Zwischen Mennoniten und Jesuiten in Paraguay

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Zwischen Mennoniten und Jesuiten in Paraguay
Südamerika-Reise 2011, Bericht 20
Zwischen Mennoniten und Jesuiten in Paraguay
Uebersichtskarte
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Südamerikareise 2011, Bericht 20
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Paraguay ist für uns ein ziemlich unbeschriebenes Blatt. Es gelang uns im Vorfeld der
Reise nicht, ein Buch über dieses Land zu beschaffen, nur der Argentinien-Reiseführer
behandelt es im Anhang kurz und knapp. Eine aktuelle Strassenkarte konnten wir auch
erst vor wenigen Tagen in Formosa kaufen. Das Land ist ungefähr gleich gross wie die
Schweiz und Deutschland zusammen, hat aber weniger Einwohner als die Schweiz
alleine. Der Rio Paraguay durchzieht das Land von Nord nach Süd und teilt es in den
Oriente (Osten) und den Chaco. Obwohl der Oriente mit 40% den kleineren Anteil an der
Landesfläche hat, leben dort 90% der Gesamtbevölkerung, entsprechend menschenleer
muss es im Chaco sein. Vom argentinischen Clorinda her kommend überqueren wir die
internationale Brücke San Ignacio de Loyola und damit den Rio Pilcomayo. Die Abfertigung an der einfachen Grenzstation ist sehr zügig, das Zollpapier für Nordwind wird aber
nicht von einem uniformierten Beamten, sondern von einem alten Mann in zittriger
Handschrift ausgefüllt. Er holt für uns anschliessend im Zollbüro Stempel und Unterschrift ein. Wir werden von den Paraguayern sehr freundlich empfangen, die Proviantverkäufer an der Grenzstation schenken uns drei Stück Sopa Paraguaya, eine Art Kartoffelkuchen, und ein hausgemachtes Brot.
Rechts von uns sehen wir bereits die ersten Hochhäuser von Asunción, eine grosse Bogenbrücke führt über den Rio Paraguay in die Landeshauptstadt. Wir halten
uns aber links und biegen auf die Ruta
Trans Chaco ein, die einzige Strasse welche den gesamten paraguayischen Chaco
durchquert und nach ca. 700 km auf die
bolivianische Grenze trifft. Unser erneuter
Besuch im Chaco hat ganz andere Gründe als zuvor in Argentinien. Wir versprechen uns hier keine Tierbeobachtungen,
sind aber interessiert an der Geschichte
der mennonitischen Siedler und folgen zuEinkaufsladen in Pozo Colorado
dem einer persönlichen Einladung der
deutschen Auswanderer Rosi und Klaus. Sie sind auf ihrer Reise durch Südamerika im
paraguayischen Chaco hängengeblieben, haben sich in einem Mennonitendorf ein kleines Haus gebaut und unternehmen nun von hier aus kürzere Touren in die benachbarten Länder. Vor mehr als zwei Jahren sind wir uns in Bolivien zufällig begegnet und sie
haben uns spontan zu sich nach Hause eingeladen. Die Ruta Trans Chaco führt als endloses Asphaltband, mal mehr mal weniger gut, fast schnurgerade gegen Nordwesten. Es
ist mit 40°C wieder sehr heiss, die etwas monotone Landschaft mit Rinderweiden, Palmsavannen und ein wenig Chaco-Buschwald könnte auch im argentinischen Formosa
liegen. Zwischen den Zäunen der Estancias und der Strasse siedeln immer wieder Indianerfamilien, ob Landlose oder Wanderarbeiter ist uns nicht bekannt, wahrscheinlich aber
beides. Der Standard ihrer Behausungen reicht von Provisorien aus Plastikplanen und
Palmblättern bis zu richtigen Holzhäuschen, die zum Teil sogar schön und gepflegt sind.
Nur wenige kleine Ansiedlungen liegen am Weg, die grösste von ihnen ist Pozo Colorado, sie markiert ungefähr den Übergang zwischen dem feuchten und dem trockenen Teil
des paraguayischen Chacos. Hier gibt es drei einfache Geschäfte, in welchen wir uns
nach dem Grenzübertritt wieder ein paar Frischprodukte kaufen können. Nach zwei
Tagen Fahrt auf der Ruta Trans Chaco erreichen wir den vereinbarten Treffpunkt, eine
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Strassenkreuzung mit Tankstelle, wenige Kilometer vor dem Abzweig nach Filadelfia.
Mit Mühe und fremder Hilfe bringen wir eine Telefonverbindung zu Stande und schon
bald kommen Rosi und Klaus mit einem Geländewagen vorgefahren. Nach einer kurzen
Begrüssung fahren sie uns vor und führen uns auf Feldwegen zu ihrem Haus im kleinen
Dorf Valencia.
Rosi kocht ein gutes Nachtessen, wir unterhalten uns am ersten Abend bis weit in die
Nacht hinein und lernen uns erst mal etwas
näher kennen. Damals in Bolivien haben wir
uns nur an ungünstiger Stelle auf der Strasse gekreuzt und nicht mehr als eine Viertelstunde lang durch die geöffneten Autofenster miteinander gesprochen. Jetzt aber haben wir Zeit und erfahren mehr über ihr
Leben im Chaco. Sie besitzen hier zwar ihr
schönes Haus, nicht aber den Boden auf
welchem es steht. Denn Valencia gehört zur
Mennonitenkolonie Fernheim und innerhalb
einer solchen Kolonie dürfen nur Mennoni- Altes Schulhaus in Valencia
ten Land besitzen. So geniessen Rosi und
Klaus sozusagen Gastrecht auf dem Hof von Hildi und ihrer Mutter Anna. Hildi treffen wir
am nächsten Tag bei einem Mate Tereré. Der Mate wird hier der heissen Temperaturen
wegen mit eisgekühltem Wasser getrunken. Sie ist eine richtige stämmige Mennonitenfrau und führt den grossen Hof mit einem indianischen Angestellten alleine. Im Dorf
Valencia besichtigen wir das ehemalige Schulgelände. Das alte Schulhaus mit nur
einem einzigen Klassenraum dient heute als Versammlungssaal, die Kinder von
Valencia gehen nun im Nachbardorf Blumental zur Schule. Auf demselben Stück Land
steht auch noch das ehemalige Lehrerhaus. Es wurde von Klaus in Eigenarbeit renoviert
und wird jetzt von Rosis Tochter Tina bewohnt. Wir folgen einer weiteren Einladung zum
Mate Terere bei Elsi und Viktor, wie alle anderen Bewohner Valencias sind auch sie
Mennoniten, Nachfahren der Gründer der Kolonie Fernheim. Aber was sind denn eigentlich Mennoniten? Einiges wussten wir schon vorher, anderes erfahren wir in den Gesprächen am heutigen Tag. Es handelt sich um eine evangelische Religionsgemeinschaft, die an ein paar strikten Grundregeln festhält und der deshalb in der Welt eine
sehr konservative Haltung nachgesagt wird. Die Mennoniten stehen für Gewaltfreiheit
ein und verweigern deshalb den Wehrdienst, sie lehnen die Kindstaufe ab, erst im Erwachsenenalter lassen sie sich auf ihren Glauben taufen, ebenso lehnen sie den
Schwur ab, weil ihr Ehrenwort auch ohne diesen Gültigkeit hat. Mit einigen Vorurteilen
können wir zumindest was die Mennoniten hier im paraguayischen Chaco betrifft, aber
aufräumen. Sie sind weder besonders konservativ gekleidet, noch lehnen sie Fahrzeuge
oder Maschinen ab. Obwohl sie untereinander ein für uns unverständliches plattdeutsch
sprechen, können sie sich auch problemlos in hochdeutsch mit uns unterhalten. Spanisch hingegen beherrschen nicht alle. Irgendwie schon komisch, wir befinden uns mitten in Südamerika, aber alle um uns sprechen deutsch. Die Geschichte, wie die Mennoniten nach Paraguay kamen, kann uns so auf die Schnelle niemand im Detail erzählen.
Darüber wollen wir uns in den nächsten Tagen in den Museen der drei Kolonien einen
Überblick verschaffen.
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Weil für die nächsten Tage noch etwas
“kühlere“ Temperaturen unterhalb der
40°C-Marke angesagt sind, verschieben
wir die Museumsbesuche aber noch etwas und unternehmen zusammen mit
Rosi und Klaus zuerst einen mehrtägigen
Ausflug in die Natur. Innerhalb der Mennonitenkolonien ist mit einer Quote
festgelegt, wie viele Prozent der Landfläche nicht landwirtschaftlich genutzt
werden dürfen. So sind mitten im Agrarland einige Naturschutzgebiete entstanden, die Besuchern offen stehen. Zuerst
fahren wir ins Reserva Natural Campo
Flamingos im Reserva Natural Campo Maria
Maria der Kolonie Fernheim. Wir treffen
auf eine schöne Vegetation mit viel Chaco-Buschwald und gelangen auf einem Feldweg
zu einem Stellplatz bei einem Aussichtsturm über eine grosse Lagune. Für einen Spaziergang ist es trotz anders lautender Prognose zu heiss, oben auf dem Turm lässt es
sich im leichten Luftzug jedoch aushalten. Viele Flamingos bevölkern die Lagune, sie
sind jedoch eher weiss als rosa. Erst gegen Abend können wir die Umgebung etwas
erkunden. Michèle entdeckt im Stamm eines Flaschenbaums eine kleine Höhle, aus
welcher eine Eule guckt. Am Ufer der Lagune sind deutliche Spuren von Tapiren auszumachen. Ob sie frisch sind oder nicht, ist schwer zu sagen, denn der salzhaltige
Schlamm erstarrt in der starken Sonne sehr schnell und die Fussabdrücke bleiben
erhalten. Es ist fast Vollmond und durch die sehr trockene Umgebung mückenfrei, so
geniessen wir den Abend draussen und grillieren auf dem Feuer. Nach einer durchaus
angenehmen Nacht unternehmen wir einen Frühspaziergang entlang der Lagune, die
Flamingos sind nun besonders schön beleuchtet. Einige Male kommen wir ihnen zu
nahe, die ganze Gruppe fliegt auf, landet aber schon bald wieder. Ein besonderes
Schauspiel. Auch der zweite Tag ist heisser als vorausgesagt, wir verbringen ihn nahezu
vollständig auf dem Aussichtsturm. Das Wasser in der sehr flachen Lagune scheint fast
sichtbar zu verdunsten, sie wird immer kleiner.
Nach zwei Übernachtungen im Reserva
Natural Campo Maria fahren wir weiter an
die Laguna Capitán, ein Naturschutzgebiet
mit angeschlossenem Bildungszentrum der
Kolonie Menno. Neben Veranstaltungsräumen gibt es hier auch klimatisierte Schlafzimmer. Diese nutzen wir aber trotz der Hitze nicht, wir bleiben standhaft und suchen
mit unseren Campingfahrzeugen Schatten
unter den Bäumen. Das Zentrum wird von
Siegfried und seiner Frau Sara verwaltet,
sie sind hier in der Kolonie Menno geboren,
später aber nach Kanada ausgewandert.
Nun sind sie für ein Jahr in den paraguay- An der Laguna Capitán
ischen Chaco zurückgekommen und haben
diese Anstellung übernommen. Spontan lädt Siegfried uns vier zum Nachtessen ein,
denn er ist interessiert an unserer Reise und im Gegenzug haben wir die Möglichkeit,
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einem weltoffenen Mennoniten direkt ein paar Fragen zu stellen. Sara tischt uns einfache Hausmannskost auf, panierte Pouletschnitzel mit Zwiebeln belegt, dazu Reis- und
Kohlsalat. Das Essen schmeckt uns sehr gut, etwas überrascht sind wir, dass es auch
Bier zu trinken gibt. Siegfried klärt uns auf, dass Alkohol bei den Mennoniten der ChacoKolonien nicht offiziell verboten ist, jedoch nicht in den Supermärkten der Kooperativen
angeboten wird. Den Abend lassen wir bei einer Gesprächsrunde im Freien ausklingen.
Plötzlich beginnt es leicht zu regnen. Nach einer kurzen Wartezeit geht Siegfried um das
grosse Haus und schliesst die Schieber der Ablaufrohre aus den Dachrinnen. Genau wie
drüben im argentinischen Chaco wird auch hier das Regenwasser in unterirdischen
Brunnenschächten gesammelt. Den nächsten Tag nutzen wir beide für einen ausgedehnten Spaziergang im Schutzgebiet. Die Landschaft um die seichte Laguna Capitán
sieht sehr speziell aus, wieder der graue salzhaltige Lehmboden und viele abgestorbene
Bäume am Ufer. Im erstarrten Lehm sehen wir viele Tierspuren und können Tapir,
Ñandu (Strauss), Waschbär und Pecarí (Wildschwein) identifizieren. Etwas weiter vom
Ufer entfernt gibt es auch noch richtigen Chaco-Buschwald und wir haben nochmals die
Gelegenheit, die vielfältige Vegetation zu studieren.
Nach zwei schönen Tagen an der Laguna Capitán fahren Rosi und Klaus nach Hause.
Wir werden ihnen später folgen, wollen uns zuerst aber wirklich mal etwas genauer mit
der Geschichte der Mennoniten befassen. Also fahren wir nach Loma Plata, dem Hauptort der Kolonie Menno, und besuchen dort das Museum. Wir werden vom Tourismusbeauftragten Patrick Friesen in seinem Büro empfangen und erhalten zwei volle Stunden
lang Informationen zu den Mennoniten ganz allgemein, insbesondere aber zur Entstehung der Kolonie Menno. Die Wurzeln der Mennoniten sind eigentlich in der Schweiz zu
suchen, denn sie liegen in der Täuferbewegung, die während der Reformationszeit 1525
in Zürich ihren Anfang nahm. 1536 gründete der niederländische Pfarrer Menno Simons
auf den Prinzipien dieser Bewegung eine evangelische Glaubensgemeinschaft, die später nach seinem Vornamen Mennoniten genannt wurde. Im 16. Jahrhundert wurden
Täufer wie Mennoniten von den Staatskirchen verfolgt, später konnten sie zwar ihre
Religion nach eigenen Vorstellungen ausüben, ihre Grundprinzipien aber wurden von
vielen Staaten nicht anerkannt. Dies führte dazu, dass eine grosse Gruppe von Mennoniten 1789 aus Preussen auswanderte und sich in Südrussland niederliess. In der Nähe
des Dnjepr-Flusses auf dem Gebiet der heutigen Ukraine gründeten sie die Siedlung
Chortitza. Als die russische Zarenregierung ab 1870 dann auch für die Mennoniten die
allgemeine Wehrdienstpflicht einführen wollte, mussten sich die Mitglieder dieser Siedlung jedoch wieder nach einer neuen Heimat umsehen. 1874 bis 1876 erfolgte der Umzug nach Kanada, wo ihnen die Regierung am Ufer des Red River in der Provinz
Manitoba Land zur Verfügung stellte und die Anerkennung ihrer Grundregeln garantierte. Wieder musste man bei Null beginnen und das Land in der Wildnis urbar machen,
um von der Landwirtschaft leben zu können. Die Siedlung in Kanada hatte allerdings
noch weniger lang Bestand als jene in Südrussland. 1919 wurde in Manitoba ein neues
Bildungsgesetz eingeführt, welches auch für die mennonitischen Siedlungen staatliche
Schulen mit englischsprachigem Unterricht vorschrieb. Dadurch sahen die Mennoniten
ihre Sprache und den freien Religionsunterricht in Gefahr. Da sie auch nach mehrmaligen Verhandlungen mit der kanadischen Regierung keine Lockerung dieses Gesetzes
erreichen konnten, entsandten sie Sondierungsdelegationen nach Südamerika, um erneut eine neue Heimat zu suchen. Eine dieser Delegationen kam mit positivem Bescheid aus Paraguay zurück. Die dortige Regierung war interessiert an der Besiedelung
des bis dahin lediglich von nomadisierenden Indianern bevölkerten Chacos und räumte
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ihnen die geforderten Sonderrechte ein. Land konnten sie von der argentinischen Firma
Casado kaufen, die schon damals im Chaco Holzwirtschaft betrieb.
Im Museum der Kolonie Menno in Loma Plata
Die Geschichte der Umsiedelung nach Paraguay ist im Museum mit historischen Fotos
im Detail dokumentiert. In den Jahren 1927/28 zogen 280 Familien mit insgesamt ca.
1'200 Personen in den Chaco. Sie gelangten mit der Eisenbahn von Manitoba nach New
York, fuhren an Bord eines Ozeandampfschiffes weiter nach Buenos Aires in Argentinien und auf einem Flussdampfer in die paraguayische Hauptstadt Asunción. Ein weiterer Flussdampfer brachte sie auf dem Rio Paraguay nach Puerto Casado, von wo die
Transporteisenbahn der Casado Gesellschaft noch 77 km weit in die Chaco-Wildnis
führte. Der letzte Teil der Reise war der beschwerlichste, er musste zu Fuss zurückgelegt werden, das Hab und Gut wurde auf Ochsenkarren transportiert. Von der Ankunft
in Puerto Casado bis zum Bau der ersten Dörfer dauerte es 16 Monate, in dieser Zeit
starben nicht weniger als 170 der Neuankömmlinge an Typhus und anderen Krankheiten. Die neue Kolonie wurde Menno genannt und war die erste überhaupt im
paraguayischen Chaco. Der Anfang war sehr schwer, denn das Land musste zuerst vom
undurchdringlichen Busch gerodet werden und eignete sich nur beschränkt für den
Ackerbau. Die ersten Landwirtschaftsgeräte fertigten die neuen Siedler, die natürlich
auch hier ihre pazifistische Grundeinstellung beibehielten, paradoxerweise aus den
zurückgelassenen Waffen des Chaco-Kriegs, anderes Eisen war schlicht nicht vorhanden. Einige dieser Geräte sind im Garten des Museums ausgestellt. Heute ist die Kolonie Menno genau wie ihre etwas jüngeren Nachbarkolonien wirtschaftlich erfolgreich.
Die Kooperative Chortitzer, der Name wurde vom ersten Siedlungsort in Südrussland
abgeleitet, betreibt vor allem Milch- und Fleischwirtschaft. Während die Milchprodukte
unter dem Markennamen Trebol (Kleeblatt) in Paraguay, Brasilien und Bolivien vertrieben werden, wird das Rindfleisch von Frigo Chorti auch in die EU exportiert. Der Ackerbau spielt nur noch eine untergeordnete Rolle, es werden Sesam, Erdnüsse, Baumwolle
und Getreide angebaut. Zum Abschluss unseres Besuches in Loma Plata schenkt uns
Patrick Friesen ein 600 Seiten starkes Buch über die Geschichte der Kolonie Menno mit
dem Titel “Neue Heimat in der Chaco-Wildnis“. Bevor wir nach Filadelfia weiterfahren,
schauen wir noch in den grossen Supermarkt der Kooperative Chortitzer. Es fehlt an
nichts, das Angebot ist breit und modern. Auch viele Indianer kaufen hier ein oder
arbeiten als Angestellte.
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Auf breiter Erdstrasse gelangen wir nach
20 km von Loma Plata nach Fildelfia, dem
Hauptort der Nachbarkolonie Fernheim.
Der Ort ist sehr grosszügig angelegt, die
Strassen sind breit, es gibt nur wenige
hohe Gebäude. Die Hektik einer richtigen
Stadt hat noch nicht Einzug gehalten.
Weil wir uns morgen auch hier das Heimatmuseum ansehen wollen, übernachten wir gleich auf dem Parkplatz zwischen
dem Museumsgelände und dem Supermarkt der Kooperative. Auf einem kurzen
Spaziergang sehen wir einige Strassenschilder mit deutschen Namen, die wir
Strassenschilder in Filadelfia
zuvor in Loma Plata vermisst haben. Es
gibt die Avenida Hindenburg, die Friedhof Strasse oder die Unruh Strasse. Am nächsten
Tag ist das Museum dann geöffnet, es ist im alten schön restaurierten Koloniehaus, dem
ersten Verwaltungsgebäude aus dem Jahre 1934 untergebracht.
Das untere Geschoss ist gefüllt mit alten Geräten
aus Küche und Werkstatt, aber auch die erste
Druckerpresse und die frühere Telefonzentrale sind
ausgestellt. Im oberen Stockwerk belegen alte Fotos die Geschichte der Kolonie Fernheim ab ihrer
Flucht aus der Sowjetunion bis zur Entstehung der
neuen Siedlung hier im Chaco. Die zugehörigen
Erklärungen sind für uns Aussenstehende jedoch
etwas knapp gehalten, so ganz bringen wir den geschichtlichen Ablauf auch damit nicht auf die Reihe.
Frau Gerti Harder aus dem Informationsbüro
vervollständigt die Lücken dann aber in mündlicher
Form. Auch die Fernheimer Mennoniten sind
deutschstämmig. Sie flohen 1929 unter Vermittlung
des damaligen deutschen Reichspräsidenten Hindenburg aus der Sowjetunion, weil dort die
bolschewistische Revolution Religionsfreiheit und
Privateigentum untersagte. Nachdem sie einen
Winter als Zwischenstation in Flüchtlingslagern in Alte Druckerpresse im Heimatmuseum
Deutschland verbracht hatten, erfolgte 1930 die der Kolonie Fernheim in Filadelfia
Weiterreise einer ersten Gruppe nach Paraguay.
Auch sie gelangten, wie schon die Mitglieder der Kolonie Menno drei Jahre vor ihnen,
mit einem Flussdampfer auf dem Rio Paraguay nach Puerto Casado. Die Eisenbahn der
Casado Gesellschaft führte nun zwar schon 150 km weit in den Chaco hinein, dennoch
verblieb auch für die Fernheimer noch ein mehrere Tage dauernder Fussmarsch zum
neuen Siedlungsland. Immerhin konnten sie dabei auf die Hilfe ihrer Glaubensbrüder
aus der Kolonie Menno zählen, welche sie mit Ochsenkarren am Endpunkt der Eisenbahnstrecke abholten. Diese Wanderung dokumentieren die alten Fotos. 1932 wurde
dann die Übersiedelung sämtlicher ca. 2'000 Mitglieder der Kolonie nach Paraguay ab-
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geschlossen, es folgten ein jahrelanger Aufbau der neuen Dörfer und die “Umwandlung“
der Wildnis in Agrarland. Nachdem auch die Fernheimer sich zuerst im Ackerbau versuchten, beruht ihr wirtschaftlicher Erfolg heute vor allem auf der Viehzucht.
Nach dem Museumsbesuch verlassen wir
Filadelfia wieder und fahren zurück nach
Valencia zu Rosi und Klaus. Dazu wählen
wir aber nicht die direkte Verbindung via
die Ruta Trans Chaco, wir überqueren
diese nur und fahren durch das Gebiet
der Kolonie Neuland, der jüngsten
Mennonitengemeinde im paraguayischen
Chaco. Im recht kleinen Hauptort NeuHalbstadt endet die asphaltierte Strasse.
Wir parken vor dem Gebäude der
Kolonieverwaltung und schauen uns nach
dem Museum um. Erwartungsgemäss ist
es jetzt, am Samstagnachmittag, jedoch
Flaschenbaum auf dem Gebiet der Kolonie Neuland
geschlossen, denn bei den Mennoniten
wird das Wochenende strikt eingehalten. Plötzlich stoppt neben uns ein kleiner Geländewagen und ein Mann spricht uns in perfektem Schweizerdeutsch an. Er lädt uns zum
Mate Tereré ein und wir folgen ihm zu seinem Haus, welches nur ein paar Strassen
entfernt steht. Vor 13 Jahren ist Remo mit seiner Frau Priska nach Paraguay ausgewandert. Zuerst wohnten sie fünf Jahre lang in der Schweizer Kolonie Rosaleda, die
noch etwas weiter in Richtung Bolivien liegt, vor acht Jahren haben sie dann hier in NeuHalbstadt ein Haus gebaut und sind umgezogen. Sie sind aber keine Mennoniten, genau
wie die anderen Hauptorte Loma Plata und Filadelfia ist auch Neu-Halbstadt keine “geschlossene“ Siedlung mehr. Neben Mennoniten wohnen hier auch andere Auswanderer,
Paraguayer und Indianer. Nach einer netten Unterhaltung verabschieden wir uns, jedoch
nur vorübergehend, denn Priska und Remo laden uns für die nächste Woche zu einem
Schweizer Nachtessen ein. Die fehlenden knapp 50 km bis Valencia führen über Erdstrassen, die sehr gut präpariert und staubtrocken sind. Auf den Weiden und Feldern
stehen immer wieder stattliche Exemplare von Flaschenbäumen, einer sogar mitten auf
der Piste.
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Zurück in Valencia serviert uns Rosi
Schichtkuchen, sie hat diese typisch mennonitische Süssspeise zusammen mit Elsi
extra für uns zubereitet. Uns schmeckt dieser Kuchen sehr gut. Eigentlich ist es eher
eine Torte, die Schichten bestehen abwechselnd aus Blätter- oder Mürbteig und Schokopudding. Am Abend sitzen wir auf der
Veranda und schauen in die Nacht hinaus.
Plötzlich entdecken wir am Weidezaun vor
uns eine weisse Kaktusblüte. Es handelt
sich um eine “Königin der Nacht“, in diesem
Fall um eine “echte“ die sich von der “falschen“ dadurch unterscheidet, dass ihr Echte Königin der Nacht
Kaktus Stacheln hat und das Blüteninnere
etwas weniger gelb ist. Die wunderschöne grosse Blüte öffnet sich erst bei Dunkelheit
und blüht auch nur eine einzige Nacht lang, mit der aufgehenden Sonne fallen die weissen Blätter zu Boden. Am Sonntag fahren wir mit Elsi und Victor zur Messe ins Nachbardorf Molino. Eine Kirche gibt es hier nicht, der Gottesdienst wir in einem Versammlungsraum abgehalten. Vor Beginn stehen draussen die Frauen und Männer in getrennten Gruppen zusammen, drinnen löst sich dann auch diese alte Tradition auf und alle
sitzen wieder gemischt. Den grössten Teil verstehen wir. Es wird hochdeutsch gesungen, auch die Predigt wird hochdeutsch gehalten, nur einige Verse dazwischen sind in
plattdeutsch. Eine Kommunion gibt es nicht, die Mennoniten sind eine evangelisch-reformierte Glaubensgemeinschaft, nach der Predigt ist der Gottesdienst abrupt zu Ende.
Anderntags zeigt uns Hildi etwas ihren
Hof. Mit einem klapprigen Geländewagen
fahren wir auf die Weide. Sie besitzt nicht
weniger als 440 ha Landfläche und hält
fast ausschliesslich Kühe für die Fleischproduktion. Hier im kargen Chaco ist die
pro Tier benötigte Fläche viel grösser als
wir es von der Schweiz her gewohnt sind.
Hildi hat sechs Stiere und etwa 160 Kühe,
nur zwei davon sind Milchkühe zur Eigenproduktion von Käse, Butter und Joghurt.
Zur Zeit kommen die Kälber zur Welt, in
diesem Jahr erwartet sie 140 - 150 Stück,
viele davon sind schon geboren. Im Alter
Kühe von Hildi auf der Weide in Valencia
von ungefähr sieben Monaten werden die
Kälber mit 200 - 300 kg Gewicht an eine Zwischenstation verkauft, in den Schlachthof
kommen sie von dort erst später, wenn sie schwerer sind. Momentan ist der zu erzielende Preis aber eher tief, erst vor kurzem hat die EU einen vorübergehenden Importstopp für Rindfleisch aus Paraguay aufgehoben. Hildi besitzt auch noch etwas Ackerfläche, hat diese jedoch an andere Bauern verpachtet. Auch um das Haus gibt es zahlreiche Tiere, neben vielen Hühnern auch fünf Hunde, sechs grosse und sieben kleine
Schildkröten, 21 Kanarienvögel, einige Wachteln, deren Eier gelten in ganz Südamerika
als Delikatesse, und Kaninchen mit Jungen. Auch unerwünschte Tiere gibt es auf dem
Hof, erst letzte Woche wurde eine Kaninchenmutter von einer Klapperschlange getötet.
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Die von Rosi organisierte Führung durch das Indianerprojekt Yalve Sanga muss wegen einem der hier
im Chaco seco seltenen Regenfällen vorerst abgesagt werden. Der Regen hat aber auch gute Seiten.
Die Mennoniten freuen sich über die Bewässerung
von Wiesen und Feldern sowie den Nachschub in
ihren Zisternen, wir über die kühleren Temperaturen. Am Folgetag sind die Erdstrassen dann wieder
trocken genug und wir können ins Dorf Yalve Sanga
fahren. Von der Mennonitin Erna werden wir herumgeführt und besichtigen zuerst das Hospital. Es ist
schön und sauber, komplett eingerichtet und verfügt
auch über ein eigenes Labor. Die Ärzte sind Mennoniten, andere Mitarbeiter häufig Indianer. Der Lehrgang an der angeschlossenen Pflegerinnenschule
wurde vor wenigen Tagen beendet, jetzt ist Urlaubszeit. Auch die Pflegebetten sind momentan fast gar
nicht belegt, nur ein paar schwangere Frauen warten beim Empfang auf Betreuung. Dieses Hospital Erna präsentiert Näharbeiten im Projekt
ist ausschliesslich für die 12'000 - 13'000 Indianer, Yalve Sanga
die auf dem Gebiet der drei Mennonitenkolonien leben, reserviert, sie werden hier kostenlos versorgt. Wir spazieren ans andere Ende des
Dorfes und besuchen das Internat und die Hauswirtschaftsschule. Leider stehen auch
diese wegen der Urlaubszeit leer, trotzdem können wir in die Klassenräume schauen.
Neben dem Internat befinden sich zahlreiche kleine Wohnhäuser, die einen einfachen
aber gepflegten Eindruck abgeben. Sie werden von Indianern bewohnt, aber nur für die
Zeit der Ausbildung eines Familienmitglieds, danach ziehen sie wieder in ihr Dorf zurück.
Obwohl zur Zeit ziemlich “ausgestorben“ ist die Führung durch Yalve Sanga interessant.
Das Projekt wird von den drei Mennonitengemeinden gemeinsam geführt und finanziert,
erhält aber auch Unterstützung aus Europa.
Damit wir auch mal sehen, wie eine reine
Indianersiedlung hier im Chaco so aussieht, fahren wir nach Campo Largo. Hier
wohnt Margarita, die einmal wöchentlich
ins Haus von Rosi und Klaus zum Putzen
kommt. Sie gehört zum Stamm der Lengua, mehrere ihrer Familienangehörigen
sind um das einfache, grösstenteils aus
Lehmziegeln gebaute, Haus versammelt.
Eine Verständigung ist praktisch unmöglich. Margarita spricht ihr Guaraní-Dialekt
und durch ihre Arbeit für die Mennoniten
auch plattdeutsch, Rosi und Klaus hingegen hochdeutsch, selbst unsere SpaIndianerhaus in Campo Largo
nischkenntnisse helfen nur bedingt. Immerhin ein junger Mann der anwesenden Indianer kann sich ein wenig in spanisch mit
uns unterhalten.
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Auf dem Rückweg legen wir im kleinen Dorf
Molino einen Halt ein, um den “Krämerladen“ der Kooperative zu besuchen. Es ist
zwar nicht ein Geschäft im Tante Emma-Stil
mit Ladentisch und Zeigerwaage, solche
haben wir andernorts in Südamerika durchaus noch angetroffen, aber das Angebot auf
beengtem Raum ist sehr vielfältig und bunt
gemischt. Auf einem Tisch liegt das Brot,
die Regale gleich dahinter sind belegt vom
Eisenwaren- und Werkzeugsortiment. Natürlich gibt es auch alle Lebensmittel zu
kaufen, welche von der Kooperative Fernheim produziert werden. Da die Anbaumög- Verkaufsgeschäft der Kooperative in Molino
lichkeiten im Chaco klimatisch bedingt stark
beschränkt sind, werden Früchte und Gemüse einmal wöchentlich per LKW aus OstParaguay angeliefert und sind entsprechend eher teuer. Auch eine Zapfsäule gehört
zum Geschäft, die Treibstoffpreise sind hier aber wie überall in Paraguay klar höher als
im benachbarten Argentinien.
Nach elf Tagen in Valencia oder auf gemeinsamem Ausflug verabschieden wir uns wieder von Rosi und Klaus. Es war eine interessante Zeit mit den beiden, durch sie sind wir
in engeren Kontakt mit einigen Mennoniten gekommen, was als Normal-Tourist vielleicht
nicht möglich gewesen wäre. Wir bleiben vorerst noch im Gebiet der Mennoniten, denn
wir haben für den Abend eine Einladung in Neu-Halbstadt. An unserem Weg dorthin liegt
Fortín Boquerón, ein ehemaliger Militärposten im Chaco-Krieg. Obwohl Militärgeschichte
nicht unsere Sache ist, machen wir eine Ausnahme und besuchen die Gedenkstätte.
1932 bis 1935 führte Paraguay den jüngeren seiner beiden Kriege gegen die Nachbarländer, in diesem Falle gegen Bolivien. Angestachelt und mitfinanziert von der amerikanischen Erdölgesellschaft Standard Oil of New Jersey fiel Bolivien in den paraguayischen Teil des Chacos ein, um sich die dort vermuteten Ölreserven und den Zugang
zum Rio Paraguay als Transportweg zu sichern. Dies beantwortete die paraguayische
Regierung, treibende Kraft im Hintergrund war auf dieser Seite die Royal Dutch Shell
Company, mit einer offiziellen Kriegserklärung. Drei Jahre lang bekämpfte man sich mit
einfachen und veralteten Waffen in der grünen Hölle der damals noch fast unbewohnten
Wildnis, zusätzlicher Feind für beide Seiten waren Hitze, Nahrungsmangel und fehlendes Wasser. Tausende Soldaten verdursteten ganz einfach, 130'000 verloren insgesamt
ihr Leben. Paraguay ging offiziell als Sieger aus dem Krieg hervor und vergrösserte
seine Landesfläche gegen Westen. Wie so häufig war auch dies ein völlig sinnloser
Krieg, denn Erdöl wurde im Chaco bis heute nie gefördert.
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Denkmal und Wachposten in Flaschenbaum, Fortín Boquerón
Fortín Boquerón war ein paraguayischer Militärposten, der 1932 kurz nach Kriegsbeginn
von der bolivianischen Armee besetzt, ein paar Monate später von den Paraguayern
aber wieder zurückerobert wurde. Heute stehen hier neben einem Denkmal noch die
Überreste des alten Kommandantenhauses, es gibt je einen Soldatenfriedhof der beiden
Kriegsparteien, einige Schützengräben und genau so originell wie listig einen Flaschenbaum, der als Wachposten ausgehöhlt wurde. Im Museum sind neben Kriegswaffen
viele alte Fotos ausgestellt, welche auch das äusserst schwierige Vordringen in diese
Gegend dokumentieren, denn die Ruta Trans Chaco existierte damals noch nicht.
Nun fahren wir nach Neu-Halbstadt zu
Priska und Remo, um unsere Einladung
einzulösen. Sie zeigen uns ihr grosses
Haus und ihre fünf Hunde, dank heute
etwas gemässigten Temperaturen können
wir auf der Veranda unter dem Ventilator
statt vor der Klimaanlage sitzen und uns
unterhalten. Ein Schweizer Menü durften
wir bereits im Vorfeld aussuchen, da es
uns für Fondue oder Raclette doch etwas
zu heiss schien, fiel unsere Wahl auf
Rösti, die uns dann auch ausgezeichnet
schmeckt. Nach einer Übernachtung vor
ihrem Haus verabschieden wir uns bereits
Denkmal “Bäuerin mit Egge“ in Neu-Halbstadt
wieder von Priska und Remo und melden
uns im Verwaltungsgebäude der Kooperative Neuland, um das Museum zu besichtigen.
Wir werden von Heinz Wiebe, dem Beauftragten für Tourismus und Kulturförderung, in
seinem Büro empfangen und erhalten detaillierte Erklärungen zur Umsiedelungsgeschichte der Kolonie Neuland, die sich von jener der beiden anderen Kolonien nochmals unterscheidet. Diese Mennonitengruppe wurde in Russland und später in der So-
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wjetunion als besitzlos eingestuft und durfte deshalb länger im Land verbleiben. Erst
nach dem zweiten Weltkrieg erfolgte die Flucht, viele ihrer Männer wurden in dieser Zeit
jedoch als Deutsche verhaftet und nach Sibirien deportiert. So kam etwa die Hälfte der
Familien 1947 ohne Vater in den Chaco nach Paraguay, gezwungenermassen leisteten
die Frauen einen grösseren Anteil an der Feld- und Aufbauarbeit. Dieser Tatsache
gedenkt die Skulptur “Bäuerin mit Egge“, die 2007 zum 60-jährigen Jubiläum der Kolonie
Neuland im Park vor dem Verwaltungsgebäude aufgestellt wurde. Unterstützung in den
schwierigen Aufbaujahren der neuen Siedlungen kam auch von den Glaubensbrüdern
der Kolonien Menno und Fernheim.
Das Überleben aller drei Mennonitenkolonien hier im Chaco war lange Zeit in Frage gestellt, denn der Ackerbau war zu wenig ergiebig und der Transportweg zu den Absatzmärkten im Osten zu beschwerlich. Erst der Bau der Ruta Trans Chaco durch
paraguayische Arbeiter und amerikanische Pax-Boys, hierbei handelt es sich um
mennonitische Militärdienstverweigerer aus den Vereinigten Staaten, die in dieser Form
zivilen Ersatzdienst leisteten, sowie die mit Hilfe von Weltbankkrediten erfolgte Mechanisierung des Ackerbaus und teilweise Umstellung auf Milch- und Fleischwirtschaft führten
zum Durchbruch und damit zur Sicherung der Existenz.
Herr Wiebe führt uns auch durch das
Museum zur Koloniegeschichte, welches in
einem alten Schulgebäude untergebracht
ist. Ausgestellt sind Haushaltsutensilien,
Kleider, Geräte aus dem Verwaltungsbüro
der Kolonie sowie dem Hospital und vieles
mehr. An jedem Stück hängt eine Geschichte, von denen uns Herr Wiebe einige erzählt, denn er persönlich hat den Grossteil
der Sammlung innerhalb der Kolonie zusammengetragen. Auf dem Museumsgelände steht auch noch ein originales Siedlerhaus mit Küche und Schlafraum, eine
Scheune mit Ackerbaugeräten und Pferde- Herr Wiebe im Heimatmuseum von Neu-Halbstadt
wagen, die erste Ziegelpresse der Kolonie
sowie eine alte Planiermaschine für den Strassenbau und ein betagter Traktor. Aus
unserer Sicht ist das Museum in Neu-Halbstadt das bestgestaltete der drei Mennonitenmuseen hier im paraguayischen Chaco. Nach zwei Stunden kostenloser Führung muss
Herr Wiebe zum Mittagessen und wir machen uns auf den Weg in Richtung Asunción.
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Obwohl Asunción nicht über besonders viele Sehenswürdigkeiten verfügt, wollen wir die Landeshauptstadt besuchen. So haben wir das bisher
immer gehandhabt, es gehört für uns einfach zur
Erkundung eines Landes. Nach knapp zwei Tagen
Fahrt erreichen wir wieder die grosse Bogenbrücke
über den Rio Paraguay und schon befinden wir uns
in den Vororten von Asunción. Wie immer in Grossstädten sind wir froh, bereits im Voraus die Adresse
eines Übernachtungsplatzes zu kennen. In diesem
Falle ist es das von einem deutschen Auswanderer
geführte Hotel Restaurant Westfalia, in dessen Hinterhof früher ein einfacher Campingplatz betrieben
wurde. Heute ist er zwar nicht mehr offiziell geöffnet, steht auf Anfrage aber immer noch zur Verfügung. Wir wissen Nordwind hier sicher geparkt und
begeben uns mit einem lauten Stadtbus in rasanter
Fahrt ins Zentrum. Der erste Eindruck ist nicht
Panteón de los Héroes in Asunción
gerade berauschend, die Gebäude wirken etwas
heruntergekommen, viele Fassaden sind durch das feucht-heisse Klima angegraut. Neu
renoviert ist hingegen der Panteón de los Héroes. Ursprünglich war der kleine Bau mit
der grossen Kuppel als Kapelle geplant, nachdem aber zwei grosse Kriege, jener gegen
die Triple Alianza und jener im Chaco, die Vollendung der Arbeiten hinauszögerten,
erhielt er eine neue Funktion als Gedenkstätte für die Kriegshelden. Neben dem Grab
des unbekannten Soldaten ruhen hier auch die sterblichen Überreste mehrerer Generäle
und auch jene einiger Diktatoren.
Einen kurzen Fussmarsch weiter erreichen wir schöne Grünanlagen am Ufer des Rio
Paraguay, mitten drin steht der leuchtend rosa gestrichene Cabildo. Früher tagte hier
der Kongress, mittlerweile hat dieser aber ein klobiges kompliziertes Gebäude mit viel
Glas bezogen. Nur wenig daneben liegt der schöne Präsidentenpalast, aus welchem zur
Zeit der demokratisch gewählte Präsident Lugo die Geschicke des Landes führt. Glücklicherweise, denn die Demokratie hat in Paraguay noch keine lange Vergangenheit, in der
paraguayischen Verfassung war lange Zeit die Diktatur als Staatsform festgeschrieben.
Der berüchtigtste Diktator des Landes war der frühere Oberbefehlshaber der Streitkräfte,
der deutschstämmige Alfredo Stroessner, der 1954 durch einen Putsch an die Macht
kam und fast 35 Jahre lang mit eiserner Hand regierte. Er verfügte den Ausnahmezustand über das Land, behielt diesen fast die ganze Regierungszeit lang aufrecht und
verfolgte jegliche Opposition. Etwa ein Drittel der Bevölkerung von knapp sechs Millionen verliess in dieser Zeit das Land, wieviele Oppositionelle nach ihrer Verhaftung durch
das Militär verschwanden ist unklar, die Schätzungen gehen mit 400 bis 3'000 ziemlich
weit auseinander. Ein Mahnmal auf der Plaza de los Desaparecidos (Platz der Verschwundenen) unweit des Regierungspalastes erinnert an die Opfer der StroessnerDiktatur. Einen weiteren grossen Kontrast zu den prunkvollen Regierungsgebäuden bildet das Armenviertel, eine richtige Hüttensiedlung, welches gleich daneben am Ufer des
Rio Paraguay liegt. Wenn die Politiker aus dem Fenster sehen, werden ihnen die
ungelösten Hausaufgaben täglich vor Augen geführt. Lange wird dieser Zustand aber
wohl nicht mehr anhalten, zum 200-jährigen Jubiläum der Unabhängigkeit von Spanien
wurde in diesem Jahr mit dem Bau einer neuen Uferpromenade begonnen. Was mit den
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Bewohnern dieses Viertels passiert, sobald die Arbeiten bis zu ihren Häusern fortgeschritten sind, bleibt zumindest uns unklar.
Präsidentenpalast in Asunción
Casa de la Independencia in Asunción
Auch nicht weit vom Panteón de los Héroes und den Regierungsgebäuden entfernt liegt
das Casa de la Independencia. In diesem kleinen Kolonialhaus aus dem Jahre 1772
wurde am 14. Mai 1811 die Unabhängigkeit Paraguays erklärt und vom spanischen
Gouverneur überraschend akzeptiert. Paraguay ist damit das einzige Land Südamerikas, welches seine Unabhängigkeit kampflos erreichte. Das restaurierte Haus ist auch
von innen zu besichtigen und mit zeitgenössischer Möblierung eingerichtet.
Auch zwei Museen besuchen wir in Asunción. Zum
einen das Museo Etnografico Andres Barbero, welches sich ganz den Indianerkulturen Paraguays
widmet. Es gibt heute noch 22 Stämme aus fünf
verschiedenen Sprachfamilien, die Lengua im Chaco sind einer davon. Viele Objekte wie Graburnen,
andere Keramik, Federschmuck, Pfeil und Bogen,
ein Holzkanu, Textilien, Knochenpüppchen und alte
Fotos von Zeremonien sind ausgestellt. Die Präsentation ist zwar etwas altmodisch, deswegen aber
nicht minder interessant. Interessant ist auch die
Antwort einer Museumsangestellten auf unsere Frage, was es denn mit den Planenzelten auf sich
habe, welche die Plaza Urugaya komplett belegen.
Es handle sich um landlose Indianer, die von der
Regierung ein Stück Land einfordern, führt sie aus,
würden sie dieses jedoch erhalten, diente es nicht
dem Eigennutz zur Selbstversorgung, sondern dem
Weiterverkauf an brasilianische Grossgrundbesitzer Maká-Indianer als fliegender Händler
und damit dem kurzfristigen Streben nach etwas Geld. Weitere Indianer fallen uns in der
Stadt auf, sie sitzen am Boden und haben vor sich ihr Kunsthandwerk zum Verkauf ausgebreitet. Einige Makás sind mit aufgesetztem Federschmuck voll beladen mit Halsketten und Taschen auf Touristenfang und bieten ihre Ware als fliegende Händler an. Die
gewobenen Taschen sind aber wirklich sehr schön. Wir leisten uns eine davon, was den
indianischen Verkäufer sichtlich erfreut.
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Das zweite Museum nennt sich Museo del
Barro - Centro de Artes Visuales. Es ist
topmodern und gliedert sich in drei Bereiche: Zeitgenössische Kunst mit Fotos,
Gemälden und Montagen, aber auch religiösen Figuren aus der spanischen Kolonialzeit; Arte Indígena mit Gebrauchsgegenständen aus Keramik, Zeremoniegewändern aus Textilien und Federn,
geschnitzten Tierfiguren und Holzmasken;
Barro (Keramik) mit Kunstwerken aus
Paraguay aber auch antiken Keramikstücken aus dem Ausland. Wir treffen
auch hier wieder auf die Kulturen der
Im Museo del Barro - Centro de Artes Visuales
Moche und Chimú aus dem alten Peru.
Aus den geplanten zwei Tagen in Asunción werden schliesslich doch vier, durch das
häufig graue Wetter sind die Temperaturen viel besser zu ertragen als befürchtet. Den
Abschluss unseres Besuches in der Hauptstadt bildet ein gutes Nachtessen im Restaurant Westfalia.
Wir verlassen die Hauptstadt nach Osten und begeben uns auf den Circuito de Oro, die
goldene Rundfahrt, welche von Reiseveranstaltern in Asunción als Tagesausflug angeboten wird und aus unerfindlichen Gründen diesen Namen trägt. Nach dem Vorort San
Lorenzo werden wir von einer Polizeikontrolle angehalten und unsere Papiere werden
verlangt. Da wir bei Rot über die letzte Ampel gefahren sein sollen, beginnt ein Beamter
sogleich mit dem Ausfüllen eines Strafzettels. Die offizielle Busse beträgt 1 Mio. Guaraní
(ca. CHF 230.-) und muss in Asunción bezahlt werden. Wir lehnen die Busse jedoch ab
und halten an unserer Aussage fest, dass die Ampel auf Grün gestanden sei. Wieviel
Bargeld wir denn dabei hätten, fragt ein zweiter Polizist, eine direkte Bezahlung käme
günstiger. Auf diesen alten Korruptionstrick lassen wir uns natürlich nicht ein, bleiben bei
unserer Version von grün statt rot und erhalten die Ausweispapiere tatsächlich schon
bald wieder zurück.
In Itauguá folgen wir den Spuren des Ñanduti-Kunsthandwerks. In unserem Reiseführer werden diese Textilkunstwerke als Webarbeiten bezeichnet, für uns sehen die in
den Geschäften entlang der Hauptstrasse
angebotenen Stücke eher aus wie Spitzenklöppelei. In Wahrheit sind sie aber weder
das eine noch das andere, eben Ñanduti,
eine alte Textiltechnik, die von Generation
zu Generation weitergegeben wurde und
heute fast nur noch in Itauguá ausgeübt
wird. Nach dem Ñanduti-Museum suchen
wir vergeblich, es existiert ganz offensichtlich nicht mehr, wir finden aber ein Centro Vorführung der Ñanduti-Technik
Artesanal (Kunsthandwerkszentrum). Hier
werden Ñanduti-Stücke zum Verkauf angeboten, leider ist zur Zeit aber niemand am Ar© Team North, Michèle & Reto Nussbaumer
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beiten. Auf unsere Nachfrage hin nimmt eine Frau jedoch eine angefangene Arbeit zur
Hand und demonstriert uns etwas den Ablauf. Sehr gut vorstellen können wir uns die
Technik nachher aber immer noch nicht, denn die Arbeit am Demonstrationsobjekt ist
erst im Anfangsstadium.
Wir erfahren, dass das ehemalige Ñanduti-Museum heute im Pfarreimuseum integriert ist und suchen dieses auf. Tatsächlich, hier sind die verschiedenen Arbeitsschritte erklärt und mit Musterarbeiten im
jeweiligen Fortschritt veranschaulicht. Ein
eher grobmaschiger Trägerstoff, häufig
Leinen, wird auf einen Holzrahmen gespannt und die Konturen des Motivs auf
diesen Stoff gezeichnet. Nun werden Trägerfäden auf den Stoff gestickt und das
Motiv mit einer Nähnadel in wirklicher
Webtechnik, allerdings in Miniaturform,
darauf gewebt. Zum Schluss wird der TräÑanduti-Arbeit vor dem Wegschneiden des Trägerstoffs
gerstoff komplett weggeschnitten, die Arbeit gewaschen und mit einer Maniokmehl
enthaltenden Lösung gestärkt. Das Ergebnis sind ultrafeine Arbeiten, die etwas an ein
Spinnennetz erinnern. So weit hergeholt ist das nicht, denn Ñanduti kommt aus der
Guaraní-Sprache und bedeutet Spinnenfaden. Über die Herkunft der Ñanduti-Technik
scheiden sich die Geister. Gemäss Nachforschungen soll die Technik in der arabischen
Welt erfunden und via Spanien, kanarische Inseln und Buenos Aires den Rio Paraná
hinauf nach Paraguay gekommen sein. Viel schöner ist jedoch die Legende zur Entstehung von Ñanduti, die man sich in Itauguá erzählt: Eine Häuptlingstochter wollte jenen
Mann heiraten, der ihr das schönste Geschenk bringt. Die meisten brachten Blumen
oder Früchte, einer aber wollte ihr ein schönes Spinnennetz aus dem Wald schenken.
Beim Herunternehmen ging es jedoch kaputt und der Jüngling war sehr traurig. Seine
Mutter stellte aus ihrem eigenen Haar ein künstliches Spinnennetz her, welches der
Jüngling der Häuptlingstochter als Geschenk überbrachte. Dieser gefiel das Spinnennetz so gut, dass sie ihn zum Mann wählte und heiratete. Damit war Ñanduti geboren.
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Wir fahren auf der Hauptstrecke weiter in
Richtung Ciudad del Este. Immer wieder
stehen Verkaufsstände am Strassenrand,
an welchen aus grossen Körben die Chipas
angeboten werden. Wir kennen diese in
Paraguay landestypischen kleinen Brotringe
bereits aus dem argentinischen Formosa,
schliesslich gehörte diese Provinz früher zu
Paraguay. Die leckeren Ringe sind aus
Maniokmehl mit etwas Käse hergestellt und
in der Zwischenzeit auch bei uns eine “traditionelle“ Mittagsmahlzeit geworden. Wenn
Fahrzeuge am Strassenrand in der Nähe
des Verkaufsstandes anhalten, schwingt die Chipa-Verkäuferin am Strassenrand
Verkäuferin den Korb in afrikanischer Manier auf den Kopf und eilt zu den wartenden Kunden. Die Strasse steigt auf die Cordillera de los Altos an und wir biegen in die kurze Zufahrt nach Atyrá ein, dem der Ruf
vorauseilt, die sauberste Stadt in ganz Paraguay zu sein. Dies stimmt dann tatsächlich,
hier liegt nicht, wie in Südamerika leider fast überall üblich, Müll auf den Strassen herum. Nur die Bezeichnung Stadt ist etwas weit hergeholt, es handelt sich eher um ein
Dorf mittlerer Grösse. Auch das in unserem Reiseführer angepriesene Kunsthandwerk
ist nur sehr spärlich zu sehen. Die Fussgängerzone ist gerade mal einen Strassenblock
lang und nicht mehr als fünf kleine Verkaufslokale bieten zumeist aus Leder gefertigte
Produkte an.
Tobatí, eine weitere für ihr Kunsthandwerk bekannte Kleinstadt liegt nur wenige Kilometer Luftlinie von Atyrá entfernt. Wir sparen uns den Weg zurück zur Hauptverbindungsstrasse und wählen die Direktverbindung, welche sich dann als sehr holprige
Erdpiste erweist. Dank trockener Fahrbahn gelangen wir aber trotzdem ohne Probleme
nach Tobatí. Viel Keramik soll hier produziert werden, so die Vorinformation aus unserem Reiseführer. Schon vor dem Ortseingang fallen uns viele kleine Fabriken mit gemauerten Brennöfen auf, für die Produktion von Kunsthandwerk scheinen sie uns aber
doch etwas zu gross. Wir stoppen und fragen bei einer solchen Fabrik nach, was und
wie denn hier produziert wird.
Dachziegelproduktion in Tobatí
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Des Rätsels Lösung lautet Baukeramik, es handelt sich um kleine Ziegeleien und nicht
um Kunstkeramikateliers. Wir erhalten auch gleich eine Führung durch die halbautomatische Produktion mit eher rustikalen Maschinen aus Brasilien, die meisten Arbeitsschritte werden noch von Hand ausgeführt. Der in den umliegenden Bergen abgebaute
Ton wird ohne weitere Verfeinerung von einem Mann im Akkordtempo in die Mischanlage geschaufelt, die kleine Tonstücke in Würmchenform auf ein Förderband ausspuckt. Das Band führt zur Presse, die je nach eingesetzter Form Mauersteine oder
Dachziegel in einem Endlos-Strang produziert. Dieser Strang läuft auf ein weiteres
Förderband, ein Draht schneidet ihn automatisch in die gewünschte Stücklänge. Am
Ende des Bandes warten die Arbeiter in Kolonne, der Reihe nach hält jeder seine
Spezialkelle, die einer Maurerkelle ähnlich sieht, hin und nimmt einen Ziegel ab dem
Band. Dieser wird nun von Hand noch schnell über eine Vorrichtung gezogen, um ihm
auch eine untere nicht durchgehende Form zu geben, und dann auf einer Holzpalette
abgelegt. Ist ein Stapel solcher Paletten voll, wird er von einem Arbeiter per Schubkarre
ins überdachte Zwischenlager befördert, um dort an der Luft zu trocknen. In dieser Art
können pro Tag mit 15 Arbeitern 12'000 Dachziegel hergestellt werden. Diese werden je
nach jahreszeitlichem Klima fünf bis sieben Tage an der Luft getrocknet und dann in
einem der riesigen Öfen aufgestapelt. Das Brennen mit Holzbefeuerung dauert weitere
fünf und das anschliessende langsame Abkühlen nochmals drei Tage. Eine wirklich
beeindruckende Produktion, unter den Arbeitern herrscht eine fröhliche Stimmung. Rund
um Tobatí soll es um die 400 solcher Ziegeleien geben, von welchen nur gerade zwei
vollautomatisch eingerichtet sind. Die restlichen arbeiten mehr oder weniger nach dem
soeben gesehenen Muster. Damit wird der gesamte Landesbedarf an Mauersteinen und
Dachziegeln Paraguays gedeckt, sogar ein Export nach Argentinien und Bolivien ist
möglich. Von der Kunstkeramikproduktion, die wir hier eigentlich gesucht haben, finden
wir aber gar nichts, nur ein eher liebloses Geschäft mit völlig überfüllten Verkaufsregalen, was dem interessanten Nachmittag in Tobatí aber keinen Abbruch tut.
Etwas weiter im Hinterland liegt der Nationalpark Vapor Cué. Wir besuchen diesen
Park, der aber mehr ein Freiluftmuseum
denn ein Nationalpark im üblichen Sinne
ist. Wegen der drückenden Nachmittagshitze parken wir für den Rest des Tages
auf dem Platz vor der benachbarten Hotelanlage ein und halten Siesta. Zeitig am
nächsten Morgen können wir dann zum
Rundgang im Park starten. Auf einer kleinen Grünfläche am Ufer des Rio Yhaguy
sind die Wracks einiger alter Dampfschiffe
ausgestellt, die während dem Triple Alianza Krieg (1864 bis 1870) im Einsatz stanRaddampfer Anhambay im Nationalpark Vapor Cué
den. Damals war Paraguay noch eine
Grossmacht in Südamerika und ihr grössenwahnsinniger Diktator Francisco Solano
López führte das Land in einen verhängnisvollen Krieg gegen den Dreierbund, eben die
Triple Alianza, aus Brasilien, Argentinien und Uruguay. Nach anfänglichen Erfolgen war
die paraguayische Armee diesem Dreierbund klar unterlegen, kapitulierte jedoch erst am
1. März 1870, als der Diktator López selbst in einer Schlacht fiel. Die verheerende
Kriegsbilanz Paraguays: Von ca. 1.3 Mio. Einwohnern vor dem Krieg überlebte nur un-
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gefähr ein Fünftel, die meisten Männer mussten ihr Leben lassen, zudem verlor Paraguay die Hälfte seiner Landesfläche, konkret die heutigen Provinzen Misiones und Formosa an Argentinien sowie einen Teil des heutigen Bundesstaates Mato Grosso do Sul
an Brasilien. Ein grosses Denkmal und viele Gedenktafeln mitten im Park erinnern an
diesen schrecklichen Krieg, viel lieber wenden wir uns aber den Schiffsteilen zu, obwohl
auch diese militärischen Ursprungs sind. Vom Raddampfer Anhambay und dem Schraubendampfer Piraveve sind noch der Stahlrumpf, der Feuerkessel, Kamin und Masten
erhalten, sie sehen von aussen ziemlich komplett aus. Die Anhambay gehörte der brasilianischen Armee und wurde von den Paraguayern nach einer siegreichen Schlacht auf
dem Rio San Lorenzo in Mato Grosso erbeutet. Von vier kleineren Dampfern mit Holzrumpf sind nur noch die Feuerkessel und Teile der Antriebswellen erhalten, der Rest ist
verbrannt. Gegen Ende des Krieges, als sich die Paraguayer ihrer möglichen Niederlage
bewusst wurden, brachten sie die sechs Schiffe hierher in den kleinen Rio Yhaguy und
steckten sie in Brand, damit sie nicht in die feindlichen Hände der Brasilianer fallen
konnten. Das Ganze ist ein Stück Landesgeschichte, wenn auch ein dunkles Kapitel,
unseres Interesses für Schiffe wegen hat sich der Besuch für uns aber durchaus gelohnt.
Gute 200 km auf der Hauptverkehrsachse
fehlen uns noch bis nach Ciudad del Este,
der Boomtown Paraguays, die aber auch
den inoffiziellen Titel als Schmugglerhauptstadt trägt. Diese Stadt im Dreiländereck zu
Brasilien und Argentinien wurde erst 1957
unter dem Namen Puerto Stroessner gegründet und ist die am schnellsten wachsende Stadt des Landes mit mittlerweile
einer Viertelmillion Einwohnern. Zu sehen
gibt es dort für uns nichts und kaufen wollen
wir auch nichts. Trotzdem müssen wir ein
Stück durch die Stadt fahren, um zu einem
der “Sieben Weltwunder der Neuzeit“, dem Staumauer und Hochwasserüberlauf in Itaipú
gigantischen Wasserkraftwerk von Itaipú, zu
gelangen. Wir melden uns im Besucherzentrum zu einer kostenlosen Führung an und
werden zuerst in einem Film von 30 Minuten über die Baugeschichte des Kraftwerks
orientiert und mit Zahlen bombardiert, die jedoch erst so richtig zu fassen sind, wenn sie
in einen Vergleich gestellt werden. Itaipú Binacional ist ein Gemeinschaftsprojekt Paraguays und Brasiliens. Im Jahre 1975 war Baubeginn, 1978 wurde der Rio Paraná in
einen künstlichen Kanal umgeleitet, 1982 konnten die Schleusen der Staumauer geschlossen werden und die langsame Flutung des Stausees begann. Auf dem Höhepunkt
der Bauzeit arbeiteten ca. 30'000 Personen auf der Baustelle. 1983 wurde die erste und
1991 die letzte der 18 geplanten Francis-Turbinen in Betrieb genommen, 2004 wurde
das Kraftwerk um zwei weitere solcher Turbinen erweitert. Die Gesamtnennleistung
beträgt seither 14'000 MW, dies entspricht fast der Leistung von zwölf durchschnittlichen
Atomkraftwerken in Deutschland. Bezüglich der jährlich produzierten Energie bleibt
Itaipú auch nach der Inbetriebnahme des Drei-Schluchten-Staudamms in China an der
Weltspitze. Die 20 Turbinen sind je zur Hälfte auf die beiden Länder verteilt, da Paraguay aber mit nur zwei Turbinen 90% seines Strombedarfs abdecken kann, laufen seine
restlichen acht Turbinen für Brasilien und decken zusammen mit den zehn brasiliani© Team North, Michèle & Reto Nussbaumer
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schen 20% der in diesem riesigen Land benötigten Energiemenge ab. Dieser Energieverkauf ist ein Riesengeschäft für Paraguay. Die Baukosten des Kraftwerks von Itaipú
waren ebenfalls gigantisch, statt der veranschlagten 3 Mia. US$ sollen bis zur Inebtriebnahme 20 Mia. US$ aufgelaufen sein, ein nicht unwesentlicher Teil davon versickerte in
den Kanälen der Korruption. Fast interessanter als diese nackten Zahlen sind aber ein
paar Vergleiche: Das Ausbaggerungsvolumen betrug mit 6.1 Mio. Kubikmetern das 8.5fache des Eurotunnels unter dem Ärmelkanal, die zum Abtransport notwendige Lastwagenkolonne würde drei Mal um die Erde reichen; das in Itaipú verarbeitete Betonvolumen von 12.8 Mio. Kubikmetern ist das 15-fache des Eurotunnels, damit hätte man
auch eine zehn Meter breite Strasse nach New York bauen können; mit der in Itaipú
verbrauchten Menge an Eisen und Baustahl könnten 380 Eiffeltürme gebaut werden; der
Hochwasserüberlauf in Itaipú hat die 40-fache Durchflussleistung der Wasserfälle von
Iguazú. Die auf den Film folgende Fahrt mit einem Bus zur 196 m hohen und 7'760 m
langen Staumauer ist vergleichsweise unspektakulär. Von einem Aussichtspunkt lassen
sich die zum Teil in einem Bogen angelegte Mauer und der riesige Hochwasserüberlauf
aus der Ferne überblicken, das Ende des Stausees, der ungefähr zweieinhalb mal so
gross ist wie der Bodensee, liegt jedoch ausser Reichweite. Der Bus fährt anschliessend
der Staumauer entlang, abgesehen von den immensen Fallrohren zu den Turbinen ist
dort einfach sehr viel Beton zu sehen.
Die Umweltauswirkungen dieses Projekts werden im Film für die Besucher nicht unerwartet völlig schöngefärbt dargestellt. Zwar wurden mehrere Naturschutzgebiete am
neuen Seeufer angelegt, diese vermögen die Verluste der Natur aber niemals zu kompensieren. Denn für den Bau der Staumauer mussten grosse Flächen subtropischen
Regenwalds abgeholzt werden, noch grössere verschwanden bei der Flutung des Stausees. Etwa 170 km nördlich von Ciudad del Este lagen einst die Wasserfälle Saltos del
Guairá, die jenen von Iguazú ebenbürtig gewesen sein sollen. Der Stausee hat dieses
Naturschauspiel buchstäblich verschlungen. Auch die Ureinwohner sind von Itaipú betroffen, etwa 4'000 Guaraní-Indianer mussten umgesiedelt werden. Wohin sich die
früher direkt am Rio Paraná lebenden Tiere zurückgezogen haben, bleibt ungewiss.
Auf die ursprünglich geplante Besichtigung des Refugio Biológico Tatí Yupí, eines der
zur Kompensation der Bauschäden angelegten Naturschutzgebiete, verzichten wir,
nachdem wir erfahren, dass der Campingplatz dort kürzlich geschlossen wurde und die
Wanderwege in brasilianischer Manier nur noch mit Führer zu begehen sind. Dieser
wäre zwar kostenlos, aber wir wollen uns in der Natur frei bewegen können. Stattdessen
werfen wir einen Blick in den direkt beim Kraftwerk angelegten Zoo. Aber auch hier
wurden brasilianische Sitten angenommen, eine unabhängige Besichtigung ist nicht
mehr erlaubt. Wir schliessen uns einer Gruppe an und marschieren in Kolonne mit vielen
Familien mit Kindern und Ausrüstung für den Mate Tereré vorbei an den Käfigen der
Raubkatzen (Pumas und Jaguare), den Freigehegen mit Wildschweinen, Tapiren,
Wasserschweinen und Rehen sowie den Vogelvolièren mit verschiedenen Aras,
Tukanen und Greifvögeln. Alle diese Tiere sind oder waren im Einzugsgebiet von Itaipú
heimisch. Wie immer auf einem geführten Rundgang besteht kaum die Möglichkeit um
richtig zu schauen. Mit der Zeit machen die Paraguayer aber etwas schlapp und die
Gruppe fällt auseinander. Wir können ausscheren und machen eine zweite Runde mit
der nächsten Gruppe. Wir haben schon schlechtere Zoos gesehen, die Raubtierkäfige
und Vogelvolièren sind zwar auch hier viel zu klein, die Freigehege erscheinen uns aber
grosszügig und sind gemischt bevölkert. Unklar bleibt uns, weshalb die Parkwächter mit
Pistolen und grosskalibrigen Gewehren bewaffnet sind.
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Als Ersatz für das Naturschutzgebiet Tatí
Yupí fahren wir in die nahegelegene Gemeinde Presidente Franco und besuchen
dort den Wasserfall Salto Monday. Der
ihn umgebende kleine Gemeindepark ist
von vielen Sonntagsbesuchern aber ziemlich zugemüllt. Obwohl es keinen offiziellen Campingplatz gibt, dürfen wir im Park
übernachten.
So
haben
wir
am
Montagmorgen Gelegenheit, den Wasserfall in Ruhe anzuschauen. Mit Iguazú und
den eben nicht mehr existierenden Saltos
del Guairá ist er zwar nicht zu vergleichen, dennoch ist die 40 m hohe AbSalto Monday
bruchkante im Rio Monday von der kleinen Aussichtsterasse her recht imposant. Der Fussweg dem Fluss entlang ist aber leider
nur kurz, verläuft sich schnell einmal in der überwuchernden Ufervegetation. Lange wird
es am Salto Monday wohl nicht mehr so beschaulich zugehen, eine neue grössere
Aussichtsplattform ist derzeit im Bau.
Unser letztes Reiseziel in Paraguay liegt
ganz im Süden des Landes, nahe der Grenze zu Argentinien. Einige der Missionsstationen, die der Jesuitenorden während der
spanischen Kolonialzeit in der Region des
Rio Paraná errichtete, standen auf heute
paraguayischem Staatsgebiet. Drei dieser
Stationen sind bis heute als Ruinen erhalten
geblieben, zwei davon wurden von der
UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Wir
fahren zuerst zur kleineren der beiden, die
Ruinen der Mission Jesús de Tavarangue
stehen auf einer offenen schattenlosen Wiese. Um der nachmittäglichen Hitze auszu- Ruinen der Jesuitenkirche Jesús de Tavarangue
weichen, übernachten wir vor Ort und verschieben den Rundgang auf den nächsten Morgen. Mit dem Bau dieser Mission wurde
1758, nur zehn Jahre vor der damals noch nicht absehbaren Ausweisung der Jesuiten
durch den spanischen König, begonnen. Obwohl sehr viele Guaraní-Indianer als Arbeiter im Einsatz standen, konnte die sehr grosse Kirche in dieser Zeit nicht fertiggestellt
werden, sie blieb ohne Dach, als die Station verlassen wurde. Was heute noch steht, ist
sehr gut erhalten. Die Grösse der Kirche ist wirklich imposant, sie verfügt aber nur über
wenige Steinmetzarbeiten, diese hätten wohl erst nach der Fertigstellung des Baus hinzugefügt werden sollen. Von den Wohn- und Werkstattgebäuden haben nur ein paar
Grundmauerreste die Zeit überdauert, von Schule und Kloster stehen hingegen noch
einige Fassaden und zum Teil die Säulen eines Arkadenganges. Die gesamte Anlage ist
sehr gepflegt und wird gut geschützt. Trotzdem fristet sie eher ein Mauerblümchendasein, zumindest während unseres Aufenthalts finden sich keine weiteren Besucher
ein.
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Zwischen Mennoniten und Jesuiten in Paraguay
Das nahegelegene kleine Dorf Trinidad ist der Standort der zweiten, bedeutend grösseren Missionsstation, Santissima Trinidad del Paraná. Hier ist es für einmal nicht die
Sonne, sondern drohende Gewitterwolken, die uns den Besuch auf den folgenden Tag
verschieben lassen. Nachts kühlt es so weit ab wie schon lange nicht mehr, am Morgen
finden wir dann optimale Bedingungen für eine Besichtigung vor, stahlblauer Himmel bei
nur 20°C.
Ruinen der Jesuitenkirche Santissima Trinidad del Paraná
Diese Mission wurde bereits 1706 auf der heute argentinischen Seite des Rio Paraná
gegründet, man begann aber erst 1712 am heutigen Standort mit dem Aufbau der
Gebäude. Wir finden eine sehr weitläufige Anlage vor, viele Mauern, nicht nur Grundmauern, sind noch erhalten. In mehreren Reihen stehen die Reste von Indiohäusern mit
Gewölbebögen, im Vergleich zu den heutigen Indianerhütten von sehr hoher Qualität.
Nebst der Hauptkirche gibt es eine zweite kleinere Kirche beim Friedhof und einen
freistehenden Glockenturm, den wir besteigen können. Ein an die grosse Kirche anschliessender Gebäudekomplex umfasst das Haus der Pater, die Klausur und die
Schule, in diesem Bereich ist aber nicht mehr sehr viel stehen geblieben. Die grosse
Kirche ist genauso imposant wie jene in Jesús de Tavarangue, aber nicht als komplette
Einheit erhalten. Die mehrere Meter dicken Mauern stehen vor allem noch im Altarbereich und weisen viele Steinmetzarbeiten auf.
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Südamerikareise 2011, Bericht 20
Zwischen Mennoniten und Jesuiten in Paraguay
Die Kanzel und das Taufbecken sind aus
demselben rötlichen Stein wie die Mauern
gearbeitet und reich verziert. Pflanzenund Blütenornamente sind genauso vorhanden wie geometrische Formen und
natürlich Engels- und Heiligenfiguren. Geschaffen haben all dies Guaraní-Indianer,
die als Steinmetze angelernt wurden. In
der ehemaligen Sakristei sind lose Teile
solcher Ornamente wie auch einzelne
Engelsköpfe ausgestellt, die bei der teilweisen Rekonstruktion der Anlage nicht
zugeordnet werden konnten. Unter dem
Altarraum liegt eine Krypta, in welche
Steinmetzarbeit in Santissima Trinidad del Paraná
über eine steinerne Treppe hinuntergestiegen werden kann. Wir sind beeindruckt von der gesamten Anlage, sie ist definitiv
ebenbürtig zum berühmteren San Ignacio Mini in Argentinien, wenn nicht gar noch
schöner.
Nicht mehr weit ist es von den Jesuitenmissionen bis zur Grenzstadt Encarnación. Fast
einen ganzen Monat haben wir uns in Paraguay aufgehalten. Obwohl das Land nicht
über allzu viele herausragende Sehenswürdigkeiten verfügt, haben wir hier eine interessante und abwechslungsreiche Zeit verbracht. Zu schaffen gemacht hat uns gelegentlich
aber die Hitze, die zuletzt in Ost-Paraguay wegen der hohen Luftfeuchtigkeit noch
drückender war als im Chaco. Von Encarnación überqueren wir den Rio Paraná auf der
grossen Schrägseilbrücke Roque Gonzalez hinüber ins argentinische Posadas.
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