Jansen_Master-Arbeit_Gemeinschaftliche Wohnformen

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Jansen_Master-Arbeit_Gemeinschaftliche Wohnformen
RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM
Fakultät für Sozialwissenschaft
Gemeinschaftliche Wohnformen für ältere Menschen
im internationalen Vergleich
unter besonderer Betrachtung der Wohngemeinschaften
für demenziell Erkrankte
MA.-Arbeit
betreut durch
vorgelegt von
Prof. Dr. Rolf G. Heinze
Katrin Jansen
Prof. Dr. Hans Georg Tegethoff
Matr. Nr.: 108 002 21229 3
Bochum, August 2009
I
INHALTSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG ..................................................................................................... 1
2 METHODISCHES VORGEHEN ................................................................................ 5
3 STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND ..................................... 10
3.1
Demographischer Wandel in Deutschland ................................................... 10
3.1.1
Der demographische Wandel im internationalen Vergleich ........................................ 12
3.2
Pflegebedürftigkeit im Alter .......................................................................... 13
3.3
Gesellschaftlicher Wandel – Pluralisierung, Individualisierung und
Singularisierung ........................................................................................... 16
3.4
Wandel der Wohnungsnachfrage................................................................. 18
3.5
Zwischenfazit ............................................................................................... 19
4 MÖGLICHKEITEN DES WOHNENS IM ALTER .......................................................... 21
4.1
Übersicht über „traditionelle“ Angebote des Wohnens im Alter .................... 24
4.2
Übersicht über „klassische“ Angebote des Wohnens im Alter...................... 25
5 NEUES WOHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN WOHNFORMEN.................... 27
5.1
Rückblick auf die historische Entwicklung der gemeinschaftlichen
Wohnformen ................................................................................................ 27
5.2
Was ist gemeinschaftliches Wohnen? ......................................................... 30
5.3
Der lange Weg zur Umsetzung. Die Entwicklung gemeinschaftlicher
Wohnprojekte ............................................................................................... 37
5.4
Wem bringt’s was? Der Nutzen und die Anforderungen von
gemeinschaftlichen Wohnformen ................................................................. 40
5.5
5.4.1
Die Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen ..................................................... 40
5.4.2
Die Anforderungen der gemeinschaftlichen Wohnformen ....................................... 43
Zwischenfazit ............................................................................................... 44
I
6 BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE WOHNFORMEN:
EINE EMPIRISCHE STUDIE ................................................................................. 45
6.1
Ziele der Studie oder „Was macht gemeinschaftliches Wohnen im Alter
eigentlich aus?“ ............................................................................................ 45
6.2
6.3
Projekttypen und Gemeinschaftsformen ...................................................... 46
6.2.1
Wer sagt, wie‘s wird? Bottom-up vs. Top-down ............................................................ 46
6.2.2
Wem gehört die Gemeinschaft? Rechts- und Eigentumsformen ............................... 47
6.2.3
Vier Typen des gemeinschaftlichen Wohnens .............................................................. 48
Darstellung der Best-Practice-Beispiele in Deutschland .............................. 53
6.3.1
Hannover: Hausgemeinschaft des „Gemeinsam statt einsam e.V.“ .......................... 54
6.3.2
Darmstadt: Hausgemeinschaft „Sandberghof“ .............................................................. 56
6.3.3
Ludwigshafen: Mehrgenerationenhaus „Haus Noah“................................................... 58
6.3.4
Dresden: Mehrgenerationenwohnen „Coschützer Rundling“ ...................................... 61
6.3.5
Weimar: Mehrgenerationenwohnen „Wohnhaus e.G. Weimar“.................................. 63
6.3.6
Schorndorf: Mehrgenerationenwohnen „Mühlbachhaus“ ............................................ 66
6.3.7
Hamburg: Demenz-WG, Hausgemeinschaft, Tagespflege „Haus am Kanal“ .......... 68
6.3.8
Köln: Demenz-WG „Zum Rosengärtchen“ ..................................................................... 71
6.3.9
Wuppertal: Demenz-WG der GWG Wuppertal ............................................................. 72
6.3.10
Duisburg: Seniorenbüro und Begegnungsstätte der Wohnungsgenossenschaft
Duisburg-Süd eG ............................................................................................................... 74
6.4
Darstellung der Best-Practice-Beispiele aus dem europäischen Ausland.... 77
6.4.1
Dänemark/ Bov: Hausgemeinschaft „seniorbofællesskab Toftehaven“ .................... 77
6.4.2
Schweiz/ Zürich: Pflegewohnung „Am Bach“ ................................................................ 79
6.4.3
Niederlande/Haarlem: Anton Pieck-Hofje für demenziell Erkrankte ........................ 81
7 EXKURS: DEMENZ-WOHNGEMEINSCHAFTEN. EIN SONDERFALL .............................. 85
7.1
Krankheitsbild Demenz ................................................................................ 85
7.2
Prävalenz und Inzidenz demenzieller Erkrankungen ................................... 86
7.3
Besonderheit der Wohnform Demenz-Wohngemeinschaft .......................... 87
7.3.1
Demenz-Wohngemeinschaften im Vergleich zu anderen Formen des
gemeinschaftlichen Wohnens .......................................................................................... 88
7.4
Wem bringt‘s was? Auswirkungen der Wohnform DemenzWohngemeinschaft auf Bewohner und Angehörige ..................................... 90
II
8 ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE .......................................................................... 94
8.1
Freiwillig oder unfreiwillig? ........................................................................... 94
8.2
Sozioökonomischer Status der Bewohner oder „Wer wohnt eigentlich in
diesen Projekten?“ ....................................................................................... 95
8.3
Öffentlich vs. Privat: Das Verhältnis von privaten und gemeinschaftlichen
Flächen ........................................................................................................ 96
8.4
Die Gemeinschaft: Youngtimer, Best-Ager, Hochbetagte – und junge
Familien mit Kindern? .................................................................................. 97
8.5
Die Zufriedenheit der Bewohner .................................................................. 98
8.6
Hilfsbereitschaft und die Gesundheit der Bewohner .................................... 98
8.7
Wer hat was zu sagen? ............................................................................... 99
8.8
Stadt oder Land? ....................................................................................... 100
8.9
Bauweise, Barrierefreiheit und Komfort ..................................................... 100
8.10 Von den Nachbarn lernen? Die Projekte im europäischen Ausland........... 101
9 FAZIT .......................................................................................................... 105
LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS ................................................................ 110
ABBILDUNGSVERZEICHNIS .......................................................................................... 115
TABELLENVERZEICHNIS ....................................................................................... 115
BILDERNACHWEIS .............................................................................................. 116
ANHANG
III
EINLEITUNG
1
Einleitung
„Wir werden älter, weniger und bunter!“ oder aber „Grau ist bunt!“1 So oder ähnlich lauten die
Überschriften, welche die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland bzw. die Entwicklung
der Bevölkerungsgruppe der Älteren beschreiben sollen. An diesen plakativen Aussagen
lässt sich ablesen, dass sich die deutsche Gesellschaft, ebenso wie die meisten anderen
Industrienationen, im Wandel befindet. In wenigen Stichworten werden der demographische
Wandel − mit einem Anstieg der älteren Bevölkerungsgruppe an der Gesamtbevölkerung
und der zukünftigen Schrumpfung der Gesellschaft – sowie die Pluralisierung der Lebensstile
angesprochen.
Doch wann ist man eigentlich alt? Ist man nur so alt, wie man sich fühlt oder gibt es festgelegte Grenzen, ab denen man als alt gilt? Ist der Übergang in die Ruhephase nach dem Erwerbsleben der Beginn der Lebensphase Alter? Doch was ist dann mit den Personen, die
bereits mit Anfang 50 (oder noch früher) in Frührente gehen, und warum sind Renteneintrittsalter international unterschiedlich?
Laut viertem Altenbericht umfasst die Lebensphase Alter eine Zeitspanne von zwei bis drei
Jahrzehnten, welche sich wiederum in das „dritte“ (ca. von 60 bis 75-80 Jahren) und „vierte“
(älter als 75-80 Jahre) Lebensalter bzw. die „jungen Alten“ und die „alten Alten“ unterteilen
lässt (BmFSFJ 2001: 50ff). Doch auch diese Angaben verdeutlichen, dass eine genaue
Grenzziehung des Lebensabschnitts Alter schwer zu finden ist und nur von ungefähren Altersgrenzen ausgegangen wird.
Einen möglichen Ansatz zur Messung des Alters bieten die Unterscheidungen nach verschiedenen Alterskategorien, welchen jeweils andere Blickwinkel zugrunde liegen. So gibt es
das kalendarische Alter (als Summe von Jahren, Monaten und Tagen), das biologische Alter
(als Resultat genetischer Programmierung und erfahrener äußerer Einflüsse von der Geburt
an bis zum Tod, welches sich z.B. in altersbedingten Krankheiten äußert), das psychischintellektuelle Alter (als ein komplexes Zusammenspiel von Anlagen und Umwelt) sowie das
soziale Alter (welches abhängig ist von gesellschaftlichen Normierungen und Alterseinteilungen, Verhaltenserwartungen und -vorschriften bzw. zusammenfassend: Altersstereotype)
(Becker 2006: 1). Doch auch, wenn diese vier Alterskategorien helfen können den Prozess
des Alterns einzugrenzen, beschreiben sie jeweils nur Teilaspekte.
Dazu kommt das Selbstbild des Einzelnen, nach welchem sich die meisten nicht als alt einstufen. So werden gleichaltrige Personen gerne als „alt geworden“ bezeichnet, auf die eigene Person trifft diese Einschätzung jedoch nicht zu2. Auch die gesellschaftliche Wertung des
1
Wie der Titel des Buches von Henning Scherf lautet (Scherf 2006).
Eine genaue Erläuterung des Begriffs der „Altersbilder“ findet sich u.a. im Dritten Altenbericht (Vgl. u.a. hierzu:
BmFSFJ 2001: 65; 67).
2
1
EINLEITUNG
Alters variiert je nach betrachtetem Teilbereich: In der Arbeitswelt gilt man schon relativ früh
als alt, wobei es hier auch wieder branchenspezifische Unterschiede gibt. So ist ein 50jähriger Handwerker alt, ein 50-jähriger Kardinal hingegen bei weitem noch zu jung, um
Papst zu werden.
Eine weitere Schwierigkeit bei einer Definitionsfindung für die Lebensphase Alter ergibt sich
aus dem individuellen Verlauf dieses Lebensabschnitts. So unterscheiden sich ältere Menschen, ebenso wie jüngere, deutlich hinsichtlich ihrer körperlichen und seelisch-geistigen
Leistungsfähigkeit, aber ebenso gibt es Unterschiede in ihren Interessen, bei der Gestaltung
des Alltags oder bei den gegebenen Umwelt- und Lebensbedingungen (BmFSFJ 2001: 49).
Zusammenfassend kann festgehalten werden: Alt ist nicht gleich alt! Die Gruppe der Älteren3
unterscheidet sich vielmehr anhand einer Fülle von Dimensionen bzw. Einschätzungen und
es liegt eine Vielzahl von unterschiedlichen Interessenlagen vor. Diese unterschiedlichen
Interessenlagen, Ansprüche und Wahrnehmungen in der Gruppe der Älteren haben dabei
Auswirkungen auf viele Bereiche ihres täglichen Lebens, wie bspw. die Freizeit- und Alltagsgestaltung oder das Konsumverhalten.
Im Rahmen dieser Arbeit wird der Fokus auf die Auswirkungen im Bereich des Wohnens
gelegt. Das Wohnen und vor allem das Leben in den eigenen vier Wänden spielt für die
Gruppe der Älteren eine bedeutende Rolle. Bis vor einigen Jahren stellte das Alters- bzw.
Pflegeheim die alternative Form des Wohnens im Alter dar, sofern der Verbleib in der Privatwohnung nicht mehr möglich war. Mittlerweile haben sich neben der Unterbringung in
einem Heim eine Vielzahl von Wohnformen für den Lebensabschnitt Alter etabliert, die für
ältere Menschen viele Optionen eröffnen. Eine dieser Möglichkeiten stellen die gemeinschaftlichen Wohnformen dar, welche im Rahmen dieser Arbeit näher beschrieben und analysiert werden.
Merkmal dieser Art des Wohnens ist es, dass sich eine Gruppe von (älteren) Menschen zu
einer Gemeinschaft zusammenfindet, um gemeinsam zu wohnen und zu leben.
Doch was genau sind gemeinschaftliche Wohnformen? Durch welche Charakteristika zeichnen sie sich aus und welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, damit ein solches
Wohnprojekt funktioniert? Und bietet diese Wohnform eventuell eine Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel? Sicher ist, die Gemeinschaftlichkeit steht im Vordergrund und der Einzelne muss sich mit dieser arrangieren. Daher stellt sich weiter die Frage, was für Personen
in solchen Projekten wohnen bzw. ob dies Wohnformen sind, welche die gesamte Bevölkerung in gleichem Maße ansprechen?
3
Auch wenn eine genaue Definition und Abgrenzung des Begriffs Alter, wie dargelegt, Schwierigkeiten mit sich
bringt, soll im Folgenden das kalendarische Alter zur Orientierung dienen. Wenn also im Rahmen dieser Arbeit
von den „Älteren“ gesprochen wird, umfasst dies die Gruppe der Personen ab ca. 60 Jahre, da auch in statistischen Veröffentlichungen dieses Alter zur Grenzziehung der Lebensphase Alter verwendet wird.
2
EINLEITUNG
Der Beantwortung dieser Fragen widmet sich diese Arbeit. Hierzu werden zehn BestPractice-Beispiele gemeinschaftlicher Wohnprojekte in Deutschland empirisch untersucht.
Zusätzlich fließen drei weitere Projekte aus dem europäischen Ausland in die Untersuchung
mit ein, um herauszufinden, ob Deutschland bezüglich dieser Form des Wohnens von seinen
europäischen Nachbarn lernen kann. Doch bevor diese Projekte sowie die daraus resultierenden Erkenntnisse vorgestellt werden, erfolgt eine theoretische Einbettung in Form einer
Kurzdarstellung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen sowie einer Begriffsbestimmung,
was gemeinschaftliche Wohnformen überhaupt sind und welche Charakteristika (laut vorhandener Studien) diese Form des Wohnens ausmachen. Die Bearbeitung der dargestellten
Fragestellungen erfolgt somit in einzelnen Schritten, welche im Folgenden vorgestellt werden.
Die Arbeit gliedert sich in insgesamt neun Teile. Nach einer kurzen Einführung bezüglich
Problemstellung, Ziel und Aufbau der Arbeit wird im zweiten Teil die methodische Herangehensweise beschrieben, mit welcher die empirischen Ergebnisse aus den verschiedenen
Projekten gewonnen wurden.
Das nächste Kapitel dient der Darstellung der verschiedenen strukturellen Rahmenbedingungen, die Einfluss auf die Gruppe der Älteren sowie deren Lebensbedingungen haben.
Abschließend werden die Auswirkungen auf die Wohnungsnachfrage dargelegt.
Im vierten Kapitel wird zunächst die Bedeutung des Wohnens für die ältere Bevölkerung sowie deren aktuelle Wohnsituation näher vorgestellt. Anschließend erfolgt ein Überblick über
die verschiedenen Möglichkeiten des Wohnens im Alter, die derzeit auf dem Markt vertreten
sind. Denn auch wenn der Fokus dieser Arbeit auf den gemeinschaftlichen Formen des
Wohnens liegt, ist der Blick auf andere altersgerechte Wohnformen durchaus von Interesse.
Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die gemeinschaftlichen Wohnformen in quantitativer Hinsicht nur sehr begrenzt am Markt vorkommen und der Großteil der älteren Bevölkerungsgruppe in anderen Formen des altersgerechten Wohnen lebt, bzw. in der angestammten
Wohnung.
Im fünften Teil der Arbeit werden die gemeinschaftlichen Wohnformen näher dargestellt. In
einem ersten Schritt wird die historische Entwicklung dieser Wohnform nachgezeichnet. Anschließend wird der Begriff des gemeinschaftlichen Wohnens geklärt bzw. der Frage nachgegangen, was gemeinschaftliches Wohnen auszeichnet und welche Charakteristika diese
Wohnform aufweist. In diesem Sinne wird im Anschluss auf die Entwicklungsphase gemeinschaftlicher Wohnprojekte eingegangen. Den Abschluss dieses Kapitels bildet eine Übersicht
über die Potenziale sowie die Anforderungen dieser Form des Wohnens.
Im anschließenden sechsten Kapitel folgt die Darstellung der empirischen Erhebung. Dabei
werden zunächst einige grundlegenden Charakteristika der verschiedenen Gemeinschafts-
3
EINLEITUNG
formen und Projekttypen vorgestellt. Im Anschluss werden die untersuchten Best-PracticeProjekte vorgestellt, gegliedert nach deutschen und europäischen Projekten.
Im Rahmen der Projektdarstellung erfolgt im siebten Kapitel ein Exkurs zu den Wohngemeinschaften für demenziell erkrankte Personen, da diese eine besondere Form des gemeinschaftlichen Wohnens darstellen und die Bewohner aufgrund ihrer Erkrankung besondere Anforderungen an das Wohnen stellen.
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit den projektübergreifenden Ergebnissen, die aus
der empirischen Erhebung gezogen werden konnten, unterteilt nach den unterschiedlichen
Aspekten, die in der Wohnform gemeinschaftliches Wohnen für Ältere vorzufinden sind. Weiterhin werden die Ergebnisse aus den europäischen Projekten vor dem Hintergrund der
deutschen Landschaft des gemeinschaftlichen Wohnens reflektiert.
Den Abschluss dieser Arbeit bildet ein Fazit, in welchem die gesammelten Ergebnisse der
Untersuchung resümiert werden.
4
METHODISCHES VORGEHEN
2
Methodisches Vorgehen
Dieses Kapitel dient der Schilderung des methodischen Vorgehens der vorliegenden Arbeit.
Den Ausgangspunkt bildet ein Projekt der InWIS Forschung & Beratung GmbH. Im Rahmen
dieses Projektes wurden die unterschiedlichen Typen von gemeinschaftlichen Wohnformen
für ältere Menschen systematisch erfasst und wissenschaftlich evaluiert. Im Anschluss wurden Best-Practice-Beispiele für die verschiedenen gemeinschaftlichen Wohnformen identifiziert. Als Best-Practice-Projekte galten dabei solche Wohnprojekte, die bereits über einen
längeren Zeitraum und mit Erfolg bestehen. Der Fokus richtete sich dabei vor allem auf Projekte in Deutschland; darüber hinaus sollten aber auch Projekte aus dem europäischen Ausland mit in die Untersuchung einbezogen werden4.
Die übergeordneten Fragestellungen bei der empirischen Erhebung der Projekte lauteten:
„Was sind die Erfolgsfaktoren für gemeinschaftliches Wohnen bzw. welche Faktoren sind
ausschlaggebend, damit ein solches Wohnprojekt funktioniert?“ und „Welche Charakteristika
weisen die erfolgreichen Projekte auf?“. Um diese Ausgangsfragen zu beantworten, wurde
folgende empirische Konzeption gewählt:
In einem ersten Schritt wurden Trends und Erkenntnisse zum Forschungsstand exploriert.
Somit bildete die Literatur- bzw. Internetrecherche den Beginn der empirischen Erhebung.
Ziel war es, die grundlegende Fragestellung zu spezifizieren bzw. zu erweitern. Im Zuge der
Recherchen stellte sich heraus, dass vergleichsweise wenige wissenschaftliche Informationen über dieses Themengebiet existieren5 und der vorwiegende Teil der Veröffentlichungen
sich mit der Beschreibung der verschiedenen Projekttypen sowie mit diversen Projekten beschäftigt.
Eine weitere Schwierigkeit bei der Recherche der Best-Practice-Projekte bestand in der Auftragsstellung des Auftraggebers für das Projekt der InWIS F&B GmbH. Diese beinhaltete
zwar keine inhaltlichen Aspekte der Untersuchung, stellte aber Ansprüche an die spezifische
Auswahl der Best-Practice-Beispiele. Das bedeutet, dass Best-Practice-Beispiele für gemeinschaftliche Wohnformen gefunden werden sollten, welche noch nicht allzu bekannt bzw.
„ausgeforscht“ sind. Demzufolge bestand das Problem darin, dass es sich bei dieser Wohnform, trotz ihrer medialen Popularität, weiterhin um ein Nischenprodukt handelt. Infolgedessen gibt es bislang keine allzu große Fallzahl solcher Projekte, die bereits auf eine längere
Laufzeit, und somit auf ein langfristiges Gelingen, zurückblicken können. Hinzu kommt, dass
4
Im Rahmen der Projektarbeit der InWIS F&B GmbH erfolgte die Erarbeitung der methodischen Schritte durch
die Verfasserin dieser Arbeit. So lag es in meinem Aufgabenbereich, die Projekte zu recherchieren, den Fragebogen zu erstellen, die Experteninterviews vor Ort zu führen und die Ergebnisse der Studie zusammenzutragen.
5
Zwar liegt eine Vielzahl an Studien und Publikationen vor, welche sich mit dem Wohnen im Alter befassen und
diesbezüglich die Erfordernisse und Bedürfnisse älterer Menschen an ihren Wohnraum beschreiben. Allerdings
richten diese Veröffentlichungen ihren Fokus vorwiegend auf das Wohnen in pflegerischen Einrichtungen und auf
das betreute Wohnen.
5
METHODISCHES VORGEHEN
die Projekte mit längerem Bestehen zum Großteil, wenn auch unter anderen Fragestellungen, bereits untersucht und in Veröffentlichungen vorgestellt wurden. Eine Herausforderung
bzw. der Anspruch bestand also darin, Projekte zu identifizieren, die bereits über eine entsprechend lange Laufzeit verfügen, so dass die Bewohner bereits über Erfolgs- oder Misserfolgsfaktoren im täglichen Zusammenleben bzw. der Konzeption des Projektes berichten
können und dabei noch nicht in unzähligen Publikationen vorgestellt wurden6. Ferner bestand eine weitere Herausforderung darin, ein möglichst breites Spektrum der verschiedenen
Formen des gemeinschaftlichen Wohnens für ältere Menschen abzudecken, sowie eine
größtmögliche deutschlandweite Verteilung der Projektstandorte zu erreichen.
Unter Beachtung dieser Vorgaben wurden nach umfassender Recherche, welche sich vorwiegend aus Internet- sowie Telefonrecherche zusammensetzte, zehn Best-PracticeProjekte in Deutschland sowie drei weitere im europäischen Ausland identifiziert. Erste Daten über die Projekte wurden bereits telefonisch abgefragt, um zu bestätigen, dass diese in
die Auswahl der Best-Practice-Beispiele aufgenommen werden können.
Die Datenerhebung der einzelnen Projekte fand anschließend in einer mündlichen Face-toface Befragung im Rahmen eines Experteninterviews statt7. Die Face-to-face Befragung stellt
eine „nach speziellen Regeln gestaltete Kommunikation zwischen einem Interviewer und
einer Zielperson“ (Häder 2006: 207) dar, also eine persönliche Befragung des zu Interviewenden.
Bei dieser Form der Datenerhebung ist darauf zu achten, die Befragungssituation wie eine
Alltagssituation bzw. wie ein Alltagsgespräch zu gestalten und sie möglichst in der natürlichen Umgebung der Befragten, in diesem Falle also vor Ort in den jeweiligen Projekten,
stattfinden zu lassen8 (Lamnek 2005: 388, 396). Der Befragte sollte also in seiner gewohnten
Umgebung im Rahmen der Befragung von seinem Projekt erzählen. Diese Vorgehensweise
hatte darüber hinaus den Vorteil, dass man sich vor Ort einen persönlichen Eindruck von
dem jeweiligen Projekt verschaffen konnte, da im Vorfeld oder im Anschluss an die Befra-
6
Diese Anforderungen konnten, aufgrund der geringen Verbreitung gemeinschaftlicher Wohnformen, allerdings
nicht in Gänze erfüllt werden. So befinden sich in der Auswahl ein Projekt, welches zum Zeitpunkt der Erhebung
eine Laufzeit von zwei Jahren hatte, zwei Projekte mit einer Laufzeit von einem Jahr sowie ein weiteres, dessen
Laufzeit erst wenige Monate betrug. Mit letztgenannten wurde im Frühling allerdings nochmals Rücksprache
bezüglich der Entwicklung des Projekts gehalten. Die Projekte wurden dennoch in die Auswahl der Best-PracticeProjekte aufgenommen, da sie andere wesentliche Charakteristika erfüllen, die bei der Betrachtung von gemeinschaftlichen Wohnformen von Interesse sind. So zeichnet sich beispielsweise eines dieser Projekte durch eine
soziale Mischung und Integration von benachteiligten Bevölkerungsgruppen aus, ein anderes durch eine klassische Top-down-Initiierung.
7
Bei zwei der drei ausländischen Projekte (Schweiz und Dänemark) war aus organisatorischen Gründen keine
Face-to-face Befragung vor Ort möglich. Die Daten wurden anhand von telefonischen Interviews, auf Basis des
Fragebogens, mit den Experten der jeweiligen Projekte geführt.
8
Aus diesem Grund wurde bei der Datenerhebung auf die Tonbandaufnahme der Interviews verzichtet, da die
Verwendung eines Diktiergeräts sich störend auf die Interviewsituation ausgewirkt hätte. Generell wäre bei der
Erhebung selbstverständlich ein stärker qualitativ ausgerichteter Ansatz möglich gewesen, hierauf wurde aber
nach Abwägung der Vor- bzw. Nachteile verzichtet. So sollte bspw. auch bei der Interpretation der Daten keine
inhaltliche Analyse erfolgen, stattdessen wurde ein pragmatischer Ansatz gewählt und die Interviews dienten der
reinen Informationsgewinnung.
6
METHODISCHES VORGEHEN
gung ein Besichtigungs-Rundgang mit dem Interviewpartner durch die Projektanlage stattgefunden hat.
Als Experten galten bei der Befragung die Bewohner bzw. Ansprechpartner der jeweiligen
Projekte. Allerdings oblagen diese der Voraussetzung, in den gesamten Schaffensprozess
des Projektes eingebunden gewesen zu sein bzw. weiterhin daran teilzuhaben, da nur so
das nötige Wissen zur Beantwortung der Fragen vorausgesetzt werden konnte. Die Auswahl
des Experteninterviews als Erhebungsinstrument stellte somit nach Abwägung und der Analyse weiterer methodischer Vorgehensweisen eine logische Konsequenz dar.
Zur Methodik der durchgeführten Experteninterviews bleibt festzuhalten, dass dies eine spezifische Form der Befragung darstellt. So interessiert bei diesen, im Gegensatz zu anderen
Befragungsformen wie z.B. den biographischen Interviews, der Befragte „weniger als (ganze)
Person, denn in seiner Eigenschaft als Experte für ein bestimmtes Handlungsfeld. Er wird
auch nicht als Einzelfall, sondern als Repräsentant einer Gruppe (…) in die Untersuchung
einbezogen“ (Flick 2002: 139). So wird die Bandbreite der potenziell relevanten Informationen, die der Befragte liefern soll, im Gegensatz zu anderen Interviews stärker eingeschränkt
(Flick 2002: 139). Der Status des Experten ist somit abhängig vom jeweiligen Forschungsinteresse und wird vom Forscher, auf eine spezifische Fragestellung begrenzt, vergeben
(Meuser/Nagel 2005: 73). Es kann festgehalten werden, dass „ExpertInnen als FunktionsträgerInnen innerhalb eines organisatorischen oder institutionellen Kontextes“ von Interesse
sind und dass „die damit verknüpften Zuständigkeiten, Aufgaben, Tätigkeiten und die aus
diesen gewonnenen exklusiven Erfahrungen und Wissensbestände (…) die Gegenstände
des ExpertInneninterviews“ (Meuser/Nagel 2005: 74) sind.
Die Methodik des Experteninterviews kann wie folgt charakterisiert werden: Zunächst stellt
sich das Problem, dass die Anwendung dieser Erhebungsform der theoretischen Methodik
einen Schritt voraus ist. Zum Teil wird argumentiert, dass der Versuch, das Expertengespräch zu einer besonderen Methode zu machen, aufgrund der Kontextualität der Forschung
keine methodologischen Generalisierungen zulässt: So ist der Begriff des Experten erstens
relational und vom jeweiligen Untersuchungsgegenstand abhängig. Zweitens stellen die Gespräche mit dem Experten eine besondere soziale und sehr störanfällige Situation dar und
drittens beschränkt sich das Experteninterview nicht notwendig auf offene, qualitative Interviews (Bogner/Menz 2005: 34). So werden Expertengespräche, je nach Interesse und Forschungsfrage, „unterschiedlich stark vorstrukturiert, unterschiedlich offen geführt, verschieden aufbereitet und interpretiert“ (Bogner/Menz 2005: 34). Sie können also nicht auf qualitative Interviews beschränkt werden bzw. generell als Repräsentanten des qualitativen Paradigmas gelten (Bogner/Menz 2005: 34). Dennoch gibt es in der Methodendebatte drei dominante Formen von Experteninterviews: das explorative, das systematisierende sowie das
theoriegenerierende Experteninterview (Bogner/Menz 2005: 37f). Gemäß diesen Kategori-
7
METHODISCHES VORGEHEN
sierungen kann bei der empirischen Erhebung dieser Arbeit vorwiegend von der Verwendung des systematisierenden Expertengesprächs gesprochen werden, da dieses das aus
der Praxis gewonnene, reflexiv verfügbare und spontan kommunizierbare Handlungs- und
Erfahrungswissen in den Vordergrund stellt und weiterhin auf eine lückenlose und systematische Informationsgewinnung abzielt. Der Experte hat hierbei sozusagen den Status eines
Ratgebers inne, der über ein Fachwissen verfügt, welches dem Forscher nicht zugänglich ist.
Das Erhebungsinstrument dieser Vorgehensweise stellt der relativ ausdifferenzierte Leitfaden dar, wobei auch standardisierte Befragungen vorstellbar sind (wie bspw. in der DelphiMethode). Das vordergründige Ziel bildet bei dieser Methode die thematische Vergleichbarkeit der Daten (Bogner/Menz 2005: 37f). Neben der Verwendung des systematisierenden
Interviews spielten auch Elemente des theoriegenerierenden Expertengesprächs bei der
durchgeführten Erhebung eine Rolle.
Bei der Gestaltung des Fragebogens9 wurde dementsprechend auf einen standardisierten
und vollständig strukturierten Fragebogen mit vorgegebenen Antwortkategorien so weit wie
möglich verzichtet. Solche Fragen, die über standardisierte Antwortvorgaben verfügen, dienten lediglich der Abfrage von „harten“ Charakteristika, wie z.B. die Laufzeit, die Anzahl der
Wohneinheiten, die Kosten zur Realisierung bzw. die laufenden Kosten, Grad der Barrierefreiheit, etc. Demgegenüber wurden die so genannten „weichen“ Faktoren, wie die Planung
und Umsetzung von gemeinsamen Freizeitaktivitäten, der „Ursprung“ der Projektidee sowie
die Konzeption, die Zufriedenheit der Bewohner, Kritikpunkte, etc. anhand von offenen Fragen erhoben. Der Fragebogen war dementsprechend teilstrukturiert sowie teilstandardisiert
(Atteslander 2006: 124f, 134f).
Die einzelnen Projekte wurden stets durch die gleiche Interviewerin bzw. die Verfasserin dieser Arbeit besucht. Vor Ort wurde immer der gleiche Fragebogen verwendet, so dass die
Antworten der Befragten miteinander vergleichbar sind. Während der Befragung wurden den
Befragten keine starren Gesprächsvorgaben gemacht. Es musste vielmehr darauf geachtet
werden, flexibel auf Antworten, auch solche außerhalb der Konzeption des Fragebogens, zu
reagieren und diese zu protokollieren. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, in flexibler
Reihenfolge, je nach Gesprächsverlauf, auf die wesentlichen Punkte einzugehen und den
Gesprächsverlauf somit „sanft“ zu steuern. Aufgrund der teilweisen Standardisierung konnte
ein Teil der Antworten „abgehakt“ werden, so dass der eigentliche Gesprächsverlauf alltagsnah und relativ störungsfrei erfolgen konnte.
Den inhaltlichen Rahmen für den erstellten Fragenkatalog bildeten die gesammelten Erkenntnisse aus der Literatur- und Internetrecherche sowie die Anforderungen des Auftraggebers.
Den grundlegenden Fragestellungen der Untersuchung nach den Erfolgsfaktoren einer sol9
Der verwendete Fragebogen (sowie ein zusätzlicher Fragebogen, der bei den Bewohnern von „Top-down“ initiierten Projekten verwendet wurde) befindet sich zur Einsicht im Anhang der Arbeit.
8
METHODISCHES VORGEHEN
chen gemeinschaftlichen Wohnform sollte sich anhand von verschiedenen Fragetypen genähert werden. Die Fragen wurden dabei nicht wertend oder als Suggestivfragen formuliert,
sondern es wurde großer Wert auf die Wahrung der Neutralität gelegt.
Die Interviews wurden, wie bereits erwähnt, in den jeweiligen Projekten mit einem Ansprechpartner bzw. Experten des Projekts geführt. Dabei handelte es sich vorwiegend um Bewohner des Projektes. In den Fällen, in denen keine Bewohner des Projektes als Ansprechpartner fungierten, bestand jedoch immer die Möglichkeit, zumindest kurz mit einem oder mehreren Bewohnern des Projektes zu reden. Die Gespräche fanden weiterhin einerseits als Einzelgespräche, andererseits auch als Gruppengespräche statt.
Der zeitliche Rahmen der einzelnen Befragungen ist als höchst unterschiedlich zu bezeichnen. So wurde beispielsweise derselbe Fragebogen in einem Projekt innerhalb von einer
Stunde durchgearbeitet, in anderen Projekten wiederum konnte sich die Befragung auch
über drei Stunden erstrecken. Festzustellen ist, dass vor allem Gruppengespräche einen
größeren Zeitrahmen benötigten. Die Interview-Mitschriften wurden im direkten Anschluss an
die Befragung auf ihre Vollständigkeit überprüft und in einen logischen Zusammenhang gebracht. Alle Mitschriften und Ergebnisse der Expertengespräche liegen in schriftlicher Form
vor und wurden nach Abschluss der Befragungen systematisch zusammengeführt und kategorisiert, um anschließend inhaltlich analysiert und bewertet werden zu können. Das Ziel lag
darin, das Überindividuell-Gemeinsame im Vergleich zu den Ergebnissen aus den anderen
Experteninterviews herauszuarbeiten. Die Vergleichbarkeit der verschiedenen Interviewtexte
wird dabei durch den gemeinsam geteilten institutionell-organisatorischen Kontext gesichert
(Meuser/Nagel 2005: 80f). Neben den in den Befragungen erhobenen Daten wurden auch
weitere Informationen zu den einzelnen Projekten berücksichtigt. So verfügen viele der Projekte über eine eigene Homepage oder, in geringerem Maße, über Informationsbroschüren,
in denen das Projekt bzw. dessen zentrale Ziele näher vorgestellt werden. Diese Informationen machten zwar nur einen kleinen Teil der Untersuchung aus, stellen jedoch eine nützliche
und informationsreiche Ergänzung der in den Interviews gesammelten Ergebnisse dar.
Die Vorstellung der einzelnen Projekte sowie der daraus gewonnen inhaltlichen Daten erfolgen im 6. und 8. Kapitel.
Da die Verfasserin dieser Arbeit in die Projektarbeit der InWIS F&B GmbH involviert war,
kommt es zu Überschneidungen im empirischen und im inhaltlichen Bereich der Projektarbeit
sowie dieser Masterarbeit. So liegen bspw. beiden Arbeiten die gleichen empirischen Daten
zugrunde.
9
STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND | DEMOGRAPHISCHER W ANDEL IN DEUTSCHLAND
3
Strukturelle Rahmenbedingungen in Deutschland
Diese Arbeit beschäftigt sich mit gemeinschaftlichen Wohnformen für ältere Menschen. Infolgedessen soll eine kurze Übersicht über die strukturellen Rahmenbedingungen in Deutschland gegeben werden, die Einfluss auf die Lebensbedingungen Älterer sowie auf deren Anteil an der Gesamtbevölkerung haben. Zunächst erfolgt ein kurzer Überblick über die demographische Entwicklung und die Entwicklung der Pflegebedürftigkeit in Deutschland. Anschließend werden die Effekte der Pluralisierung auf die Bevölkerungsgruppe der Älteren
sowie die Auswirkungen dieser auf die Wohnsituation bzw. -wünsche dargestellt.
3.1
Demographischer Wandel in Deutschland
Der aus dem Griechischen stammende Begriff „Demographie“ steht für die Wissenschaft von
der Bevölkerung und beschreibt den gegenwärtigen Zustand der Bevölkerung anhand von
Faktoren wie Größe, Altersaufbau, Geburtenhäufigkeit, Zuwanderung, etc. Aus der Analyse
der gegenwärtigen Situation heraus werden Bevölkerungsprognosen abgeleitet. Die Daten
der Demographie sind für Politik und Wirtschaft unentbehrlich, da sich bspw. die Rentenpolitik oder Wirtschaftsunternehmen rechtzeitig auf demographische Entwicklungen einstellen
müssen (website: bpb).
In Deutschland wird im Zuge des
demographischen Wandels die
Anzahl der älteren Menschen im
Laufe der nächsten Jahre und
Jahrzehnte kontinuierlich ansteigen, wobei es gleichzeitig immer
weniger junge Menschen geben
wird.
So waren bspw. im Jahr 2000
knapp ein Viertel der Bevölkerung 60 Jahre und älter, 21%
jünger als 20 Jahre. Bis zum
Jahr 2030 wird der Anteil der
über 60-jährigen im Vergleich
zum Anteil der unter 20-jährigen
etwa doppelt so hoch sein (35%
gegenüber 17%). Darüber hinaus kommt es zu einem starken
Anstieg des Anteils der Hochalt-
Statistisches Bundesamt 2006 – 15 - 1302
Abb. 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland
10
STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND | DEMOGRAPHISCHER W ANDEL IN DEUTSCHLAND
rigen (80 Jahre und älter)10. So wird sich der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung in den nächsten 20 Jahren von 3,6% auf 7,4% verdoppeln (Lehr 2003: 3). Abbildung
1 veranschaulicht die vergangene sowie zukünftige Entwicklung.
Der demographische Wandel ist von verschiedenen Faktoren abhängig, zu denen die natürliche Bevölkerungsentwicklung (Geburten- und Sterberate) sowie die Wanderung der Bevölkerung bzw. die Zuwanderung von Migranten zu zählen sind (Kaufmann 2005: 44).
Die natürliche Bevölkerungsentwicklung ist dabei vor allem dadurch geprägt, dass es zu einem Geburtenrückgang bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung kommt. Während bei
den 1950 geborenen Frauen nur 11% kinderlos sind, sind es bei den 1965 geborenen Frauen bereits 22% und nach Hochrechnungen werden es bei den nach 1965 Geborenen 35%
sein (Lehr 2003: 3). Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau liegt in Deutschland bei 1,33
(2006), wobei ein Wert von 2,1 notwendig wäre, um die Bevölkerung konstant zu halten. Die
Geburtenrate kann bereits seit 1972 die Sterberate nicht mehr kompensieren und 2006 lag
die Zahl der Gestorbenen bereits um 149.000 höher als die Zahl der Lebendgeborenen (Stat.
BA 2008a: 14). Die sinkende Geburtenrate führt zu einer negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung.
Durch die steigende Lebenserwartung wird dieser Prozess allerdings zeitlich verzögert: Diese hat sich in den letzten 130 Jahren mehr als verdoppelt. Betrug sie 1871/1881 bei neugeborenen Jungen 35,6 Jahre (Mädchen: 38,4 Jahre), so lag die durchschnittliche Lebenserwartung 2004/2006 bei den Jungen bei 76,6 Jahren (Mädchen: 82,1 Jahre) (Stat. BA 2008a:
21). Dabei ist die Lebenserwartung nicht nur für Neugeborene gestiegen, sondern auch für
ältere Menschen. So haben 60-jährige Männer heute eine fernere Lebenserwartung von 20,6
Jahren (Frauen: 24,5 Jahren) (Stat. BA 2008a: 14). Die heutigen älteren Jahrgänge sind dabei, bedingt durch historische Einflüsse, relativ klein, dies wird sich mit dem steigenden Alter
der Generation der Babyboomer11 ändern.
Neben der natürlichen Bevölkerungsentwicklung haben die Wanderungen entscheidenden
Einfluss auf die Einwohnerzahl. Bei Wanderungen wird generell zwischen der Binnenwanderung (Wohnsitzwechsel innerhalb Deutschlands) und der Außenwanderung (Wanderung
über die Grenzen Deutschlands) unterschieden (Stat. BA 2008a: 15f). Bei der Binnenwanderung sind vor allem die Wanderungsströme zwischen den neuen und den alten Bundesländern von Interesse. So zeichnen sich die Wanderungsströme neuerer Zeit durch eine hohe
Wanderungsintensität von Ost nach West aus. 2006 bspw. verlegten 173.600 Menschen
ihren Wohnsitz von den neuen Ländern, einschließlich Berlin, in eines der alten Bundeslän-
10
Die Hochaltrigkeit ist ein unscharfer Begriff. Allerdings wird in den meisten Arbeiten davon ausgegangen, dass
ab einem Alter von 80-85 Jahren Hochaltrigkeit vorliegt, so dass in dieser Arbeit ab dem 80. Lebensjahr von Hochaltrigkeit gesprochen wird (Vgl. hierzu: BmFSFJ 2002b: 53f).
11
„Bezeichnung der Gruppe von Personen, die zwischen 1946 und 1964 als Folge stark steigender Geburtenraten in den Industrieländern zur Welt kamen“ (website: unternehmensdemographieberatung).
11
STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND | DER DEMOGRAPHISCHE W ANDEL IM INTERNATIONALEN VERGLEICH
der, wobei sich ein Wanderungssaldo von -51.000 Personen für die neuen Bundesländer
ergab (Stat. BA 2008a: 16). Somit haben gerade die neuen Bundesländer mit Bevölkerungsrückgängen sowie mit einer verstärkten Alterung zu kämpfen, da es vor allem die jungen
Menschen sind, die fortziehen.
Bei der Außenwanderung hatte die Zuwanderung ausländischer Staatsangehöriger ihren
höchsten Wert im Jahr 1992 mit 1,2 Mio. Personen. In den folgenden Jahren war die Tendenz hingegen eher rückläufig, die Fortzüge aus Deutschland werden allerdings weiterhin
durch die Zuzüge kompensiert (Stat. BA 2008a: 16ff). Ohne diese Zuwanderung ausländischer Staatsangehöriger würde die Bevölkerung Deutschlands bereits seit 1972, da seit diesem Zeitpunkt die Geburtenrate die Sterberate nicht mehr kompensieren kann, schrumpfen
(Birg 2003:6). Allerdings hat die Zuwanderung den Bevölkerungsrückgang der letzten Jahre
nicht aufhalten, sondern lediglich abmildern können.
Der demographische Wandel in Deutschland ist also dadurch geprägt, dass die Geburtenrate in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark gesunken und die Lebenserwartung parallel
dazu stark angestiegen ist.
Diese Entwicklungen werden
sich auch in Zukunft fortsetzen und es wird zu einem
Rückgang der Bevölkerung12
bei
gleichzeitiger
Alterung
kommen (Stat. BA 2008a:
20).
Wie
Abbildung
2
licht, werden jedoch nicht alle
Regionen
in
Deutschland
Abb. 2: Künftige
Bevölkerungsdynamik
gleich stark hiervon betroffen
sein.
Während in der Region München von einer positiven Bevölkerungsentwicklung ausgegangen
wird, weisen die neuen Bundesländer die stärksten Bevölkerungsverluste auf.
3.1.1
Der demographische Wandel im internationalen Vergleich
Da im Zuge dieser Arbeit auch Projekte aus dem europäischen Ausland betrachtet werden
sollen, wird im Folgenden ein kurzer Überblick über die internationale demographische Entwicklung gegeben.
12
Die Zahlen variieren je nach zugrunde liegender Prognoserechnung, so dass von einer Schrumpfung der Bevölkerung auf 69 bis 74 Mio. Personen bis zum Jahr 2050 ausgegangen werden kann (Stat. BA 2003: 15).
12
STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND | PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT IM ALTER
Ebenso wie in Deutschland unterliegen die meisten Industrienationen derzeit einem gravierenden demographischen Wandel. Europa ist dabei mit einem Durchschnittsalter von 39 Jahren die älteste Region der Welt, wobei Italien und Deutschland an der Spitze liegen (Durchschnittsalter 42 Jahre).
39,0
Europa
Die Alterung der Bevölke-
47,1
38,2
Norwegen
43,8
39,0
Großbritannien
rung wird sich weiter fortsetzen,
so
dass
Durchschnittsalter
Dänemark
50
Schweden
40,1
Schweiz
40,8
in
(siehe Abbildung 3).
39,5
42,8
gehen davon aus, dass in
Japan
45,6
42,1
Jahrhundert „erstmals in
42,3
42,9
0
halben
2050
43,9
46,5
Deutschland
Italien
2005
40,9
Finnland
Bevölkerungsprognosen
knappen
45,5
das
Jahren bei 47 Jahren liegt
einem
42,9
39,3
Frankreich
10
20
30
40
47,4
52,5
52,3
50
60
Alter in Jahren
Abb. 3: Entwicklung des internationalen Durchschnittsalters
der Geschichte der Menschheit mehr alte als junge Menschen auf der Erde leben werden“
(BmFSFJ 2007:9). Dabei ist die Lebensphase Alter durch das weibliche Geschlecht geprägt,
da Frauen eine höhere Lebenserwartung haben und die Männerjahrgänge infolge des Zweiten Weltkrieges dezimiert sind (BmFSFJ 2007:8ff).
Die Gründe für die Entwicklung der europaweiten Alterung sind, analog zu denen in Deutschland, das niedrige Geburtenniveau, die Mortalitätsrate bzw. die gestiegene fernere Lebenserwartung vor allem der Älteren und Hochaltrigen sowie die Wanderung. Durch die Wanderungsgewinne in den letzten Jahren, besonders in den jüngeren Bevölkerungsgruppen,
konnte der Alterungsprozess zwar nicht verhindert, aber verlangsamt werden (BmFSFJ
2007:13ff).
Der zunehmende Anteil Älterer an der Gesamtbevölkerung hat dabei auch Auswirkungen auf
die Entwicklung der Anzahl pflegebedürftiger Personen, wie das folgende Kapitel veranschaulicht.
3.2
Pflegebedürftigkeit im Alter
1995 wurde die Pflegeversicherung in Deutschland als fünfte Säule der sozialen Sicherung
eingebaut. So erhalten Pflegebedürftige seit dem 1.4.1995 Leistungen für die häusliche Pflege und seit dem 1.7.1996 Leistungen für die stationäre Pflege. Voraussetzung hierfür war bis
zum 1.7.2008 (bis zum Inkrafttreten der Pflegereform) eine erhebliche Pflegebedürftigkeit.
Nach dem 1.7.2008 bekamen auch Personen mit demenzieller Erkrankung Leistungen gewährt, die zwar keine Pflegestufe haben, aber aufgrund eingeschränkter Alltagskompetenz
Hilfe benötigen (Schulz 2008: 736).
Die Anzahl von Leistungsempfängern ist in den letzten Jahren um 20% gestiegen, so dass
13
STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND | PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT IM ALTER
im Jahr 2007 etwa 2,25 Mio. Menschen Leistungen aus der sozialen und privaten Pflegeversicherung erhielten. Vor allem der Anteil an Personen, die in Pflegeheimen sowie durch ambulante Pflegedienste versorgt werden, ist stark angestiegen (Stat. BA 2008b: 4).
Als Gründe für diese Zunahme kann vor allem der demographische Wandel angeführt werden. Das Risiko, pflegebedürftig zu werden, steigt mit zunehmendem Alter stark an, so dass
vor allem die Gruppe der Hochaltrigen von Pflegebedürftigkeit betroffen ist. Diese Gruppe
verzeichnete in den letzten Jahren hohe Zuwachsraten, da die Zahl der über 70-jährigen sich
in der Zeit von 1997 bis 2006 ca. verdoppelt hat, wobei vor allem die Gruppe der über 90jährigen stark angestiegen ist (Schulz 2008: 738). Die Betrachtung der mit dem Alter steigenden Pflegebedürftigkeit zeigt, dass in der Gruppe der 70- bis 75-jährigen ca. 5% pflegebedürftig sind, in der Altersgruppe der über 90-jährigen 62%. Dabei weisen Frauen ab dem
80. Lebensjahr eine deutlich höhere Pflegequote auf als Männer des gleichen Alters (bei den
85- bis 90-jährigen Frauen liegt die Pflegequote bei 41%, bei Männern bei 28%) (Stat. BA
2008b: 4).
Der Großteil der Leistungsempfänger (ca. 68%) wird zu Hause durch den Partner oder nahe
Angehörige, zum Teil auch durch Freunde und Bekannte oder durch einen ambulanten Pflegedienst versorgt (Stat. BA 2008b: 12). Doch nicht nur die informelle Pflege wird vor allem
durch Frauen erbracht (BmFSFJ 2007: IV), auch der Anteil der Zuhause-Versorgten bestand
2007 zu 64% aus Frauen, in den Heimen zu 76%, wobei die im Heim betreuten Frauen zudem älter waren (Stat. BA 2008b: 4).
Eine weitere Versorgungsmöglichkeit stellt das Wohnen in einem Pflegeheim dar. Dabei sind
mehr als 50% der Pflegestufe I zugeordnet, ca. 30% der Pflegestufe II und ca. 12% der Pflegestufe III (2006) (Schulz 2008: 738). Generell konnte in den letzten Jahren vor allem bei der
Pflegestufe I ein überdurchschnittliches Wachstum verzeichnet werden (Stat. BA 2008b: 4).
Die folgende Abbildung verdeutlicht die Inanspruchnahme Pflegebedürftiger der Versorgungsformen:
2.250.000 Pflegebedürftige insgesamt
in Heimen versorgt:
709.000 Pflegebedürftige (32%)
zu Hause versorgte Pflegebedürftige:
1.540.000 (68%) durch:
42,3%
61,8%
Angehörige:
(1.030.000)
52,5%
Pflegedienste:
35,4%
Nach Pflegestufen
29,9%
35,7%
Nach Pflegestufen
Nach Pflegestufen
20,5%
Ohne Zuordnung
12,1%
8,3%
I
II
III
Abb. 4: Inanspruchnahme
der Versorgungsformen
I
II
durch
11.500 Pflegedienste
mit
236.000 Beschäftigten
III
I
II
III
1,5%
in
11.000 Pflegeheimen
mit
574.000 Beschäftigten
14
STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND | PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT IM ALTER
Neben der Zunahme der Anzahl an pflegebedürftigen Personen kam es in der
Vergangenheit auch zu einer Verschiebung von der ambulanten zur stationären Pflege, so
dass immer mehr Personen stationär versorgt werden. Allerdings ist die Verweildauer in
diesen Einrichtungen gesunken, da die Personen sich dort vor allem durch Hochaltrigkeit (ab
85 Jahren) auszeichnen (Schulz 2008: 738f).
Die zukünftige Entwicklung der Anzahl Pflegebedürftiger wird maßgeblich durch den weiteren demographischen Wandel bestimmt. Aufgrund der im vorherigen Kapitel erläuterten
Entwicklungen wird die Bevölkerung Deutschlands den Prognosen zufolge altern und vor
allem der Anteil der Hochaltrigen, die stärker von einer eintretenden Pflegebedürftigkeit betroffen sind, ansteigen. So wird sich vor allem die Generation der Babyboomer auf die Anzahl der Pflegebedürftigen auswirken, welche mit Erreichen der Hochaltrigkeit dieser Gruppe
(ca. 2050) ihren Höhepunkt bzw. „Peak“ erreicht. Danach wird sich die Anzahl der Hochaltrigen (ca. 2060) aufgrund der geringeren Größe der nachfolgenden Generationen wieder abschwächen (Schulz 2008: 740). Die Zahl der Leistungsempfänger wird sich dementsprechend bis 2050 um 1,7 Mio. auf insgesamt 4,6 Mio. Personen erhöhen. Auch die Zahl der in
der Vergangenheit zugewanderten Personen wird sich auf lange Sicht gesehen steigernd auf
die Zahl der Pflegefälle auswirken.
Neben der Hochaltrigkeit zeichnet sich diese Bevölkerungsgruppe auch durch eine, mit dem
Alter steigende, Multimorbidität aus, wodurch ein höherer Pflegeaufwand notwendig wird.
Somit wird auch die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigen, die auf einen Heimplatz angewiesen sind, da die oft vorliegende Vielzahl an Erkrankungen nicht durch die Pflege im
eigenen Zuhause aufgefangen werden kann. Demnach kommt es zu einer weiteren Verschiebung von der ambulanten zur stationären Pflege und die Zahl der Pflegebedürftigen in
Heimen wird von 0,7 Mio. Personen (2006) auf über eine Million im Jahr 2020 und 1,7 Mio.
im Jahr 2050 steigen, was einen Zuwachs von 142% bedeutet. Neben dieser Entwicklung ist
mit einer Verschiebung zwischen den Pflegestufen zu rechnen, wobei der Zuwachs der Pflegestufe II am größten ausfallen wird (Schulz 2008: 740ff).
Generell wird die Zahl der professionell versorgten pflegebedürftigen Personen weiter anwachsen, da informell erbrachte Pflegeleistungen in Zukunft eine geringere Rolle spielen
werden. Die Gründe hierfür sind zum einen demographisch bedingt, da die Zahl der potentiellen familiären Pflegekräfte sinkt und die der Personen mit Hilfe- und Pflegebedarf gleichzeitig steigt (Schulz 2008: 743f). Zudem steigt die Zahl der erwerbstätigen Frauen, welche
bisher einen Großteil des familiären Pflegepotenzials ausmachten. Die größere berufliche
Mobilität führt ebenfalls zu einem Absinken des familiären Pflegepotenzials. Eine Folge dieser Entwicklungen ist, dass ältere Menschen zunehmend auf Pflegeleistungen außerhalb der
Familie zurückgreifen müssen und die Nachfrage nach professionellen Pflegedienstleistern
15
STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND | GESELLSCHAFTLICHER W ANDEL –
PLURALISIERUNG, INDIVIDUALISIERUNG UND SINGULARISIERUNG
steigen wird13.
Der Blick auf die internationale Entwicklung der Pflegebedürftigkeit zeigt, dass auch in anderen Staaten mit einem wachsenden Pflegebedarf zu rechnen ist. Dabei wird es zu einer Angleichung der Zahl der potentiell Pflegenden (Frauen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren) und
der potentiell zu Pflegenden kommen. Somit gewinnt der Ausbau der professionellen Pflege
nicht nur in Deutschland an Bedeutung, auch wenn diese die häusliche Pflege nicht vollständig ersetzen kann (BmFSFJ 2007: IIIf). Neben den Auswirkungen des demographischen
Wandels haben auch weitere gesellschaftliche Entwicklungen Einfluss auf die Lebenslage
älterer Personen, auf die im Folgenden kurz eingegangen wird.
3.3
Gesellschaftlicher Wandel – Pluralisierung, Individualisierung
und Singularisierung
Neben dem zahlenmäßigen Zuwachs im Zuge des demographischen Wandels, zeichnet sich
die Gruppe der Älteren durch eine zunehmende Differenzierung und Heterogenität aus (FfG
et al 2006: 5). Doch nicht nur innerhalb der Gruppe der Älteren lassen sich diese Tendenzen
ausmachen, der Trend trifft vielmehr auf die gesamte Bevölkerung zu.
Ausgangslage für diesen Trend der Individualisierung und Pluralisierung der Lebensstile ist
das seit den 70er/80er Jahren schwindende Gesellschaftsmodell der „Parson‘schen Normalfamilie“ (Brüderl 2004: 3), welches von einer „starken Bedeutung der Standardisierung in
allen gesellschaftlichen Teilbereichen geprägt war“ (Kranister/ Prost 2008: 7), wie z.B. der
Kleinfamilie (Vater, Mutter, zwei Kinder) als die standardisierte Haushalts- bzw. Familienstruktur (Kranister/ Prost 2008: 7).
Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels kommt es nunmehr zu einer stärkeren Individualisierung der Bevölkerung, welche mehr Wahlfreiheit und Verantwortung für das eigene Leben
mit sich bringt. Gleichzeitig ist aber auch weniger gesellschaftliche Orientierung vorhanden,
da gesellschaftliche Normen und Werte an Bedeutung verlieren. Diese Ausweitung des individuellen Spielraums bei der Gestaltung des eigenen Lebens hat zur Folge, dass anstelle der
standardisierten Normalbiographie eine Fülle an individuellen Lebensformen und -stilen getreten ist. Deren Unterschiede bestehen nicht allein in der Schichtzugehörigkeit oder Familienform, sondern beziehen sich bezüglich der individuellen Präferenzen und Verhaltensweisen auf alle Aspekte des Lebens. Somit bringt der gesellschaftliche Wandel eine Vielfalt an
Möglichkeiten der individuellen Lebensführung mit sich. War der Lebenszyklus in Zeiten des
13
An dieser Stelle soll nur am Rande angemerkt werden, dass mit der Verschiebung der zu erbringenden Pflegeleistungen in den professionellen Sektor verschiedene Probleme verbunden sind: Zum einen werden nicht genügend qualifizierte Fachkräfte vorhanden sein, um den Bedarf zu decken und die Zahl der „schwarz“ arbeitenden
Pflegepersonen wird vermutlich zunehmen. Zum anderen sind mit der steigenden Professionalität höhere Kosten
verbunden, deren Deckung ungewiss ist. Weiterhin kommt es durch das sinkende familiale Pflegepotenzial zu
einer stärkeren Vereinsamung der pflegebedürftigen Personen.
16
STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND | GESELLSCHAFTLICHER W ANDEL –
PLURALISIERUNG, INDIVIDUALISIERUNG UND SINGULARISIERUNG
fordistischen Gesellschaftsmodells geprägt von charakteristischen Abfolgen, so ist dieser
heute nicht mehr klar vorbestimmbar und im ständigen Wechsel (Kranister/ Prost 2008: 7f).
Neben der Individualisierung und Pluralisierung der Lebensstile kommt es zu einer Singularisierung bzw. Vereinzelung, was sich vor allem an der wachsenden Anzahl an Privathaushalten bei gleichzeitigem Absinken der durchschnittlichen Haushaltsgröße in Personen abmessen lässt.
Abbildung 5 verdeutlicht diese Tendenzen, indem die zukünftige Entwicklung von 1- und 2Personen-Haushalten
der Entwicklung von Familienhaushalten mit drei
oder
mehr
Personen
gegenübergestellt
wird.
Dabei zeigt sich, dass
die Entwicklung regional
differenziert verläuft, was
auch durch wirtschaftliche
Faktoren
bedingt
wird.
Die
Singularisierungs-
tendenzen
treffen
vor
allem auf die jüngeren
und die älteren Bevölkerungsgruppen
zu.
Bei
Abb. 5: Entwicklung der Haushaltsformen in Deutschland
den Jüngeren gibt es einen hohen Anteil an Singles, bei den Älteren handelt es sich oft um
geschiedene oder verwitwete Personen, die unfreiwillig allein sind. Der Trend der wachsenden Anzahl an Haushalten bei geringer werdender Haushaltsgröße wird sich in dieser Form
nicht stetig weiterentwickeln: Da die Bevölkerung schrumpft, wird auch die Zahl der Haushalte in Zukunft wieder abnehmen.
Abgesehen von dem Anstieg der Anzahl an Haushalten, werden sich auch die Haushaltstypen zunehmend ausdifferenzieren. Neben den Single-Haushalten finden sich verheiratete
oder unverheiratete Paare ohne Kinder (dinks, also double income, no kids) oder mit Kindern, Alleinerziehende mit einem oder mehreren Kindern. Diese Haushaltstypen sind nicht
neu, doch werden sie von einer Ausnahme zur festen Größe, und dies vor allem in den
Großstädten (Kranister/ Prost 2008: 8).
Als Anzeichen für diese Entwicklungen werden Trends wie eine gesunkene Heirats- sowie
Wiederverheiratungsphase, eine gestiegene Scheidungsrate und eine gesunkene Fertilitätsrate angegeben (Brüderl 2004: 3).
17
STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND | W ANDEL DER W OHNUNGSNACHFRAGE
Auf die Bevölkerungsgruppe der Älteren bezogen kann somit abschließend festgehalten
werden, dass sich diese, wie die gesamte Bevölkerung, zunehmend ausdifferenziert, wobei
die Single-Haushalte eine bedeutende Rolle spielen. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Wohnungsnachfrage werden im folgenden Kapitel dargestellt.
3.4
Wandel der Wohnungsnachfrage
Als zentrale Auswirkung auf den Wohnungsmarkt kann infolge der Pluralisierungs- und Singularisierungstendenzen die bereits erwähnte Abnahme der Haushaltsgrößen bei gleichzeitigem Anstieg der Anzahl an Privathaushalten genannt werden. In Zukunft wächst die Nachfrage nach Wohnungen, vor allem nach solchen, die für Singles bzw. Alleinstehende geeignet sind. Aufgrund der zukünftigen Schrumpfung der Gesellschaft ist dieser Trend aber langfristig rückläufig.
Auf Seiten der Anbieter müssen daher Anstrengungen unternommen werden, um ihre Mieter
in Zukunft halten zu können bzw. um neue Mieter zu erreichen. Durch die Pluralisierungstendenzen sehen sich die Anbieter mit vielfältigen Ansprüchen an das Wohnen konfrontiert,
wobei sich der momentane Bestand eher an der ehemals klassischen Familienform ausrichtet und den neuen Bedürfnissen daher nicht gerecht wird. Dabei ist ein jüngeres Klientel generell attraktiver für die Wohnungswirtschaft, da bspw. geringere Voraussetzungen bezüglich
der Barrierefreiheit/ -armut erfüllt werden müssen. Es sollte jedoch bedacht werden, dass die
schwellenlose Erreichbarkeit der Wohnung z.B. auch für Eltern mit Kindern attraktiv ist.
Nichtsdestotrotz stellen die Älteren, sowohl in der näheren, als auch in der ferneren Zukunft,
die größte Nachfragegruppe auf dem Wohnungsmarkt dar, worauf sich die Wohnungswirtschaft einstellen muss.
Doch die Ansprüche der Älteren haben sich nicht nur zunehmend ausdifferenziert, sie sind
auch generell gestiegen. So wollen die Älteren selbständig und sicher in ihren eigenen vier
Wänden und einer ansprechenden Umgebung wohnen. Es herrscht somit „heute ein anderes
Selbstverständnis mit neuen Lebensentwürfen und veränderten Wohnansprüchen für die
nachberufliche Lebensphase“ (MFJFG NRW 2000: 8). Dabei hat sich auch der Wohnflächenbedarf verändert. Ging man bis vor ein paar Jahren noch davon aus, dass der ältere
Mensch einen geringeren Wohnraum als der jüngere benötigt, so weiß man heute, dass gerade Ältere, aufgrund ihrer eingeschränkten Bewegungsfreiheit, mehr Platz und angemessene Wohnungsgrundrisse benötigen (FfG et al 2006: 10). Das Altersheim als StandardWohnform für Ältere hat somit schon lange ausgedient.
Die Umsetzung der Ansprüche, die Ältere an ihre Wohnung sowie ihr Wohnumfeld haben,
wird nicht zuletzt durch die finanzielle Situation der Älteren ermöglicht, welche sich im Ver-
18
STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND | ZWISCHENFAZIT
gleich mit der restlichen Bevölkerung positiv darstellt14 (Stat. BA 2006: 555). Vor allem der
Anteil an im Alter finanziell selbständigen Frauen hat zugenommen. Ferner sind die Älteren
aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung und der so längeren Lebensphase „Alter“ länger
aktiv, mobiler und gesünder als noch vor einigen Jahren.
Dies alles sind Prozesse, die sich auf den Wohnungsmarkt bzw. die Ansprüche an den
Wohnungsmarkt auswirken und alternative, an den Bedürfnissen älterer Menschen ausgerichtete, Wohnformen erfordern (BmFSFJ 2007: 54). Gemeinschaftliche Wohnformen werden somit immer interessanter, da sie viele Bedürfnisse der Älteren wie Sicherheit, Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit erfüllen und eine verlässliche, auf gegenseitige Hilfsbereitschaft beruhende, Gemeinschaft bieten.
3.5
Zwischenfazit
Im Zuge des demographischen Wandels schrumpft die Bevölkerung in Deutschland sowie in
Europa, wobei gleichzeitig der Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung wächst. Ein besonders hohes Wachstum hat dabei die Gruppe der Hochaltrigen zu verzeichnen, da die
allgemeine sowie die fernere Lebenserwartung steigen. Doch auch wenn die Älteren heute
eine längere Lebenserwartung haben, länger aktiv und fit bleiben, wächst die Anzahl pflegebedürftiger Personen.
Die Pluralisierung der Lebensstile geht mit einer Veränderung der Haushaltsstrukturen und
Wohnformen einher. Angesichts einer gestiegenen Frauenerwerbsquote und der zunehmenden Mobilität jüngerer Generationen sehen sich ältere Menschen häufiger als früher mit der
Notwendigkeit konfrontiert, Hilfeleistungen und unterstützende Dienstleistungen außerhalb
der Familie in Anspruch zu nehmen. Auch aus diesem Grund werden der Aufbau und die
Pflege sozialer Netzwerke außerhalb der Familie im Lebenskontext älterer Menschen wichtiger. Darüber hinaus haben ältere Menschen in Bezug auf Wohnung und Wohnumfeld generell spezielle Wünsche und Bedürfnisse. Eine besondere Rolle spielen bei älteren Menschen
das hohe Sicherheitsbedürfnis, aber auch Selbstständigkeit und der Wunsch nach einer individuellen Lebensführung.
Spezielle Wohnkonzepte für Ältere erhalten daher aufgrund der „steigenden Nachfrage und
der prognostizierten nicht bezahlbaren professionellen sowie der fehlenden familiären Pflegekräfte einen erheblichen Bedeutungszuwachs“ (MBV NRW 2005: 9). Es werden sich daher
zukünftig solche Wohnformen am Markt durchsetzen, die „besondere Qualitäten für den dritten Lebensabschnitt bereithalten und Angebote für persönliche Lebenslagen machen“ (MBV
NRW 2005: 9).
14
Zwar gibt es weiterhin Ältere, die mit einem sehr niedrigen Einkommen leben müssen, doch der Großteil der
Älteren verfügt über ausreichende finanzielle Mittel. In Armut (oder auch in Reichtum) leben nur wenige Senioren
(BmFSFJ 2002a: 2).
19
STRUKTURELLE RAHMENBEDINGUNGEN IN DEUTSCHLAND | ZWISCHENFAZIT
In Zukunft kann also kaum noch von standardisierten Wohnbedürfnissen bei den Älteren
ausgegangen werden, zu heterogen sind die Ansprüche, die diese an das Wohnen sowie an
ihre Umgebung stellen. Gemeinschaftliche Wohnformen bieten an dieser Stelle eine mögliche Wohnoption, da sie aufgrund ihres speziellen Konzepts die Bedürfnisse nach Sicherheit,
gegenseitige Hilfe, etc. befriedigen können und in ihrer Ausgestaltung individuell und den
spezifischen Bedürfnissen entsprechend konzipiert sind. Dennoch ist diese Wohnform vermutlich nicht für alle Bevölkerungsgruppen die optimale Option. Der Frage, ob gemeinschaftliche Wohnformen die Antwort auf den Wandel der Wohnwünsche sind, wird im weiteren
Verlauf der Arbeit nachgegangen. Im Anschluss an dieses Kapitel sollen zunächst die „klassischen“ und gesellschaftlich bekannteren Formen des Wohnens im Alter vorgestellt werden.
Darauf folgt dann die Darstellung der gemeinschaftlichen oder auch „neuen“ Formen des
Wohnens im Alter.
20
MÖGLICHKEITEN DES W OHNENS IM ALTER
4
Möglichkeiten des Wohnens im Alter
Wohnen gehört generell zu den elementarsten Bedürfnissen des Menschen, doch gerade für
Senioren spielt das Wohnen bzw. die eigene Wohnung eine herausragende Rolle (Franke/Wilde 2005: 105). Denn vor allem in der Lebensphase des Alters wird, aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen, immer mehr Zeit in den eigenen vier Wänden oder aber im unmittelbaren Umfeld verbracht (BmFSFJ 2007: 54). Der ältere, in den Ruhestand eingetretene
Mensch verlässt das Haus am Tag für weniger als drei Stunden, wobei sich diese Zahl bei
Alleinlebenden, im Vergleich zu Personen, die in Mehrgenerationenhaushalten leben, um
eine Stunde verlängert (FfG et al 2006: 10). Das unmittelbare Wohnumfeld bzw. die infrastrukturelle Ausstattung des Wohnumfelds spielt insofern eine bedeutende Rolle, da ältere
Menschen aufgrund ihrer eingeschränkten physischen Möglichkeiten auf Einkaufsmöglichkeiten sowie Ärzte in der unmittelbaren Nähe angewiesen sind.
Somit hat das Wohnen „für ältere Menschen große Bedeutung für ihre Lebensqualität und
die Teilhabe am sozialen Leben“ (BmFSFJ 2007: 54) und nimmt mit fortschreitendem Alter
einen immer zentraleren Punkt im Leben ein. Dies auch nicht zuletzt vor dem Aspekt, dass
sich die physischen und geistigen Fähigkeiten eines Menschen mit zunehmendem Alter verändern. Dabei korreliert die physische Vitalität mit einer leichteren Anpassung an günstige
und ungünstige Umweltfaktoren. Ein körperlich gesunder Mensch bemerkt bei einer weniger
behindertengerechten Wohnung keine Defizite. Bei älteren, eingeschränkten, Menschen
wirkt es sich jedoch ungünstig auf Lebenswelt und Wohlbefinden aus, wenn alltägliche Verrichtungen nur mühsam erledigt werden können (FfG et al 2006: 10).
Dabei hat sich die Erwartungshaltung der Älteren an das Wohnen im Alter verändert: Sie
möchten ihre Selbständigkeit nicht verlieren, den Alltag unabhängig von anderen gestalten,
legen Wert auf Kommunikation und möchten auch im Alter nicht unnütz sein (FfG et al 2006:
10). Es wird also genau auf die Punkte Wert gelegt, die beim Verbleib in einem Heim verloren gehen, welches lange als einzige Möglichkeit des Wohnens für ältere, eingeschränkte
Menschen angesehen wurde.
Doch wie wohnen die Älteren nun eigentlich? Der Großteil der Senioren lebt in Privathaushalten und dabei oft in den eigenen vier Wänden. So sind es in Westdeutschland 45% und in
Ostdeutschland etwa 30% (BmFSFJ 2007: 54).
Im Jahr 2008 waren 38% aller Haushalte Einpersonenhaushalte, die somit die führende
Haushaltsform darstellen (Stat. BA 2009: 7). Im Hinblick auf die Altersgruppen zeigt sich,
dass der Anteil der Einpersonenhaushalte mit steigendem Alter noch zunimmt15. Je älter die
15
Während in der Altersgruppe der 60- bis 64-jährigen der Anteil der Einpersonenhaushalte 23% beträgt (Ost:
19%), und somit keine großen Unterschiede zum Durchschnitt der jüngeren Bevölkerung aufweist, liegt er bei den
75- bis 79-jährigen bei ca. 41% (Ost: 38%) und bei den über 80-jährigen bei mehr als 66% (Ost: 55%) (Stat. BA
2008a: 194).
21
MÖGLICHKEITEN DES W OHNENS IM ALTER
Menschen sind, desto eher wohnen sie also alleine. Als Grund für diese Entwicklung kann
zumeist der Tod des Partners angegeben werden.
Dabei ist die vorwiegende Zahl der älteren Einpersonenhaushalte weiblich, da Frauen bei
höherer Lebenserwartung häufig ältere Partner wählen (Franke/Wilde 2005: 102). Bezogen
auf die Haushalte bedeutet dies, dass 37% der Frauen ab 55 Jahren alleine leben (Männer:
17%) und 62% der über 75-jährigen Frauen (Männer: 24%) (Stat. BA 2008a: 13f).
Auf die Frage, wie die älteren Personen leben möchten, zeigen Umfragen, „dass das Wohnen in den eigenen vier Wänden die beliebteste Wohnform“ (FfG et al 2006: 5) im Alter darstellt16. Doch auch wenn der Wohnstandard der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich recht hoch ist, stellt sich die Wohnsituation älterer Menschen in ihren eigenen
vier Wänden verhältnismäßig kritisch dar, obwohl eine hochwertige Ausstattung der Wohnung aufgrund nachlassender physikalischer Fähigkeiten an Bedeutung gewinnt. Denn „eine
altersgerechte Wohnung bzw. ein entsprechendes Wohnumfeld können (…) durchaus dazu
beitragen, die häufig unvermeidbaren altersbedingten Einschränkungen in der körperlichen
Leistungsfähigkeit, wenn auch nicht gänzlich zu beseitigen, so doch zumindest ein wenig
abzumildern“ (FfG et al 2006: 8).
Die Wohnverhältnisse der älteren Bevölkerung haben sich in den letzten zehn Jahren zwar
verbessert17 und vergrößert, so dass die durchschnittliche Wohnungsgröße pro Bewohner
2003 54,1m² betrug (1994: 40m²) (FfG et al 2006: 8f). Dennoch kann, vor allem bezüglich
der Barrierefreiheit der Wohnungen sowie der Zugänglichkeit, noch nicht von einem angemessenen Wohnstandard der älteren Bevölkerung gesprochen werden.
So besteht auf der einen Seite Handlungsbedarf für die Wohnungswirtschaft um Mieter im
Bestand zu halten, auf der anderen Seite ist es aber auch von Bedeutung, ältere Menschen
die Vorzüge altersgerechter Wohnformen zu vermitteln und sie so zum Umzug zu bewegen.
Entgegen landläufiger Erwartungen sind viele Senioren nämlich durchaus bereit, im Alter
nochmals umzuziehen und etwas „Neues zu wagen“. Zwar gibt es auch viele Senioren, die in
ihrer angestammten Umgebung so lange wie möglich wohnen bleiben möchten, laut einer
Studie sind aber 65% der Senioren für den Umzug bereit, sofern für sie eine altersgerechte
Alternative konkret in Aussicht steht18 (FfG et al 2006: 9).
Auseinander gehen die Meinungen hingegen bei der Frage, ob ältere Menschen lieber im
Grünen oder im Innenstadtbereich leben möchten. Laut Studien haben beide Ansätze ihre
16
Die Eigentumsquote älterer Menschen liegt bei ca. 50%, wobei jeder Person ca. 54m² und jedem Haushalt ca.
82m² zugerechnet werden können. Dieses selbst genutzte, schuldenfreie Eigentum spielt vor allem bezüglich der
Altersversorgung eine zentrale Rolle (FfG e. V. et al 2006: 11).
17
Hierunter sind bspw. Ausstattungsmerkmale wie Bad/Dusche, Zentralheizung, Balkon/Terrasse oder Baujahr
zu verstehen.
18
Dabei geben die Älteren mit zunehmendem Alter mehr Geld für das Wohnen aus. So beträgt der Anteil des
Einkommens hierfür ab dem 70. Lebensjahr knapp 40%. Allerdings ist dieser hohe Anteil auch auf das geringere
Einkommen im Alter und dem damit einhergehenden höheren Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Einkommen zurückzuführen (FfG e. V. et al 2006: 15).
22
MÖGLICHKEITEN DES W OHNENS IM ALTER
Richtigkeit, wobei das städtische Wohnen, vermutlich aufgrund der besseren infrastrukturellen Ausstattung, etwas beliebter ist (FfG et al 2006: 5f).
Nachdem nun einige grundlegende Informationen zum Bereich Wohnen im Alter dargelegt
worden sind, folgt im nächsten Abschnitt eine Übersicht über die gängigen Wohnformen im
Alter19.
Die stationäre Heimunterbringung, das Wohnen in der Privatwohnung, sowie die so genannten Altenwohnungen, können als die „traditionellen“ Formen des Wohnens im Alter bezeichnet werden. In den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten hat sich jedoch eine Vielzahl an alternativen Wohnformen, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, entwickelt. Denn die Wohnwünsche der Älteren haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert; die Ansprüche an ein
„würdevolles Altern und die Teilnahme am öffentlichen Leben“ (MBV NRW 2005: 9) sind gestiegen. Die Unterbringung in einem Pflege- oder Altersheim wird daher immer weniger akzeptiert und oft nur als „der letzte Ausweg“ angesehen. Zu den in den letzten Jahren vermehrt auftretenden Wohnformen können das betreute Wohnen oder auch das Wohnen in
einer Seniorenresidenz gezählt werden. Da diese mittlerweile auch über einen hohen Bekanntheitsgrad sowie Anerkennung in der Öffentlichkeit verfügen, kann man hinsichtlich dieser Wohnformen auch bereits von einer „klassischen“ Form des Wohnens im Alter sprechen.
Denen gegenüber stehen die „neuen“ Wohnformen, zu welchen die gemeinschaftlichen
Wohnformen zu zählen sind. Diese werden, aufgrund des speziellen Fokus dieser Arbeit auf
eben jene Wohnformen, in einem gesonderten Kapitel ausführlich beschrieben.
Verbreitungsgrad in %
Der Verbreitungsgrad
„bekannteren“
altersgerechte Wohnungen
Wohnformen ist, ge-
betreute Wohnungen
der
rade im Vergleich zu
56,9
80,0
Seniorenresidenz/ Wohnstift
20,0
den „neuen“ gemeinschaftlichen
Wohn-
WG für demenziell Erkrankte
formen um ein Vielfa-
WG’s
ches höher, wie Ab-
Mehrgenerationenw ohnen
bildung
6
9,2
7,7
3,1
veranSonstiges
schaulicht.
1,5
0
Im Folgenden werden
20
40
60
Quelle: Studie BSI e.V.
zunächst
die
80
100
© InW IS F&B Gm bH 2007
„klassi-
schen“ sowie die „tradi-
Abb. 6: Verbreitungsgrad altersgerechter Wohnformen
19
Aufgrund der heutigen Vielfalt an altersgerechten Wohnformen erhebt diese Darstellung keinen Anspruch auf
Vollständigkeit und es sollen auch nur die „gängigen“ Formen des Wohnens im Alter vorgestellt werden.
23
MÖGLICHKEITEN DES W OHNENS IM ALTER | ÜBERSICHT ÜBER „KLASSISCHE“ ANGEBOTE DES W OHNENS IM ALTER
tionellen“ Formen des Wohnens im Alter kurz vorgestellt werden (FfG et al 2006: 11ff). Bei
der Darstellung kann zum einen nach der inhaltlichen Ausgestaltung unterschieden werden
und zum anderen anhand der unterschiedlichen Preissegmente, in welchen sich die einzelnen Wohnformen befinden.
4.1
Übersicht über „traditionelle“ Angebote des Wohnens im Alter
Alten(pflege-)heime
Ca. 7% der Senioren ab 65 Jahren leben in einer institutionellen Einrichtung20, wie einem
Altenwohnheim, Altenheim oder Altenpflegeheim21. Die Sozialstruktur der Bewohner zeichnet
sich dabei durch drei Merkmale aus: Hochaltrigkeit, Verwitwung und einen hohen Frauenanteil. So sind, laut einer Erhebung von Infratest, ca. 67% der Bewohner 80 Jahre alt oder älter,
ca. 64% der Bewohner sind verwitwet und der Frauenanteil beträgt knapp 80% (FfG et al
2006: 13f). Die Unterbringung der zumeist pflegebedürftigen Bewohner erfolgt in Zwei- oder
(in vermehrtem Maße) Einbettzimmern. Der Aktionsradius der Bewohner beschränkt sich
zumeist auf das eigene Zimmer (Franke/ Wilde 2005: 107).
Trotz des generell eher schlechten Rufs der Alten- und Pflegeheime ist die Altenhilfe in
Deutschland ohne Altenheime nicht zu leisten (FfG et al 2006: 13). Diese Wohnform spielt
trotz der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ weiterhin eine bedeutende Rolle. Die Verweildauer der Bewohner in diesen Einrichtungen ist in den letzten Jahren zwar gesunken, die Zahl der Pflegeplätze jedoch erheblich
gestiegen (BmFSFJ 2008: 2). „In vielen Heimen wird vorbildliche Arbeit geleistet, gleichwohl
gibt es viel Kritik und Verbesserungsbedarf“ (FfG et al 2006: 13). So leiden die Mitarbeiter
der Heime zumeist unter einem enormen Arbeitsdruck, so dass Gespräche und ein aktivierender Umgang mit den Bewohnern zu kurz kommen (FfG et al 2006: 13).
Eine Sonderform im Rahmen der Betreuung in einem Pflegeheim stellen die KDA- (Kuratorium Deutsche Altenhilfe) Hausgemeinschaften dar, bei welchen das Pflegeheim selbst aus
Gemeinschaften von acht bis zwölf Personen besteht, die im Rahmen der stationären Betreuung in einer Wohngruppe zusammenleben (u.a. BmFSFJ 2005: 237f).
20
Dementsprechend leben etwa 93% der Senioren ab 65 Jahren in einer Privatwohnung.
Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt, dass in Ländern mit einem eher traditionalistischen
Altenbild, wie Griechenland oder Italien, der Anteil an Senioren, die mit ihren Kindern zusammenleben und auf
deren Unterstützung zurückgreifen können, um ein Vielfaches höher ist und der Anteil an Senioren in Altenwohnanlagen bzw. -heimen dementsprechend geringer (BmFSFJ 2007: 53).
21
24
MÖGLICHKEITEN DES W OHNENS IM ALTER | ÜBERSICHT ÜBER „KLASSISCHE“ ANGEBOTE DES W OHNENS IM ALTER
Altenwohnungen
Die Bewohner von Altenwohnungen mieten oder kaufen Wohnraum, der im Idealfall der DINNorm 18025-I bzw.-II22 entspricht. Die Bestände der traditionellen Altenwohnungen sind allerdings zumeist schon älter und erfüllen die heutigen Ansprüche der Barrierefreiheit daher
meistens nicht. Bei den Altenwohnungen wird, im Gegensatz zum betreuten Wohnen, kein
integriertes Dienstleistungsangebot angeboten. Allerdings steht es den Bewohnern natürlich
frei, Services über einen externen Dienstleister, wie z.B. einen ambulanten Pflegedienst, in
Anspruch zu nehmen (FfG et al 2006: 11f). Probleme bei dieser Wohnform ergeben sich
durch die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zu „Normalwohnungen".
Eine Sonderform der altersgerechten „Seniorenwohnungen" sind die heimverbundenen
Wohnungen. Bei dieser Wohnform sind altersgerechte, selbständige Wohnungen einem
Heim angegliedert, über welches dann bei Bedarf auch Serviceangebote in Anspruch genommen werden können. Darüber hinaus verfügen die Bewohner zumeist über die Sicherheit, bei eintretender Pflegebedürftigkeit vorrangig in diesem Heim aufgenommen zu werden.
Angepasste Wohnungen
Viele ältere Menschen möchten am liebsten in ihren eigenen vier Wänden und in ihrem angestammten Quartier alt werden. „Normale“ Wohnungen genügen den Anforderungen älterer
Menschen allerdings nur in Ausnahmefällen. Eine Möglichkeit, um die eigene Wohnung, zumindest partiell, an die spezifischen Bedürfnisse anzupassen, ist die Wohnraumanpassung.
Bei dieser dienen die Standards der Barrierefreiheit zur Orientierung. Dabei wird die vertraute Wohnung des Menschen so umgestaltet bzw. umgebaut, dass „möglichst keine Barrieren
oder sonstigen Gefahrenquellen deren Nutzung einschränken“ (FfG et al 2006: 12). Oftmals
reichen schon kleine Anpassungsmaßnahmen, wie bspw. ein erhöhter Toilettensitz oder eine
niedrige Duschwanne, um die Bewohner in ihrer eigenständigen Lebensführung zu unterstützen (FfG et al 2006: 12). Informationen bieten in diesem Zusammenhang die Wohnberatungen der einzelnen Städte.
4.2
Übersicht über „klassische“ Angebote des Wohnens im Alter
Betreutes Wohnen bzw. Service-Wohnen
Der Begriff "Betreutes Wohnen" oder "Service-Wohnen" umfasst ein breites Spektrum an
verschiedenen Wohnkonzepten. Die Angebote sind in ihren quantitativen und qualitativen
Leistungen sehr unterschiedlich und weisen eine große Preisspanne auf (MBV NRW: 2008:
10). Allgemein gültig ist jedoch die Auffassung, dass diese Wohnform über die reine Bereit-
22
Eine genaue Erläuterung der Anforderungen der DIN 18025, Teil I und II soll im Rahmen dieser Arbeit nicht
erfolgen. Zur generellen Übersicht sei nur erwähnt, dass Teil II die Anforderungen der Barrierefreiheit definiert
und Teil I die Anforderungen an rollstuhlgerechtes Wohnen. Genauere Informationen sind bspw. unter
www.nullbarriere.de zu finden.
25
MÖGLICHKEITEN DES W OHNENS IM ALTER | ÜBERSICHT ÜBER „KLASSISCHE“ ANGEBOTE DES W OHNENS IM ALTER
stellung von Wohnraum hinausgeht. Im Idealfall wird altersgerechter, barrierefreier (der DINNorm entsprechender) Wohnraum mit einem Dienstleistungs- bzw. Betreuungsangebot
kombiniert. Allerdings kann hierbei nicht davon ausgegangen werden, dass der Wohnraum
tatsächlich immer der DIN-Norm entsprechend barrierefrei ist (FfG et al 2006: 12).
In der Regel sieht es aber so aus, dass der Bewohner eine altersgerechte, eigene Wohnung
kauft oder mietet. Darüber hinaus schließt er einen Betreuungsvertrag ab. Mit diesem Betreuungsvertrag wird das Dienstleistungsangebot geregelt. So entrichten die Bewohner eine
monatliche Pauschale, mit welcher dann gewisse Grundleistungen gezahlt werden. Diese
Grundleistungen umfassen zumeist Beratungsleistungen sowie eine Notrufsicherung. Neben
diesen Grundleistungen werden meistens noch Wahlleistungen angeboten, welche gesondert abgerechnet werden und je nach Bedarf in Anspruch genommen werden können. Diese
Wahlleistungen beinhalten zumeist Angebote wie Mahlzeiten, hausmeisterliche sowie hauswirtschaftliche Tätigkeiten (FfG et al 2006: 12). Weiterhin zeichnen sich betreute Wohnformen oft durch Angebote aus, die der Gemeinschaftlichkeit der Bewohner dienen. In letzter
Zeit werden allerdings verstärkt Wohnungen angeboten, die keine Pauschale erheben. Bei
diesem "Betreuten Wohnen light" werden alle Leistungen separat abgerechnet.
Eine Sonderform des betreuten Wohnens stellen die heimverbundenen betreuten Wohnungen dar. Wie bei den altersgerechten Wohnungen sind hierbei die Wohnungen einem Heim
angegliedert, dessen Serviceangebote in Anspruch genommen werden können. Dies äußert
sich beispielsweise in den Besuchen von kulturellen/ gesellschaftlichen Angeboten, welche
im Heim stattfinden. Weiterhin haben die Bewohner auch hier die Sicherheit, bei eintretender
Pflegebedürftigkeit vorrangig in diesem Heim aufgenommen zu werden.
Wohnstifte / Residenzen
Residenzen oder Wohnstifte bieten auch betreutes Wohnen bzw. Service-Wohnen an, allerdings auf einem höheren (Preis-)Niveau. Die Zielgruppe dieser Wohnform sind somit kaufkräftige Senioren, die Wert auf umfassende Servicedienstleistungen legen (Franke/Wilde
2005: 125). Die Wohnanlagen dieser Wohnform liegen zumeist in bevorzugten Stadtgebieten
mit einer ansprechenden Umgebung.
Unterschiede zum betreuten Wohnen bestehen darin, dass die Bewohner ein größeres Leistungspaket an Grundleistungen in Anspruch nehmen müssen (FfG et al 2006: 12). So enthalten die Grundleistungen in vielen Residenzen oder Wohnstiften neben den üblichen Betreuungsleistungen hauswirtschaftliche Tätigkeiten wie die Wohnungsreinigung. Es entsteht
somit ein "Hotelcharakter". Weiterhin liegt bei dieser Wohnform der Fokus gezielt auf Gemeinschaftlichkeit in Form von Gemeinschaftsräumen und kulturellen Veranstaltungen sowie
auf weitergehende Angebote wie z.B. Wellness (Franke/Wilde 2005: 125).
Darüber hinaus verfügen Residenzen oder Wohnstifte zumeist über einen angrenzenden
Pflegebereich, in welchen die Bewohner bei Bedarf umziehen können.
26
NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | RÜCKBLICK AUF DIE
HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN
5
Neues Wohnen im Alter: Die gemeinschaftlichen Wohnformen
Durch die im Rahmen dieser Arbeit erhobenen Daten soll herausgearbeitet werden, welche
Faktoren gemeinschaftliche Wohnprojekte für ältere Menschen zu einem erfolgreichen Projekt machen bzw. welche Charakteristika diese erfolgreichen Projekte aufweisen. Bevor im
folgenden Kapitel nun die einzelnen Projekte anhand detaillierter Beschreibungen näher vorgestellt werden, dient dieses Kapitel zunächst der Spezifikation des Begriffs „Gemeinschaftliches Wohnen“23.
5.1
Rückblick auf die historische Entwicklung der gemeinschaftlichen
Wohnformen
Obwohl der Eindruck besteht, dass es sich bei den gemeinschaftlichen Wohnformen um eine
relativ neue Art des Wohnens handelt, können diese bereits auf eine nunmehr ca. 30-jährige
Erfahrung zurückblicken. Dabei haben sich im Laufe der Zeit jedoch die Schwerpunkte verschoben und Differenzierungen ergeben, die zur „Weiterentwicklung von Konzeptionen und
Realisierungsmustern geführt haben“ (MFJFG NRW 2000: 7).
Die ersten Initiativen zur Schaffung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten gab es bereits in
den 1970er Jahren, also zur gleichen Zeit, in der vor allem Wohngemeinschaften in studentischen Kreisen eine besondere Popularität hatten. Es wurden Haus-, Siedlungs- und Nachbarschaftsgemeinschaften sowie betreute Wohngemeinschaften gegründet, wobei der Fokus
bei den meisten Pionieren allerdings auf den altershomogenen Wohngemeinschaften lag.
Diese wegbereitenden ersten Projektgruppen hatten mit wesentlich mehr Schwierigkeiten zu
kämpfen, als die Gruppen, die sich heute an die Umsetzung ihrer Wohnvorstellungen wagen:
Es gab keinerlei Erfahrungen bezüglich der Gruppenbildung und Wohnkonzeptentwicklung
aus bestehenden anderen Projekten. Ferner existierten kaum fachlich-professionelle Kenntnisse in den Bereichen Architektur, Rechts- und Finanzierungsbestimmungen, auf Seiten
der Kommunen und Bauträger herrschte Unverständnis für solche Projekte und auch die
Verteilung der Projekte stellte ein Problem dar, da die jeweiligen Projektgruppen vereinzelt
an verschiedenen Orten agierten und somit ein Informations- und Erfahrungsaustausch fehlte. Somit bestand der gesamte Entwicklungsweg aus verschiedenen, mehr oder weniger
großen Hindernissen und die Projektgruppen waren zum Großteil auf sich allein gestellt
(MFJFG NRW 2000: 7f). Die Slogans dieser ersten Wohnprojekte lauteten „Nicht allein und
nicht ins Heim“ sowie „Keine Altenghettos“. Ziel war es, in familienähnlichen Gruppen als
23
Der Begriff des „Gemeinschaftlichen Wohnens“ bezieht sich im Folgenden auf Wohnprojekte für ältere Menschen. Zwar gibt es diese Wohnform auch speziell für jüngere oder körperlich und/oder seelisch beeinträchtigte
Menschen, der Fokus dieser Studie lag aber speziell auf den gemeinschaftlichen Wohnformen für ältere Menschen.
27
NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | RÜCKBLICK AUF DIE
HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN
Seniorenfamilie bzw. in Wahlverwandtschaften zusammenzuwohnen (MFJFG NRW 2000:
7).
Der 1975 gegründete Seniorenschutzbund „Graue Panther“ machte es sich schließlich zur
Aufgabe, die Idee des gemeinschaftlichen Wohnens für ältere Menschen zu verbreiten. Die
gemeinschaftlichen Wohnformen sollten ältere Menschen vor der Fremdbestimmung im
Heim oder der Vereinsamung in der eigenen Wohnung bewahren. Darüber hinaus sollte diese Wohnform sowohl finanzielle Vorteile für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft bringen: Für den Einzelnen in der Form, dass er nicht aufgrund einer Heimunterbringung zum
Transferleistungs- bzw. Taschengeldempfänger wird, und für die Gesellschaft durch die Entlastung von den Kosten der institutionellen Heimunterbringung (website: schader [2]).
Anfang der 80er Jahre entstanden erste modellhafte Gruppenwohnprojekte und Vereine mit
entsprechenden Zielsetzungen. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre kam es schließlich zu
einer größeren Vernetzung der verschiedenen Projekte. Durch verschiedene bundesweite
Veranstaltungen kam es zu einem stärkeren Erfahrungsaustausch.
1984 wurden durch das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) bereits 44 gemeinschaftliche
Wohnprojekte identifiziert. Zu der Zeit wurde der erste Presseboom ausgelöst, da die Idee
auch damals schon als „schick, aufregend und exotisch“ (website: schader [2]) galt. So fand
die Idee zwar den Zugang zu einer breiteren Masse, was allerdings nicht zu einem Anstieg
an realisierten Projekten führte.
1989 gründeten sich der Wohnbund e.V. sowie das Forum für gemeinschaftliches Wohnen
im Alter e.V. (FGW). Der Fokus des FGW lag im Gegensatz zum Wohnbund von Anfang an
auf gemeinschaftlichen Wohnformen für Ältere mit dem Ziel, Selbsthilfegruppen und Interessierte zusammenzuführen und gemeinsam Strategien zu entwickeln und Erfahrungen auszutauschen. Beim Wohnbund hingegen liegt der Fokus verstärkt auf der Forschung und Öffentlichkeitsarbeit seitens der Planer und Architekten. Beide haben jedoch gemein, die Weiterentwicklung und Vernetzung gemeinschaftlicher Wohnprojekte voranzutreiben. (MFJFG
NRW 2000: 8).
In den 90er Jahren änderten sich die Slogans der Wohngruppen und lauteten nun beispielsweise „Mit Freu(n)den alt werden“. Auch die Situation der Initiativgruppen hat sich seit den
Anfängen, oder auch seit der „Pionierzeit“, geändert. Es kam zu einer Erweiterung des
Selbstverständnisses, aber auch der Kreis der Interessierten vergrößerte sich. Ferner haben
sich die Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Wohnprojekten positiv weiterentwickelt, da man nun z.B. auf bereits gemachte Erfahrungen zurückgreifen und auf ihnen aufbauen konnte. Die bestehende Projektlandschaft ist durch eine wachsende Differenzierung
geprägt, auch wenn sich die selbstverwalteten Hausgemeinschaften mit privater Wohneinheit
als „Trendmodell“ durchgesetzt haben. Die noch von den Pionieren angedachten Wohngemeinschaften hingegen etablierten sich vorwiegend im Bereich des ambulant betreuten
28
NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | RÜCKBLICK AUF DIE
HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN
Wohnens. Trotz ähnlicher bundesweiter Tendenzen gibt es regionale Verschiedenheiten, da
die einzelnen Bundesländer unterschiedliche Voraussetzungen für die Wohnprojekte bieten
(MFJFG NRW 2000: 9).
Gegenwärtig hat der Verbreitungsgrad der gemeinschaftlichen Wohnformen bundesweit zugenommen, was auch an den verbesserten Start- und Realisierungschancen liegt (MBV
NRW 2008: 6). Die heutigen Projektgruppen können auf bestehende Projekte blicken und
von deren Fehlern sowie Erkenntnissen profitieren. Es besteht jedoch weiterhin, wie schon in
den 80er Jahren, ein Missverhältnis zwischen medialer Popularität und realisierten Projekten. So wird zwar viel in Zeitungen und Fernsehen über Projekte berichtet, die Nachfrage
nach dieser Art des Wohnens kann durch die bestehenden Projekte jedoch noch lange nicht
gedeckt werden (vgl. u.a.: MBV NRW 2005: 11). Laut FGW gab es bereits im Jahr 2002 bis
zu 6.800 Anfragen im Jahr (website: schader [2]), 2007 gingen bereits über 10.000 Anfragen
ein. Die Steigerung von 1999 bis hin zum Jahr 2007 betrug dabei ca. 80% (Orth 2008: 19).
Schwierigkeiten bietet der Versuch, eine genaue Anzahl an realisierten Projekten zu nennen.
Die Zahlen hierzu variieren, je nach gewählter Literaturangabe, zwischen 100 und 1.000 Projekten (Orth 2008: 21). Die Probleme, die sich bei der Feststellung der genauen Anzahl an
Projekten ergeben, liegen im Kern der Entstehung der Projekte selbst begründet. Viele Projekte bilden sich auf Eigeninitiative der späteren Bewohner, die ihr Projekt selber planen und
verwalten. Somit gelangt die Realisierung solcher Projekte, sofern sie keine Hilfe von außerhalb, wie etwa durch das FGW, erhalten haben oder dies selber wollen, nicht zwangsläufig
an die Öffentlichkeit. Durch die fehlende Begriffsdefinition des gemeinschaftlichen Wohnens
kann nicht genau bestimmt werden, welche Projekte dieser Wohnform zuzurechnen sind und
welche nicht.
Festhalten lässt sich aber in jedem Fall, dass sich beispielsweise in NRW eine Vielzahl an
Projekten derzeit im Bau befindet und man fast schon von einem „Boom“ sprechen kann.
Dabei zeigt sich, dass sich besonders häufig dort, wo bereits Projekte bestehen, weitere
Gruppenprojekte bilden (MBV NRW 2008: 71).
Bezüglich der Entwicklung der gemeinschaftlichen Wohnformen lässt sich somit abschließend konstatieren, dass sich in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an Wohnformen zwischen dem Wohnen in der angestammten Privatwohnung und dem Wohnen im Heim entwickelt hat. Durch den steten Ausbau von ambulanten Diensten, der Tages- und Kurzzeitpflege, der Wohnungsanpassung sowie der organisierten Nachbarschaftshilfe haben ältere
Menschen die Möglichkeit, in ihren eigenen vier Wänden, in einer von ihnen gewählten gemeinschaftlichen Wohnform, alt zu werden (MFJFG NRW 2000: 8). Diese Entwicklung konnte allerdings nur vonstatten gehen, weil ältere Menschen, mit dem Wunsch nach Veränderung ihrer Wohnsituation, selbst die Initiative ergriffen haben, um ihre Vorstellungen vom
gemeinschaftlichen Wohnen und von gegenseitiger Hilfe zu realisieren. Erst so entstand das
29
NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | W AS IST GEMEINSCHAFTLICHES W OHNEN?
„Experimentierfeld“ für eine zukunftsweisende Wohnform die den Bewohnern ein selbständiges Wohnen bis ins hohe Alter ermöglicht (MFJFG NRW 2000: 4).
Kannten zu Beginn der Implementierung von gemeinschaftlichen Wohnformen nur Eingeweihte mit guten Kontakten ins europäische Ausland wie z.B. den Niederlanden, Österreich
oder Dänemark diese Wohnform, da sie dort bereits zum normalen Wohnraumangebot gehörten, so gibt es heute auch in Deutschland Projekte mit Vorbildcharakter, an denen sich
zukünftige Bewohnergruppen orientieren können (MBV NRW 2008: 56f) .
Darüber hinaus zeigt der heutige Blick auf die frühen Projekte, dass sie sich lohnen und
durch eine hohe Nachhaltigkeit in ökologischer, ökonomischer sowie vor allem sozialer Hinsicht auszeichnen (MBV NRW 2008: 56f; Göschel 2008: 139ff).
Im folgenden Abschnitt sollen die spezifischen Charakteristika und Anforderungen dieser Art
des Wohnens herausgearbeitet werden.
5.2
Was ist gemeinschaftliches Wohnen?
Laut dem Forum für gemeinschaftliches Wohnen im Alter e.V. werden gruppenorientierte
Wohnprojekte als „dauerhafte Zusammenschlüsse von Menschen, die freiwillig und bewusst
bestimmte Bereiche ihres Lebens räumlich und zeitlich miteinander teilen“ (Rettenbach 2008:
13) definiert.
Gemeinschaftliches Wohnen unterscheidet sich dabei generell durch zwei wesentliche Aspekte von anderen Wohnangeboten für ältere Menschen: Zum einen betrifft dies die Art des
Zusammenlebens. Die Basis des gemeinschaftlichen Wohnens bildet für die Bewohner die
Tatsache, „gemeinsam mit anderen noch einmal etwas Neues zu versuchen“ (MFJFG NRW
2000: 4). Die Bewohner erhoffen sich durch die gegenseitige Unterstützung mehr Sicherheit
und mehr Lebensqualität. Zum anderen haben die Bewohner bei der Gestaltung und zumeist
auch bei der Entwicklung dieser Wohnprojekte eine aktive Rolle und sind somit nicht nur
Konsumenten der Güter Wohnen und Service (MFJFG NRW 2000: 4).
Der Unterschied von gemeinschaftlichen Wohnformen im Gegensatz zum Wohnen in „normaler“ Nachbarschaft besteht also darin, dass sich diese Projekte als eine bewusst gewählte
Alternative zum eher anonymen Wohnen verstehen, und dass sie auf das Prinzip „Geben
(wollen) und Nehmen (können) setzen“ (Rettenbach 2008: 13). Hierbei lässt sich auch ein
heraus stechender Unterschied zu der bereits vorgestellten Wohnform des betreuten Wohnens bzw. Wohnen in einer Seniorenresidenz konstatieren, da bei diesen Wohnkonzepten
Dienstleistungen auf Basis von Bezahlungen in Anspruch genommen werden und nicht, wie
bei den gemeinschaftlichen Wohnformen, als eine wechselseitige Hilfestellung (Rettenbach
2008: 13).
Die Bewohner nehmen also, im Gegensatz zu einer zufällig gebildeten Nachbarschaft, aktiv
Einfluss auf die Belegschaft des Projekts bzw. die Gruppe. Dabei bilden verbindliche Regeln
die Basis des Zusammenlebens und des Miteinanders, welche in einem Konzept festgehal-
30
NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | W AS IST GEMEINSCHAFTLICHES W OHNEN?
ten werden. Ein wichtiges Merkmal dieser Wohnform ist folglich die Partizipation der Bewohner und dies schon von Beginn der Planung an. So haben die Bewohner Anteil an der Projektentwicklung selbst, sowie bei der Planung, der baulichen Umsetzung und/oder der Verwaltung. Der Idealtyp des gemeinschaftlichen Wohnens ist die selbst geplante und verwaltete Wohn- oder Hausgemeinschaft (website: schader [2]). Ausnahmen bilden hier die Projekte, die top-down („von oben“) initiiert worden sind. Bei diesen Projekten kann es der Fall sein,
dass das Gebäude bereits fertig gestellt ist und die Bewohner somit keinen Einfluss auf die
konkrete bauliche Umsetzung haben24 (Rettenbach 2008: 13).
Einhergehend mit der Partizipation stellt demnach die Selbstorganisation ein weiteres wichtiges Merkmal dar. Alle Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen werden innerhalb der
Gruppe und ohne Hinzuziehung von außen − abgesehen von Personen, die explizit von der
Gruppe zu solchen Prozessen hinzugezogen wurden wie bspw. Supervisoren oder Moderatoren − geregelt. Das Projekt betreffende Aufgaben wie bspw. Gartenarbeit, aber auch die
Öffentlichkeitsarbeit wie z.B. die Koordination von Besuchergruppen oder die Organisation
von Gemeinschaftsaktivitäten werden innerhalb der Gruppe verteilt, wobei die Bewohner,
idealerweise, Aufgaben nach ihren persönlichen Interessen sowie Fähigkeiten zugeteilt bekommen (Rettenbach 2008: 13).
Als ein letztes wesentliches Charakteristikum sei das bürgerschaftliche Engagement der Projekte genannt, da in vielen Fällen der Kontakt zur Nachbarschaft oder zum Quartier gesucht
wird, z.B. in der Form, dass die Gemeinschaftsräume auch für „Nicht-Bewohner“ offen stehen. Weiterhin engagieren sich die Bewohner oftmals, indem sie sich in Netzwerken beteiligen und/oder in der Gemeindearbeit aktiv sind (Rettenbach 2008: 13).
Die Gründe für den Einzug in eine gemeinschaftliche Wohnform können folglich unterschiedlicher Natur sein: der Wunsch, den Kontakt zur jüngeren Generation zu halten, falls die eigenen Kinder weiter entfernt wohnen; dem Leben mit dem Erreichen des Rentenalters nochmals eine neue Wende zu geben; finanzielle Gründe, da sie sich durch gemeinsam eingekaufte Pflege Synergieeffekte versprechen, oder sie verbinden mit dieser Wohnform eine
bestimmte Lebensphilosophie. Der Hauptaspekt besteht aber in der Erhaltung der eigenen
Selbständigkeit, ohne dabei allein sein zu müssen (Orth 2008: 20). Dabei sind die Bewohner
auch bereit, einiges zu investieren, so etwa „Zeit, Geld, Arbeitsleistung und den Willen, sich
mit vielen neuen Menschen auseinander zu setzen“ (Novy-Huy 2008: 31).
Die „klassische“ Form des gemeinschaftlichen Wohnens bilden heute so genannte Hausgemeinschaften25, in denen die Bewohner über eigene abgeschlossene Wohneinheiten verfügen und sich darüber hinaus mit den anderen Bewohnern gemeinschaftliche Flächen teilen.
24
Eine genauere Darstellung der verschiedenen Initiierungsmöglichkeiten erfolgt in Kapitel 6.2.1.
Die einzelnen Formen des gemeinschaftlichen Wohnens werden in Kapitel 6.2.3. noch genauer bezüglich ihrer
Charakteristika und Ausprägungen vorgestellt.
25
31
NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | W AS IST GEMEINSCHAFTLICHES W OHNEN?
Die privaten Räume sind dabei in aller Regel relativ klein gehalten und die gemeinschaftlichen Flächen werden als eine Art Verlängerung des Wohnzimmers gesehen und sind zumeist großzügig bemessen. Eine weitere Form des gemeinschaftlichen Wohnens sind, neben den Hausgemeinschaften, die Wohngemeinschaften, in welchen den Bewohnern ein
eigenes Zimmer zur Verfügung steht und die restliche Wohnfläche (z.B. Bad, Wohnzimmer,
Küche) gemeinschaftlich genutzt wird. Allerdings ist dieser Wohntypus eher selten und vorwiegend im Bereich der ambulant betreuten Wohnformen, beispielsweise für demenziell erkrankte Menschen, anzutreffen. Eine weitere, auch eher selten anzutreffende, gemeinschaftliche Wohnform stellen die Siedlungsgemeinschaften dar (Rettenbach 2008: 13), so wie es
bspw. in dem später vorgestellten Projekt in Weimar umgesetzt wurde. Generell können die
verschiedenen Wohntypen nach Kriterien wie Größe, Organisationsform, gegenseitige Verbindlichkeit, der Altershomogenität, der angesprochenen Zielgruppe (wie etwa Frauen, Alleinerziehende, etc.), der Zielausrichtungen (z.B. ökologisch bauen oder autofreies Wohnen)
oder auch der Zusammensetzung der Generationen (wie z.B. Mehrgenerationenwohnen)
unterschieden werden (BmFSFJ 2007: 55).
Festzuhalten ist, dass es verschiedene Varianten des gemeinschaftlichen Wohnens gibt.
Darüber hinaus lässt sich erkennen, dass zahlreiche Motivationsgründe für den Einzug in
solche Wohnprojekte bestehen, und die Bewohner unterschiedliche Erwartungen an diese
haben. Auch wenn man mittlerweile von einigen „typischen“ Varianten des gemeinschaftlichen Wohnens sprechen kann, bleibt dennoch zu betonen, dass jedes Projekt einmalig und
in seiner Konzeption individuell ist. So gibt es trotz der gemeinsamen Nenner ein breites
Spektrum an Bau-, Wohn-, Rechts- bzw. Träger- und Eigentumsformen (Rettenbach 2008:
13f):
Die Bauform
Die Bewohner haben bezüglich ihres späteren Projektgebäudes verschiedene Optionen:
Eine mögliche Bauform stellt die Umnutzung von leer stehenden Gebäuden dar, was oftmals
große Sanierungsarbeiten voraussetzt. Einige Projekte werden weiterführend auch in denkmalgeschützten Gebäuden umgesetzt, was spezifische Anforderungen und Problematiken
mit sich bringen kann und oftmals nur unter dem Einsatz von hohen finanziellen Mitteln zu
bewerkstelligen ist. Ein Beispiel hierfür stellt das untersuchte Projekt in Darmstadt dar. Auch
die Umnutzung bestehender Gebäude stellt eine Möglichkeit dar, so wie beispielsweise im
Beginenhaus in Essen, wo das ehemalige Finanzamt umgebaut wurde.
Neben der (Um-)Nutzung bereits existierender Gebäude wird der größte Teil der gemeinschaftlichen Wohnprojekte allerdings im Neubau realisiert, wobei hier Verdichtungsmaßnahmen, die Füllung von Baulücken, die Besiedelung von Brachen oder eine Siedlungserweiterung Optionen darstellen (Rettenbach 2008: 13). Für die Umsetzung des gemeinschaftlichen
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Wohnprojekts eignet sich vor allem der Geschosswohnungsbau, wobei auch die Hofbebauung eine sinnvolle Alternative darstellt.
Die Suche nach einem Grundstück stellt einen besonders kritischen Punkt in der Entwicklung
von gemeinschaftlichen Wohnformen dar, weil viele verschiedene Aspekte bei der Grundstückswahl bedacht werden müssen und es eine weitere Schwierigkeit darstellt, den Zuschlag für das gewünschte Grundstück zu erlangen. So benötigt die Phase des Grundstückserwerbs im Laufe der Projektrealisierung oft die meiste Zeit (Rettenbach 2008: 13).
Die Wohnform
Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit bietet neben der Bau- die Wohnform. So kann man
Differenzierungen nach der Größe des Projektes, also der Anzahl an Haushalten oder Bewohnern, oder der spezifischen Zusammensetzung der jeweiligen Wohngruppe treffen. Hierbei können Unterscheidungen bezüglich der Altersmischung (alt und jung zusammen oder
altershomogen), der Haushaltsstruktur oder der Zielgruppenorientierung getroffen werden.
Die Umsetzung der angestrebten Ziele hat weiterhin Einfluss auf die Qualitäten des Projekts.
Diese Ziele können dabei nach verschiedenen Merkmalen voneinander differenziert werden:
1. baulich-räumliche Ziele, also die Frage in welcher Form Gemeinschaftsräume realisiert werden sollen oder inwieweit die Barrierefreiheit berücksichtigt wird (wie z.B. ein
spezieller Raum für Kinder, sofern es sich um ein altersheterogenes Projekt handelt);
2. soziale Ziele, die Aspekte berücksichtigen, ob benachteiligte Gruppen in das Projekt
integriert werden oder ob ein quartiersbezogener Ansatz gewählt wird;
3. ökologische Ziele und damit einhergehend die Überlegung, inwieweit und mit welchen
Mitteln eine Ressourcenschonung angestrebt wird, und
4. ökonomische Ziele, unter welche kostensparendes Bauen und die gemeinsame Nutzung von Räumen und Gegenständen zu subsumieren sind (Rettenbach 2008: 13).
Die Rechts- bzw. Trägerform
Eine dritte Unterscheidungsmöglichkeit zur Charakterisierung von gemeinschaftlichen Wohnformen bildet die Wahl der Rechts- bzw. Trägerform, wobei es eine Vielzahl an Möglichkeiten
für die Bewohner gibt, welche Einfluss auf finanziell wirksame Regelungen haben, und auch
die Grundlagen der späteren Bewirtschaftung prägen (Kiehle 2008: 111). Darüber hinaus ist
die Bestimmung einer Rechtsform von Bedeutung, damit die Gruppe in der Bauphase verhandlungsfähig auftreten kann (website: schader [2]).
Bei der Entscheidung für eine der Varianten spielen verschiedene Kriterien eine Rolle: Zunächst die Größe und Zusammensetzung der späteren Wohngruppe, da manche Rechtsformen bei bestimmten Gruppengrößen mehr Sinn machen als bei anderen; darüber hinaus
müssen Überlegungen über die gemeinschaftliche Verfügung bzw. Partizipation gemacht
werden, also die Teilhabemöglichkeiten des einzelnen Bewohners zu Entscheidungen der
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Belegschaft oder Bewirtschaftung; ein weiteres Kriterium stellt die Bindung und Verteilung
von Verfügungsrechten dar und somit die Möglichkeit zur Einschränkung individueller Verfügung, was den Ausschluss spekulativer Verwertung sowie Erbregelungen einschließt; die
Rechtssicherheit/Flexibilität ist ebenfalls zu beachten und somit die Möglichkeit zur Fixierung
verbindlicher Verfahrensregeln, wie z.B. im Falle des Nutzerwechsels und die Anpassungsfähigkeit an veränderte Projektziele; ebenso sind die finanziellen Möglichkeiten der Gruppe
zu berücksichtigen und letztendlich die Transparenz/Handhabbarkeit, also die Verständlichkeit und Überschaubarkeit der Vereinbarungen für alle Beteiligten bei adäquatem Aufwand
(Rettenbach 2008: 14). In der Praxis sind die Entscheidungsmöglichkeiten für eine bestimmte Rechtsform jedoch zumeist gering und klären sich mit der Erarbeitung der Wohnwünsche,
dem Verhältnis zwischen Individuum und Gruppe oder den finanziellen Fragen (Kiehle 2008:
112).
Nach Abwägung und Klärung der verschiedenen Kriterien muss sich die Gruppe für eine
Rechtsform entscheiden. Im Folgenden wird ein Überblick über die verschiedenen Rechtsformen gegeben:
1. Der Verein: Grundvoraussetzung für die Gründung eines Vereins ist die Mindestanzahl
von sieben Mitgliedern. Diese Rechtsform stellt gerade für kleinere Gruppen eine attraktive Möglichkeit dar. Darüber hinaus ist diese Rechtsform vollkommen ausreichend, um
mit einem externen Bauherren zusammenarbeiten zu können (website: schader [2]).
Die frühzeitige Gründung eines Vereins erleichtert den Mitgliedern zumeist bereits in der
Entwicklungsphase die Kommunikation mit externen Partnern. In der letztendlichen
Wohnphase bietet er Optionen für die interne Organisation, kann aber auch als Betreiber
für Gemeinschaftseinrichtungen oder Veranstalter von Angeboten tätig sein. Dabei sind
es in der Regel die Bewohner selbst, die sich zu einem Verein zusammenschließen und
eher in Ausnahmefällen fungiert dieser als Vermieter oder Eigentümer (Rettenbach 2008:
14).
2. Die Gemeinschaft bürgerlichen Rechts (GbR): Diese Rechtsform begründet sich durch
das gemeinsame Handeln der Gruppe und bietet viele Freiheiten bei der Gestaltung und
im Umgang mit dem gemeinsamen Objekt. In dem Fall, dass ein Projekt komplett als Eigentum errichtet werden soll, reicht diese Rechtsform vollkommen aus, um als gemeinschaftlicher Bauherr aufzutreten (website: schader [2]).
Bei dieser Rechtsform haftet jedes Mitglied mit seinem vollständigen Vermögen, so dass
die Anzahl von zehn Beteiligten nicht überschritten werden sollte. Die GbR eignet sich
ebenso wie die Rechtsform des Vereins eher für kleine Gruppen bzw. für die Planungsund Bauphase eines Objekts in Form einer Eigentümergemeinschaft. Die Schaffung von
längerfristigen Bindungen ist z.B. durch die Einbindung eines neutralen Dritten oder die
Vergabe des Grundstücks in Erbpacht denkbar (Rettenbach 2008: 14).
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3. Die Wohnungseigentümergemeinschaft: Bei dieser Rechtsform bildet das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) die rechtliche Grundlage. Demnach ist jeder Eigentümer für sein
Sondereigentum bezüglich Finanzierung und Unterhaltung selbstständig verantwortlich
und haftet auch nur in der Höhe seines Miteigentumsanteils. Das Verhältnis zwischen
den einzelnen Eigentümern sowie der Umgang mit dem gemeinschaftlichen Eigentum
werden durch eine Gemeinschaftsordnung geregelt. Im Falle eines Eigentümerwechsels
kann die Gruppe in Form von Vor- oder Ankaufsrechten Einfluss nehmen (Rettenbach
2008: 15). Als Motivation für diese Art des Bauens können die architektonischen, ästhetischen und funktionellen Vorstellungen darüber genannt werden, wie die eigene Wohnung
bzw. das Haus und die Beziehung zur Nachbarschaft gestaltet werden soll, da diese
Rechtsform ein hohes Maß der Mitwirkung bei der Planung und beim Bau gewährleistet.
Weiterhin bietet diese Art des Bauens Einsparpotenziale bei der Schaffung selbstgenutzten Wohneigentums wie z.B. im Bereich der Planung, Erschließung oder beim Kauf von
Baumaterialien (MBV NRW 2008: 13).
4. Die Bewohnergenossenschaft: Das Ziel einer Genossenschaft ist die Versorgung ihrer
Mitglieder mit Wohnraum ohne eigenes Gewinninteresse. Die Grundprinzipien der Genossenschaft basieren auf dem Nichtvorhandensein von individuellem Eigentum und der
Stimme jedes Mitglieds. Es werden eigentumsähnliche Verfügungsrechte erlangt, ohne
dabei Privateigentum zu schaffen, und es werden zugleich langfristige Regelungen für
die gemeinsame Bewirtschaftung der Wohn- sowie Gemeinschaftsbereiche festgelegt
(website: schader [2]). Im Falle eines Dauerwohnrechts einzelner Wohneinheiten bleibt
das Verfügungsrecht bei der Genossenschaft und sie somit Eigentümerin von Grund und
Boden (MBV NRW 2008: 10). Die Genossenschaft stellt somit einen dritten Weg zwischen Eigentum und Miete dar, da sie Gemeinschaftseigentum schafft.
Da die Genossenschaft mit unterschiedlichen Besitzverhältnissen operiert und gleichzeitig eine Gleichberechtigung zwischen Mietern und Eigentümern (Dauerwohnrecht) gewährleisten kann, wird eine weitgehende soziale Mischung unter den Nutzern ermöglicht
(MBV NRW 2008: 12).
Diese Rechtsform eignet sich besonders gut für größere Gruppen und somit größere
Wohnprojekte, die eine langfristige Bindung anstreben. Die Verbreitung und Entstehung
dieser Klein- und Dachgenossenschaften, die auf das gruppenorientierte Wohnen spezialisiert sind, hat dabei in den letzten 20 Jahren immer mehr zugenommen (Rettenbach
2008: 15). Diese Rechtsform bietet sich weiterhin vor allem dann an, wenn die Gruppe
auf ein Höchstmaß an Selbstbestimmung Wert legt (website: schader [2]).
5. Die Gemeinschaft mit beschränkter Haftung (GmbH): Die Voraussetzung zur Gründung
einer GmbH ist das Vorhandensein eines Stammkapitals in Höhe von EUR 25.000. Die
Höhe der jeweiligen Anteile bestimmt anschließend das Stimmrecht der einzelnen Ge-
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sellschafter. Dabei findet die starke Position der Geschäftsführer einer GmbH vor allem in
Vermietungsprojekten ihren Zweck.
Diese Rechtsform spielt bei der Realisierung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten nur
eine untergeordnete Rolle, da sie für ideell orientierte Projekte aufgrund ihrer Struktur nur
wenig geeignet ist (Rettenbach 2008: 15). Ausnahmen bilden hierbei selbstverständlich
„von-oben“ initiierte Projekte, bei denen ein Träger eine Bewohnergruppe sucht, wie beispielsweise bei dem Projekt in Ludwigshafen, bei dem die LUWOGE die Konzeption und
Umsetzung des Projekts übernommen hat.
Als eine letzte Möglichkeit ist die Kooperation mit Partnern der Wohnungswirtschaft zu nennen: Für welche Rechtsform die Bewohnergruppe sich auch entscheidet, es besteht immer
die Möglichkeit mit externen Trägern zusammenzuarbeiten und z.B. Mietwohnungen im
Rahmen einer organisierten Bewohnergemeinschaft in Zusammenarbeit mit einem Investor
zu realisieren. Dies bietet sich vor allem in den Fällen an, wenn Wohngruppen sich nicht den
gesamten Prozess des Planens und Bauens zutrauen. Des Weiteren ist auf Seiten der Bewohnergruppe kein Eigenkapital erforderlich und es besteht zudem kein finanzielles Risiko.
Weiterhin liegen bei vielen Projekten zumeist gemischte Einkommens- und Vermögensverhältnisse der einzelnen Mitglieder vor. Der Vorteil eines externen Bauträgers kann somit darin liegen, dass er die Realisierung eines Projekts, das teilweise aus Mietwohnungen (eventuell auch unterschiedlich geförderte) und teilweise aus Eigentumswohnungen besteht
(Mischfinanzierung), bewerkstelligen kann (website: schader [2]).
Die Zusammenarbeit kann von der Entwicklung des Projekts, über die Bauphase bis zu anfallenden Verwaltungsarbeiten oder Mietverträgen gehen. Allerdings muss bei dieser Konstellation beachtet werden, dass Standardverträge bzw. -formulare zumeist nicht angewendet
werden können, da die gemeinschaftlichen Wohnprojekte einige spezifische Besonderheiten
aufweisen (Rettenbach 2008: 15). Ferner haben diese Gruppen klare Vorstellungen von „ihrem“ Projekt und möchten diese einbringen und realisiert sehen26, was zu Konflikten bzw.
Umsetzungsschwierigkeiten führen kann (MBV NRW 2008: 10).
Eine Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit einem Investor liegt in der bereits geleisteten Arbeit der späteren Wohngruppe bezüglich der Konzeption, der Finanzierung, etc. des
Wohnprojektes. Darüber hinaus sollten autorisierte Verhandlungspersonen benannt werden,
um die Zusammenarbeit zu erleichtern. Herzstück der Zusammenarbeit ist der Kooperationsvertrag, in dem Fragen von Mitbestimmungsbereichen, Selbstverwaltung, Belegungsmodalitäten, Nachhaltigkeit und der Umgang mit Gemeinschaftsräumen geregelt werden (MBV
NRW 2008: 11). Diese Regelungen stellen den Idealfall dar; häufig kann es passieren, dass
26
Abgesehen von den Wohnprojekten, bei denen ein bereits fertig gestelltes Gebäude bezogen wird, da hier nur
noch geringe Einflussmöglichkeiten seitens der Gruppe auf die bauliche Ausgestaltung bestehen.
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NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | DER LANGE W EG ZUR UMSETZUNG.
DIE ENTWICKLUNG GEMEINSCHAFTLICHER W OHNPROJEKTE
die Gruppen bei der Planung zum großen Teil ausgegrenzt werden und ihre Vorstellungen
somit nur zum Teil realisiert werden können.
Die Eigentumsform
Grundsätzlich kann zwischen den zwei grundlegenden Eigentumsformen Miete und privates
Eigentum unterschieden werden. Dabei gibt es bei den Projekten, die im privaten Eigentum
umgesetzt worden sind, noch eine weitere Unterscheidung zwischen dem „persönlichen“
privaten Eigentum, also der eigenen Wohnung bzw. dem eigenen Appartement sowie dem
Gemeinschaftseigentum und somit den Gemeinschaftsräumen, dem Garten, etc.
Ebenso verhält es sich in den Projekten, die zur Miete umgesetzt worden sind, da auch dort
zwischen dem „persönlich“ gemieteten Wohnraum sowie dem anteilig gemieteten gemeinschaftlichen Wohnraum unterschieden werden kann. Weiterhin ist in diesem Bereich zwischen Mietergemeinschaften sowie Untermietergruppen zu unterscheiden. Mietergemeinschaften gestalten sich in Form eines Zusammenschlusses von verschiedenen Mietparteien,
die gemeinschaftlich ein Gebäude mieten. Untermietergruppen sind vorwiegend im Bereich
der ambulant betreuten Wohngruppen anzutreffen.
Die gemeinschaftlichen Wohnformen zeichnen sich, wie die vorherigen Ausführungen gezeigt haben, trotz des gemeinsamen Nenners der Gemeinschaftlichkeit durch eine starke
Differenzierung in den einzelnen Details aus. Ebenso unterschiedlich wie die verschiedenen
Typen des gemeinschaftlichen Wohnens ist der Weg bis zum Einzug. Dennoch lassen sich
einige charakteristische Entwicklungsphasen identifizieren, die im Folgenden kurz dargestellt
werden.
5.3
Der lange Weg zur Umsetzung. Die Entwicklung gemeinschaftlicher
Wohnprojekte
Am Anfang eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts steht die Unzufriedenheit von Menschen
mit ihrer momentanen Wohnsituation. Diese Unzufriedenheit kann sich entweder auf die aktuelle Wohnsituation beziehen oder sie entstammt der Erkenntnis, dass die bestehende
Wohnsituation in Zukunft nicht mehr den eigenen Ansprüchen genügen wird. Einhergehend
mit dieser Unzufriedenheit gelangen ältere Menschen oftmals zu der Einsicht, dass auf dem
Markt keine ansprechenden Angebote für ihre speziellen Bedürfnisse vorhanden sind. Es
stellt sich für sie die Frage nach der persönlichen Zukunft des Wohnens, man informiert sich
über verschiedene Wohnalternativen und findet Interesse an einer gemeinschaftlichen
Wohnform. Durch das Kennenlernen und die Diskussion mit Gleichgesinnten erfolgt in einem
nächsten Schritt der konkrete Wunsch nach einem eigenen Wohnprojekt und es wird begonnen, an der Umsetzung zu arbeiten. Diese Entwicklung ist oftmals der Grundstein für die
37
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DIE ENTWICKLUNG GEMEINSCHAFTLICHER W OHNPROJEKTE
typische Initiativgruppe, die den „Kern und Motor“ (Kiehle 2008: 110f) für die späteren Arbeitsschritte darstellt (Kiehle 2008: 110f).
Die Grundidee für eine gemeinschaftliche Wohnform geht also zumeist von einer Einzelperson bzw. einer Initiativgruppe aus. Die Gruppe findet sich auf eigene Initiative oder aber auf
Initiative von engagierten Persönlichkeiten, Vereinen oder sozialen Organisationen zusammen. In dieser Findungsphase sind regelmäßige Treffen von großer Bedeutung, damit sich
die einzelnen Gruppenmitglieder kennenlernen und die Projektziele klären können (website:
schader [2]). Die späteren Bewohner sollen sich also sowohl individuell als auch in ihrer Zusammensetzung als Gruppe darüber klar werden, was ihre Vorstellungen und Zielsetzungen
bezüglich des Projekts sind (z.B.: Grad der Barrierefreiheit? Mix aus Eigentum und Miete?
Haftungsrisiko? Car-Sharing? Biologische Baustoffe? Was passiert im Streitfall? Etc.). In
dieser Phase muss man sich vor allem individuell darüber klar werden, ob der Weg, den die
Gruppe eingeschlagen hat, auch für einen persönlich der richtige ist. Denn damit sich im Endeffekt eine Gemeinschaft bilden kann, ist es wichtig, dass die Belegung eines Projekts nach
Kriterien erfolgt, die dem Projektziel entsprechen − sowohl bereits bei der Entwicklung als
auch bei der späteren Nachbelegung (MFJFG NRW 2000: 11). Die im Gruppenprozess erarbeiteten Ergebnisse sollten darüber hinaus in einem möglichst frühen Stadium schriftlich
festgehalten werden. Auch Besuche bereits existierender Projekte sowie der Erfahrungsaustausch mit anderen Gruppen sind in dieser Phase hilfreich (MFJFG NRW 2000: 66).
Nach Abschluss der konzeptionellen Überlegungen und der Klärung persönlicher Sympathien sowie Antipathien beginnt die Suche nach einem geeigneten Grundstück bzw. Gebäude, auf oder in dem das gemeinschaftliche Wohnprojekt realisiert werden kann. Um in dieser
Phase der Projektrealisierung, der Konsolidierungsphase, verhandlungsfähig zu werden,
sollte sich die Gruppe spätestens jetzt, sofern dies nicht bereits in der Findungsphase geschehen ist, eine Rechtsform geben sowie die individuellen finanziellen Reserven aufdecken
(MFJFG NRW 2000: 66).
Wenn die Konsolidierungsphase abgeschlossen ist und die Rechts- und Finanzierungsfragen
geklärt sind, kann die Realisierungsphase beginnen. Die Eignung eines bestimmten Objekts
ist dann gegeben, wenn die Wünsche der Gruppe nach individuellen Wohnräumen sowie
nach gemeinschaftlichen Flächen erfüllt werden können. Weiterhin gilt es in dieser Phase,
die zukünftige Verwaltung des gemeinschaftlichen Wohnprojekts zu regeln und auch Regelungen über das Verfahren bei frei werdenden Wohnungen zu treffen, je nach Modell untereinander oder aber gemeinsam mit dem Träger (website: schader [2]). Um die Suche nach
dem Grundstück/Gebäude und somit die Realisierungsphase abzukürzen, empfiehlt es sich,
dass die Gruppe bereits im Vorfeld breite Öffentlichkeitsarbeit betreibt, um somit in der Öffentlichkeit präsent zu sein, da so auch Kooperationspartner leichter zu finden sind (MFJFG
NRW 2000: 66f). Die Dauer der Findungs-, Konsolidierungs- und Realisierungsphase ers-
38
NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | DER LANGE W EG ZUR UMSETZUNG.
DIE ENTWICKLUNG GEMEINSCHAFTLICHER W OHNPROJEKTE
treckt sich in den meisten Fällen über mehrere Jahre und ist für die Gruppe ein äußerst kräftezehrender Akt. Die Mitglieder des Wohnprojekts müssen also „Durchhaltevermögen, Verhandlungsgeschick, gute Kontakte und mehr als gute Nerven“ (Hoffmeister 2008: 61) mitbringen.
Insgesamt betrachtet bestehen die zwei Voraussetzungen zur Verwirklichung eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts aus einer stabilen Gruppe und einer geeigneten Immobilie. Beide
Faktoren zusammenzubringen, stellt im Schaffungsprozess die größte Herausforderung dar
(Hoffmeister 2008: 61). Hinzu kommt, dass die meisten Wohnprojekte nicht mit der Bewohnergruppe realisiert werden, mit der die ganze Idee irgendwann seinen Anfang nahm. Es
finden vielmehr im Verlauf der verschiedenen Phasen Wechsel innerhalb der Gruppe statt,
welche für die anderen Mitglieder eine nicht zu unterschätzende Belastung darstellt (website:
schader [2]).
Trotz aller Belastungen, Herausforderungen und Schwierigkeiten stellt die gesamte Entwicklungsphase eines Projekts jedoch einen wichtigen Schritt bzw. vielmehr eine Voraussetzung
auf dem Weg zur Gruppenfindung dar. Diese Phase ist entscheidend für die Bildung der
„Sozialsubstanz“ (Novy-Huy 2008: 32), die ein gemeinschaftliches Wohnprojekt von einem
reinen Bau-/Wohnprojekt unterscheidet (Novy-Huy 2008: 32). Die Stabilität der Gruppenbeziehungen begründet sich vor allem in der Entstehungsgeschichte des Projekts, da in dieser
Zeit bereits gemeinsam Herausforderungen bewältigt wurden, die Erkenntnis gewachsen ist,
dass man sich auf die anderen Mitglieder verlassen kann, und generell ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden ist27 (MFJFG NRW 2000: 10).
Wenn das Projekt endlich realisiert wurde und alle Bewohner eingezogen sind, heißt das
nicht zwangsläufig, dass nun alle Konflikte bewältigt wurden. In der Phase nach dem Einzug
müssen zunächst die unterschiedlichen Vorstellungen von der gewünschten Intensität des
gemeinschaftlichen Wohnens geklärt werden und die lange praktizierten Angewohnheiten
des individuellen Wohnens müssen mit der Gemeinschaft in Einklang gebracht werden. Das
Zusammenleben erfordert von der Wohngruppe einen Gewöhnungs- und Lernprozess. Auch
Abmachungen über die gegenseitigen Hilfeleistungen bzw. über die Einbindung von professionellen Pflegedienstleistern müssen spätestens bei Eintritt des ersten Krankheits- oder
Pflegefalls getroffen werden (website: schader [2]). Die Erfahrung zeigt, dass die Verantwortlichkeit der gegenseitigen Unterstützungsleistungen, gerade im pflegerischen Bereich, nicht
zu weit getrieben werden sollte: Die Mitglieder der Wohngruppe können sich in Bedarfssituationen gegenseitig aushelfen und z.B. das Putzen oder den Einkauf bei Krankheit übernehmen. Auch die Verpflegung und die richtige medizinische Versorgung können durch die
Gruppenmitglieder übernommen werden, da diese Maßnahmen zur Sicherheit Alleinstehen
27
Die Unterschiede zwischen selbst initiierten Projekten sowie top-down initiierten Projekten werden in Kapitel
6.2.1 und 8.4 näher dargestellt.
39
NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | DIE POTENZIALE GEMEINSCHAFTLICHER
WOHNFORMEN
der beitragen und der Vereinsamung vorbeugen. Eine professionelle Pflege können diese
Maßnahmen jedoch nicht ersetzen28. So sind für den Fall der eintretenden Pflegebedürftigkeit Vorkehrungen mit professionellen Pflegedienstleistern zu treffen (MBV NRW 2008: 7).
5.4
Wem bringt’s was? Der Nutzen und die Anforderungen von
gemeinschaftlichen Wohnformen
Nachdem in den vorherigen Abschnitten bestimmte Charakteristika der gemeinschaftlichen
Wohnprojekte sowie die typischen Entwicklungsphasen bis zur Umsetzung vorgestellt wurden, stellt sich die Frage nach den Potenzialen dieser Wohnform oder „Wem bringt’s was“?
In diesem Abschnitt werden daher kurz die Chancen und der potentielle Nutzen für die einzelnen beteiligten Akteure vorgestellt (Rettenbach 2008: 15f), wobei jeweils vom Idealfall
ausgegangen wird. Damit diese Potenziale sich entfalten können, müssen jedoch gewisse
Anforderungen erfüllt werden, denen sich alle beteiligten Akteure stellen müssen. Diese werden anschließend an die Vorstellung der Potenziale dargelegt (Rettenbach 2008: 16f).
5.4.1
Die Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen
Die Potenziale des gemeinschaftlichen Wohnens lassen sich in verschiedene Dimensionen
aufteilen. Diese umfassen die Bewohner, die Wohnungswirtschaft, die Architekturbüros, die
Kommunen und das Land, die öffentliche Hand sowie volkswirtschaftliche Effekte.
Die Bewohner
Die Vorteile des Zusammenlebens älterer Menschen in einer Gemeinschaft sind mittlerweile
weithin bekannt. Für die Bewohner bietet der Einzug in eine gemeinschaftliche Wohnform die
Möglichkeit, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und dies in einer frei gewählten Gemeinschaft mit verbindlichen Nachbarschaften, so dass der Vereinsamung im Alter entgegengewirkt werden kann. Sie übernehmen Aufgaben und werden gebraucht (MBV NRW 2005: 10),
bleiben so aktiv und können ihre Potenziale bis ins hohe Alter entfalten. Die informellen
Netzwerke können ferner (eventuell) fehlende familiale Netzwerke ersetzen (BmFSFJ 2007:
55), da sich in den Wohngruppen Selbsthilfesysteme entwickeln, so dass auch bei eintretendem Hilfebedarf eine Versorgung durch persönliche Kontakte sichergestellt ist.
Die Wohnform des gemeinschaftlichen Wohnens hat für die Bewohner daher einen präventiven Charakter, da die Lebensqualität erhöht wird, und aufgrund der verbesserten Lebenssituation auch eine eintretende Pflegebedürftigkeit hinausgezögert werden kann (MBV NRW
2005: 10).
28
Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel, wie beispielsweise das untersuchte Projekt in Hannover zeigt (Kapitel
6.3.1).
40
NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | DIE POTENZIALE GEMEINSCHAFTLICHER
WOHNFORMEN
Die Wohnungswirtschaft
Wohnprojekte für gemeinschaftliche Wohngruppen bieten den Trägern der Wohnungswirtschaft ein hohes Maß an Sicherheit. Die Bewohner gemeinschaftlicher Wohnprojekte identifizieren sich mit „ihrem“ Gebäude und es kommt nur zu geringer Fluktuation sowie zu einem
pfleglichen Umgang mit der Bausubstanz. Weiterhin entsteht ein geringerer Verwaltungsaufwand, da die Bewohner einen Teil der Verwaltungsarbeit übernehmen und auch Konflikte
selber regeln (website: schader [2]). Die Wohnungswirtschaft kann mit den Akteuren gemeinschaftlicher Wohnprojekte zielgruppen- und nachfrageorientiert planen, die Erstbelegung ist oft schon zum Richtfest komplett und bei Nachvermietung kann auf die Warteliste
des Projekts zurückgegriffen werden (MBV NRW 2008: 9).
Es entstehen somit vor Ort stabile Nachbarschaften und es kommt zur (langfristigen) Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung der Bestände, wobei positive „Überschwappeffekte“
in das umliegende Quartier die Regel sind. Darüber hinaus verbessern solche Projekte das
Image des Wohnungsbauunternehmens bei gleichzeitiger Erschließung neuer Märkte. Die
Umsetzung gemeinschaftlicher Wohnprojekte führt also auch wirtschaftlich zu positiven Effekten (MFJFG NRW 2000: 67).
Die Architekturbüros
Für die Architekturbüros liegt die Herausforderung bei der Umsetzung gemeinschaftlicher
Wohnprojekte in der Auseinandersetzung mit kostengünstiger Gemeinschaftsarchitektur bei
einer gleichzeitig hohen Wohnqualität und innovativer Gebäudetechnik. Trotz dieser zum Teil
widersprüchlichen Anforderungen eröffnet sich für die Architekten die Aussicht auf „die Planung und den Bau ungewöhnlicher innovativer Architektur und ein preisgekröntes Projekt“
(MBV NRW 2008: 9). Die Architekten erhalten somit die Chance, einen Auftraggeber zu haben, der im Gegensatz zur Vielzahl der meisten Auftraggeber (MBV NRW 2008: 9) „das Ungewöhnliche, das Kreative, das Besondere will“ (MBV NRW 2008: 9).
Die Kommunen und das Land
Gemeinschaftliche Wohnprojekte haben immer auch Auswirkungen auf das Gemeinwesen in
der Nachbarschaft bzw. im Quartier. Viele gemeinschaftliche Wohnprojekte bieten eigene
Angebote wie z.B. ein Nachbarschaftscafé an oder engagieren sich ehrenamtlich im Bereich
der Kinder-, Jugend- oder Seniorenarbeit vor Ort. So verbessert sich zum einen die Infrastruktur, zum anderen aber auch das soziale Klima im Quartier (MFJFG NRW 2000: 67).
Weiterhin können durch die gemeinschaftlichen Wohnprojekte integrative Wirkungen entstehen, da sich in diesen Projekten „in der Regel unterschiedliche Haushaltsformen, Generationen und Nationalitäten“ (MBV NRW 2008: 8) mischen und harmonieren. Auch geförderte
Wohnungen werden in solchen Projekten unauffällig integriert (MBV NRW 2008: 8). Ein weiterer Aspekt, der sich positiv auf die Kommunen auswirkt, ist die Aufwertung der Architektur
41
NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | DIE POTENZIALE GEMEINSCHAFTLICHER
WOHNFORMEN
des Quartiers, da die Gestaltung der Wohnprojekte häufig höherwertig und nachhaltiger ist
als im Standard-Wohnungsbau (MBV NRW 2008: 8).
Die öffentliche Hand
Die öffentliche Hand wird durch das Hilfepotenzial der Bewohner entlastet und öffentliche
Kosten werden somit eingespart. Zum einen betrifft dies das gegenseitige Hilfepotenzial der
Bewohner untereinander, da gesetzliche Hilfesysteme nunmehr nur im Notfall in Anspruch
genommen werden (BmFSFJ 2007: 55). Ferner stärken diese Wohnformen das Bürgerengagement, da die Beteiligten oftmals auch außerhalb ihres Projektes ein hohes bürgerschaftliches Engagement an den Tag legen. Als einen dritten Aspekt zur Entlastung der öffentlichen Hand ist die Familienförderung zu nennen, da gemeinschaftliche Wohnformen vor allem auch alleinerziehenden und berufstätigen Eltern viele Chancen zur Entlastung bieten.
Volkswirtschaftliche Effekte
Die Reduzierung der Hauhaltsgrößen gilt als Frühindikator für einen externen Dienstleistungsbedarf (Halfar 2008: 121). Auch sind „die Hilfepotenziale einer eigenen Familie
und/oder Netzwerke (…) nicht (mehr) aktivierbar“, z.B. durch Fortzug der Kinder bzw. die
eigene Kinderlosigkeit, „wodurch ein höherer Bedarf an professionellen Dienstleistungen
entsteht“ (Halfar 2008: 122). Es liegt die Vermutung nahe, dass „ein nicht unerheblicher Teil
der dienstleistungsbezogenen Sozialausgaben, insbesondere im Feld der Alten-, Familienund Behindertenhilfe, in seiner Entstehung durch die veränderten Familien- und Wohnformen
gefördert wird. Es entstehen „Zusatzbedarfe“ des Alleinwohnens mit entsprechenden Folgekosten“ (Halfar 2008: 122).
Die benötigten Unterstützungsbedarfe des Einzelnen können somit in den meisten Fällen
nicht durch familiale oder andere Netzwerke geleistet werden und es kommt zur teuren
Überversorgung der Betroffenen in teilstationären oder stationären Einrichtungen sowie zur
Inanspruchnahme von ambulanten Pflegedienstleistungen, die sich auf „die Verrichtung von
Alltagsbanalitäten“ (Halfar 2008: 122) beziehen, die ohne weiteres durch persönliche Netzwerke geleistet werden könnten und welche aufgrund ihrer „vergleichsweise hohen Transaktions-, Wege- und Stückkosten relativ teuer sind“ (Halfar 2008: 122). Es werden also einige,
zumeist umlagefinanzierten Milliarden Euro für professionelle Dienstleistungssettings ausgegeben, die für die Betroffenen noch nicht einmal die optimale Lösung darstellen (Halfar 2008:
121f). Diese Kosten können nun zum Teil durch gemeinschaftliche Wohnformen in Form von
„vermiedenen Sozialkosten“ und als „volkswirtschaftliche Effekte“ eingespart werden und die
Lebensqualität der Betroffenen kann darüber hinaus gesteigert werden (Halfar 2008: 121f).
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NEUES W OHNEN IM ALTER: DIE GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNFORMEN | DIE ANFORDERUNGEN DER GEMEINSCHAFTLICHEN
WOHNFORMEN
5.4.2
Die Anforderungen der gemeinschaftlichen Wohnformen
Die Anforderungen, denen die Beteiligten sich stellen müssen umfassen: das Objekt, die
Projektentwicklung, die Finanzierung sowie die Kooperation (Rettenbach 2008: 16f).
Das Objekt
Damit das gemeinschaftliche Wohnen umgesetzt werden kann, müssen spezifische räumliche Anforderungen an das Wohnobjekt erfüllt werden. Hierbei spielen zunächst die individuellen Vorlieben und Wünsche der einzelnen Gruppe eine bedeutende Rolle.
Neben diesen individuellen Anforderungen gilt es, gewisse bauliche Kriterien zu beachten
wie z.B. die Barrierefreiheit. Als Mindeststandard kann dabei die DIN 18025-II angesehen
werden. Da die Bewohner das Ziel haben, bis ins hohe Alter in dem Projekt wohnen zu bleiben, garantiert die Einhaltung der DIN eine möglichst lange Selbständigkeit des Einzelnen.
Eine weitere bauliche Besonderheit besteht in den Gemeinschaftsräumen, welche die Basis
eines jeden gemeinschaftlichen Wohnprojekts sind. Dabei kann es sich um einen Raum
(oder eine Wohnung) handeln, welcher der reinen Versammlung der Mitglieder des Wohnprojekts dient oder aber um einen Raum, der für verschiedene Zwecke genutzt werden kann
wie z.B. die Unterbringung von Gästen. Viele Projekte verfügen dabei über mehrere gemeinschaftlich nutzbare Flächen, so dass diese Nutzungsüberschneidungen auch umgangen
werden können.
Die Projektentwicklung
Der Weg bis hin zur Realisierung eines Projekts ist meistens lang und unübersichtlich. Um
dies abzukürzen, benötigen die Projekte Unterstützung. Diese beinhaltet zunächst die Hilfe
bei der Suche nach dem geeigneten Objekt. Die Wohninitiativen benötigen Zeit, um sich innerhalb der Gruppe für oder wider ein bestimmtes Objekt zu entscheiden. Optionsmodelle
können ihnen dabei den nötigen Spielraum im Wettbewerb mit anderen Investoren sichern.
Die Kommunen wiederum können zur Entstehung von gemeinschaftlichen Wohnformen beitragen, indem sie bei neu zu bebauenden Grundstücken einen Teil der Grundstücke für gemeinschaftliche Wohnformen reservieren. Einzelne Wohnungsunternehmen bieten mittlerweile „übertragbare Halbfertigprodukte“ (Rettenbach 2008: 16) an, welche die Wünsche spezieller Zielgruppen berücksichtigen und ihnen noch genügend Spielraum zur Entfaltung individueller Vorstellung bieten.
Ein weiterer Aspekt, an dem viele Gruppen scheitern oder der zumindest den Entstehungsprozess behindert, betrifft die Gruppenbildung und Konzeption. Diese stellt einen weiteren
Punkt dar, an welchem Unterstützungsbedarf besteht. Probleme bestehen hierbei in der zumeist sehr langen Gruppenfindungsphase sowie bei der Artikulation ihrer Ziele gegenüber
externen Partnern. Um diese Probleme zu umgehen bzw. abzumildern, bieten sich Qualifizierungsangebote sowie professionelle Moderation an.
43
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Die Finanzierung
Gemeinschaftliche Wohnformen stellen eine besondere Form des Wohnens dar, so dass die
üblichen Finanzierungsmodelle des Wohnungsmarktes hier schnell an ihre Grenzen stoßen.
Daher sind alternative Konzepte gefragt und durch spezielle Förderinstrumente zu ergänzen.
Beispiele hierfür können u.a. Mieterdarlehen oder Mieterkaufmodelle für Gruppen mit geringer Eigenkapitalausstattung sein. Mit Hilfe von Kleinbürgschaften kann das Risiko auf viele
Schultern zugleich verteilt werden.
Die Kooperation
Das gemeinschaftliche Wohnen wirft bei der Konzipierung viele Fragen auf. Obwohl die Projekte untereinander zumeist vernetzt sind und sich gegenseitige Hilfestellungen und Beratung bieten, können Netzwerke einen wichtigen Beitrag für den Erfahrungs- und Informationsaustausch leisten und so die Qualifikation der Akteure unterstützen. Denkbar sind in diesem Zusammenhang lokale, regionale und überregionale Netzwerke, die in ihrem spezifischen Rahmen (wie regelmäßige Treffen oder die Bereitstellung von fachlichem Expertenwissen) die Bildung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten fördern.
5.5
Zwischenfazit
Bezüglich der Thematik des gemeinschaftlichen Wohnens im Alter kann abschließend festgehalten werden, dass diese „neuen“ Wohnprojekte eine erweiterte Dimension der Wohnqualität bieten, indem sie neue Ansprüche an das Wohnen richten: „Die Mischung verschiedener Altersgruppen, Nachbarschaftsverantwortung, die Bezogenheit zum Quartier, Umweltorientierung oder die besondere Aufgeschlossenheit bezüglich verschiedener Lebensstile,
Milieus, Kulturen und Geschlechter“ (MBV NRW 2008: 6f).
Auf dem „regulären“ Wohnungsmarkt werden Objekte, die diesen Bedürfnissen und Ansprüchen genügen, nicht angeboten und die existierenden gemeinschaftlichen Wohnprojekte sind
der Eigeninitiative der Bau- und Wohngruppen zu verdanken, die ihre Vorstellungen vom
gemeinschaftlichen Wohnen in die Planung und Umsetzung der Projekte einfließen lassen.
Als gemeinsamer Nenner dieser Wohnprojekte kann also angegeben werden, dass sie „auf
aktuelle gesellschaftliche und städtebauliche Fragen Antworten suchen und diese zu neuen
Ergebnissen führen. Dabei handelt es sich vor allem um soziokulturelle, städtebaulicharchitektonische und wirtschaftliche Aspekte und Qualitäten“ (MBV NRW 2008: 6).
Ob sich diese Wohnform in ihren verschiedenen Ausführungen jedoch zu einem Produkt für
die breite Masse entwickelt, bleibt abzuwarten. Das Interesse an dieser Wohnform ist jedoch
gewachsen und Umfragen prognostizieren, dass immer mehr Menschen sich diese Art des
Wohnens vorstellen können. (MBV NRW 2008: 9).
44
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | ZIELE DER STUDIE ODER
„W AS MACHT GEMEINSCHAFTLICHES W OHNEN IM ALTER EIGENTLICH AUS?“
6
Best-Practice-Beispiele für gemeinschaftliche Wohnformen: Eine empirische Studie
6.1
Ziele der Studie oder „Was macht gemeinschaftliches Wohnen im Alter
eigentlich aus?“
Anhand der vorliegenden empirischen Studie werden die Bandbreite, die Qualität sowie die
Merkmale von gemeinschaftlichen Wohnprojekten anhand von ausgewählten Best-PracticeBeispielen in Deutschland sowie im europäischen Ausland aufgezeigt. Des Weiteren wird die
Frage beantwortet, welche Charakteristika ausschlaggebend dafür sind, damit ein solches
Projekt Erfolg hat und über einen längeren Zeitraum sowie mit zufriedenen Bewohnern bestehen kann.
Um dies zu erreichen und um einen möglichst ausführlichen Überblick über das Feld des
gemeinschaftlichen Wohnens zu erhalten, wurden unterschiedliche Projekttypen in die Betrachtung mit einbezogen, so dass die Studie Demenz-Wohngemeinschaften, Hausgemeinschaften bzw. Mehrgenerationenwohnen, Siedlungsgemeinschaften und eine Seniorenbegegnungsstätte umfasst. Weiterhin wurden unterschiedliche Formen der Umsetzung berücksichtigt. So flossen sowohl „top-down“ als auch „bottom-up“ initiierte Projekte in die Betrachtung ein, da sich so unterschiedliche Konzeptionen und vor allem auch Beteiligungsrechte
bzw. Partizipationsmöglichkeiten der Bewohner ergeben. Auch die gewählte Rechts- bzw.
Eigentumsform eines Projekts hat Einfluss auf die Beteiligungsrechte der Bewohner, so dass
diese ebenfalls in der Studie Berücksichtigung fand.
Weitere Fragen, die für die Studie von Interesse waren, umfassten die Erhebung der Schwierigkeiten bei der Umsetzung oder Planung, bzw. ob es überhaupt Schwierigkeiten gab; die
Wertung der Gemeinschaftlichkeit in den einzelnen Projekten; die Vor- bzw. Nachteile die
sich im Vergleich mit traditionellen Wohnformen für Ältere ergeben; die Zufriedenheit der
Bewohner mit der gewählten Wohnform und die Potenziale, die sich für sie ergeben. Dabei
wurden Fragen wie bspw. die Zufriedenheit der Bewohner anhand einer Skala abgefragt, die
von „sehr zufrieden“, „eher zufrieden“ über „teils/teils“, „eher weniger zufrieden“ bis „sehr
unzufrieden“ zuzüglich „keine Angabe“ reicht. Daneben interessierten auch Informationen
bezüglich der Kosten, Eigentumsverhältnisse, Größe, etc.
Ein besonderer Fokus lag, aufgrund der Konzeption der Studie, auf der Gemeinschaftlichkeit
der Bewohner, welche bei allen Projekten eine bedeutende Rolle spielt. Diese ließ sich
bspw. anhand der Bemessenheit der Gemeinschaftsflächen im Kontrast zu den privaten Flächen, aber auch anhand der Intensität und Verbindlichkeit gemeinschaftlicher Aktivitäten
abmessen.
Außerdem müssen sich die Bewohner mit der Frage auseinander setzen, was genau sie
wollen bzw. wie viel Gemeinschaft der Einzelne letztendlich verträgt. Diese Frage, das sol-
45
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | WER SAGT, WIE‘S WIRD?
BOTTOM-UP VS. TOP-DOWN
len die Projekte in dieser Studie zeigen, lässt sich auf unterschiedliche Weise und infolge
dessen mit unterschiedlichen Konzeptionen beantworten. Ferner erfordert die Gemeinschaft
ebenso wie das Bedürfnis nach Privatsphäre eine sensible Planung und Organisation. Nicht
zuletzt spielen in diesem Zusammenhang auch die Bedürfnisse und Fähigkeiten der einzelnen Bewohner eine wichtige Rolle.
Im Folgenden werden die untersuchten Projekte näher vorgestellt und analysiert. Dazu erfolgt zunächst eine Übersicht über die Formen der Initiierung sowie eine Übersicht über die
bei den untersuchten Projekten vorkommenden Rechts- und Eigentumsformen. Daran anschließend werden die verschiedenen Projekttypen mit ihren spezifischen Charakteristika
genauer vorgestellt. Hierbei stellte sich das Problem einer genauen Systematisierung der
gemeinschaftlichen Wohnformen. Denn eine strenge Klassifizierung der unterschiedlichen
Projekte stößt schnell an ihre Grenzen: Zu zahlreich sind die unterschiedlichen Ansätze und
Herangehensweisen, was sich vor allem in der Detailbetrachtung zeigt. Daher kann die BestPractice-Auswahl in der vorliegenden Studie nur eingeschränkt die Bandbreite möglicher
Projekte und Konzepte aufzeigen.
Den Abschluss dieses Kapitels bildet die Darstellung der untersuchten Best-PracticeBeispiele, wobei zunächst die Projekte in Deutschland und daran anschließend die Projekte
aus dem europäischen Ausland vorgestellt werden.
6.2
6.2.1
Projekttypen und Gemeinschaftsformen
Wer sagt, wie‘s wird? Bottom-up vs. Top-down
Generell können bei der Realisierung von gemeinschaftlichen Wohnformen zwei verschiedene Umsetzungswege unterschieden werden. Zum einen kann die Umsetzung „bottom-up“
erfolgen, also „von unten“ und somit durch die späteren Bewohner initiiert, zum anderen „topdown“, was für die Initiierung durch wohnungswirtschaftliche Akteure steht.
Das Modell des bottom-up entspricht der Intention eines neuen Lebensentwurfs (MFJFG
NRW 2000: S. 10). Die Bewohner können selbst auf die bauliche und konzeptionelle Ausgestaltung des Projekts Einfluss nehmen und ihr späteres Wohnumfeld somit aktiv beeinflussen und nach ihren individuellen Wünschen mitgestalten. Bei der Initiierung top-down liegen
das Konzept und die Idee bei einem Träger bzw. einer Institution, und die Bewohner werden
erst bei der Umsetzung der Konzeptidee entsprechend ausgewählt. Sie sind während des
Entstehungsprozesses nur Mitwirkende; der Träger entscheidet über das Maß an Partizipation und Mitbestimmung (MFJFG NRW 2000: S. 10).
Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. So stehen sich bei „reinen“ bottom-up Projekten komplette Selbstbestimmung und oftmals fehlendes Planungswissen sowie ausbleibende finanzielle Mittel gegenüber. Doch häufig wird betont, dass es gerade die Entstehungsphase mit all ihren Hindernissen und Schwierigkeiten ist, die eine Gruppe letztendlich
46
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | WEM GEHÖRT DIE
GEMEINSCHAFT? RECHTS- UND EIGENTUMSFORMEN
zusammenschweißt und somit eine Voraussetzung für die spätere Gemeinschaft schafft
(MBV NRW 2008: 56f).
Bei den top-down Projekten hingegen stehen sich keine, oder nur stark eingeschränkte, Mitbestimmungs- und Planungsmöglichkeiten und eine professionelle Planung durch Fachleute
gegenüber (MFJFG NRW 2000: S. 10). Da das gemeinschaftliche Wohnen in den letzten
Jahren an Popularität gewonnen hat, kommt es heute eher vor, dass private Investoren bei
den Städten vorstellig werden, um zu bekunden, dass sie gerne für, und auch mit, Initiativgruppen ein Wohnprojekt erstellen möchten (MBV NRW 2008: 57).
Neben den reinen top-down bzw. bottom-up Projekten gibt es auch Mischformen, wenn
bspw. die Bewohnergruppe bei der Konzeptentwicklung seitens des Trägers eingebunden
wird.
Generell gilt es aber als ein Spezifikum der gemeinschaftlichen Wohnformen, dass die Bewohner über ein hohes Maß an Selbst- und Mitbestimmungsrechten verfügen (vgl. u.a. Rettenbach 2008: 13). Entgegen der damit einhergehenden Erwartung, dass gemeinschaftliche
Wohnprojekte in aller Regel von den Bewohnern selbst und anhand deren Vorstellungen
umgesetzt werden, zeigt die Realität jedoch, dass auch die diese Wohnformen häufig von
wohnungswirtschaftlichen Akteuren initiiert werden. Etwas mehr als die Hälfte (54%) der in
dieser Studie untersuchten Projekte wurden top-down und somit nicht von den späteren Bewohnern initiiert.
6.2.2
Wem gehört die Gemeinschaft? Rechts- und Eigentumsformen
Wie bereits im fünften Kapitel erläutert, können in Bezug auf die gemeinschaftlichen Wohnformen Unterscheidungen bezüglich der Rechts- bzw. Träger- und Eigentumsformen getroffen werden.
Bezüglich der Eigentumsformen kann festgehalten werden, dass bei den in dieser Studie
untersuchten Projekten der Großteil in Form von Mietwohnungen realisiert wurde, gefolgt
von Eigentumsprojekten. Genossenschaftliche Projekte sowie Mischformen aus Miete und
Eigentum kamen nur in Ausnahmefällen vor (Vgl. Abbildung 7).
Eigentum und Miete
8%
Miete
69%
15%
Eigentum
8%
Bewohnergenossenschaft
Abb. 7: Eigentumsverhältnisse
47
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | VIER TYPEN DES
GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNENS
Bei der Betrachtung der Rechtsformen zeigt sich ein etwas differenzierteres Bild; abgesehen
von der GmbH ist jede Rechtsform vertreten. Bezüglich der Organisation der Bewohnerschaft bildet die Gruppe der Eigentümergemeinschaften die größte Gruppe, gefolgt von den
GbR. Allerdings wurden mehrere Projekte auch durch Träger wie Wohnungsunternehmen,
Vereine oder Stiftungen initiiert und die Bewohner dieser sind in keiner Rechtsform organisiert. Zwei der untersuchten Projekte haben dabei, trotz eigener Rechtsform, mit wohnungswirtschaftlichen Akteuren kooperiert.
6.2.3
Vier Typen des gemeinschaftlichen Wohnens
In der vorliegenden Studie wurde versucht, ein möglichst breites Spektrum an gemeinschaftlichen Wohnprojekten in die Betrachtung einzuschließen. Im Folgenden werden nun die in
der Studie vorkommenden Projekttypen genauer beleuchtet. Generell können gemeinschaftliche Wohnformen in die drei Wohntypen Haus-, Wohn- oder Siedlungsgemeinschaft unterschieden werden. Diese Wohntypen können wiederum nach bestimmten Kriterien wie die
Altershomogenität, der Zielgruppenorientierung oder der Zusammensetzung der Generationen in weitere Untergruppen aufgeteilt werden.
In der vorliegenden Studie kommen alle drei Wohntypen vor, allerdings mit verschiedenen
Ausprägungen bezüglich der weiteren Kriterien. Im weiteren Verlauf soll auch nicht weiter
von Haus-, Wohn- oder Siedlungsgemeinschaft gesprochen werden, stattdessen findet eine
Orientierung an den Ausprägungen statt und es wird im Folgenden zwischen vier verschiedenen Projekttypen unterschieden: Demenz-Wohngemeinschaften, altershomogene Hausgemeinschaften, Mehrgenerationenwohnprojekte, die ebenfalls zu den Hausgemeinschaften
gehören sowie, als einen Extrapunkt, ein Seniorenbüro bzw. eine Seniorenbegegnungsstätte, welche quasi für Gemeinschaft ohne gleichzeitiges Wohnen in einem gemeinsamen Gebäude steht.
Die Projekte in Weimar und Bov wurden in Form von Siedlungsgemeinschaften realisiert.
Das Projekt in Weimar wird jedoch im Folgenden dem Mehrgenerationenwohnen zugerechnet, das Projekt in Bov, aufgrund der dort vorliegenden Konzeption, den altershomogenen
Hausgemeinschaften. In einigen Projekten kam es zu Mischformen zwischen den verschiedenen Ausprägungen, so dass bspw. eine Demenz-WG sowie eine altershomogene Hausgemeinschaft unter einem Dach bzw. in einem Projekt anzutreffen waren. Die generelle Verteilung der verschiedenen in der vorliegenden Studie vorkommenden Typen des gemeinschaftlichen Wohnens veranschaulicht die folgende Abbildung.
48
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | VIER TYPEN DES
GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNENS
Demenz-WG und altershomogene Hausgemeinschaft
Demenz-WG
8%
30%
23%
Altershomogene
Hausgemeinschaft
8%
Seniorenbüro
8%
23%
Mehrgenerationenwohnen
Altershomogene Hausgemeinschaft und Mehrgenerationenwohnen
Abb. 8: Unterschiedliche Projekttypen in dieser Studie
Demenz-Wohngemeinschaft
In Deutschland sind ungefähr 1 Mio. Menschen im Alter ab 65 Jahren von einer mittelschweren oder schweren Demenz betroffen (BmFSFJ 2004: 11).
Diese demenziellen Erkrankungen führen zu starken Persönlichkeitsveränderungen und machen ein eigenständiges Leben in der eigenen Wohnung häufig unmöglich. Doch gerade
demenziell Erkrankte sind in hohem Maße auf ein behütetes und umsorgendes Wohnumfeld
angewiesen. Aus diesem Grund gibt es vermehrt so genannte „Demenz-WGs“. Dabei lassen
sich verschiedene Typen von Wohngemeinschaften unterscheiden, die folgenden Ausführungen beziehen sich aber nur auf den ambulanten Typus mit Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst (BmFSFJ 2004: 14,17).
Meist leben in diesen WGs sechs bis acht Bewohner in einer barrierefreien Wohnung oder
einem Haus zusammen, überwiegend in bestehenden Wohngebäuden (FfG et al 2007: 13).
Jeder Bewohner hat einen privaten Wohn- bzw. Schlafbereich, der mit den eigenen Möbeln
eingerichtet wird. Das Alltagsleben spielt sich in Gemeinschaftsräumen und der Küche ab.
Eine offene Raumabfolge ist empfehlenswert, da so die Bewohner bei der Verrichtung von
Aufgaben vom Pflegepersonal gut zu überblicken sind. Verschiedene Sitzecken bieten den
Bewohnern weiterhin die Möglichkeit, sich alleine in einen Bereich zurückzuziehen (MBV
NRW 2005: 15f).
Regelmäßig kommen, stundenweise oder (zumeist) rund um die Uhr, Betreuungskräfte ins
Haus, welche die Wohngruppen beim Kochen, bei der Haushaltsführung und bei Gemeinschaftsaktivitäten unterstützen. In der Regel sind die Bewohner bei dieser Wohnform „normale“ Mieter mit Einzelmietverträgen (FfG et al 2007: 13). Generell gehört es zu den Grundprinzipien dieser Wohnform, dass die Bewohner bzw. deren Angehörige oder gesetzliche
49
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | VIER TYPEN DES
GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNENS
Betreuer die volle Entscheidungsbefugnis haben. Dies umfasst unter anderem die Entscheidungen:
•
„wer Pflege und Betreuung bereitstellt;
•
wie Pflege und Betreuung strukturiert sein sollen;
•
mit wem die Wohnung geteilt wird (keine „Personenneutralität“ wie im Heim);
•
wie die Wohnung ausgestattet wird;
•
was gegessen und getrunken wird etc.“ (BmFSFJ 2004: 17).
Die privaten Räume verfügen oft nicht über ein eigenes Bad, damit die demenziell erkrankten
Menschen in der Wohngemeinschaft eine Situation vorfinden, die sie an ihr altes Zuhause
erinnert, und sie somit ihr Schlafzimmer verlassen müssen, um ins Badezimmer zu gehen.
Die Versorgung der Bewohner erfolgt über einen selbst gewählten ambulanten Pflegedienst.
Feste Bezugspersonen sind für die Menschen sehr wichtig, um sich im Alltag so gut wie
möglich zurechtzufinden. In der Regel gelten solche Wohngruppen nach der Heimgesetzgebung trotz der Rund-um-die-Uhr-Betreuung nicht als „Heime“ (FfG et al 2007: 13). Zurzeit
werden in den Ländergesetzgebungen die Anforderungen an solche Wohngemeinschaften
näher spezifiziert.
Bei den in dieser Studie untersuchten Wohngemeinschaften für ältere Menschen handelte es
sich ausnahmslos um „Demenz-WGs“, die nicht unter das Heimgesetz fallen. In allen Projekten wird darauf geachtet, dass die dort lebenden Menschen nicht alle gleich schwer von der
Demenzerkrankung betroffen sind. Dies trägt mit dazu bei, dass die Bewohner sich gegenseitig sensorisch und kommunikativ stimulieren.
Die Wahl des Pflegedienstes ist den Bewohner generell freigestellt, obwohl in den besuchten
Projekten alle Bewohner den gleichen Pflegedienst beauftragt haben.
Altershomogene Hausgemeinschaften
Von einer altershomogenen Hausgemeinschaft kann gesprochen werden, wenn (in diesem
Zusammenhang) ältere Menschen in abgeschlossenen Appartements bzw. Wohnungen zusammen in einem (im Idealfall barrierefreien) Gebäude wohnen. Jeder Bewohner verfügt
über eine eigene, separate Wohnung und teilt sich darüber hinaus weitere Räume sowie
den, zumeist vorhandenen, Garten.
Die eigene Wohnung verfügt über alle Ausstattungsmerkmale einer „normalen“ Wohnung.
Sie stellt für die Bewohner den privaten Rückzugs- und Lebensbereich dar und kann nach
den eigenen Wünschen und Vorstellungen gestaltet werden, um dem Anspruch nach Individualität und Privatsphäre gerecht zu werden. Im Unterschied zu den Wohngemeinschaften
können die Bewohner so eine größere Distanz untereinander wahren und Kontakt bei Bedarf
suchen (FfG et al 2007: 12).
Die Bewohner leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich, führen einen eigenen Haushalt
und entscheiden frei über ihren Tagesablauf. Die Pflichten als Hauseigentümer oder
50
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | VIER TYPEN DES
GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNENS
-bewirtschafter werden unter den Bewohnern, je nach persönlichen Fähigkeiten, aufgeteilt.
Auch das Gemeinschaftsleben wird von den Bewohnern selbst organisiert oder aber sie
wählen eine Gruppenvertretung, die diese Aufgabe stellvertretend für sie übernimmt.
Die gegenseitige Unterstützung umfasst Einkäufe, Kochen, Wohnungsreinigung oder einfach
nur Geselligkeit. Pflegedienstleistungen werden normalerweise nicht gegenseitig erbracht
und bei Bedarf wird ein ambulanter Pflegedienst beauftragt. Ziel ist, dass jeder Bewohner bis
zu seinem Tod in der Gemeinschaft und in der vertrauten Umgebung verbleiben kann und
nicht aufgrund der gesundheitlichen Verfassung in ein Pflegeheim umziehen muss.
Daran lässt sich ablesen, dass Hausgemeinschaften auch dabei helfen sollen, Kosten (für
Pflegeheimaufenthalte) einzusparen. Bei einem auftretenden Pflegebedarf können Synergieeffekte entstehen, wenn das Pflegepersonal die Dienstleistungen für mehrere Bewohner
erbringt.
Bei den untersuchten Beispielen handelt es sich um Hausgemeinschaften mit einer altershomogenen Bewohnerschaft. Diese kann sich jedoch als nachteilig erweisen, da die Bewohner tendenziell zur gleichen Zeit in stärkerem Maß auf Unterstützungsleistungen angewiesen
sein werden und so die geplante gegenseitige Unterstützung schwieriger wird.
Mehrgenerationenwohnen
Die Idee „moderner“ Mehrgenerationenwohnprojekte entstand in Anlehnung an die frühere
Mehr-Generationen-Großfamilie. Mehrgenerationenhäuser verfolgen das Ziel, die schwindenden Bindungen der Großfamilie durch neue Beziehungen zu kompensieren und stehen
für die gegenseitige Unterstützung zwischen Jung und Alt. Das Alter der Bewohner in den
Mehrgenerationenwohnprojekten variiert vom Säugling bis zum Greis. Die gegenseitigen
Unterstützungsleistungen zwischen den verschiedenen Altersgruppen können in der Form
gestaltet werden, dass die älteren Bewohner, die sich nicht mehr im Erwerbsleben befinden,
die Kinder der jüngeren Bewohner hüten und diese im Gegenzug z.B. für die Älteren einkaufen gehen.
Neben der altersmäßigen Durchmischung leben in den Mehrgenerationenwohnprojekten
häufig auch verschiedene Haushaltstypen unter einem Dach – es gibt Familien mit Kindern,
Single- und Paarhaushalte.
Bezüglich der räumlichen Aufteilung kann man die Mehrgenerationenwohnprojekte den altershomogenen Hausgemeinschaften gleichsetzen, da es sich dabei auch um Hausgemeinschaften handelt. So verfügen die einzelnen Parteien in den Wohnanlagen über eigene, vollständig eingerichtete und abgeschlossene Wohnungen. Zusätzlich zu diesen Wohneinheiten
gibt es großzügige Gemeinschaftsflächen, die entweder für alle Bewohner (z.B. Partyraum)
oder hauptsächlich für bestimmte Zielgruppen (z.B. Spielplätze) gedacht sind. Auch hier
spielt wieder das Verhältnis von privaten und öffentlichen Räumen eine bedeutende Rolle.
51
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | VIER TYPEN DES
GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNENS
In vielen Mehrgenerationenprojekten ergibt sich eine häufiger stärkere sozioökonomische
Durchmischung der Bewohnerschaft, so dass Personen oder Familien mit unterschiedlichem
Einkommen gemeinsam unter einem Dach wohnen. In einigen Projekten gibt es auch eine
Mischung von Eigentums- und Mietwohnungen bzw. öffentlich geförderte und frei finanzierten Wohnungen.
Seniorenbegegnungsstätte
Auch wenn es sich bei diesem Projekt nicht direkt um eine Form des gemeinschaftlichen
Wohnens handelt, so spielt auch hier die Gemeinschaft sowie das damit verbundene Hilfepotenzial eine bedeutende Rolle.
Generell dienen Seniorenbegegnungsstätten als ein Ort der Kommunikation und Begegnung
für Senioren und sind Teil der stadtteilbezogenen und gemeinwesenorientierten Altenarbeit.
Häufig besteht auch ein enger Bezug zum Wohnen – besonders wenn z.B. Beratungen zu
wohnbegleitenden Dienstleistungen angeboten werden. In dem untersuchten Projekt werden
neben der Begegnungsstätte auch Beratungstätigkeiten sowie über einen Nachbarschaftshilfeverein Dienstleistungen für die Mitglieder des Vereins angeboten.
Nachdem ein Überblick über die grundlegenden Merkmale der einzelnen in dieser Studie
untersuchten Formen des gemeinschaftlichen Lebens gegeben wurde, folgt nun die Darstellung der einzelnen Projekte. Im Anschluss daran werden die übergreifenden Ergebnisse vorgestellt.
52
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | DARSTELLUNG DER
BEST-PRACTICE-BEISPIELE IN DEUTSCHLAND
6.3
Darstellung der Best-Practice-Beispiele in Deutschland
Bei der Darstellung der Best-Practice-Beispiele erfolgen zunächst die Beschreibungen der
Hausgemeinschaften, anschließend die der Mehrgenerationenwohnprojekte, dann die Beschreibungen der Wohngemeinschaften für demenziell Erkrankte und schließlich die Beschreibung der Seniorenbegegnungsstätte.
Zur besseren Vergleichbarkeit wurden die einzelnen Projektbeschreibungen anhand bestimmter Kategorien unterteilt. Diese umfassen: Eigenschaften und Konzeption des Projekts,
Größe des Projekts und Barrierefreiheit (nach der DIN 18025-I bzw. II), Mietkosten und
Dienstleistungen bzw. Regelungen, die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft sowie Erfolg
des Projekts. Im Anschluss an die Beschreibungen folgt eine Tabelle, in welcher die zentralen Charakteristika der Projekte nebeneinander dargestellt werden.
Die folgende Karte dient als Überblick über die regionale Verteilung der untersuchten Projekte.
Bov
Abb. 9: Die Projekte in Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz
53
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | HANNOVER:
HAUSGEMEINSCHAFT DES „GEMEINSAM STATT EINSAM E.V.“
6.3.1
Hannover: Hausgemeinschaft des „Gemeinsam statt einsam e.V.“
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Im Jahr 2001 bezog der Verein „Gemeinsam statt einsam e.V.“
sein Projektgebäude im Expo-Modellstadtteil Kronsberg, um
dort in Form einer Hausgemeinschaft zusammenzuleben. Der
Standort des Projekts zeichnet sich durch eine gute Anbindung
an die Waren- und Dienstleistungsangebote des alltäglichen
Bedarfs sowie durch die Nähe zum Messegelände in Hannover
aus. Auch die Innenstadt Hannovers ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln problemlos zu erreichen.
In dem Projekt gibt es insgesamt 16 Wohneinheiten, welche
sich in einem über zwei Eingänge zugänglichen Gebäude befinden. Dabei wird eine im Erdgeschoss gelegene Wohnung inklusive dazugehöriger Terrasse als Gemeinschaftswohnung genutzt. Die weiteren Wohnungen werden von den einzelnen
Bewohnern über Einzelmietverträge gemietet.
Das Gebäude wurde im Rahmen der Expo 2000 als Vorzeigeobjekt gebaut, konnte allerdings nicht verkauft werden und wurde so letztendlich dem Verein für sein Wohnprojekt zur Verfügung gestellt. Eigentümer der Wohnungen
ist mittlerweile die GAGFAH.
Das Konzept für die realisierte Hausgemeinschaft stammt
von dem 1996 gegründeten Verein „Gemeinsam statt einsam e.V.“. Zum Zusammenschluss dieses Vereins kam es über einen 1995 erschienenen
Zeitungsartikel, in welchem Interessenten für eine alternative Wohnform gesucht wurden.
Die anfängliche Konzeption sah Mehrgenerationenwohnen mit alleinerziehenden Müttern
und Vätern vor, erwies sich allerdings als nicht tragbar. Daher folgte die Umorientierung zu
einem Wohnprojekt nur für ältere Menschen. Ziel war es nun, eine Alternative zu den damals
bekannten Unterbringungs- und Versorgungsformen für ältere Menschen zu finden. Weiterhin sollte durch die Hausgemeinschaft eine kostengünstige Wohnalternative geschaffen werden, da Synergieeffekte bezüglich der Wohn- und Pflegekosten entstehen sollten.
Größe des Projekts und Barrierefreiheit
In dem Projekt leben 16 Bewohner, ein Paar sowie 14 Alleinstehende. Die Größen der Wohnungen liegen zwischen 39m² und 69m², wobei es nur zwei Wohnungen gibt, die kleiner als
45m² sind.
Die Gemeinschaftswohnung fungiert neben der Nutzung für gemeinsame Treffen als Gästewohnung. Abgesehen vom eigenen Bedarf, wird diese auch extern vermietet, wie bspw. an
54
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | HANNOVER:
HAUSGEMEINSCHAFT DES „GEMEINSAM STATT EINSAM E.V.“
Messebesucher, um zur Finanzierung des Vereins beizutragen. Darüber hinaus soll die Gästewohnung im Bedarfsfall als Pflegewohnung genutzt werden.
Die Barrierefreiheit ist in dem Projekt nicht in allen Gebäudeteilen gegeben. So ist eine Hälfte
bezüglich des Zugangs und der Wohnungen barrierefrei (DIN 18025-II), die andere hingegen
nicht. Dies liegt darin begründet, dass von den ursprünglich 17 Mitgliedern des Vereins letztlich nur acht in das Projekt eingezogen sind, die explizit barrierefreie Wohnungen wollten.
Mittlerweile sind auch die nicht barrierefreien Wohnungen durch Vereinsmitglieder belegt.
Mietkosten und Dienstleistungen
Die Mietkosten betragen ca. 8,00 €/m². Die Miete der Gemeinschaftswohnung beträgt monatlich 300,00 €, und wird über ein Umlagesystem finanziert. Daneben fällt beim Einzug eine
einmalige Zahlung von 75,00 € auf ein „Notfallkonto“ an.
Die Wohnungen wurden mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus gebaut, allerdings wurden
die Belegrechte für dieses Haus aufgehoben und an einen anderen Standort verlegt. Bei der
Neubelegung der Wohnungen obliegen die Entscheidungsrechte den Bewohnern und dies
ohne zeitliche Einschränkung durch die GAGFAH.
Das ökonomische Potenzial der Bewohner ist durchschnittlich; insgesamt spiegelt die Hausgemeinschaft etwa den Schnitt der Gesellschaft wider.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Die Bewohner sind aktuell (2008) zwischen 63 und 82 Jahre alt, wobei das durchschnittliche
Alter ca. 70 Jahre beträgt. Der gesundheitliche Zustand der Bewohner ist grundsätzlich gut;
momentan sind zwei Personen pflegebedürftig, von denen eine an Demenz erkrankt ist.
Die Gemeinschaft sowie die Zufriedenheit in diesem Projekt zu wohnen, werden von der
Ansprechpartnerin und Bewohnerin als sehr hoch angegeben. Es gibt zwar Interessengruppen, die sich unabhängig von der gesamten Hausgemeinschaft treffen, doch auch innerhalb
der Hausgemeinschaft gibt es viele gemeinsame Aktivitäten. Diese umfassen neben einem
wöchentlichen Treffen Ausflüge, gemeinsame Feste und Feiertage sowie spontane Treffen
und Besuche. Die Organisation dieser gemeinsamen Aktivitäten erfolgt durch die Bewohner
selbst, wobei sich jeder nach seinen Möglichkeiten einbringt.
Innerhalb der Bewohnerschaft gibt es eine starke Bereitschaft zur gegenseitigen Hilfe, die
sich bspw. darin äußerte, dass sich einige Bewohner in palliativer Betreuung weiterbildeten,
um pflegebedürftigen Mitbewohnern das höchstmögliche Maß an Unterstützung und Sicherheit zu bieten. So konnte es z.B. einer Bewohnerin ermöglicht werden, die letzten Lebensmonate in ihrer Wohnung zu verbleiben. Ansonsten werden Pflegedienstleistungen im Bedarfsfall über einen ambulanten Pflegedienst erbracht. Ziel ist es aber, allen Bewohnern bis
zu ihrem Tod den Verbleib in der eigenen Wohnung mit gegenseitigen Hilfeleistungen zu
ermöglichen.
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | DARMSTADT:
HAUSGEMEINSCHAFT „SANDBERGHOF“
Erfolg des Projekts
Die Auslastung des Projektes ist als sehr gut zu bezeichnen; alle Wohnungen sind vermietet.
Darüber hinaus haben sich weitere Mitglieder des Vereins in der unmittelbaren Umgebung
angesiedelt. Die Hausgemeinschaft ist gut in die Umgebung integriert, da sie z.B. mit den
Kirchen zusammenarbeitet. Weiterhin finden Nachbarschaftsfeste statt. Weitere Aktivitäten
kann man unter dem Begriff „Großmutter zum Leihen“ zusammenfassen, da z.B. Schularbeiten beaufsichtigt oder Erstklässler zur Schule gebracht werden.
6.3.2
Darmstadt: Hausgemeinschaft „Sandberghof“
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
2006 hat die GbR „Sandberghof – gemeinsam wohnen in Bessungen“ im Darmstädter Stadtteil Bessungen den knapp 560m² großen, denkmalgeschützten Sandberghof aus dem Jahr
1758 bezogen. Das 300m² große Hauptgebäude bildet mit zwei Scheunen und einem Werkstattgebäude ein Ensemble um einen zentralen 250m² großen Hof. Der Sandberghof liegt in
der Nähe des Orangeriegartens sowie zahlreicher Einkaufs- und Versorgungseinrichtungen.
Beim Kauf des Hofes befanden sich die Gebäude
in einem sehr schlechten baulichen Zustand, so
dass von Grund auf saniert werden musste. Die
Bewohner legten dabei Wert auf eine ökologische
Bauweise, so dass Baustoffe recycelt und eine
Solaranlage eingebaut wurden. Neben den ökologischen spielten auch die denkmalpflegerischen
Aspekte eine Rolle, so dass in der althergebrachten Lehmbauweise gebaut wurde und die Gestaltung der Fenster in Form von DrehflügelSprossenfenstern aus Eiche umgesetzt wurde.
Die Vorlaufzeit bis zum Einzug zog sich, auch aufgrund dieser umfangreichen Maßnahmen,
über mehrere Jahre hin. Anstoß für dieses Projekt war eine Zeitungsannonce, in welcher
Interessierte für eine „Wohngemeinschaft für jung und alt“ gesucht wurden. 1997 kam es
daraufhin zum Treffen von ca. 30 Interessenten, welche unter Anleitung einer Projektbegleiterin Ideen formulierten und Pläne entwickelten. Zu dieser Projektgruppe gehörte bereits ein
Teil der späteren Bewohner. Anfang 2002 trennte die spätere Bewohnergruppe sich allerdings von der Gruppe, da sich noch keine klaren Entscheidungen herauskristallisiert hatten.
Währenddessen erfuhren die späteren Bewohner von einer städtischen Immobilie, die zum
Verkauf stand. Im Sommer 2002 war die Gruppe schließlich komplett und die konkreten Vorbereitungen für die Realisierung konnten beginnen. Die Bewohner konnten somit alle das
Konzept von Anfang an mitentwickeln.
Die Umsetzung des Projekts erfolgte in Form einer Eigentümergemeinschaft. Die Bewohner
erhielten mit Ausnahme von geringfügigen Auszeichnungen und Preisen im Zuge der Sanie-
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | DARMSTADT:
HAUSGEMEINSCHAFT „SANDBERGHOF“
rung keine direkte finanzielle Unterstützung oder öffentliche Förderung. Allerdings ergaben
sich durch die Ausnutzung von Abschreibungsmöglichkeiten („Denkmal-AfA“) steuerliche
Vorteile.
Die Gesamtkosten der Sanierung sowie Renovierung beliefen sich auf insgesamt ca. 1,8
Mio. €, wobei diese Summe anteilig durch die Anzahl der Bewohner, sowie der Größe ihrer
Wohnflächen aufgeteilt wurde. Die Gemeinschaftsflächen wurden von den Bewohnern zu
gleichen Teilen finanziert.
Größe des Projekts und Barrierefreiheit
Das Haupthaus des Sandberghofs dient als Wohngebäude und verfügt über insgesamt fünf
Wohneinheiten; vier 2-Zimmer-Wohnungen mit ca. 75m² für Paare, sowie eine 1-ZimmerWohnung mit ca. 50m² für eine alleinstehende Person. Neben den individuellen Wohnräumen gibt es mehrere großzügige Gemeinschaftsräume mit einer Gesamtfläche von ca.
108m². Diese umfassen die ehemalige Scheune mit dem gemeinschaftlichen Wohnzimmer
sowie einem angrenzenden Bad, den Garten bzw. Hof, einen Wasch-, Trockenraum, eine
Sauna, eine Werkstatt, ein Atelier bzw. Gästezimmer und einen Fahrradschuppen.
Das Projekt ist nicht komplett barrierefrei, da die Altbausubstanz erhalten blieb und so nur
eingeschränkte Möglichkeiten vorhanden waren. Die Wohnungen sind daher nur als niedrigschwellig zu bezeichnen und auch der Zugang ist nicht barrierefrei, hier könnte allerdings
durch den Einbau eines Außenhubs Abhilfe geschaffen werden. Das Gemeinschaftswohnzimmer, der Hof sowie ein Teil des Gartens hingegen sind barrierefrei.
Regelungen
Da es sich um ein Eigentümerprojekt handelt, können die Bewohner, nach gegenseitiger
Abstimmung, alle Entscheidungen selber treffen. Schwierigkeiten ergeben sich bei dieser
Rechtsform, etwa im Gegensatz zu einem Mietprojekt, bei der Vergabe von freiwerdenden
Wohnungen. Für diesen Fall haben die Bewohner die Regelung getroffen, dass die Eigentümergemeinschaft über ein An- und Vorkaufsrecht verfügt. Aufgrund des relativ hohen ökonomischen Potenzials könnte die Eigentümergemeinschaft dieses wohl auch ausüben, wobei
gegenwärtig noch Belastungen durch die aufwendige Sanierung bestehen.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Die Bewohner sind zwischen 57 und 69 Jahren alt. Keiner der Bewohner ist pflegebedürftig. Bei eintretender
Pflegebedürftigkeit wollen die Bewohner sich gegenseitig unterstützen, wobei pflegerische Dienste über einen
ambulanten
Dienst
erbracht
werden
sollen.
Das Projekt ist stark gemeinschaftsorientiert, was nicht
57
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MEHRGENERATIONENHAUS „HAUS NOAH“
zuletzt auch an den großzügigen Gemeinschaftsflächen deutlich wird. Dieser Gemeinschaftsgedanke resultiert auch aus dem komplexen Gruppenfindungsprozess und der anstrengenden Umbauphase, die die Bewohner gemeinsam überstanden haben. Bis heute finden regelmäßig gemeinschaftliche Aktivitäten statt; neben einem wöchentlichen „jour fix“,
gemeinsamen Feiern und Kochabenden unternehmen die Bewohner auch Ausflüge zusammen. Diese Aktivitäten finden zum Teil auch zusammen mit Menschen aus der Nachbarschaft des Sandberghofs statt.
Erfolg des Projekts
Die Bewohner gaben alle an, sehr zufrieden mit ihrer Wohnsituation zu sein.
6.3.3
Ludwigshafen: Mehrgenerationenhaus „Haus Noah“
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Das Mehrgenerationenhaus „Haus Noah“ der LUWOGE (Ludwigshafener Wohnungsunternehmen der BASF) in Ludwigshafen wurde nach dem Umbau zur Schaffung von altersgerechtem Wohnraum im Jahr 2008 eröffnet.
Das ursprünglich aus dem Jahr 1972 stammende Haus befindet
sich im Stadtteil Pfingstweide und hat in seiner unmittelbaren Umgebung eine gute infrastrukturelle Ausstattung.
Im Haus befinden sich insgesamt 46 Wohneinheiten mit ca. 90
Bewohnern. Neben einem Angebot an 24 „normalen“ Wohnungen,
zur Miete und Eigentumswohnungen, bietet die LUWOGE im
Rahmen spezieller Stockwerkkonzepte 22 altersgerechte Wohneinheiten. Der Altersdurchschnitt liegt bei diesem Wohnkonzept bei
ca. 70 Jahren, in den restlichen Wohnungen hingegen herrscht ein
relativ junger Altersdurchschnitt. Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die 22 altersgerechten Wohneinheiten.
Das Konzept für das Haus Noah wurde von der LUWOGE mit den Bewohnern des Stadtteils
in verschiedenen Arbeitskreisen erarbeitet. Die Treffen wurden von der BauWohnBeratung
Karlsruhe oder von der Initiative VIVA FAMILIA moderiert. Die Entwicklung des Stadtteils
wurde im Zeitraum 1996 bis 2003 durch das Stadtentwicklungsprojekt „Unsere Pfingstweide
soll attraktiver werden“ begleitet. Den ersten Anstoß für das Projekt Haus Noah gab das
Stadtentwicklungsprojekt „Zukunft Leben – Pfingstweide“. Der Umbau wurde durch das BBR
(Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung) im Rahmen des Forschungsprogramms „Innovationen für familien- und altengerechte Stadtquartiere“ in Höhe von 790.000 € unterstützt.
Das gesamte Konzept ist heute ein anerkanntes Modellvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus (ExWoSt-Modellvorhaben). Insgesamt hat die LUWOGE ca. drei
Millionen Euro in das Projekt investiert.
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | LUDWIGSHAFEN:
MEHRGENERATIONENHAUS „HAUS NOAH“
Ziel des Konzeptes war es, Bewohner aller Generationen über ein ausdifferenziertes Stockwerkkonzept hinweg zusammenzuführen und die gegenseitige nachbarschaftliche Hilfe zu
fördern sowie die Integration in den Stadtteil zu gewährleisten. Eine zentrale Rolle innerhalb
dieses Konzeptes spielt die „Netzwerkerin“, die als Ansprechpartnerin für die Bewohner des
Hauses und des Stadtteils fungiert, und deren Aufgabe die Schaffung von Angeboten „von
und für Bewohner“ ist, die Gemeinschaftlichkeit in Haus und Stadtteil stärken sollen.
Größe des Projekts und Barrierefreiheit
Der altersgerechte Wohnraum im Haus Noah besteht aus zwei verschiedenen Konzeptionen.
Im Doppelstockwerk im 8./9. OG befindet sich eine generationenübergreifende Hausgemeinschaft mit insgesamt 10 barrierefreien (DIN 18025-II), abgeschlossenen Mietwohnungen. Die
Zielgruppen für diesen Wohnraum stellen Familien, junge Alte sowie Alleinstehende dar, die
Wert auf gegenseitige nachbarschaftliche Hilfe legen. Die Wohnungen sind zwischen 40m²
und 85m² groß und verfügen über ein bis drei Zimmer. Zusätzlich zu dem privaten Wohnraum gibt es einen über beide Stockwerke reichenden Gemeinschaftsraum mit Küche sowie
Essplatz. Die Nutzung dieses Raumes wird selbständig von der Gemeinschaft geregelt, da
dieser zum privaten Wohnraum gehört. Die Wohnfläche beträgt auf beiden Stockwerken insgesamt 585m² und die Gemeinschaftsfläche 60m².
Das zweite altersgerechte Wohnkonzept ist eine altershomogene Hausgruppe29 im 1./2. OG
und richtet sich vor allem an Senioren sowie an Menschen mit körperlichen Einschränkungen, die sich ein Pflegeangebot sowie hauswirtschaftliche Dienstleistungen wünschen. Diese
1- bis 3-Zimmer-Wohnungen variieren zwischen ca. 22m² und 85m². Die Wohnungen sind
ebenfalls barrierefrei (DIN 18025-II) bzw. zum Teil rollstuhlgerecht. Die Gemeinschaftsflächen umfassen mehrere Räume mit Sitzmöglichkeiten, eine Küche sowie einen Raum, in
welchem von der LUWOGE Waschmaschinen und Trockner zur allgemeinen Nutzung aufgestellt wurden. Die Wohnfläche der Wohngemeinschaft (WG) beträgt insgesamt ca. 525m²,
die gemeinschaftlichen Flächen 105m².
Mietkosten und Dienstleistungen
In der generationenübergreifenden Hausgemeinschaft betragen die Mietkosten durchschnittlich ca. 6,50 €/m² zzgl. Nebenkosten. In der altershomogenen WG beträgt die durchschnittliche Miete ca. 7,00 €/m² zzgl. Nebenkosten. Die Kosten für die Gemeinschaftsflächen sind in
beiden Stockwerkkonzepten im Mietpreis bereits berücksichtigt. Bei der altershomogenen
WG ist ein Betreuungsvertrag an den Mietvertrag gekoppelt. Die Betreuungsleistungen werden durch das DRK erbracht und umfassen u.a. eine wochentägliche Wohnbegleitung durch
eine Bezugsperson, welche durchschnittlich drei Stunden am Tag anwesend ist, sowie einen
29
Es handelt sich vom Grad des Zusammenlebens um eine Wohngruppe, allerdings verfügen die einzelnen Bewohner über eigene separate Wohnungen.
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | LUDWIGSHAFEN:
MEHRGENERATIONENHAUS „HAUS NOAH“
24-Stunden-Hausnotruf. Die monatlichen Kosten hierfür betragen 57,90 € für eine Person,
75,80 € für ein Ehepaar. Weiterführende Dienstleistungen, wie z.B. Dienstleistungen aus
dem pflegerischen Bereich, können darüber hinaus als zusätzliche Wahlleistungen abgerufen werden. Insgesamt gibt es momentan vier Personen, die leicht pflegebedürftig sind. Generell besteht sowohl für die Bewohner der generationenübergreifenden Hausgemeinschaft
als auch für die Bewohner der altershomogenen WG die Möglichkeit, Dienstleistungen über
die Concierge oder die im Haus anwesende Netzwerkerin abzurufen.
Das ökonomische Potenzial der Bewohner des Hauses ist durchschnittlich. Die Wohnungen
sind ehemalige BASF-Werkswohnungen und im Stadtteil sowie im Haus wohnen viele Personen mit BASF-Hintergrund, die zumeist über einen guten Verdienst oder solide Betriebsrenten verfügen.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Neben den Gemeinschaftsräumen in den
einzelnen Stockwerken verfügt das Haus
Noah über einen großzügigen öffentlichen
Bewohnertreff im Erdgeschoss des Hauses.
In diesem werden den Bewohnern des
Hauses sowie den Bewohnern des Stadtteils, Gemeinschafts- und Hilfsangebote
durch die Netzwerkerin angeboten. Diese
umfassen eine Einkaufsgemeinschaft, gemeinsame Mittagessen, kreatives Gestalten, ein Leseforum, psychosoziale Betreuung,
Kommunikationsmöglichkeiten, etc. Im EG befindet sich zudem auch die Rezeption mit einer
Concierge als Ansprechpartnerin, über welche auch Hilfsangebote oder die Vermittlung dieser in Anspruch genommen werden können.
Der Grad an Gemeinschaftlichkeit sowie die Einbindung in die Umgebung bzw. den Stadtteil
wurde durch die Ansprechpartnerin des Projekts als hoch eingeschätzt. Allerdings haben
sich aufgrund der bisherigen kurzen Laufzeit noch keine praxisgestützten Erfahrungswerte
bilden können. Die Organisation der gemeinschaftlichen Aktivitäten erfolgt zum einen durch
die Bewohner selbst, vor allem in der generationenübergreifenden Hausgemeinschaft, zum
anderen durch die DRK-Betreuerin in der altershomogenen WG, sowie durch die Netzwerkerin. Generell ist die Netzwerkerin als die treibende Kraft für das gemeinschaftliche Wohngefühl zu nennen, da bei den Bewohnern (im Gegensatz zu den anderen Projekten) kein ideologischer Hintergrund für den Einzug in ein solches gemeinschaftliches Projekt bestand. Die
Wohnzufriedenheit ist bei allen Bewohnern sehr hoch.
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MEHRGENERATIONENWOHNEN „COSCHÜTZER RUNDLING“
Erfolg des Projekts
Innerhalb eines halben Jahres nach Fertigstellung konnten alle Wohnungen im Haus Noah
vermietet werden. Für die barrierefreien Wohnungen gibt es bereits eine Warteliste. Die Bewohner der Stockwerkkonzepte wurden durch Zeitungsartikel, Mund-zu-Mund-Propaganda,
etc. auf das Projekt aufmerksam gemacht. Der Einzug neuer Bewohner ist von der Passung
in die Gemeinschaft abhängig sowie, da es sich um ein Projekt eines Wohnungsunternehmens handelt, selbstverständlich von der Liquidität. Generell haben die zuständige Mitarbeiterin der LUWOGE und die Kommission die Entscheidungsbefugnis, wobei den Bewohner
ein Vetorecht eingeräumt wird.
6.3.4
Dresden: Mehrgenerationenwohnen „Coschützer Rundling“
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Das 1999 bezogene Wohnprojekt „Coschützer Rundling“
befindet sich mit seinen 18 Eigentumswohnungen im
Dresdner Südwesten in der unmittelbaren Erreichbarkeit
der Waren- und Dienstleistungsangebote des täglichen
Bedarfs. Das Projekt wurde durch die Bewohner ohne
nennenswerte finanzielle Unterstützung umgesetzt, es
gab lediglich einen Anerkennungspreis in Höhe von
1.000 € durch die Dresdner Agenda 21.
Die Idee für das Projekt entstand bereits 1996, als sich 12 Personen getroffen haben, um
sich über gemeinschaftliche Wohnprojekte zu informieren. Bei der Veranstaltung wurden
gemeinschaftliche Wohnprojekte des Architekten Fritz Matzinger vorgestellt, welcher schließlich auch unter Berücksichtigung der Bewohnerwünsche das Konzept für das Projekt „Coschützer Rundling“ entwickelte. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda wurden weitere Bewohner gefunden, während andere auch wieder absprangen. Zum Baubeginn waren schließlich,
mit einer Ausnahme, alle Wohnungen vergeben.
Der Baubeginn erfolgte nach insgesamt ca. 2,5 Jahren Vorlaufzeit im Januar 1999 und der
Einzug der ersten Familien im Juli desselben Jahres. Das ursprüngliche Konzept des Projektes konnte dabei zum Großteil umgesetzt werden. Änderungen gab es lediglich in der Form,
dass dem Projekt finanzielle Grenzen gesetzt waren und so nicht alle Vorstellungen komplett
umgesetzt werden konnten.
Größe des Projekts und Barrierefreiheit
Die 18 Wohneinheiten gruppieren sich entlang des zentral gelegenen Atriums und verfügen
über 68m² − 130m² in Form von mindestens 3-Zimmer-Wohnungen, wobei der Großteil über
vier und mehr Zimmer verfügt. Die Wohnungen haben alle eine eigene Terrasse mit Garten
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | DRESDEN:
MEHRGENERATIONENWOHNEN „COSCHÜTZER RUNDLING“
bzw. eine Dachterrasse. In dem Projekt leben insgesamt 52
Personen, wobei es sich zum Großteil um Familien handelt.
Neben dem privaten Wohnraum gibt es großzügige Gemeinschaftsflächen wie das ca. 300m² große überdachte
Atrium. Von diesem gehen die Wohnungseingänge sowie
weitere gemeinschaftliche Flächen ab wie eine Werkstatt,
ein Trockenraum, ein Fahrradkeller, die Tiefgarage sowie
der ca. 1.000m² große Garten, der an einer Schmalseite
des Gebäudes angrenzt. Diese gemeinschaftlichen Flächen
sind für alle Bewohner zugänglich und das Atrium wird für
verschiedenste Anlässe genutzt. Barrierefreiheit ist in der Anlage nicht gegeben. Das Atrium
und eine Wohnung wurden jedoch zumindest barrierearm (mit barrierefreiem Bad und breiteren Türen) umgesetzt.
Kosten
Die Kosten für den Bau des Projektes beliefen sich insgesamt auf 4,5 Mio. DM. Der Preis für
die Eigentumswohnungen betrug 2.000 DM/m² (bzw. 1022.58 €/m²) ohne Grundstück und
Keller. Die restlichen Kosten wurden durch die Anzahl der Wohneinheiten geteilt. Jährliche
Leistungen fallen darüber hinaus in Form von einer Rücklagenbildung an, mit welcher z.B.
Reparaturen bezahlt werden.
Das ökonomische Potenzial der Bewohner liegt im oberen Mittelfeld. Die berufliche Orientierung der Bewohner zeigt eine deutliche Tendenz zu sozialen Berufen und einer akademischen Ausbildung. Die Bewohner kennzeichnet im Allgemeinen eine sozialinteressierte Einstellung.
Die Zufriedenheit, in dem Projekt zu wohnen, wurde durch die Bewohner mit sehr hoch angegeben. 2002 kam es allerdings aufgrund von erheblichen baulichen Schäden an der gesamten Dachkonstruktion und den Fassaden sowie der nicht gewährleisteten Tragfähigkeit
der Decken zu umfassenden Sanierungsarbeiten, wobei bis heute nicht alle Mängel beseitigt
werden konnten. So bestehen Unzufriedenheiten aufgrund der baulichen Mängel.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Bei dem Coschützer Rundling handelt es sich um ein
Mehrgenerationenwohnprojekt, das bspw. von zwei
Familien mit drei Generationen bewohnt wird. Das Alter
der Bewohner variiert zwischen 3 und 74 Jahren, wobei
die Mehrheit der Bewohner 50 Jahre und älter ist. Von
den Bewohnern ist niemand pflegebedürftig. Falls entsprechende Dienstleistungen gebraucht werden, so sollen diese über einen ambulanten
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | WEIMAR:
MEHRGENERATIONENWOHNEN „WOHNHAUS E.G. W EIMAR“
Pflegedienst abgedeckt werden. Bei alltäglichen Aufgaben besteht aber auch ein hohes
nachbarschaftliches Hilfepotenzial.
Die Gemeinschaftlichkeit ist in diesem Projekt von den Bewohnern bereits als sehr ausgeprägt beschrieben worden, wobei dennoch der Wunsch nach weiteren gemeinschaftlichen
Aktivitäten besteht. Diese umfassen bisher zum einen monatliche Treffen mit der gesamten
Bewohnerschaft, um Aspekte des gemeinschaftlichen Lebens zu klären, aber auch gemeinsame Feiern wie Adventsfeier, Sommerfest, etc. Zum anderen existieren gemeinschaftliche
Aktivitäten, die auf den unterschiedlichen Interessenlagen der Bewohner basieren, wie z.B.
eine Weinprobe, Fußball gucken, etc. Generell laufen diese Aktivitäten unter dem Motto „wer
kommt, der kommt“. Aktivitäten zusammen mit der Nachbarschaft außerhalb des Projekts
waren auch angedacht, wurden aber bisher nicht umgesetzt. Die Bewohner beschreiben das
Verhältnis zu den Nachbarn des Projektes als „normal“.
Die Gemeinschaft hat sich auch bereits in Stresssituationen bewährt. So kam es z.B. im Zuge der umfangreichen Sanierungsmaßnahmen zur finanziellen Unterstützung einzelner Familien durch andere Familien bzw. Bewohner.
Erfolg des Projekts
Die Wohnungen des Rundlings sind alle noch von den ursprünglichen Bewohnern belegt.
Öffentlichkeitsarbeit ist somit nicht notwendig. Eine Fluktuation ist folglich, abgesehen vom
Auszug älterer Kinder, nicht vorhanden. In dem Fall, dass eine Wohnung frei wird, ist es die
Aufgabe des Eigentümers, in Absprache mit der Gemeinschaft einen neuen Bewohner zu
finden. Generell unterliegen alle Entscheidungen den Bewohnern bzw. der Gemeinschaft in
Form von gemeinschaftlichen Mehrheitsentscheiden.
6.3.5
Weimar: Mehrgenerationenwohnen „Wohnhaus e.G. Weimar“
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Im Jahr 1998 wurden die Häuser der Wohnhaus
e.G. Weimar bezogen. Hierbei handelt es sich
um ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt, welches
auf einem ca. 6.000m² großen Grundstück umgesetzt wurde. Die gesamte Wohnfläche beträgt
ca. 2.500m² und verteilt sich auf 26 Reihenhäuser. Es gibt sechs verschiedene Haustypen mit
38m² bis 118m² und mindestens 2,5 Zimmern.
Das Thema des Projektes lautet flächenreduziertes Wohnen mit dem Gemeinschaftshaus als großes Wohnzimmer. Die Ausstattung der
Wohneinheiten war den späteren Bewohnern überlassen, da im Rohbau nur die Nassstrecke
sowie die Treppe ins OG realisiert wurden.
63
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | WEIMAR:
MEHRGENERATIONENWOHNEN „WOHNHAUS E.G. W EIMAR“
Das Projekt liegt in einem Quartier, das den Bewohnern eine Vielzahl von Infrastruktureinrichtungen bietet.
Die Bewohner haben zur Realisierung des Projektes eine Genossenschaft gegründet und
sind somit selbst Mit-Eigentümer der Wohnungen. Sie erhielten für die Realisierung ihres
Projektes zum einen finanzielle Unterstützung aus Landesfördermitteln, zum anderen in
Form einer Sozialförderung vom Land.
Initiator dieses Wohnprojektes war 1994 der Dekan der
Fakultät Architektur an der Bauhaus-Universität Weimar,
Prof. Walter Stamm-Teske. Das Konzept und die architektonische Umsetzung stammen von ihm, wobei die architektonische Vorstellung nach niederländischem Konzept
umgesetzt wurde. Wie insgesamt 30% der ursprünglichen
Bewohner lebt er mittlerweile nicht mehr in dem Wohnprojekt, da er inzwischen ein neues Projekt umgesetzt hat
und dort mit eingezogen ist. Weitere Interessierte wurden
per Mund-zu-Mund-Propaganda auf das Projekt aufmerksam, bis 1996 die Genossenschaftsgründung erfolgte.
Größe des Projekts und Barrierefreiheit
In den 26 Wohneinheiten leben derzeit 63 Bewohner unterschiedlichen Alters. So reicht das
Altersspektrum von 3−76 Jahre, wobei ca. 60% der Bewohner älter als 50 sind. In dem Projekt leben hauptsächlich Paare oder Familien mit meist zwei Kindern.
Die einzelnen Häuser sind nicht barrierefrei. Zur Gruppe der Bewohner gehört allerdings ein
Architekt, der bereits Überlegungen bezüglich der Wohnraumanpassungsmaßnahmen angestellt hat. So können z.B. die unteren Etagen für einen Rollstuhl befahrbar gemacht werden, sofern der Wunsch oder die Notwendigkeit besteht.
Weiterhin besteht momentan die Diskussion darüber, Pflegeplätze in Form eines Neubaus
zu schaffen, auch wenn bislang noch keiner der Bewohner pflegebedürftig ist. Die notwendigen Dienstleistungen würden dann über den Markt bezogen.
Neben dem privaten Wohnraum verfügt das Projekt über großzügige gemeinschaftliche Flächen. Diese umfassen ein 80m² großes Gemeinschaftshaus sowie mehrere Grünflächen, wie
z.B. einen als Anger angelegten Grillplatz und einen Spielplatz.
Kosten
Bei dem Projekt handelt es sich in gewisser Weise um ein genossenschaftliches Mietkaufmodell. Die Bewohner leisten eine monatliche Abzahlung durch den permanenten Erwerb
von Genossenschaftsanteilen. Je nach Wert bzw. Größe des einzelnen Hauses liegen die
monatlichen Belastungen für das Nutzungsentgelt bei einem Mittelwert von etwa 500,00 €.
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | WEIMAR:
MEHRGENERATIONENWOHNEN „WOHNHAUS E.G. W EIMAR“
Von den 26 Haushalten haben 16 bereits 100% „ihres“ Hauses „abbezahlt“, weshalb sie lediglich eine monatliche Nebenkostenpauschale entrichten. Darüber hinaus gibt es sieben
Häuser, die mit öffentlichen Mitteln errichtet wurden. Sie unterliegen der Mietpreisbindung;
zurzeit liegt die Miete bei 4,50 €/m².
Da die Häuser nach dem Niedrigenergiehaus-Standard errichtet wurden, sind die Heiz- und
Nebenkosten sehr niedrig. Zurzeit werden etwa 2,00 €/m² erhoben. Für die Bereitstellung
des Gemeinschaftshauses werden in Abhängigkeit von der jeweiligen Wohnfläche monatliche Beiträge zwischen 8,00 € und 10,00 € pro Haushalt erhoben. Darüber hinaus betragen
die Kosten für die Nutzung des Gemeinschaftshauses ca. 5,00 €/Stunde, wobei 40,00 € nicht
überschritten werden.
Das ökonomische Potenzial der Bewohner ist überdurchschnittlich hoch. Mit ihrer Wohnsituation in dem Gemeinschaftsprojekt sind die Bewohner weitgehend zufrieden.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Die Bewohner des Projektes schätzen die Gemeinschaftlichkeit in dem Projekt. Sie betonen
insbesondere die enge Nachbarschaft der Häuser, die sich bereits aus der architektonischen
Konzeption ergibt. Wichtig sind den Bewohner auch die großzügigen gemeinschaftlichen
Flächen bei gleichzeitig vorhandenen privaten Rückzugsräumen.
In dem Mehrgenerationenwohnprojekt unternehmen die unterschiedlichen Altersgruppen
häufig etwas zusammen. So unternimmt z.B. die Gruppe der Rentner unter sich viele gemeinsame Aktivitäten, wie z.B. einen eigenen Stammtisch oder sie feiern ihre Geburtstage
gemeinsam. Darüber hinaus finden Aktivitäten statt, an welchen die gesamte Bewohnerschaft teilnimmt. Generell hat zwar die Anfangseuphorie bezüglich der Gemeinschaft abgenommen, das grundsätzliche Gemeinschaftsgefühl ist aber weiterhin vorhanden, was sich
auch in der bestehenden Hilfsbereitschaft untereinander äußert.
Erfolg des Projekts
Die Häuser in dem Projekt sind alle belegt und es wird mit einer Warteliste gearbeitet. Auf
dieser befinden sich vorwiegend Freunde und Bekannte der vorhandenen Bewohner. Neue
Bewohner werden aber auch durch die ausziehenden Personen gesucht, wobei die endgültige Entscheidung in Absprache mit dem Vorstand der Genossenschaft getroffen wird. Momentan wird das Ziel verfolgt, mehr Familien mit Kindern in die Gemeinschaft aufzunehmen.
Die Integration des Projekts in die umliegende Nachbarschaft ist nicht besonders hoch, da
das Projekt sich durch eine eher introvertierte Architektur auszeichnet.
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | SCHORNDORF:
MEHRGENERATIONENWOHNEN „MÜHLBACHHAUS“
6.3.6
Schorndorf: Mehrgenerationenwohnen „Mühlbachhaus“
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Das
2007
bezogene
Mehrgene-
rationenwohnprojekt „Mühlbachhaus“ befindet sich westlich von Stuttgart in dem
Ort Schorndorf. Das Projekt zeichnet sich
durch eine integrierte Lage aus, so dass
die meisten alltäglichen Dinge in der unmittelbaren Umgebung erledigt werden können. Darüber hinaus ist auch das Zentrum
Stuttgarts sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.
Die 30 Wohneinheiten des Projektes wurden in U-Form um einen Hof bzw. Garten errichtet.
Bei 23 Wohneinheiten handelt es sich um Eigentumswohnungen, sieben Wohnungen wurden öffentlich gefördert und werden über die „pro… gemeinsam bauen und leben Wohngenossenschaft eG“, vermietet, die sich auf Mehrgenerationenwohnen spezialisiert hat.
Die Initiierung des Projektes Mühlbachhaus erfolgte durch die Lokale Agenda 21-Initiative
„Älter werden in Schorndorf“. Im Rahmen dieser Agenda entstand im Jahr 2002 die Projektgruppe Mehrgenerationenhaus, welche es sich zum Ziel setzte, bis 2007 ein solches Projekt
des gemeinschaftlichen Wohnens umzusetzen. Diese Kerngruppe bestand zunächst aus fünf
bis acht Mitgliedern. 2004 begann die Suche nach einem geeigneten Baugrundstück sowie
nach kompetenten Partnern, wobei die Projektgruppe durch die Wohngenossenschaft und
die Stadt unterstützt wurde. 2006 wurde schließlich die Bauherrengemeinschaft gegründet,
wobei zu diesem Zeitpunkt schon 90% der geplanten Wohneinheiten belegt waren. Interessierte bzw. spätere Bewohner wurden während der Entstehungsphase durch eine intensive
Öffentlichkeitsarbeit
in Form
von
Zeitungsberichten,
Flyern
sowie
Mund-zu-Mund-
Propaganda auf das Projekt aufmerksam gemacht. Insbesondere die Nachfrage nach den
Mietwohnungen überstieg das Angebot um ein Vielfaches.
Größe des Projekts und Barrierefreiheit
Die 30 Wohneinheiten sind zwischen 43m² und 160m² groß. Die Gestaltung der einzelnen
Wohneinheiten war variabel und reicht von 1-Raum-Appartements bis zu Wohnungen mit
vier und mehr Zimmern. Momentan leben 63 Bewohner in unterschiedlichen Haushaltsformen in dem Projekt.
Neben den privaten Wohneinheiten gibt es im Mühlbachhaus zahlreiche gemeinschaftliche
Räume und Flächen. Diese umfassen eine Cafeteria bzw. einen Partyraum (73m²) mit Küche
und angrenzender Terrasse, einen Bewegungs- bzw. Fitnessraum (28m²), einen Kinderraum, einen Kreativraum (ca. 36m²), eine Werkstatt, einen Waschmaschinenraum (ca.
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | SCHORNDORF:
MEHRGENERATIONENWOHNEN „MÜHLBACHHAUS“
60m²), einen Fahrrad-/ Kinderwagenraum (ca. 100m²) sowie eine Boules-Bahn. Darüber hinaus bieten der innenliegende Garten sowie diverse Grünflächen auf dem Gelände weitere
gemeinschaftlich nutzbare Flächen. Ähnlich wie bei den Gemeinschaftsräumen (z.B. der
Kinderraum) ist auch ein Teil der Freiflächen bestimmten Zielgruppen vorbehalten (bspw. der
Kinderspielplatz).
Die Gebäude bzw. der Innenhof sind barrierefrei nach DIN 18025-II. Teilbereiche sind sogar
rollstuhlgerecht. Die Anlage wurde weiterhin unter ökologischen Aspekten erstellt. So gibt es
bspw. eine Grauwasseranlage sowie Erdwärmepumpen.
Kosten
Die Eigentumswohnungen hatten einen Quadratmeterpreis von 2.050 €. Der Mietpreis in den
sieben öffentlich geförderten Wohnungen beträgt ca. 4,35 €/m². Zwei der 23 Eigentumswohnungen sind weiterhin durch die Eigentümer privat, zu etwas höheren Mietpreisen vermietet.
Das ökonomische Potenzial der Bewohner ist unterschiedlich hoch. So leben in den öffentlich geförderten Mietwohnungen Menschen mit einem niedrigen ökonomischen Potenzial,
wohingegen die Besitzer/Bewohner der Eigentumswohnungen zumeist über ein durchschnittliches Einkommen verfügen. Bezüglich der beruflichen Hintergründe ist eine Tendenz zu
Berufen mit einem sozialen Schwerpunkt festzustellen.
Die Zufriedenheit der Bewohner, in dem Projekt zu wohnen, ist sehr hoch. Wünsche bzw.
Gründe für eine Unzufriedenheit wurden in der Richtung geäußert, dass es diverse Baumängel gibt, welche behoben werden müssen.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Die Bewohner dieses Projektes sind zwischen 2 und 80 Jahren alt, wobei das durchschnittliche Alter bei ca. 42 Jahren liegt. Dabei beträgt der Anteil der Älteren an der Bewohnerschaft
ca. 32%.
Fünf Bewohner des Projekts sind momentan pflegebedürftig, allerdings nicht altersbedingt,
sondern aufgrund körperlicher und/oder geistiger Beeinträchtigungen. Unter den Bewohnern
besteht eine gegenseitige Bereitschaft zur Unterstützung im Krankheits- und Pflegefall, es wurde
aber festgelegt, dass keine Pflegeleistungen
durch die Nachbarn erfolgen sollen. Für den Fall,
dass Bewohner auf unterstützende Dienstleistungen angewiesen sind, sollen Angebote des freien
Marktes in Anspruch genommen werden.
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | HAMBURG:
DEMENZ-WG, HAUSGEMEINSCHAFT, TAGESPFLEGE „HAUS AM KANAL“
Die Gemeinschaft bzw. das Gemeinschaftsgefühl unter den Bewohnern des Projektes befindet sich aufgrund der bisherigen kurzen Laufzeit noch im Aufbau. Zurzeit findet einmal im
Monat eine Hausversammlung statt. Obendrein bringt sich jeder Bewohner nach seinen
Möglichkeiten in die Gemeinschaft ein, so dass bereits mehrere Initiativen (auf freiwilliger
Basis) existieren, wie z.B. Kochen, Chor, Kindervorlesen, Kinderbetreuung, etc., die über ein
schwarzes Brett kommuniziert werden. Darüber hinaus gibt es Teams, die für die Organisation bestimmter Bereiche des Gemeinschaftslebens sowie für die Verwaltung des Projekts
generell, wie z.B. die Pflege der Grünflächen, zuständig sind.
Erfolg des Projekts
Zurzeit sind alle Wohnungen im Mühlbachhaus belegt. Daher ist die gezielte Suche neuer
Bewohner im Moment nicht notwendig. Öffentlichkeitsarbeit betreibt das Projekt in gewissem
Maße über seine Homepage, Zeitungsberichte und Interviews. Beim Zuzug neuer Bewohner
hat die Hausgemeinschaft ein Mitspracherecht.
6.3.7
Hamburg: Demenz-WG, Hausgemeinschaft, Tagespflege „Haus am Kanal“
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Der Verein „Alter und Pflege e.V.“ hat 2004 im Hamburger Stadtteil Dulsberg das „Haus am
Kanal“ eröffnet. Dieses vereint unter seinem Dach verschiedene Leistungsbereiche, die das
Leben im Alter betreffen. So gibt es hier eine Demenz-WG, eine Hausgemeinschaft sowie
eine Tagespflegeeinrichtung. Das Projekt ist integrativ angelegt, da hier pflegebedürftige und
gesunde Personen unter einem Dach zusammenwohnen. Das Projekt liegt in der unmittelbaren Erreichbarkeit aller Waren- und Dienstleistungsangebote des alltäglichen Bedarfs.
Bei dem Gebäude handelt es sich um einen
Neubau. Die Finanzierung der Gesamtkosten
von 3,32 Mio. € erfolgte zum Teil aus Eigenmitteln, der größte Teil wurde aber durch öffentliche Gelder erbracht. Zu den Geldgebern
zählten hierbei das Bundes-ministerium für
Gesundheit (2 Mio. €), die Hamburgische
Wohnungsbaukreditanstalt
(1 Mio. € zins-
günstige Darlehen und Zu-schüsse) sowie die
Freie und Hansestadt Hamburg (250.000 € als zweckgebundene Zuschüsse).
Das Konzept des Wohnprojekts stammt von dem 1997 gegründeten Verein „Alter und Pflege
e.V.“, welcher auch der Gründer und Eigentümer desselbigen ist. Ziel des Vereins ist die
Erarbeitung innovativer Konzepte in der Pflege. Vor der Gründung des „Haus am Kanal“ war
der Verein bereits seit mehreren Jahren in der Tagespflege aktiv.
68
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | HAMBURG:
DEMENZ-WG, HAUSGEMEINSCHAFT, TAGESPFLEGE „HAUS AM KANAL“
Anstoß für den Bau des Hauses gab ein Modell zur Verbesserung der Lebenslage Pflegebedürftiger, das im Rahmen eines Programms zur sozialen Stadtteilentwicklung in HamburgDulsberg durch die „Pflegekonferenz Dulsberg“ entwickelt wurde. Dort wurde das Ziel festgelegt, neue Pflege- und Wohnangebote in Dulsberg zu schaffen. Die konkrete Umsetzung
dieser Ideen übernahm schließlich Ende 1998 der Verein. Die Vorlaufzeit zur endgültigen
Umsetzung betrug im Folgenden mehrere Jahre, da z.B. die notwendigen Gelder sowie ein
geeignetes Grundstück akquiriert werden mussten. Spätere Bewohner der Hausgemeinschaft wurden im Zuge der Vorbereitung durch einen Zeitungsartikel auf das Projekt aufmerksam gemacht und konnten sich so schon in einer frühen Phase an der Planung beteiligen und ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln.
Größe des Projekts und Barrierefreiheit
Die gesamte Anlage wurde barrierefrei nach DIN 18025-II errichtet. Ein Teil der Wohnungen
ist darüber hinaus rollstuhlgerecht. Das Projekt hat eine Gesamtfläche von 2.310m² und einen ca. 100m² großen Bewohnergarten. Die einzelnen Bereiche des Projekts sind, abgesehen von der Tagespflege, auch nur den dort lebenden Bewohnern zugänglich, da es sich um
privaten Wohnraum handelt. Die Tagespflege mit einer Fläche von ca. 300m² ist im Erdgeschoss angesiedelt und unterliegt, im Gegensatz zu den anderen Bereichen, dem Heimgesetz. Die Dienstleistungen werden hier durch den Verein erbracht.
Die rollstuhlgerechte Demenz-WG bietet Platz für sieben demenziell erkrankte Bewohner
und befindet sich im 1. OG. Es gibt sieben ca. 25m² große Wohneinheiten in Form von eigenen kleinen Wohnungen mit separatem Bad/Toilette und Balkon. Zusätzlich gibt es die Gemeinschaftsflächen (Wintergarten, Essküche) mit ca. 95m².
Die 15 Wohneinheiten der Hausgemeinschaft befinden sich im 2. OG sowie im Dachgeschoss. Diese sind 48m² bis 75m² sowie einmalig 90m² groß. Die Gemeinschaftsflächen
werden durch vergrößerte Flure und umlaufende Balkone sowie den Garten gebildet. Darüber hinaus sind die Räumlichkeiten der Tagespflege ab 17 Uhr und am Wochenende nutzbar. Generell kann das Angebot bzw. Programm der Tagespflege von allen Bewohnern genutzt werden.
Mietkosten und Dienstleistungen
Die Miete für die Appartements der Demenz-WG beträgt 5,20 €/m² zzgl. Nebenkosten. Zusätzlich erfolgt eine anteilige Umlage von 5,20 €/m² für die Gemeinschaftsflächen, wobei nur
60m² der Gemeinschaftsfläche angerechnet werden. Ferner fallen monatlich 250 € Wirtschaftskosten sowie die Pflegekosten an. Insgesamt sind die Gesamtkosten mit denen in
einem Pflegeheim vergleichbar. Die Pflegedienstleistungen werden über einen ständig präsenten ambulanten Pflegedienst erbracht.
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | HAMBURG:
DEMENZ-WG, HAUSGEMEINSCHAFT, TAGESPFLEGE „HAUS AM KANAL“
Von den 15 Wohneinheiten der Hausgemeinschaft sind 12 öffentlich gefördert. Auch hier
beträgt die Kaltmiete 5,20 €/m². In den drei frei finanzierten Wohnungen liegt die Miete bei
7,20 €/m². Voraussetzung für den Einzug in eine der Wohnungen ist der Bezug einer Rente.
Momentan ist keiner der Bewohner pflegebedürftig. Prinzipiell werden alle Dienstleistungen
in der Hausgemeinschaft über ambulante Pflegedienste erbracht und sind somit nicht von
vorneherein integriert.
Das ökonomische Potenzial der Bewohner des „Haus am Kanal“ ist durchschnittlich und die
Bewohner stellen einen Querschnitt aller Bevölkerungsgruppen dar. Ein Ziel dieses Projektes
ist es, Synergieeffekte bei den Kosten zu schaffen. So haben z.B. die Bewohner der Hausgemeinschaft die Möglichkeit, das Pflegepersonal der Demenz-WG bei eventuellem Hilfebedarf anzusprechen. Weiterhin besteht selbstverständlich die Möglichkeit, sich durch Hilfeleistungen zu unterstützen oder Ansprechpartner des Vereins vor Ort anzusprechen.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Der Grad an Gemeinschaftlichkeit wird durch den Ansprechpartner des Projekts sowie durch einige Bewohner der Demenz-WG und der Hausgemeinschaft als sehr hoch bezeichnet. Dies äußert sich durch gegenseitige Hilfeleistungen im
Krankheitsfall, gemeinsame Spielabende, Ausflüge, wöchentliches Frühstück, etc. Das Alltagsleben sowie Ausflüge in der
Hausgemeinschaft werden durch die Bewohner, zum Teil mit
Unterstützung, selbst organisiert bzw. in der Demenz-WG durch das Pflegepersonal moderiert. Feste, die das ganze Haus betreffen, werden durch den Geschäftsführer des Vereins
organisiert. Weiterhin gibt es Feste und Veranstaltungen, bei welchen auch die Bewohner
der Umgebung des Hauses integriert werden. Die Bewohner haben einen starken Einfluss
auf Entscheidungen, die für das alltägliche Leben von Bedeutung sind. Sie können beispielsweise mit über die Belegung der Wohnungen entscheiden.
Erfolg des Projekts
Das Projekt hat in all seinen Teilbereichen eine gute Nachfrage; für die Hausgemeinschaft
sowie die Demenz-WG gibt es Wartelisten. Öffentlichkeitsarbeit ist daher nicht notwendig.
Die Bewohner sind mit ihrer Wohnsituation äußerst zufrieden.
70
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | KÖLN:
DEMENZ-WG „ZUM ROSENGÄRTCHEN
6.3.8
Köln: Demenz-WG „Zum Rosengärtchen“
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Die Demenz-WG „Zum Rosengärtchen“ in Köln wurde
2007 gegründet. Das Projekt besteht aus zwei barrierefrei umgebauten und zusammengelegten Wohnungen in
einem Gebäude in Köln-Bickendorf und liegt in der unmittelbaren Erreichbarkeit der Waren- und Dienstleistungsangebote des täglichen Bedarfs. Das denkmalgeschützte Haus aus dem Jahr 1923 bietet den Bewohnern der Demenz-WG eine Wohnfläche von 272m² sowie einen geschützten 200m² großen
Garten. Der Garten ist nicht barrierefrei, der Zugang erfolgt über eine an das Wohnzimmer
angegliederte Treppe. Eigentümer der Wohnung sowie des Gartens ist das kommunale
Wohnungsunternehmen Kölns, die GAG Immobilien AG, welche auch den Umbau der Wohnungen finanziell getragen sowie das Konzept entwickelt hat. Es erfolgte keine finanzielle
Unterstützung durch den Bund oder das Land, lediglich eine Anfangsspende der ErnstKassel-Stiftung der GAG. Da es sich bei dem Projekt um ein Bestandsobjekt handelte, kam
es insgesamt zu einer relativ langen Vorlaufszeit von ca. zwei Jahren, da die Wohnungen vor
dem Umbau zunächst entmietet werden mussten.
Größe des Projekts und Barrierefreiheit
Das Projekt bietet insgesamt Platz für acht Bewohner. Die Bewohner verfügen jeweils über
ein eigenes Zimmer mit durchschnittlich ca. 15m². Die Zimmer sind, ebenso wie die Wohnung, barrierefrei nach DIN 18025-II. Neben dem privaten Wohnraum teilen die Bewohner
sich drei Badezimmer sowie ein separates WC. Zwei der Badezimmer sind rollstuhlgerecht,
das dritte Badezimmer sowie das WC sind nicht barrierefrei. Beim Umbau wurde auf die vollständige Barrierefreiheit verzichtet, da dieses Bad die Bewohner an ihr ehemaliges Badezimmer erinnern soll, um so eine bessere Orientierung zu gewährleisten. Weitere Gemeinschaftsräume in dem Projekt stellen die Flure, der Balkon, die Wohnküche, das Wohnzimmer
sowie der Garten dar. Die Gemeinschaftsfläche beträgt, abzüglich des Gartens, ca. 124m².
Mietkosten und Dienstleistungen
Die Kosten für die Gemeinschaftsflächen werden anteilig von den Bewohnern übernommen.
Die Mietkosten betragen 6,50 €/m², zzgl. Nebenkosten. Neben den reinen Wohnkosten zahlen die Bewohner monatlich 240 € Haushaltsgeld, mit welchem Essen, Basismittel der Körperpflege, Putzmittel, Strom, etc. finanziert werden.
Die Pflegedienstleistungen werden von der Diakonie erbracht. Hierfür fallen monatlich 880 €
für die Tagesstrukturierung, d.h. Anleitung und hauswirtschaftliche Hilfen durch das Pflegepersonal, sowie 466 € für die Nachtbereitschaft vor Ort an. Weitere Pflegeleistungen werden
71
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | WUPPERTAL:
DEMENZ-WG DER GWG W UPPERTAL
individuell abgerechnet. Tagsüber sind stets zwei Personen, nachts eine Person des Pflegedienstes anwesend. Generell gibt es etwa elf Personen des Pflegedienstes, welche sich mit
dem Dienst in der WG abwechseln. Da die Wohngruppe in Form einer GbR organisiert ist,
sind zudem 40,00 €/Monat für organisatorische Aufwendungen fällig. Der ökonomische Status der Bewohner ist sehr unterschiedlich. Oft zahlen die Angehörigen und/oder die Sozialhilfeträger einen Teil der Kosten. Diese sind höher als bei einem Verbleib im Heim, dafür stehen dem aber eine höhere Lebensqualität und Wohnzufriedenheit der Bewohner gegenüber.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Die Bewohner des Projekts sind alle demenziell erkrankt. Das durchschnittliche Alter beträgt
ca. 74 Jahre, wobei der jüngste Bewohner 55 und der älteste 89 Jahre alt ist. Die Gemeinschaft ist in diesem Projekt sehr stark ausgeprägt, was sich allein schon durch die gemeinsame Nutzung der Bäder, Küche, etc. sowie die gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten ergibt. Neben der alltäglichen Gemeinschaft finden darüber hinaus gemeinschaftliche Feiern
wie Geburtstage, Karneval, Ausflüge, etc. statt. Die Organisation bzw. Initiierung dieser Aktivitäten erfolgt über die Bewohneri selbst bzw. über deren Angehörige. Der Pflegedienst
übernimmt hauptsächlich die Strukturierung des Alltagslebens. Die Bewohner bzw. deren
Angehörige haben als Gesellschafter der GbR die Möglichkeit, alle relevanten Entscheidungen maßgeblich zu beeinflussen bzw. mitzutragen. Dies schließt die Auswahl neuer Bewohner und die Wahl eines Pflegedienstes ein.
Erfolg des Projekts
Die Nachfrage ist sehr gut, so dass die Betreiber bereits mit einer Warteliste arbeiten. Zielgruppe des Projekts sind dabei Personen aus dem umliegenden Quartier, da es auch der
Quartiersbezug ist, der die Besonderheit dieses Projekts ausmacht. Es finden Stadtteilfeste,
Kaffeetrinken oder Spaziergänge mit den Bewohnerinnen und den Nachbarn statt. Den Bewohnern bleibt somit auch in der Demenz-WG das gewohnte nachbarschaftliche Umfeld erhalten.
6.3.9
Wuppertal: Demenz-WG der GWG Wuppertal
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Die Wohngemeinschaft der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft mbH Wuppertal
(GWG) für demenziell Erkrankte im Stadtteil Elberfeld existiert seit 1997. In der für ältere
Menschen fußläufigen Erreichbarkeit finden sich alle Waren- und Dienstleistungsangebote
des täglichen Bedarfs. Die WG hat eine Wohnfläche von 240m². Ein Garten ist nicht vorhanden, allerdings gibt es für die Bewohner einen gemeinschaftlichen Balkon. Darüber hinaus
kann der angrenzende Kirchplatz als Grünfläche genutzt werden. Die Initiatoren des Projekts
72
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | WUPPERTAL:
DEMENZ-WG DER GWG W UPPERTAL
sind die GWG und die Caritas. Das Konzept stammt von der Caritas und beinhaltet den
Grundsatz, die Mobilität und Aktivität der Bewohner so lange wie möglich zu erhalten.
Größe des Projekts und Barrierefreiheit
Insgesamt wohnen acht demenziell erkrankte Personen in der WG. Die privaten Zimmer der
Bewohner wurden mit den eigenen Möbeln eingerichtet und sind jeweils ca. 15m² groß. Neben den privaten Räumen gibt es gemeinschaftlich zu nutzende Flächen, zu welchen die
Wohnküche und das Wohnzimmer mit insgesamt ca. 58m² gehören, eine Abstellkammer, die
Flure, ein Gästezimmer, drei Badezimmer mit Dusche/Badewanne sowie eine separate Toilette. Alle Räumlichkeiten der WG sind barrierefrei nach der DIN-Norm 18025-I.
Mietkosten und Dienstleistungen
Eigentümer und Vermieter der Wohnung ist die GWG, die Einzelmietverträge mit den Bewohnern abgeschlossen hat. Die Miete beträgt monatlich 215 € zzgl. Nebenkosten. Zusätzlich sind monatlich 125 € in die Gemeinschaftskasse zu zahlen, wovon der Einkauf von Lebensmitteln und Hygieneartikeln finanziert wird. Die monatlichen Pflegekosten betragen bei
einer Person mit Pflegestufe I ca. 1.800 €/Monat, d.h. für die Bewohner fallen Pflegekosten
in Höhe von ca. 1.500 €/Monat an, wobei der Sozialversicherungsträger bei allen Bewohnern
die Kosten übernimmt. Der ökonomische Status der Bewohner ist somit relativ niedrig.
Die pflegerische Betreuung der Bewohner erfolgt durch die Caritas, wobei stets zwei Personen als Präsenzkräfte vor Ort sind. Die Angebote der Pflegekräfte beinhalten u.a. hauswirtschaftliche Dienste sowie die Tagesstrukturierung. Dabei gibt es ein Stammpersonal, um den
Bewohnern feste Bezugspersonen zu garantieren. Die Kosten der WG sind höher als beim
Verbleib in einem Pflege- oder Altersheim, allerdings wird auch hier die Zufriedenheit der
Bewohner durch die Ansprechperson sehr positiv eingeschätzt. Als ein Indiz hierfür kann die
Reduzierung der Psychopharmaka-Dosierungen sowie eine erhöhte Mobilität der Bewohner,
die zuvor in einem Heim gelebt haben, gesehen werden.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Voraussetzung für den Einzug in die WG ist eine
ärztlich diagnostizierte Demenz sowie das Vorliegen von mindestens Pflegestufe I und höchstens
Pflegestufe II. Ebenso ist eine relative Selbständigkeit, motorische Fähigkeiten, Gruppenfähigkeit
bzw. das Passen in die vorhandene Gruppe (sowie Wuppertal als Wohnort) Voraussetzung zum
Einzug. Das Alter der Bewohner variiert zwischen 75 und 92 Jahren.
Die Gemeinschaftlichkeit ist sehr wichtig, da ein gewisses Maß an Gemeinschaft aufgrund
der gemeinsamen Nutzung von Bädern und Küche sowie der kollektiven Tagesstrukturierung
73
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE |DUISBURG:
SENIORENBÜRO UND BEGEGNUNGSSTÄTTE DER W OHNUNGSGENOSSENSCHAFT DUISBURG-SÜD EG
unausweichlich ist. Der gemeinsame Tagesablauf umfasst Aktivitäten wie Gedächtnistraining, Bastelangebote sowie Integration in Dinge des alltäglichen Lebens, wie z.B. Kochen,
etc. Daneben gibt es gemeinsame Feste wie Geburts- oder Feiertage. Die Organisation dieser Aktivitäten erfolgt über die Caritas sowie über die Bewohner bzw. deren Angehörige,
welche ein hohes Engagement zeigen. Die Entscheidungsmacht bezüglich der Gestaltung
des Alltagslebens liegt aber letztendlich bei den Bewohnern selbst bzw. ist abhängig von
ihrer Tagesverfassung. Auch die Wahl des Pflegedienstes obliegt den Bewohnern bzw. deren Angehörigen.
Erfolg des Projekts
Die Auslastung des Projektes ist sehr gut und es wird mit einer Warteliste gearbeitet. Öffentlichkeitsarbeit ist nicht notwendig, da eine hohe Nachfrage vorherrscht.
6.3.10 Duisburg: Seniorenbüro und Begegnungsstätte der
Wohnungsgenossenschaft Duisburg-Süd eG
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Bei diesem Projekt handelt es sich nicht um ein zusammenhängendes gemeinschaftliches
Wohnprojekt. Zwar gibt es auch in diesem Projekt Seniorenwohnungen, der Schwerpunkt
liegt jedoch in der Einbeziehung eines ganzen Quartiers in das gemeinschaftliche Konzept.
Die Wohnungsgenossenschaft Duisburg-Süd eG (WOGEDU) hat bereits im Jahre 1992 ein
Beratungsangebot für Senioren aufgebaut, bei dem die Interessenten Beratungsleistungen
zur Pflegeversicherung, zu Hausnotrufsystemen und sonstigen Hilfsmitteln erhielten. Weitere
Dienstleistungen wurden nach Bedarf vermittelt; zudem wurden die Mieter bei der altersgerechten Anpassung von Wohnungen unterstützt und es wurden Selbsthilfeinitiativen, ein Mietertreffpunkt sowie ein ehrenamtlicher Nachbarschaftshilfedienst geschaffen. Anlass für diese Initiative war, dass die WOGEDU sich – wie viele andere Wohnungsgesellschaften auch –
mit den Herausforderungen einer signifikant alternden Mieterschaft konfrontiert sah.
Aufgrund der positiven Rückmeldungen bezüglich des Nachbarschaftshilfedienstes wurde
der Schritt in die Professionalität in Form des 2001 gegründeten Nachbarschaftshilfevereins
e.V. gegangen. Mit diesem sollen Dienstleistungen und Serviceangebote rund ums Wohnen
aufgebaut, die nachbarschaftliche Selbsthilfe gefördert und eine Quartiersgemeinschaft etabliert werden. In der konkreten Umsetzung bedeutete dies, dass der Verein eine Begegnungsstätte betreibt und eine breite Palette an hauswirtschaftlichen Dienstleistungen anbietet. Zu diesen gehören Einkaufs- und Fahrdienste, Haushalts- und Umzugshilfe, kleinere
Reparaturarbeiten, Besuche, Spaziergänge, Vorlesen und Zuhören, etc. Diese haushaltsnahen Dienstleistungen werden von den Nachbarn selbst sowie 21 geringfügig beschäftigten
Mitarbeiterinnen erbracht, die insgesamt rund 200 Haushalte versorgen.
74
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE |DUISBURG:
SENIORENBÜRO UND BEGEGNUNGSSTÄTTE DER W OHNUNGSGENOSSENSCHAFT DUISBURG-SÜD EG
Generell kann als Aufgabe und Ziel der Seniorenberatung sowie des Nachbarschaftshilfevereins das lebenslange Wohnen mit flankierenden Hilfsmaßnahmen angegeben werden.
Darüber hinaus wird bei der Vorbereitung einer anschließenden Wohnform, wie z.B. die Aufnahme in einem Pflegeheim, Unterstützung geleistet, da bei Pflegebedürftigkeit, die über die
Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes hinausgeht, der Verbleib in der eigenen Wohnung nicht möglich ist.
Der Kern des neuen Gemeinschaftslebens im Quartier war jedoch die Errichtung einer Begegnungsstätte, in der zahlreiche Aktivitäten stattfinden. Es gibt Räumlichkeiten, die von den
unterschiedlichen Gruppen genutzt werden können, sowie ein kleines Internetcafé. Im gleichen Gebäude wurde auch die Seniorenberatungsstelle untergebracht.
Größe des Projekts und Barrierefreiheit
Die Begegnungsstätte und das Büro der Seniorenberatung befinden sich in einem Bestandsobjekt der Wohnungsgenossenschaft im Duisburger Stadtteil Neudorf. Warenangebote des täglichen Bedarfs sind in der unmittelbaren Umgebung nicht erreichbar, abgesehen
von einer Physiotherapiepraxis mit Fußpflege im selben Haus. Allerdings gibt es den Nachbarschaftshilfeverein, um über dieses Defizit hinwegzuhelfen.
In der Projektkonzeption wird insgesamt eine starke Quartiersorientierung deutlich. Die Begegnungsstätte steht zwar grundsätzlich allen offen, d.h. auch Personen, die nicht Mieter der
WOGEDU sind, der Schwerpunkt liegt allerdings bei den aktuellen Mietern. Die Seniorenberatung ist für die Mieter der WOGEDU gedacht. Um die Angebote des Nachbarschaftshilfevereins in Anspruch nehmen zu können, muss man Mitglied des Vereins sein sowie im Bestandsgebiet der WOGEDU wohnen. Eine Mieterschaft ist nicht notwendig.
Innerhalb des Quartiers bietet die Genossenschaft 1.500 ihrer 4.200 Duisburger Wohnungen
an. Insgesamt sind 60 Wohnungen seniorengerecht ausgestattet, von denen sich 24 Wohnungen in dem Haus befinden, in dem auch die Begegnungsstätte und das Seniorenbüro
untergebracht sind. Dieses Objekt kann als der „Kern“ der Strategie eines quartiersbezogenen gemeinschaftlichen Wohnens gesehen werden.
Mietkosten und Barrierefreiheit
Die Kosten für die Inanspruchnahme der Dienstleistungen des Nachbarschaftsvereins betragen 12,00 €/Stunde. Hinzu kommen 24,00 € Jahresbeitrag für die Vereinsmitgliedschaft. Der
größte Teil der anfallenden Kosten wird jedoch durch regelmäßige Spenden der WOGEDU
erbracht. Da der Verein gemeinnützig und Mitglied des paritätischen Wohlfahrtsverbandes
ist, dienen die Einnahmen allein der Kostendeckung. Die WOGEDU ist darüber hinaus alleiniger Träger der Seniorenberatung, da deren Angebot für die Mieter kostenlos ist. Das gesamte Konzept des Nachbarschaftshilfevereins mit Beratungs- und Begegnungsstelle wurde
von der WOGEDU entwickelt.
75
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE |DUISBURG:
SENIORENBÜRO UND BEGEGNUNGSSTÄTTE DER W OHNUNGSGENOSSENSCHAFT DUISBURG-SÜD EG
Die Altenwohnungen sind zwischen 45m² (für Singles) und 60m² (für Paare) groß und wurden öffentlich gefördert. Die Miete beträgt ca. 9 €/m² inklusiv Nebenkosten. Die Wohnungen
sind alle vermietet und es existiert eine Warteliste. Das sozioökonomische Potenzial der
Quartiersbewohner ist eher durchschnittlich, weshalb bewusst versucht wurde, auch für den
Nachbarschaftsverein einen günstigen Mitgliedsbeitrag zu erreichen.
Die Mieter der altengerechten Wohnungen sind zwischen 75 und 95 Jahre alt, wobei das
durchschnittliche Alter ca. 85 Jahre beträgt. Im Quartier beträgt das durchschnittliche Alter
ca. 50 Jahre. Voraussetzung zum Einzug in die Altenwohnungen ist ein Alter von mindestens
60 (bei Frauen) bzw. 65 (bei Männern) Jahren oder das Vorliegen einer Schwerbehinderung.
Die Wohnanlage ist barrierearm, die Begegnungsstätte sogar rollstuhlgerecht. Deren Räumlichkeiten umfassen ca. 100m², zusätzlich zu einer Terrasse über mehrere Ebenen mit ca.
300m².
Die Gemeinschaft
Zu den Angeboten der Begegnungsstätte gehören
gesellige Veranstaltungen wie Kaffeetrinken, Fachabende zu rechtlichen Fragen wie z.B. zum Pflegegesetz, Englisch lernen, Gedächtnistraining, Kulturveranstaltungen, Gewaltprävention, etc. Darüber
hinaus finden gemeinschaftliche Feiern wie Sommerfeste, Weihnachtsfeiern, etc. statt. Die Organisation dieser gemeinschaftlichen Aktivitäten erfolgt
über die Seniorenberaterin oder ehrenamtliche Vereinsmitglieder und zum Teil auch durch
die Mieter selbst. Der Grad an Gemeinschaftlichkeit ist innerhalb des Quartiers und des
Hauses als hoch einzuschätzen. Obwohl es sich nicht um ein explizit gemeinschaftliches
Wohnprojekt handelt, gibt es eine starke soziale Vernetzung zwischen den Bewohnern und
auch das Haus ist gut in die Nachbarschaft und das Quartier integriert.
Erfolg des Projekts
Auch in diesem Projekt fühlen sich die Mieter sehr wohl. Viele haben sich positiv zu den
zahlreichen Dienstleistungen geäußert.
76
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | DÄNEMARK/ BOV:
HAUSGEMEINSCHAFT „SENIORBOFÆLLESSKAB TOFTEHAVEN“
6.4
6.4.1
Darstellung der Best-Practice-Beispiele aus dem europäischen Ausland
Dänemark/ Bov: Hausgemeinschaft „seniorbofællesskab Toftehaven“
Allgemeine Daten
Die „seniorbofællesskaber“ stellen eine dänische Form des Wohnens im Alter dar. Allgemein
haben sich die „bofællesskaber“ (Wohngemeinschaften) seit den 1970er Jahren als eine
Form des gemeinschaftlichen Wohnens in Dänemark etabliert, wobei der Fokus auf gemeinschaftlichem Mehrgenerationenwohnen lag. Die Gründung erfolgte zumeist durch die späteren Nutzer und es handelte sich vorwiegend um Eigentumsprojekte. Mittlerweile existiert diese Wohnform aber vornehmlich in Form von privaten Genossenschaften oder im Mietwohnungsbau. Die bofællesskaber für Senioren („seniorbofællesskaber“) gibt es seit fast 20 Jahren und sie erfreuen sich einer großen Nachfrage, so dass es mittlerweile ca. 200 davon in
Dänemark gibt.
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Die hier vorgestellte „seniorbofællesskab Toftehaven“ befindet sich in der Gemeinde Bov, in
der Nähe zur schleswig-holsteinischen Grenze. Es handelt sich bei diesem Projekt nicht um
ein Pionier- oder Modellprojekt, sondern vielmehr um ein ganz normales Projekt dieser Form
des alterspezifischen Wohnens in Dänemark.
Das Projekt besteht aus 15 Wohneinheiten in
Form von eingeschossigen Doppelhäusern mit
insgesamt 1.200m² Wohnfläche, die sich in
Dreiecksform um die zentrale Grünfläche gruppieren. Hinzu kommt ein Gemeinschaftshaus,
das als baulicher Mittelpunkt im Eingangsbereich der kleinen Siedlung liegt. Die Küchen und
Hauseingänge orientieren sich alle zur gemeinschaftlichen Fläche. Vor den Häusern gibt es
kleine Vorgärten und auf der Rückseite befinden sich private Gärten, welche dem Rückzug in
die Privatsphäre dienen.
Eigentümer des Projektes ist die örtliche Wohnungsbaugesellschaft „Padborg Boligforening“.
Der Anstoß für dieses Projekt wurde durch das kommunale Seniorenzentrum sowie politische Unterstützung gegeben. Im Anschluss an Informationstage seitens des Instituts „Boligtrivsel i Centrum“ konnten sich Interessierte zu einem mehrmonatigen Studienkreis der Kommune anmelden, in dem Erwartungen und Einstellungen zur Gemeinschaft konkretisiert werden sollten. Dieser wurde durch Boligtrivsel i centrum begleitet. Im Zuge dieses Studienkreises wurden bereits Entscheidungen getroffen wie die Wahl der örtlichen Wohnungsbaugesellschaft als Träger. Ein weiteres Ergebnis war ein Abschlussbericht über die erarbeitete
77
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | DÄNEMARK/ BOV:
HAUSGEMEINSCHAFT „SENIORBOFÆLLESSKAB TOFTEHAVEN“
inhaltliche Konzeption. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits 15 Paare bzw. Alleinstehende,
die sich als Bewohner für das Projekt eingetragen hatten. Diese Bewohnergruppe konkretisierte schließlich auch mit Unterstützung des ausgesuchten Architekten sowie des Wohnungsunternehmens in einem zweiten Studienkreis das tatsächliche Siedlungsprojekt. Die
spätere Bewohnergruppe fungierte dabei als Bauherr und konnte somit auch Einfluss auf die
spätere Ausgestaltung wie z.B. die Grundrissgestaltung sowie Wahl der Küchen und Bäder
nehmen. Aus Kostengründen sind die Küchen und Bäder zwar einheitlich gehalten, die Bewohner hatten allerdings die Möglichkeit, sich auf eigene Kosten weitere Ausstattungsextras
einbauen zu lassen wie z.B. einen Erker.
Es handelt sich bei der seniorbofællesskab Toftehaven nur indirekt um ein „top-down“ initiiertes Projekt, da das Thema zwar von oben in die Gemeinde eingebracht wurde, die konkrete
Umsetzung aber durch die späteren Bewohner stattfand. Insgesamt betrug die Vorlaufzeit
ca. zwei Jahre. So fand das erste Treffen 1999 statt und der Bezug erfolgte im Jahr 2001.
Größe des Projekts, Barrierefreiheit und Kosten
In den 15 Wohneinheiten, die eine Größe zwischen 58m² – 82m² haben, leben momentan 21
Bewohner. Neben dem privaten Wohnraum gibt es verschiedene gemeinschaftliche Flächen
wie das 122m² große Gemeinschaftshaus mit Festsaal, Küche und Werkraum, einen Fahrradkeller sowie eine Gästewohnung.
Die gesamte Anlage ist als barrierearm zu bezeichnen, die Wohnungen sind z.B. alle ebenerdig zugänglich. Vollständige Barrierefreiheit wurde nicht erreicht.
Die Miete orientiert sich am marktüblichen Mietniveau der Umgebung. Die Kosten für gemeinschaftliche Flächen werden anteilig auf die Miete aufgeschlagen. Darüber hinaus fällt
ein monatlicher Vereinsbeitrag von DKK 25,00 (ca. 3,40 €) an, mit dem gemeinschaftliche
Aktivitäten finanziert werden können. Für die Nutzung des Gästehauses fallen zusätzliche
Kosten nach Aufwand an.
Für Pflegekosten müssen die Bewohner im Bedarfsfall nicht aufkommen, da Pflegeleistungen in Dänemark grundsätzlich staatlich finanziert werden.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Das Alter der Bewohner variiert zwischen dem Mindest-Einzugsalter von 55 Jahren bis zur
Hochbetagtheit. Das Projekt ist sehr stark gemeinschaftlich orientiert.
Neben der Gemeinschaft innerhalb des Projektes ist die Integration in die nähere Umgebung
gelungen, da z.B. Personen aus der Nachbarschaft in das Projekt kommen, um an gemeinschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen.
Das Konzept des Projekts sieht keine gegenseitige Pflege unter den Nachbarn vor. Dennoch
besteht ein gegenseitiges Hilfe- und Unterstützungspotenzial, welches auch neben dem
Mindestalter sowie dem Nichtvorhandensein von Kindern im Haushalt als Aufnahme-
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BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | SCHWEIZ/ ZÜRICH:
PFLEGEWOHNUNG „AM BACH“
bedingung für die seniorbofællesskab gilt. Daneben spielen aber auch das Prinzip der Freiwilligkeit sowie der Respekt vor der Individualität des Einzelnen eine Rolle.
Die Kaufkraft der Bewohner ist durchschnittlich ohne allzu große Einkommensunterschiede
untereinander. Meist handelt es sich um ehemalige Hausbesitzer, was für die Region jedoch
typisch ist. Die Wohnungen sind Teil des sozialen Wohnungsbaus, allerdings ist der Bezug
nicht wie in Deutschland an eine Einkommensgrenze gebunden.
Erfolg des Projekts
Das Projekt ist sehr gefragt, weshalb die Bewohner mit einer Warteliste arbeiten. Bei der
Neubelegung von Wohnungen haben sie das Entscheidungsrecht.
6.4.2
Schweiz/ Zürich: Pflegewohnung „Am Bach“
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Die Pflegewohnung „Am Bach“ wurde 2001 im Züricher Quartier Albisrieden eröffnet. Die Wohnfläche
beträgt insgesamt ca. 200m² und befindet sich im
barrierefrei umgebauten Erdgeschoss eines fünfstockigen Hauses. Ebenso steht den Bewohnern des
Hauses eine große Terrasse mit angrenzenden
Grünflächen zur Verfügung.
Die Wohnung der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Sonnengarten bietet ein großes
Wohn-Esszimmer mit ca. 36m² und eine angrenzende Küche zur gemeinschaftlichen Nutzung. Den Bewohnern stehen außerdem zwei Duschen und drei WCs zur Verfügung.
Die Genossenschaft als Eigentümerin vermietet die Wohnung an die Stiftung „Alterswohnen
in Albisrieden“, die als Trägerin der Wohngruppe mit den Bewohnern Aufenthaltsverträge
abschließt, in welchen die Kosten und Regeln für das Zusammenleben festgelegt sind.
Die Gründung der Stiftung erfolgte aus dem Nachlass der 1984 verstorbenen Alice SchochBockhorn. Sie verfügte, dass ihr Vermögen zum Teil für den Bau und Betrieb einer Alterseinrichtung in Albisrieden genutzt werden sollte, wobei vor allem Personen mit einem niedrigen
ökonomischen Status davon profitieren sollten. Eine Marktstudie ergab, dass kein Bedarf an
stationären Plätzen, stattdessen aber ein Mangel an Plätzen für pflegebedürftige Ältere, besonders mit einer demenziellen Erkrankung, bestand. Die Informationsstelle des Züricher
Sozialwesens wurde daraufhin mit der Planung einer Pflegewohnung beauftragt, wobei das
Modell der dezentralen Pflegestationen in Biel-Seeland als Vorbild diente. 1991 wurde dann
der Trägerverein „Alterswohnen in Albisrieden“ gegründet, welcher 1999 von der gleichnamigen Stiftung abgelöst wurde. Die erste Pflegewohnung wurde im Mai 1992 eröffnet. Mittlerweile gibt es insgesamt fünf Wohnungen unter der Trägerschaft der Stiftung.
79
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | SCHWEIZ/ ZÜRICH:
PFLEGEWOHNUNG „AM BACH“
Das Konzept zielt darauf ab, ein Angebot zwischen Pflegeheim und Privatwohnung zu schaffen. Im Leitbild wurde daher formuliert, die Autonomie der Bewohner in der Pflege, Betreuung und Begleitung unter Rücksichtnahme auf die einzelnen Persönlichkeiten zu fördern.
Dabei liegt bei zwei der Pflegewohnungen der Fokus auf der Betreuung von Migranten aus
dem Mittelmeerraum. Das Stiftungsmodell kann somit flexibel für spezielle Nutzergruppen
angewandt werden.
Mietkosten und Dienstleistungen
In der Pflegewohnung „Am Bach“ gibt es Plätze für sieben Bewohner in drei Einzel- sowie
zwei Doppelzimmern. Die Zimmer können von den Bewohnern individuell mit ihren eigenen
Möbeln eingerichtet werden, wobei ein Pflegebett mit Spezialmatratze bereits vorhanden ist.
Die monatliche Miete variiert, je nach Zimmer, zwischen ca. 4.000 CHF (2.500 €) und 4.900
CHF (3.070 €). Weitere Leistungen wie z.B. die Reinigung der Wäsche werden zusätzlich
berechnet. Die Kosten für Pflegedienstleistungen richten sich nach dem Einstufungs- und
Abrechnungssystem BESA, welches in etwa den deutschen Pflegestufen entspricht. Die
Kosten für eine Person im vierten BESA-Grad betragen bspw. 82,00 CHF (ca. 52,00 €) pro
Tag. Diese Kosten werden von den Krankenversicherern übernommen. Zusätzlich fallen
Kosten für den Betreuungsaufwand an, die sich ebenfalls nach dem BESA-Grad richten (4.
Grad: 50,00 CHF bzw. 32,00 €/Tag).
Weitere Leistungen wie z.B. Begleitdienste werden nach Aufwand berechnet. Kosten, die
weder von der Krankenversicherung noch von der Rente bzw. den regulären Einkommen
getragen werden können, werden ggf. von der Stiftung übernommen. Damit die Krankenkassen Pflegekosten übernehmen, müssen sie die Pflegewohnung offiziell anerkennen.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Die Bewohner sind alle pflegebedürftig bzw. demenziell
erkrankt. Dabei wird bei der Zusammensetzung der
Gruppe darauf geachtet, dass es zu einer Durchmischung von leicht, mittel und schwer Erkrankten kommt.
Die 24-Stunden-Betreuung durch den Pflegedienst umfasst Aufgaben der Tagesstrukturierung, der Betreuung
und Pflege sowie hauswirtschaftliche Tätigkeiten. Dabei
orientieren sich die Mitarbeiter des Pflegedienstes an den individuellen Bedürfnissen und
Gewohnheiten der Bewohner. So ist die Beteiligung an hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, je
nach Verfassung und Bereitschaft der Bewohner, erwünscht und wird gefördert.
Die Gemeinschaft hat dabei, allein schon durch die Wohnsituation, einen vorherrschenden
Charakter. So werden z.B. die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen.
80
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | NIEDERLANDE/HAARLEM:
ANTON PIECK-HOFJE FÜR DEMENZIELL ERKRANKTE
Neben dem gemeinschaftlichen Leben in der Wohnung selbst finden auch gemeinsame Ausflüge in die Umgebung statt und die Integration in die nähere Umwelt bzw. das Quartier wird
gefördert, indem z.B. Spaziergänge, Kirchgang, Besorgungen, Friseurbesuche, etc. den
Kontakt mit den Nachbarn aus der Umgebung aufrecht erhalten.
Erfolg des Projekts
Das Wohnkonzept findet einen großen Anklang, die Wohneinheiten sind alle belegt.
6.4.3
Niederlande/Haarlem: Anton Pieck-Hofje für demenziell Erkrankte
Eigenschaften und Konzeption des Projekts
Das Anton Pieck-Hofje befindet sich in Haarlem, westlich von Amsterdam, und richtet sich an
Personen mit einer demenziellen Erkrankung. Das Projekt besteht bereits seit 1989 und stellt
das erste Wohnprojekt dieser Art in den Niederlanden dar. Es ist nach einem niederländischen Maler benannt, der für seine häuslich-gemütlichen Bilder bekannt ist.
Das Hofje gliedert sich in sechs, im Erdgeschoss gelegene Bungalows für jeweils sechs Personen. Diese Bungalows sind in runder Form um einen zentralen Garten angeordnet. Darüber hinaus gibt es ein Büro, welches sich in die runde Bebauung eingliedert. Der Zugang zu
diesem ist dabei durch ein elektronisches Schloss abgesichert. Ansonsten ist der Zugang zu
den Häusern sowie zum Garten für die Bewohner frei zugänglich. Um den Garten herum,
zwischen Garten und Bungalows, gibt es einen verglasten Wandelgang mit kleinen Sitzgruppen, der Spaziergänge auch bei schlechtem Wetter möglich macht. Diese bauliche Konzeption erlaubt es den Bewohnern, trotz der krankheitsbedingten „Weglauftendenzen“ jederzeit
eigenständig an die frische Luft zu gehen.
Im Obergeschoss des Gebäudekomplexes befinden sich weitere 14 Wohnungen, die ursprünglich für gesunde Angehörige von Bewohnern des Anton Pieck-Hofje gedacht waren, jetzt
allerdings von „normalen“ Mietern bewohnt werden. Eigentümer des Gebäudes ist die Wohnungsbaugenossenschaft Ymere, die das Hofje
an die Stiftung „Stichting Hervormde Diaconale
Huizen“ (shdh) vermietet, welche mehrere Betreuungseinrichtungen in den Niederlanden
betreibt. Diese Stiftung schließt mit den Bewohnern Einzelmietverträge ab und stellt das
Pflegepersonal.
Das Konzept sowie die Betreuungsart für dieses Projekt wurden von dem Psychologen Niek
de Boer sowie dem Pflegeheimarzt Hans Houweling im Pflegeheim Overspaarne entwickelt.
Es sieht eine häusliche Umgebung vor, die hinsichtlich Maßstäblichkeit und Übersichtlichkeit
„normalen“ Wohnformen ähnelt. Somit soll dementen Menschen eine möglichst gewohnte
81
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | NIEDERLANDE/HAARLEM:
ANTON PIECK-HOFJE FÜR DEMENZIELL ERKRANKTE
Umgebung geboten werden. Darüber hinaus spielen Freiheit und Selbstbestimmung in dem
Betreuungskonzept eine zentrale Rolle. Diese umfassende Konzeption war seinerzeit in einem Pflegeheim nicht umsetzbar, weshalb es zur Entwicklung des Hofje kam.
Die Bewohner haben ein eigenes Schlafzimmer mit eigenen Möbeln, das Wohnzimmer, die
Küche und das Badezimmer bzw. die Toilette werden gemeinschaftlich genutzt. In den
Wohngruppen wird weiterhin auf bezugspflegerische Betreuung gesetzt; es gibt feste Teams
für die Wohnungen.
Größe des Projekts und Barrierefreiheit
In dem Projekt leben insgesamt 36 Bewohner, welche sich auf die sechs Wohneinheiten
verteilen. Die Wohnungen sind alle sehr ähnlich gestaltet und verfügen neben den privaten
Schlafräumen (je 12m²) über ein gemeinschaftliches Wohnzimmer mit offener Küche und
Essplatz, ein Badezimmer bzw. Toilette, ein Arbeitszimmer für das Pflegepersonal und einen
Waschmaschinenraum. Insgesamt beträgt der gemeinschaftliche Wohnraum ca. 35m² und
die Wohnungen sind somit ca. 110m² groß.
Die Wohnungen sowie die gesamte Fläche des Projektes können bezüglich ihrer Barrierefreiheit als rollstuhlgerecht eingestuft werden. Zu berücksichtigen ist, dass sich in den letzten
20 Jahren die Standards auch in den Niederlanden deutlich weiterentwickelt haben, weshalb
z.B. die Badezimmer bei heutiger Betrachtung relativ klein wirken.
Mietkosten und Dienstleistungen
Die Wohnkosten betragen 290 € im Monat. Diese Summe beinhaltet die Miete für das eigene
Zimmer und die Nutzung der anderen Räume. Zusätzlich fallen monatlich 245 € für den Lebensunterhalt an.
Pflegerische Dienstleitungen werden durch die shdh erbracht, wobei die Bewohner den Pflegedienst theoretisch frei wählen können, da sie als normale Mieter in dem Projekt wohnen. In
jeder Wohnung steht den Bewohnern tagsüber mindestens eine Pflegeperson zur Verfügung. Nachts gibt es eine Nachtwache für das gesamte Hofje.
Die Pflegekosten werden separat über die Kommune bzw. den Staat abgerechnet. Dabei
wird ein Großteil der Pflegekosten von der öffentlichen Hand übernommen und die Bewohner haben einkommensabhängige Restkosten zu zahlen. Generell liegen die Kosten bei einer ambulanten Versorgungsform, wie sie hier vorkommt, über den Kosten einer stationären
Wohnform.
Neben dem Pflegepersonal spielen die Angehörigen eine wichtige Rolle für das Hofje, die
z.B. beim Einzug die Renovierung des Zimmers übernehmen und sich im alltäglichen Leben
sowie bei Ausflügen einbringen können. Hinzu kommen Freiwillige und Bewohner aus der
Nachbarschaft, die ehrenamtlich kleinere Dinge in den Wohnungen erledigen, Besorgungen
machen oder die Bewohner einfach besuchen.
82
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | NIEDERLANDE/HAARLEM:
ANTON PIECK-HOFJE FÜR DEMENZIELL ERKRANKTE
Die Bewohner entstammen unterschiedlichen Bevölkerungsschichten. Insgesamt sind sie,
soweit sich dies ermitteln lässt, mit ihrer Wohnsituation sehr zufrieden.
Die Wohngruppe und ihre Gemeinschaft
Das Alter der Bewohner variiert zwischen 67 und 96 Jahren. Die Bewohner sind alle demenziell erkrankt, wobei es sich um unterschiedliche Ausprägungen und Schweregrade der Erkrankung handelt. Daher ist die ständige Anwesenheit einer Pflegekraft notwendig, um den
Bewohnern bei der Gestaltung des Tagesablaufs zu helfen. Bezüglich der Gemeinschaftlichkeit wird versucht, möglichst viele Dinge innerhalb der Wohngruppe zu erledigen, um ein
anregendes Umfeld für die Bewohner zu erhalten. So vollzieht sich der Tagesablauf innerhalb der Gemeinschaft der sechs Bewohner. Daher werden auch Tätigkeiten wie das Kochen, Essen oder Wäschezusammenlegen gemeinsam erledigt. Auf diese Weise soll den
Bewohnern eine Orientierung an gewohnten Tagesabläufen ermöglicht werden. Ihnen steht
natürlich die Teilnahme an den Gemeinschaftsaktivitäten frei und bei der Tagesplanung werden ihre Wünsche respektiert.
Erfolg des Projekts
Zurzeit sind keine Wohnungen in dem Projekt frei; die Stiftung shdh führt eine Warteliste.
Öffentlichkeitsarbeit ist aufgrund der langen Laufzeit und dem damit einhergehenden Bekanntheitsgrad nicht notwendig.
83
BEST-PRACTICE-BEISPIELE FÜR GEMEINSCHAFTLICHE W OHNFORMEN: EINE EMPIRISCHE STUDIE | ÜBERSICHT ÜBER DIE EINZELNEN PROJEKTE
Tabelle 1: Übersicht über die einzelnen Projekte
Ort
Art des Projekts
Besonderheit
Baujahr/
Laufzeit
Anzahl WE
Anzahl
Bewohner
Durchschnittsalter Bewohner
Eigentumsform
Hannover
Hausgemeinschaft
Gemeinschaftlich leben, betreuen und wohnen; hoher Grad an nachbarschaftlichen
Hilfeleistungen in Form von Betreuung Pflegebedürftiger und Sterbebegleitung
2001
16
16
ca. 70 Jahre
Miete
Darmstadt
Hausgemeinschaft
Gemeinschaft und Individualität in einem
denkmalgeschützten Haus
1758 mit Vergrößerung im 19.
Jhdt. bzw. 2006
5
9
ca. 63 Jahre
Eigentum
Ludwigshafen
Mehrgenerationenwohnen
„Allengerechtes Wohnen“ statt altengerechtes
Wohnen;
Selbstständigkeit + Hilfe bei Bedarf
2008
insgesamt 46 WE, davon 12 WE
in der Betreuten Wohngruppe
und 10 WE in der 50plus-Gruppe
ca. 90, davon in
den Stockwerkkonzepten: 27
8 - 86 Jahre
Miete und Eigentum (in den
Stockwerkskonzepten nur Miete
zur Steuerung der Belegung/Gruppe)
Dresden
Mehrgenerationenwohnen
Gegenseitige Unterstützung von alt und jung;
Bezug auf den
Rundling; Gemeinschaftsraum als prägende
bauliche Mitte
1999, Sanierung
2002
18
52
vorwiegend ca. 50+
Jahre
Eigentum
Weimar
Mehrgenerationenwohnen,
Siedlungsgemeinschaft
Konsequentes Architekturkonzept, welches
ausschlaggebend für die Gemeinschaft ist;
Wohnen im "Rohbau" und somit relativ preiswertes Wohnen
1998
26
63
ca. 50+ Jahre
Bewohnergenossenschaft
Schorndorf
Mehrgenerationenwohnen
Generationenübergreifendes, gemeinschaftliches und stadtnahes Wohnen für jung und alt
2007
30
63
ca. 42 Jahre
Eigentum und Miete
Hamburg
Demenz-WG, Hausgemeinschaft, Tagespflege
Selbstbestimmtes Altern in eigener Häuslichkeit mit den notwendigen
Hilfeleistungen; drei Ebenen in einem Haus
vereint
2004
Demenz-WG: 7, Hausgemeinschaft: 15
22
Demenz-WG: ca. 80
Jahre, Hausgemeinschaft ca. 73 Jahre
Miete
Köln
Demenz-WG
Quartiersaspekt, -verbundenheit
2007
8
8
ca. 74 Jahre
Miete
Wuppertal
Demenz-WG
Selbstständigkeit mit Sicherheit; soziales
Miteinander als Schutz vor Vereinsamung
1997
8
8
ca. 82 Jahre
Miete
Duisburg
Seniorenbüro und Begegnungsstätte
„Lebenslanger Service für ein ganzes Mieterleben“; an Mieterbedürfnisse angepasste
Hilfsangebote + „ein bisschen mehr“
1992 bzw. 2001
bis heute
1.500 Wohnungen in Neudorf;
davon 24 altengerechte Wohnungen
ca. 85 Jahre
Miete
Bov
Siedlungsgemeinschaft
Geselligkeit Gleichaltriger im eigenen Zuhause
2001
15
Mindestalter 55 Jahre
Miete
Zürich
Pflege-WG
Alt werden in einer häuslichen Umgebung
2001
1
7
ca. 75+ Jahre
Miete
Haarlem
Demenz-WG bzw. Hausgemeinschaft
Den vertrauten Lebensweg weiter beschreiten
trotz demenzieller Erkrankung
1989
36
36
ca. 83 Jahre
Miete
84
EXKURS: DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFTEN. EIN SONDERFALL | KRANKHEITSBILD DEMENZ
7
Exkurs: Demenz-Wohngemeinschaften. Ein Sonderfall
Die Analyse der Erhebungsergebnisse der Best-Practice-Beispiele zeigte, dass zwischen der
Wohnform Demenz-WG und den anderen Wohnformen Unterschiede bestehen, so dass
eine gesonderte Betrachtung der Demenz-WGs angebracht ist. Zunächst werden dafür das
Krankheitsbild einer demenziellen Erkrankung sowie die zahlenmäßige Entwicklung der Erkrankten dargestellt. Anschließend werden die Besonderheiten der Wohnform Demenz-WG
im Unterschied zu den anderen Wohnformen vorgestellt. Den Abschluss bildet eine Übersicht über die Vorzüge dieser Wohnform für die Erkrankten sowie deren Angehörigen. Des
Weiteren wird ein Blick auf die entstehenden Kosten geworfen werden.
7.1
Krankheitsbild Demenz
„Die Demenz ist die häufigste psychiatrische Erkrankung im Alter“ (Landeshauptstadt Düsseldorf 2008: 4). Einhergehend mit einem Abbau von psychischen Funktionen kommt es
nicht nur zu einer Minderung von Intelligenzfunktionen, sondern auch zu einer fortschreitenden Beeinträchtigung der selbständigen Lebensführung. So sind demenziell erkrankte Personen nicht mehr in der Lage, sich allein zu versorgen, und zunehmend auf fremde Hilfe
angewiesen. Eine demenzielle Erkrankung hat einschneidende Veränderungen der Persönlichkeit zur Folge, da sich das Sozialverhalten eines Menschen ändert und es zu emotionalen sowie Antriebsstörungen kommt. (Landeshauptstadt Düsseldorf 2008: 4). Ursachen einer
Demenz können zum einen schädigende äußere Einflüsse auf das Gehirn wie Medikamente
oder Giftstoffe sein, zum anderen kann es zu einer krankhaften Veränderung des Gehirns
selbst kommen (Landeshauptstadt Düsseldorf 2008: 4).
Eine Demenz ist in den meisten Fällen nicht heilbar. Dabei stellt die häufigste Form einer
irreversibel verlaufenden Demenz die primär degenerative Alzheimer Krankheit dar; ca. 60%
der von einer Demenz Betroffenen leiden an dieser Erkrankung. Weitere 20% sind an der so
genannten vaskulären Demenz erkrankt30. Die restlichen 20% umfassen Mischformen der
degenerativen und vaskulären Demenz sowie anderen Ursachen31 (BmFSFJ 2004: 11).
Da die Alzheimer Krankheit die häufigste Form darstellt, soll auf diese im Folgenden etwas
genauer eingegangen werden. Diese Erkrankung ist „eine chronische, langsam fortschreitende Erkrankung des Gehirns“ (Landeshauptstadt Düsseldorf 2008: 4). Folgen dieser Erkrankung sind Störungen des Gedächtnisses, der Sprache, des Denkvermögens, des Erkennens, der Handhabung von Gegenständen und der örtlichen Orientiertheit. Aus der Er
30
Degenerativ verlaufende Demenzen, bei welchen es zu Eiweißablagerungen an den Nerven sowie Synapsen
kommt, zeichnen sich durch einen langsamen Prozess des vorzeitigen senilen Vergreisens aus; vaskuläre Demenzen, welche den Hirnfunktionsabbau durch Gefäßerkrankungen betreffen, haben hingegen einen stufenweisen Verlauf (u.a. Franke/Wilde 2006: 251).
31
Die genauen Zahlen variieren, wobei die generelle Verteilung jedoch die gleiche bleibt.
85
EXKURS: DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFTEN. EIN SONDERFALL | PRÄVALENZ UND INZIDENZ DEMENZIELLER ERKRANKUNGEN
krankung resultieren somit gravierende Beeinträchtigungen des täglichen Lebens, es kommt
zu einer verminderten Leistungsfähigkeit und zur Veränderung der zwischenmenschlichen
Beziehungen (Landeshauptstadt Düsseldorf 2008: 4f).
Die Symptome der Alzheimer Krankheit sind unterschiedlich ausgeprägt, da sie in gewissem
Grad auch vom Ausmaß und Ausbreitung der Veränderungen im Gehirn abhängen, weiter
aber auch durch Persönlichkeit, Ausbildungsniveau, Lebensumstände und körperliche Verfassung beeinflusst werden. Dennoch gibt es typische Erkennungsmerkmale. Zu diesen zählen das Vergessen von zurückliegenden Ereignissen, Schwierigkeiten, sich in der vertrauten
Umgebung zurechtzufinden, Probleme bei der Ausführung gewohnter Tätigkeiten, nachlassendes Interesse an Arbeit und Hobbys sowie Schwierigkeiten beim Treffen von Entscheidungen (Landeshauptstadt Düsseldorf 2008: 6).
Bei der Alzheimer Krankheit werden drei Stadien unterschieden, die unterschiedliche Symptome aufweisen32. Diese setzen schleichend ein und nehmen im Verlauf der Zeit zu, wobei
die Geschwindigkeit dieses Fortschreitens von Fall zu Fall unterschiedlich und nur schwer
vorhersagbar ist. Generell wird die ambulante Versorgung bzw. die Versorgung durch Angehörige mit zunehmendem Schweregrad immer schwieriger bis hin zu unmöglich. Dabei stellen allerdings nicht die physischen Belastungen durch pflegerische Versorgungsmaßnahmen
die größte Schwierigkeit dar, sondern vielmehr das herausfordernde Verhalten der Kranken,
da auch verbale und tätliche Aggressivität zum Krankheitsbild Demenz gehören kann
(BmFSFJ 2002b: 172).
Eine Heilung von der Alzheimer Krankheit ist nicht möglich, da die Nervenzellen sowie die
Synapsen irreversibel geschädigt werden. Es gibt jedoch wirksame und hilfreiche Behandlungsmöglichkeiten wie Medikamente, bestimmte psychologische Verfahren sowie die Anpassung der äußeren Lebensumstände, welche die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer
Angehörigen bessern (Landeshauptstadt Düsseldorf 2008: 6f).
7.2
Prävalenz und Inzidenz demenzieller Erkrankungen
In Deutschland sind ca. 1 Mio. Personen an einer mäßigen bis schweren Demenz erkrankt.
Die Lebenserwartung demenziell erkrankter Personen ist gegenüber gesunden Personen
verkürzt, da die durchschnittliche Lebensdauer vom Beginn der ersten Symptome bis zum
Tod ca. acht Jahre beträgt (BmFSFJ 2002b: 164f).
Der Großteil der Erkrankten (ca. 60%) wird von Angehörigen versorgt; teilweise mit Unterstützung von ambulanten Pflegedienstleistern. Die restlichen 40% werden in Pflegeheimen,
psychiatrischen Kliniken oder ausschließlich von ambulanten Pflegedienstleistern (etwa in
Demenz-WGs) versorgt. Eine demenzielle Erkrankung stellt den mit Abstand häufigsten
32
Eine Darstellung der Symptome, bezogen auf die verschiedenen Stadien, findet sich u.a. im vierten Altenbericht des BmFSFJ (vgl. BmFSFJ 2002b: 172f).
86
EXKURS: DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFTEN. EIN SONDERFALL | BESONDERHEIT DER W OHNFORM
DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFT
Grund für eine vollstationäre Versorgung in Pflegeheimen dar (BmFSFJ 2004: 11). Dabei hat
der Anteil an Personen mit Demenz in den Pflegeheimen, auch aufgrund defizitärer Versorgungsstrukturen und Begleitangebote für die Erkrankten und ihre Angehörigen, erheblich
zugenommen, so dass die Einrichtungen darauf mit einer Veränderung der Wohnkonzepte in
ihren Häusern (bspw. KDA-Hausgemeinschaften) reagiert haben (MBV NRW 2005: 9).
Die Prävalenz (Wahrscheinlichkeit des Auftretens) der Demenz steigt mit zunehmendem
Alter stark an. So beträgt sie bei den 65- bis 69-jährigen lediglich 0,8%, verdoppelt sich aber
im Abstand von jeweils etwa fünf Altersjahren (BFSFJ 2002b: 167) und liegt bei den über 90jährigen bei ca. 28,5%. Dabei scheint die Prävalenz ab dem 80. Lebensjahr vor allem bei
Frauen stärker anzusteigen. Neben der Prävalenz steigt auch die Inzidenz (Neuerkrankungen) mit dem Alter stark an. Diese liegt bei den 65- bis 69-jährigen bei 1,4 pro 1.000 Personen/Jahr, bei den über 90-jährigen hingegen bei 70,2 pro 1.000 Personen/Jahr, wobei wiederum vor allem Frauen betroffen sind, da sich bei Männern eine Abflachung der Inzidenzrate
ab dem 85. Lebensjahr abzeichnet (BmFSFJ 2004: 11). Aufgrund der steigenden Lebenserwartung werden diese Altersgrenzen zukünftig höher liegen können (BmFSFJ 2002b: 54).
Prognosen gehen bis zum Jahr 2020 von einem Anstieg der Patientenzahl auf ca. 1,4 Mio.
und bis 2050 auf mehr als 2 Mio. aus.
Tabelle 2: Entwicklung der Anzahl demenziell Erkrankter
Altersgruppe
2000
2010
2020
2030
2040
2050
65-69
49,8
52,1
58,8
75,0
54,1
54,4
70-74
100,7
133,4
110,1
140,0
151,9
112,2
75-79
170,1
186,4
197,2
228,6
296,3
216,9
80-84
196,0
295,4
402,5
343,8
447,8
495,7
85-89
260,3
304,8
347,6
379,2
469,4
633,9
90+
176,6
183,1
272,0
394,8
382,3
533,1
953,5
1.155,2
1.388,2
1.561,4
1.810,8
2.046,2
Insgesamt
Die Tabelle veranschaulicht die Entwicklung der Zahl von Demenzkranken nach Altersgruppen in Deutschland bei gleich bleibenden altersspezifischen Prävalenzraten (Angaben in
1.000) (BmFSFJ 2002b: 181f).
7.3
Besonderheit der Wohnform Demenz-Wohngemeinschaft
Menschen, die an einer demenziellen Erkrankung leiden, sind stärker als andere Personen
auf ein behütetes Wohnumfeld angewiesen, um eine eigenständige Lebensführung, so weit
es ihre Krankheit erlaubt, aufrechterhalten zu können. Dabei ist das Leben in der Privatwohnung nur mit einer intensiven Betreuung durch pflegende Angehörige möglich, und wenn ggf.
87
EXKURS: DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFTEN. EIN SONDERFALL | DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFTEN IM VERGLEICH ZU
ANDEREN FORMEN DES GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNENS
eine Entlastung durch teilstationäre Einrichtungen erfolgt. Aber auch diese Pflege durch Angehörige kommt mit zunehmendem Krankheitsverlauf an ihre Grenzen, da die Pflegeleistungen für die Angehörigen physisch sowie psychisch äußerst belastend sind. In den meisten
Fällen ist ein Umzug in eine stationäre Einrichtung irgendwann unausweichlich. Zwar gibt es
auch in diesem Bereich äußerst vielversprechende Ansätze wie die bereits erwähnten KDAHausgemeinschaften, aber da die Zahl der Personen mit einer demenziellen Erkrankung
weiter ansteigen wird, steht die Altenhilfe vor einem neuen Dilemma: Die erforderliche Anzahl an Einheiten alternativer Wohnformen kann gar nicht so schnell geschaffen werden, wie
die Zahl der Betroffenen wächst. So ergibt sich auf der Basis der letzten Pflegestatistik für
die nächsten Jahre die Notwendigkeit für die Schaffung von ca. 10.000 neuen Pflegeplätzen
pro Jahr. Darüber hinaus möchte bereits heute der Großteil der Personen, die an einer Demenz erkrankt sind, in ihrem normalen häuslichen Umfeld leben und verbleiben, was vor
allem vor dem Hintergrund des schwindenden familiären Pflegepotenzials ein Problem darstellt (BmFSFJ 2002b: 114f).
Eine Besonderheit des Hilfebedarfs demenziell erkrankter Menschen stellen Hilfspersonen
dar, die einen emotionalen Zugang zu den Erkrankten haben und so zur Bewältigung der
kognitiven Einschränkungen beitragen können33. Daher ist die Versorgung demenziell Erkrankter durch einen ambulanten Pflegedienst oftmals unzureichend, da dass Personal häufig wechselt und die Unterstützungsleistungen zeitlich äußerst knapp bemessen sind. So
stellen vor allem alleinlebende demenziell Erkrankte, die in kein familiäres oder außerfamiliäres Hilfenetz eingebunden sind, eine besondere Problemgruppe dar (BmFSFJ 2002b: 115).
Eine aussichtsreiche Wohnform für Menschen mit demenzieller Erkrankung stellen ambulant
betreute Wohngemeinschaften dar. Zum einen kann eine eigenständige Lebensführung in
einer Privatwohnung bzw. einem privaten Zimmer weitestgehend aufrechterhalten werden,
zum anderen ist das Stammpersonal eines Pflegedienstes vor Ort, um unterstützend einzugreifen.
7.3.1
Demenz-Wohngemeinschaften im Vergleich zu anderen Formen des gemeinschaftlichen Wohnens
Die Demenz-WGs stellen in verschiedener Hinsicht eine Ausnahme im Feld der gemeinschaftlichen Wohnformen dar. Die Bewohner in diesen Projekten haben nicht etwa aufgrund
einer bestimmten Werthaltung oder dem bewussten Verlangen nach gemeinsamen Aktivitäten eine gemeinschaftliche Wohnform gesucht. In der Regel sind die Bewohner der DemenzWGs im Unterschied zu denen anderer gemeinschaftlicher Wohnformen nicht (mehr) in der
Lage, ein komplett eigenständiges Leben zu führen. Daher leben in den WGs Menschen, die
33
Im Gegensatz zu den kognitiven Fähigkeiten bleibt die emotionale Wahrnehmung bei Personen mit Demenz
weitgehend erhalten, so dass der „emotionale Kanal“ den wichtigsten Zugang zu den kranken Menschen darstellt
und Bezugspersonen daher eine bedeutende Rolle spielen (BmFSFJ 2002b: 115).
88
EXKURS: DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFTEN. EIN SONDERFALL | DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFTEN IM VERGLEICH ZU
ANDEREN FORMEN DES GEMEINSCHAFTLICHEN W OHNENS
auf pflegerische Dienstleistungen bzw. eine 24-stündige professionelle Betreuung angewiesen sind. Da diese intensive Betreuung und Pflege in der angestammten Privatwohnung nur
in Verbindung mit hohen finanziellen Kosten zu bewerkstelligen wäre, stellt der Umzug in
eine WG eine mögliche Alternative dar (neben dem Umzug in eine stationäre Einrichtung).
Demenz-WGs sind somit keine biografisch gewachsenen Lebensgemeinschaften, sondern
Zweckgemeinschaften von Menschen, die „selbst oder durch ihre Vertreter34 feststellen, dass
sie aufgrund ihrer Kompetenzeinbußen auf eine umfangreichere professionelle Begleitung
angewiesen sind“ (Alzheimer-Gesellschaft Brandenburg e.V. 2006: 4f). Mit dem Einzug in
eine Demenz-WG wird also das Ziel verfolgt, die hohen Kosten für die Betreuung und Pflege
demenziell Erkrankter durch die Nutzung von Synergieeffekten zu senken und den Bewohnern gleichzeitig eine möglichst lebenswerte Wohnsituation zu bieten.
Demenz-WGs bieten den Bewohnern Sicherheit, welche in der angestammten Wohnung ab
einem bestimmten Zeitpunkt der Erkrankung nicht mehr garantiert ist. Auch die Gewährleistung, dass die Bewohner neben der Pflege anderweitig körperlich versorgt werden (z.B. eine
angemessene Ernährung) ist von Bedeutung. Daneben haben die Bewohner in einer WG ein
hohes Maß an Geselligkeit, da gemeinschaftliche Aktivitäten wie Feiern oder auch gemeinsames Singen erfolgen. Weiterhin können ihnen in diesem Rahmen viele Alltagsaktivitäten
im Haushalt und zusätzliche krankheitsbedingte Aktivitäten (wie z.B. der gesteigerte Bewegungsdrang) ermöglicht werden (BmFSFJ 2002b: 115).
Die räumliche Situation bzw. das Verhältnis zwischen privaten und öffentlichen Räumen ist
ein anderes, als in den übrigen Formen des gemeinschaftlichen Wohnens. Die Bewohner
verfügen nicht über eine eigene abgeschlossene Wohnung, sondern lediglich über ein eigenes Zimmer (in Ausnahmenfällen auch kleine Appartements).
Aufgrund der räumlichen Situation und der Betreuung in den Demenz-WGs ist der (gemeinschaftliche) Alltag in diesen kaum mit dem in einem „normalen“ gemeinschaftlichen Wohnprojekt zu vergleichen. Neben den gemeinsamen Mahlzeiten findet die gesamte Alltagsgestaltung in den gemeinschaftlichen Räumen statt. Daher sind diese hinsichtlich ihrer Dimensionierung und Ausstattung besonders wichtig und die privaten Zimmer dienen lediglich als
Rückzugsmöglichkeit und Schlafplatz.
Weitere Unterschiede zwischen den Demenz-WGs und den anderen Wohnformen gibt es
bezüglich der Barrierefreiheit. Aufgrund der mit einer demenziellen Erkrankung einhergehenden körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen müssen die WGs barrierefrei sein und
über besondere, dem Krankheitsbild entsprechende Ausstattungsmerkmale verfügen, wie
34
Die Selbstvertretung demenziell Erkrankter wird in advokatorischer Weise von den Angehörigen oder gesetzlichen Betreuern wahrgenommen. Bei dieser stellvertretenden Selbstvertretung werden die Bedürfnisse und Interessen des zu Vertretenden berücksichtigt, wobei dessen Wohl im Vordergrund steht. Es bleibt also immer eine
Selbstvertretung erhalten, auch wenn diese nicht mehr selbstständig realisiert werden kann (AlzheimerGesellschaft Brandenburg e.V. 2006:5).
89
EXKURS: DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFTEN. EIN SONDERFALL | WEM BRINGT‘S WAS? AUSWIRKUNGEN DER W OHNFORM
DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFT AUF BEWOHNER UND ANGEHÖRIGE
bspw. Orientierungshilfen oder Maßnahmen zur Vermeidung des Weglaufens. Bei den anderen gemeinschaftlichen Wohnprojekten wurde hingegen oft auf eine barrierefreie Ausstattung
der Wohnung und des Wohnumfelds verzichtet; die gesundheitliche Beeinträchtigung der
Bewohner beim Einzug ist aber auch nicht mit der Situation demenziell Erkrankter zu vergleichen.
Alle in dieser Studie untersuchten Demenz-WGs sind „von oben“ initiiert und nicht von den
Bewohnern geplant worden. Teilweise kam es bei der Gestaltung des Konzepts aber zum
Einbezug von Angehörigen.
In allen besuchten WGs gab es eine sehr starke Nachfrage nach Plätzen. Das führt dazu,
dass mancherorts überlegt wird, das Angebot noch auszuweiten und weitere Plätze bzw.
neue WGs anzubieten. Aufgrund des schon beim Einzug hohen Alters der Bewohner haben
die WGs allerdings auch eine deutlich höhere Fluktuation als andere gemeinschaftliche
Wohnprojekte.
Ein weiterer Unterschied betrifft den sozioökonomischen Status der Bewohner, welcher in
Demenz-WGs niedriger ist als in den anderen betrachteten Wohnprojekten bzw. eher den
gesellschaftlichen Querschnitt repräsentiert.
7.4
Wem bringt‘s was? Auswirkungen der Wohnform Demenz-Wohngemeinschaft
auf Bewohner und Angehörige
Eine demenzielle Erkrankung stellt für den Betroffenen eine schwere Belastung dar. Gleichwohl ergibt sich daraus aber auch eine schwere Belastung für das gesamte Umfeld. Die Demenz führt nie nur zu Beeinträchtigungen des einzelnen Erkrankten, sondern stellt vielmehr
immer auch eine Beeinträchtigung einer Gruppe von Menschen dar (Landeshauptstadt Düsseldorf 2008: 4). Wenn die Pflege durch Angehörige erfolgt, werden diese physisch und psychisch bzw. emotional stark belastet und müssen einen Großteil ihrer Zeit für die Pflege aufbringen. Eine andere Möglichkeit stellt die Pflege und Fürsorge durch einen professionellen
ambulanten Dienstleister dar, diese verursacht aber einen hohen Aufwand und damit verbundene beträchtliche Kosten. Oft ist daher die Unterbringung in einer stationären Einrichtung die einzige Möglichkeit, was allerdings zumeist nicht im Sinne der Betroffenen ist.
Es stellt sich die Frage, inwiefern sich Vorteile der Wohnform Wohngemeinschaft für die demenziell Erkrankten, deren Angehörige und die öffentliche Hand − in Form von Kosteneinsparungen − ergeben35?
Für die Angehörigen demenziell Erkrankter bedeutet der Umzug in eine Demenz-WG eine
physische und zeitliche Entlastung. Ein Großteil der Erkrankten wurde zuvor von Angehörigen unter enormem zeitlichem, physischem und psychischem Aufwand versorgt und gepf35
Die dargestellten Ergebnisse finden sich dabei nicht nur in der themenspezifischen Literatur, sondern wurden
auch im Rahmen der in dieser Studie geführten Experteninterviews bestätigt.
90
EXKURS: DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFTEN. EIN SONDERFALL | WEM BRINGT‘S WAS? AUSWIRKUNGEN DER W OHNFORM
DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFT AUF BEWOHNER UND ANGEHÖRIGE
legt, was in aller Regel zur Überforderung der Angehörigen führt. Über die psychische Entlastung lässt sich streiten, da der Umzug der erkrankten Angehörigen zunächst von einem
gewissen Schuldgefühl begleitet werden kann, da man ihn aus seiner gewohnten Umgebung
nimmt und gewissermaßen in eine Betreuungsform „abschiebt“. Anders sieht die Situation
aus, wenn die erkrankte Person zuvor in einer stationären Einrichtung untergebracht war, da
dieser Umzug von den Angehörigen eher positiv bewertet wird. Weiterhin ermöglichen
Wohngemeinschaften den Angehörigen, sich in Maßen am Pflege- bzw. Betreuungsprozess
zu beteiligen. Dies kann auch zur Reduzierung pflegebedingter Kosten durch einen verminderten Einsatz von Professionellen führen (BmFSFJ 2004: 45f).
Doch nicht nur für die Angehörigen demenziell Erkrankter bietet eine Demenz-WG eine Entlastung, vor allem für die demenzkranken Bewohner selbst ergeben sich positive Effekte.
So hat die Betreuung in einer Wohngruppe zwar keinen Einfluss auf die mit der Erkrankung
verbundenen kognitiven Störungen, es kommt jedoch zu einer Verbesserung des Wohlbefindens und des Verhaltens36 (BmFSFJ 2004: 264). Denn ein Großteil der Verhaltensstörungen
lässt sich durch eine entsprechende Gestaltung der Umgebung und einen angemessenen
Umgang mit den Erkrankten verbessern. Diese Voraussetzungen können in den WGs erfüllt
werden; dort findet sich eine häusliche und den Bewohnern vertraute räumliche Gestaltung
und das Pflegepersonal hat die Möglichkeit, sich aufgrund des besseren Zeitschlüssels auf
die Bewohner einzustellen bzw. einen emotionalen Zugang herzustellen. Eine Zugabe von
Psychopharmaka ist aufgrund der eintretenden Verbesserungen in WGs nur in geringen Dosen bzw. gar nicht notwendig37 (BmFSFJ 2002b: 174). Weiterhin kommt es zu nachlassender
Inkontinenz und auch die Begleitsymptome regelmäßiger Sedierung (wie bspw. Stürze,
Druckstellen durch zu lange Liegezeiten oder zu geringe Flüssigkeitszufuhr) gehen zurück.
Wohngemeinschaften weisen daher eine geringere Zahl von Krankenhausaufhalten auf als
bspw. Pflegeheime (BmFSFJ 2004: 45).
Generell existiert in den Demenz-WGs eine hohe Qualität der Pflege und Betreuung, was
sich positiv auf die Erkrankten auswirkt und Resultat zweier Rahmenbedingungen ist: Zum
einen besteht ein besseres Bewohner-Personal Verhältnis, da es in den WGs in der Regel
möglich ist, dass tagsüber eine Doppelbesetzung für eine Gruppe von sechs bis acht Personen vorhanden ist. Zum anderen orientiert sich die Alltagsorganisation in einem hohe Maße
an „Normalität“ und der Beteiligung der Bewohner. Die Pflege findet also nicht „am Bett“,
sondern am Küchentisch statt. Alltagsweltliche Kompetenzen wie Einkaufen, Putzen, Bügeln,
Haustiere versorgen, Essenzubereitung, etc. werden gefördert, was zum Erhalt motorischer
36
Demenziell bedingte Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität, anhaltendes Schreien oder auch Gefährdung
der Mitbewohner/ Betreuer sowie ein hoher Bedarf an grundpflegerischer Versorgung stellen die häufigsten
Gründe für Verlegungen in stationäre Einrichtungen dar (BmFSFJ 2004: 264).
37
Im Zuge der Experteninterviews wurde mehrfach betont, dass vor allem bei den Bewohnern, die vorher in einer
stationären Einrichtung untergebracht waren, die Gabe von Psychopharmaka eingestellt werden konnte.
91
EXKURS: DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFTEN. EIN SONDERFALL | WEM BRINGT‘S WAS? AUSWIRKUNGEN DER W OHNFORM
DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFT AUF BEWOHNER UND ANGEHÖRIGE
und kognitiver Ressourcen beiträgt und Tendenzen des Rückzugs, der Apathie und Depression vermeidet. Die in den Wohngemeinschaften praktizierte kollektive − durch das Pflegepersonal strukturierte − Gestaltung des Tagesablaufs wirkt sich weiterhin anregend und
angstreduzierend auf die Demenzkranken aus (BmFSFJ 2004: 13, 19, 45f). Neben der pflegerischen Versorgung und Betreuung haben die Wohngemeinschaften somit auch einen
präventiven Charakter, da sie die Fortschreitung der Erkrankung verlangsamen.
Neben den Vorteilen für die Angehörigen und Bewohner zeigen sich aber auch beim Pflegepersonal positive Beobachtungen. So gibt es beim Pflegepersonal in Wohngemeinschaften
einen geringeren Krankenstand als bei Personen, die in der stationären oder ambulanten
Pflege arbeiten, und die Arbeitszufriedenheit ist höher. Auch Tendenzen, den Pflegeberuf
aufzugeben kommen weniger häufig vor als üblich (BmFSFJ 2004: 45f).
Die Demenz gehört zu den teuersten Krankheiten, wobei die Kosten mit zunehmendem
Schweregrad der Erkrankung ansteigen. Die steigende Zahl demenziell erkrankter Personen
und das sinkende familiäre Pflegepotenzial bedeuten daher für das deutsche Gesundheitswesen nicht nur eine Herausforderung bezüglich der Qualität von Behandlung und Versorgung, sondern auch für die Finanzierung38 (BmFSFJ 2002b: 103). Zukünftig kann von einem
weiteren Anstieg der Nachfrage nach professionellen Dienstleistungen ausgegangen werden
und es werden „erhebliche zusätzliche finanzielle Belastungen für die Gesellschaft entstehen“ (BmFSFJ 2002b: 181f). Doch auch wenn die Pflegeversicherung mit ihren Leistungen
die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen unterstützt, besteht gerade (aber nicht nur) für
Menschen mit niedrigem Einkommen bei einer Versorgung im Heim/Wohngemeinschaft ein
finanzielles Risiko, so dass sie auf eine Versorgung durch den Staat angewiesen sind
(BmFSFJ 2002b: 103).
Die Kosten für einen Heimaufenthalt lagen im Jahr 2007 bei durchschnittlich 57 €/Tag (Pflegesatz der Pflegestufe II39), zzgl. 20 € für Unterkunft und Verpflegung und somit monatlich
bei insgesamt ca. 2.344 €40 (Stat. BA 2008b: 23).
Die Kosten für die Unterbringung in einer Demenz-WG beinhalten Kosten für den Wohnraum, die Ausstattung und Renovierung des Wohnraums, für Verpflegung und weitere Verbrauchsgüter des täglichen Lebens sowie Gelder der Pflege und Betreuung einschließlich
hauswirtschaftlicher Hilfen (Alzheimer-Gesellschaft Brandenburg e.V. 2006:19f). Insgesamt
38
Ein Großteil der Kosten wird dabei durch indirekte Kosten (unbezahlter Betreuungsaufwand der Angehörigen,
der fiktiv mit Stundenlohn bewertet wird) verursacht. Bei den direkten Kosten (Zahlungen für professionelle medizinische und pflegerische Hilfe) machen die Kosten der stationären Langzeitbetreuung den höchsten Anteil aus.
Für das Jahr 2000 wurden durchschnittliche Gesamtkosten für einen Alzheimer Patienten in Höhe von 43.767 €
ermittelt (BmFSFJ 2002b: 103).
39
Bei Pflegestufe I liegt der Pflegesatz bei 43 €/Tag und bei Pflegestufe III bei 71 €/Tag.
40
Diese Kosten orientieren sich an der „normalen“ Heimunterbringung und sind nicht auf die spezielle Betreuung
von Demenzkranken ausgelegt wie bspw. im Rahmen der KDA-Hausgemeinschaften (BmFSFJ 2004: 22f).
92
EXKURS: DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFTEN. EIN SONDERFALL | WEM BRINGT‘S WAS? AUSWIRKUNGEN DER W OHNFORM
DEMENZ-W OHNGEMEINSCHAFT AUF BEWOHNER UND ANGEHÖRIGE
können Kosten in Höhe von ca. 3.200 €/Monat angegeben werden41 (BmFSFJ 2004: 22f).
Um die gewünschten Synergieeffekte bei der Pflege zu erzielen, müssen dabei alle individuellen Pflegebeträge in einen Topf geworfen werden, aus welchem die Bewohner die nötige
Pflege gemeinsam einkaufen, da Pflegedienste auf dieser Basis ganz anders kalkulieren und
die gewünschte Doppelbesetzung realisieren können42 (BmFSFJ 2004: 22f).
Ambulant betreute Wohngemeinschaften für demenziell Erkrankte stellen somit im Vergleich
zu den entstehenden Kosten einer Heimunterbringung kein Sparmodell dar. Allerdings bieten
sie bei zumindest ähnlichen Konditionen eine wesentlich höhere Betreuungsdichte als dies in
Pflegeeinrichtungen der Fall ist. Auch kommt es durch die ambulant betreuten Wohngemeinschaften zu einem „echten Paradigmenwechsel (…), der da lautet: Abkehr von einem trägergesteuerten und Hinwendung zu einem nutzergesteuerten Versorgungssystem“ (BmFSFJ
2004: 44). Kostensenkungen bei den WGs sind in dem Sinne möglich, sollten die Angehörigen zu einem stärkeren Diensteinsatz kommen (BmFSFJ 2004: 22f).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass neben einer Steigerung der volkswirtschaftlichen Kosten die zunehmende Zahl Demenzkranker vermehrt Belastungen für Betroffene, Angehörige und Pflegende darstellt. Daher gewinnen Maßnahmen zur Früherkennung,
zur Behandlung sowie zur Betreuung in Zukunft an Bedeutung43 (BmFSFJ 2002b: 181f).
Wohngemeinschaften verursachen also zwar höhere Kosten, bieten den Bewohnern (und
den Angehörigen) allerdings auch ein höheres Wohlbefinden als in einem Heim. Weiterhin
verzögert diese Wohnform aufgrund ihres häuslichen und betreuungsintensiven Charakters
das Fortschreiten der Erkrankung. Bei den in dieser Studie befragten Demenz-WGs herrschte die einhellige Meinung, dass die vergleichsweise hohen Kosten der Unterbringung in Kauf
genommen werden, da mit dem Einzug der Bewohner in die WG von einer deutlichen Steigerung der Lebensqualität ausgegangen werden kann. Dieser Erfolg zeigte sich nicht zuletzt
auch am Gesundheitszustand der Bewohner.
41
Die Gesamtkosten des Wohnens betragen durchschnittlich ca. 470 bis 570 €/Monat, zzgl. der Kosten der ambulanten Pflege von 2.500 bis 3.000 €/Monat (BmFSFJ 2004: 22f).
42
Dabei sollten die Bewohner sich auf einen Pflegedienst einigen, da dieses Modell ansonsten nicht aufgeht.
43
Als eine Schlüsselfigur in diesem Zusammenhang gelten die Hausärzte, da sie regelmäßigen Kontakt zu einem
Großteil der älteren Bevölkerung haben und am ehesten in der Lage sind, psychische Veränderungen wahrzunehmen (BmFSFJ 2002b: 181f).
93
ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE | FREIWILLIG ODER UNFREIWILLIG?
8
Übergreifende Ergebnisse
„Gemeinschaftliches Wohnen: Eine Idee – Viele Möglichkeiten“. So kann man zusammenfassend die Ergebnisse der Studie beschreiben. Denn auch wenn alle Projekte den gleichen
Kern haben, da sie Lebensqualität sowie eine Gemeinschaft schaffen wollen, die über das
„normale“ und oftmals anonyme Wohnen hinausgeht, so ist jedes Projekt für sich doch ein
Unikat, allein schon da es bei jedem Projekt unterschiedliche Einflüsse von außen gab. Aber
auch bezüglich der baulichen Ausgestaltung, der Konzeption, der Entstehungsphase mit
ihren Schwierigkeiten und Hindernissen, der Zielgruppenausrichtung oder auch einfach nur,
weil in jedem Projekt andere, individuelle Menschen leben ergeben sich Unterschiede.
Insgesamt leben (in den untersuchten Projekten) in 213 Wohneinheiten (WE) 311 Bewohner.
Dabei zeigen sich bezüglich der verschiedenen Projekttypen Unterschiede in der Anzahl der
Wohneinheiten sowie der gesamten Bewohneranzahl. Die meisten Wohneinheiten (84 WE)
sowie Bewohner (193 Bewohner) lassen sich bei den Mehrgenerationenwohnprojekten finden, die geringste Anzahl, wie erwartet, bei den Demenz-WGs (66 WE mit 66 Bewohnern).
In diesem Kapitel wird anhand verschiedener Dimensionen untersucht, in welchen Bereichen
der Best-Practice-Projekte sich Gemeinsamkeiten finden lassen oder wo Unterschiede bestehen.
8.1
Freiwillig oder unfreiwillig?
Zwischen den verschiedenen untersuchten Projekttypen lässt sich ein entscheidender Gegensatz konstatieren: Grundsätzlich kann zwischen den Demenz-Wohngemeinschaften und
den anderen Projekttypen unterschieden werden. Die Unterscheidung resultiert aus der Tatsache, dass die Gründung von Demenz-WGs zumeist das Ziel verfolgt, die hohen Kosten für
die Betreuung und Pflege demenziell Erkrankter durch die Nutzung von Synergieeffekten zu
senken und den Bewohnern gleichzeitig eine möglichst lebenswerte Wohnsituation zu bieten. Der Einzug in eine solche Wohnform erfolgt also in erster Linie aus Kostengründen, da
eine so umfangreiche Betreuung, wie demenziell Erkrankte sie benötigen, in den eigenen
vier Wänden der angestammten Wohnung nur schwer finanzierbar ist und die andere Alternative das Heim darstellt, welches von den meisten abgelehnt wird.
Im Gegenzug erfolgt der Einzug in eine andere Form des gemeinschaftlichen Wohnens freiwillig und vor dem Hintergrund des Wunsches, das Wohnen gemeinschaftlicher zu gestalten
und sich z.B. über gegenseitigen Austausch und gegenseitige Hilfeleistungen zu unterstützen. Die Freiwilligkeit ist bezüglich des Einzugs in eine solche Wohnform also das zentrale
Unterscheidungsmerkmal, das die Demenz-WGs von den anderen Wohnformen differenziert.
94
ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE | SOZIOÖKONOMISCHER STATUS DER BEWOHNER ODER
„W ER WOHNT EIGENTLICH IN DIESEN PROJEKTEN?“
8.2
Sozioökonomischer Status der Bewohner oder „Wer wohnt eigentlich in
diesen Projekten?“
In fast allen untersuchten Projekten ist das ökonomische Potenzial der Bewohner recht hoch,
d.h., dass die Haushalte in der Regel über ein relativ hohes Einkommen verfügen. Dies zeigt
sich besonders deutlich in den Projekten mit hochwertigen Eigentumswohnungen. Diese
wurden in den wenigsten Fällen finanziell gefördert. Die Projekte, die eine finanzielle Förderung erhielten, bekamen diese zumeist durch den Bund oder das Land, allerdings zumeist in
kaum nennenswerter Höhe. Projekte, die gezielt im geförderten Mietwohnungsbau errichtet
wurden, stellen eher eine Ausnahme dar.
Die gemeinschaftlichen Wohnformen bzw. die hier untersuchten Projekte appellieren somit
nicht an alle Bevölkerungsgruppen in gleichem Maße, sondern konzentrieren sich in aller
Regel auf Personen mit einem „guten“ ökonomischen Status. Auch bei der Betrachtung des
(ehemaligen) beruflichen Hintergrunds zeigt sich, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen in
gleichem Maße von dieser Wohnform angesprochen werden. Die Bewohnerschaft gemeinschaftlicher Wohnprojekte ist oft von liberalen, intellektuellen Grundhaltungen geprägt: Viele
sind Akademiker und/oder haben in sozialen Berufen gearbeitet – dies gilt zumindest für die
„freiwilligen“ Gemeinschaftsbewohner.
Daneben eint die Bewohner häufig eine „soziale Attitüde“; einer sozialen und offenen Grundeinstellung wird in den meisten Projekten eine hohe Bedeutung beigemessen.
Wichtig ist den Menschen auch die Möglichkeit zur „kreativen Selbstverwirklichung“. Die Bewohner legen Wert auf eine ausgefüllte Freizeitgestaltung. Dies zeigt sich beispielsweise
auch daran, dass in vielen Projekten extra Räume, neben den „allgemeinen“ Gemeinschaftsräumen bzw. -gärten, zur kreativen Betätigung geschaffen wurden. In anderen Befragungen
zeigte sich ein ähnliches Ergebnis, da auch dort die Bewohner vorwiegend aus sozialen Berufen stammen und sich durch Kreativität, Kommunikativität und Engagement auszeichnen
(Novy-Huy 2008: 31,35).
Grundsätzlich lässt sich also festhalten, dass aufgrund des oft hohen ökonomischen Aufwands, der in den meisten Projekten zum Einzug notwendig ist, diese Projekte vor allem
wohlhabende Personen ansprechen sowie Personen, die Berufe im sozialen Bereich
und/oder mit einem akademischen Hintergrund haben. Das Ausschlusskriterium ist dabei der
finanzielle Hintergrund. Personen, die nicht über ausreichend Eigenkapital verfügen, bleibt
diese Wohnform daher oft verschlossen. Gemeinschaftliche Wohnformen reflektieren daher
in gewissem Maße soziale Ungleichheit, da es nicht allen Bevölkerungsgruppen in gleichem
Maße möglich ist in einer solchen Wohnform den Lebensabend zu verbringen44.
44
Allgemein betrachtet werden unter dem Begriff der sozialen Ungleichheit Unterschiede im Bereich des Einkommens, der Bildung und des beruflichen Status verstanden. Weiterhin sind auch die Faktoren Macht und Prestige von Bedeutung. Diese Faktoren ermöglichen es, den sozioökonomischen Status einer Person zu bestimmen.
95
ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE | ÖFFENTLICH VS. PRIVAT:
DAS VERHÄLTNIS VON PRIVATEN UND GEMEINSCHAFTLUCHEN FLÄCHEN
Denn auch wenn die Bewohner in den Interviews zumeist angaben, aus durchschnittlichen
Einkommensverhältnissen zu stammen, zeigt der Blick auf die benötigten finanziellen Aufwendungen, dass die Einkommenssituation vorwiegend als überdurchschnittlich bezeichnet
werden kann.
Für die weitere Entwicklung gemeinschaftlicher Wohnformen ist es daher empfehlenswert,
Wohnkonzepte zu schaffen, die von einem größeren Teil der Bevölkerung, also auch von
Personen mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status, in Anspruch genommen werden
können. Denn das Interesse an dieser Wohnform beschränkt sich nicht auf Akademiker oder
auf Personen aus sozialen Berufen, die außerdem über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. In dem Projekt in Schorndorf wurde bspw. von einer sehr hohen Nachfrage nach den
öffentlich geförderten Wohnungen berichtet. Diese Wohnform bietet z.B. für berufstätige Alleinerziehende eine Option, da durch das gegenseitige Hilfepotenzial Entlastungen entstehen können. Solche Projekte, die in Mischfinanzierung gebaut worden sind, bieten demnach
einen ersten Ansatz in diese Richtung; allerdings stellen sie, entgegen der verbreiteten Annahme45, momentan noch eine Ausnahme dar. Die oftmals angestrebte Durchmischung von
Haushaltsformen und Bevölkerungsgruppen ist nur bei wenigen Einzelfällen gegeben. Allerdings hat die Umsetzung bei diesen Projekten tadellos funktioniert.
8.3
Öffentlich vs. Privat: Das Verhältnis von privaten und gemeinschaftlichen
Flächen
Insbesondere bei der Planung und Umsetzung von Rückzugsräumen wird deutlich, dass der
Liberalität auch Grenzen gesetzt sind. Hier zeigt sich gewissermaßen ein „konservativer Einschlag“, da nach Angaben vieler Bewohner auch die Themen Familie, Partnerschaft und
Privatleben einen sehr hohen Stellenwert einnehmen.
Dies äußert sich im Verhältnis von gemeinschaftlichen zu privaten Flächen. Die gemeinschaftlichen Flächen sind in allen Projekten sehr großzügig gestaltet und haben bei den Bewohnern oft den Status eines „verlängerten Wohnzimmers“ oder „verlängerten Gartens“. So
werden Feiern wie Geburtstage, aber auch gemeinschaftliche Feste wie Sommerfeste, Adventsfeiern, etc. meistens von allen Bewohnern in diesen gemeinschaftlichen Flächen gemeinsam begangen.
Dabei handelt es sich um Merkmale der vertikalen sozialen Ungleichheit. Vertikal bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die genannten Merkmale es ermöglichen, die Bevölkerung in „oben“ und „unten“ zu unterteilen, so
dass eine hierarchische Skala entsteht. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Einkommen der Personen, da dieses bzw. die Armut als zentraler Indikator der vertikalen sozialen Ungleichheit gesehen
wird (Mielck 2002: 387).
45
Laut einer Studie des MFJG NRW zeichnen sich viele der gemeinschaftlichen Wohnprojekte durch die Mischung von Einkommensgruppen und Haushaltsformen aus und haben somit eine positive Wirkung auf die Integration benachteiligter Personen bzw. Bevölkerungsgruppen (MFJFG NRW 2000: 67f). Dies konnte in den hier
untersuchten Projekten nicht bestätigt werden.
96
ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE | DIE GEMEINSCHAFT: YOUNGTIMER, BEST-AGER,
HOCHBETAGTE – UND JUNGE FAMILIEN MIT KINDERN?
Den Bewohnern sind die gemeinschaftlichen Aktivitäten und Flächen zwar sehr wichtig, jedoch wird in allen Projekten auch deutlich, dass großer Wert auf „vollkommen private“ Flächen gelegt wird, die dem privaten Rückzug dienen. Dies äußert sich beispielsweise in den
Versuchen, auch kleine Balkone oder Terrassen uneinsehbar zu gestalten. Es besteht somit
häufig ein hoher Grad an Gemeinschaft und das gleichzeitig artikulierte Bedürfnis nach Privatheit des Einzelnen nebeneinander.
Die Bewohner müssen sich damit auseinander setzen, was genau sie eigentlich wollen bzw.
wie viel Gemeinschaft der Einzelne verträgt? Denn wenn die individuellen Bedürfnisse nach
Nähe bzw. Distanz nicht berücksichtigt werden, können Konflikte entstehen. Die richtige Balance zwischen diesen ist der Rahmen für das gemeinsame Alltagsleben. Die Antwort auf
diese Frage wurde in den verschiedenen Projekten auf unterschiedliche Art und Weise interpretiert und beantwortet. Insgesamt zielen jedoch alle Projekte darauf ab, „mehr Gemeinschaft als üblich“ zu bieten; zumindest bei Bedarf. Um diese Gemeinschaft sowie die Privatsphäre nach den Bedürfnissen und Fähigkeiten des Einzelnen zu gestalten, bedarf es
einer sensiblen Planung und Organisation sowie Feinfühligkeit gegenüber seinen „Mitbewohnern“.
Mit vergleichsweise radikalen Gemeinschaftskonzepten, wie es sie beispielsweise in den
Kommunen der 68er-Generation gab, haben heutige Gemeinschafts-Wohnprojekte also in
der Regel nichts zu tun − auch wenn sie in der öffentlichen Wahrnehmung häufig noch in
dieser Form verankert sind.
8.4
Die Gemeinschaft: Youngtimer, Best-Ager, Hochbetagte – und junge Familien
mit Kindern?
In allen Projekten finden zahlreiche gemeinschaftliche Veranstaltungen für alle Bewohner
statt, die in den meisten Fällen auch von den Bewohnern selbst organisiert werden46. Daneben gibt es in allen Projekten aber auch immer Angebote, die nur von einem Teil der Bewohner, je nach persönlicher Interessenlage, wahrgenommen werden. Bei den altershomogenen
Projekten gibt es oft eine große Übereinstimmung bei den Interessen der verschiedenen
Bewohner, so dass die Bewohner dieser Wohnprojekte häufig sehr viele Aktivitäten mit der
gesamten Gruppe unternehmen. In den Mehrgenerationenprojekten kommt es demgegenüber häufiger dazu, dass sich verschiedene Gruppen innerhalb der Gemeinschaft zusammenfinden, wie etwa Familien mit kleinen Kindern oder ein reiner „Seniorenstammtisch“. In diesen Projekten kommt es auch zur zielgruppenspezifischen Nutzung von gemeinschaftlichen
Flächen, wie z.B. in Form eines Spielplatzes. Auch die Barrierefreiheit wurde in den altersgemischten Wohnprojekten weniger bedacht, als in den altershomogenen Wohngruppen.
46
Bei einigen Projekten erfolgt die grundlegende Organisation durch eine „Betreuungsperson“, welche die Bewohneraktivitäten anregt oder bei Schwierigkeiten moderiert. Eine Ausnahme stellen hier wieder die DemenzWGs dar, da deren Bewohner aufgrund ihrer Erkrankung generell auf Organisation von außen angewiesen sind.
97
ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE | DIE ZUFRIEDENHEIT DER BEWOHNER | HILFSBEREITSCHAFT UND
DIE GESUNDHEIT DER BEWOHNER
Bezüglich der Gemeinschaft haben alle befragten Bewohner angegeben, dass diese ihnen
sehr wichtig ist; der Grad an Gemeinschaft wurde in allen besuchten Projekten als hoch bis
sehr hoch eingeschätzt. Dies gilt insbesondere für die Projekte, die von den Bewohnern
selbst initiiert wurden, da der ideologische Hintergrund in diesen Einrichtungen zumeist stärker ist und die Gemeinschaft so von vorneherein als Ziel angesehen wurde. Bei diesen Projekten hat sich das gemeinschaftliche Gefühl bereits in der Vorlaufphase und somit vor dem
Bezug entwickeln können. In dieser Phase haben die Bewohner häufig Rückschläge hinnehmen müssen, z.B. wenn Interessenten abgesprungen sind, kein Grundstück gefunden
werden konnte, etc. „Das schweißt zusammen“ heißt es dann im Nachhinein oft. Diese Gemeinschaft bedarf jedoch, und da sind sich die Bewohner aller Projekte einig, einer kontinuierlichen Pflege. Einige Gruppen greifen auf externe Hilfe zurück, die den Prozess der
Gemeinschaftsbildung unterstützen soll. Denn das spätere Zusammenleben erfordert von
der Bewohnerschaft einen Gewöhnungs- und auch einen Lernprozess. (MFJFG NRW 2000:
10).
Teils mit professioneller Hilfe z.B. durch Berater oder das Wohnungsunternehmen, welches
das Projekt gebaut hat, teils auch aus der Bewohnerschaft selbst heraus ist es allen Projektgruppen gelungen, das angestrebte gemeinschaftliche Konzept (größtenteils) umzusetzen.
8.5
Die Zufriedenheit der Bewohner
Die Zufriedenheit der Bewohner mit ihrer Wohnsituation war in allen Projekten sehr groß.
Wünsche bestehen häufig in der Hinsicht, dass noch mehr gemeinschaftliche Aktionen geplant werden könnten. Für die Zufriedenheit der Bewohner spielte es dabei, im Gegensatz
zur Bildung einer Gemeinschaft, keine Rolle, ob die Projekte von ihnen selbst oder aber topdown initiiert worden sind. Den Bewohnern kam es rückblickend oft gar nicht unbedingt darauf an, in welchem Maße sie an der Planung beteiligt waren, sondern eher ob das jeweilige
Projekt ihren Wünschen entsprach. Für die Wohnzufriedenheit ist also nicht die Strategie
(Top-Down oder Bottom-Up) allein von Bedeutung.
Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Bewohner hatten die in einigen Projekten existierenden Baumängel, welche die Wohnzufriedenheit verständlicherweise negativ beeinflussten.
Doch davon lassen sich die meisten Bewohner nicht irritieren. Dies zeigt auch das teils beeindruckende Interesse, das den Projekten entgegengebracht wird. Die meisten Projekte
arbeiten oft schon nach kurzer Laufzeit mit Wartelisten. Dies zeigt, dass die Bewohner insgesamt sehr gerne in „ihren“ Projekten wohnen und den Einzug in der Regel nicht bereuen.
8.6
Hilfsbereitschaft und die Gesundheit der Bewohner
Die nachbarschaftliche Hilfsbereitschaft ist in fast allen Projekten grundsätzlich sehr groß, so
dass beispielsweise Einkäufe erledigt werden oder beim Wohnungsputz geholfen wird, wenn
98
ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE | WER HAT WAS ZU SAGEN?
ein Bewohner z.B. durch Krankheit eingeschränkt ist. Pflegerische Dienstleistungen durch
andere Bewohner sind jedoch in der Regel nicht vorgesehen. Stattdessen werden professionelle Angebote in Anspruch genommen. Bei vielen Bewohnern besteht bezüglich dieses
Themas eine gewisse Scheu, so dass sie sich gedanklich von den Folgen und Konsequenzen einer eintretenden Pflegebedürftigkeit distanzieren.
Die altershomogenen Wohnprojekte sind in diesem Zusammenhang kritisch zu betrachten.
Die Bewohner dieser Projekte befinden sich alle ungefähr im gleichen Alter, ein erhöhtes
Hilfepotenzial bzw. eine eintretende Pflegebedürftigkeit kann somit bei den Bewohnern zum
ungefähr gleichen Zeitpunkt einsetzen; im schlimmsten Fall werden tatsächlich alle Bewohner quasi gleichzeitig pflegebedürftig. Hilfe und Unterstützung kann somit nicht mehr von den
„fitten“ Nachbarn erbracht werden und das Prinzip der gegenseitigen Hilfeleistungen wird
somit obsolet. Auf der anderen Seite können in diesem Fall Synergieeffekte bei der Inanspruchnahme von ambulanten Pflegediensten entstehen, doch dies war bei der Konzeption
der Projekte nur am Rande angedacht, da die meisten Bewohner generell nicht von einer
Pflegebedürftigkeit ausgehen. Bei Mehrgenerationenwohnprojekten können sich diesbezüglich keine Probleme ergeben, da eine größere Altersdurchmischung vorliegt und es somit
immer „fitte“ Nachbarn gibt, die im Bedarfsfall helfen können.
Zum Zeitpunkt der Befragung waren die Bewohner der meisten Projekte, abgesehen von den
Demenz-WGs, nicht pflegebedürftig. Im Rahmen einer Krankheit auftretende kurzfristige
Hilfsbedarfe werden so ohne Probleme von den Nachbarn erbracht. Der positive Gesundheitszustand der Bewohner ist aber nicht notwendigerweise auf die Wohnprojekte selbst zurückzuführen, sondern schlicht und ergreifend auf die Tatsache, dass die Bewohner das entsprechende Alter noch nicht erreicht haben. Dennoch betonen viele Bewohner aus den unterschiedlichen Projekttypen auch, dass sich gerade das gemeinschaftliche Zusammenleben
positiv auf ihren Gesundheitszustand auswirkt. Sie übernehmen Verantwortung und nehmen
an gemeinschaftlichen Aktivitäten teil, was dazu beiträgt, dass sie sich fit halten.
8.7
Wer hat was zu sagen?
In den meisten Projekten obliegt den Bewohnern per Mehrheitsentscheid die Auswahl neuer
Mitbewohner oder sie verfügen zumindest über ein Vetorecht. Kriterien für die Auswahl potenzieller Mitbewohner sind vor allem deren soziale Kompetenz und ob sie speziell in die
vorhandene Gemeinschaft „passen“. In einigen wenigen Projekten wählt zwar der Vermieter
neue Interessenten aus, doch dann achtet er – schon aus eigenem Interesse – darauf, dass
die „Neuen“ in die Gruppe passen.
Insgesamt muss berücksichtigt werden, dass es bislang in allen untersuchten Projekten (abgesehen von den Demenz-WGs) zu keiner nennenswerten Fluktuation gekommen ist. Bislang ist also nicht geklärt, ob diese Regelungen in der Praxis auch funktionieren. In einigen
der Eigentumsprojekte sieht man das Thema mit einer gewissen Sorge. Fraglich ist, was
99
ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE | STADT ODER LAND? | BAUWEISE, BARRIEREFREIHEIT UND KOMFORT
passiert, wenn ein Bewohner verstirbt und die Wohnung an die Erben übergeht, die ggf. kein
Interesse an gemeinschaftlichem Wohnen haben und dann die Wohnung vermieten. In einigen Projekten hat man versucht, diesem Problem zu begegnen, indem den Bewohnern Vorkaufsrechte eingeräumt wurden.
Ob die Projekte langfristig bestehen bleiben werden und auch dem Wechsel der Bewohnerschaft standhalten, oder ob sie sich nach einigen Jahren wieder auflösen, kann nicht vorausgesehen werden. Der Blick auf andere Projekte zeigt, dass beides möglich ist. Ein positives
Beispiel stellt in diesem Zusammenhang das „Haus Mobile“ in Köln dar, welches bereits seit
1997 besteht. Das seinerzeit vieldiskutierte „Hofje“-Mehrgenerationenprojekt in BerlinBuckow, das ebenfalls Mitte der 1990er Jahre gestartet ist, steht beispielhaft für die Projekte,
die nicht als Gemeinschaftsprojekte „überlebt“ haben.
8.8
Stadt oder Land?
Die meisten Wohnprojekte, die in dieser Studie untersucht wurden, befinden sich inmitten
gewachsener Quartiere in Innenstadtnähe größerer Städte. Die Bewohner legten in der Regel großen Wert auf eine integrierte Lage. Gerade für ältere Menschen ist es wichtig, dass
sie ein möglichst großes Waren- und Dienstleistungsangebot in der Nähe zum Wohnstandort
haben. Das ist in den meisten Fällen gelungen. Hinzu kommt, dass viele der Projekte eine
gute Anbindung an den ÖPNV haben, so dass auch weiter entfernte Ziele in der Stadt gut
erreichbar sind. Diese Erkenntnis deckt sich auch mit denen anderer Studien, in welchen
nachgewiesen wurde, dass in ländlichen Räumen weniger Nachfrage nach gemeinschaftlichen Wohnformen existiert als in städtischen. Neben dem Wunsch nach einer integrierten
Lage spielen hier auch weitere Faktoren, wie bspw. die größere Problematik in ländlichen
Regionen genügend Personen zu finden, die sich eine solche Wohnform wünschen und zutrauen. Auch gibt es dort weniger Vorbilder in der direkten Nachbarschaft, da sich dort, wo
bereits ein Wohnprojekt existiert, häufiger Nachahmer finden (MBV NRW 2008: 71).
In der Regel integrieren sich die Projekte städtebaulich und funktional gut in das umgebende
Quartier. Bei einigen Projekten war diese Integration auch ausdrücklich gewünscht und zeigt
sich in der baulichen Ausgestaltung bzw. der Lage und Ausstattung der Gemeinschaftsräume. Lediglich in Einzelfällen sind keine nennenswerten Bindungen zum Quartier entstanden
– eine bewusste Abgrenzung war jedoch in keinem Projekt geplant und ist auch nirgends
entstanden. Allerdings kann die nach innen gemeinschaftsfördernde Architektur nach außen
eher ausgrenzend wirken, bspw. bei einer Hofbebauung ohne offen ersichtlichen Eingangsbereich.
8.9
Bauweise, Barrierefreiheit und Komfort
Die Projekte zeichnen sich zumeist durch eine ökologisch und umweltbewusst ausgerichtete
Bauweise aus. So wurden bspw. fast alle Häuser nach dem Niedrigenergiestandard errichtet
100
ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE | VON DEN NACHBARN LERNEN? DIE PROJEKTE IM EUROPÄISCHEN AUSLAND
und ressourcenschonende Standards wie Solarzellen oder Grauwasseraufbereitung werden
genutzt. Gleichzeitig sind die Gebäude zumeist verhältnismäßig hochwertig und komfortabel
ausgestattet. So handelt es sich in den meisten Fällen um Neubauten oder um aufwändig
sanierten Altbau.
Erstaunlicherweise wurde im Zuge des Neu- bzw. Umbaus nicht bei allen Projekten auf eine
barrierefreie Ausstattung geachtet; im Gegenteil zeichnen sich einige Projekte gerade durch
das komplette Fehlen der Barrierefreiheit aus. Dies ist vor allem unter dem Gesichtspunkt
erstaunlich, da es sich bei allen Projekten um Wohnprojekte für ältere Menschen handelt und
diese mit zunehmendem Alter körperlich beeinträchtigt sein können. Als Beispiel ist das Projekt in Darmstadt zu nennen, bei dem es sich um eine altershomogene Hausgemeinschaft
handelt. Das Wohngebäude steht unter Denkmalschutz, so dass eine barrierefreie Ausstattung nicht realisierbar war. Zwar haben die Bewohner sich Gedanken gemacht, wie z.B. der
Zugang barrierefrei gestaltet werden kann, die Wohnungen sowie der gebäudeinterne Zugang sind allerdings nur unter großen Schwierigkeiten bzw. gar nicht barrierefrei zu gestalten. Denkmalgeschützte Gebäude bilden somit zwar einen ansprechenden Rahmen für ein
Projekt des gemeinschaftlichen Wohnens, den Idealtypus stellen sie aufgrund der damit verbundenen baulichen Einschränkungen oftmals allerdings nicht dar. Die Wohngruppen sollten
sich diesbezüglich also vor Baubeginn bzw. dem Kauf eines Gebäudes Gedanken darüber
machen, inwieweit sie baulich eingeschränkt werden und welche Auswirkungen dies auf ihre
spätere Bewegungsfreiheit haben könnte.
Generell lassen sich die meisten Projekte als barrierearm, aber nur in wenigen Fällen als
vollständig barrierefrei bezeichnen – Ausnahmen bilden hier die Demenz-WGs. Momentan
gestaltet sich die fehlende Barrierefreiheit noch nicht als ein Problem, da nur in Ausnahmefällen Bewohner bereits auf eine barrierefreie Ausstattung der Wohnung sowie des Wohnumfelds angewiesen sind. In einzelnen Projekten stellen sich die Bewohner auch bereits die
Frage, ob nicht ein zumindest teilweiser barrierearmer bzw. barrierefreier Umbau des Projektes sinnvoll sein könnte.
8.10 Von den Nachbarn lernen? Die Projekte im europäischen Ausland
Die Projekte des gemeinschaftlichen Wohnens haben in Deutschland immer noch einen exotischen und unkonventionellen Status. Das ist in vielen Ländern nicht so. Im Gegenteil: Es
gibt häufig eine lange Tradition des gemeinschaftlichen Wohnens, weshalb solche Projekte
dort als „normal“ gelten. Zwar gibt es auch in Deutschland Projekte, die bereits eine lange
Laufzeit haben; eine verstärkte mediale Aufmerksamkeit, die diesen Projekten den Status
des Besonderen verleiht, besteht hier allerdings erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit.
101
ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE | VON DEN NACHBARN LERNEN? DIE PROJEKTE IM EUROPÄISCHEN AUSLAND
In den Niederlanden gibt es bereits lange gemeinschaftliche Wohnprojekte. Diese Art des
Wohnens hat mittlerweile eine hohe Verbreitung gefunden, so dass es eine Vielzahl an Projekten gibt47. Der Erfolg gemeinschaftlicher Wohnformen in den Niederlanden ist zumindest
teilweise auch darauf zurückzuführen, dass Projekte dort gerade in der Findungs- und Konsolidierungsphase eine stärkere Unterstützung bekommen, als dies in Deutschland der Fall
ist. Die Initiierung und Unterstützung solcher Projekte findet häufig durch soziale Organisationen, Wohnungsunternehmen oder Kommunen statt, was die Realisierung verkürzt und
auch vereinfacht. Insgesamt dominiert besonders in der Projektgründungsphase ein pragmatischer, wenig ideologisierter Ansatz. Das in dieser Studie untersuchte niederländische Projekt, das Anton Pieck-Hofje in Haarlem, wurde bereits 1989 gegründet. Der Erfolg zeigt sich
nicht zuletzt an einer permanenten Voll-Auslastung (website: schader [2]).
Auch in Dänemark können die gemeinschaftlichen Wohnformen bereits auf eine längere
Tradition und vor allem auf einen höheren Verbreitungsgrad als in Deutschland zurückblicken. Es gibt ca. 200 „seniobofællesskaber“ und dies bei einer Einwohnerzahl Dänemarks
von nur rund 5,4 Mio. Menschen. Wie in den Niederlanden lagen auch bei den dänischen
Formen des gemeinschaftlichen Wohnens günstigere Rahmenbedingungen vor, da es z. B.
jahrelang Förderungen durch den dänischen Staat für neue Formen des gemeinschaftlichen
Wohnens für Ältere gab und darüber hinaus ein weit verbreitetes Beratungsnetzwerk existiert.
In der Schweiz gibt es ebenfalls zahlreiche Angebote an gemeinschaftlichen Wohnformen für
Ältere. So bietet beispielsweise der Träger der vorgestellten Pflegewohnung in Zürich insgesamt sechs verschiedene Einrichtungen an. In zweien von diesen liegt der Fokus auf der
Betreuung von italienischen Bewohnern, da diese aufgrund sprachlicher und kultureller Unterschiede andere Ansprüche an die Betreuung stellen. Das gemeinschaftliche Wohnen kann
auch in der Schweiz auf eine längere Tradition zurückblicken – bekannt geworden sind vor
allem vielfältige genossenschaftlich organisierte Wohnformen aus den letzten Jahrzehnten.
Der Blick auf Länder, die bereits über eine längere Tradition des gemeinschaftlichen Wohnens verfügen, kann also durchaus lohnenswert sein. In den Niederlanden bspw. wurde in
den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass sich die ideellen Ansprüche der Bewohner
an das Gemeinschaftsleben im Laufe der Jahre „von Idealismus zum Realismus“ (website:
schader [2]) entwickelten. Denn auch in den niederländischen Projekten spielt die Balance
zwischen Gemeinschaft und Privatsphäre eine bedeutende Rolle. Es wurde die Erkenntnis
gewonnen, dass sich nur aus einer gesicherten Privatheit ein langfristig stabiles Gemeinschaftsleben entwickeln kann, welches nicht zum Zwang werden soll. Darüber hinaus wurde
47
Dabei lassen sich dort zwei Projekttypen klar voneinander unterscheiden: 1. generationengemischte Projekte,
die im Verein „Centraal Wonen“ zusammengeschlossen sind, 2. altershomogene Projekte, die zumeist durch die
„Landesweite Vereinigung Gruppenwohnen von Älteren (LVGO) organisiert werden (website: schader [2]).
102
ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE | VON DEN NACHBARN LERNEN? DIE PROJEKTE IM EUROPÄISCHEN AUSLAND
die Erfahrung gemacht, dass die Bewohner mit zunehmendem Alter viele Aufgaben, die eine
gemeinschaftliche Organisation des Alltagslebens mit sich bringen, nicht mehr so einfach
bewältigen können. Diese Erkenntnisse haben auch Auswirkungen auf die räumliche Gestaltung der Projekte, so dass die Individualwohnungen in den Niederlanden vergrößert, die
Gemeinschaftsflächen hingegen verkleinert wurden. Die standardmäßig übliche 2-ZimmerWohnung vom Anfang der 80er Jahre wird heute durch die 3-Zimmer-Wohnung abgelöst.
Das zusätzliche dritte Zimmer wird von den Bewohnern vorwiegend für Übernachtungsbesuch und Hobbys genutzt, wofür zuvor die gemeinschaftlichen Räume überwiegend vorgesehen waren. Auch werden die Projekte baulich oft so gestaltet, dass sie jederzeit ohne großen Aufwand wieder als normale Mehrfamilienhäuser genutzt werden können (website:
schader [2]).
Diese Entwicklungen sind auch in Deutschland langsam erkennbar, da auch hier immer
mehr Wert auf eine gesicherte Privatheit gelegt wird und gemeinschaftliche Räume dem relativ unverbindlichen geselligen Zusammensein dienen und nicht, wie in den frühen Projekten
üblich, als gemeinsame Wohnküche mit dem Anspruch des gemeinsamen Kochens und Essens (website: schader [2]). Dennoch liegt der Fokus der Projekte ganz klar auf der Gemeinschaftlichkeit.
Der Blick auf die Erfahrungen aus anderen Ländern ist bei der hiesigen Projektplanung also
durchaus sinnvoll, da die Konzepte sich ähneln. Allerdings müssen Erkenntnisse und Erfahrungen auch selber gemacht werden. Eine solche längere Tradition des gemeinschaftlichen
Wohnens, wie es sie andernorts gibt, kann nicht künstlich hergestellt werden. Aber die Erfolge der frühen Projekte in Deutschland zeigen, dass dies eine Wohnform mit Zukunft ist.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass – mit Ausnahme der Demenz-WGs −die Beweggründe der Bewohner, in eine gemeinschaftliche Wohnform zu ziehen, hauptsächlich ideeller
Natur waren. Dieser ideelle Ansatz kann sich aber auch als negativ erweisen. Insbesondere
wenn die häufig anspruchsvollen Ideen, die mit den Projekten verbunden werden, im Alltag
an der Realität scheitern, sind einige Bewohner von der Gemeinschaft enttäuscht. Dies geschieht schnell, wenn z.B. gemeinschaftliche Aufgaben nicht erfüllt wurden oder auch wenn
die Gemeinschaft im Alltag nicht in dem Maß aktiv ist, wie es gewünscht war. In allen untersuchten Projekten sind entsprechende Probleme jedoch bislang nicht in nennenswertem
Umfang aufgetreten. Die Bewohner führen das auch auf die sorgfältige Planung und Moderation der Projektgruppen zurück. Die Projekte zeigen somit auch, dass für den langfristigen
Erfolg die Aufstellung eindeutiger Regeln zum Zusammenleben unerlässlich ist.
Trotz vorhandener Schwierigkeiten hat das gemeinschaftliche Wohnen in den letzten Jahren
einen Aufschwung erlebt und es können (oder müssen?) sich immer mehr Menschen vorstellen, in einer solchen Wohnform zu wohnen. Dennoch ist es weiterhin ein langer Weg, bis
103
ÜBERGREIFENDE ERGEBNISSE | VON DEN NACHBARN LERNEN? DIE PROJEKTE IM EUROPÄISCHEN AUSLAND
diese Form des Wohnens den gleichen „normalen“ Status hat, wie dies bereits in anderen
Ländern längst üblich ist.
104
FAZIT
9
Fazit
„Wir werden älter, weniger und bunter!“ bzw. „Grau ist bunt!“ Mit diesen plakativen Ausdrücken beginnt diese Arbeit. Der hiermit umschriebene demographische Wandel und Trend der
Pluralisierung führen innerhalb der deutschen Gesellschaft zu umfassenden Veränderungen.
Der Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung wird weiter steigen und es kommt in naher
Zukunft zu einem generellen Bevölkerungsrückgang. Die Lebensstile und -entwürfe werden
individueller und orientieren sich zunehmend weniger an gesellschaftlichen Normentwürfen.
Familiäre Netzwerke sind im Schwinden begriffen und die „Wahlverwandtschaft“ gewinnt an
Bedeutung.
Diese Entwicklungen betreffen die gesamte Bevölkerung und schließen somit auch die
Gruppe der Älteren ein. Sie führen zu Veränderungen in vielen Teilbereichen der Gesellschaft, so auch zu Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt bzw. bei der Nachfrage nach
Wohnraum. Das Wohnen hat generell eine große Bedeutung, für ältere Menschen aber in
besonderem Ausmaß, da es bei ihnen ausschlaggebend für ihre Lebensqualität und Teilhabe am sozialen Leben ist (BmFSFJ 2007: 54). Die Erwartungshaltung ist dabei in den letzten
Jahren gestiegen; Selbständigkeit sowie die Möglichkeit, den Alltag aktiv zu gestalten, stehen im Vordergrund. Standardisierte Wohnangebote für die ältere Bevölkerungsgruppe verlieren daher an Bedeutung, an deren Stelle treten individuellere Wohnformen, die den gewandelten Ansprüchen entsprechen.
Eine Antwort auf diese geänderten Bedürfnisse und Ansprüche stellen gemeinschaftliche
Wohnprojekte für Ältere dar, welche im Fokus dieser Arbeit standen. Im Rahmen einer Literaturrecherche sowie (vor allem) einer empirischen Erhebung wurden gemeinschaftliche
Wohnprojekte im In- und europäischen Ausland bezüglich ihrer Charakteristika und Erfolgsfaktoren untersucht, um zu eruieren, ob und vor allem für wen sie eine mögliche Wohnoption
darstellen, ob sie eine Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel darstellen und welche Vorteile sich aus dieser Art des Zusammenlebens ergeben können.
Als zusammenfassendes Ergebnis kann festgehalten werden, dass diese Wohnform für die
Bewohner eine Reihe von Vorteilen bietet, welche sie in anderen Wohnformen nicht hätten.
Denn gemeinschaftliche Wohnformen unterscheiden sich in zwei wesentlichen Aspekten von
anderen Wohnangeboten für ältere Menschen: Zum einen steht die Gemeinschaftlichkeit im
Vordergrund, wodurch für die Bewohner mehr Sicherheit und Lebensqualität entsteht. Zum
anderen beteiligen sich die Bewohner an der Gestaltung und, im Idealfall, auch an der Entwicklung der Projekte, so dass der Partizipation eine wichtige Rolle zukommt. Gemeinschaftliche Wohnformen erfüllen daher viele der existierenden Bedürfnisse älterer Menschen, wie
etwa das Bedürfnis nach Sicherheit bei gleichzeitiger Selbständigkeit, und sie bieten ein hohes Maß an individuellen Gestaltungsmöglichkeiten. Durch die frei gewählte Gemeinschaft
105
FAZIT
wird des Weiteren der Vereinsamung im Alter vorgebeugt. Familiale Netzwerke können
durch selbst gewählte informelle, nichtfamiliale Netzwerke ersetzt werden. Ferner besteht ein
präventiver Charakter, da mit dem Alter auftretende körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen durch eine Vielzahl an kleinen gegenseitigen Unterstützungsleistungen im Alltag aufgefangen werden und eine Unterbringung im Heim verzögert oder sogar verhindert
werden kann. Die Bewohner bleiben länger aktiv und haben das Gefühl, gebraucht zu werden. Dementsprechend war die Zufriedenheit der Bewohner in den untersuchten Projekten
generell sehr hoch.
Dabei sind aber einige wesentliche Faktoren zu beachten, wie im Rahmen der empirischen
Erhebung herausgearbeitet werden konnte. Denn für eine funktionierende Gemeinschaft
stellen klare Regelungen die Grundlagen dar, z.B. bei der Auswahl neuer Bewohner oder
aber bei anfallenden Arbeiten. Und auch das Verhältnis von privaten und öffentlichen Flächen unterliegt Regelungen, da bei aller Gemeinschaft die privaten Rückzugsräume von
enormer Bedeutung sind. Auch stellte sich heraus, dass diese Wohnform nicht für alle Bevölkerungsschichten eine Möglichkeit des Wohnens im Alter darstellt, da der sozioökonomische Status in fast allen untersuchten Projekten sehr hoch war und mischfinanzierte Projekte
− trotz der verbreiteten Annahme, diese Wohnformen hätten einen starken integrativen Ansatz − die Ausnahme darstellen (zumindest in den in diesem Rahmen untersuchten Projekten).
Doch nicht nur für die Bewohner ergeben sich Vorteile. Die Akteure der Wohnungswirtschaft
können aus dieser Form des Wohnens ebenfalls positive Effekte ziehen. Gemeinschaftliche
Wohnprojekte bieten der Wohnungswirtschaft ein hohes Maß an Sicherheit, da die Bewohner sich mit ihrem Projekt identifizieren und es zu weniger Fluktuation kommt. Oft wird durch
ein solches Projekt das ganze Quartier, in architektonischer sowie sozialer Hinsicht, aufgewertet. Doch gibt es bisher erst eine geringe Anzahl an Wohnungsunternehmen, die sich
diesem Wohntypus geöffnet haben. Denn bei allen Vorteilen ist die Zusammenarbeit mit einer (späteren) Bewohnergruppe ein kräftezehrender Akt, da viele individuelle Vorlieben berücksichtigt werden wollen. Doch gerade durch die Initiative der Wohnungswirtschaft kann
diese Wohnform auch den Bevölkerungsgruppen eröffnet werden, die über keinen hohen
sozioökonomischen Status verfügen. Denn ein Großteil der realisierten Projekte wurde, oft
aufgrund fehlender Kooperationspartner, in Eigeninitiative und unter Aufwand von (zumeist
hohem) Eigenkapital verwirklicht, und eine Umsetzung dieser Wohnform im (öffentlich geförderten) Mietwohnungsbau würde weiteren Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit gemeinschaftlichen Wohnens eröffnen.
Vorteile dieser Wohnform können sich ebenfalls für die öffentliche Hand ergeben. Der Anstieg der Älteren an der Gesamtbevölkerung und vor allem der Anstieg der Hochaltrigen, die
in stärkerem Maß von einer eintretenden Pflegebedürftigkeit, oder generell Hilfsbedürftigkeit,
106
FAZIT
betroffen sind, führt zu steigenden Kosten für aufzuwendende Pflege- bzw. Hilfeleistungen.
Durch das bestehende gegenseitige Hilfepotenzial in gemeinschaftlichen Wohnformen wird
in geringerem Maße auf öffentliche Hilfesysteme zurückgegriffen, wodurch Kosteneinsparungen entstehen. Ferner ist auch das bürgerschaftliche Engagement in diesen Projekten
zumeist sehr hoch, was sich positiv auf das Umfeld auswirkt.
Doch um diese Potenziale zu nutzen, müssen gewisse Rahmenbedingungen erfüllt werden,
um die Initiative solcher Wohnprojekte zu erleichtern. Es empfiehlt sich daher umfassende
Beratungsnetze einzurichten, die sowohl auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene
Ansprechpartner für Initiativgruppen sind und ihnen bei der Findungs- sowie Konsolidierungsphase helfen. Professionelle Beratung und Moderation kann diese Phasen sowie den
Gruppenfindungsprozess oft abkürzen bzw. um ein Wesentliches erleichtern. Auch sollte das
Thema des gemeinschaftlichen Wohnens in einem verstärkten Maße durch soziale Organisationen, Wohnungsunternehmen, Kommunen, die Länder und den Bund in den Blickpunkt
der Bevölkerung gebracht werden48, da viele Menschen zwar von dieser Art des Wohnens
gehört haben, aber oft noch falsche Vorstellungen davon haben oder aber auch eine gewisse Scheu bzw. Unwissenheit bezüglich des Weges der Kontaktaufnahme mit „Gleichgesinnten“. Ausgehend von den individuellen Wünschen der Gruppen muss also eine Offenheit für
unterschiedliche Projektformen gewährleistet sein, um das gemeinschaftliche Wohnen in der
Gesellschaft zu verankern. So sollten auch die bestehenden Projekte verstärkt Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Nicht um für ihr eigenes Projekt neue Bewohner zu finden, sondern um
anderen diese Möglichkeit des Wohnens an einem konkreten Beispiel vor Augen zu führen.
Daneben spielt auch immer die Finanzierung eine Rolle, da diese ausschlaggebend für die
Konzeption von gemeinschaftlichen Wohnformen ist. Viele Konzepte oder Ideen können oftmals nicht umgesetzt werden, da das notwendige Kapital fehlt. Einheitliche Fördermodelle
können somit bei der Umsetzung hilfreich sein. Auch stoßen die üblichen Finanzierungsmodelle schnell an ihre Grenzen oder sie sind für den „normalen Verbraucher“ teilweise auch
einfach unüberschaubar. Alternative Finanzierungskonzepte sowie eine umfassende Beratung bzw. professionelle Unterstützung sind bei der Planung also eine wichtige Stütze des
Entstehungsprozesses.
Bleibt also die abschließende Frage zu beantworten ob diese Wohnprojekte eine Antwort auf
den gesellschaftlichen Wandel bieten? Diese Frage kann nur zum Teil bejaht werden. Es
entstehen zwar Vorteile durch das gegenseitige Hilfepotenzial, welches die schwindenden
familialen Netzwerke zum Teil auffängt. Auch entsprechen diese Wohnformen in vielerlei
Hinsicht den gewandelten Ansprüchen an das Wohnen und berücksichtigen individuelle Präferenzen. Ebenfalls bleiben die Bewohner länger aktiv und eine Pflegebedürftigkeit kann ver48
Wie bspw. die Fachtagung des MBV NRW am 14. Mai 2009 in Oberhausen sowie die begleitende Broschüre
„Neues Wohnen mit Nachbarschaft: Wohnprojekte von Baugruppen, Genossenschaften und Investoren“ (MBV
NRW 2008).
107
FAZIT
zögert, eventuell auch verhindert werden. Doch werden diese Wohnformen mit ihrem gegenseitigen Hilfepotenzial zum Beispiel nicht in der Lage sein, den steigenden Anteil Pflegebedürftiger aufzufangen. Dies wird allein schon durch die Tatsache bedingt, dass Pflege in den
meisten Projekten konsequent abgelehnt wird und die Bewohner auch nicht über die notwendigen Qualifikationen verfügen. Darüber hinaus stellt auch die gegenseitige Hilfe und
nicht die Pflege den Kern der meisten Wohnprojekte dar. Auch spricht diese enge Form des
Zusammenlebens und der Gemeinschaft nicht alle Personen in gleichem Maße an. Daneben
sind nicht alle (Senioren) bereit, im Alter noch einmal etwas Neues zu wagen und in eine
komplett neue Wohnsituation in einer neuen Umgebung umzuziehen. Und letztendlich stellt
die finanzielle Situation des Einzelnen einen wesentlichen Aspekt dar. Denn die existierenden (bzw. hier betrachteten) Projekte zeichnen sich eher durch eine elitäre Bewohnerschaft
aus, erfordert die Umsetzung doch (noch) ein gewisses Maß an Eigenkapital.
Generell scheint ein Ausbau ambulanter Pflegedienstleistungen unumgänglich, um den Verbleib in der Privatwohnung, so lange es geht, zu ermöglichen. Auch die stationäre Pflege
wird weiterhin von Bedeutung sein. Denn auch wenn der Umzug in ein Pflegeheim aufgeschoben werden kann, stellt dies irgendwann oft doch die einzige Alternative dar.
Weitere Handlungsempfehlungen ergeben sich in der Hinsicht, dass die Qualifikationen der
Pflegedienstleister einen Ansatzpunkt zur Verbesserung darstellen. Durch den Anstieg der
hochaltrigen Personen steigt auch die Anzahl demenziell Erkrankter. Personen, die an einer
solchen Erkrankung leiden, stellen besondere Ansprüche an die Pflege, weshalb sich die
Pflegeausbildung zukünftig stärker mit diesem Krankheitsbild befassen und neurobiologische
Qualifikationen eine wichtigere Rolle spielen sollten.
Auch die Zusammenarbeit verschiedener wissenschaftlicher Forschungsfelder spielt aufgrund der Zunahme von älteren und pflegebedürftigen respektive demenziell erkrankten Personen eine wichtige Rolle. So sollte eine stärkere Vernetzung verschiedener Forschungsfelder wie etwa Gerontologie, Sozialwissenschaften, Gesundheits- und Pflegewissenschaften
vorangetrieben werden, damit die Entwicklung angemessener praxisorientierter Wohn- und
Lebensbedingungen aus einem gemeinsamen Erfahrungspool entstehen können.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass das Wohnen in Gemeinschaft – egal ob zur Miete
oder im Eigentum, „bottom-up-“ oder „top-down“- initiiert, in Hausgemeinschaften, Mehrgenerationenprojekten oder anderen Wohnformen – vermutlich nicht die Mehrheit ansprechen
wird. Aber es ist für viele Menschen eine Alternative, über die sie zumindest nachdenken.
Wenn diesen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, ihre individuellen Vorstelllungen umzusetzen, dann wird es weiterhin erfolgreiche Projekte gemeinschaftlichen Wohnens in
Deutschland geben.
108
FAZIT
Es ist klar: Das gemeinschaftliche Wohnen ist nicht nur etwas für ältere Menschen. Vielmehr
hängt es von der individuellen Lebenssituation, den persönlichen Wertvorstellungen und dem
jeweiligen Wunsch nach Gemeinschaft ab, ob ein gemeinschaftliches Wohnprojekt für Menschen in Frage kommt. Dennoch bieten die Projekte gerade wegen ihrer gemeinschaftlichen
Aktivitäten und der gegenseitigen Fürsorge vor allem für ältere Menschen eine gute Alternative zum Verbleib in der „einsamen“ Wohnung. Die „Zukunft des Wohnens im Alter“ sind die
gemeinschaftlichen Wohnprojekte allein sicher nicht. Aber sie sind eine interessante Facette
des Wohnens zukünftiger Generationen und stellen einen wichtigen Baustein dar.
109
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Telefonrecherche
Telefonische Interviews mit Britta Tornow (November 2008)
114
ABBILDUNGSVERZEICHNIS | TABELLENVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland .............................................. 10
Quelle: Stat. BA 2006a: 16
Abb. 2: Künftige Bevölkerungsdynamik ..................................................................... 12
Quelle: Website BBR (1)
Abb. 3: Entwicklung des internationalen Durchschnittsalters .................................... 13
Quelle: BmFSFJ 2007, UN World Population Prospects; eigene Darstellung
Abb. 4: Inanspruchnahme der Versorgungsformen ................................................... 14
Quelle: Stat. BA 2008a; eigene Darstellung
Abb. 5: Entwicklung der Haushaltsformen in Deutschland ........................................ 17
Quelle: Website BBR (2)
Abb. 6: Verbreitungsgrad altersgerechter Wohnformen ............................................ 23
Quelle: Studie BSI e.V.; InWIS F&B GmbH 2007
Abb. 7: Eigentumsverhältnisse .................................................................................. 47
Quelle: eigene Darstellung
Abb. 8: Unterschiedliche Projekttypen in dieser Studie ............................................. 49
Quelle: eigene Darstellung
Abb. 9: Die Projekte in Deutschland, Dänemark, den Niederlanden
und der Schweiz .......................................................................................... 53
Quelle: eigene Darstellung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht über die einzelnen Projekte ...................................................... 84
Quelle: eigene Darstellung
Tabelle 2: Entwicklung der Anzahl demenziell Erkrankter ......................................... 87
Quelle: BmFSFJ 2002b: 182; eigene Darstellung
115
BILDERNACHWEIS
Bildernachweis
S. 54
Eigene Fotos (InWIS)
S. 54
Eigene Fotos (InWIS)
S. 56
Eigene Fotos (InWIS)
S. 57
Hedi und Micha Germer bzw. Sandberghof
S. 58
LUWOGE
S. 60
LUWOGE
S. 61
Eigene Fotos (InWIS)
S. 62
Eigene Fotos (InWIS)
S. 62
Gert Leitner bzw. Coschützer Rundling
S. 63
Prof. Stamm-Teske
S. 64
Prof. Stamm-Teske
S. 66
Eigene Fotos (InWIS)
S. 67
Elmar Kalle bzw. Mühlbachhaus
S. 68
Alter und Pflege e.V.
S. 70
Alter und Pflege e.V.
S. 71
Eigene Fotos (InWIS)
S. 73
Caritasverband Wuppertal e.V.
S. 76
Eigene Fotos (INWIS)
S. 77
Britta Tornow
S. 79
Stiftung Alterswohnen in Albisrieden
S. 80
Stiftung Alterswohnen in Albisrieden
S. 81
shdh
116
Anhang
I. Fragebogen Projekte
II. Fragebogen Bewohner
ANHANG | FRAGEBOGEN PROJEKTE
Fragebogen: „Gemeinschaftliche Wohnformen im internationalen Vergleich“
Befragung der Projekte
Termin am xx.xx.2008, xx:xx Uhr
10 Name und Standort des Projektes
Ansprechpartner:
11 Art des Projektes (Mehrgenerationenwohnen, Wohngruppe für demenziell Erkrankte, Hausgemeinschaft, Nachbarschaftshilfeverein, etc. )
12 Fragen zum Projekt
3a. Laufzeit des Projektes
Wann wurde das Projekt gebaut bzw. Laufzeit des Projektes?
Jahreszahl Wann wurde das Projekt ggf. saniert?
Jahreszahl Wurde der Bau finanziell unterstützt? Falls ja, von wem und in welcher Höhe?
Notizen:
3b. Größe / Anzahl / Ausstattung der WE
Wie ist das Projekt aufgeteilt? Gibt es Räumlichkeiten, die bestimmten Zielgruppen zugeordnet sind?
Pflegeplätze
Sonstiges:
Anzahl:
Anzahl:
Notizen:
ii
ANHANG | FRAGEBOGEN PROJEKTE
Anzahl Wohneinheiten insgesamt Art der WE:
Eigenständige, abgeschlossene Wohnungen Anzahl:
Appartements/Zimmer in WG
Anzahl:
Sonstiges:
Anzahl/Größe/Ausst
attung der WE
1-Zimmer-Whg.
2 bis 2,5-Zimmer-Whg.
3 bis 3,5-Zimmer-Whg.
4 Zimmer und mehr
Von …… qm bis …… qm
Von …… qm bis …… qm
Von …… qm bis …… qm
Anzahl:
Größe der WE
Von …… qm bis …… qm
Terrasse/Balkon
Küche
Bad
Rezeption
Sonstiges
Notizen:
3c: Lage des Projektes
Welches Waren- bzw. Dienstleistungsangebot ist für ältere Menschen fußläufig
erreichbar (bis ca. 500 m entfernt)?
Warenangebot für den täglichen Bedarf (Supermarkt, Metzger, Bäcker etc.)
Medizinische Infrastruktur (Ärzte, Apotheke)
Krankenpflege
Physiotherapie
Friseur
Fußpflege
Kosmetik
Geldinstitut (Bank, Sparkasse)
Post
öffentlicher Personennahverkehr (Bus/Bahn/U-Bahnhaltestelle, S-Bahnhof etc.)
ja
teilweise
nein
iii
ANHANG | FRAGEBOGEN PROJEKTE
Sonstiges (+ Bitte nennen): _________________________________________
Gibt es ein eigenes Angebot (Kiosk, Fahrdienst)?
3d: Barrierefreiheit (Anlage/ Wohnungen/ Gemeinschaftseinrichtungen)
Ist die Anlage barrierefrei?
Nein
Ja, die
ganze
Anlage
Barrierefrei nach der DIN
18025, Teil 2 (altersgerecht)
Barrierefrei nach DIN
18025, Teil 1 (rollstuhlgerecht)
barrierearm
Ja, ein Teil
der Anlage
Barrierefrei nach der DIN
18025, Teil 2 (altersgerecht)
Barrierefrei nach DIN
18025, Teil 1 (rollstuhlgerecht)
barrierearm
Barrierefrei nach DIN
18025, Teil 1 (rollstuhlgerecht)
barrierearm
Barrierefrei nach DIN
18025, Teil 1 (rollstuhlgerecht)
barrierearm
Sind die Wohnungen barrierefrei?
Nein
Ja, alle
Wohnungen
Ja, ein Teil
der Wohnungen Barrierefrei nach der DIN
18025, Teil 2 (altersgerecht)
Barrierefrei nach der DIN
18025, Teil 2
(altersgerecht)
Anzahl:
Sind die Gemeinschaftseinrichtungen barrierefrei?
Nein
Ja, alle Gemeinschaftseinrichtungen
Barrierefrei nach der DIN
18025, Teil 2 (altersgerecht)
Ja, ein Teil
der Gemeinschaftseinrichtungen
Barrierefrei nach der DIN
18025, Teil 2 (altersgerecht)
Barrierefrei nach DIN
18025, Teil 1 (rollstuhlgerecht)
Barrierefrei nach DIN
18025, Teil 1 (rollstuhlgerecht)
barrierearm
barrierearm
iv
ANHANG | FRAGEBOGEN PROJEKTE
Welche Gemeinschaftseinrichtungen?
Notizen:
3e: Gemeinschaftseinrichtungen, gemeinschaftliche Aktivitäten:
Anzahl, Art und Größe der Gemeinschaftseinrichtungen (Küche, Gästezimmer):
Gibt es spezielle Bereiche, die nur für bestimmte Bewohnergruppen zugänglich sind (separate Gemeinschaftseinrichtungen für z.B. demenziell Erkrankte, Ältere, Kinder, etc?)?
Ja Nein, alle Bereiche sind für alle Bewohner frei zugänglich
Bereiche:
Garten vorhanden?
Nein
Ist der Garten für alle Bewohner zugänglich?
Ja
Ja
Nein
Größe in m²:
Werden die Gemeinschaftseinrichtungen auch gemeinschaftlich genutzt oder haben sich spezielle Gruppen gebildet?
Wie schätzen sie allgemein gesehen den Grad an Gemeinschaftlichkeit in Ihrem Projekt ein?
Wer organisiert das Alltagsleben in der Gemeinschaft? Wie sieht dieses Alltagsleben aus?
v
ANHANG | FRAGEBOGEN PROJEKTE
Gibt es gemeinschaftliche „Riten“ (z.B. Geburtstage, Jahresfeste, etc.)?
Wer organisiert bzw. initiiert diese gemeinschaftlichen Aktivitäten?
Notizen:
3f: Mietkosten € / qm
Wurde die Errichtung der Wohnungen mit öffentlichen Mitteln gefördert?
Ja, alle Wohnungen
Ja, ein Teil der Wohnungen Nein
Anzahl Gibt es qm -Miete?
Ja
Nein
Sonstiges:
Kaltmiete: ………… €/qm (öffentlich gefördert)
Kaltmiete: ………… €/qm (frei finanziert)
Nebenkosten: ………… €/qm
Pflegestufe I: …………… €/Monat
Evtl.: Pflegekosten/Monat: ………… €/Monat
Pflegestufe II: …………… €/Monat
Pflegestufe III: …………… €/Monat
Evtl.: Genossenschaftsanteile: ………… €/Monat
Wird das Projekt finanziell unterstützt (z.B. von einer Stiftung oder vom Bund)?
Notizen:
vi
ANHANG | FRAGEBOGEN PROJEKTE
3g. Eigentumsverhältnisse des Projektes (Wer ist der Eigentümer?):
Privater Eigentümer (privat-gewerblicher Anbieter, Eigentumswohnungen etc.)
Wohlfahrtsverband bzw. einem Wohlfahrtsverband angeschlossener Eigentümer (Bitte nennen Sie den
Namen des Verbandes)
Name des Verbandes: __________________________________
Wohnungsunternehmen
Wohnungsgenossenschaft
Kommunal/öffentlich
Sonstiges (+ Bitte nennen) :______________________________
Notizen:
3h: Auslastung des Projektes:
Sehr gut
Gut
Teils/Teils
Weniger gut
Schlecht
Keine Angabe
oder Angabe in %:
Arbeitet das Projekt mit einer Warteliste?
Ja
nein
falls ja, durchschnittliche Wartezeit in Monaten:
Notizen:
3i: Fragen zu den Bewohnern / Zielgruppen des Projektes
Alter der Bewohner: von ………… Jahre bis ………… Jahre, durchschnittlich: ………… Jahre
Anzahl der Bewohner: insgesamt ………… Bewohner, davon Alleinstehend/ ledig:
Paare:
Familien:
vii
ANHANG | FRAGEBOGEN PROJEKTE
Gesundheitszustand der Bewohner:
Nicht pflegebedürftig
Anzahl:
pflegebedürftig
Demenziell erkrankt
Anzahl:
Anzahl:
sonstiges
Anzahl:
Verbleib bei eintretender Pflegebedürftigkeit:
Notizen:
Besteht die ursprüngliche Besetzung der Bewohner? Wie entwickelte sich die ursprüngliche Belegung des Projektes?
Wie sieht die Belegungspolitik aus (nach welchen Kriterien werden neue Bewohner ausgesucht)?
Wie werden die Zielgruppen des Projektes angesprochen? In welcher Art und Weise betreiben sie Öffentlichkeitsarbeit?
Was für Personen leben in diesem Projekt bzw. welche Berufe haben sie früher ausgeübt/ üben sie aus?
ökonomisches Potenzial der Bewohner:
Niedrig
Mittel
Hoch
viii
ANHANG | FRAGEBOGEN PROJEKTE
Notizen:
13 Fragen zum Konzept des Projektes
4a. Ist das Projekt in die Umgebung integriert (integriertes Modell)?
Ja
Nein
4b. Bietet das Projekt integratives Wohnen (z.B. Mehrgenerationenwohnen, Kranke +
Gesunde wohnen zusammen)?
Ja
Nein
4c. Bietet das Projekt zielgruppenspezifische Angebote (z.B. für demenziell Erkrankte,
Treffen speziell für Ältere, Frauen, Migranten)?
Ja
Nein
4d. Werden begleitende Dienstleistungen angeboten?
Nein (keine Dienstleistungen bzw. Angebote des Marktes)
Werden diese DL vermittelt?
ja
A: integriert (Grundleistungen + Wahlleistungen)
B: integriert (nur Grundleistungen)
C: integriert ( Komplettangebot)
E: Sonstiges:
ja
nein
ix
ANHANG | FRAGEBOGEN PROJEKTE
4e: Monatliche Pauschale?
Höhe der Pauschale In der Pauschale enthaltene Leistungen
allgemeine Beratung
Freizeitangebote
Notrufsystem
kleinere handwerkliche Arbeiten
geringfügige Hilfen im Haushalt
Reinigung der Wohnung
tägliches Mittagessen
Wäschedienst
Kurzzeitpflege bei vorübergehender Pflegebedürftigkeit
Sonstiges (+ Bitte nennen): ________________________________
Enthalten
Nicht Enthalten
Zusätzlich
buchbar
Notizen:
4f. Wer bietet das Dienstleistungsangebot an?
Privat-gewerblicher Anbieter (privater ambulanter Dienst)
Wohlfahrtsverband bzw. einem Wohlfahrtsverband angeschlossener Dienstleistungsanbieter
Name des Verbandes: __________________________________
Freigemeinnütziger Anbieter, der keinem Wohlfahrtsverband angeschlossen ist (gGmbH)
Kommunal/öffentlicher Anbieter (städtische Gesellschaft o.ä.)
Sonstiges: ______________________________________________________________________
Notizen:
x
ANHANG | FRAGEBOGEN PROJEKTE
14 Fragen zur Gemeinschaft/ Zufriedenheit/Konzeptrealisierung/Entscheidungsbefugnis
5a. Wie wird die Zufriedenheit der Bewohner eingeschätzt?
sehr zufrie- eher zufrieden teils/teils eher weniger zufrieden
den Welche Wünsche werden von den Bewohnern geäußert?
sehr unzufrieden
Keine Angabe
5b.Wurde das dem Projekt zugrunde liegende Konzept realisiert?
Ja, komplett
Ja, mit Einschränkungen
Nein
Es hat sich ein neues Konzept ergeben
Sonstiges:
Von wem stammt das Konzept, die Idee für das Projekt?
Wer war oder ist der Gründer des Projektes?
Ist das Projekt Bestandteil eines Modellprojekts (z.B. vom BmFSFJ)?
Notizen:
Was macht Ihr Projekt besonders bzw. was unterscheidet es von anderen Projekten?
xi
ANHANG | FRAGEBOGEN PROJEKTE
5c.: Welche Entscheidungen in dem Projekt unterliegen den Bewohnern?
Alle Entscheidungen
Keine Entscheidungen
Ein Teil der Entscheidungen, und zwar:
Nehmen die Bewohner Ihre Entscheidungsbefugnis wahr bzw. engagieren Sie sich bezüglich der Gestaltung des Alltagslebens, etc.? Wer organisiert das Alltagsleben?
Informationsmaterialien ?
xii
ANHANG | FRAGEBOGEN BEWOHNER
Fragebogen: "Gemeinschaftliche Wohnformen im internationalen Vergleich"
Befragung der Bewohner
1. Zufriedenheit der Bewohner
1a. Wie zufrieden sind Sie, in diesem Projekt zu wohnen?
Sehr zufrieden
Eher zufrieden Teils/teils Eher weniger zufrieden Sehr unzufrieden Keine Angabe Gründe für den Grad der Zufriedenheit:
1b. Ist das Wohnen in diesem Projekt so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Ja, vollkommen
Teils/teils Eher nicht Komplett anders Sonstiges Gründe bzw. abweichende Vorstellungen:
Was könnte Ihrer Meinung nach hierbei verbessert werden?
1c.Wie zufrieden sind Sie mit dem Preis-Leistungsverhältnis?
Sehr zufrieden
Eher zufrieden Teils/teils Eher weniger zufrieden Sehr unzufrieden Keine Angabe Gründe für den Grad der Zufriedenheit:
xiii
ANHANG | FRAGEBOGEN BEWOHNER
Was könnte Ihrer Meinung nach hierbei verbessert werden?
1d. Wie zufrieden sind Sie mit dem Grad der Gemeinschaft in diesem Projekt?
Sehr zufrieden
Eher zufrieden Teils/teils Eher weniger zufrieden Sehr unzufrieden Keine Angabe Gründe für den Grad der Zufriedenheit:
Was könnte Ihrer Meinung nach hierbei verbessert werden?
1e. Haben Sie Mitsprachrechte bei Entscheidungen, welche das Projekt betrifft? Falls ja, wie zufrieden sind Sie mit diesen?
Sehr zufrieden
Eher zufrieden Teils/teils Eher weniger zufrieden Sehr unzufrieden Keine Angabe Gründe für den Grad der Zufriedenheit:
Was könnte Ihrer Meinung nach hierbei verbessert werden?
xiv
ANHANG | FRAGEBOGEN BEWOHNER
1f. Welche Wünsche haben Sie an das Projekt bzw. an das Wohnen in diesem?
Wünsche:
1g. Was macht das Wohnen in diesem Projekt so besonders?
Generell: Verbesserungsvorschläge, Notizen, etc.:
xv
EIGENSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG
Hiermit versichere ich, dass ich die MA.-Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als
die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe, alle bildlichen Darstellungen und
Ausführungen, die anderen Schriften wörtlich oder sinngemäß entnommen wurden, kenntlich
gemacht sind und die Arbeit in gleicher oder ähnlicher Fassung noch nicht Bestandteil einer
Prüfungsleistung an dieser oder einer anderen Fakultät oder Prüfungsbehörde war.
Bochum, den 20.August 2009
-----------------------------------Katrin Jansen
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