenen umfangreiche Hilfestellungen geben. Das fängt mit motivierenden Gesprächen an, mit dem Ziel, dass der Betrof fene Einsicht für sein Pro- für den Betroffenen und dessen Angehörige. Profil: Wie sollten sich Ihrer Meinung nach Vorgesetzte und Kollegen bestenfalls verhalten? Trierweiler: Wichtig ist, dass der Verdacht auf eine Suchterkrankung in einem möglichst frühen Stadium angesprochen wird. Weggucken verschärft das Problem. Wenn man wissentlich den Alkoholkonsum des Mitarbeiters toleriert und seine Fürsorgepflicht bewusst oder unbewusst zur Seite schiebt, spricht man auch von Co-Abhängigkeit. Profil: Wie lässt sich Co-Abhängigkeit verhindern? Trierweiler: Wir haben bisher rund 300 Mitarbeiter und zirka 150 bis 180 Vorgesetzte in so genannten Lernstätten zum Thema Prävention und CoAbhängigkeit geschult. Das bedeutet, dass wir sie darüber aufgeklärt ha- dass die Angelegenheit vertraulich behandelt wird. Das Gespräch sollte möglichst kollegial ablaufen, das heißt, der Vorgesetzte sollte seinen Mitarbeiter nicht anschuldigen, sondern möglichst offen kommunizieren, dass er sich Sorgen macht, und gleichzeitig betonen, dass er ihn wertschätzt und nicht verlieren möchte. Profil: Was passiert, wenn nach dem ersten Gespräch nicht der gewünschte Erfolg eintritt? Trierweiler: In diesem Fall gibt es ein weiteres Gespräch zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem sowie möglichst einer Vertrauensperson, zum Beispiel einem Sucht- und Sozialberater des Konzerns. In diesem Gespräch bieten wir konkret Hilfe an und informieren zum Beispiel über Selbsthilfegruppen, Fachärzte oder Therapiekliniken. In diesem Gespräch klären wir auch über mögliche Konsequenzen, also den Arbeits- Profil: Worauf führen Sie dieses gute Ergebnis zurück? Trierweiler: Wir kümmern uns darum, dass der Betroffene nach einer Therapie eine vernünftige Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag erhält. Entsprechend des Empfehlungsschreibens der jeweiligen Therapieklinik legt die Personalabteilung in Abstimmung mit dem Werksarzt fest, wie viele Stunden der Betroffene täglich arbeiten soll. Wichtig ist, dass er noch nicht voll belastet wird, also zum Beispiel zunächst „nur“ halbe Tage arbeitet. Der Vorgesetzte sollte als Ansprechpartner für den Betroffenen und die Kollegen zur Verfügung stehen und möglichst normal mit dem Mitarbeiter umgehen; schließlich will er keinen Sonderstatus haben. Profil: Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Trierweiler: Wir wollen vor allem Weggucken verschärft das Problem Interview mit Sucht- und Sozialberater Josef Trierweiler Gut ein Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung steht an der Schwelle zum Alkoholismus oder ist alkoholkrank. ann Neuss. Josef Trierweiler arbeitet seit dem Jahr 2000 als Sucht- und Sozialberater bei der Pierburg GmbH in Neuss. Der 60-Jährige (2.10.1954) ausgebildete Kfz-Mechaniker ist seit 40 Jahren für das Unternehmen tätig. Er betreut und begleitet Suchtkranke und Mitarbeiter mit psychischen Erkrankungen, zum Beispiel Burn Out. Außerdem schult er Vorgesetzte, Mitarbeiter und darunter insbesondere Auszubildende flächendeckend an allen Automotive-Standorten des Rheinmetall-Konzerns zum Thema Prävention und Sensibilisierung für Suchterkrankungen. Für Josef Trierweiler ist seine Tätigkeit nicht nur ein Job, sondern eine Lebensaufgabe. blem zeigt und sein Verhalten ändern will. Auf Wunsch stellen wir den Kontakt zu Kliniken her. Weil wir gute Kontakte zu den dortigen Ansprechpartnern haben, gelingt es uns in vielen Fällen, schon in wenigen Wochen einen Therapieplatz zu vereinbaren. Im Normalfall beträgt die Wartezeit für eine Therapie ungefähr sechs Monate. Profil: Wie gehen die Beteiligten mit der Suchterkrankung um? Trierweiler: Meine Erfahrung ist, dass die Mitarbeiter, die im Zusammenhang mit Suchtmitteln auffallen, ihre Probleme zunächst verleugnen und alles dafür tun, den Suchtmittelmissbrauch zu verheimlichen. Den Vorgesetzten fällt es schwer, das Problem anzusprechen, und die Kollegen haben häufig Mitleid. Dieses Mitleid ist kontraproduktiv, es verlängert nur die Qual ann Werl. Nach erfolgreicher stationärer Therapie haben suchtkranke Menschen einen großen Schritt zur dauerhaften Abstinenz geleistet. Gestärkt und motiviert streben sie nun notwendige Veränderungen im privaten und beruflichen Umfeld an. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass gerade in den ersten Monaten nach einer Behandlung die Gefahr eines Rückfalls besonders hoch ist. Der Nachsorge und dem Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten kommt daher eine wichtige Bedeutung zu. Im Laufe der Therapie hat sich der Betroffene intensiv mit seinem eigenen Verhalten auseinandergesetzt und viele Anregungen bekommen, wie er sein Verhalten zugunsten eines stressfreieren und glücklicheren Lebens verändern kann. Was theoretisch erlernt wurde, gilt es nun in der Praxis einzuüben. „Genau hier setzen wir an und unterstützen den Betroffenen dabei, angestrebte Ziele schrittweise umzusetzen“, sagt Suchtberater Rolf Biermann von der Diakonie Ruhr-Hellweg e.V. in Werl, die sich – beispielhaft für zahlreiche Einrichtungen dieser Art in Deutschland – als eine auf Suchtfragen spezialisierte Institution für die persönliche, soziale und berufliche Stabilisierung und Wiedereingliederung von Suchtkranken engagiert. Der 59-jährige Diplom-Sozialarbeiter weiß aus langjähriger Erfahrung, dass die Umstellung von der zuvor erlebten „ich-bezogenen“ Zeit in das „alte“ Umfeld nicht konfliktfrei abläuft: „Viele, die zu uns kommen, sind in dieser Phase voller Tatendrang und wollen alles, was sie neu gelernt haben, sofort umsetzen. Das funktioniert ben, wie sie im Falle eines Verdachtes auf Abhängigkeit mit dem Betroffenen umgehen sollen, welche Schritte eingeleitet werden müssen, um dem Betroffenen aus seiner abhängigen Situation herauszuhelfen. Im Idealfall sprechen wir auch mit den Partnern oder Freunden; dieses Gespräch ist häufig für alle Beteiligten sehr wertvoll und nachhaltig. Profil: Ein sensibles Thema zu kommunizieren, fällt Führungskräften oft schwer. Wie bereiten Sie auf solche Konfliktgespräche vor? Trierweiler: Wichtig ist, dass der Vorgesetzte unmittelbar dann, wenn er das Problem erkennt, auf seinen Mitarbeiter zugeht und ihn auf das Suchtverhalten anspricht. Wichtig bei diesem ersten Gespräch unter vier Augen ist das Signal an den Mitarbeiter, Stark für andere in der Realität jedoch selten und kann zu weiteren Belastungen führen. Auch kann dieses Verhalten Probleme mit Bezugspersonen nach sich ziehen; viele Partner wissen nicht, wie sie mit dieser ‚neuen Persönlichkeit‘ umgehen sollen.“ In Einzel- und Paargesprächen reflektieren die Suchtberater der Diakonie gemeinsam mit ihren Klienten, welche Veränderungen Priorität haben, welche nachstehenden Ziele in welchen Zeitabständen angegangen werden sollten, und wie der Partner und weitere Familienangehörige unterstützen können. Wurden psychische Belastungen zum Beispiel im beruflichen Umfeld erlebt, sollte der Betroffene nun anstreben, Barrieren zu überwinden und Probleme anzusprechen: „War er zum Beispiel mit dem Arbeitsvolumen überfordert, geht es darum, mit dem Vorgesetzten offen über die Über- platzverlust, auf. Meine Erfahrung zeigt, dass die Mitarbeiter spätestens jetzt der Realität ins Auge sehen und bereit sind, ernsthaft an ihrer Krankheit zu arbeiten und die Hilfsangebote anzunehmen. Profil: Wie geht das Verfahren dann weiter? Trierweiler: In diesen Fällen können wir dem Mitarbeiter durch unsere Angebote, wie z.B. der Vermittlung eines Therapieplatzes, helfen, und es kommt zu keinen weiteren Verhaltensauffälligkeiten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass in rund 80 bis 90 Prozent aller Fälle die Kündigung nicht angedroht werden muss. Und dass ein Mitarbeiter das Problem überhaupt nicht in den Griff bekommen hat und das Unternehmen verlassen musste, ist zum Glück in unserem Unternehmen bisher noch nie vorgekommen. forderung zu sprechen und sich dafür einzusetzen, dass Aufgaben anders verteilt werden. Wir führen im Bedarfsfall auch Gespräche mit Vorgesetzten und stellen dabei fest, dass sich manche der enormen Belastungen ihres Mitarbeiters zu wenig bewusst und dankbar für unsere Anregungen sind“, sagt Biermann. Der Sozialarbeiter wünscht sich einen noch stärkeren Austausch mit Vorgesetzten in Unternehmen, um die positive Entwicklung des Betroffenen weiter zu stabilisieren und Rückfällen vorzubeugen. Die Diakonie arbeitet wie viele andere Einrichtungen auch mit so genannten Suchtselbsthilfegruppen zusammen, die von Selbstbetroffenen in Eigenregie ohne anwesende Mitarbeiter der Diakonie geleitet werden. Für die Betroffenen ist der regelmäßige Austausch in der Gruppe ein wichtiger Bestandteil der Nachsorge: „In der Gruppe kann jeder etwas beitragen; unabhängig davon, ob jemand seit 25 Jahren ‚trocken‘ ist oder erst seit ein paar Wochen nicht mehr trinkt. Es geht vor allem darum, von den Erfahrungen der anderen zu ler- Jugendliche in der Ausbildung für das Thema „Sucht“ sensibilisieren. Mit den Azubis des 1. Lehrjahres absolvieren wir heute schon ein zweitägiges Präventionsseminar, zu dem auch der Besuch einer Klinik für suchtkranke Jugendliche gehört. Im Übrigen finde ich es gut, dass grundsätzlich alle neuen Mitarbeiter (in der Fertigung am Standort Neuss) zu den Themen „Co-Abhängigkeit“ und „Umgang mit Alkohol am Arbeitsplatz“ geschult werden. Profil: Was bedeutet Ihnen Ihre Arbeit? Trierweiler: Für mich ist es nicht einfach nur ein Job, sondern eine Lebensaufgabe. Auch wenn ich gelegentlich an meine Grenzen komme, empfinde ich es als großes Privileg, Kolleginnen und Kollegen, die ein Problem haben, im Namen der Firma helfen zu können. nen und sich gegenseitig in der Abstinenz zu unterstützen“, sagt der Suchtberater und ergänzt: „Obwohl Alkoholismus eine vom Gesetz her anerkannte Krankheit ist, ist sie für die Betroffenen oftmals mit Scham besetzt. Wenn wir als Prozessbegleiter zur dauerhaften Abstinenz unserer Klienten beitragen können, haben wir unser Ziel erreicht. Überwindet der Einzelne die Sucht, ist das vor allem sein Erfolg.“