Wir müssen draußen bleiben

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Wir müssen draußen bleiben
Sonntag Aktuell, 4. Dezember 2011
REISEN 27
Wir müssen draußen bleiben
Manchmal sind mit diesem Verbot keine Hunde gemeint, sondern Kinder. In Hotels nur für Erwachsene haben
wir versammelte Kinderhasser erwartet – und erholungsuchende Eltern gefunden.
VON SUSANNE HAMANN AUS ACHENKIRCH
Sie sind bezaubernd, die beiden Töchter.
Acht und fünf Jahre alt, zwei aufgeweckte
Mädchen, deren Mundwerk keine Sekunde
stillzustehen scheint. Von früh bis spät wird
diskutiert – über die Wahl der Kleidung oder
des Essens, bei den Hausaufgaben, ob die
Haare gewaschen werden müssen oder nicht,
wie viel ferngesehen werden darf, wann
Schlafenszeit ist. Kann man es Eltern da übelnehmen, wenn sie sich ab und zu einfach mal
ein paar Tage Ruhe wünschen? Abschalten,
ausspannen, erholen. Ohne Stress, ohne die
Kinder. Nun können sie bei solchen Gelegenheiten Hotels buchen, in denen auch garantiert kein anderes Kind eingecheckt hat.
Hotelier Karl C. Reiter aus Achenkirch in
Tirol etwa stellte sein Haus Anfang des Jahres auf „Nur Erwachsene“-Betrieb um. Das
Posthotel hat als Fünf-Sterne-Wellnesshotel
einen guten Ruf in der Alpenrepublik. Bis vor
kurzem war es auch bei Familien sehr beliebt.
Eltern schätzten die kindgerechte Ausstattung auf den Zimmern, die Betreuung im Kinderclub, den Babypool mit Rutsche in Form eines Elefanten. Im Planschbecken für die Kleinen ist zwar noch immer Wasser eingelassen,
gebadet hat dort seit Januar aber kein Kind
mehr unter 14 Jahren. „Wir haben schon
Erst ab 14 Jahre: Das Posthotel.
FOTO: SOAK
lange gemerkt, dass die Bedürfnisse unserer
Gäste auseinandergegangen sind“, sagt Karl
C. Reiter, ein schlaksiger Jungspund mit wallendem Blondhaar, der jünger aussieht, als
seine 33 Jahre vermuten lassen.
Weil die einen Gäste ihre Ruhe wollten,
die anderen aber die Kinder in Ruhe toben lassen, versuchte der Hotelier zunächst, mit verschiedenen Zonen und Zeiten dem Problem
Herr zu werden: „Doch am Schluss war zu
viel Kompromiss. Dafür sind wir nicht
berühmt.“ Also fällte der junge Chef, der den
Familienbetrieb mit 150 Zimmern seit 2004
führt, eine folgenreiche Entscheidung: keine
Kinder mehr. Es sei ihm nicht leichtgefallen,
passe aber zur Tradition des Hauses: „Die
Post war früher eine Station an der alten Handelsstrecke von Süddeutschland nach Innsbruck. Ein Ort der Rast, an dem die Leute zur
Ruhe gekommen sind.“
Beleidigte Gäste reagierten mit negativen
Bewertungen im Internet
Gäste mit Nachwuchs verweist er seither an
das ebenfalls zur Familie Reiter gehörende
Avance, ein Luxus-Kinderhotel im Burgenland. Dummerweise liegt es 500 Kilometer
vom Achensee entfernt. „Das ist für uns keine
Alternative“, sagt Posthotel-Stammgast Stefan Lendl aus Stuttgart. Jahrelang fuhr der
44-Jährige mit Gattin und den beiden Kindern nach Achenkirch, feierte manch runden
Geburtstag im Hotel der Reiters. Ihren Urlaub wird die Stuttgarter Familie auch künftig
in Tirol verbringen – nur eben in einem anderen Haus. „Ganz in der Nähe gibt es zwei andere Kinderhotels“, hat Stefan Lendl herausgefunden. Er nennt das neue Konzept „ärgerlich“, möchte aber dennoch weiterhin dem
Posthotel treu bleiben: „Einen schönen Urlaub allein mit meiner Frau kann ich mir auf
jeden Fall dort vorstellen. Der Wellnessbereich ist wirklich toll.“
Bei anderen Stammgästen sorgte die neue
Politik des Hauses für noch mehr Verdruss.
Sie fühlen sich ausgeschlossen, beschwerten
sich per E-Mail oder Brief, verfassten negative Eintragungen in Internetforen und Hotel-
bewertungsportalen wie Holidaycheck. „Unfair“ findet das Karl C.
Reiter und kommentiert stoisch
jede kritische Anmerkung.
Roland Ballner vom Hotel
Cortisen erging es vor fünf
Jahren noch schlimmer.
Der Hotelier aus St. Wolfgang entschied sich 2006,
seine 32 Zimmer nur
noch an Erwachsene zu
vergeben. „Der Aufruhr
war unglaublich“, erzählt der 44-Jährige.
„Bild“-Zeitung und TVSender fielen über den
„bösen Ösi“ und „Kinderfeind“ her. Die
Gäste jedoch reagierten
begeistert. „Wir haben
seither die Auslastung
um 20 Prozent gesteigert“, sagt Roland Ballner. Auch sei sein Haus
nicht, wie viele prophezeit
haben, zum „Altersheim“ geworden: „Das Durchschnittsalter der Gäste wurde um 15
Jahre gesenkt. In erster Linie
kommen Eltern zu uns, die heilfroh sind, wenn sie mal keine Kinder sehen müssen.“ Und im Übrigen
sei er kein Kinderhasser.
Auch Karl C. Reiter hat persönlich
nichts gegen Kinder einzuwenden: „Im Gegenteil: Ich liebe Kinder. Meine Freundin ist
schwanger, das Baby kommt im Dezember –
ein Mädchen“, erzählt der 33-Jährige stolz.
Gleichwohl steht er zu seinem Konzept. „Unser Haus ist mehr auf Romantik ausgelegt.
Das ist für uns der bessere Weg. Die meisten
Gäste sehen das genauso.“
Tatsächlich findet sich im Posthotel kein
Gast, der das Kinderfrei-Konzept grundweg
schlecht findet. Im gut besuchten und dennoch auffällig ruhigen Haus tummeln sich
Freundinnen im Wellness-Wochenende,
junge Pärchen, ältere Paare. „Wir sind zum
fünften Mal da und finden es schön, dass
Österreich
bruck und Kufstein), ab da weiter mit dem Linienbus.
Achenkirch
Hotels nur für Erwachsene
Achensee
ÖSTERREICH
ROFANGEBIRGE
Kramsach
Pertisau
Maurach
SOAK-GRAFIK: ETTISCHER
Jenbach
5 km
Anreise
Der Achensee liegt im österreichischen Bundesland
Tirol, nur wenige Kilometer hinter der Grenze zu
Deutschland. Man erreicht Achenkirch am besten mit
dem Auto, etwa via München und den Tegernsee.
Nächstgelegener Bahnhof ist Jenbach (zwischen Inns-
• Den kalten Tagen in
Wer in Reiter’s Posthotel in Achenkirch absteigen
möchte, muss mindestens 14 Jahre alt sein. Ein
Zimmer in dem Tiroler Fünf-Sterne-Haus kostet ab
119 Euro pro Person (www.posthotel.at).
Das Boutique-Hotel Cortisen am Wolfgangsee im
Salzkammergut war 2006 das erste Haus in Österreich mit No-Kids-Konzept. Preis: ab 118 Euro
(www.cortisen.at).
Ein „Verwöhnhotel für urlaubsreife Paare“ möchte
das Hotel Goies in der Urlaubsregion Serfaus-FissLadis. Das Vier-Sterne-Haus in Tirol nimmt nur Gäste
über zwölf Jahren auf (ab 98 Euro pro Person im Doppelzimmer, www.goies.at).
Zweisamkeit wird auch im Genießer- und Kuschelhotel Gams (vier Sterne superior) in Bezau im Bregenzer Wald großgeschrieben. Preis je nach Aufenthaltsdauer ab 99 Euro pro Person im Doppelzimmer,
1. Tag: Bustransfer nach Savona zur Einschiffung. | 2. Tag: Marseille. | 3. Tag: Barcelona.
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ma de
S
Kuschelsuiten mit offenem Kamin ab 147 Euro,
www.hotel-gams.at.
Auch Reiseveranstalter haben spezielle „Adults only“
-Häuser im Programm. Bei Thomas Cook zum Beispiel kann man 27 entsprechende Hotels buchen. Sie
sind in den Katalogen mit einem hellblauen Button
und der Aufschrift „Urlaub ohne Kinder“ gekennzeichnet. Die Mehrzahl der Hotels findet sich in Spanien und der Karibik (www.thomascook.de).
Hotels speziell für Kinder
Speziell an Familien mit Kindern richten sich die sogenannten Kinderhotels. Unter diesem Namen hat sich
eine ganze Reihe von Betrieben in Deutschland,
Österreich, Südtirol und Kroatien zusammengeschlossen. Informationen und Katalogbestellung unter
www.kinderhotels.com.
Weitere 60 familienfreundliche Hotels in der Schweiz
und in Deutschland gehören zur Kooperation Familotels (www.familotel.com).
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keine Kinder mehr erlaubt sind“, erzählt der
Schweizer Kurt Flury. Vor allem
„ungezogene Kinder“, die mit Tauchausrüstung das Schwimmbad enterten, hätten ihn und seine Frau früher
sehr gestört, sagt der 58-Jährige aus
Solothurn. „Was sollen Kinder in einem Fünf-Sterne-Haus? Wenn wir
mit unserem dreijährigen Enkel verreisen möchten, fahren wir lieber in
ein weniger anspruchsvolles Haus
ins Zillertal, oder?“ Eine junge Frau,
die nicht genannt werden möchte,
vertritt dieselbe Meinung: „Ich habe
selbst zwei Söhne und liebe sie heiß
und innig. Aber viele andere Kinder
gehen mir total auf die Nerven. Hier
sind mein Mann und ich sicher vor
solchen Nervensägen.“
Andere beurteilen das Konzept
nicht so positiv. Stefanie Heckel
etwa, Pressesprecherin des Deutschen Hotellerie- und Gaststättenverbandes, ist entsetzt: „Kinder sind unsere Zukunft. Sie verdienen unsere
besondere Aufmerksamkeit.“ In
Deutschland seien ihr vergleichbare
Häuser nicht bekannt. Im Gegenteil.
Immer mehr Betriebe würden sich
gerade auf Kinder ausrichten. „Gefällt es den Kindern in unseren Betrie-
Hotels werden
immer spezieller. Der
neueste Schrei in der
Branche sind Häuser nur
für Erwachsene.
FOTO: FOTOLIA
ben, können auch deren Eltern
oder Großeltern den Restaurantoder Hotelbesuch noch mehr genießen.“
Nina Kreke, Pressesprecherin
von Thomas Cook, sieht in der
zunehmenden Spezialisierung jedoch einen klaren Trend in der Reisebranche: „Über neue Medien
und soziale Netzwerke bekommt
man immer mehr Feedback. Dem
wird Rechnung getragen, indem
man Zielgruppen immer genauer
betrachtet.“ So könnten die Unternehmen ihre Investitionen entsprechend ausrichten. Zur Freude
mancher Eltern, die ihren Urlaub
– zumindest ab und zu – lieber allein genießen und sich danach
umso mehr auf die Kinder freuen.
LEISTUNGS-KOMPLETTPAKET:
REIS
99
9,-*
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Dubrovnik. |
OSA:
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¤ 1067,-
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Tag: Catania.
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