4 LPG - Glaubenskultur
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4 LPG - Glaubenskultur
05. März 2001 Auskunftsanspruch von Glaubenskultur gegenüber der Neuapostolischen Kirche - § 4 LPG Eine rechtliche Beurteilung für Dietmar Korthals und Michael Koch I Literaturverzeichnis Groß, Rolf Presserecht; 3. Auflg. 1999 zitiert: Groß Löffler, Martin / Handbuch des Presserechts; 4. Auflg. 2000 Ricker, Reinhart zitiert: Löffler/Ricker Löffler, Martin / Presserecht – Kommentar zu den Landespressegesetzen der Wenzel, Egbert Bundesrepublik Deutschland; 4. Auflg. 1997 zitiert: Löffler/Wenzel Maurer, Hartmut Allgemeines Verwaltungsrecht; 11. Auflg. 1997 [Achtung: Neuauflage erschienen] zitiert: Maurer Pieroth, Bodo / Grundrechte – Staatsrecht II; 13. Auflg. 1997 [Achtung: Schlink, Bernhard Neuauflage erschienen] zitiert: Pieroth/Schlink Schenke, Wolf-Rüdiger Verwaltungsprozeßrecht; 6. Auflg. 1998 zitiert: Schenke Schiwy, Peter / Medienrecht: Lexikon für Wissenschaft und Praxis; 3. Auflg. Schütz, Walter J. (Hrsg.) 1994 zitiert: Schiwy/Schütz Soehring, Jörg / Presserecht: Recherche, Darstellung und Haftung; 3. Auflg. 2000 Hoeren, Thomas zitiert: Soehring/Hoeren II • Gesetzestexte § 4 Pressegesetz NW (1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. (2) Ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht, soweit 1. durch sie die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte oder 2. Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder 3. ein überwiegendes öffentliches Interesse oder ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder 4. deren Umfang das zumutbare Maß übersteigt. (3) Allgemeine Anordnungen, die einer Behörde Auskünfte an die Presse überhaupt, an diejenige einer bestimmten Richtung oder an ein bestimmtes periodisches Druckwerk verbieten, sind unzulässig. (4) Der Verleger einer Zeitung oder einer Zeitschrift kann von den Behörden verlangen, daß ihm deren amtliche Bekanntmachungen nicht später als seinen Mitbewerbern zur Verwendung zugeleitet werden. § 4 Pressegesetz BW (1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. (2) Ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht, soweit 1. hierdurch die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte oder 2. Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder 3. ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder 4. ihr Umfang das zumutbare Maß überschreitet. (3) Anordnungen, die einer Behörde Auskünfte an die Presse allgemein verbieten, sind unzulässig. (4) Der Verleger einer Zeitung oder Zeitschrift kann von den Behörden verlangen, daß ihm deren amtliche Bekanntmachungen nicht später als seinen Mitbewerbern zur Verwendung zugeleitet werden. III • Gutachten 1. Auskunftsverpflichtung Die Neuapostolische Kirche KdöR muß zu Auskunft verpflichtet sein. Zur Auskunft verpflichtet sind Behörden. Fraglich ist, ob die Kirche eine Behörde im Sinne des § 4 Abs. 1 LPG ist. Das ist umstritten1: Nach einer Auffassung sind Kirchen nicht auskunftspflichtig, es sei denn, es betrifft vom Staat verliehene hoheitliche Befugnisse (Kirchensteuer).2 Es geht zwar um die Kirchenfinanzierug, die aber in der NAK nicht über die Erhebung von Steuern, sondern über den „Zehnten“ erfolgt. Die Erhebung des Zehnten ist keine hoheitliche Befugnis. Demnach müßte die NAK keine Auskunft erteilen. Nach anderer Auffassung sind Kirchen dann auskunftspflichtig, wenn sie a) eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, und wenn es b) um weltliche Fragen wie z.B. Kirchensteuer, Kirchenverwaltung usw. geht.3 Die NAK ist sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Baden-Württemberg eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Fragen Kochs / Korthals‘ drehen sich um die Finanzierung / Verwaltung der Kirche (so auch Frau Raible!), also um weltliche Fragen. Damit wäre die Kirche auskunftspflichtig. Gegen die Annahme einer Auskunftspflicht von Kirchen (in der Rechtsform einer KdöR) spreche, daß mit der Verleihung des Körperschaftscharakters keine Eingliederung in den Staatsapparat erfolgen soll. Kirchen sind nicht, wie für Körperschaften sonst typisch, dem Staat organisatorisch und funktionell eingeordnet; der Körperschaftsstatus soll ihnen bestimmte Körperschaftsrechte vermitteln und ihre Bedeutung für die öffentliche Ordnung anerkennen.4 Die Kirchen haben Personalhoheit, können Steuern erheben (u.a.); ihnen stehen zahlreiche Rechte zu, die sonst dem Staat vorbehalten sind. Sicher unterscheiden sich 1 vgl.: Übersicht bei Schiwy/Schütz-Sagurna S. 30 Groß Rn. 446; Soehring/Hoeren Rn. 4.21 3 Löffler/Ricker Abschn. 4, Kap. 19, Rn. 11; Löffler/Wenzel zu. § 4 LPG Rn. 64 2 1 Kirchen von anderen Körperschaften dadurch, daß ihr Zweck die Religionsausübung (vgl. Art. 4 GG) ist. Dort, wo es um Religionsausübung geht, kann / darf es keinen staatlichen Einfluß mehr geben; die Vorteile der Körperschaftsstatus‘ wirken sich aber im Bereich der Verwaltung aus. Damit sind die Kirchen zwar nicht in den Staatsapparat eingebunden, sie erhalten aber als Vorteil Befugnisse aus diesem Apparat. Das geschieht wohl auch deshalb, weil der Staat Kirchen fördern / schützen will. Damit spricht das atypische Erscheinungsbild einer Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht dagegen, ihr auch Nachteile dort aufzubürden, wo sie staatliche Vorteile, die dem Staat sonst vorbehalten sind, genießt. Das Auskunftsrecht dient zur Sicherung der Staatsgewalt der Bürger (vgl. Art. 20 Abs. 1 GG).5 Dort, wo Kirchen Hoheitsrechte haben, muß diese Gewalt auch durch die Informationsmöglichkeit der Bürger über die Presse kontrollierbar sein. Ferner spreche gegen eine Auskunftspflicht von Kirchen, daß sie dann gegenüber privatrechtlich organisierten Glaubensgemeinschaften benachteiligt werden, was ein Verstoß gegen Art. 3 GG darstelle.6 Ein Unternehmen, das eine bestimmte Rechtsform wählt, wird unter Umständen anders besteuert, als ein Unternehmen mit anderer Rechtsform. Der Oberbegriff für einen Vergleich ist nicht Glaubensgemeinschaft, sondern Glaubensgemeinschaft in der Rechtsform der KdöR. Wer Vorteile einer Rechtsform in Anspruch nimmt, darf sich, wenn er aufgrund dessen auch Nachteile erfährt, nicht darauf berufen, andere Gemeinschaften, die nicht in dieser Rechtsform organisiert seien, erführen diese Nachteile aber nicht. Damit ist der Ansicht zu folgen, daß auch Kirchen in Form der KdöR auskunftspflichtig sind, wenn es um weltliche (verwaltungstechnische) Fragen geht. Hinweis: Das kann man auch anders sehen; und die Kirche wird sich auf die Gegenmeinung berufen. Wie sich ein Gericht entschiede, ist schwer zu sagen: Vor Gericht und auf hoher See ist man einzig in Gottes Hand! Eine Entscheidung eines Obergerichts ist nicht bekannt. 4 Maurer § 23 Rn. 34 dort mit weiteren Nachweisen Löffler/Ricker Abschn. 4, Kap. 18, Rn. 1 ff. 6 Groß Rn. 446 5 2 2. kein Ausschluß der Auskunftspflicht gemäß § 4 Abs. 2 LPG Die in § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 LPG sind nicht einschlägig: Der Anspruch besteht unter den oben benannten Voraussetzungen. 3. Auskunftsverlangen Ein erforderliches Auskunftsverlangen7 wurde gestellt bzw. sollte erneut gestellt werden. Frage: Wie kann der Anspruch durchgesetzt werden? Wenn die Kirche sich weigert, die Auskunft zu erteilen (oder die Auskunft nicht vollständig oder nicht richtig erteilt), kann Klage (Allgemeine Leistungsklage) bei dem zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden.8 In NW wäre das wohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Eines Vorverfahrens (§ 68 VwGO: Widerspruch) bedarf es nicht.9 Es muß derjenige klagen, dessen Auskunftsbegehren abgelehnt wurde. Wegen des lange dauernden Verfahrens könnte man auch einen Antrag aus einstweiligen Rechtsschutz in Erwägung ziehen.10 Hinweis: Das Risiko, einen solchen Prozeß zu verlieren, ist nicht gering: Die Rechtslage ist, wie oben gezeigt, umstritten. Damit ist, auch wenn vor dem VG kein Anwaltszwang herrscht, das Kostenrisiko nicht gering, zumal sicher, zumindest von Seiten der Kirche, die Rechtsmittel ausgeschöpft würden. 7 Löffler/Wenzel zu. § 4 LPG Rn. 74 ff. Groß Rn. 453 f.; Löffler/Ricker Abschn. 4, Kap. 22 Rn. 1 ff.; Soehring/Hoeren Rn. 4.76 9 Groß Rn. 453; Soehring/Hoeren Rn. 4.77 10 Groß Rn. 456 8 3 weitere Hinweise: Gemäß § 4 Abs. 4 LPG kann der Verleger einer Zeitung (u.a.) verlangen, daß ihm zeitgleich zu einem Mitbewerber Bekanntmachungen zugeleitet werden. Die Praxis der Kirche besteht darin, zunächst den Verlag Friedrich Bischoff zu informieren; erst danach (wenn überhaupt) erfolgt die Verteilung an andere Presseunternehmen. § 4 Abs. 4 LPG könnte einen Anspruch auf eine andere Praxis beinhalten. Bisher ungeprüft blieb eine Auskunftspflicht gemäß § 11 MDStV (für Anbieter von Mediendiensten).11 Schließlich blieben auch verfassungsrechtliche Fragestellungen wie z.B. ein Anspruch auf Auskunft, der auf die Informationsfreiheit gestützt wird, unberücksichtigt. 11 vgl. Soehring/Hoeren Rn. 4.74a 4 Anhang Schreiben12 des Journalisten XY ... An die Neuapostolische Kirche Baden-Württember/Bayern KdöR ... Sehr geehrte Damen und Herren, als Journalist bin ich für die Zeitung ... tätig. Ich arbeite an dem Thema „Die Finanzierung der Neuapostolischen Kirche“. Dazu bitte ich um die Beantwortung folgender Fragen: 1. Wer ist innerhalb der Gebietskirche Baden-Württemberg/Bayern für die Harmonisierung der Buchhaltung mit den anderen Gebietskirchen verantwortlich? 2. Was sind die Besonderheiten der Buchhaltung in der Gebietskirche BadenWürttemberg/Bayern, die von den anderen Gebietskirchen abweichen? 3. Können Sie abschätzen, wann diese Harmonisierung von Ihrer Seite aus abgeschlossen ist? Zum Beleg, daß ich Journalist der Zeitung ... bin, habe ich meinen Presseausweis in Kopie beigefügt. Mit freundlichen Grüßen Unterschrift 12 vgl.: Muster in Groß S. 603 5