2 Material und Produktionswirtschaft

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2 Material und Produktionswirtschaft
SKRIPTEMPFEHLUNG FÜR DIE
PRÜFUNG ZUR
EIGNUNGSFESTSTELLUNG
für die MBA-Studiengänge:
- MBA-Berufsintegrierendes Studium
(BIS) Betriebswirtschaft
- MBA-Fernstudiengang Unternehmensführung
Ludwigshafen, August 2008
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
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Auszug aus dem Lehrbrief Allgemeine Betriebswirtschaftslehre des Grundlagenmodul Wirtschaftswissenschaftliche Grundlagen des MBA-Fernstudiengangs Unternehmensführung
1.
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
1.1
Grundlegende Begriffe und Methoden der
Betriebswirtschaftslehre
Im Folgenden geht es um Definitionen. Definitionen haben aber an sich keinen Erkenntniswert. Sie sind nichts anderes als sprachliche Spielregeln, um sich gegenseitig verständlich zu machen. Sie sind notwendige Spielregeln im wissenschaftlichen
Umgang. Die Betriebswirtschaftslehre ist eine Wissenschaft, die wirtschaftliches
Handeln in Organisationen zum Gegenstand ihrer Betrachtung gemacht hat. Diese
Organisationen können privatwirtschaftliche Unternehmungen sein, die insbesondere
durch das Streben nach Gewinn gekennzeichnet sind und ihre Leistungen auf Märkten gegen Entgelt anbieten.
Ferner können Organisationen betrachtet werden, die Leistungen entweder unentgeltlich (manche Museen) oder aber nicht unter dem Aspekt der Gewinnerzielung
gegen Entgelt anbieten (Volkshochschulen). Derartige Non-Profit-Organisationen
zählen ebenfalls zum Gebiet der Betriebswirtschaftslehre, weil der ökonomische
Umgang mit Geld und anderen Wirtschaftsgütern auch dann sinnvoll ist, wenn kein
Gewinnstreben vorliegt.
Es sind auch staatliche Betriebe und auch Produktionsstätten in Planwirtschaften
aus den gleichen Gesichtspunkten mögliche Gegenstände der Betriebswirtschaftslehre. Mit den gleichen Argumenten wird in der modernen Betriebswirtschaftslehre
auch das wirtschaftlich relevante Verhalten privater Haushalte einbezogen (Raffée,
1995, S. 50). Wir können also festhalten, daß die Betriebswirtschaftslehre immer
dann relevant ist, wenn es in Organisationen jeglicher Art um den Umgang mit knappen Mitteln zur Erreichung irgendwelcher Ziele geht. Es steht völlig außer Frage, daß
auch Krankenhäuser, Pflegeheime und ähnliche Einrichtungen schon lange zum betriebswirtschaftlich relevanten Problemkreis zählen. Sie bieten eine Leistung auf einem Markt an und setzen zur Produktion eben dieser Leistung knappe Mittel (Ressourcen) ein. Der möglichst wirtschaftliche Umgang mit eben diesen Ressourcen
erhöht die Möglichkeiten der Verbesserung des eigenen Leistungsangebotes. Die
Tatsache, daß der Markt im medizinischen Bereich nicht ganz mit dem freien Markt
der Konsumgüter vergleichbar ist, stellt lediglich eine Randbedingung dar. Praktisch
alle Märkte unterliegen irgendwelchen Regelungen, es geht nur um das Ausmaß
derselben.
Das zentrale Thema ist also der wirtschaftliche Umgang mit knappen Gütern. Unter
Wirtschaften verstehen wir Entscheidungen, die den Umgang mit knappen Gütern
betreffen, um dadurch Ziele irgendwelcher Art zu realisieren. Ohne Ziele gibt es keine Knappheit und somit kein Wirtschaften.
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Diese Zielrealisation erfolgt in der Regel auf Märkten. Märkte sind ein abstrakter Ort
des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage. Überall dort, wo regelmäßig
von mehreren Marktteilnehmern Güter irgendwelcher Art angeboten oder nachgefragt werden, sprechen wir von einem Markt. Dabei ist der Gütermarkt lediglich ein
Spezialfall des Marktes. Wir können durchaus von einem Markt der Ideen sprechen,
von einem Markt politischer Angebote (Wahlkämpfe) oder eben von einem Gütermarkt. Märkte sind je nach politischem System unterschiedlich geregelt. Diese Regelungen stellen Rahmenbedingungen betriebswirtschaftlichen Handelns dar.
In eher marktwirtschaftlich geregelten Systemen ist der Wettbewerb ein entscheidendes Merkmal. Mehrere Anbieter versuchen jeweils ihr Angebot auf dem Markt
durchzusetzen. Sie versuchen dies, indem sie die Nachfrager von den Eigenschaften
ihres Angebotes zu überzeugen versuchen. Das ist das Gebiet des Marketing, auf
das wir gesondert zurückkommen. Die Funktionsfähigkeit von Märkten hängt einmal
davon ab, daß genügend Wettbewerber vorhanden sind und diese die Spielregeln
des Marktes nicht durch Absprachen unterlaufen. Außerdem müssen genügend
Nachfrager vorhanden sein, um keinen übermäßigen Druck auf die Anbieter ausüben zu können. Ferner müssen die Nachfrager dazu in der Lage sein, das Angebot
überhaupt beurteilen zu können. Konsumgütermärkte sind dadurch gekennzeichnet,
daß Konsumenten kaum dazu in der Lage sind, die Qualität der ihnen angebotenen
Produkte beurteilen zu können. Auch die Qualität medizinischer Leistungen dürfte
eher von den Kostenträgern, weniger von den Patienten beurteilt werden können.
Bedürfnisse sind ein wichtiges Element wirtschaftlichen Handelns. Wenn wir von
wirtschaftlichem Umgang mit knappen Gütern sprechen, bedeutet dies, daß ein Gut
in geringerem Umfange vorhanden ist als es benötigt wird. Es existiert also ein Mangel. Bedürfnisse kann man als einen psychologisch empfundenen Mangelzustand
verstehen, der mit dem Wunsch verbunden ist, eben diesen Mangel zu beseitigen.
Solche Bedürfnisse sind vielfältiger Art. Wir finden sie im existentiellen Bereich, wie
Nahrungssuche, Wohnraumsuche und das Bedürfnis nach Bekleidung. Wir finden
sie aber auch im sozialen Bereich, wie Bedürfnisse nach Anerkennung, Zusammengehörigkeit bzw. Zugehörigkeit. In dem Augenblick wo Bedürfnisse mit Kaufkraft verbunden marktwirksam werden, sprechen wir vom Bedarf.
1.2 Betriebswirtschaftliches Denken
Wir können unter dem Wirtschaftssystem Einrichtungen verstehen, die sich mit der
Produktion und Verteilung von Gütern jeglicher Art beschäftigen. Wirtschaftliches
Handeln betrifft die Tätigkeit der Menschen innerhalb dieses Systems. Ziel jeder
wirtschaftlichen Betätigung ist die Bedürfnisbefriedigung von Menschen. Dieses
Handeln kann mehr oder weniger planvoll erfolgen. Je systematischer und planvoller
das geschieht, um so eher gelingt es, die Bedürfnisse der am Wirtschaftsleben Beteiligten auf möglichst hohem Niveau zu befriedigen. Man kann also eine systematische, effiziente Befriedigung menschlicher Bedürfnisse als den Kern wirtschaftlichen
Handelns ansehen.
Wirtschaftliches Handeln ist notwendig, weil den vorhandenen Ressourcen ein meistens größerer Mangel an Gütern oder Dienstleistungen gegenübersteht. Die zur Be-
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dürfnisbefriedigung eingesetzten Güter sind häufig knapp, d.h. es steht ihnen eine
größere Nachfrage gegenüber. Solange die Nachfrage größer als das Angebot ist,
wird wirtschaftliches Handeln unabdingbar.
Wir wollen es einmal dahingestellt sein lassen, ob menschliche Bedürfnisse wirklich
von Natur aus unendlich groß sind, wie häufig behauptet wird. Unberührt davon
bleibt die Tatsache, daß wirtschaftliches Handeln immer dann notwendig ist, wenn
Güter in irgendeiner Form beschränkt vorhanden sind. Lediglich bei tatsächlich unbeschränkt vorhandenen Gütern entfällt die Notwendigkeit wirtschaftlichen Handelns.
Wir sprechen dann von so genannten freien Gütern. Da diese Güter in praktisch unbegrenzter Menge zur Verfügung stehen, erzielen sie keinen Marktpreis. Viele ehemals freie Güter wurden im Laufe der Zeit zu auf Märkten handelbaren Gütern, wie
Wasser, Natur (Naturschutzparks gegen Eintrittsgeld); ja sogar Luft kann partiell zu
einem auf Märkten handelbaren Gut werden. In Mexico City gibt es Sauerstoffautomaten auf den Straßen, an denen man sich gegen Entgelt kurzfristig "beatmen" lassen kann.
In der Tatsache, daß für den Umgang mit natürlichen Ressourcen, wie Sauberkeit
des Wassers oder der Luft derzeit kein Marktpreis erzielbar ist, liegt die Ursache für
viele ökologisch schädliche Entwicklungen des Wirtschaftssystems.
Wirtschaftliches Handeln erfolgt planvoll und systematisch, indem es von Zielen gesteuert wird. Das Vorhandensein von Zielen ermöglicht systematisches, ökonomisches Verhalten. Die Formulierung von Zielen, die Beziehung verschiedener Ziele
zueinander, die Macht, Ziele durchzusetzen sowie die Eigenschaften betriebswirtschaftlicher Ziele spielen daher in allen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre eine
große Rolle. Es stellt sich auch die Frage, welcher Art die Güter sind, auf die sich
wirtschaftliches Handeln bezieht. Wir wollen von folgender Aufteilung ausgehen:
1.
2.
3.
Sachgüter
a) Konsumgüter
b) Produktivgüter
Dienstleistungen, einschließlich Informationen
Rechtsgüter
Konsumgüter beziehen sich auf den privaten Verbrauch. Dieser wird auch als das
"Kernstück der Wirtschaftsforschung" bezeichnet (Vershofen, 1959). Das liegt daran,
daß das Streben nach Konsumgütern sozusagen ein ursprüngliches Ziel wirtschaftlichen Handelns darstellt. Demgegenüber sucht niemand Produktivgüter um ihrer
selbst willen. Produktivgüter werden benötigt, um andere Produkte, z.B. Konsumgüter, herzustellen. Produktivgüter unterteilen wir weiter in Investitionsgüter, diese werden zur Produktion benötigt und langfristig genutzt, in Roh- und Hilfsstoffe, diese
gehen in das zu produzierende Gut ein, und Betriebsstoffe, diese werden durch die
Produktion verbraucht.
Dienstleistungen und Informationen als Wirtschaftsgüter spielen insbesondere in der
modernen Gesellschaft eine immer größere Rolle. Dienstleistungen sind selbständige, marktfähige Leistungen. Diese bestehen entweder aus der Bereitstellung einer
Leistung, die bei Bedarf abrufbar ist; das gilt beispielsweise für Versicherungen,
Feuerwehren oder Sicherheitsdienste, wie im Polizei- und Gesundheitswesen.
Dienstleistungen können sich auch auf den Einsatz von Leistungsfaktoren beziehen,
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die auf Wunsch des Kunden zu einem bestimmten Zeitpunkt erbracht werden. Die
eigentliche Leistung des Anbieters vollzieht sich an einem Dienstobjekt. Das kann
ein Kunde selbst sein, der beispielsweise als Privatkunde im Falle eine Friseurleistung oder als Unternehmen oder Organisation im Falle einer angeforderten Beratung
diese Dienstleistung wünscht. Die Leistung kann sich auch an einem Objekt der
Kunden vollziehen, beispielsweise an Maschinen oder Geräten (vgl. zu dieser Begriffsumschreibung Meffert, 2000, S. 1160 f.). Es dürfte offensichtlich geworden sein,
daß auch zur Produktion derartiger Dienstleistungen Produktivgüter notwendig werden. Güter werden immer durch den Einsatz so genannter Produktionsfaktoren erstellt. Produktionsfaktoren sind: Arbeit, Boden, Betriebsmittel (Investitionsgüter),
Werkstoffe (Roh- und Hilfsstoffe, sowie Betriebsstoffe) und der so genannte "dispositive Faktor" (Planung, Management, Organisation). Eine Hauptaufgabe betriebswirtschaftlicher Handlungen ist es, diese Produktionsfaktoren in der Form miteinander
zu kombinieren, die dazu führt, die herzustellenden Güter möglichst kostengünstig zu
produzieren. Es geht also um die "optimale Kombination von Produktionsfaktoren".
So wird beispielsweise der Produktionsfaktor Mensch in immer stärkerem Maße
durch den Produktionsfaktor Betriebsmittel ersetzt, eben weil menschliche Arbeit
häufig teurer ist als der Einsatz von Maschinen. Im Krankenhauswesen könnte ein
weiterer Faktor eine Rolle spielen, nämlich die möglicherweise einmal höhere Zuverlässigkeit von Maschinen während einer Operation oder Patientenüberwachung. Wir
sagen auch, daß Produktionsfaktoren nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip kombiniert
werden.
Betriebswirtschaftliches Handeln findet in Wirtschaftssystemen statt. Wirtschaftssysteme werden danach charakterisiert, inwieweit in ihnen das "freie Spiel der Kräfte"
zum Tragen kommt und in welchem Maße staatliche Reglementierungen eingesetzt
werden. Das Extrem finden wir in einer Zentralverwaltungswirtschaft, in der durch
den Staat alle wirtschaftlichen Handlungen geplant und zwingend vorgeschrieben
werden. Auf der anderen Seite steht eine freie Marktwirtschaft, in der keinerlei Beschränkungen existieren. Während in der Vergangenheit Diskussionen um die Leistungsfähigkeit mehr oder weniger zentral geplanter und mehr oder weniger freier
Marktwirtschaften geführt wurden, besteht heute wohl Einigkeit darüber, daß auf den
Weltmärkten eher ein Wettbewerb unterschiedlicher Formen der Marktwirtschaft
stattfindet. Die grundsätzliche Überlegenheit von Marktwirtschaften gegenüber Zentralverwaltungswirtschaften wird kaum mehr ernsthaft in Frage gestellt. Es geht vielmehr um die Frage der Gestaltung von Marktwirtschaften. Einschränkungen hinsichtlich der Freiheit in Marktwirtschaften erscheinen immer dann sinnvoll, wenn das freie
Spiel der Kräfte aufgrund ungleicher Machtverteilung zu gesellschaftlich nicht erwünschten Folgen führt (Arbeitslosigkeit, Umweltschäden, gesundheitliche Schäden,
Verlagerung politischer Macht, Gefahr der freiheitlichen Grundordnung). Auch die
freie Marktwirtschaft führt zu unerwünschten Nebenwirkungen.
Es ist letztendlich zu entscheiden, ob die Kosten staatlicher Einflußnahme auf die
freie Marktwirtschaft größer oder kleiner sind als die Kosten der Inkaufnahme unerwünschter Folgen freier marktwirtschaftlicher Betätigung. So wird sicherlich durch
staatliche Umweltpolitik die Gefahr von Produktivitätsverlusten gefördert. Es stellt
sich aber einfach die Frage, ob man die Folgen von Umweltschäden als höher oder
geringer erachtet als eben diese Produktivitätsverluste. Das sind häufig Fragen, die
sich nicht wirklich ökonomisch, sondern letztendlich nur normativ wertend, also politisch beantworten lassen.
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In Deutschland wird seit vielen Jahren das Prinzip der "sozialen Marktwirtschaft" verfolgt, mit deren Hilfe versucht wird, einerseits die Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft zu erhalten und andererseits unerwünschte Konsequenzen zu vermeiden.
1.3 Ziele wirtschaftlichen Handelns
Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß real existierende unternehmerische
Organisationen lediglich das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgen. Im Gegenteil,
es gibt sogar Stimmen, die betonen, daß Gewinnmaximierung als unternehmerisches Ziel nicht überwiegend verfolgt wird. Das entscheidende Ziel sei Erhalt der
Organisation (dem ist aus Plausibilitätsgründen sicherlich zuzustimmen) und Ausweitung des eigenen Einflusses. Natürlich könnte man argumentieren, daß hinter dem
Ziel der Einflußausweitung langfristig doch das Ziel nach immer höherem Gewinn
stehen kann. Auf jeden Fall ist davon auszugehen, daß nicht ein Ziel, sondern ganze
Zielsysteme im Mittelpunkt betriebswirtschaftlicher Überlegungen stehen müssen.
Diese Zielsysteme entstehen als Folge unternehmerischer Entscheidungen, aber
auch als Folge von Verhandlungen zwischen den Machtzentren innerhalb und außerhalb von Unternehmungen. Solche Machtzentren sind Eigentümer, Management,
Personal, Gewerkschaften, Staat, Verbände, aber auch Medien.
Damit Ziele dazu führen, Handlungen zu systematisieren, müssen sie bestimmte
Eigenschaften aufweisen. Man sagt, sie müssen operational formuliert sein. Ziele
sind dann operational formuliert, wenn sie hinsichtlich des Ausmaßes der Zielerreichung und hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Zeit präzise genug formuliert
sind. Bei ausreichend präziser Formulierung können sie als Handlungsanweisung
dienen, um so eher ist aber auch die spätere Zielerreichung kontrollierbar. Diese
Kontrolle ist niemals negativ zu beurteilen, im Gegenteil, eine nachträgliche Zielerreichungskontrolle erlaubt es erst, aus Fehlern Konsequenzen zu ziehen, aus Fehlern
zu lernen. Ziele haben verschiedene Beziehungen zueinander. Zunächst können wir
hinsichtlich der Bedeutung zwischen Haupt- und Nebenzielen unterscheiden. Es gibt
einfach Ziele, die von größerer Bedeutung sind als andere. So dürfte beispielsweise
die Erhaltung einer Organisation von größerer Bedeutung sein als die Verfolgung
sozialer Ziele, so hart dieses im Einzelfall auch sein mag.
Ferner besteht zwischen Zielen auf verschiedener Ebene eine Zweck-MittelBeziehung. Damit ist gemeint, daß ein Ziel auf einer unteren Ebene jeweils Mittel zur
Erreichung eines Zieles auf einer oberen Ebene (Zweck) sein kann.
Ziele können in komplementärer, konkurrierender oder indifferenter Beziehung zueinander stehen. Unter einer Komplementaritätsbeziehung von Zielen verstehen wir,
daß die Realisation eines Zieles die eines anderen ergänzt. Damit ist nicht eine reine
Zweck-Mittel-Beziehung gemeint. Es ist durchaus denkbar, daß sich zwei nebeneinander stehende Ziele gegenseitig im Falle der Zielerreichung ergänzen. So mag
man soziale Ziele durchaus nicht primär verfolgen, um dadurch den ökonomischen
Umgang mit Werkstoffen zu fördern. Dennoch mag aber durch die Realisation von
sozialen Zielen die Motivation der Mitarbeiter gesteigert werden, sich auch insgesamt
für die Belange der Organisation einzusetzen und so auch mit Werkstoffen ökonomischer
als
vorher
umzugehen.
Ein
weiteres
Beispiel
für
eine
Komplementaritätsbeziehung kann im Vertrieb der erfolgreiche Verkauf eines Pro-
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duktes sein, wodurch der Verkauf anderer Produkte ebenfalls forciert wird. Eine beliebige Organisation, die in bestimmten Bereichen einen hervorragenden Ruf genießt, kann es erreichen, daß dieser Ruf auch auf andere Bereiche überstrahlt.
Ziele können sich aber auch in einer Konkurrenzbeziehung zueinander befinden. Die
Realisation von Ziel A verhindert die von Ziel B. Konkurrenzbeziehungen finden sich
immer dann, wenn begrenzte Ressourcen für zwei verschiedene Ziele benötigt werden, jedoch insgesamt nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Das
klassische Beispiel ist der Zwang mit knappen Geldmitteln umzugehen. Nehmen wir
als weiteres Beispiel den Verkauf von Produkten bei verschiedenen Kundengruppen.
Da Zeit nur begrenzt zur Verfügung steht, muß sich der Vertrieb entscheiden, wie
viel Zeit er dem einen oder anderen Produkt zur Verfügung stellen möchte.
Theoretisch möglich, in letzter Konsequenz in Betriebswirtschaften aber fast nicht
denkbar, sind Indifferenzbeziehungen. Damit ist gemeint, daß zwischen der Erreichung von zwei Zielen überhaupt keine Beziehung herstellbar ist.
Häufig finden sich Zielsysteme, bei denen je nach Ausmaß der Zielerreichung einzelner Ziele sowohl Konkurrenz- als auch Komplementärbeziehungen zu anderen
Zielen existieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die Verfolgung sozialer und ökonomischer Ziele in einer Organisation. Bis zu einem gewissen Maße führt die Realisation
sozialer Ziele über Motivation der Mitarbeiter zu einer gleichzeitig verstärkten Realisation ökonomischer Ziele. Ab einem bestimmten Niveau führt die Weiterverfolgung
sozialer Ziele nicht mehr zu einer Forcierung ökonomischer Ziele. Andererseits wirkt
sich die Verfolgung sozialer Ziele möglicherweise dennoch nicht negativ auf die Verfolgung ökonomischer Ziele aus. Kosten und Nutzen halten sich die Waage. Wird ein
weiteres Niveau der Verfolgung sozialer Ziele erreicht, so sinkt infolge der dadurch
entstehenden Kosten der ökonomische Erfolg. Am Anfang haben wir somit eine
Komplementaritätsbeziehung, dann Indifferenz und am Schluß eine Konkurrenzbeziehung.
Analog ist die Beziehung zwischen der Verfolgung ökonomischer und ökologischer
Ziele zu sehen. Ob man die Verfolgung ökologischer Ziele tatsächlich in dem Punkt
reduziert, in dem sie zu Lasten der Verfolgung ökonomischer Ziele geht, ist allerdings ausschließlich eine politische Entscheidung.
ökonomische Ziele
soziale Ziele
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Abbildung. 1: Beziehung zwischen der Verfolgung sozialer und ökonomischer Ziele
Es gilt zu berücksichtigen, daß Ziele niemals endgültig begründet werden können.
Sie beruhen immer auf normativen Entscheidungen der Entscheidungsträger. Daher
gibt es auch keine vollkommen wertfreie Praxis. Entscheidungen lassen sich auch
niemals ausschließlich aus Fakten ableiten. Ausgangspunkt sind immer menschliche
Ziele. Hierin liegt auch die ethisch-normative Komponente menschlicher Praxis. Auch
die Forderung nach ausschließlicher Berücksichtigung ökonomischer Aspekte ist
normativ. Sie stellt ein bestimmtes mögliches Ziel dar, neben dem mit gleicher Berechtigung auch andere menschliche Ziele stehen könnten. Damit wird die Bedeutung der Ökonomie nicht abgewertet. Sie wird als ein mögliches Ziel menschlicher
Praxis gesehen – und ganz sicher ist eines von hervorragender Bedeutung.
Die Berücksichtigung ökologischer Konsequenzen wirtschaftlichen Handelns wird
angesichts zunehmender Bedrohung der Umwelt zu einer Überlebensfrage, nicht
mehr nur der Marktwirtschaft, sondern der Menschheit schlechthin. Dieser Verantwortung kann sich niemand entziehen. Unternehmerische Gewinninteressen sind
dagegen von untergeordnetem Wert. Selbst die Argumentation mit nationalen Wirtschaftsinteressen ist angesichts globaler Bedrohungen unangemessen. Hieraus läßt
sich aber gerade eine zunehmende Bedeutung wirtschaftlicher Vernunft ableiten.
Gerade weil globale Probleme zur Lösung anstehen, ist ökonomischer Umgang mit
Ressourcen von größerer Bedeutung geworden. Möglicherweise lassen sich ökologische Probleme über Marktmechanismen lösen. Eine Voraussetzung dazu ist allerdings, daß der Verbrauch natürlicher Ressourcen mit Kosten verbunden ist. Ein
Problem in dieser Hinsicht ergibt sich aus der internationalen Verflechtung der Märkte.
Wer verhindern möchte, daß durch den Transport von Konsumgütern auf Straßen
seiner Meinung nach unnötige Umweltbelastungen ausgelöst werden, kann daran
denken, Autobahnen zu privatisieren und die Benutzung über Gebühren zu finanzieren. Dann würde beispielsweise Mineralwasser mit zunehmender Entfernung vom
Abfüllort teurer, über den dann wohl höheren Marktpreis würde die Nachfrage aus
entfernten Regionen sinken und so die Umweltbelastung. Das ist eine eindeutig
marktwirtschaftliche Lösung ökologischer Probleme.
Wichtige ökonomische Ziele
Als wichtigstes allgemeines ökonomisches Ziel dürfte wohl die Realisation des "ökonomischen Prinzips" zu nennen sein. Für dieses ökonomische Prinzip kennen wir
zwei realistische Ausprägungen:
a)
Realisation einer gegebenen Leistung (eines Zieles) mit minimalem
Faktoreinsatz,
b)
Maximierung der Leistung bei gegebenem Faktoreinsatz.
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Wenn wir hier von Faktoren sprechen, dann meinen wir hiermit Produktionsfaktoren.
Produktionsfaktoren sind Ressourcen, die für die Produktion von Leistungen jeglicher Art erforderlich sind, insbesondere menschliche Arbeit, Betriebsmittel und Betriebsstoffe. Ebenso denken wir dabei in neuerer Betrachtung an Informationen als
Produktionsfaktor und an Kapital als abstrakte Größe.
Wir nehmen ein einfaches Beispiel: Ein Spekulant an der Börse, möge über ein bestimmtes Kapital verfügen und versuchen, mit diesem Kapital seinen Börsengewinn
zu maximieren. Es ist aber auch denkbar, daß unser Spekulant das Ziel verfolgt, ein
bestimmtes Einkommen, das zur Realisation seines individuellen Lebensstandards
notwendig ist, mit minimalem Kapitaleinsatz an der Börse zu realisieren. Im ersten
Fall ist der Mitteleinsatz gegeben, und das Ergebnis soll maximiert werden; im zweiten Fall ist das Ergebnis gegeben, und der Mitteleinsatz soll minimiert werden.
Denkbar wäre auch, daß sowohl hinsichtlich der Zielausprägung als auch hinsichtlich
der zur Verfügung stehenden Mittel keine Begrenzungen gegeben sind. Dann ist ein
optimales Verhältnis zwischen Mitteleinsatz und Zielerfüllung anzustreben.
Die Anwendung des ökonomischen Prinzips von der Minimierung des Aufwandes bei
gewünschtem Ziel (Minimal-Prinzip) oder der Maximierung des Ertrages bei gegebenem Einsatz (Maximal-Prinzip) nennt man Wirtschaftlichkeit. Das Verhältnis von Einsatz und Ergebnis der Leistung wird auch als "Input-Output-Beziehung" bezeichnet.
Der Input bezieht sich auf den Einsatz von Mitteln, der Output auf das Ergebnis bzw.
den Produktionsausstoß. Hier geht es um die dritte mögliche Ausprägung des ökonomischen Prinzips, nämlich die Relation von Leistung und Faktoreinsatz. Dieses
Verhältnis wird folgendermaßen dargestellt:1
allgemeine Formulierung:
mengenmäßige Formulierung:
wertmäßige Formulierung:
monetäre Formulierung:
Ertrag/Aufwand
Output/Input
Nutzen/Leistung
Umsatz/Ausgaben
Die allgemeine Formulierung umfaßt alle anderen folgenden und meint ausschließlich eine abstrakte Beziehung zwischen Resultat des Handelns einerseits und Mitteleinsatz andererseits. Die mengenmäßige Betrachtung ist leicht verständlich. Wir haben einen bestimmten Output, beispielsweise 10.000 Kraftfahrzeuge pro Zeiteinheit
und benötigen dazu diverse Tonnen Stahl, Arbeitsstunden oder Kilowattstunden an
Energie. Die wertmäßige Betrachtung setzt Entscheidungen über den Wert einzelner
mengenmäßiger Komponenten voraus. Diese müssen nicht deckungsgleich sein mit
den monetären Größen: Umsatz und Ausgaben. Wenn wir die Relation von Ertrag
und Einsatz bezogen auf das Kapital untersuchen, sprechen wir von Rentabilität. Wir
kennen folgende Rentabilitäts-Kennziffern:
Gesamtkapital-Rentabilität:
1
(Gewinn + Fremdkapitalzinsen) x 100
Man sollte eigentlich nicht auf Fehler hinweisen, weil die Erfahrung zeigt, daß häufig gerade dann
diese Fehler gelernt werden. Wir wollen aber in diesem Fall eine Ausnahme machen, weil uns praktische Lehrerfahrung zeigt, daß Studierende immer wieder das ökonomische Prinzip falsch verstehen.
Wer unter dem ökonomischen Prinzip das „Anstreben maximalen Resultates bei minimalem Aufwand“
versteht, begeht den größten Fehler betriebswirtschaftlichen Denkens überhaupt. Dieses Ziel ist nicht
lösbar! Die Leser mögen einmal versuchen folgendes Ziel zu erreichen: Durcharbeiten dieses Textes
bei minimalem Zeitaufwand und gleichzeitiges Anstreben maximalen Lernerfolges. Setzten Sie sich
lieber ein Zeitlimit und versuchen Sie, in diesem Zeitlimit Ihren Leistungserfolg zu maximieren.
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Gesamtkapital
Eigenkapital-Rentabilität:
Gewinn x 100
Eigenkapital
Umsatz-Rentabilität:
Gewinn x 100
Umsatz
Bei der Gesamtkapital-Rentabilität ist der Gewinn um die Fremdkapitalzinsen zu erhöhen, da ja die Rentabilität des gesamten eingesetzten Kapitals, das sich aus Eigen- und Fremdkapital zusammensetzt, ermittelt werden soll. Der ausgewiesene
Gewinn wird aber durch Fremdkapitalzinsen als Kostenfaktor geschmälert.
Wollen wir hingegen die Eigenkapital-Rentabilität ermitteln, so nehmen wir den ausgewiesenen Gewinn. Wir sehen leicht, daß sich die Eigenkapital-Rentabilität dann
erhöht, wenn das Fremdkapital weniger an Zinsen kostet, als es zur Gewinnerzielung
beiträgt.
Ferner kennen wir die so genannte "technische Wirtschaftlichkeit" und bezeichnen
diese als Produktivität.
Die Produktivität wird auch als "mengenmäßige Wirtschaftlichkeit" bezeichnet und
stellt immer eine Output/Input-Beziehung dar.
1.4
Die Betriebswirtschaftslehre im Zusammenhang mit weiteren
Wissenschaften
Die Betriebswirtschaftslehre weist eine Reihe von Beziehungen zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen auf. Reales betriebswirtschaftliches Handeln kann niemals
ausschließlich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten realisiert werden. So
bestehen beispielsweise enge Beziehungen zur Volkswirtschaftslehre. Beispiele
zeigten immer wieder, wie stark deutsche Industrieunternehmen von internationalen
Währungsturbulenzen betroffen sind. So führte beispielsweise eine DollarSchwächung bei gleichzeitiger Stärkung des Euro zu erheblichen Exportschwierigkeiten, da infolgedessen Exportartikel aus Deutschland in beispielsweise USamerikanische Märkte zu teuer werden. Derartige Währungsverschiebungen können
beispielsweise die Folge langfristiger Exportüberschüsse sein, da Exportüberschüsse dazu führen, daß die eigene Währung auf dem Weltmarkt in stärkerem Maße
nachgefragt wird, was zu einer Verteuerung eben dieser Währung führt. Eine mögliche betriebswirtschaftliche Konsequenz ist dann die Verlagerung von Produktionsstätten in „Dollar-Länder“, da in diesem Fall eine Dollar-Schwächung zur Verbilligung
der Produktion führt und so Währungsturbulenzen auf die unternehmerischen Ziele
keinen so negativen Einfluß mehr haben. Nehmen wir einen deutschen Hersteller an,
der Computer nach Brasilien verkauft. Sein Exportanteil möge 90% betragen. Er verkauft also sehr wenig von seiner Produktion in Deutschland. Dennoch ist dieser Unternehmer in starkem Maße von der Nachfrage nach Konsumgütern im Inland, ja
sogar von Importen, beispielsweise südostasiatischer Autos nach Deutschland, betroffen. Nehmen wir an, es würden nur Computer nach Brasilien verkauft werden, so
würde auf dem Weltmarkt die Nachfrage nach Inlandswährung steigen, um eben
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diese Computer bezahlen zu können. Die Folge ist, daß die Inlandswährung in ihrem
Wert steigt. Da unser deutscher Hersteller aber Kosten in Deutschland hat, ist er auf
Bezahlung in Inlandswährung angewiesen. Unsere brasilianischen Kunden müssen
aber immer mehr Einheiten in eigener Währung oder Dollar aufbringen, um den
Preis in europäischer Währung für deutsche Computer bezahlen zu können. Die Inlandsnachfrage, beispielsweise nach südostasiatischen Autos, wiederum würde bewirken, daß auf dem Weltmarkt auch Inlandswährung angeboten wird, um eben die
Fahrzeuge aus Südostasien bezahlen zu können. Dieses Angebot an Inlandswährung mildert den eben beschriebenen Teuerungsprozeß der Inlandswährung und
ermöglicht es so weiterhin beispielsweise Computer nach Brasilien zu verkaufen. An
diesem kleinen Beispiel erkennen wir, daß selbst scheinbar irrelevante Märkte Einfluß auf die Geschäftsmöglichkeiten eines Unternehmens haben können. Da dies
alles wiederum auch die inländische Wirtschaft betrifft, ist selbst ein KrankenhausManagement gut beraten, längerfristige gesamtwirtschaftliche Entwicklungen und
Turbulenzen zu beobachten.
Wenn wir an die Bedeutung von Versicherungsbeiträgen für das Gesundheitssystem
denken und an die Bedeutung staatlicher Förderung für die medizinische Forschung,
dann wird deutlich, daß Krankenhäuser vielleicht mehr als manche erwerbswirtschaftliche Unternehmung von gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen abhängig sind.
Ein Produktionsstandort für Automobile kann verlegt werden. Eine Dienstleistungsorganisation, wie ein Krankenhaus, ist, was den Standort betrifft, an seinen Absatzmarkt gebunden und besonders anfällig für derartige gesamtwirtschaftliche Entwicklungen.
Ferner läßt sich unternehmerisches bzw. Marktverhalten niemals ausschließlich ökonomisch erklären. Eine Vielzahl psychologischer und soziologischer Erklärungen
ist ebenfalls erforderlich. Viele Maßnahmen im Marketing haben gerade das Ziel,
nichtökonomisches Verhalten auszulösen. Das ist der Fall, wenn ein Produkt beispielsweise mit psychologischem Zusatznutzen versehen wird. Es ist allerdings sehr
schwierig bis nahezu unmöglich, rationales oder irrationales Verhalten klar zu trennen; unter wissenschaftlich wertfreiem Gesichtspunkt wäre diese Unterscheidung
sogar irrelevant. Nehmen wir den Fall einer Person X. Sie sei sich der Tatsache bewußt, daß technisch zwischen zwei Produkten A und B kein Unterschied bestehe.
Sie weiß jedoch, daß die Verwendung des Produktes B prestigeträchtig ist und dem
Verwender unter diesem Gesichtspunkt Ansehen verschafft. Nehmen wir an, dieses
Ansehen sei ausschließlich psychologischer Art, führe also nicht indirekt zu ökonomischen Vorteilen. Die Person X entscheidet sich nun zum Kauf des wesentlich teureren Produktes B. Handelt diese Person irrational?
Ferner besteht eine Vielzahl von Beziehungen der Betriebswirtschaftslehre zu Wissensgebieten wie der Arbeitswissenschaft. Hier wird die Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen analysiert, ebenso die Voraussetzungen zur Abgabe maximaler oder optimaler menschlicher Leistung. Wir denken dabei beispielsweise an das
Stichwort „produktive Pause“. Man nimmt an, daß der Arbeitsausfall durch eine Pause durch anschließende Mehrleistung überkompensiert werden kann.
In der Produktion wiederum bestehen Beziehungen zu den Ingenieur-Wissenschaften, zur Physik oder zur Chemie. Eine zukunftsträchtige Technologie ist die
Biotechnik, durch welche enge Beziehungen zwischen Betriebswirtschaftslehre und
Medizin hergestellt werden.
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Mathematik und Statistik spielen beispielsweise im Marketing (Marktforschung)
oder in der Produktion (Konstruktion, Optimierung, logistische Abläufe) sowie in der
Finanzpolitik (Verzinsung von eingesetztem Kapital) eine große Rolle.
Das alles zeigt, wie viele andere Wissenschaften die Betriebswirtschaftslehre beeinflussen. Die Betriebswirtschaftslehre ist eine angewandte Wissenschaft, die an der
Lösung von Problemen in bestimmten Bereichen menschlicher Praxis ausgerichtet
ist. Sie unterscheidet sich darin von den „Grundlagenwissenschaften“, die an einem
Erkenntnisfortschritt ausgerichtet sind. In den Methoden betriebswirtschaftlichen
Denkens in Lehre und Praxis zählt die ständige Nutzung der Erkenntnisse anderer
Wissenschaften. Eine Betriebswirtschaftslehre kann nur unter Verwendung und Nutzung der Aussagen zusätzlicher Wissenschaften zu brauchbaren eigenen Aussagen
gelangen. Viele Vertreter/innen der Betriebswirtschaftslehre verstehen ihre Disziplin
daher auch als eine Sozialwissenschaft, also als eine Wissenschaft, die am menschlichen Verhalten auf Märkten ausgerichtet ist, und dieses auch unter Berücksichtigung nicht ausschließlich ökonomischer Aussagensysteme. Das gilt insbesondere
für einige Teilgebiete der Betriebswirtschaftslehre wie die Personalwirtschaft, das
Marketing oder die Unternehmensführung.
Hier wird der Standpunkt vertreten, daß die Betriebswirtschaftslehre einerseits wirtschaftliche Zusammenhänge unter rein ökonomischer Perspektive zu erklären hat.
Sie hat aber andererseits auch das Entscheidungsverhalten von Personen, die sich
in Tauschprozessen befinden zu erklären: Arbeits- und Kaufverhalten, Führungsverhalten. Das ist unter einer ausschließlich ökonomischen Perspektive nicht möglich.
Dazu muß die Betriebswirtschaftslehre Erkenntnisse anderer Sozialwissenschaften
heranziehen: Psychologie, Soziologie, Sozialpsychologie. So wird die Betriebswirtschaftslehre auch zu einer angewandten Sozialwissenschaft. Es gibt bis heute Diskussionen über diese Frage: BWL als reine Ökonomie oder als angewandte Sozialwissenschaft? Zur Frage „angewandter Forschung versus Grundlagenwissenschaft
vgl. Abschnitt 1.81. Die Antwort kann danach beurteilt werden, welcher Erkenntnisfortschritt durch die eine oder andere Auffassung gefördert wird, und welcher praktische Nutzen für Entscheidungsträger/innen in der Realität aus einer Wissenschaft
folgt, die der einen oder der anderen Auffassung folgt. Unter diesem Aspekt kommt
man wohl zu dem Schluß, daß sich diese Frage nicht für die gesamte Betriebswirtschaftslehre beantworten läßt, sondern für Teilbereiche differenziert zu beantworten
sein wird. Teilbereiche wie Kostenlehre, Finanzierung und Investitionsrechnung, Logistik dürften eher unter ausschließlich ökonomischer Perspektive zu behandeln
sein. Teilbereiche wie Unternehmensführung, Personal, Marketing, Absatzwirtschaft,
Organisation sind wohl als eine angewandte Sozialwissenschaft im Vorteil.
1.5
Gesellschaftlicher
Entscheidungen
Bezugsrahmen
betriebswirtschaftlicher
1.5.1 Die Unternehmung in der Wirtschaftsordnung
Es gibt für unternehmerisches Handeln Aktionsparameter und äußere Daten bzw.
Rahmenbedingungen, die nicht oder nur sehr wenig durch die Unternehmung beeinflußbar sind. Eine der wichtigsten Größen dieser Art ist die Wirtschaftsordnung.
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Dabei geht es im Prinzip darum, wie Angebot und Nachfrage sowie unternehmerisches Handeln geregelt werden. Die beiden theoretischen Extreme stellen eine Zentralverwaltungswirtschaft einerseits und eine völlig freie Wirtschaftsordnung ohne
staatliche Reglementierung andererseits dar. In einem Fall bestimmen staatliche
Pläne und Regelungen das gesamte wirtschaftliche Handeln, im anderen Fall das
völlig freie Spiel der Kräfte zwischen Angebot und Nachfrage. Der Wettbewerb zwischen Staats- und Marktwirtschaft ist sicherlich in den letzten Jahren zugunsten der
Marktwirtschaft entschieden worden. Gesamtwirtschaftliche Modellrechnungen zeigen dann auch immer wieder die Überlegenheit eines marktwirtschaftlichen Systems
auf. Werden ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolgt, so erscheinen in der
Tat alle staatlichen Eingriffe als schädlich. Sie stehen der maximalen Realisation
wirtschaftlicher Ziele in der Regel entgegen. Andererseits gehen derartige Modelle
vom "Funktionieren der Märkte" aus, was bedeutet, daß ein freies, aber auch gleichberechtigtes Spiel der Kräfte realisiert wird. Man kann Märkte auch durch Machtstrukturen kennzeichnen. Diejenige Seite (Anbieter oder Nachfrage), die über ein
größeres Machtpotential verfügt, wird ihre Interessen besser durchsetzen können als
die andere Seite.
Macht kennzeichnet die Möglichkeit einer Person oder einer Organisation, das Verhalten anderer Personen oder Organisationen zu beeinflussen. Die Möglichkeiten
dazu können sich auf mehr oder weniger viele Verhaltensweisen in mehr oder weniger starkem Ausmaß beziehen. Damit ist die Reichweite sozialer Machtausübung
angesprochen. Diese Reichweite hängt von den Machtressourcen der jeweils beteiligten Seiten ab. Macht kann man durch Gewalt, durch Identifikation, durch Verführungsgewalt über Belohnungen oder Bestrafungen und letztendlich auch durch Informationen erhalten. In Märkten ist in starkem Maße Macht durch Informationen
relevant. Gemeint sind u. a. Informationen über Produkte und deren Eigenschaften.
Nicht alle Eigenschaften von Produkten werden den Verwendern offenbar. Macht
kann man ferner durch Kenntnisse über Techniken der Beeinflussung anderer erhalten. Insbesondere Privatpersonen wissen zwar, daß sie durch Werbung beeinflußt
werden sollen, die subtilen Techniken der Werbung sind ihnen aber nicht vertraut.
Macht durch Information ist um so stärker ausgeprägt, um so weniger die andere
Seite die Möglichkeit hat, sich ebenso zu informieren wie die andere. Das ist insbesondere im Konsumgütermarketing sehr stark ausgeprägt. In um so stärkerem Maße
können Anbieter ihre Eigeninteressen durchsetzen (vgl. Busch, Dögl, Unger, 2001,
S. 13).
Insbesondere beim Konsumgütermarketing stellt Scherhorn (1983) das Funktionieren der Märkte in Frage. Krankenhäuser sind in betriebswirtschaftlichem Verständnis
Dienstleistungsanbieter, die sich insofern in einer besonderen Situation befinden
als ihre Kunden durchaus mit Konsumenten vergleichbar sind, in dem es sich um
eine große Anzahl privater Nachfrage handelt, die zudem kaum dazu in der Lage
sein dürften, das Angebot wirklich zu beurteilen. Andererseits werden die Leistungen
zu einem großen Teil von Kostenträgern finanziert (Krankenkassen), die zumindest
partiell, als kompetente Marktteilnehmer zu verstehen sind. Scherhorn stellt das
Funktionieren von Konsumgütermärkten (und teilweise ist der Krankenhausmarkt
dem sehr ähnlich) aus folgenden Gründen in Frage: Wenn auch auf freien Märkten
Zwangsmittel als Grundlage von Anbietermacht fehlen, so gründet sich Anbietermacht doch insbesondere darauf, daß die Nachfrager nicht dazu in der Lage sind,
ihre Bedarfsvorstellungen ohne einseitige Beeinflussung durch die Anbieter zu bil-
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
12
den. Sie werden beeinflußt, wissen das auch, können sich dem aber kaum entziehen. Anbieter können ihre Macht insbesondere dadurch erhöhen, daß sie den Nachfragern gezielt Informationen vorenthalten (ein aktuelles Beispiel stellt die Diskussion
um die Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Produkte für Konsumenten
dar). Auf vielen Märkten haben die Anbieter durchaus soziale Kontrolle über die
Nachfrager in der Form, daß sie diese dazu beeinflussen können, ihr Verhalten an
den Interessen der Anbieter auszurichten. Die Reaktionsmöglichkeiten der Nachfrager auf unbefriedigte Wahrung ihrer Interessen sind beschränkt. Sie können in freien, Märkten die alleine auf dem Wettbewerbsprinzip beruhen, im Wesentlichen nur
mit Abwanderung reagieren. Häufig sind sie sogar gezwungen, aus ihrer Sicht nicht
zufrieden stellende Alternativen zu wählen, weil sich keine besseren Möglichkeiten
der Bedürfnisbefriedigung ergeben. Kauf ist, so Scherhorn, keineswegs ein hinreichender Indikator dafür, daß die Nachfrager zufrieden gestellt sind.
Die Relation der Kontrollpotentiale zwischen Anbieter und Nachfragern ist in Konsumgütermärkten jedenfalls ungleichmäßig verteilt. Insbesondere verfügen Anbieter
über "Herrschaftswissen", das es ihnen ermöglicht, Techniken der Beeinflussung
einzusetzen, die den Nachfragern nicht zugänglich sind. Die Versorgung der Konsumenten mit Informationen und Kenntnissen ist defizitbeladen, ihre Ausstattung mit
Entscheidungstechniken ist unzureichend. Verbraucher sind schon mit der bloßen
Anzahl der zu lösenden Probleme überlastet. Es ist ihnen ferner nicht möglich, Informationen über die Leistungsfähigkeit oder schädliche Nebenwirkungen von Produkten zu erhalten. Dieses Problem nimmt mit zunehmender Komplexität der Märkte
weiter zu. Das Problem ist nicht durch mehr Informationen lösbar, es wäre nur lösbar, wenn Konsumenten lernen würden, Informationen optimal zu nutzen. Sie müssten professionelle Entscheidungstechniken erlernen können. "Den Anbietern gegenüber sind die Konsumenten im Nachteil. Denn im allgemeinen kann ein Anbieter im
Vergleich zum Nachfrager auf Konsumgütermärkten seine Ressourcen auf weniger
Konsumgüter konzentrieren, von denen er größere Mengen umsetzt" (Scherhorn,
1983, S. 93).
Insbesondere können Anbieter manipulative Techniken einsetzen. Manipulation ist
jede Beeinflussung anderer zum eigenen Vorteil, auch wenn dies von Werbepraktikern bestritten wird: Werbung ist Manipulation. Während Marketing-Experten auf
diesem Gebiet bestens geschult sein können, ist die Schulung der Verbraucher auf
ähnlichen Gebieten minimal.
Letztendlich ist damit gezeigt, daß die Argumente derer, die ein völlig freies Spiel der
Kräfte fordern, mit dem Argument, dadurch den Gesamt-Wohlstand aller zu erhöhen,
von Annahmen ausgehen, die in der Realität nicht gegeben sind. Auch eine völlig
liberale Marktwirtschaft hat (wie alle menschlichen Verhaltensweisen) unerwünschte Nebeneffekte. Die Frage ist nun alleine die, welche Reduktion der Leistungsfähigkeit des Wirtschaftssystems man durch staatliche Einflußnahme bereit ist in Kauf
zu nehmen, um derartige unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden.
Es geht letztendlich nicht um die Frage freie Marktwirtschaft oder staatliche Zentralwirtschaft, es geht letztendlich nur um die Frage, welche Form der Marktwirtschaft
präferiert wird. Es gibt auch in Demokratien praktisch keine total freie Marktwirtschaft. In Deutschland wird in der Nachkriegszeit das Modell der sozialen Marktwirtschaft ausprobiert. Damit ist eine Marktwirtschaft gemeint, die durch staatliche
Einflußnahme versucht, soziale Härten bzw. negative Entwicklungen, die durch das
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
13
Wirtschaftssystem ausgelöst werden können, zu vermeiden oder wenigstens zu mildern.
Die Tatsache, daß nicht jede Person Medikamente verkaufen darf, daß nicht jede
Person medizinische Dienstleistungen wahrnehmen darf oder medizinisch beraten
darf, die Tatsache, daß der Verkauf von Medikamenten in vielen Fällen an Rezepte
gebunden ist, die Tatsache, daß der Verkauf von Alkohol an Jugendliche verboten
ist, all das sind kaum umstrittene Einschränkungen der freien Marktwirtschaft. Gerade im medizinischen Sektor stehen wir in sehr starkem Maße vor solchen Einschränkungen. Diese jedoch haben keineswegs zur Folge, daß betriebswirtschaftliches
Verhalten, generell unternehmerisches Denken oder etwa Marketing, keine Rolle
spielen würden. Es gibt andere Märkte, die in ähnlicher Form reglementiert sind, beispielsweise der Markt anwaltlicher Dienstleistungen. Dennoch ist auch in diesen
Märkten unternehmerisches Handeln möglich, ebenso wie Marketing und auch die
Marktkommunikation (letzteres gilt trotz des derzeit noch bestehenden Werbeverbots
für anwaltliche Leistungen).
Wir halten also fest: Auch eine freie Marktwirtschaft kann sich Regeln geben, ohne
daß deswegen die Marktwirtschaft grundsätzlich in Frage gestellt wird. Es geht letztendlich nur um das Ausmaß der Reglementierung bzw. um das Ausmaß unerwünschter Nebeneffekte, die man bereit ist in Kauf zu nehmen.
So ist der Markt für Heimtiernahrung relativ wenig Reglementierung unterworfen. Der
Markt für Lebensmittel ist schon einigen Regelungen unterworfen, die dem Schutze
der Konsumenten dienen. Noch stärkere Reglementierung finden wir im Bereich der
frei verkäuflichen, jedoch apothekenpflichtigen, Medikamente. Besonders starke
Reglementierungen im Bereich der rezeptpflichtigen Medikamente oder auch für den
Markt anwaltlicher oder ärztlicher Dienstleistungen. Immerhin haben Anwälte inzwischen erkannt, daß Marketing für anwaltliche Dienstleistungen relevant ist und Anwaltspraxen durchaus kommerziell geführt werden müssen. Wenn wir die Sache
wertfrei betrachten, so gelten die gleichen Ausführungen auch für ärztliche Dienstleistungen. Ökonomischer Umgang mit Ressourcen, Ausrichtung an finanziellem
Überschuß oder wirtschaftlicher Erfolg stehen dem Bestreben nach angemessener
Qualität ärztlicher Dienstleistungen keineswegs entgegen. Ganz bewußt haben wir
aber nicht geschrieben „maximale“ Qualität, denn diese kann überzogen und unnötig
sein.
Unternehmen handeln zunächst innerhalb des für sie relevanten Marktes. Dieser
Markt ist jedoch in das gesamte Wirtschaftssystem eingeordnet, dessen Handeln
durch eine staatlich vorgeschriebene Wirtschaftsordnung gesteuert wird. Die Wirtschaftsordnung wiederum ist Teil der Gesellschaft, deren Verhalten durch eine Gesellschaftsordnung durch Gesetze und Verfassung geregelt wird. Hiermit ist die
gesamte Struktur des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens angesprochen. Ein Teil der Gesellschaftsordnung wird durch Wertestrukturen bestimmt, die
nicht reglementiert, aber im Laufe der Zeit durch Gewohnheit manifestiert werden.
In einer sozialen Marktwirtschaft kann wirtschaftliches Verhalten durch Wettbewerbspolitik, Sozialordnungsprozeß- und Strukturpolitik beeinflußt werden.
a) Wettbewerbspolitik:
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
14
Gesetzliche Regelungen zur Gewährleistung von Wettbewerb und Konkurrenz
b) Sozialpolitik:
Milderung unerwünschter sozialer Folgen wirtschaftlichen Handelns (Schutz für
Arbeitslose, Kranke, Mitbestimmungsrechte)
c) Strukturpolitik:
Regionalpolitik, z.B. "Aufbau Ost", Förderung des Mittelstandes, jede Art von Substitutionen.
d) Ordnungspolitik:
Rechtliche Rahmenbedingung.
e) Prozeßpolitik:
Volkswirtschaftspolitik zur Beeinflussung gesamtwirtschaftlicher Prozesse mit Hilfe
der Geld-, Fiskal- und Außenhandelspolitik durch Bundesbank, Zinspolitik und den
Staat.
Das aufgabenbezogene System einer Unternehmung wird durch eine Reihe von
Kräften beeinflußt, die außerhalb dieses aufgabenbezogenen Systems in der Umwelt
zu suchen sind. Diese Makro-Umwelt I schließt sämtliche gesellschaftlichen Einflüsse ein, die für jedermann relevant sind. Dazu gehört auch das Reagieren von Interessensgruppen, ebenso wie moralische oder ethische Werte einer Gesellschaft. Die
Makro-Umwelt II stellt den Bezug zu Faktoren her, die Lebensform der Menschheit
insgesamt betreffend. Wenn wir an die Fragen langfristiger und kollektiver Interessen
denken, die von einem gesellschaftsfreundlichen Marketing ausgehen können, dann
wird die direkte Relevanz der Makro-Umwelt II für unternehmerisches Handeln deutlich. Die folgende Abbildung 4 stellt die Makro-Umwelt I ausführlich dar. Es wird deutlich, welcher Vielzahl von Einflußfaktoren unternehmerisches Handeln ausgesetzt ist,
bzw. wie es sie selbst beeinflussen kann.
Zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zählt auch die große Anzahl von
Interessensgruppen, die auf die Gesamtwirtschaft ebenso wie auf das Staatswesen
Einfluß nimmt. So haben beispielsweise Interessensgruppen auch in erheblichem
Maße Einfluß auf das Technologie-System. Die Atomindustrie sieht sich einer Kritik
ausgesetzt, die durchaus deren Existenz bedrohen kann. Ähnliches zeigt sich hinsichtlich der Gentechnik. Möglicherweise zeigen sich hier die Auswirkungen eines
berechtigten Informationsbedürfnisses der Bevölkerung, das durchaus immer wieder
mißachtet wurde. Damit wird deutlich, daß unternehmerisches Handeln im Beziehungsgefüge komplexer gesellschaftlicher Vorgänge eingebettet stattfindet.
1.5.2 Weitere Rahmenfaktoren betriebswirtschaftlichen Handelns
Die Wirtschaftsordnung beeinflußt eine Vielzahl von Faktoren, die man nicht als
Wirtschaftssystem oder Wirtschaftsordnung bezeichnen kann, die aber als deren
Ergebnis ebenso unternehmerisches Handeln tangieren. Solche Faktoren werden im
Folgenden erörtert:
a)
Gesamtwirtschaftliche Entwicklung liefert die finanziellen Rahmenbedingungen innerhalb derer sich Marktentwicklungen abspielen. Auch wenn wir im Kran-
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
15
kenhaus-Sektor sicher nicht die direkte Beziehung zur Kaufkraft der Bevölkerung haben, so stellt sich doch immer die Frage der Finanzierbarkeit medizinischer Dienstleistungen. Dies zeigt die aktuelle Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland
überdeutlich. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bestimmt die Kaufkraft einzelner
Haushalte, sie bestimmt aber ebenso die Kaufkraft staatlicher und halbstaatlicher
Organisationen. In engem Bezug dazu steht nicht zuletzt die Entwicklung auf dem
Arbeitsmarkt.
b)
Die Preisstabilität in einer Gesellschaft tangiert mittelfristig die Preispolitik der
darin agierenden Organisationen.
c)
Der Technologiestandard einer Gesellschaft liefert die Rahmenbedingungen
für die technische Leistungsstärke. Auch Dienstleistungsanbieter hängen, wie leicht
zu erkennen ist, in ihrer Leistungsfähigkeit vom technologischen Standard ab. Der
technologische Standard ist einmal die Folge der Bereitschaft einer Gesellschaft in
Forschung und Entwicklung zu investieren, er ist aber auch davon abhängig, welche
Mittel eine Gesellschaft aufgrund ihrer finanziellen Leistungsstärke investieren kann.
d)
Kulturelle Rahmenfaktoren - die Absatzchancen der meisten Güter hängen
auch von den kulturellen Verhältnissen des betreffenden Landes ab. Kultureller Einfluß wird durch soziale Normen und Werte vermittelt, die von Kindheit an durch Sozialisation erlernt werden. Die Kultur einer Gesellschaft wird durch übergreifende
Glaubensvorstellungen, Werte und Normen sowie die Tätigkeiten und deren Ergebnisse, mit denen der Mensch seine Umwelt gestaltet, beschrieben. Kulturelle Gegebenheiten bestimmen auch die Möglichkeit der Marktkommunikation.
e)
In engem Zusammenhang mit kulturellen Strukturen stehen Werte und Normen. Die Wertstrukturen der Bevölkerung bestimmen, welchen Aspekten sie Priorität
einräumen und welche Aspekte ihrer Umwelt sie vernachlässigen. Werte sind zentrale, besonders wichtige, als wünschenswert angesehene Erwartungshaltungen der
Menschen. Diese unterliegen in den letzten zwanzig Jahren einem stetigen Wandel.
Das führt immer wieder zu Verunsicherungen, auch im Management der Unternehmungen. Die jeweils augenblicklich vorherrschenden Wertstrukturen der Bevölkerung
sind in zweierlei Hinsicht für die Unternehmensführung relevant: a) für die Absatzmärkte und b) im Bereich der Personalführung und Motivation.
Insbesondere in der Gestaltung von Angeboten, in der Gestaltung der Marktkommunikation und in den Steuerungsinstrumenten der Personalführung können sich bestehende Werte der angesprochenen Personenkreise niederschlagen.
f)
Informationsüberlastung, einige west- und mitteleuropäische Länder, die
USA, Kanada, Australien und Japan, befinden sich nicht mehr in der Phase der Industriegesellschaft, man kann sie eher als Informationsgesellschaften bezeichnen.
Diese sind durch zunehmenden Anteil des Informationssektors am Bruttosozialprodukt gekennzeichnet. Dadurch wird das Informationsvolumen weiter zunehmen. Andererseits ist die genetisch determinierte Informationsverarbeitungskapazität der
Menschen konstant und nur vergleichsweise gering durch Lernprozesse ausweitbar.
Das führt dazu, daß ein immer größerer Anteil des Angebotes an Informationen ungenutzt bleibt, als dies schon in der Vergangenheit der Fall war. Schon heute werden
vielleicht maximal 5% der eingehenden Informationen aufgenommen und verarbeitet.
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
16
Die schon aus den achtziger Jahren hinlänglich bekannte Informationsüberlastung
wird weiter zunehmen und mit ihr die daraus ableitbaren Folgen:
Im Rahmen der Marktkommunikation kommt es immer mehr darauf an, langfristig
durchsetzbare Konzepte zu entwickeln, die insbesondere durch sehr klare und auf
das Wesentliche reduzierte bildbetonte Botschaften gekennzeichnet sind. Die Frage,
wie Menschen für Informationen zu interessieren sind, ist einer der zentralen Aspekte
des modernen Marketing. In einer Welt, die weit mehr Informationen aussendet, als
die Empfänger verkraften können, spielt die empfängergerechte Gestaltung der Botschaften eine entscheidende Rolle. Dazu müssen diese jedoch mit klaren und eindeutigen, kreativen, einzigartigen Vorstellungsbildern verbunden werden. Das zu
verwirklichen, ist Aufgabe einer kontinuierlich angelegten Kommunikationsstrategie,
die Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und andere Maßnahmen umfaßt. Organisationen
benötigen ein klares, unverwechselbares Image-Profil, das einmal durch entsprechende Kommunikationspolitik zu verwirklichen ist, andererseits durch eine eindeutige imagegerechte Gestaltung der Angebote gerechtfertigt werden muß.
Warum sind diese Entwicklungen für das Krankenhausmanagement relevant?
Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung einschließlich der Inflationsrate bestimmt die
Möglichkeit, den Markt für medizinische Dienstleistungen zu finanzieren. Wenn wir
Teile dieses Marktes so verstehen, daß er auch durch private Nachfrage entsteht
(höhere Einkommensschichten leisten sich private Krankenversicherungen oder finanzieren medizinische Dienstleistungen selber), dann bestimmt die gesamtwirtschaftliche Entwicklung direkt die Kaufkraft, die für diesen Markt relevant ist. Es mag
für Personen aus dem medizinischen Sektor ungewohnt klingen, aber auch der
Markt für diese Dienstleistungen wird über Kaufkraft versorgt. Der Technologiestandard einer Gesellschaft bestimmt den Fortschritt und damit die Leistungsfähigkeit
auf dem medizinischen Sektor. Möglichkeiten diesen Fortschritt zu finanzieren ergeben sich wiederum aus der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Kulturelle Rahmenfaktoren bestimmen, welche Arten von medizinischen Dienstleistungen besonders
gefördert oder moralisch abgewertet werden. Einen ähnlichen Einfluß üben Werte
und Normen einer Gesellschaft aus. Die Informationsüberlastung in vielen Kulturen
der Welt hat Konsequenzen auf die Möglichkeiten der Kommunikation aller Anbieter
irgendwelcher Leistungen, so auch der Krankenhäuser als Anbieter medizinischer
Dienstleistungen.
1.5.3 Thesen zur weiteren Entwicklung der Gesellschaft
Frauen und Männer sehen sich beruflich und privat mit neuen Anforderungen an ihr
soziales Rollenverhalten konfrontiert.
Zuwächse bei den Senioren, Verluste bei den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden zur bekannten Änderung der Altersstruktur beitragen. Die Konsequenzen werden vielfach noch nicht ausreichend wahrgenommen, z. B. die unabdingbare Verlängerung der Lebensarbeitszeit, vermutlich gegen 70 Jahre gehend.
Die Haushaltsgröße wird stagnieren bzw. tendenziell weiter abnehmen; zunehmende
Anzahl von Ein- und Zwei-Personen-Haushalten. Die klassische Normalfamilie (eine
verdienende Person, eine haushaltsführende Person und unmündige Kinder) bleibt
eine Minderheit.
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
17
Wachsendes Formalbildungsniveau wird zu weiterem Anspruchsdenken führen, ohne daß deswegen das tatsächliche Bildungsniveau steigen muß.
Es wird zu einer Polarisierung der Gesellschaft kommen. Etwa 15 % aller Haushalte
wird deutlich mehr Geld zur Verfügung stehen, andererseits nimmt der Anteil einkommensschwacher Haushalte zu. Wohlstand und Armut stehen nebeneinander.
Probleme auf dem Arbeitsmarkt werden zunehmende Mobilität der Arbeitnehmer in
Europa erzwingen.
Gleichzeitig werden wir wieder ausländische Arbeitskräfte benötigen, um dem Bedarf
an bestimmten Qualifikationen des Wirtschaftssystems entsprechen zu können.
Die ältere Bevölkerung wird zu einer immer interessanteren Zielgruppe in allen Bereichen des Marketing. Sie behält teilweise ihre jugendlichen Verhaltensweisen bei
und ist nicht mehr mit der älteren Bevölkerung anderer Generationen vergleichbar.
Es wird gleichzeitig Wohlstand und Armut im Alter geben. Die Polarisierung der Gesellschaft findet ihre Entsprechung auch in der älteren Generation.
Der Wunsch zu genießen wächst, ebenso die Suche nach neuen Lebenswerten.
Genuß wird vielfach als wertvoller angesehen als berufliche Leistung und Besitz.
Das Gesundheits- und Körperbewußtsein steigt weiter an.
Streben nach Genuß und Gesundheit wird nicht als Widerspruch erlebt.
In bestimmten Bevölkerungskreisen sind Umweltbewußtsein und Sensibilität selbstverständlich.
Soziales Engagement und freiwillige Tätigkeiten werden für viele Menschen zu moralischem Ersatz für Erwerbsarbeit.
Die Vielfalt gleichzeitig akzeptierter Lebensstile nimmt zu.
Flexiblere Arbeitszeiten und Teilzeitarbeit werden das menschliche Zusammenleben
verändern. Fest angestellte Arbeitnehmer/innen in einer Vollzeitbeschäftigung auf
Dauer werden prozentual abnehmen.
Ein Teil der Bevölkerung wird seine Lebensarbeitszeit variabel einrichten können.
Flexible Arbeitszeiten verschieben das Familien- und Freizeitverhalten.
Das arbeitsfreie Wochenende büßt seine Funktion als wichtigster Freizeitabschnitt
ein.
Freizeit und „Alter“ werden zu großen Wachstumsmärkten.
Lebenslanges Lernen gewinnt an Bedeutung.
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
18
Weiterbildung wird an Zeitarbeit gekoppelt und gewinnt zum Teil Freizeitcharakter.
Großunternehmen werden ihre Bedeutung als Arbeitgeber verlieren. Arbeit wird sich
zunehmend auf Kleinstunternehmungen verlagern.
Viele dieser hier genannten, Anfang des Jahrhunderts angenommenen Thesen über
die weitere Entwicklung der Gesellschaft, können sich auch als falsch herausstellen.
Es kommt darauf an, daß die in der Unternehmensführung verantwortlichen Personen permanent die Entwicklung der Gesellschaft auf diesen Gebieten verfolgen und
daraus die richtigen Schlußfolgerungen für ihr Marktverhalten sowohl auf dem Absatz- als auch auf dem Personalbeschaffungsmarkt ausrichten.
1.6
Ansätze der Betriebswirtschaftslehre
1.6.1 Faktorkombination
Der in Deutschland älteste und grundlegende stammt von Gutenberg (1951). Gutenberg geht davon aus, daß der Betrieb sich in der Kombination verschiedener Produktionsfaktoren, wie Arbeitsleistung, Betriebsmittel und Werkstoffen manifestiert. Es
geht in erster Linie um die kostenoptimale Faktor-Kombination, die Systematisierung
der Produktionsfaktoren und den Versuch, Relationen zwischen Faktor-Einsatz und
Faktor-Ertrag zu erklären. Die Reduktion der Betriebswirtschaftslehre auf derartige
Beziehungen setzt in starkem Maße idealtypische Situationen voraus. Reale Entscheidungssituationen lassen sich so kaum erklären. Der Gutenberg`sche Ansatz ist
noch am ehesten ein rein ökonomischer Ansatz, der wissenschaftliche Klarheit mit
dem Preis einer gewissen Realitätsferne bezahlt. Sein Wert liegt in der wissenschaftlichen Erklärung und Systematisierung wirtschaftlicher Zusammenhänge, für praktische Verwertung ist der Ansatz zu einem großen Teil vermutlich zu abstrakt und wird
daher hier nicht weiter verfolgt.
1.6.2 Systemtheorie
Um Entscheidungen im Management zu analysieren, kann es nützlich sein, Gedanken aus der Systemtheorie aufzugreifen, Im folgenden wollen wir zunächst möglichst
knapp die Grundgedanken des Systemansatzes in der Betriebswirtschaftslehre darstellen. Systeme bestehen aus einer Menge definierbarer Elemente, die zueinander
in empirisch beobachtbarer oder logischer Beziehung stehen. Da der Systemansatz
auch dazu dient, Geschehnisse zu analysieren, ist die Frage, was im Einzelfall als
System aufzufassen ist, aus der anstehenden Analyse entscheidbar. Als System ist
beispielsweise eine Unternehmung zu verstehen, als Elemente können die einzelnen
Abteilungen bezeichnet werden.
Systeme wiederum können gleichfalls als Elemente übergeordneter Supersysteme
aufgefaßt werden. So sind Unternehmungen als Systeme gleichzeitig Elemente des
Wirtschaftssystems. Dieses Wirtschaftssystem kann als ein Element eines gesellschaftlichen Systems verstanden werden, Gesellschaften als Elemente in einem
Weltsystem. Andererseits können nun wiederum die Elemente der Unternehmung
selbst als Systeme analysiert werden, als Sub-Systeme. Die einzelnen Abteilungen
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
19
oder auch die Instrumente, die eine Abteilung einsetzt, bilden Systeme, beispielsweise die Marketing-Instrumente als Marketing-Mix.
So ist der aufeinander abgestimmte Einsatz der Marketing-Instrumente Produktpolitik, Preispolitik, Vertriebspolitik und Kommunikationspolitik als ein System sich gegenseitig beeinflussender und gemeinsam wirkender Instrumente zu verstehen.
Aus der kognitiven Psychologie ist der Ansatz ableitbar, selbst einzelne Personen als
Systeme zu verstehen. Menschen besitzen ein kognitives (gedankliches) System.
Kognitionen (Gedanken) sind alle Bestandteile der gedanklichen Welt, die Menschen
isoliert begreifen können, also Wünsche, Hoffnungen, Wissensbestandteile, Beobachtungen, Erinnerungen, Wertungen usw. Ebenso wie diese sich gegenseitig beeinflussen, so beeinflussen subjektive Wertungen die Wahrnehmung. Alles, was wir
wahrnehmen oder lernen, wird in starkem Maße durch das bereits vorhandene in
unserem eigenen kognitiven System beeinflußt.
Der Vorteil der systemtheoretischen Betrachtungsweise liegt eindeutig darin, daß sie
dazu verhilft, in „Ganzheiten denkend“ die Vielzahl möglicher Konsequenzen von
Veränderungen innerhalb von Systemen besser vorhersehen zu können.
Systeme können anhand einer Reihe von Eigenschaften beschrieben werden. Auf
einige wollen wir im Folgenden eingehen:
Die Anzahl der Elemente innerhalb eines Systems und die Anzahl der bestehenden
oder gedachten Beziehungen, bestimmen den Grad der Komplexität eines Systems.
Wir sprechen von einfachen, komplexen und äußerst komplexen Systemen. Im Management, in der Wirtschaft, haben wir es in aller Regel mit äußerst komplexen Systemen zu tun, was natürlich eine Frage der Vergleichsmaßstäbe ist. Ohne Zweifel
können wir Systeme wie die private Konsumentenschaft, Gesellschaften, aber auch
individuell kognitive Systeme als äußerst komplex bezeichnen. Eine Unternehmung
oder Organisation als System, in vielleicht bis zu zehn Abteilungen unterteilbar, ist
möglicherweise als „nur“ einfaches System zu verstehen. Die Berücksichtigung der
isolierbaren Elemente in einem System bestimmt dessen Komplexität im Anwendungsfall.
Innerhalb von Systemen können Spannungen entstehen. Beispiele dafür sind Nachfrage- oder Angebotsüberhänge, auf die Märkte, aus einer Eigendynamik heraus, mit
Veränderungen reagieren können. Solche Systeme bezeichnen wir als dynamische
Systeme. Es ist die Aufgabe des Managements, die Eigendynamik der für die Unternehmen relevanten Systeme zu erkennen und gegebenenfalls auch durch MarketingMaßnahmen zu beeinflussen oder aber die Politik der eigenen Unternehmung an der
Dynamik der relevanten Systeme zu orientieren. Veränderungen in Systemen sind
mehr oder weniger exakt vorhersehbar. Bei exakter Vorhersehbarkeit spricht man
von deterministischen Systemen. Durch gezielte Veränderungen innerhalb des Systems ließe sich dann ein Veränderungsprozeß in Gang setzen, mit exakt voraussehbaren Resultaten. In der Marktwirtschaft haben wir es mit nicht-deterministischen
Systemen zu tun, da das Resultat von Veränderungen innerhalb der Marktsysteme
nicht vorhersehbar, im günstigsten Fall mehr oder weniger gut abschätzbar ist.
Regelung und Steuerung sind wesentliche Aspekte der Systemtheorie. Damit ist der
Bezug zur Kybernetik angesprochen. Kybernetische Systeme verfügen über Rückkopplungsmechanismen, bei welchen bestimmte Zustände, die Spannungen hervor-
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
20
rufen, zurückgemeldet werden und systeminterne Aktivitäten hervorrufen, mit dem
Ziel, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Beispiele dafür sind WarenBestellsysteme, bei welchen bei Unterschreitung bestimmter Mindestvorräte automatisch ein Bestellvorgang ausgelöst wird. Dies kann unter Einbezug von Menschen
oder auch ohne jede menschliche Aktivität erfolgen.
Dynamische Systeme können als kompensatorische oder kumulative Systeme existieren. Beim kompensatorischen System führt die durch Rückkopplung hervorgerufene Eigendynamik zur Wiederherstellung stabiler Zustände. Kumulative Systeme beinhalten ein Reaktionspotential, das dazu führt, die Stabilität des Systems aufzulösen. Aufgabe des Managements wäre es, sowohl auf das äußere (Umwelt) als auch
auf das innere (eigene Organisation) System in der Form steuernd einzugreifen, daß
Reaktionen des Systems zu kompensatorischen Prozessen führen, d.h. mit anderen
Worten, daß wirtschaftliche Beziehungen und interne Abteilungen in ihrer Funktionsfähigkeit erhalten bleiben. Letztlich ist die Existenz der Organisation als System abzusichern.
Der Systemansatz wird von Raffée (1995, S. 87 ff.) als Sprachspiel und Denkansatz
verstanden, der dazu dient, Zusammenhänge auf ihre wesentlichen Aspekte hin zu
analysieren. Die Systemtheorie weist einen relativ hohen Allgemeinheitsgrad auf und
wirkt dadurch recht abstrakt. Dadurch werden aber die Strukturen innerhalb von Systemen transparenter.
Außerdem führt das Denken in Systemen zum vollständigen und vernetzten Denken.
Das Management ist oft auf die Analyse von Details angewiesen. Diese Details können andererseits den Blick für das Wesentliche versperren. Je vollständiger im Management Analysen durchgeführt werden, umso größer ist die Möglichkeit, die am
Markt eintretenden Folgen eigener oder fremder Maßnahmen vorherzusagen. Insbesondere läßt sich erkennen, ob die Unternehmung ihre Existenz nicht nur durch erfolgreiches Management im Wirtschaftssystem zu sichern hat. Es wird deutlich, daß
das Wirtschaftssystem Bestandteil größerer Systeme ist, welche ebenfalls die unternehmerische Existenz gefährden oder befördern können. Unternehmen und ähnliche
Organisationen sind Bestandteile umfassender gesellschaftlicher Systeme. Alle Veränderungen in diesen Supersystemen haben möglicherweise auch Relevanz auf die
Unternehmungen des Wirtschaftssystems.
Der Wert der Systemtheorie liegt einmal im Abstrahieren, was kreative Prozesse in
Gang setzen kann und zum anderen in der Möglichkeit, vollständige Analysen bei
Reduktion auf Wesentliches zu realisieren. So läßt sich eine Vielzahl unerwünschter
Folgen unternehmerischen Handelns vorhersehen.
1.6.3 Marketingansatz
Marketing ist ein Konzept der marktorientierten Unternehmensführung.
Das bedeutet „Führung der Unternehmung ausgehend von hervorragenden Marktverständnis“; Meffert (2000, S. 8): „Marketing ist die bewußt marktorientierte Führung
des gesamten Unternehmens oder marktorientiertes Entscheidungsverhalten in der
Unternehmung.“
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
21
Der Hinweis auf Marktverständnis ist sehr fragwürdig: es geht um Marktkenntnisse
als ein System mehr oder wenigere gut bewährter Hypothesen und der Fähigkeit dazu, daraus schnellere und/oder bessere Schlußfolgerungen zu ziehen, als die Wettbewerber.
Organisationen sind soziale Systeme
Unternehmen sind Organisationen, Organisationen sind soziale Systeme, die durch
Tausch mit anderen Systemen Vorteile erlangen wollen. Es gibt auch Organisationen
als soziale Systeme, die nicht Unternehmen sind, aber dennoch mit anderen Systemen in Tauschbeziehungen treten, um daraus Vorteile zu erlangen. Auch das geschieht auf Märkten, der Gütermarkt ist nur ein Spezialfall des Marktes.
Orientierung am Markt
Ganz allgemein kann gesagt werden, daß Systeme umso bessere Überlebenschancen besitzen, umso besser sie sich dem Umsystem anpassen oder um so besser sie
das Umsystem in ihrem Sinne gestalten. Arten überleben umso besser, je mehr sie
sich der für sie relevanten Umwelt anpassen oder diese in ihrem Sinne gestalten.
das gleiche gilt für Organisationen, diese überleben umso besser, je besser sie auf
die relevante Umwelt abgestimmt sind. Genau das ist auch die Idee des Marketing
(und nicht mehr), sich dem Markt als relevanter Umwelt anzupassen oder den Markt
im eigenen Sinne zu gestalten.
Es kann kaum in Frage gestellt werden, daß eine Orientierung am Markt die Vorteilhaftigkeit von Tauschbeziehungen verbessert. Es kann ebenso wenig in Frage gestellt werden, daß die Tauschbeziehungen (oder auch einzelne Tauschvorgänge) um
so eher stattfinden können, in umso stärkerem Maße diese Tauschvorgänge auch
zum Vorteil der jeweils anderen Partei stattfinden und wenn das den potentiellen und
tatsächlichen Tauschpartnern auch deutlich ist.
Marktorientierung bezieht sich auf alle Märkte, mit denen eine Organisation in Beziehung tritt oder treten möchte: Alle Beschaffungsmärkte und der Absatzmarkt. Beschaffungsmärkte sind die Märkte für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, für Investitionsgüter (Betriebsmittel), für Dienstleistungen, ferner sind der Personalmarkt, der Finanzmarkt und der Informationsmarkt (z. B. der Medienmarkt).
Es gibt aber auch Tauschvorgänge innerhalb von Organisationen, das sind Tauschprozesse zwischen den Mitgliedern der Organisation. Das ist Gegenstand des sog.
„Internen Marketing“
Bei allen Tauschvorgängen sind fünf Dinge erforderlich: a) ein Angebot, b) eine gewünschte Gegenleistung, c) eine Möglichkeit, den Tauschvorgang anbahnen und d)
durchführen zu können und e) die Kommunikation, mit der die Tauschbereitschaft
und die Vorteilhaftigkeit des Tauschvorganges herausgestellt wird.
a)
bezieht sich auf die Angebotspolitik,
b)
bezieht sich auf die Gegenleistungspolitik,
c)
bezieht sich auf die Vertriebspolitik,
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
d)
bezieht sich auf die Logistik,
e)
bezieht sich auf die Kommunikationspolitik.
22
„Marketing-Mix“
Dieses „Marketing-Mix“ gilt für alle Märkte, lediglich die Bedeutung einzelner Elemente ist unterschiedlich stark ausgeprägt.
Diese Unterschiede finden sich aber auch innerhalb des Konsumgüter-Marketing,
innerhalb des Produktivgüter- und des Dienstleistungs-Marketing. Sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Marketing-Bereichen wirklich relevanter, als die
Unterschied innerhalb eines Bereiches? Und wenn wir das schon hier in Frage stellen, ist das dann nicht ein noch gravierenderes Problem, wenn wir weitere Unterbereiche bilden, z. B. innerhalb des Dienstleistungs-Marketing beispielsweise FacilityManagement und Krankenhaus-Management mit jeweils spezifischem Marketing.
Wäre es nicht angemessener, ein eher allgemeines Marketing zu betrachten und
dann fallspezifische Unterschiede zu erkennen?
Marketing ist eine Form der Führung von Unternehmungen
Marketing in der hier dargestellten Form ist eine bestimmte Form der Führung von
Unternehmungen und Organisationen. Marketing ist Unternehmungsführung, ist Führung der Organisation. Es ist kaum vorstellbar, eine andere Form der Unternehmungsführung oder der Organisationsführung, als die der marktorientierten erfolgreich umsetzen zu wollen.
Unternehmungen können existieren und Gewinn erzielen, solange sie Funktionen in
einem übergeordneten System, beispielsweise dem Wirtschafts- oder Gesellschaftssystem erfüllen. Endziel aller unternehmerischen Aktivitäten ist letztendlich
die Verwertung unternehmerischer Leistungen auf dem Markt gegen Entgelt. NonProfit-Organisationen wollen in aller Regel auch eine Leistung auf einem nicht kommerziellen Markt verwerten, nur unter anderen Gewinnaspekten. So gesehen ist es
nur plausibel, daß die Marketing-Konzeption, d.h. die Ausrichtung des gesamten Unternehmens, der gesamten Organisation am Markt, einen weiteren möglichen betriebswirtschaftlichen Ansatz darstellt.
Es wird die Frage diskutiert, ob Marketing die eine beherrschende Funktion in Unternehmen sei. Diese Frage ist problematisch. Einerseits betrifft Marketing verschiedene Funktionen in einem Unternehmen. Es gibt Personal-Marketing, BeschaffungsMarketing und – den wohl bekanntesten Anwendungsfall – das Absatz-Marketing.
Eine einzelne Funktion ist kaum permanent wichtiger als andere Funktionen. So gesehen ist die Frage nach dem Marketing als die eine Führungsfunktion negativ zu
beantworten. Gleichzeitig – und daraus resultieren viele Missverständnisse – ist Marketing eine Form der Unternehmensführung. In diesem Sinne ist Marketing, nicht
eine beherrschende Funktion, sondern eine das Unternehmen beherrschende Idee!
Dazu kann es in einer Marktwirtschaft kaum eine Alternative geben, wie anders als
marktorientiert sollen Unternehmen in Marktwirtschaften geführt werden? Die Tatsache, dass Marketing in vielen Unternehmen nichts anderes ist, als eine Abteilung, die
Prospekte für den Verkauf produziert, ist ein echtes Problem der Praxis.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
23
Marketing umfaßt Planung und Realisation der Gestaltung, Preispolitik, Kommunikation und des Vertriebs von Ideen, Gütern und Dienstleistungen, die der Befriedigung
von Bedürfnissen bzw. dem Bedarf von Einzelpersonen und Organisationen dienen,
um daraus Austauschprozesse zu begründen oder diese zu erleichtern bzw. zu verbessern (Bennett, 1995). Diese Marketing-Definition umfaßt am Gewinn orientierte
Organisationen ebenso wie Non-Profit-Organisationen, sie bezieht sich auf Güter,
aber ebenso auf Dienstleistungen und Ideen (Marketing für Demokratie, Marketing
für Europa usw.). Einen wesentlichen Bestandteil machen Austauschprozesse mit
dem Ziel des beiderseitigen Vorteils aus. In diesem Sinne kann man Marketing auch
als ein Konzept marktorientierter Unternehmensführung auffassen (Meffert, 2000).
Da Marketing die These beinhaltet, alle unternehmerischen Funktionen am Markt
auszurichten, also nicht nur den Vertrieb, ist es nur nahe liegend, daraus ein generelles Konzept der Unternehmensführung und so einen Ansatz allgemeiner Betriebswirtschaftslehre zu entwickeln. Nun hat auch die Marketing-Konzeption durchaus zu
unerwünschten Nebenwirkungen geführt, denken wir nur an den Konsum umweltschädlicher Produkte oder gesundheitsschädlicher Folgen des Konsums mancher
Genußmittel.
So geht ein weiterer Ansatz der Betriebswirtschaftslehre noch einen Schritt weiter,
das Human Concept. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht nicht nur die Marktorientierung, sondern die Gesellschaftsorientierung. Es geht um den Einbezug gesellschaftlicher Interessen in unternehmerisches Handeln. Es wird nicht nur gefragt, ob
ein Produkt auf dem Markt angeboten werden kann, sondern auch, ob es angeboten
werden sollte.
Wissenschaftlich ist dieser Ansatz nicht unproblematisch, da er explizit Werturteile in
seine Aussagen aufnimmt. Auf die Wertproblematik kommen wir im Kapitel 6 dieses
Textes zurück. Dennoch ist der Ansatz von großer Bedeutung, da er immerhin explizit aufzeigt, daß die Frage, ob etwas getan werden soll, zum Wesen menschlicher
Praxis gehört. auch wenn eine Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft die Frage,
ob etwas verkauft werden soll oder nicht, kaum beantworten kann, so gehört diese
Frage dennoch in das Gebiet wirtschaftlicher Praxis. Eine wissenschaftliche Antwort
würde etwa folgendermaßen aussehen: „Der Verkauf von Alkohol an jugendliche
Konsumenten hat voraussichtlich folgende Konsequenzen:...“ Die Frage, ob diese
Konsequenzen dann gewollt werden, ist eine Entscheidung normativer Praxis. Manager können sich vor den Folgen ihres Tuns nicht mit dem Argument verschließen,
daß ihr Verhalten wirtschaftlich notwendig und sinnvoll sei. Jede menschliche Entscheidung ist letztendlich normativ zu begründen. Es stellt sich die Frage, ob man
diese oder jene Konsequenzen akzeptiert oder nicht. 2 Raffée (1995, S. 113 f.) kritisiert den etwas zu optimistischen Ansatz des Human Concept, da unterstellt wird,
„dass durch die Berücksichtigung humanitärer Zielkomponenten den Oberzielen der
Unternehmung... am besten gedient ist. Im Human Concept schlägt sich damit ein
Harmoniekonzept nieder, das der Realität nicht ausreichend Rechnung trägt.“
1.6.4 Entscheidungstheoretischer Ansatz
2
Unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten könnten auch kriminelle Handlungen vernünftig
sein, nämlich dann, wenn die Gewähr besteht nicht entdeckt zu werden und der Ertrag der kriminellen
Handlung den Aufwand übersteigt.
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
24
Ein unseres Erachtens besonders hervorzuhebender Ansatz ist der Entscheidungsansatz (Heinen, 1981). Die Bedeutung des Entscheidungsansatzes als eine mögliche
Grundkonzeption der Betriebswirtschaftslehre ergibt sich daraus, daß sich diese Lehre als eine angewandte Wissenschaft versteht. Daraus folgt fast zwangsläufig ein
hohes Maß an Entscheidungsorientierung. Der Entscheidungsansatz ist durch folgende Besonderheiten gekennzeichnet:
Das reale Entscheidungssubjekt steht im Zentrum des Entscheidungsansatzes anstelle des reduzierten "Homo oeconomicus", wie er lange Zeit die allgemeine Betriebswirtschaftslehre beherrscht hat (Wöhe & Döring 2005 bzw. in der 1. Auflage,
Wöhe, 1960) ist dafür ein prominentes Beispiel. Im Entscheidungsansatz werden
Menschen als psychologisch beschreibbare Personen betrachtet. Wöhe akzeptiert
die Psychologie lediglich als eine „Hilfswissenschaft“ für die Ökonomie (in einem Gespräch mit dem Verfasser).
Das Informationsproblem spielt im modernen Entscheidungsansatz eine zentrale
Rolle. Die Folge einzelner, aber aufeinander abgestimmter Entscheidungen findet als
Entscheidungsprozeß besondere Beachtung. Es werden auch MehrpersonenEntscheidungen berücksichtigt. Das trifft sowohl auf private Haushalte als auch auf
Entscheidungen in Organisationen zu. Insbesondere sich daraus ergebende Konflikte werden im Entscheidungsansatz einbezogen.
Aus diesen Aspekten folgt zwingend die Notwendigkeit des Einbezugs anderer sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse. Hierbei ist insbesondere die Sozialpsychologie
angesprochen, die in erster Linie menschliches Verhalten in Abhängigkeit von sozialen Beziehungen untersucht.
Entscheidungsprozess
Entscheidungen werden immer als eine Wahlhandlung zwischen gegebenen Alternativen verstanden. Der Entscheidungsprozeß läßt sich in folgenden Phasen darstellen:
1.
Anregungsphase/Problemdefinition,
2.
Suchphase/Informationsbeschaffung,
3.
Phase der Konstruktion von Alternativen,
4.
Bewertung von Alternativen,
5.
Auswahlentscheidung, einschließlich Entscheidung, die gewählte Alternative
auch zu realisieren,
6.
Maßnahmen zur Veranlassung der gewählten Handlungen,
7.
eigentliche Realisation,
8.
Kontrolle der erzielten Ergebnisse,
9.
Soll-/Ist-Vergleich zwischen erzielten Ergebnissen und angestrebten Ergebnissen.
Die letzte, 9. Phase, läßt sich als Anregungsphase für einen neuen Entscheidungsprozeß verstehen. So gesehen ist ein Regelkreis konstruiert.
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
Problemdefinition
Informationsbeschaffung
Konstruktion
von
Alternativen
25
Bewertung
von
Alternativen
Auswahlentscheidungen
Soll-/IstVergleich
Kontrolle
eigentliche
Realisation
Veranlassung
der
Realisation
Abbildung 5: Entscheidungsprozeß
Dieser Entscheidungsprozeß beinhaltet folgende wichtige Aspekte:
Jede einzelne Phase ist für sich genommen ein eigener Entscheidungsprozeß. So ist
beispielsweise die Anregungsphase keineswegs etwas automatisch Ablaufendes.
Allein schon die Auswahl von als relevant angesehenen Problemen stellt einen Entscheidungsprozeß dar. Kein Problem stellt sich von selbst, es ist eine Frage der
Problem-Definition. Andererseits führen bestimmte Problem-Definitionen mit mehr
oder weniger großer Wahrscheinlichkeit zu bestimmten Lösungen. Es ist daher
schon eine Frage der Kreativität, ein Problem unterschiedlich zu sehen, unterschiedlich zu definieren, um so zu möglichst vielen alternativen Problemlösungen zu kommen.
Informationsbeschaffung ist keineswegs unvoreingenommen.
Auch die Informationsbeschaffung ist keineswegs unvoreingenommen. Schon die
Problem-Definition legt bestimmte Informationsbeschaffungs-Maßnahmen nahe. Außerdem erfolgt die Beschaffung der Informationen immer selektiv, ausgehend von
dem, was als wichtig angesehen wird. Kein Gegenstand, kein Problem, keine Situation und schon gar kein Markt, läßt sich vollständig und unvoreingenommen beschreiben. Alles, was Menschen wahrnehmen, nehmen sie ausgehend von dem wahr, was
sie bereits zu wissen glauben.
Auch die Phase der Alternativen-Konstruktion unterliegt solchen Wertungen. Theoretisch gibt es zu jedem Problem unendlich viele Lösungen. Nur ein Teil davon kann
ausgearbeitet werden. Welche Alternativen ausgearbeitet werden, ist eine Frage
normativer Grundsätze und letztendlich eine Frage von subjektiven Entscheidungen.
Das gleiche trifft auf die Bewertung von Alternativen zu. Die Frage, nach welchen
Maßstäben Alternativen zu bewerten sind ist a) eine Frage von subjektiven Wertungen und b) niemals vollständig möglich. Es geht immer nur darum, die als relevant
angesehenen Aspekte einer Problemlösung ins Kalkül zu ziehen. Daß diesbezüglich
schwerwiegende Fehler begangen werden können, ist nahe liegend.
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
26
Wenn das Ziel definiert ist, festgelegt ist, welche Informationen beschafft werden und
diese Informationen vorliegen, Entscheidungen über die Konstruktion von Problemlösungs-Alternativen gefällt worden sind und entschieden wurde, wie diese zu bewerten sind, ist die eigentliche Auswahl, der zentrale Aspekt eines Entscheidungsprozesses, nur noch eine logische Ableitung aus den vorangegangenen Stufen.
Auch die Realisations-Entscheidungen (Soll etwas getan werden? …die Veranlassung wie auch die Durchführung) sind eigenständige Entscheidungsprozesse.
Die Kontrollphase unterliegt prinzipiell den gleichen Entscheidungen wie Phase 4,
Bewertung von Alternativen. Jetzt geht es lediglich darum, die realisierte Alternative
anhand der eingetretenen Konsequenzen zu bewerten. Keineswegs erfolgt so eine
Kontrolle unvoreingenommen. Wiederum geht es darum, erst einmal festzulegen (zu
entscheiden!) anhand welcher Kriterien kontrolliert werden soll, zum anderen geht es
um die Frage, wann zu kontrollieren ist, bzw. wie häufig und wie lange. Die Phase 9
ist nur dann relativ eindeutig nachzuvollziehen, wenn die Ziele sehr präzise formuliert
sind, da in der Regel hierdurch die Maßstäbe der Kontrolle, bzw. des Soll-/IstVergleiches im voraus festgelegt worden sind. Auch dieses ist in der Realität häufig
nicht der Fall, was wir als einen gravierenden Mangel auffassen können. Aus diesen
Ausführungen wird ersichtlich, wie komplex, teilweise unlogisch und subjektiv,
menschliche Entscheidungsprozesse ablaufen können.
Entscheidungen im Management wie auch auf Kundenseite lassen sich danach unterscheiden, ob ein sehr umfassender Entscheidungsprozeß vorliegt, ob eine Routineentscheidung zu fällen ist oder ob impulsartig entschieden wird.
Ferner müssen wir danach unterscheiden, ob Individual- oder KollektivEntscheidungen zu treffen sind. So fallen beispielsweise sehr viele Einkaufsentscheidungen im Handel und in der Industrie in so genannten "Buying Centern", das
ist eine Gruppe aller von der Entscheidung betroffenen Personen, die nach unterschiedlichsten Regeln zu Entscheidungen kommt. Auch im privaten Konsumbereich
fällt eine Reihe von Einkaufsentscheidungen in Familien, andere Entscheidungen
werden von Einzelpersonen getroffen. Aber auch von Einzelpersonen getroffene Individual-Entscheidungen unterliegen häufig sozialen Einflüssen. So mag eine Person
durchaus individuell entscheiden, welche Art von Bekleidung sie zu kaufen gedenkt,
macht diese Entscheidung jedoch auch von den Reaktionen anderer Menschen abhängig.
Letztendlich werden Entscheidungen danach unterschieden, ob es sich um wohldefinierte bzw. strukturierte oder schlecht definierte bzw. unstrukturierte Entscheidungssituationen handelt.
Entscheidungssituationen sind um so besser strukturiert, je präziser das Problem
definiert ist, je genauer daraus abgeleitet werden kann, welche Informationen zu beschaffen sind, je klarer formuliert ist, welche Alternativen in Betracht kommen und
welche nicht, je präziser die Bewertung von Alternativen formuliert ist und je konkreter Anweisungen zur Realisation im voraus vorhanden sind. Unter der Voraussetzung, daß wir das Ziel als gegeben auffassen, laufen solche Entscheidungen wesentlich rationaler und nachvollziehbarer ab, als Entscheidungen in unstrukturierten
Situationen. Reale Entscheidungen geschehen unter Unsicherheit, mit anderen Wor-
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
27
ten, sie unterliegen der Möglichkeit mehr oder weniger gravierender Irrtümer. Das
Unsicherheitsproblem zeigt sich in drei Dimensionen:
1.
2.
3.
Vollständigkeit von Informationen
Sicherheit von Informationen
Genauigkeit von Informationen.
Das Unsicherheitsproblem ist normalerweise bei einmalig oder erstmalig anstehenden Entscheidungen größer als bei regelmäßig anfallenden WiederholungsEntscheidungen.
Die zur Verfügung stehenden Informationen stellen ein besonderes Problem betriebswirtschaftlicher Entscheidungen dar. Wir unterscheiden zwischen
Entscheidungen unter Sicherheit,
Entscheidungen unter Risiko,
Entscheidungen unter Unsicherheit.
Entscheidungen unter Sicherheit
Entscheidungen unter Sicherheit sind vollständig strukturiert. Die Konsequenzen einer Entscheidung sind präzise bekannt. Solche Arten von Entscheidungen finden
sich in der Praxis fast nur im Bereich technischer Entscheidungen, wenn wir beispielsweise eine ganz bestimmte Anlage mit einer ganz bestimmten Geschwindigkeit
in Betrieb nehmen, läßt sich der Materialverbrauch im voraus berechnen. Selbst in
dieser Situation sind streng genommen Einschränkungen zu machen, da technische
Störungen immer möglich sind.
Entscheidungen unter Risiko
Entscheidungen unter Risiko sind Entscheidungen, bei denen hinsichtlich der zu erwartenden Konsequenzen Wahrscheinlichkeiten bekannt sind. Wahrscheinlichkeiten
setzen aber eine große Anzahl gleich gelagerter Fälle voraus. Hiervon ist in der Betriebswirtschaftslehre nur in seltenen Fällen auszugehen. Wenn wir in der Marktforschung eine Stichprobe von n = 500 Personen telefonisch befragen und dabei in Erfahrung bringen, daß diese 500 Personen im Durchschnitt 2,5 l Bier pro Zeiteinheit
konsumieren, dann können wir den wahren Konsum aller Personen in der gleichen
Zeit schätzen. Eine diesbezüglich korrekte statistische Aussage würde niemals lauten: "Die Studie ergab, daß pro Woche 2,5 l Bier pro Person konsumiert werden". Die
korrekte Aussage würde lauten: "Die Studie läßt den Schluß zu, daß mit einer Wahrscheinlichkeit von (beispielsweise) 95% zwischen 2,4 und 2,6 l Bier pro Zeiteinheit
konsumiert werden". Immer dann, wenn Untersuchungen auf der Basis von Stichproben gezogen werden, sind Wahrscheinlichkeiten (statistische Schätzungen) über die
wahren Werte in der Grundgesamtheit möglich. Ansonsten finden Entscheidungen in
der Management Praxis kaum unter Risiko und schon gar nicht unter Sicherheit statt.
Entscheidungen unter Unsicherheit
In der Praxis haben wir es fast immer mit Entscheidungen unter Unsicherheit zu tun,
da die zur Verfügung stehenden Informationen tendenzieller Natur sind. Im Prinzip
werden alle Entscheidungen in allen menschlichen Bereichen auf der Basis unvollständiger, unsicherer und vermutlich fehlerhafter Informationen gefällt.
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
28
1.7 Betriebswirtschaftliche Funktionen im Zusammenhang
Zur Wahrnehmung der unternehmerischen Aufgabe ist eine Reihe von Funktionen
wahrzunehmen: es muß etwas produziert werden (Produktion), es müssen Roh-,
Hilfs- und Betriebsstoffe beschafft werden (Materialwirtschaft), die produzierte Ware
ist zu verkaufen (Absatz/Marketing), zur Aufrechterhaltung eines Unternehmens sind
Finanzmittel erforderlich (Finanzwirtschaft) und es sind Menschen zu führen (Personalwirtschaft). Die meisten dieser Funktionen lassen sich im unternehmerischen Regelkreis darstellen.
Wie leicht ersichtlich ist, gibt es in diesem Regelkreis eigentlich keinen Anfang.
Wenn eine Unternehmung gegründet wird, stehen am Anfang Finanzprobleme, da
Mittel aufgewendet werden müssen, ehe ein Mittelrückfluß über den Absatz möglich
ist. Wir beginnen daher mit dem Problembereich der Finanzierung. Finanzmittel können als Eigen- oder Fremdkapital beschafft werden. Diese werden in Anlagen und
Personal investiert. Damit sind die Voraussetzungen zur Produktion geschaffen.
Während der Produktion entstehen Kosten, die ebenfalls vorfinanziert werden müssen. Die Produktion wird dann erfolgreich abgesetzt werden können, wenn im Mittelpunkt der Leistungen die Nutzenerfüllung aus Sicht der Abnehmer steht. Produkte
werden in diesem Sinne beispielsweise als Problemlösungen bezeichnet. Es geht
nicht darum, irgendein Gut herzustellen. Vielmehr ist ein Problem möglichst vollständig zu erkennen und umfassend zu lösen.
Abbildung 7: Regelkreis der Unternehmung
Einführung in die Betriebswirtschaftslehre
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Dahinter steckt die Überlegung, dass Unternehmungen nicht so sehr danach fragen
müssen, was sie produzieren können, sondern welche Probleme aus Sicht der Abnehmer zu lösen sind. So geht es beispielsweise beim Verkauf von Druckerzeugnissen nicht darum, bedrucktes Papier zu verkaufen, es geht darum, Informationen zu
vervielfältigen, lagerfähig zu gestalten und transportabel zu machen. In dem Augenblick, wo derartiges auf elektronischem Wege in ebenfalls akzeptierter Qualität möglich ist, ist die Druckereitechnik in ihrer Anwendungsbreite bedroht. Viele Bereiche
werden dann an die elektronische Informationsverarbeitung „verloren gehen“.
Problemlösungen erfolgen unter Anwendung anderer Techniken, dennoch bleibt die
Lösung des gleichen Problems (Informationen vervielfältigen, lagern, transportieren)
bestehen. Zukunftsorientierte Unternehmen erkennen dies rechtzeitig und halten
nicht an alten Technologien fest, sondern freunden sich frühzeitig mit AlternativTechnologien an.
Wenn Produkte zur Nutzenstiftung tauglich sind, erfolgt der Absatz. Absatz meint
immer eine mengenmäßige Betrachtung, die in Verbindung mit Preisen zur wertmäßigen Umsatzbetrachtung führt. Die Umsatzerlöse dienen der Finanzierung des laufenden Geschäftes. Die Personalführung haben wir im Mittelpunkt des Regelkreises
positioniert, weil Personalführung in allen unternehmerischen Funktionen relevant ist.
Es sind Menschen, die Finanzpläne erstellen, Kosten verursachen, Kosten senken,
produzieren Qualitäten überwachen, Material einkaufen, Produkte verkaufen, unternehmerische Strategien erstellen. So steht der Mensch nicht nur aus ethischen Überlegungen heraus im Mittelpunkt der Betrachtung.