Spielzeugherstellung in der Manufaktur
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Spielzeugherstellung in der Manufaktur
Wir machen Spielzeug e.V. Wendelsteinstr.3, 82110 Germering / [email protected] / www.wirmachenspielzeug.de Spielzeugherstellung in der Manufaktur Wer wir sind Der Wir machen Spielzeug e.V. richtet sich an alle, die sich beruflich mit Spielzeug in Manufakturarbeit und Kleinserienherstellung beschäftigen: kleine Designlabels - Kunsthandwerker - Sozialwerkstätten One-wo/man-homefactories - aber auch kleine Spielwaren-Einzelhändler. Wir Machen Spielzeug e.V. möchte Orientierung, Arbeitserleichterung und eine berufliche Gemeinschaft für SpielzeugKleinhersteller bieten. 32 Mitglieder zählt derzeit bereits unser Verein. Zudem moderieren wir eine geschlossene facebookGruppe mit 420 Mitgliedern, in der Fragen zur CE-Kennzeichnungspflicht für Spielzeug gestellt werden können. Mehr Informationen über unseren Verein finden Sie auf: www.wirmachenspielzeug.de Aber: wir Spielzeug-Kleinhersteller sind nicht nur selbständig arbeitende Mütter und Väter, sondern vor allem Eltern und Kunden, die sich gesundes Spielzeug und eine gesunde Spielumgebung für ihre Kinder wünschen. Wir möchten aktiv daran mitarbeiten und gehört werden! Gesetzliche Vorgaben für die Herstellung von Spielzeug Die Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug schreibt vor, dass alle in der EU vermarkteten Spielzeuge eine CE-Konformitätskennzeichnung aufweisen müssen. Neben der Drittprüfung durch eine benannte Stelle wie TÜV oder DEKRA, kann der Hersteller die CEKennzeichnung und Konformitätserklärung auch selbstständig in Form einer Eigenprüfung vornehmen. Da die Kosten für Drittprüfungen für Unikate und Kleinserien unwirtschaftlich hoch sind, wenden wir Spielzeug-Kleinhersteller die DIN EN 71 (Spielzeugnorm) zur Herstellung unserer Spielzeuge an. Die DIN EN 71-3 (Migration bestimmter Elemente) und DIN EN 71-9 (organisch-chemische Verbindungen) geben hierbei die Schadstoffgrenzwerte für unsere Materialien maßgeblich vor. Um eine zusätzliche Laborprüfung unserer Materialien zu vermeiden, müssen wir diese bereits entsprechend der DIN EN 71-3/-9, durch Prüfberichte oder Zertifikate belegt, einkaufen. Erfüllt sein müssen zudem die Schadstoffbegrenzungen der allgemeinen Bedarfsgegenständeverordnung (bei Nicht-EU-Importen leider nicht selbstverständlich!), die REACH-Verordnung, ggf. die Kadmium-Richtlinie 91/338/EWG und die Phthalate-Richtlinie 2005/84/EG. Die Eigenprüfung Der Hersteller wendet die harmonisierten Normen an und beschreibt, wie die Konformität der Produkte gewährleistet wird; er erstellt eine technische Dokumentation (diese beinhaltet z.B. Schadstoffanalysen und Testergebnisse) sowie die EG-Konformitätserklärung (2009/48/EG). Danach bringt er die CEKennzeichnung, seinen Namen und Anschrift, einen Identifikationsnachweis (zur Zurückverfolgbarkeit) sowie ggf. Warnhinweise und Alterseinschränkungen an, bevor er das Spielzeug zum Verkauf anbietet. Wir machen Spielzeug e.V. Auf unserer Website finden Sie einen Link zum Download der Spielzeugrichtlinie. In dieser können Sie auf Seite 28 ff. die Schadstoffgrenzwerte für Schwermetalle nachlesen. Es gelten allerdings noch etliche andere Schadstoffbegrenzungen (für Importe aus dem nichteuropäischen Ausland sehr wichtig!), die in der Bedarfsgegenständeverordnung und unter REACH festgelegt sind. Wir erarbeiten gerade einen Musteranfragebrief, in dem die für Spielzeug/Kinderprodukte relevanten und häufigsten Schadstoffe aufgelistet sind. Unser Ziel Sicheres und gesundheitlich unbedenkliches Spielzeug für unsere Kinder! Wir wollen erreichen, dass Spielzeug-Kleinhersteller in Deutschland zukünftig Materialien zur Spielzeugherstellung einkaufen können, die belegbar die Schadstoffgrenzwerte für Spielzeug einhalten. Gutes Material ist die Basis für sicheres Spielzeug. Aber genau hier liegt unser Hauptproblem, vor allem bei Textilien, Wolle, Füllmaterialien und Kurzwaren... Einkauf von geeigneten Materialien zur Herstellung von Spielzeug Ein großes Problem für uns Spielzeug-Kleinhersteller stellt der Einkauf von belegbar schadstoffarmen Materialien zur Spielzeugherstellung dar. Alle unsere Materialien müssen selbstverständlich die beschriebenen Schadstoffgrenzwerte einhalten. Die Sicherheitsbewertung unserer Kinderprodukte beinhaltet auch die Analyse von Unterbaugruppen/erworbenen Teilen. • Bei Textilspielzeug sind das u.a. Stoff, Garn, Bänder, Webetikett und Füllmaterial. • Bei Holzspielzeug sind es u.a. Holzverbundplatten, Vollholz, Klebstoff und Lacke. • Bei Papier- und Pappspielwaren geht es u.a. um das Papier/Pappe, Klebstoff und die Druckfarben. Für unsere Unterlagen benötigen wir Belege der Materialhersteller (Prüfberichte, Analysewerte, Ausschlussbestätigung, Zertifikate), die die Einhaltung der Grenzwerte nachweisbar bestätigen. Als Unikate- und Kleinserienhersteller können wir uns die sehr kostenintensiven nachträglichen Analysen (durch z.B. TÜV/DEKRA/Institut Hohenstein) unserer Produkte nicht leisten. Wir möchten daher sicherstellen, dass unsere Materialien bereits schadstoffarm hergestellt wurden. Das ist ja auch die sinnvollste und umweltschonendste Lösung. Wenn vom Hersteller belegt werden kann, dass sein Produkt die gesetzlichen Schadstoffgrenzwerte für Spielzeug einhält, können wir Kleinhersteller aus diesem Material ein Spielzeug in Handarbeit herstellen. Die Holzverarbeitungsindustrie bietet bereits Lacke, Klebstoffe und Holzverbundplatten an, die unter Berücksichtigung der Schadstoffbegrenzungen für Spielzeug hergestellt sind und mit entsprechendem Hinweis auf der Verpackung im Einzelhandel verkauft werden. Der Naturtextilverband (IVN) stellt mit dem IVN Best- und GOTS-Zertifikat einen sehr guten Indikator für zur Spielzeugherstellung geeignete Textilien und Leder. Leider fallen unter diese beiden Prüfungen nur natürliche Materialien. Wir arbeiten zusammen mit dem IVN an einer von den Aufsichtsbehörden anerkannten Bestätigung für diese zertifizierten Textilien. 2 Wir machen Spielzeug e.V. Benötigt man für seine Produkte jedoch künstliche Materialien wie Reißverschlüsse, Druckknöpfe, Klettbänder, Polyestergarne oder allergikerfreundliche Hohlfaser-Füllungen muss man sich auf andere Prüflabel wie z.B. das sehr etablierte Öko-Tex-Zertifikat “Öko-Tex Standard 100 Klasse I - Babyartikel und Spielzeug” verlassen. Womit wir zu unserem Hauptproblem kommen: Das Institut Hohenstein bietet zwar den entsprechenden Test nach DIN EN 71-3 an, dieser wird jedoch nicht in den Öko-Tex-Testverfahren zur Zertifizierung von Babyartikeln und Spielzeug angewandt, die in Deutschland ebenfalls vom Institut Hohenstein durchgeführt werden. Das Öko-Tex-Problem Kopfschmerzen bereitet uns derzeit die Firma Öko-Tex mit ihrem Textilsiegel Öko-Tex Standard 100 Produktklasse I - Babyartikel und Spielzeug. Dieses Zertifikat hat sich in der Textil- und Spielzeugindustrie quasi als Standard durchgesetzt. Es gibt kaum noch ein textiles Spielzeug, das nicht mit dem Öko-Tex-Label beworben wird. Textilindustrie, Stoffhersteller, Einzelhändler und letztendlich auch der Endverbraucher berufen und verlassen sich darauf. Bei unseren Recherchen, ist leider heraus gekommen, dass die Prüfkriterien für die Produktklasse I Babyartikel - Spielzeug nicht alle Punkte der Spielzeugrichtlinie und DIN EN 71-3 erfassen und auch die Prüfbedingungen nicht übereinstimmen. Die Spielzeugnorm geht z.T. von Verschlucken aus, Öko-Tex prüft nur auf Schweiß- und Speichelechtheit. Somit sind die beiden Prüfungen und ermittelten Schadstoffwerte nicht direkt miteinander vergleichbar. Zitat aus der Mail vom Generalsekretär von Öko-Tex Herrn Dr. Haug: "..leider bestehen zwischen dem Oeko-Tex® Standard 100 und den für Spielwaren geltenden Anforderungen in der Tat einige (nicht unerhebliche) Unterschiede – und dies nicht nur bei der EN 71-3…" Einen Abgleich ihrer Prüfbedingungen mit der DIN EN 71-3 hat Öko-Tex bisher abgelehnt, sie können uns die Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte nach DIN EN 71-3 nicht schriftlich zusichern, da ihre Tests diese nicht eindeutig bestätigen. Öko-Tex begeht unserer Meinung nach durch diese Diskrepanz Verbrauchertäuschung. Als Endverbraucher/Kunde gehen wir davon aus, dass bei zertifiziert schadstoffarmen Produkten die gesetzlichen Grundanforderungen belegbar erfüllt sind. Bei der Textilprüfung für Spielzeug ist das leider nicht der Fall. Das erklärt auch, warum immer wieder Öko-Tex-zertifizierte Kinderprodukte (Schlafanzüge, Spielzeug, Kindermatratzen) durch die Produkt-Test von Öko-Test und Stiftung Warentest fallen. Das Öko-Tex-Zertifikat alleine reicht demnach nicht für Materialien zur Spielzeugherstellung aus, ein zusätzlicher Test nach DIN EN 71-3 ist erforderlich! Was Sie tun können, um Schadstoffe in ihren Produkten zu vermeiden Bei der Spielzeugherstellung fängt alles mit dem Einkauf geeigneter Materialien an. Diese müssen der DIN EN 71-3/-9, den Schadstoffbegrenzungen durch die Bedarfsgegenständeverordnung und REACH 3 Wir machen Spielzeug e.V. entsprechen. Wer seine Materialien im dt. Einzelhandel einkauft, sollte sich zwar wenigstens auf die Einhaltung letzterer Verordnungen verlassen können, jedoch sprechen Schadstofffunde in Produkttests von unabhängigen Verbraucherverbänden wie Öko-Test und Stiftung Warentest eine ganz andere Sprache. Zudem sind auch wir als Kleinhersteller und Einzelhändler durch die REACH-Verordnung dazu verpflichtet, unseren Kunden auf Nachfrage innerhalb von 45 Tagen Auskunft über besonders besorgniserregende Stoffe Auskunft zu geben. Doch wie sollen wir dem nachkommen, wenn wir über unsere Materialien selbst kaum Informationen haben? Spielzeug-Kleinhersteller: Wenn Sie selbst Spielzeug fertigen und anbieten, sollten Sie zukünftig auf Materialien zurückgreifen, die ein geeignetes Prüfsiegel tragen. • Textilien: GOTS- bzw. IVN Best-Zertifikat, Blauer Engel • Holz, Lacke und Künstlerfarben: diese werden, bereits nach DIN EN 71 hergestellt und entsprechend vom Hersteller ausgewiesen, angeboten. Ihre Pflicht ist es auch, die Richtigkeit dieser Zertifikate zu überprüfen und ggf. nachzufragen, falls sie keine aktuelle Prüfnummer finden. Die entsprechenden Datenblätter, Prüfberichte und Nachweise müssen Sie in einer technischen Dokumentation zusammen mit der Sicherheitsbeurteilung ihres Produktes und ihrer Konformitätserklärung 10 Jahre vorhalten. Es lohnt sich also, gute und vertrauensvolle Lieferanten zu finden und mit diesen eine verlässliche Geschäftsbeziehung aufzubauen. Von Einkäufen auf Stoffmärkten und im Internet ohne jegliche Belege und Zertifikate über die Stoffe raten wir ab, denn Sie tragen die volle Verantwortung für diese Materialien. Textil- und Material-Einzelhändler: Erkundigen Sie sich bei ihren Großhändlern, ob die von ihnen eingekauften Textilien/Materialien den Schadstoffbeschränkungen für Spielzeug entsprechen und fordern Sie die nötigen Belege an, damit sie diese an ihre Kunden weitergeben können. Die Nachfragen werden kommen! Weisen auch Sie ihre Kunden darauf hin, dass sich nur bestimmte zertifizierte Textilien für die Herstellung von Spielzeug und Babyartikel eignen, da sie ohne Bedenken in den Mund genommen werden können. Gänzlich ungeprüfte Textilien sollten überhaupt nicht mehr in den Einzelhandel kommen. Auch in Stoffläden und Ateliers kann sich ein unberechenbarer Schadstoffcocktail zusammenbrauen, in dem keiner arbeiten sollte. Fachvermietungen und kleine Spielzeugweiterverkäufer: Auch Spielzeugeinzelhändler, die selbst nicht herstellen, sondern für andere verkaufen oder weiterverkaufen, stehen in der Pflicht nur korrekt CE-gekennzeichnetes Spielzeug anzubieten. Die fehlende CE-Kennzeichnung an einem Spielzeug stellt einen offensichtlichen Mangel dar! Verkaufen Sie kein Spielzeug weiter, das offensichtlich nicht der Spielzeugrichtlinie entspricht. 4 Wir machen Spielzeug e.V. Vorgeschrieben für Spielzeug sind zwingend (auf deutsch) - CE-Kennzeichnung + Herstellername und Adresse (fest am Spielzeug) - Zudem (bei Kleinserien/Unikaten auch auf angehängtem Etikett/Aufkleber möglich): • eindeutige Produktnummer/Chargennummer • Warnhinweise (Achtung!) und Alterseinschränkungen (auch als Piktogramm) • Gebrauchsanleitung/Produktbeschreibung • Reinigungs- und Entsorgungshinweise Und der Verbraucher? An vielen Eltern/Kleinherstellern gehen die Kampagnen der Bundesregierung vorbei und auch die Dokumentationen über Schadstoffe in Kinderprodukten bekommen sie nicht mit. Das Thema wird nicht “laut” genug diskutiert. Sie vertrauen voll und ganz auf unsere überforderten Behörden, Politik und Justiz, die immer nur nachbessern und notdürftig kontrollieren können. Doch: was nützen die besten Gesetze, wenn sie keiner kennt, geschweige denn einhält? Leider sind die Leidtragenden die Kinder, die über ihr unzureichend hergestelltes Spielzeug allergieauslösende und krebserregende Schadstoffe unbemerkt aufnehmen. Unsere Kunden vertrauen darauf, dass wir Spielzeughersteller gewissenhaft einkaufen und fertigen und sie vertrauen darauf, dass die Spielzeugverkäufer wiederum ihr Sortiment kompetent und vorrausschauend zusammenstellen. Und das völlig zu recht, gerade wenn es mit “made with love”, “100% Handarbeit” oder gar “in Deutschland von Hand gefertigt” beworben wird. Wenn wir unsere Materialien nicht vernünftig einkaufen - nach Kriterien wie vorrausschauender Gesundheitsschutz, Ökologie und fairer Handel - sind unsere Spielzeuge nicht wesentlich besser als die China-Importware, die wir so bemängeln. Umdenken - Mitdenken - Mitmachen Uns Spielzeug-Kleinherstellern wird in dieser Problematik sogar eine Dreifachrolle zuteil: 1. Wir sind Eltern - meist Mütter - und tragen Verantwortung für die Gesundheit unserer Kinder 2. Wir sind Hersteller von Spielzeug mit der vollen rechtlichen Verantwortung für unsere Produkte 3. Wir sind selbst Kunden Die Punkte 1. und 2. stehen eindeutig in unserer Verantwortung als Eltern und Spielzeughersteller, bei Punkt 3. jedoch sehen wir auch unsere Lieferkette in der Pflicht. Wer Materialien zur Herstellung von Spielzeug und Babyartikeln verkauft, sollte zumindest die gesetzlichen Schadstoffgrenzwerte für diese belegbar einhalten, gerade wenn diese durch Nähanleitungen/ebooks für Spielzeug geworben werden. Es muss ein Umdenken bei uns Spielzeug-Kleinherstellern, Materialverkäufern und Eltern stattfinden. Zusammen bilden wir eine große Kaufkraft, die Druck auf die Hersteller ausüben kann, die diese Misere hauptsächlich zu verantworten haben. 5 Wir machen Spielzeug e.V. Wir tragen Verantwortung für unser Handeln, für die Gesundheit unserer Kunden, unserer Mitarbeiter und unserer Kinder. Den Grundstein zu einer besseren - gesünderen - Zukunft müssen wir alle zusammen legen. Bitte fragen auch Sie ihre Lieferanten nach der Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte für Spielzeug und verlangen Sie entsprechende Belege. Einen Musterbrief können Sie von uns gerne erhalten. Mit freundlichen Grüßen Nadja Lüders Stefanie Pockrandt-Gauderer Vorsitzende des Wir machen Spielzeug e.V. Germering, den 21. Juli 2012 6