urhebervergütung im digitalen zeitalter

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urhebervergütung im digitalen zeitalter
Studie im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz
URHEBERVERGÜTUNG IM DIGITALEN ZEITALTER DER INTERNATIONALE FORSCHUNGSSTAND
Berlin, 14. April 2016
Christian Handke
Assistant Professor, Erasmus University Rotterdam
Email: [email protected]
Internet: www.eshcc.eur.nl/handke
Erasmus University Rotterdam
ESHCC
Woudestein, Van der Goot Building
Room M7-18
P.O. Box 1738
NL-3000 DR Rotterdam
Niederlande
Handke Urhebervergütung
EXECUTIVE SUMMARY
Thema:
Wie können Urheber effizient vergütet werden?
Wie eine angemessene Vergütung von Kreativen und Verwertern sichergestellt werden kann, ist seit
langem umstritten. Es ist vielfach belegt, dass unautorisiertes, digitales Kopieren die Einnahmen
von Rechteinhabern verringern kann (auch wenn dieser Befund und das Ausmaß der
Einnahmerückgänge weiterhin kontrovers diskutiert werden). Mittlerweile sind eine Reihe
unterschiedlicher Maßnahmen erprobt worden, um die Position von Rechteinhabern in diesem
Zusammenhang zu verbessern. Diese Studie fasst die empirischen Ergebnisse zur Wirkung solcher
Maßnahmen zusammen.
Ziel dieser Literaturübersicht
Es gibt unterschiedliche Ansätze, ein effizienteres Urheberrechtssystem im digitalen Zeitalter zu
entwickeln. Diese Literaturübersicht diskutiert empirische Forschungsergebnisse zu den Vor- und
Nachteilen verschiedener Maßnahmen. Sie fasst vor allem die englischsprachige Fachliteratur
zusammen. So sollen Entscheidungsträgern in der deutschen Urheberrechtspolitik umfassende und
komprimierte Informationen über den aktuellen, internationalen Forschungsstand an die Hand
gegeben werden.
Vorgehen:
Von Einzelergebnissen zu einer Gesamtbewertung
Insgesamt bezieht sich diese Literaturübersicht auf 169 Quellen, von denen die meisten
akademische Veröffentlichungen sind. Praktisch alle empirischen Studien zum Themengebiet
behandeln einzelne Aspekte der Wirkung des Urheberrechtsschutzes. Um empirische Ergebnisse
bezüglich ihrer Aussagekraft und Bedeutung für die Urheberrechtspolitik zu bewerten, ist es
notwendig, sie in einen größeren Zusammenhang zu stellen und miteinander in Bezug zu setzen.
Abschnitt II entwickelt dafür den wohlfahrtsökonomischen Rahmen. Tabelle 1 gibt einen Überblick
der vorrangigen Effekte des Urheberrechtsschutzes, die bei der Bewertung unterschiedlicher
Handlungsoptionen berücksichtigt werden müssen.
Tabelle 1: Vor- und Nachteile des Urheberrechtsschutzes
Vorteile
Kurzfristig
Höhere Entlohnung von
Rechteinhabern
Nachteile
Zugangskosten für Nutzer
Verwaltungskosten für die öffentliche
Hand
Transaktionskosten beim Handel mit
Rechten
Langfristig
Höhere
Innovationsanreize für
Rechteinhaber
Geringere Innovationsanreize für Nutzer
i
Handke Urhebervergütung
Aus ökonomischer Sicht ist der Urheberrechtsschutz ein kostspieliges Mittel, um das Angebot neuer
kreativer Werke zu fördern. Allerdings hat sich die empirische Literatur bisher vorwiegend auf die
Wirkung urheberrechtlicher Maßnahmen auf die Einnahmen von Rechteinhabern konzentriert.
Grundlegende mikroökonomische Theorie sagt voraus, dass das Angebot steigt, wenn
Rechteinhaber höhere Einnahmen erzielen können, etwa durch einen stärkeren Urheberrechtsschutz.
Damit könnten auf lange Sicht auch Verbraucher von einem angemessenen Urheberrechtsschutz
profitieren. Es ist jedoch umstritten, ob dies in der Praxis tatsächlich erreicht wird.
Diese Studie führt in Abschnitt II auch weiterführende Wirkungen und Komplikationen des
Urheberrechtes auf, die in der ökonomischen Literatur diskutiert werden. Abschnitt III beschreibt
kurz die Auswahl und Bewertung der empirischen Quellen. Abschnitt IV umreißt den empirischen
Kenntnisstand zur Wirkung unautorisierten, digitalen Kopierens. Der Kern dieser Literaturübersicht
findet sich in den Abschnitten V bis VII: Dort werden drei grundsätzlich verschiedene Ansätze
diskutiert, eine gesamtgesellschaftlich adäquate Urhebervergütung zu erreichen. Für diese drei
Schwerpunktthemen werden 34 empirische Arbeiten ausführlicher vorgestellt und bewertet. Alle
verfügbaren Studien beschäftigen sich mit den Märkten für Musikaufnahmen oder für Filme und
TV-Serien. Der Abschnitt VII enthält einen systematischen Vergleich der verschiedenen
Handlungsoptionen in der Urheberrechtspolitik ökonomischer Sicht. Abschnitt VIII präsentiert das
Fazit.
Schwerpunkthemen: Drei Ansätze zur besseren Vergütung von Kreativen
1. Entwicklung kommerzieller, legaler Angebote
Anpassungen von Preis- und Veröffentlichungsstrategien oder zum Beispiel Crowdfunding könnten
es Rechteinhabern ermöglichen, ihre Probleme mit unautorisiertem Kopieren zu verringern. In der
Praxis
scheint
dies
bestenfalls
zu
Teilerfolgen
geführt
zu
haben.
Vielversprechend erscheinen derzeit autorisierte Internetplattformen (wie das iTunes Store,
YouTube oder Spotify), die eine sehr umfassende Zahl an Werken über einen einzigen Anbieter
zugänglich machen und Rechteinhaber an den Einnahmen beteiligen. Sowohl werbefinanzierte
Online-Angebote als auch Abonnementdienste haben in den letzten Jahren eine große Zahl an
Nutzern gewonnen. Es gibt deutliche Hinweise, dass es diesen Internetplattformen über ein
günstiges Preis-Leistungsverhältnis gelungen ist, relativ gut mit unautorisierten Angeboten wie
Tauschbörsen zu konkurrieren.
Allerdings fallen bisher die Zahlungen vieler Plattformen an Rechteinhaber bescheiden aus (auch
wenn man berücksichtigt, dass die Vermarktungskosten für Rechteinhaber bei der Verbreitung über
Plattformen sinken). Plattformbetreiber sind profitorientierte Unternehmen, und es ist
wahrscheinlich, dass sie aufgrund von Größenökonomien und Netzwerkeffekten Marktmacht
entwickeln. Ein Wettbewerbsvorteil für große Plattformen ist zum Beispiel der Zugang zu
umfangreichen Daten, die sie exklusiv verwerten können. Es nutzt Rechteinhabern wenig, wenn
mehr Verbraucher zahlende Kunden werden (oder sich Werbeeinnahmen aus der Verbreitung
kreativer Werke erhöhen), aber marktmächtige intermediäre Unternehmen sich den Löwenanteil
dieser Einnahmen sichern. Es ist zweifelhaft, ob Internet-Plattformen verlässlich eine nachhaltige
Vergütung von Urhebern und sonstigen Rechteinhabern hervorbringen.
2. Durchsetzungsmaßnahmen des Urheberrechts
Eine naheliegende Reaktion auf vielfaches, unautorisiertes Kopieren ist es, mit höherem Aufwand
für die Durchsetzung exklusiver Rechte zu sorgen. Abmahnungen von Verbrauchern und
Webseitensperrungen sind in den letzten Jahren vielfach eingesetzt worden.
Im Zusammenhang mit Abmahnungen sind Musikverkäufe in Schweden und Frankreich teilweise
erheblich gestiegen. Die Ergebnisse schwanken zwischen keinem signifikanten Effekt und einer
ii
Handke Urhebervergütung
46%igen Steigerung der digitalen Musikverkäufe. Für Filmverkäufe ist dagegen bisher keine
Wirkung von Abmahnungen auf Einnahmen der Rechteinhaber beobachtet worden. Die relativ
große Zahl an kostenpflichtigen Abmahnungen in Deutschland ist bisher überhaupt noch nicht
ökonometrisch auf ihre Wirksamkeit untersucht worden. Generell entsteht ein hoher Aufwand,
wenn durch Abmahnungen von Haushalten das Verhalten von Millionen von Internetnutzern
effektiv beobachtet und beeinflusst werden soll. Zudem können Verletzungen der Privatsphäre
auftreten.
Webseitensperrungen haben laut einer Studie in einer Reihe von Ländern zu ca. 8% mehr digitalen
Verkäufen von Filmen und 7% mehr digitalem Verleih geführt. Andere Studien finden praktisch
keinen Effekt, und dies gilt auch für die Sperrung von kino.to in Deutschland. Verbraucher scheinen
relativ schnell auf alternative, unautorisierte Online-Angebote umzusteigen. Eine vollständige
Unterdrückung unautorisierter Angebote scheint bisher zu aufwändig.
3. Alternative Vergütungssysteme
Angesichts der Schwierigkeiten mit der Durchsetzung exklusiver Rechte sind alternative
Vergütungssysteme untersucht worden, die nicht auf die Kontrolle über die Nutzung von Werken
abzielen, sondern auf eine angemessene Vergütung der Rechteinhaber bei unautorisierter Nutzung.
Die ‚Kulturflatrate’ ist ein Beispiel für ein Vergütungssystem, das Internetnutzern gegen Zahlung
einer Gebühr erlauben würde, geschützte Werke auch ohne explizite Zustimmung von
Rechteinhabern herunterzuladen (oder auch hochzuladen).
Ein solches Vergütungssystem ist noch nicht erprobt worden, so dass nur Umfrageergebnisse
vorliegen. Zwei Studien diskutieren die Höhe einer für Rechteinhaber angemessenen Vergütung.
Relativ geringe monatliche Gebühren von ca. 1,75 Euro pro Haushalt mit einem BreitbandInternetanschluss würden zum Beispiel in den Niederlanden genügen, um die gesamten Einnahmen
von Rechteinhabern aus der derzeitigen Vermarktung von Musikaufnahmen zu übertreffen. In
Deutschland würden anscheinend monatlich 14,70 Euro pro Breitband-Anschluss ausreichen, um
ein Einkommen für Rechteinhaber von Musikaufnahmen, Filmen und Büchern zu erzeugen, das
theoretisch erzielt würde, wenn ‚Piraten‘ die derzeit üblichen Preise für Nutzungslizenzen zahlten.
Zwei Studien betrachten den Wert, den ein Vergütungssystem für Verbraucher hätte. In
Deutschland scheinen 61% der Verbraucher bereit, im Schnitt etwa 16 Euro pro Monat für ein
Vergütungssystem zu zahlen, das Musik, Filme und TV-Sendungen umfasst. Eine technisch
ambitionierte Studie für die Niederlande findet eine durchschnittliche Zahlungsbereitschaft von
9,20 Euro monatlich pro Haushalt allein für ein Musik-Vergütungssystem - mehr als fünfmal der
Umsatz, der in den Niederlanden derzeit pro Haushalt mit physischen und digitalen Verkäufen von
Musikaufnahmen erzielt wird.
Vergleicht man die Ergebnisse zur durchschnittlichen Zahlungsbereitschaft von Verbrauchern mit
der zur Entschädigung von Rechteinhabern nötigen Gebührenhöhe, ergibt sich bei angemessener
Preissetzung ein klarer Wohlfahrtsgewinn für diese beiden Gruppen.
Ein Vergütungssystem, das für Verbraucher mit Internet-Anschluss verbindlich wäre, würde
allerdings viele Verbraucher mit geringer Zahlungsbereitschaft schlechter stellen. Zudem wäre es
langfristig kaum möglich, die Gebührenhöhe an Veränderungen der Angebotsqualität und der
Nachfrage anzupassen. Eine Studie betrachtet daher für die Niederlande auch ein für Verbraucher
freiwilliges Musik-Vergütungssystem. Bei einer monatlichen Gebühr von 5 Euro würden 44,6%
freiwillig teilnehmen, und es ergeben sich noch günstigere Wohlfahrtseffekte als bei verbindlicher
Teilnahme für alle privaten Internet-Nutzer.
Ein langfristig nachhaltiges Vergütungssystem setzt allerdings eine Verteilung der Einnahmen unter
Rechteinhabern voraus, die möglichst präzise der tatsächlichen Nutzung der Werke entspricht.
iii
Handke Urhebervergütung
Wichtigste Ergebnisse
Abschnitt VIII vergleicht die Stärken und Schwächen verschiedener Ansätze zur Urhebervergütung
und zwar:
1. Durchsetzungsmaßnahmen
- Digitales Rechtemanagement (DRM) und End-User License Agreements (EULA)
- Abmahnungen durch private Akteure
- Abmahnungen durch die öffentlichen Behörden
- Webseitensperrungen
2. Private, autorisierte Plattformen zur Online-Verbreitung kreativer Werke, wie Amazon,
YouTube, der iTunes Store, Spotify, oder Netflix
3. Vergütungssysteme
- mit obligatorischer Teilnahme von Internetnutzern
- mit freiwilliger Teilnahme von Internetnutzern
Wesentliche Aspekte der Bewertung werden auf den Seiten 49 und 50 in einem Matrixdiagramm
zusammengefasst.
>> Unter den Durchsetzungsmaßnahmen sind Abmahnungen am wirksamsten, aber auch am
aufwändigsten. <<
Unter den verschiedenen Durchsetzungsmaßnahmen haben sich der empirischen Literatur zufolge
Abmahnungen von Verbrauchern am ehesten als wirksames Mittel erwiesen, die Einnahmen von
Rechteinhabern zu steigern. Sie gehen allerdings mit erheblichen Transaktionskosten einher, bzw.
mit erheblichen Verwaltungskosten für die öffentliche Hand bei Abmahnungen durch öffentliche
Behörden. Zudem ergeben sich bei allen Durchsetzungsmaßnahmen ausgeprägte Anreizprobleme
für beteiligte Unternehmen (bei denen eigennütziges Verhalten dem gemeinschaftlichen Interesse
zuwiderläuft) und Informationsprobleme (mit der Folge, dass die Preisfindung und Ausgestaltung
von Leistungen nicht mehr durch effiziente Marktmechanismen erfolgt).
>>Kommerzielle Internet-Plattformen generieren bisher oft geringe Einnahmen für Rechteinhaber
und drohen Marktmacht zu entwickeln.<<
Privaten, autorisierten Plattformen gelingt es, neue Einnahmequellen durch die Vermarktung
kreativer Werke zu entwickeln. Attraktive, autorisierte Angebote könnten ‚Piraterie‘ für viele
Verbraucher ersetzen, auch wenn hierfür wenige systematische Belege vorliegen. Allerdings
verringert die bestehende Konkurrenz durch unautorisierte Angebote wahrscheinlich die Einnahmen
aus der Vermarktung autorisierter Leistungen. Vor allem werden die Ausschüttungen an
Rechteinhaber gering ausfallen, falls Plattformen Marktmacht entwickeln. Bei Abonnementdiensten
und der werbefinanzierten Verbreitung von geschützten Werken werden oft nur geringe Einnahmen
für Rechteinhaber generiert. Darüber hinaus bestehen starke Anreize zu wettbewerbswidriger
Kollusion zwischen Plattformen, großen Rechteinhabern und Internet Service Providern (ISP).
Verträge zwischen den beteiligten Unternehmen werden in der Regel geheim gehalten, was einen
effektiven Wettbewerb sowie eine Wettbewerbsaufsicht erschwert.
>> Vergütungssysteme liegen im Gesamtvergleich nach vielen Kriterien vorn. <<
Umfrageergebnissen zufolge wären Vergütungssysteme unter derzeitigen Marktbedingungen das
effektivste Mittel, die Einnahmen von Rechteinhabern zu steigern. Ein für Internetnutzer
obligatorisches Vergütungssystem hätte aber erhebliche Nachteile. Zum einen wäre es bei einem
solchen System extrem schwierig, die effiziente Gebührenhöhe zu ermitteln. Zum anderen würden
iv
Handke Urhebervergütung
viele Verbraucher mit geringer Zahlungsbereitschaft schlechter gestellt, auch wenn sich die
Wohlfahrt von Verbrauchern insgesamt erhöhte. Hingegen wäre ein für Internetnutzer freiwilliges
Vergütungssystem in diesen beiden Punkten überlegen. Es gäbe keine Verlierer unter den
Verbrauchern, und die Ermittlung der Gebührenhöhe ließe sich eher nach Marktmechanismen
ausrichten. Allerdings ist zu erwarten, dass ein freiwilliges Vergütungssystem geringere
Gesamteinnahmen für Rechteinhaber erzeugen würde als ein obligatorisches. Für Verbraucher, die
nicht teilnähmen, würden zudem die derzeitigen Probleme mit der Rechtsdurchsetzung
fortbestehen. In jedem Fall fielen bei Einführung jedweder Art von Vergütungssystem erhebliche
Umstellungskosten für den bestehenden digitalen Einzelhandel an.
Nichtsdestotrotz schneiden Vergütungssysteme nach vielen Bewertungskriterien besser ab als
sonstige Maßnahmen. Durch Vergütungssysteme scheint es am ehesten möglich, die Einnahmen der
Rechteinhaber zu erhöhen, ohne Verbraucher schlechter zu stellen. Verglichen mit den sonstigen
Ansätzen scheinen zudem die anfallenden Transaktions- und Verwaltungskosten eher niedrig. Auch
Anreiz- und Informationsprobleme sollten bei Vergütungssystemen relativ gering ausfallen, wenn
eine effektive staatliche Regulierung analog zu den bestehenden Verwertungsgesellschaften
sichergestellt wird. Allerdings besteht aufgrund der fehlenden praktischen Erprobung von
Vergütungssystemen auch die größte Unsicherheit bei diesem Ansatz.
Fazit:
Neue Lösungen erproben und auswerten
Durch technische Entwicklungen im Rahmen der Digitalisierung scheinen zurzeit große
Produktivitätszuwächse in den Urheberrechtsbranchen möglich. Dabei macht es die Digitalisierung
gleichzeitig für viele Akteure unausweichlich, Innovation zu betreiben und mit großer Unsicherheit
umzugehen. Das Urheberrechtssystem sollte dies erleichtern, indem es Kreativen und
kommerziellen Nutzern mehr Rechts- und Planungssicherheit bietet. Das wird angesichts der
Diskrepanz zwischen rechtlicher Definition ausschließlicher Rechte und massenhafter,
unautorisierter Nutzung nur bedingt erreicht. Gleichzeitig bedarf es oft zahlreicher und langwieriger
Verhandlungsprozesse,
um
zu
einer
Übereinkunft
mit
Rechteinhabern
oder
Verwertungsgesellschaften für neue Verbreitungsmethoden und Nutzungsarten zu kommen, wenn
dies überhaupt gelingt. Es besteht die Gefahr, das schlechteste aus beiden Welten zu bekommen:
einerseits de facto einen geringen Schutz für Rechteinhaber und möglicherweise geringe Anreize, in
neue kreative Werke zu investieren; andererseits hohe Hürden für die Entwicklung autorisierter und
innovativer Verbreitungsmethoden.
Die Rechtssicherheit ließe sich durch effektive Durchsetzungsmaßnahmen erhöhen. Dies hat sich
aber als sehr kostspielig erwiesen und ist in der Praxis mehrfach gescheitert.
Sowohl die Rechts- und Planungssicherheit als auch die Geschwindigkeit, mit der neue Formen der
Nutzung und Verbreitung legal möglich werden können, ließen sich durch umfassendere
Standardisierung von Nutzungsbedingungen und Bündelung von Transaktionen verbessern. Dies
scheint auch das Bestreben der Richtlinie 2014/26/EU ‚über die kollektive Wahrnehmung von
Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an
Musikwerken für die Online-Nutzung‘ zu sein. Es ist aber zweifelhaft, ob Rechteinhaber
profitieren, wenn Standards zunehmend durch marktmächtige, profitorientierte Plattformen wie
Amazon, YouTube oder Spotify gesetzt werden. Hier bieten Vergütungssysteme unter Mitwirkung
staatlich regulierter und nicht profitorientierter Verwertungsgesellschaften eine Alternative, die
anhand der verfügbaren empirischen Untersuchungen zu diesem Zeitpunkt für einige
Urheberrechtsbranchen vielversprechend erscheint.
Alles in allem bietet die empirische Literatur bereits zahlreiche Hinweise, wie sich eine höhere
Entlohnung von Rechteinhabern annähern ließe, ohne exzessive Kosten und unbeabsichtigte weitere
Folgen zu verursachen. Allerdings sind vier kritische Punkte zu beachten:
v
Handke Urhebervergütung
(1)
Die Literatur ist nicht ausgewogen. Der Großteil der Literatur konzentriert sich auf die
Einnahmen von Rechteinhabern und zunehmend auf Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung.
Eine Anpassung der Urheberrechtsbranchen, die langfristig etwaige Probleme mit digitalem
Kopieren abschwächen könnte, sowie Verbraucherinteressen sind bislang weniger untersucht
worden. Vor allem die Wirkung auf das Angebot neuer kreativer Werke ist selten in Betracht
gezogen worden, obwohl hier die eigentliche Zielgröße einer ökonomisch begründeten
Urheberrechtspolitik liegt.
(2)
Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen sind für die Urheberrechtsbranchen nur wenige
gut dokumentierte Daten erhältlich. Zudem sind viele Datensätze von interessierten Parteien
selbst zusammengestellt worden. Das erschwert eine gründliche und stichhaltige Bewertung
der Wirkung des Urheberrechtssystems.
(3)
Es besteht eine weite Streuung der Ergebnisse selbst für sehr ähnliche Fragestellungen. So
bleibt es zum Beispiel umstritten, inwieweit unautorisiertes, digitales Kopieren Rechteinhaber
schadet, oder ob spezifische Durchsetzungsmaßnahmen unautorisiertes Kopieren
zurückdrängen und die Einnahmen von Rechteinhabern erhöhen. Dies ist wahrscheinlich auch
in Messschwierigkeiten und einer unbefriedigenden Datenlage begründet.
(4)
Außerdem deckt die empirische Literatur nur einen kleinen Teil der Urheberrechtsbranchen
ab. Der größte Teil behandelt die Musikindustrie und die Filmwirtschaft. Andere Bereiche wie
Nachrichten, Videospiele, Bürosoftware oder wissenschaftliche Arbeiten sind praktisch nicht
untersucht worden. Das spiegelt nicht die wirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche
Bedeutung dieser Branchen wider. Die enge Fokussierung auf bestimmte Branchen macht es
fragwürdig, aus den bestehenden empirischen Ergebnissen allgemeine Schlüsse auf das
Urheberrecht und seine Wirkung jenseits der Musikindustrie und Filmwirtschaft zu ziehen.
Die Literatur macht deutlich, dass große Wissenslücken und Unsicherheiten bestehen. Prinzipiell
spricht das dagegen, derzeit dauerhafte und für alle Urheberrechtsbranchen gültige Lösungen
festzuschreiben. Stattdessen scheint es sinnvoller, Neuerungen zu erproben und auszuwerten, um so
eine sukzessive und evidenzbasierte Anpassung an veränderliche Marktbedingungen zu
ermöglichen. Besonders eine Erprobung von Vergütungssystemen scheint derzeit sinnvoll, vor
allem im Markt für Musikaufnahmen.
vi
Handke Urhebervergütung
INHALTSVERZEICHNIS
I. Einführung
1
II. Theoretischer Hintergrund
3
II.1 Grundlagen der ökonomischen Perspektive
3
II.2 Wohlfahrtsökonomik
4
II.3 Innovationsförderung als Ziel des Urheberrechts und die Notwendigkeit einer
langfristigen Betrachtung
6
II.4 Transaktionskosten
7
II.5 Zusammenfassung und Übersicht
8
II.6 Weiterführende Aspekte der ökonomischen Analyse
9
II.6.1 Technologischer Wandel
9
II.6.2 Unsicherheit und Sampling
10
II.6.3 Inhalt-Erzeugung und technologische Innovation
10
II.6.4 Intrinsische Motivation und Nutzerinnovation
11
II.6.5 Branchenstruktur und Marktmacht
11
III. Auswahl und Interpretation der empirischen Studien
13
III.1 Verknüpfung von Theorie und Empirie
13
III.2 Auswahlkriterien für die Literatur
14
III.3 Bewertung einzelner Studien
14
IV. Die Wirkung unautorisierten Kopierens: Die empirische Literatur
IV.1 Wirkung auf Einnahmen der Rechteinhaber
16
16
IV.1.1 Tauschbörsen und Einnahmen der Musikindustrie
16
IV.1.2 Tauschbörsen und Einnahmen der Filmwirtschaft
17
IV.1.3 Zusammenfassung und sonstige Urheberrechtsbranchen
17
IV.2 Die Position der Verbraucher
18
IV.2.1 Kurzfristige Wirkung
18
IV.2.2 Langfristige Wirkung
18
IV.3 Die Wirkung rechtlicher Maßnahmen
20
IV.4 Verwaltungs- und Transaktionskosten
21
IV.5 Urheberrechtsschutz, Industriestruktur und Wettbewerb
21
IV.5.1 Industriestruktur und Wettbewerb
21
IV.5.2 Wettbewerb und Innovation
22
IV.5.3 Wettbewerb zwischen Anbietern kreativer Werke
22
IV.5.4 Unautorisiertes Kopieren und IKT Anbieter
23
IV.6 Zusammenfassung
24
i
Handke Urhebervergütung
V. Erstes Schwerpunktthema: Anpassung an digitales Kopieren durch Entwicklung legaler
Angebote
25
V.1 Grundlegende Marktbedingungen
25
V.2 Preis- und Veröffentlichungsstrategie
26
V.3 Ausnutzen von Netzwerkeffekten und Verkauf ausschließbarer, komplementärer
Leistungen
27
V.4 Vorfinanzierung durch Crowdfunding
27
V.5 Internet-Plattformen: Lösung für die Kopierproblematik und Bedrohung für den
Wettbewerb?
28
Empirische Literatur zum ersten Schwerpunktthema
VI. Zweites Schwerpunktthema: Durchsetzungsmaßnahmen von Urheberrechten
30
31
VI.1 Unterschiedliche Ansätze zur Rechtsdurchsetzung
31
VI.2 Empirische Ergebnisse
33
VI.2.1 Digital Rights Management (DRM) und End-User License Agreements (EULA)
34
VI.2.2 Abmahnungen privater Haushalte
34
VI.2.3 Rechtliche Schritte gegen Tauschbörsen und File-Hoster
37
Empirische Literatur zum zweiten Schwerpunktthema
40
VII. Drittes Schwerpunktthema: Vergütungssysteme
42
VII.1 Vor- und Nachteile von Vergütungssystemen
42
VII.2 Empirische Ergebnisse
43
Empirische Literatur zum dritten Schwerpunktthema
46
VIII. Stärken und Schwächen der in den Schwerpunktthemen behandelten Optionen aus
wohlfahrtsökonomischer Sicht
47
IX. Fazit
51
Literaturverzeichnis
55
TABELLEN
Tabelle 1: Vor- und Nachteile des Urheberrechtsschutzes
Tabelle 2: Wirksamkeit und weitere Konsequenzen verschiedener Maßnahmen zur
Vergütung von Rechteinhabern
8
49
ii
Handke Urhebervergütung - Einführung
URHEBERVERGÜTUNG IM DIGITALEN ZEITALTER DER INTERNATIONALE FORSCHUNGSSTAND
I. EINFÜHRUNG1
Die Verbreitung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) verändert
Urheberrechtsbranchen schnell und weitreichend. Die Entwicklung hat viele positive Aspekte:
geringere Produktionskosten, neue Möglichkeiten kreativen Ausdrucks oder die leichtere
Verbreitung reproduzierbarer Werke. Allerdings sind auch erhebliche Herausforderungen
entstanden. Vor allem werden urheberrechtlich geschützte Werke vielfach unautorisiert
vervielfältigt und verbreitet.
Die Urheberrechtspolitik sollte eine nachhaltige Entwicklung der Urheberrechtsbranchen
ermöglichen. Es ist seit Jahren umstritten, in welcher Form das Urheberrecht an Veränderungen mit
der Digitalisierung angepasst werden sollte, um dieses Ziel zu erreichen. (Im gesamten Text werden
der Einfachheit halber mit dem Begriff Urheberrecht auch die verwandten Leistungsschutzrechte
bezeichnet.) Eine Vielzahl akademischer Veröffentlichungen bietet Hinweise auf die Wirkung
verschiedener Aspekte von Urheberrechtssystemen. Diese Literaturübersicht gibt einen Überblick
über die empirischen Forschungsergebnisse zu den Vor- und Nachteilen verschiedener
Lösungsansätze für ein effizientes Urheberrechtssystem im digitalen Zeitalter.
Die Zielsetzung dieses Berichts lässt sich wie folgt zusammenfassen: Relevante empirischökonomische Forschungsergebnisse sollen zugänglich aber präzise zusammengefasst und bezüglich
ihrer Relevanz für die Urheberrechtspolitik bewertet werden. Der Fokus liegt auf der empirischen
und englischsprachigen Fachliteratur, die versucht kausale Zusammenhänge mit möglichst
allgemeiner Gültigkeit festzustellen, um bessere Vorhersagen zu den Folgen verschiedener
Handlungsoptionen zu machen. Rein theoretische oder deskriptive Arbeiten werden nur am Rande
betrachtet. Entscheidungsträgern in der deutschen Urheberrechtspolitik soll dieser Text helfen, sich
über den aktuellen, internationalen Forschungsstand zu informieren und ein eigenes Urteil zur
Bedeutung empirischer Evidenz für ihr Aufgabengebiet zu bilden.
Dieser Bericht legt besonderes Augenmerk auf politikrelevante Ergebnisse, die einen direkten
Bezug auf derzeitige Handlungsoptionen deutscher Entscheidungsträger haben. Entsprechend
werden drei Schwerpunktthemen gesetzt:
(1) Entwicklung kommerzieller, legaler Angebote;
(2) Durchsetzungsmaßnahmen des Urheberrechts;
(3) alternative Vergütungssysteme.
1
Teile dieses Berichts basieren auf vorherigen Veröffentlichungen des Autors, die ins Deutsche übersetzt, erweitert und
aktualisiert werden. Im Einzelnen sind diese Quellen Handke (2010a), Handke (2011a), Handke et al. (2013), Handke
(2015), Handke et al. (2015a) und Handke et al. (2015b).
1
Handke Urhebervergütung - Einführung
Es ist empirisch hinreichend gut dokumentiert, dass die Verbreitung digitaler Kopiertechnologie die
Einnahmen von Rechteinhabern verringern kann (siehe zum Beispiel Handke 2011a; Liebowitz
2013; Danaher et al. 2013). Diese Literaturübersicht diskutiert, welche Maßnahmen geeignet sind,
um Urheber und Rechteinhaber in diesem Zusammenhang zu schützen und angemessene Anreize
für die Produktion werthaltiger Werke zu sichern. Dabei müssen aus wohlfahrtsökonomischer Sicht
auch die Verbraucherinteressen berücksichtigt werden.
Viele private und staatliche Durchsetzungsmaßnahmen sind in unterschiedlichen Ländern erprobt
worden. Eine Reihe akademischer Studien haben insbesondere die Wirkung von WebseitenSperrungen oder Abmahnungen diskutiert. Wie in dieser Studie dargestellt wird, sind die
Ergebnisse wenig ermutigend. Viele Maßnahmen haben kaum eine dauerhafte Wirkung oder sind
aus sonstigen Gründen abgebrochen worden. Viele scheinen sogar Rechteinhabern selbst geschadet
zu haben.
Auch angesichts dieser Erfahrung besteht große Hoffnung, dass verbesserte legale Online-Angebote
das unautorisierte Kopieren eindämmen und eine nachhaltige Entwicklung von Märkten
ermöglichen. Dies böte eine privatwirtschaftliche Lösung der Urheberrechtsproblematik, die zum
Beispiel ein weitgehendes staatliches Eingreifen zur Rechtsdurchsetzung ersetzen könnte. Diese
Literaturübersicht fasst die empirische Evidenz zusammen, welche Methoden der Finanzierung und
Verbreitung kreativer Werke vielversprechend erscheinen. Die Integration von Online-Märkten
und das Entstehen von zentralen Online-Plattformen wie Amazon, Spotify und Netflix wirft aber
auch die Frage auf, ob solche Plattformen unangemessene Marktmacht entwickeln. Auch dieser
Aspekt wird berücksichtigt.
Schließlich haben alle empirischen Studien ihre Grenzen. Die Aussagekraft von Studien hängt von
der Datenbasis und Präzision der Datenauswertung ab. Festgestellte kausale Wirkungen sind selten
ohne weiteres zu verallgemeinern. Zudem ist es schwierig, aus empirischen Ergebnissen konkrete
Handlungsempfehlungen abzuleiten. Diese Studie wird daher die Validität der angeführten Studien
diskutieren. Außerdem wird besprochen, welche Hinweise sich aus den vorliegenden empirischen
Ergebnissen für die wahrscheinliche Wirkung verschiedener Handlungsoptionen der deutschen
Urheberrechtspolitik ergeben. Dabei wird auch die verbleibende Unsicherheit präzise
wiedergegeben, und möglicher Forschungsbedarf identifiziert.
Insgesamt bezieht sich diese Literaturübersicht auf 169 Quellen. In Abschnitt II wird die
Anwendung ökonomischer Theorie auf Fragen des Urheberrechts und des unautorisierten Kopierens
ausgeführt. Abschnitt III beschreibt kurz die Auswahl und Bewertung der empirischen Quellen.
Abschnitt IV umreißt den empirischen Kenntnisstand zur Wirkung unautorisierten Kopierens. Zu
den drei Schwerpunktthemen - Ansätzen zur effizienten Urhebervergütung nach der Verbreitung
digitaler Kopiertechnologie - wurden 34 empirische Arbeiten in der akademischen Literatur
identifiziert, die in den Abschnitten V bis VII ausführlicher diskutiert werden. Abschnitt VIII
vergleicht mit Hilfe eines Matrixdiagramms die Wirksamkeit und Nachteile verschiedener
Maßnahmen, eine ausreichende Vergütung von Urhebern zu sichern. Abschnitt IX enthält das Fazit.
2
Handke Urhebervergütung - Theorie
II. THEORETISCHER HINTERGRUND
II.1. Grundlagen der ökonomischen Perspektive
Die ökonomische Literatur zum Urheberrecht bietet einen stabilen Rahmen, um die Folgen
unautorisierten Kopierens und des Urheberrechtsschutzes zu bewerten. 2 Die ökonomische
Begründung des Urheberrechts hebt ebenso wie naturrechtliche Betrachtungsweisen auf die
Besserstellung von Kreativen ab. Allerdings ist der Schutz Kreativer in der ökonomischen
Perspektive kein Selbstzweck. Die Folgen für kommerzielle Nutzer und Endverbraucher sowie die
Unterhaltskosten eines Urheberrechtssystems für die öffentliche Hand müssen ebenfalls
berücksichtigt werden. Letztlich soll zwischen den Interessen aller betroffenen Akteure abgewogen
werden. Das Urheberrecht soll private Akteure anregen, in einem ausreichenden Maße in die
Herstellung und Verbreitung kreativer Werke zu investieren.
Ausgangspunkt der Betrachtung ist, dass kreative Werke oft unautorisiert genutzt werden, ohne
Entlohnung derjenigen, die in die Herstellung neuer Werke investieren. Dies schadet nicht nur
Kreativen. Es kann auch dazu führen, dass weniger werthaltige Werke hergestellt und verbreitet
werden, als es gesamtgesellschaftlich wünschenswert ist. Der Urheberrechtsschutz ist ein Mittel,
diesem Problem entgegen zu wirken. Es soll Anreize für private Akteure verstärken, kreative Werke
herzustellen und verfügbar zu machen. Wie jede staatliche Regelung verursacht ein
Urheberrechtssystem aber auch Kosten. Im Wesentlichen wägt eine ökonomisch begründete
Urheberrechtspolitik eine Reihe von Vor- und Nachteilen ab.
Angewandte Ökonomik geht in der Regel von einfachen Grundprinzipien aus und erweitert diese
dann graduell, um möglichst präzise, nicht offensichtliche und valide Vorhersagen zu den Folgen
verschiedener Handlungsoptionen zu treffen. Die Überprüfung, ob Modellvorstellungen sich mit
empirischen, tatsächlich beobachteten Entwicklungen decken, ist dabei von großer Bedeutung. In
der Debatte um das Urheberrecht und die Digitalisierung ist dieser Prozess bereits weit
fortgeschritten. Ökonomen diskutieren eine Vielzahl vorstellbarer Kosten und Nutzen digitalen
Kopierens und des Urheberrechtssystems, und inwieweit sie in der Praxis zutreffen. Um zu
vertretbaren Politikempfehlungen zu kommen, bedarf es:
(1) einer Gesamtübersicht über Vor- und Nachteile, sowie
(2) eines Vergleichs der Nutzen und der Kosten, um diejenigen Handlungsoptionen zu
identifizieren, die den größten Nettonutzen erzeugen.
Eine präzise Messung der einzelnen Faktoren ist praktisch kaum möglich und nicht unbedingt
vonnöten. In der Praxis bietet eine annähernde Bewertung des relativen Gewichts von Vor- und
Nachteilen bereits eine gute Orientierung für Entscheidungsträger.
In der Debatte um das Urheberrecht werden häufig Argumente verwendet, die sich auf Aspekte
ökonomischer Theorie beziehen. Dabei treten gelegentlich Missverständnisse auf, zum Beispiel
wenn allgemeine Aussagen zum adäquaten Urheberrechtsschutz getroffen werden, die sich nur auf
eine Diskussion einzelner Positionen in der Kosten-Nutzen-Analyse stützen. Die folgenden
Abschnitte II.2 bis II.4 versuchen daher einen relativ vollständigen und ausgewogenen Überblick zu
bieten. In Abschnitt II.5 werden die wesentlichen Positionen der Kosten-Nutzen-Analyse, die zur
Einordnung der empirischen Ergebnisse dient, kurz zusammengefasst.
2
Landes & Posner (1989) ist besonders einflussreich. Relativ aktuelle Literaturübersichten sind Towse et al. (2008) und
auf Deutsch, Handke et al. (2015a).
3
Handke Urhebervergütung - Theorie
Es gibt verschiedene, komplementäre Ansätze, die Wirkung unautorisierten Kopierens und des
Urheberrechtschutzes ökonomisch zu fassen, wie die Preistheorie, die Theorie öffentlicher Güter,
kurzfristige und langfristige Erwägungen, oder die Transaktionskostenökonomik. Für die
Ausarbeitung einer angemessenen Urheberrechtspolitik sind wohlfahrtsökonomische Ansätze von
besonderer Bedeutung.
II.2 Wohlfahrtsökonomik
Die Wohlfahrtsökonomik, inklusive der Theorie des Marktversagens, bietet einen umfassenderen
Rahmen, der die meisten der obengenannten ökonomischen Ansätze umfasst. Wohlfahrtsökonomik
beschäftigt sich mit der Maximierung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt, unter Betrachtung
aller betroffenen Akteure. Die übliche Wohlfahrtsökonomik geht davon aus, dass freiwillige
Markttransaktionen ein Maximum an gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt erreichen, solange eine
Reihe genau definierter Marktfehler nicht auftreten. Das Urheberrecht wird als Mittel verstanden,
typischen Marktfehlern entgegenzuwirken, die in Märkten für kreative Werke auftreten.
Am Anfang einer ökonomischen Diskussion des Urheberrechts steht das Problem unvollständiger
Ausschließbarkeit: Es ist relativ aufwändig, unautorisierte Nutzung kreativer Werke, also die
Nutzung ohne Zustimmung der Rechteinhaber, zu unterbinden. Wenn unautorisierte Nutzung den
Erwerb autorisierter Leistungen ersetzt, verringert sich die Entlohnung der Kreativen. Wo die
Entlohnung von Kreativen (und allen, die in die Herstellung neuer Werke investieren) dem
tatsächlichen Wert dieser Werke nur ungenügend entspricht, bestehen relativ geringe Anreize, in die
Herstellung neuer kreativer Werke zu investieren. Der Marktmechanismus kann nicht vollständig
funktionieren. Das Angebot kann unter ein gesamtgesellschaftlich erstrebenswertes Maß fallen.
Die mikroökonomische Preis- und Kostentheorie hilft, dieses Problem präziser zu definieren. Für
die Herstellung neuer und werthaltiger kreativer Werke ist in der Regel ein beträchtlicher Aufwand
nötig. Es bestehen Entwicklungskosten, die die Hersteller in irgendeiner Form amortisieren müssen,
um nachhaltig zu wirtschaften. Bestehende Werke sind dagegen relativ leicht zu reproduzieren und
zu verbreiten. Die Bereitstellungskosten sind um ein vielfaches geringer als die
Entwicklungskosten. Dies gilt besonders bei digitaler IKT, die es Nutzern ermöglicht, alle
digitalisierten Aspekte kreativer Werke ohne großen Aufwand praktisch beliebig oft zu
reproduzieren und zu verbreiten. Die Herstellung eines Kinofilms kann zum Beispiel Jahre dauern
und mehrere Millionen Euro verschlingen. Eine Kopie eines fertigen Films im Internet zu verbreiten
kostet dagegen nahezu nichts. Aufgrund dieser Kostenstruktur besteht ohne einen effektiven
Urheberrechtsschutz ein Kostenvorteil bei der unautorisierten Verbreitung und Nutzung kreativer
Werke: Die Entwicklungskosten für die Herstellung neuer Werke werden umgangen. Wer in die
Herstellung neuer Werke investiert, wird mit den Preisen unautorisierter Angebote - zum Beispiel
bei einem unautorisierten Download über das Internet - kaum mithalten können.3
Das Urheberrecht wirkt dem entgegen, in dem sie Kreativen exklusive Nutzungsrechte zusprechen.
Unautorisierte Nutzung ohne Zustimmung und Entlohnung von Kreativen wird unterbunden. Ein
effektiver Urheberrechtsschutz stellt sicher, dass die Rechteinhaber die einzigen Anbieter eines
bestimmten Werkes sind. Dadurch entwickeln Rechteinhaber Marktmacht: Das heißt sie können
Preise abfragen, die über den Bereitstellungskosten liegen, und so die Entwicklungskosten
amortisieren, wenn es ihnen gelungen ist, relativ werthaltige Werke zu erstellen. Aus ökonomischer
Sicht führt Marktmacht aber grundsätzlich zu Marktversagen.4 Das Problem ist, dass diejenigen
3
Es ist unter Ökonomen umstritten, ob andere Vorteile von Kreativen, wie ‚first-comer advantages’, das Problem des
Kostennachteils kompensieren können (Boldrin & Levine 2008).
4
Dabei befinden sich Rechteinhaber im monopolistischen Wettbewerb mit Anbietern ähnlicher Werke. Für kreative
Werke gibt es in der Regel viele gute Substitute (zum Beispiel ein anderes Dixieland-Musikalbum oder ein anderer
4
Handke Urhebervergütung - Theorie
Verbraucher von der Nutzung ausgeschlossen werden, die zwar eine Zahlungsbereitschaft haben,
die über den Bereitstellungskosten liegt, aber nicht bereit oder in der Lage sind, den höheren Preis
zu bezahlen, den marktmächtige Rechteinhaber abfragen (Landes und Posner 1989). Damit
bekämpft das Urheberrecht aus ökonomischer Sicht Feuer mit Feuer: Es verringert Marktversagen
aufgrund unvollständiger Ausschließbarkeit indem es mit Marktmacht eine weitere Quelle für
Marktversagen erzeugt.
Die Theorie öffentlicher Güter ergibt letztendlich das praktisch gleiche Ergebnis. Wichtige
Aspekte kreativer Werke haben beide Eigenschaften eines öffentlichen Gutes: Einerseits sind sie,
wie besprochen, nicht ausschließbar. Das heißt es ist aufwändig, eine unautorisierte Nutzung ohne
Zustimmung der Rechteinhaber zu unterbinden. Andererseits sind kreative Werke nicht-rival im
Konsum. Das heißt ihr Wert für einen Verbraucher verringert sich bei der Nutzung durch andere
nicht. Theoretisch können zum Beispiel alle IKT-Nutzer gleichzeitig das gleiche Werk gebrauchen,
ohne dass das Werk aus technischen Gründen seinen Wert verlöre. Eine rationale,
wohlfahrtsmaximierende Urheberrechtspolitik muss daher einen angemessenen Ausgleich finden
zwischen zu geringer Produktion neuer kreativer Werke (wenn Viele von den Werken profitieren,
ohne die Hersteller zu entlohnen) und zu geringer Nutzung der bestehenden Werke (wenn
Rechteinhaber höhere Preise als die marginalen Bereitstellungskosten verlangen). Novos &
Waldman (1984) sprechen von einem „underproduction underutilization trade-off“.
Diese Einsichten haben grundlegende Folgen für die wohlfahrtsökonomische Analyse. Das
Urheberrecht kann das theoretische gesamtgesellschaftliche Optimum eines perfekten,
wettbewerblichen Marktes nicht erreichen. 5 Das Urheberrecht ist daher grundsätzlich eine
sogenannte „second-best“ Lösung (Lipsey & Lancaster 1956) unter Marktbedingungen, die es
unmöglich machen, eine „first-best“ Situation zu erreichen (Towse et al. 2008). Lipsey & Lancaster
(1956) haben in ihrem maßgeblichen Artikel belegt, dass die Verringerung eines Marktfehlers nicht
sicher eine Wohlfahrtsverbesserung herbeiführt, wenn gleichzeitig andere Marktfehler vorliegen.
Diese grundlegende Betrachtung hat zwei zentrale Folgen für die Anwendung von
Wohlfahrtsökonomik auf das Urheberrecht:
(1) Es ist nicht angemessen, Handlungsoptionen für das Urheberrecht im Vergleich zum Ideal eines
ökonomisch perfekten Marktes zu bewerten. Kein Urheberrechtssystem kann dieses Ideal
erreichen. Stattdessen ist die Frage, welche von vielen denkbaren Handlungsoptionen unter
spezifischen Bedingungen das relativ beste Ergebnis bietet.
(2) Reine Theorie kann nur eine Struktur für die Bewertung des Urheberrechts unter konkreten
Marktbedingungen bieten. Letztendlich bleibt es unsicher, ob durch urheberrechtliche
Maßnahmen die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt insgesamt erhöht wird. Empirische Befunde
sind ein wichtiges Mittel, diese Unsicherheit zu verringern.
Eine weitere Anwendung der Kostentheorie betrifft das angemessene Maß des
Urheberrechtsschutzes und ist weniger geläufig: Es ist aufwändig, ausschließliche Rechte an quasiöffentlichen Gütern zu erzeugen. Ausschließliche Rechte fallen nicht vom Himmel, sondern müssen
unter Einsatz von Ressourcen hergestellt werden. Entsprechend analysiert die einflussreiche Arbeit
von Landes & Posner (1989) die Entwicklung eines angemessenen Urheberrechtsschutz-Niveaus
Action-Film) Das Ausmaß ihrer Marktmacht ist also begrenzt, wie es in der Praxis für fast alle Anbieter in allen
Märkten der Fall ist.
5
Diese „first-best“ Situation in der Paretianischen Wohlfahrtsökonomik wäre ein statisches Gleichgewicht ohne
Marktmacht, mit vollständiger und kostenloser Ausschließbarkeit für kreative Werke und ohne sonstige
Transaktionskosten oder Marktfehler.
5
Handke Urhebervergütung - Theorie
durch eine Produktionsfunktion mit der üblichen Annahme eines sich verringernden Grenznutzens.
Das heißt, mit höheren Aufwendungen für den Urheberrechtsschutz verringert sich ab einem
gewissen Punkt der Ertrag. Demzufolge ist ein vollständiger Urheberrechtsschutz nicht
gesamtgesellschaftlich optimal. Das günstigste Schutzniveau ist theoretisch dort erreicht, wo die
Grenzkosten exakt dem Grenznutzen entsprechen. Das gilt auch, wenn der Urheberrechtsschutz
durch die öffentliche Hand erzeugt wird. Auch staatliche Ressourcen sind begrenzt und die
Finanzierung durch Steuern verzerrt die Allokation von Ressourcen durch den Marktmechanismus
(Blaug 2003). Letztlich muss die Urheberrechtspolitik in einem angemessene Kompromiss das
‚kleinste Übel’ etablieren.
Insgesamt wird klar, dass die Eigenschaften eines angemessenen Urheberrechtssystems von einer
Reihe spezifischer Marktbedingungen abhängen: von den Entwicklungs- und Verbreitungskosten
für Werke, vom Stand der Kopiertechnologie, von den Vorlieben der Verbraucher, usw. Eine
perfekte und dauerhafte Lösung ist damit extrem schwer zu erreichen. Es scheint realistischer, in
einem iterativen Prozess graduelle Verbesserungen vorzunehmen, und empirisch zu überprüfen, ob
die gewünschte Wirkung ohne exzessive Nebeneffekte eintritt. Die Frage ist dabei natürlich, was
das letztendliche Ziel des Urheberrechts ist. Die ökonomische Literatur hat darauf eine recht klare
Antwort.
II.3 Innovationsförderung als Ziel des Urheberrechts und die Notwendigkeit einer
langfristigen Betrachtung
Eine der Eigenheiten konventioneller Wohlfahrtsökonomik ist, dass sie sich mit der kurzfristig
optimalen Allokation von begrenzten Ressourcen beschäftigt. Innovation als langfristig wichtigster
Treiber wirtschaftlichen Wachstums wird außen vor gelassen. Im Zusammenhang mit dem
Urheberrecht sind die Folgen für Innovation, die Entwicklung und Verbreitung neuer Produkte oder
neuer Produktionsprozesse aber ein essentielles Anliegen.
Es ist zur Veranschaulichung hilfreich, zunächst nur die kurzfristigen Effekte zu betrachten, und
langfristigere Veränderungen des Angebots kreativer Werke außen vor zu lassen (Johnson 1985).
Ein effektiver Urheberrechtsschutz stärkt die Nachfrage nach autorisierten Leistungen.
Rechteinhaber können höhere Preise erzielen und erhöhen ihre Einnahmen. Dies ergibt
zwangsläufig höhere Zugangskosten für Nutzer. Entweder erhöhen Nutzer ihre Ausgaben für
kreative Werke oder sie schränken ihren Konsum ein. In einer kurzfristigen Analyse beeinflusst das
Urheberrecht in erster Linie die Verteilung des Werts zwischen Rechteinhabern und Nutzern, was
aus wohlfahrtsökonomischer Sicht keinen Vorteil bietet. Zusätzlich entstehen durch das
Urheberrecht zwei weitere Kosten. Erstens fallen Transaktionskosten bei der Anbahnung und
Durchführung des Handels mit Rechten an kreativen Werken an. Zweitens entstehen für den
Unterhalt eines Urheberrechtssystems Verwaltungskosten für die öffentliche Hand. Ohne
Berücksichtigung der langfristigen Effekte auf das Angebot neuer kreativer Werke ist das
Urheberrecht ein kostspieliges Mittel, Rechteinhaber gegenüber Nutzern besser zu stellen. Dies ist
aus ökonomischer Sicht gesamtgesellschaftlich nicht vorteilhaft.
Entscheidend für eine ökonomische Rechtfertigung des Urheberrechts sind die langfristigen Effekte
auf das Angebot neuer kreativer Werke. Die zusätzliche Entlohnung von Kreativen durch effektiven
Urheberrechtsschutz verstärkt die Anreize, in die Herstellung und Verbreitung neuer kreativer
Werke zu investieren. Wenn das Angebot neuer Werke zunimmt, ist dies auch für Verbraucher
nützlich. Ist die Wirkung des Urheberrechtsschutzes auf das Angebot kreativer Werke stark genug,
um die kurzfristigen Nachteile des Urheberrechts auszugleichen, profitieren letztendlich
Rechteinhaber und Verbraucher gleichzeitig.
Es ist allerdings nicht einmal selbstverständlich, dass ein stärkerer Urheberrechtsschutz das
Angebot kreativer Werke erhöht (Landes und Posner 1989). Das liegt daran, dass Kreative bei der
6
Handke Urhebervergütung - Theorie
Herstellung neuer Werke meist auf bestehende kreative Werke aufbauen. Kreative sind also sowohl
potentielle Rechteinhaber als auch Nutzer kreativer Werke. Kreative müssen entweder Rechte
erwerben oder zu große Ähnlichkeit mit bestehenden Werken vermeiden. Damit kann der
Urheberrechtsschutz nicht nur die Entlohnung Kreativer stärken, sondern auch ihre Kosten erhöhen.
Ein zu starker Urheberrechtsschutz kann demzufolge Folgeinnovationen behindern und das
Angebot neuer Werke sogar verringern.
Demzufolge ist die Förderung von Innovation und Kreativität in der ökonomischen Begründung des
Urheberrechts zentral.
II.4 Transaktionskosten
Ein weiterer Marktfehler, der in den Urheberrechtsbranchen typischerweise auftritt, sind
Transaktionskosten. Der Begriff bezeichnet die Kosten, die beim Handel mit Gütern und Leistungen
auftreten. Das Konzept spielt eine große Rolle in angewandter ökonomischer Arbeit, die
berücksichtigt, dass Akteure unvollständig über mögliche Handelspartner und deren Eigenschaften
und Verhalten informiert sind. Transaktionskosten umfassen:
- Suchkosten für die Identifikation potentieller Handelspartner und das Sammeln relevanter
Informationen,
- Vertragskosten für das Aushandeln beiderseitig akzeptabler Bedingungen eines Austauschs und
das Verfassen und Schließen einer entsprechenden Übereinkunft,
- Monitoring-Kosten für die Überwachung, ob Partner sich an Verträge halten und
Durchsetzungskosten für Maßnahmen, um etwaige Zuwiderhandlungen zu unterbinden.
In Märkten für urheberrechtlich geschützte Werke bestehen Monitoring- und Durchsetzungskosten
nicht nur bezüglich tatsächlicher Handelspartner. Ein effektives Urheberrechtssystem muss auch
alle potentiellen Nutzer beobachten, um unautorisierte, urheberrechtswidrige Nutzung geschützter
Werke zu erkennen und gegebenenfalls zu verhindern (Handke 2014; Handke 2015b).
Die meisten Menschen nutzen kreative Werke zumindest gelegentlich. Verbraucher haben oft eine
geringe Zahlungsbereitschaft für spezifische Werke, aber konsumieren zum Beispiel im Laufe eines
Jahres eine Vielzahl an Werken (Musikaufnahmen, Bücher, Filme, etc.). Zudem stehen Verbraucher
fast immer vor einer Auswahl aus einer sehr großen Zahl technisch verfügbarer Werke, deren
Qualität sich vorab nicht leicht bewerten lässt. Bei einer Vielzahl geringwertiger Transaktionen
unter unvollständiger Information fallen Transaktionskosten besonders ins Gewicht, und können
dazu führen, dass hohe Wohlfahrtsverluste auftreten verglichen mit einem idealen, ‚reibungslosen‘
Markt ohne Transaktionskosten. Ein Mittel, die Zahl der Transaktionen und die Kosten einzelner
Transaktionen zu verringern, ist die gemeinschaftliche Rechtewahrnehmung durch
Verwertungsgesellschaften wie die GEMA (Besen & Kirby 1989; Watt 2000).
Neben einem angemessenen Ausgleich aus Innovationsförderung und Marktmacht ist die Wirkung
auf Transaktionskosten im Markt für kreative Werke ein wichtiger Aspekt in der Bewertung von
Urheberrechtssystemen.
7
Handke Urhebervergütung - Theorie
II.5 Zusammenfassung und Übersicht
Tabelle 1 gibt eine Übersicht der verschiedenen Vor- und Nachteile des Urheberrechtsschutzes, wie
in den Abschnitten II.1 bis II.4 ausgeführt. Kurzfristig führt ein effektiver Urheberrechtsschutz zu
einer höheren Entlohnung von Rechteinhabern. Dies geschieht auf Kosten eines eingeschränkten
Zugangs für Nutzer im Vergleich zum Ideal eines perfekt wettbewerblichen Marktes mit
Grenzkostenpreisen. Zudem entstehen bei einem Urheberrechtssystem Verwaltungskosten für die
öffentliche Hand und Transaktionskosten beim Handel mit Werken, wenn Verbraucher für jede
Nutzung eine Übereinkunft mit den Rechteinhabern schließen müssen.
Tabelle 1: Vor- und Nachteile des Urheberrechtsschutzes
Vorteile
Kurzfristig
Höhere Entlohnung von
Rechteinhabern
Nachteile
Zugangskosten für Nutzer
Verwaltungskosten für die öffentliche
Hand
Transaktionskosten beim Handel mit
Rechten
Langfristig
Höhere
Innovationsanreize für
Rechteinhaber
Geringere Innovationsanreize für Nutzer
Quelle: Handke (2011a).
Langfristig verringert ein effektiver Urheberrechtsschutz das Problem ungenügender Entlohnung
für Kreative. Dabei steigen allerdings auch die Kosten für Folgeinnovationen. Folgeinnovationen
sind zum einen die Herstellung neuer kreativer Werke, die auf bestehenden Werken aufbauen. Zum
anderen betrifft dies auch neue Verbreitungsmethoden für kreative Werke, für die die Zustimmung
von Rechteinhabern erreicht werden muss. Indizien, ob insgesamt eine positive Wirkung eintritt,
sind sowohl die Entwicklung des Angebots neuer, werthaltiger kreativer Werke als auch die
Verbreitung und Nutzung dieser Werke.
Natürlich bestehen möglicherweise weitere relevante Folgen des Urheberrechtschutzes, über die in
Tabelle 1 aufgeführten, direkten Effekte hinaus. Zum Beispiel gibt es empirische Belege, dass das
Urheberrechtssystem auf den Wettbewerb zwischen verschiedenen Kreativen und zwischen
verschiedenen Verwertern wirkt. Zudem steht das Urheberrecht unter Umständen mit weiteren
sozialen Werten im Konflikt, wie der Privatsphäre im Falle einer Urheberrechtsdurchsetzung auf
Ebene von individuellen Verbrauchern.
Zusammengefasst muss die Urheberrechtspolitik aus wohlfahrtsökonomischer Sicht einen
Ausgleich zu einer Reihe von Wirkungen finden. Die reine Theorie ergibt, dass der
Urheberrechtsschutz die Gesellschaft unter bestimmten Bedingungen insgesamt besser stellen kann.
Wo diese Bedingungen erfüllt sind, ist eine empirische Frage. Das heißt, es sollte durch
systematische Beobachtungen überprüft werden, ob das Urheberrecht insgesamt von Nutzen ist und
wo sich Verbesserungsmöglichkeiten ergeben.
Dies gilt für alle Aspekte des Urheberrechts, wie zum Beispiel für: (1) Die Dauer des
Urheberrechtsschutzes; (2) Schranken des Rechts, wie etwa Regelungen zur Privatkopie; (3) die
Höhe öffentlicher Ausgaben zur Durchsetzung von Rechten und der ‚Arbeitsteilung’ zwischen
8
Handke Urhebervergütung - Theorie
Rechteinhabern und öffentlicher Hand bei der Rechtsdurchsetzung; oder (4) die Regelungen zur
angemessenen Vergütungen bei unterschiedlichen Verbreitungsformen, usw. Siehe auch Abschnitt
II.6 zu weiterführenden Aspekten der ökonomischen Eigenschaften von Urheberrechtsbranchen und
ihrer Veränderung mit der Digitalisierung, durch die sich die Rolle des Urheberrechtssystems mit
hoher Wahrscheinlichkeit weiter verändern wird.
Für eine angemessene, evidenzbasierte Urheberrechtspolitik bedarf es einer möglichst vollständigen
Bewertung aller Nutzen und Kosten. Das ist eine schwere Aufgabe, die kaum perfekt zu bewältigen
ist. Nichtsdestotrotz bietet die ökonomisch-empirische Literatur eine Vielzahl nützlicher Hinweise,
wo derzeit Probleme bestehen und wie sie am besten zu bewältigen sind.
II.6 Weiterführende Aspekte der ökonomischen Analyse
Zur Einordnung und Beurteilung der empirischen Urheberrechts-Literatur sind einige
Erweiterungen der ökonomischen Analyse nützlich. Dabei hebt dieser Abschnitt besonders auf die
Entwicklung digitaler IKT ab.
II.6.1 Technologischer Wandel
Die Digitalisierung in den Urheberrechtsbranchen bringt weitreichenden und schnellen
technologischen Wandel. Dieser Prozess erzeugt langfristig hohe Produktivitätszuwächse. Er
entwertet aber auch Teile der bestehenden Infrastruktur und zwingt viele Akteure, hohen Aufwand
zu betreiben, um sich Veränderungen anzupassen.
Die Verbreitung digitaler Kopiertechnologie unter Endverbrauchern ist nur ein Aspekt
technologischen Wandels durch Digitalisierung. Derzeit verändern sich Produkteigenschaften und abgrenzungen, Produktionskosten, Wettbewerbsbedingungen und Innovationsanreize in einem
Prozess, der sich möglicherweise selbst verstärkt. Gängige, vereinfachende Annahmen in
ökonomischen Analysen, wie zum Beispiel die Annahme stabiler Produktionskosten, sind in diesem
Zusammenhang fragwürdig. Damit bestehen zwei fundamentale Probleme für empirische
Forschung zur Wirkung digitalen Kopierens und den dazugehörigen urheberrechtlichen
Maßnahmen: Erstens muss die Wirkung des Urheberrechtsschutzes so weit wie möglich von den
schwer nachzuvollziehenden Effekten breiterer technologischen Wandels isoliert werden; zweitens
sollte die Wirkung urheberrechtlicher Maßnahmen auf die technologische Innovation berücksichtigt
werden, durch die langfristig die geschützten Werke effizienter verbreitet werden (Handke 2006).
Weitere Aspekte der Digitalisierung in den Urheberrechtsbranchen sind zum Beispiel: (1) Neue,
autorisierte Verbreitungsmethoden über das Internet; (2) die Möglichkeit für Anbieter, große
Mengen an Verbraucherdaten zu sammeln und auszuwerten; (3) leichtere und intensivere
Interaktion zwischen Anbietern und Verbrauchern, von automatischen Empfehlungssystemen bis
hin zur Beteiligung von (unbezahlten) Verbrauchern an Produktions- und Vermarktungsprozessen.
Diese Entwicklungen müssen so weit wie möglich berücksichtigt werden, um das
Urheberrechtssystem adäquat weiter zu entwickeln.
Eine wichtige Folge ist zum Beispiel, dass die Verkaufserlöse (nach wie vor die meistbeachtete
Kennzahl) nur bedingt Hinweise auf die Position der Rechteinhaber zulassen. Bei fallenden
Vertriebs- und Vermarktungskosten bedeuten sinkende Verkaufserlöse nicht automatisch fallende
Profite.
9
Handke Urhebervergütung - Theorie
II.6.2 Unsicherheit und Sampling
Urheberrechtlich geschützte Werke unterscheiden sich in einer für Verbraucher relevanten Weise.
Kein Roman ist zum Beispiel ein perfekter Ersatz für einen anderen. Produktdifferenzierung führt
zu unvollständigem, sogenannten monopolistischem Wettbewerb. Die Nachfrage für ein bestimmtes
Werk lässt sich extrem schwer vorhersagen (Caves 2000), und es gibt kaum objektiv messbare
Qualitätsmerkmale (Kretschmer et al. 1999).
Zudem sind Werke in der Regel Erfahrungsgüter: Ihr Wert für einen bestimmten Verbraucher
erschließt sich ihm erst, nachdem er das Werk in seiner Gänze konsumiert hat (Nelson 1970).
Gleichzeitig können Verbraucher oft buchstäblich zwischen Zehntausenden von Werken wählen,
und die Ressourcen, die sinnvollerweise für diesen Auswahlprozess aufgebracht werden sollten,
sind begrenzt. Dies kann zu suboptimaler Produktwahl führen und Zahlungsbereitschaft und
Nachfrage verringern, da Verbraucher nicht sicher sein können, tatsächlich ein gut passendes Werk
für sich zu finden. Um leichter bessere Entscheidungen zu treffen, achten Verbraucher auf
Qualitätssignale von Bekannten, auf Kommentare in den Medien oder auf Bestseller-Listen, so dass
Netzwerkeffekte oder Herdenverhalten entsteht (Bikhchandani et al. 1992).
Digitale IKT kann die Suchkosten verringern und es Verbrauchern erlauben, Informationen zu einer
größeren Zahl an Werken in Betracht zu ziehen. Besser informierte Verbraucher können eine
bessere Auswahl treffen, was wiederum den Nutzen von kreativen Werken für Verbraucher erhöhen
kann. In Bezug auf das Urheberrecht ist daher diskutiert worden, dass sich auch durch
unautorisiertes Kopieren Informationen zu Werken verbreiten, was die Nachfrage nach Werken
sogar erhöhen könnte (siehe Peitz & Waelbroeck 2006a). Unautorisiertes Kopieren durch
Tauschbörsennutzung könnte damit sowohl Verbrauchern als auch Rechteinhabern nutzen. Für
Rechteinhaber entstünde nicht nur ein negativer Substitutionseffekt auf die Nachfrage sondern auch
ein positiver Exposure- oder Samplingeffekt. Allerdings lassen sich Samplingeffekte in ähnlicher
Weise durch werbefinanzierte, autorisierte Verbreitung (YouTube) oder bei Abonnements (Spotify,
Netflix) erzeugen, wobei zusätzlich auch Einnahmen für Rechteinhaber erzielt werden.
II.6.3 Inhalt-Erzeugung und technologische Innovation
Die gängige Analyse des Urheberrechts konzentriert sich auf die Förderung der Produktion neuer,
werthaltiger Werke. Allerdings wird der gesamtgesellschaftliche Nutzen kreativer Werke auch
durch die effiziente Verbreitung dieser Werke bestimmt. Langfristig sollten in beiden Bereichen
angemessene Anreize zur Innovationen bestehen. Marktmacht einzelner spezialisierter Akteure
kann dabei zu Problemen führen (Plant 1934; Handke 2011b).
Nehmen wir zum Beispiel an, dass ein Unternehmen eine Möglichkeit für eine bessere
Verbreitungsmethode bei kreativen Werken sieht. Dabei bestehen Entwicklungskosten und, wie bei
allen Innovationen, das Risiko eines Scheiterns. Ein rationales Unternehmen wird nur investieren,
wenn es erwartet, in der Folge Profite zu erzielen, um Entwicklungskosten zu amortisieren und für
Unsicherheit kompensiert zu werden. Nehmen wir zudem an, dass ein marktmächtiger
Rechteinhaber existiert, dessen Zustimmung für die kommerzielle Nutzung der Innovation
notwendig ist. Dieser Rechteinhaber wird dann in der Lage sein, Bedingungen auszuhandeln, so
dass ihm ein großer Teil des durch die Innovation erzeugten Zusatznutzens zufällt. Das
Unternehmen, das die Innovation entwickelt hat, hat das volle Risiko getragen aber erhält höchstens
einen Teil des erzeugten Zusatznutzens. Der gleiche Mechanismus kann greifen, wenn Kreative in
neue Werke investieren, und ein dominantes intermediäres Unternehmen einen hohen Preis für den
Marktzugang verlangen kann.
Rein theoretisch würde dieses Problem nicht auftreten, wenn Innovationen ohne Transaktionskosten
gehandelt werden könnten. In der Praxis sind Transaktionskosten beim Handel mit Innovation aber
10
Handke Urhebervergütung - Theorie
sehr hoch (Levin et al. 1987: 788; Landes & Posner 2003: 16). Das Urheberrecht, das
Rechteinhaber mit Marktmacht ausstattet, beeinflusst also die Anreize für technologische
Innovation (bei der Verbreitung von Werken) und inhaltliche Innovation (bei der Schaffung neuer
Werke).
II.6.4 Intrinsische Motivation und Nutzerinnovation
Es ist empirisch gut belegt, dass die Herstellung und Verbreitung kreativer Werke auch durch nichtpekuniäre Anreize motiviert wird; siehe zum Beispiel Lakhani & von Hippel (2003), Benhamou
(2003) oder Towse (2006). Ein effizientes Urheberrechtssystem sollte diese intrinsische Motivation
in Betracht ziehen. Eine mögliche Folge ist, dass das Angebot kreativer Werke nur schwach auf
Veränderungen bei der geldwerten Entlohnung von Kreativen reagiert. Dann wäre ein geringerer
Urheberrechtsschutz angebracht als unter der Annahme einer gewöhnlichen, rein pekuniären
Anreizstruktur. Allerdings könnten moralische Rechte, wie Attributions- und Modifikationsrechte,
eine relativ wichtige Rolle spielen (Rushton 1998). Schließlich scheint die intrinsische Motivation
von Kreativen mit einer weiten Verbreitung von Werken zuzunehmen, aber dagegen
zurückzugehen, wenn Dritte hohe Einnahmen aus der Verwertung von Werken erzielen (Frey &
Oberholzer-Gee 1997). Intrinsische Motivation von Kreativen und kommerzielle Nutzung ihrer
Werke durch andere Akteure stünden damit wohl in einem Widerspruch.
Üblicherweise wird eine klare Unterscheidung zwischen Verbrauchern und Anbietern gemacht.
Verbraucher verkonsumieren in diesem Modell jedweden Zusatznutzen, der ihnen zufällt, und
tragen nichts zur langfristigen Entwicklung von Produkten und Produktionsprozessen bei. In der
jüngeren Vergangenheit scheinen dagegen aktiv an der Wertschöpfung beteiligte (End-)Nutzer eine
wichtigere Rolle zu spielen. Stichworte sind hier Web 2.0 mit sozialen Medien, Prosumenten und
sogenannter User Generated Content (UGC / Nutzer-generierte Inhalte) sowie Open SourceSoftware.
Die Beteiligung von Verbrauchern ist in den Urheberrechtsbranchen auch bei der Entwicklung
neuer Verbreitungs- und Nutzungsformen von Bedeutung. Tauschbörsen sind ein eindrückliches
Beispiel: Diese Methode, kreative Werke zu verbreiten, hat sich auch durch die Bereitschaft von
Verbrauchern entwickelt, ohne direkte finanzielle Anreize Werke Dritten zugänglich zu machen.
Siehe hierzu die wirtschaftshistorische Arbeit von Tschmuck (2003) für die Musikindustrie. Wie
oben beschrieben hat ein effektiver Urheberrechtsschutz einen ambivalenten Effekt: Er zielt
einerseits auf eine höhere Entlohnung von Rechteinhabern und Förderung des kreativen Angebots
ab. Andererseits erhöht er die Entwicklungskosten, wenn Innovationen in irgendeiner Form
bestehende Rechte Dritter betreffen. Es scheint noch nicht klar, wie eine günstige Balance erreicht
werden kann, um auch ein effizientes Maß an nicht pekuniär motivierter Wertschöpfung durch
Nutzer und Nutzerinnovation zu ermöglichen.
II.6.5 Branchenstruktur und Marktmacht
Ein effektives Urheberrecht ist ein Grund für Markmacht in den Urheberrechtsbranchen, die
aufgrund der günstigen Wirkung auf Innovationsanreize in einem bestimmten Rahmen sogar
gewünscht ist. In den Urheberrechtsbranchen bestehen aber aufgrund von Größenökonomien und
Netzwerkeffekten weitere Vorteile für große Unternehmen, die zu Marktmacht führen können, bei
der einzelne Akteure eine starke Verhandlungsposition entwickeln und sich einen hohen Anteil des
Wertes kreativer Werke aneignen können.
Viele Urheberrechtsbranchen sind durch vielschichtige und veränderliche Kooperationen zwischen
verschiedenen Organisationen gekennzeichnet (Caves 2000). Originäre Kreative wie zum Beispiel
Autoren oder Musiker stehen am Beginn der Wertschöpfungskette. Andere Unternehmen wie zum
Beispiel Verlage oder Plattenfirmen finanzieren oft die Erzeugung neuer Werke oder übernehmen
11
Handke Urhebervergütung - Theorie
die (Re-)Produktion oder den Vertrieb und Großhandel sowie Promotion. Am Ende der
Wertschöpfungskette stehen Einzelhändler. Meist sind mehrere Unternehmen an der Produktion
und Vermarktung eines einzelnen Werks beteiligt.
Traditionell nehmen sogenannte Verwerter eine zentrale Rolle in den Urheberrechtsindustrien ein.
Verlage, Plattenfirmen oder Filmproduktionsfirmen erwerben in der Regel alle veräußerbaren und
finanziell relevanten Urheberrechte. Caves (2000) zufolge hat dies mehrere Vorteile. Große
Unternehmen mit einem umfangreichen Repertoire sind besser in der Lage, mit der großen
Unsicherheit in Märkten für kreative Werke umzugehen, als einzelne originäre Kreative; sie
verringern Unsicherheit durch Diversifizierung ihres Repertoires. Traditionell übernehmen zentrale
intermediäre Unternehmen einen großen Teil des finanziellen Risikos, indem sie die Urheberrechte
von Kreativen für eine fixe Vorauszahlung erwerben. Konzentrierte Eigentumsrechte erleichtern
zudem die Organisation und Vermarktung, da sie Transaktionskosten verringern im Vergleich zu
einer Situation in der eine große Zahl der an Herstellung und Vermarktung beteiligten Akteure auch
als Rechteinhaber auftreten, deren Zustimmung bei vielen Entscheidungen eingeholt werden muss.
Die Marktmacht von Verwertern ist vielfach beschrieben worden. In den letzten Jahren sind weitere
zentrale Akteure entstanden, die für ihren Teil in der Wertschöpfungskette sehr große Marktanteile
haben: Internetplattformen wie Apples iTunes Store für Musikdownloads, Spotify bei MusikStreamingdiensten, Amazon bei E-Books oder das Google-Tochterunternehmen YouTube bei
werbefinanzierten Videostreams. Im Gegensatz zu traditionellen Verwertern treffen diese
Internetplattformen kaum eine Vorauswahl, welche Inhalte sie vertreiben, und leisten keine
Vorauszahlung an Kreative. (Eine seltene Ausnahme ist Netflix, das mittlerweile einige FernsehSerien selbst finanziert.) So übernehmen Plattformen kaum etwas vom unternehmerischen Risiko
bei der Inhalte-Erzeugung. Einerseits kann das Aufkommen konzentrierter Plattformen die
Marktmacht traditioneller intermediärer Unternehmen schwächen. Andererseits sind
Internetplattformen selbst profitorientierte Unternehmen, die Marktmacht entwickeln und ausbeuten
können (Handke 2015a; Handke 2015b). Die Konflikte zwischen GEMA und YouTube/Google
oder Amazon und den großen Buchverlegern Bonnier und Hachette sind eindrückliche Beispiele für
intensive und langwierige Verhandlungen zwischen mächtigen Unternehmen im Markt für
urheberrechtlich geschützte Werke (Hegemann 2014).
12
Handke Urhebervergütung - Auswahl
III. AUSWAHL UND INTERPRETATION DER EMPIRISCHEN STUDIEN
Die ökonomisch-empirische Literatur bietet einen reichhaltigen Fundus hilfreicher Hinweise für die
Urheberrechtspolitik. Seit der Verbreitung von Internet-Tauschbörsen besteht großes Interesse am
Thema Urheberrecht. Dies spiegelt sich auch in der empirisch-akademischen Literatur der letzten
Jahre zum Urheberecht, die sich mittlerweile überwiegend mit den Folgen von Tauschbörsen oder
ähnlichen Internet-basierten Technologien beschäftigt, die zur unautorisierten Verbreitung kreativer
Werke genutzt werden. Eine besonders ambitionierte Literaturübersicht zur Wirkung
„unrechtmäßiger Tauschbörsennutzung“ von Watson et al. (2014) hat aus über 50.000 Einträgen mit
einschlägigen Stichwörtern in fünf akademischen Datenbanken zum Beispiel über 195 relevante
empirische Studien identifiziert, die zwischen 2003 und 2013 allein zu diesem Thema erschienen
sind. Davon beziehen sich 67 Studien präzise auf Wohlfahrtseffekte.
III.1 Verknüpfung von Theorie und Empirie
Zur angemessenen Interpretation empirischer Ergebnisse ist die in Abschnitt 2 entwickelte
Übersicht über theoretisch vorhergesagte Zusammenhänge notwendig. In der Praxis sind alle
empirischen Arbeiten nur auf einen Aspekt der Wirkung des Urheberrechts auf die
gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt bezogen. Zudem deckt die Literatur nicht alle für eine
wohlfahrtsökonomische Analyse relevanten Themen in gleicher Weise ab.
Eine Literaturübersicht von Handke (2011a) hatte 21 akademische Studien entdeckt, die sich mit
der kurzfristigen Wirkung auf die Wohlfahrt von Rechteinhabern beschäftigt haben (vor allem über
Indikatoren wie Einnahmen der Rechteinhaber oder Absatz autorisierter Kopien an
Endverbraucher). Die kurzfristigen Konsequenzen unautorisierten Kopierens und des
Urheberrechtsschutzes für Verbraucher waren dagegen nur das Thema zweier Studien. Langfristige
Anpassungen der Urheberrechtsindustrien durch Innovation und die Wirkung für die Rechteinhaber
wurden ebenfalls nur in zwei Studien untersucht. Die langfristige Wohlfahrt der Verbraucher, die
sich auch durch den Fluss werthaltiger neuer Werke ergibt, hatten drei Studien zum Thema. Die
langfristige Wirkung ist letztendlich die entscheidende und bedarf größerer Aufmerksamkeit.
Um von einzelnen empirischen Ergebnissen zu Einsichten für die Urheberrechtspolitik zu kommen,
müssen verschiedene Ergebnisse miteinander in Bezug gesetzt werden. Es ist zum Beispiel nicht
ausreichend, zu bestimmen, ob und wie stark unautorisiertes Kopieren die Einnahmen der
Rechteinhaber verringert. Aus wohlfahrtsökonomischer Sicht muss dieser Schaden mit den
Vorteilen für Verbraucher abgeglichen werden. Zudem muss geprüft werden, ob es geeignete
Gegenmaßnahmen gibt, die eine positive Wirkung erzielen, ohne exzessiven Aufwand und
unbeabsichtigte negative Folgen zu erzeugen. In den Abschnitten IV bis VII werden empirische
Daten zu allen diesen Themen zusammengestellt:
(1) Dem Schaden, den unautorisiertes Kopieren den Rechteinhabern zufügt;
(2) den Konsequenzen unautorisierten Kopierens für Verbraucher;
(3) den Folgen für die Wettbewerbssituation in den Urheberrechtsbranchen; sowie
(4) den verschiedenen Lösungsansätzen:
(a) Anpassung der Urheberrechtsindustrien,
(b) stärkere Rechtsdurchsetzung oder
(c) Vergütungssysteme.
Bisherige Literaturübersichten haben insbesondere die verschiedenen Lösungsansätze nicht
einbezogen. Hier liegt der besondere Beitrag der vorliegenden Literaturübersicht.
13
Handke Urhebervergütung - Auswahl
III.2 Auswahlkriterien für die Literatur6
Unter diesen Gesichtspunkten ist eine bloße, möglichst vollständige Auflistung Hunderter Arbeiten,
die sich mit unautorisiertem Kopieren und Urheberrechtschutz beschäftigt haben, wenig sinnvoll
(siehe Watson et al. 2014). Stattdessen ist eine Vorauswahl und Gewichtung nach folgenden
Kriterien erfolgt:
Qualitätsindikatoren. Relativ objektive Hinweise auf die Qualität bestimmter Arbeiten bieten die
Anzahl an Zitationen in akademischen Datenbänken sowie die Qualität des veröffentlichenden
Fachmagazins. In dieser Literaturübersicht wurden zunächst die üblichen Schlagwörter zu den
verschiedenen Themen in Google Scholar gesucht (nach Entfernung aller Cookies zu bisherigen
Suchen auf demselben Computer) und aus den vierzig ersten Suchergebnissen diejenigen Arbeiten
in Betracht gezogen, die originäre, quantitativ-empirische Ergebnisse enthalten. Anschließend
wurde betrachtet, auf welche sonstigen Arbeiten sich die ausgewählten Studien sowie die
prominentesten Übersichtsarbeiten beziehen. Allerdings bestehen hier Schwierigkeiten bei neueren
Arbeiten, die aufgrund ihrer Aktualität besonders relevant sein können, aber die naturgemäß weder
viel zitiert noch in Literaturübersichten aufgenommen oder nach Peer-Review für gut befunden und
in Fachmagazinen veröffentlicht wurden (Arbeitspapiere). Das ist ein Grund, warum weitere
Kriterien herangezogen werden.
Einzigartigkeit des Beitrags zur Gesamtliteratur. Wo Dutzende Studien zu einem spezifischen
Thema vorliegen, sind kurze Zusammenfassungen der qualitätsvollsten Veröffentlichungen sowie
Darstellungen der Gesamttendenz am nützlichsten. Dies gilt zum Beispiel für die Wirkung digitalen
Kopierens auf die Einnahmen von Rechteinhabern in der Musikindustrie (siehe Handke 2011a;
Liebowitz 2013; Danaher et al. 2013). Wo wenige Beiträge zu politikrelevanten Aspekten
vorliegen, ist eine ausführlichere Diskussion einzelner Beiträge sinnvoll. Hier wurden zusätzlich
Google Scholar-Suchen zu den prominentesten vierzig Publikationen seit 2012 ausgewertet und in
Einzelfällen auch nicht akademische Literatur berücksichtigt, wie zum Beispiel Gutachten.
Fokus auf Schwerpunktthemen. Besonders die hochwertige, empirische Literatur zu den
Schwerpunktthemen (Anpassung der Urheberrechtsindustrie an die Verbreitung digitaler
Kopiertechnologie,
Durchsetzungsmaßnahmen
des
Urheberrechts
und
alternative
Vergütungssysteme) wird umfassend betrachtet.
III.3 Bewertung einzelner Studien
In der Interpretation empirischer Ergebnisse sind eine Reihe weiterer Gesichtspunkte zu beachten:
Erstens geht es um die Qualität der empirischen Daten und ihrer Interpretation, also die sogenannte
‚interne Validität’ spezifischer Studien. Eine wichtige Unterscheidung besteht dabei zwischen
Daten, die in Umfragen erhoben worden sind, und Daten zu beobachtetem Verhalten, das
Konsequenzen für die Akteure hatte. Watson et al. (2014) zeigen auf, dass über zwei Drittel der
wohlfahrtsökonomischen, empirischen Literatur zu Tauschbörsen auf Umfrageergebnissen beruhen.
Ein knappes Drittel basiert auf Beobachtungen, beispielsweise von Kaufentscheidungen oder
unautorisierter Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke. Grundsätzlich ergeben direkte
Beobachtungen relevanten Verhaltens aber die valideren Resultate. Führende Beiträge zur Literatur
fallen in den letzten Jahren in diese Kategorie. Allerdings lassen sich über hochwertige Umfragen
oft Daten zu Themen erzeugen, zu denen direkte Beobachtungen kaum möglich sind. Umfragen
können also nach wie vor eine wichtige Ergänzung bieten.
6
Die Literaturrecherche wurde im November 2015 abgeschlossen.
14
Handke Urhebervergütung - Auswahl
Ein zweiter Gesichtspunkt zur Interpretation einzelner Studien ist die ‚statistische Validität‘, also
mit welcher Wahrscheinlichkeit die wesentlichen Ergebnisse tatsächlich zutreffen. Bei rein
deskriptiven Arbeiten ist diese Wahrscheinlichkeit nicht zu bestimmen und diese Literaturübersicht
konzentriert sich auf technisch versiertere quantitative Studien, soweit diese zu bestimmten Themen
vorhanden sind.
Drittens bedarf die ‚externe Validität‘ besonderer Aufmerksamkeit, also inwiefern sich die
Ergebnisse verallgemeinern lassen. Studien decken grundsätzlich eingeschränkte Zeiträume, Länder
und Gesellschaftsteile ab. In Watson et al. (2014) beschäftigen sich mit Abstand die meisten
Studien (39) mit den Folgen von Tauschbörsen für die Musikindustrie. Die Filmwirtschaft haben 14
Studien betrachtet. Zu weiteren Urheberrechtsbranchen liegen kaum hochwertige quantitative
Arbeiten vor. Diese Verteilung ist in Handke (2011a) sehr ähnlich, auch wenn dort aufgrund einer
weiteren Definition des Themengebiets auch eine Handvoll Studien zu unautorisiertem Kopieren
bei Computer Software berücksichtigt sind.
Für diese Literaturübersicht ist besonders bedeutsam, inwiefern empirische Forschungsergebnisse
Schlüsse auf die Wirkung verschiedener Handlungsoptionen der derzeitigen deutschen
Urheberrechtspolitik zulassen. Das ist vor allem eher der Fall, wenn Studien sich auf in Deutschland
verbreitete Technologien und Länder mit vergleichbarem Entwicklungsstand, demographischer
Zusammensetzung und einem ähnlichen Urheberrechtssystem beziehen. Allgemein versuchen
hochwertige empirische Arbeiten, Ereignisse zu bearbeiten, die idealtypischen Bedingungen
natürlicher Experimente möglichst nahe kommen - also einer starken Variation des
Urheberrechtsschutzes zwischen ansonsten ähnlichen Zeiträumen oder Gruppen zu der möglichst
hochwertige empirische Daten erhältlich sind (siehe Cook & Campbell, 1979). Solche Arbeiten sind
das akzeptierteste Mittel, kausale Zusammenhänge zu identifizieren aber natürlich nicht annähernd
perfekt. Die Sicherheit, mit der sich Ergebnisse verallgemeinern lassen, verstärkt sich, wenn
wiederholte Untersuchungen derselben Frage auf verschiedener Datengrundlage ähnliche
Ergebnisse liefern.
Auf diese Bewertungskriterien wird bei den wichtigsten Studien einzeln eingegangen.
15
Handke Urhebervergütung - Kopieren
IV. DIE WIRKUNG UNAUTORISIERTEN KOPIERENS:
DIE EMPIRISCHE LITERATUR
Die grundlegendste empirische Frage mit Bezug auf das Urheberecht ist zunächst einmal, wie
unautorisiertes Kopieren ohne effektiven Urheberrechtsschutz in der Praxis wirkt. Insbesondere die
Auswirkung digitaler Kopiertechnologie und ihrer vielfältigen, unautorisierten Nutzung ohne
Rücksicht auf bestehende Urheberrechte ist in den letzten Jahren das mit Abstand meistbeachtete
Thema in der Debatte um das Urheberrecht gewesen. Wesentliche Ergebnisse werden in diesem
Abschnitt gemäß der Struktur in Tabelle 1 geordnet zusammengefasst.
IV.1 Wirkung auf Einnahmen der Rechteinhaber
Die erste Frage bezüglich der Wirkung des Urheberrechtsschutzes ist, inwieweit unautorisiertes
Kopieren Urheber und sonstige Investoren in die Herstellung werthaltiger kreativer Werke
schlechter stellt. In der ökonomischen Literatur werden fast ausschließlich die Einnahmen von
Rechteinhabern als Indikator für deren Wohlfahrt genutzt. Hierzu liegen relativ viele, empirischakademische Studien vor. Es gibt sogar bereits eine ansehnliche Zahl von Übersichtsartikeln zum
Thema, wie Smith & Telang (2012), Liebowitz (2013) oder Watson et al. (2014). Siehe auch die
tabellarischen Übersichten in Handke (2011a: 7) und Watson et al. (2014: 18).7 Wir beschränken
uns hier auf eine grobe Zusammenfassung.
Wie und wie stark unautorisiertes Kopieren auf Einnahmen der Rechteinhaber wirkt ist aus
ökonomischer Sicht nicht offensichtlich. In der Literatur werden eine Reihe möglicher
Mechanismen diskutiert, durch die eine negative Wirkung unautorisierten Kopierens auf
Rechteinhaber abgeschwächt werden könnte, oder Kopieren sich sogar für Rechteinhaber als
nützlich erweisen könnte (siehe Varian 2005; Peitz & Waelbroeck 2006a; Handke 2011a).
Nichtsdestotrotz ist die empirische Literatur zu diesem Thema insgesamt recht eindeutig: Die
Mehrheit der veröffentlichten Studien ergibt, dass digitales Kopieren mit einem signifikanten
Rückgang der Einnahmen von Rechteinhabern aus dem Verkauf vom Medieninhalten an
Verbraucher einhergegangen ist.
IV.1.1 Tauschbörsen und Einnahmen der Musikindustrie
Viele Studien betrachten die Musikindustrie, die besonders früh und stark von digitalem Kopieren
betroffen gewesen ist. Ein Großteil der empirischen Literatur zur Wirkung unautorisierten
Kopierens auf die Einnahmen von Rechteinhabern beschäftigt sich mit Tauschbörsen und dem
primären Markt für Musikaufnahmen, in dem Kopien von Aufnahmen direkt an Endverbraucher
vermarktet werden. Die Verbreitung digitaler Kopiertechnologie fällt mit einem erheblichen
Rückgang dieser Einnahmen für die Musikindustrie in Deutschland, Europa und den USA
zusammen.
7
Watson et al. (2014) enthält die umfangreichste Auflistung und tabellarische Zusammenfassung wichtiger Studien,
geordnet nach Datenbasis und Urheberrechtsbranchen. Allerdings enthält diese Übersicht einige ältere Arbeitspapiere,
die kaum zitiert worden sind, was auf eine geringe Qualität hinweist. Vor allem berücksichtigen Watson et al. (2014)
auch positive Effekte in Studien, die lediglich eine positive Korrelation zwischen Nutzung unautorisierter und
autorisierter Angebote ergeben. So eine Korrelation ist zu erwarten, wenn Verbraucher unterschiedlich hohe
Wertschätzung für entsprechende Medieninhalte haben. Auf Grundlage von Korrelationen lassen sich keine sicheren
Aussagen bezüglich eines Substitutionseffekts zwischen unautorisiertem Kopieren und der Nachfrage nach autorisierten
Kopien und Leistungen treffen.
16
Handke Urhebervergütung - Kopieren
Prominente Studien auf Grundlage von Daten zum Gesamtumsatz aus dem Verkauf von
musikalischen Aufnahmen an Endverbraucher sind Peitz & Waelbroeck (2004) und Zentner (2005),
die jeweils eine Reihe von Industrienationen abdecken. Die USA haben zum Beispiel Liebowitz
(2008) und Mortimer et al. (2012) betrachtet. Alle diese Studien ergeben einen signifikanten,
negativen Effekt der digitalen Kopierens auf die Einnahmen der Musikindustrie, wobei Mortimer et
al. (2012) für die USA belegen, dass gleichzeitig die Einnahmen bei Live-Auftritten „enorm
gestiegen“ sind. Eine bekannte Ausnahme ist Oberholzer-Gee & Strumpf (2007), die in einer
technisch besonders ambitionierten Studie keinen nennenswerten Effekt der Tauschbörsennutzung
auf CD-Verkäufe finden. Diese Arbeit ist von Liebowitz (2007; 2010) ausführlich kritisiert worden.
Die einzige aktuelle Studie, die einen positiven Effekt feststellt, ist Aguiar et al. (2013): Die
Autoren ermitteln eine Steigerung der digitalen Verkäufe über den iTunes Store aufgrund digitalen
Kopierens um 2%.
Auf Grundlage von hochwertigen Verbraucherumfragen finden Hong (2004), Peitz & Waelbroeck
(2004), Michel (2006), Rob & Waldfogel (2006), Zentner (2006) und Waldfogel (2010) negative
Effekte der Tauschbörsennutzung auf Einnahmen der Musikindustrie. Eine Ausnahme ist Andersen
& Frenz (2007; 2010), die für Kanada keine signifikante Veränderung auf CD Verkäufe oder
digitale Verkäufe feststellt. Barker & Maloney (2015) kommen in einer neuen Analyse desselben
Datensatzes aber auf einen signifikanten negativen Effekt.
IV.1.2 Tauschbörsen und Einnahmen der Filmwirtschaft
Für die Filmwirtschaft oder andere audiovisuelle Medieninhalte liegen bisher weniger Studien vor.
In einem Arbeitspapier betrachtet Zentner (2010) bis zu 36 überwiegend europäische Länder bis
2008. Er findet einen negativen Effekt der Tauschbörsennutzung auf Videoverkäufe, aber keinen
signifikanten Effekt auf Kinoeinnahmen oder Videoverleih. Umfrageergebnisse ergeben häufig
einen negativen Effekt für Videoverleih und -Verkauf (Bounie, Bourreau & Waelbroeck 2006; Rob
& Waldfogel 2007; Hennig-Thurau et al. 2007; De Vany & Walls 2007).
IV.1.3 Zusammenfassung und sonstige Urheberrechtsbranchen
Bei der Vielzahl der Studien ergibt sich eine erhebliche Streuung der Ergebnisse. Dies könnte
darauf hinweisen, dass die Wirkung von Tauschbörsen auf Einnahmen der Rechteinhaber je nach
Zeitraum und je nach den untersuchten Teilmärkten variiert. Eine Streuung ergibt sich
wahrscheinlich aber auch aus einer eingeschränkten Datenlage und entsprechender Messfehler
(Liebowitz 2006). Dazu ist es schwierig, den Effekt unautorisierten, digitalen Kopierens von
Auswirkungen des breiten technologischen Wandels der letzten Jahre zu isolieren. Die Autoren
nennen hier oft die schnelle Entwicklung neuer Informations- und Unterhaltungsdienstleistungen
wie Smart Phones und Videospiele, oder die Entwicklung neuer Methoden, Musik und Filme
Online zu vermarkten.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Tauschbörsennutzung und unautorisiertes, digitales
Kopieren die Einnahmen der Rechteinhaber in der Musikindustrie und Filmwirtschaft aus der
Vermarktung autorisierter Kopien verringert. Das ist das Ergebnis der meisten hochwertigen
Studien zum Thema. Eine Minderheit der Arbeiten findet keinen signifikanten Effekt. Positive
Effekte sind die große Ausnahme. Das Thema bleibt unter Ökonomen zwar umstritten. Jedoch hat
sich eine relativ stabile Mehrmeinung herausgebildet, die aufgrund der vorliegenden empirischen
Daten davon ausgeht, dass unautorisiertes Kopieren Rechteinhaber in der Regel erkennbar
schlechter stellt. Demzufolge stellt sich die Frage, ob dieses Problem für Rechteinhaber auf die
Dauer gesamtgesellschaftliche Nachteile mit sich bringt, sollte sich das Angebot werthaltiger
kreativer Werke in der Folge negativ entwickeln.
17
Handke Urhebervergütung - Kopieren
Fraglich bleibt, inwieweit diese Ergebnisse sich auf die Vielzahl anderer Urheberrechtsbranchen
übertragen lassen. Außer für die Musik- und Filmwirtschaft liegen kaum Arbeiten zur kausalen
Wirkung von Tauschbörsennutzung auf die Einnahmen von Rechteinhabern vor. Siehe Handke
(2011a) zu Software und einer Handvoll älterer Arbeiten zur Wirkung sonstiger
Kopiertechnologien. Anhand der bisherigen Ergebnisse ist zumindest Sorge geboten, dass auch die
Anbieter sonstiger urheberrechtlich geschützter Werke Gefahr laufen, durch unautorisiertes
digitales Kopieren Einkommensverluste zu erleiden.
IV.2 Die Position der Verbraucher
IV.2.1 Kurzfristige Wirkung
Lässt man die langfristige Wirkung unautorisierten Kopierens auf das Angebot kreativer Werke
zunächst außen vor, profitieren Verbraucher. Zum einen haben Nutzer unautorisierter Kopien einen
Vorteil, wenn sie Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werke haben, ohne Zahlungen an
Rechteinhaber leisten zu müssen. Die millionenfache Nutzung von Tauschbörsen und sonstigen
illegalen Angeboten Online weist deutlich darauf hin. Dieser Vorteil ergibt sich nicht unbedingt
nur, weil Verbraucher es vermeiden, für Leistungen zu zahlen. Tauschbörsen und ähnliche
unautorisierte Angebote haben oft Inhalte zugänglich gemacht, die auf autorisiertem Wege gar nicht
erhältlich waren (Rochelandet & Guel 2005). Rob & Waldfogel (2006) und Waldfogel (2010)
berechnen aufgrund von Studentenumfragen zur Wertschätzung kreativer Werke in den USA, dass
der kurzfristige Wohlfahrtsgewinn von Verbrauchern die Verluste der Rechteinhaber um ein
mehrfaches übersteigt. Eine rein deskriptive Studie aus den Niederlanden kommt zu einem
ähnlichen Ergebnis (TNO 2009).
Maßgeblich sind allerdings die vollständigen Effekte auf die Verbraucherwohlfahrt, inklusive der
langfristigen Wirkung auf das Angebot kreativer Werke. Verringert unautorisiertes Kopieren über
kurz oder lang das Angebot, könnte unautorisiertes Kopieren insgesamt auch Verbrauchern
schaden.
IV.2.2 Langfristige Wirkung
Für die ökonomische Begründung des Urheberrechtsschutzes ist die Wirkung auf das Angebot
kreativer Werke entscheidend. Nichtsdestotrotz ist dieses Thema empirisch bisher wenig untersucht
worden. Ein Grund sind Schwierigkeiten, ausreichende Daten zur Qualität und Quantität des
Angebots kreativer Werke zu erlangen. Darüber hinaus ist es technisch schwieriger, einen
langwierigen Effekt wie die Wirkung unautorisierten Kopierens auf Innovation zu untersuchen, als
die direktere Wirkung auf die Einnahmen der Rechteinhaber.
Handke (2010b; 2012) dokumentiert, dass die Zahl der jährlich auf Tonträgern neu veröffentlichten
Musikalben (ohne reine Internet-Veröffentlichungen) in Deutschland seit den frühen 1990er Jahren
schnell gewachsen ist. Er findet keine signifikante Abweichung von diesem langwierigen
Wachstumstrend mit der Verbreitung digitaler Kopiertechnologie. Für die USA weist Waldfogel
(2012) ebenfalls darauf hin, dass die Anzahl der neuveröffentlichten Alben pro Jahr seit 2000 stark
zugenommen hat (inklusive Veröffentlichungen als Streams oder Downloads). Waldfogel (2011)
hebt besonders auf die Qualität des Angebots in den USA ab, die er anhand von Platzierungen in
‚best of all times’-Listen erfasst. Auch er findet keine signifikante Trendabweichung mit der
Verbreitung digitaler Kopiertechnologie. Zwar ist der Anteil neuerer Veröffentlichungen mit der
Zeit zurückgegangen, aber dieser Trend hat sich mit dem Aufkommen von Tauschbörsen nicht
18
Handke Urhebervergütung - Kopieren
verstärkt.8 Diese Ergebnisse sind bemerkenswert, da sich der Umsatz im Endverbraucher-Markt für
Musikaufnahmen seit 2000 um etwa die Hälfte verringert hat, auch wenn man Verkäufe von
autorisierten Downloads und Streams berücksichtigt.
Für andere Urheberrechtsbranchen ergibt sich bisher ein ähnliches Bild. Oberholzer-Gee & Strumpf
(2007) weisen auf eine Zunahme der Neuveröffentlichungen für eine Reihe Urheberrechtsbranchen
in den letzten Jahren hin, trotz digitalen Kopierens. Neben dem Fluss an Neuveröffentlichungen
bestimmt auch die Zugänglichkeit bestehender Werke die Vielfalt des Angebots. Buccafusco &
Heald (2013) betrachten das Angebot von Hörbüchern (Audiobooks) auf Grundlage literarischer
Werke, das über Amazon erhältlich ist. Sie vergleichen Bestseller aus dem Zeitraum 1913 bis 1922,
für welche die relevanten Urheberrechte bereits abgelaufen sind, mit Bestsellern aus dem Zeitraum
1923 bis 1932, für die Urheberrechte noch bestehen. Sie zeigen, dass das Angebot von Hörbüchern
für die gemeinfreien Werke größer ist. Auf Grundlage einer experimentellen Befragung finden sie
keinen signifikanten Qualitätsunterschied zwischen den Hörbüchern zu gemeinfreien und zu
urheberrechtlich geschützten Werken. In einer weiteren Studie zeigt Heald (2014) unter anderem,
dass urheberrechtlich geschützte literarische Werke seltener auf Amazon angeboten werden als
gemeinfreie Werke. Bei Musikaufnahmen im iTunes Store und YouTube verhält es sich allerdings
umgekehrt.
Eine relativ wenig beachtete Studie von Baker & Cunningham (2009) findet im Gegensatz zu den
meisten Studien einen geringen aber statistisch signifikanten positiven Effekt des
Urheberrechtschutzes auf das Angebot urheberrechtlich geschützter Werke. Sie bilden einen Index
für die Breite des Urheberrechtschutzes aus Gerichtsentscheiden in den USA und Kanada und
ermitteln eine positive Beziehung mit der Anzahl von registrierten Urheberrechtsansprüchen in
diesen Ländern. Dabei ist zu beachten, dass das Urheberrecht automatisch gilt, bei Registrierung
aber eine Gebühr fällig wird. Der Zusammenhang in Baker & Cunningham (2009) könnte nur auf
Anreize zurückgehen, Ansprüche zu registrieren und nicht unbedingt auf Veränderungen in der
Veröffentlichung neuer Werke.
Insgesamt gibt es also praktisch keine Belege dafür, dass digitales Kopieren zu einer Verringerung
des Angebots kreativer Werke geführt hätte. Die Einnahmen der Rechteinhaber sind
zurückgegangen, aber das Angebot kreativer Werke ist zumindest vielfältiger als je zuvor. Zu
diesem Zeitpunkt lassen sich noch keine sehr sicheren Schlüsse aus diesem Befund ziehen.
Einerseits, verändern sich die Urheberrechtsbranchen mit der Digitalisierung schnell und
weitreichend. Es ist anhand sinkender Kosten und leistungsfähiger neuer Vertriebssysteme nicht
auszuschließen, dass sich die Entwicklung des Angebots mit einem besseren Urheberrechtssystem
noch günstiger entwickelt hätte. Andererseits ist es möglich, dass sich die volle Wirkung
unautorisierten, digitalen Kopierens noch nicht entfaltet hat. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten,
dass das Angebot vieler kreativer Werke trotz digitalen Kopierens heute erheblich umfangreicher
und wahrscheinlich auch werthaltiger ist als in den 1990er Jahren.
Die Quantität und Qualität des Angebots kreativer Werke und das Ausmaß ihrer Nutzung sollte in
Zukunft ausführlicher betrachtet werden. Zwar sind überzeugende Daten zu diesem Thema
schwieriger zu beschaffen als zum Beispiel zu den Einnahmen von Rechteinhabern; aber das
Urheberrecht ist aus ökonomischer Sicht letztendlich ein Mittel um das Angebot zu stärken.
8
In einem Arbeitspapier nutzt Lunney (2014) Charts-Daten. Seine Ergebnisse sind nuanciert. Er kommt insgesamt zu
dem Schluss, dass Tauschbörsen zu einem hochwertigeren Angebot geführt haben, weil erfolgreiche Musiker
gezwungen sind, mehr zu investieren, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Anzahl neuer Musiker in den Charts
hat mit der Nutzung von Tauschbörsen dagegen abgenommen.
19
Handke Urhebervergütung - Kopieren
Schließlich wird man zukünftig das zunehmende Angebot an User Generated Content (UGC;
nutzergenerierten Inhalten) erfassen müssen, das von Kreativen ohne direkte pekuniäre Entlohnung
geschaffen und im Internet veröffentlicht wird. Handke et al. (2015a) zeigen für eine Stichprobe
von YouTube-Videos, dass knapp die Hälfte (47%) komplett aus professionell erzeugten Inhalten
bestehen. Ein großer Teil dieser Inhalte wird allerdings nicht von den Rechteinhabern selbst
hochgeladen. Etwa ein Drittel (33%) der YouTube-Videos besteht komplett aus UGC. Ein großer
Teil der YouTube-Videos baut also zumindest auf professionellen Inhalten auf. Hier bedarf es eines
angemessenen Kompromisses, der positive Aspekte des UGC zulässt ohne Rechteinhaber
schlechter zu stellen.
IV.3 Die Wirkung rechtlicher Maßnahmen
Auch aufgrund der Verbreitung digitaler Kopiertechnologie haben in den letzten Jahren eine Reihe
von Urheberrechtsreformen stattgefunden. Die Literatur hat die Wirkung einiger solcher
Maßnahmen untersucht.
Für die USA betrachten Baker & Cunningham (2006), wie sich der Wert von Aktien börsennotierter
Anbieter urheberrechtlich geschützter Werke mit Veränderungen des Urheberrechts zwischen 1986
und 1998 verändert hat. Hierfür bilden sie anhand von Gesetzesänderungen und gerichtlichen
Entscheidungen eine Art Index für Stärke des Urheberrechtsschutzes. Sie finden, dass sich mit
stärkerem Urheberrechtsschutz im Großen und Ganzen der Wert dieser Unternehmen an der Börse
statistisch signifikant erhöht. Das Ausmaß dieser Wirkung war bei den betrachteten Veränderungen
des Urheberrechts allerdings gering.
Einige wirtschaftshistorische Studien haben die Wirkung von Urheberrechtsveränderungen auf das
Angebot kreativer Werke betrachtet. Khan (2004) findet keine erhebliche Wirkung des US
Copyright Act von 1891 auf die Zahl vollbeschäftigter literarischer Autoren. Scherer (2008) findet
keine Hinweise, dass Urheberrechtserweiterungen in Europa zwischen 1709 und 1850 die Zahl der
Komponisten erhöht hätte. Ein vielbeachtetes Arbeitspapier von Giorcelli & Moser (2014)
betrachtet die Schaffung neuer Opern in verschiedenen Teilen Italiens zwischen 1770 und 1900. Mit
der Einführung eines Urheberrechts steigt sowohl die Zahl neuer Opern als auch die Zahl
erfolgreicher Opern, die in den jeweiligen Teilstaaten entstehen.
Eine Handvoll weiterer Studien hat die Wirkung kürzer zurückliegender Verlängerungen der
Urheberrechtsdauer auf das Angebot kreativer Werke untersucht. Keine findet eine signifikante
Wirkung auf das Angebot von Filmen (Hui & Png 2002; Png & Wang 2009) oder anderer kreativer
Werke (Landes & Posner 2003). Auch in besagter Studie von Giorcelli & Moser (2014) haben
Verlängerungen der Urheberrechtsdauer kaum eine Wirkung auf die Produktion von Opern.9
Die Angebotswirkung sonstiger Veränderungen von Aspekten des Urheberrechts sind bisher kaum
quantitativ untersucht worden. Insgesamt gibt es also einige Hinweise, dass stärkere
Urheberrechtsgesetze die Situation der Rechteinhaber verbessern und eventuell auch das Angebot
kreativer Werke stärken. Die Indizien sind allerdings nicht einheitlich. Eine Förderung des
Angebots durch rechtliche Veränderungen scheint oft nicht erreicht worden zu sein, insbesondere
bei Erweiterungen der Urheberrechtsdauer.
9
MacGarvie & Moser (2015) zeigen dagegen, dass die Zahlungen an britische Autoren aus den USA sich mit der
Einführung eines längeren und stärkeren Urheberrechtsschutz in 1814 stark gestiegen sind. Zuvor hatte für britische
Autoren in den USA kaum ein effektiver Urheberrechtsschutz bestanden.
20
Handke Urhebervergütung - Kopieren
IV.4 Verwaltungs- und Transaktionskosten
Zur ökonomischen Rechtfertigung des Urheberrechts ist es nicht nur entscheidend, ob der
Urheberrechtsschutz seine direkten Ziele erreicht - also die Entlohnung von Rechteinhabern erhöht
und das Angebot werthaltiger kreativer Werke so stark fördert, dass auch Verbraucher auf Dauer
profitieren. Der Nutzen des Urheberrechtsschutzes muss auch in einem günstigen Verhältnis zu den
Verwaltungs- und Transaktionskosten stehen, die mit einem Urheberrechtssystem einhergehen.
In der empirischen Literatur finden sich keine systematischen Betrachtungen der
Verwaltungskosten, die letztendlich der Steuerzahler trägt. Umfrageergebnisse aus Frankreich in
Dejean & Suire (2014) weisen darauf hin, dass die Kosten an Endverbraucher gerichteter
Durchsetzungsmaßnahmen sehr hoch sein können. Es gibt viele Methoden unautorisierter
Vervielfältigung und Verbreitung, und Akteure weichen auf die Methoden aus, die nicht effektiv
verfolgt werden. So können Durchsetzungsmaßnahmen, die nicht sämtliche Methoden abdecken,
ins Leere laufen. Eine umfassende Durchsetzung ist wiederum aufwändig. Dejean & Suire (2014)
folgern, dass die Urheberrechtspolitik weniger auf die Rechtsdurchsetzung als auf die Entwicklung
besserer autorisierter Angebote zielen sollte.
Transaktionskosten umfassen den Aufwand für die Suche nach geeigneten Handelspartnern, das
Aushandeln von Handelskonditionen, wie zu erbringende Leistung und Preis, sowie die Kontrolle
und Durchsetzung dieser Abmachungen. Auch dieses Thema ist kaum direkt untersucht worden.
Zusammen mit Forschern der Free University Brussels hat die Unternehmensberatung KEA (2012)
die Transaktionskosten berechnet, die für europäische Online-Einzelhändler für Musik anfallen. Sie
kommen auf 80.000 bis 250.000 Euro jährlich, abhängig vom Umfang des Repertoires, der Art der
Nutzung und der Rechteinhaber. Die Summe beinhaltet nicht die eigentliche Lizenzzahlung zum
Erwerb der jeweiligen Rechte, sondern nur die Kosten, überhaupt Vereinbarungen mit den
relevanten Rechteinhabern zu treffen. Es scheint zudem problematisch, dass es in der Regel mehr
als ein Jahr dauert, bis über eine Lizenzierung entschieden ist.
IV.5 Urheberrechtsschutz, Industriestruktur und Wettbewerb
IV.5.1 Industriestruktur und Wettbewerb
Wichtige Aspekte der Urheberrechtsbranchen sind in engen Oligopolen intermediärer Unternehmen
organisiert. Das traditionelle Beispiel sind Major Plattenfirmen oder Filmstudios, bei denen die
große Mehrheit der Umsätze auf eine Handvoll Unternehmen entfällt. Noch extremer ist die
Situation im Markt für (auch durch das Urheberrecht geschützte) Computer-Betriebssysteme und
Büroanwendungs-Software. Handke (2015a) verweist auch auf hohe Marktanteile für die größten
Online-Einzelhändler von Musikaufnahmen, wie den iTunes Store oder Spotify, in vielen Ländern.
Eine hohe Konzentration kann bei einer Kostenstruktur mit hohen Entwicklungskosten und
geringen Bereitstellungskosten oder bei Netzwerkeffekten effizient sein. Allerdings gehen hohe
Marktanteile oft mit Marktmacht einher, also der Fähigkeit Produkte zu Preisen zu verkaufen, die
über den Bereitstellungskosten liegen. Spezialisierte, kleinere Anbieter oder Endverbraucher haben
der Verhandlungsmacht großer Unternehmen oft wenig entgegenzusetzen.
Allgemein generiert das Urheberrecht zwar substantielle Einnahmen für Rechteinhaber, aber Towse
(1999) stellt aufgrund von Daten von Verwertungsgesellschaften aus dem Vereinigten Königreich,
Schweden und Dänemark fest, dass nur eine kleine Minderheit der originären Kreativen überhaupt
pekuniäre Einnahmen aus der Vermarktung von Urheberrechten erzielt. Der größte Teil der
Einnahmen geht an Verwerter, wie Verlage und Produktionsfirmen. Kretschmer (2005) bestätigt
diese Ergebnisse für das Vereinigte Königreich und Deutschland. Allerdings sollte die Höhe von
21
Handke Urhebervergütung - Kopieren
Vorschusszahlungen an Kreative, für die Verwerter Urheberrechte erwerben, vom effektiven
Urheberrechtsschutz abhängen. Hierzu liegen keine systematischen Untersuchungen vor.
In manchen Urheberrechtsbranchen scheint die oligopolistische Industriestruktur tatsächlich mit
wettbewerbs- und verbraucherfeindlichem Verhalten einhergegangen zu sein. Zum Beispiel kam es
im Jahr 2000 zu einer außergerichtlichen Einigung zwischen den Vertrieben der Major
Plattenfirmen und US amerikanischen Wettbewerbshütern (Federal Trade Commission 2000). In
der Europäischen Union wurden Unternehmenszusammenschlüsse zwischen Teilen von Major
Plattenfirmen mehrfach von Wettbewerbshütern unterbunden oder nur mit scharfen Auflagen
genehmigt. Gegen Apple sind ebenfalls aufgrund des Verdachts auf wettbewerbswidriges Verhalten
in einer Reihe von Ländern Verfahren eingeleitet worden. Dabei ging es um die Fairplay DRM
Technologie (Ibision & Terazono 2007) und um die exklusive Verknüpfung von Musikeinzelhandel
und der Musikabspiel- und Musikorganisationssoftware auf iTunes (Maclean & Gallo 2011).
IV.5.2 Wettbewerb und Innovation
Bei Marktmacht sind in realen Märkten mit unvollständiger Information der Akteure und
Transaktionskosten zwei Probleme zu erwarten. Erstens fallen die Innovationsanreize für kleinere
Marktteilnehmer, die mit dominanten Firmen kooperieren, zu gering aus, da sie die volle
Unsicherheit tragen, im Erfolgsfall ein Großteil der Profite aber marktmächtigen Akteuren zufällt.
Zweitens haben marktmächtige Unternehmen aus gesamtgesellschaftlicher Sicht unzureichende
Anreize, disruptive Innovationen voranzutreiben, die ihre Vormachtstellung in Frage stellen oder
den Wert ihrer bestehenden Infrastruktur entwerten könnten. Andererseits kann die Aussicht auf
Marktmacht zu ‚Wettbewerb um den Markt‘ führen, wenn mehrere Unternehmen gleichzeitig
versuchen, eine dominante Stellung zu entwickeln und zur Ausweitung ihrer Marktanteile hohe
Investitionen in Innovationen leisten oder Leistungen unter den Bereitstellungskosten an ihre
Kunden verkaufen.
Die Wechselwirkung zwischen Innovation und Wettbewerb ist komplex (Gilbert 2006a; 2006b).
Die üblichste Auffassung ist, dass Innovation in gemischten Situationen ein Optimum erreicht:
einerseits mit ausreichender Bestreitbarkeit von Märkten, der es auch weniger etablierten
Unternehmen ermöglicht, Neuerungen durchzusetzen; andererseits mit ausreichend Aussicht auf
Marktmacht für erfolgreiche Innovatoren, um Akteure zu motivieren, sich der Unsicherheit von
Innovation auszusetzen (siehe Aghion et al. 2005). Urheberrecht ist wahrscheinlich das wichtigste
Mittel, mit dem die öffentliche Hand diese Balance zwischen Wettbewerb und Marktmacht in den
Urheberrechtsbranchen beeinflusst. Ob die Situation sich verbessert oder verschlechtert ist letztlich
kaum an rein theoretisch entwickelten Kriterien zu erkennen, sondern nur am beobachtbaren
Ergebnis: Ob die Innovationsleistung und Produktivität der geregelten Gesellschaftsbereiche mit
Veränderungen des Urheberrechts erkennbar zu- oder abnimmt.
IV.5.3 Wettbewerb zwischen Anbietern kreativer Werke
Viele Studien ergeben, dass die negativen Auswirkung unautorisierten Kopierens für große,
etablierte Anbieter (Major oder Superstars) gravierender ausfallen als für Newcomer und
Nischenanbieter; siehe Blackburn (2004), Gopal et al. (2006), Bhattacharjee et al. (2007), Mortimer
et al. (2010), oder Waldfogel (2012). Gopal et al. (2006) untersuchen beispielweise die US
Billboard Charts. Sie vergleichen den Zeitraum 1995 bis 1996 mit 1998 bis 2000. Die Korrelation
zwischen der vorherigen Reputation von Musikern und ihrer Positionierung in den Charts ist im
zweiten Zeitraum signifikant geringer. Die Autoren folgern, Internetnutzung und Online Sampling
(inklusive unautorisierten Kopierens Online) „threatens superstars and benefits lesser known artists“
(Gopal et al. 2006:1530). In Deutschland dokumentiert Handke (2006; 2010b) eine große Anzahl an
Markteintritten durch kleine Plattenfirmen mit der Verbreitung digitaler Kopiertechnologie.
Mortimer et al. (2010) finden, dass Tauschbörsennutzung den Absatz von Musikalben für „large
22
Handke Urhebervergütung - Kopieren
artists“ stärker mindert als für „small artists“. Zusätzlich zeigen sie aufgrund von Daten zu den
Jahren 1993 bis 2004, dass in den USA die Einnahmen durch live Auftritte für weniger bekannte
Künstler mit der Tauschbörsennutzung gestiegen sind, während sich kaum ein positiver Effekt für
die populärsten Musiker zeigt.10
Die übliche Erklärung ist, dass weniger bekannte Anbieter stärker profitieren, wenn ihre Werke
durch unautorisiertes Kopieren leichter zugänglich werden und mehr Beachtung finden. Für bereits
weithin bekannte Anbieter überwiegt dagegen eher der Substitutionseffekt, wenn billige
unautorisierte Kopien zugänglich sind. Das zu erwartende Ergebnis wären häufigere Markteintritte,
weniger Stabilität und weniger Konzentration der Nachfrage auf die Veröffentlichungen der
führenden Anbieter. Das Thema findet sich in der allgemeinen Diskussion zur Digitalisierung und
zur ‚Long-Tail’-Hypothese wieder (Anderson 2004). Unautorisiertes Kopieren könnte ein Treiber
von Long-tail Effekten sein, bei denen in Märkten für heterogene Güter der Marktanteil der
populärsten Marken oder Varianten abnimmt, zum Beispiel wenn Verbraucher sich leichter zu einer
Vielzahl von Angeboten informieren können. Einige, bisher noch widersprüchliche empirische
Untersuchungen hierzu finden sich Brynjolfsson et al. (2011) oder Elberse and Oberholzer-Gee
(2007). Eine weitere mögliche Erklärung für einen relativen Vorteil durch unautorisiertes Kopieren
für kleinere Anbieter oder Newcomer ist, dass diese sich schneller an veränderliche
Marktbedingungen anpassen können. Schließlich haben sie im Gegensatz zu etablierten Anbietern
keine hohen Investitionen in die bestehende Infrastruktur zu verlieren (Reinganum 1983; Handke
2006).11
Es scheint, dass unautorisiertes Kopieren ein Faktor ist, der die Position von Majors schwächt und
zu größerem Wettbewerb beiträgt. Dies könnte Verbraucher besser stellen.
IV.5.4 Unautorisiertes Kopieren und IKT Anbieter
Das Urheberrecht beeinflusst auch die Position von Rechteinhabern gegenüber Anbietern
komplementärer Güter und Leistungen. Die Beziehung zwischen Anbietern von Inhalten und
Anbietern von IKT, über die Inhalte verbreitet werden, scheint besonders wichtig. Ein
offensichtliches Beispiel sind Anbieter von Tauschbörsen oder File-hosting Dienstleistungen, die
vielfach zum Vervielfältigen und Verbreiten von geschützten Werken genutzt werde. Aber auch
Telekommunikationsunternehmen und sonstige IKT-Anbieter können profitieren, wenn kreative
Werke mithilfe ihrer Produkte zu für Verbraucher günstigen Konditionen erhältlich sind.
Leung (2009) hat das Thema für Apple’s Musikabspielgeräte iPods betrachtet. Er verwendet eine
Conjoint-Analyse, eine ausgeklügelte Umfrage- und Auswertungstechnik unter knapp 900
Studenten an der University of Minnesota (USA). Er dokumentiert, dass 22% aller iPod Verkäufe
auf die Verfügbarkeit unautorisierter Kopien musikalischer Werke im Internet zurückzuführen sind.
Ähnliche Effekte lassen sich für andere Abspielgeräte für Streams und Downloads erwarten.
Wahrscheinlich wird auch die Nachfrage nach allgemein verwendbarer IKT durch unautorisiertes
Kopieren gefördert, zum Beispiel für Personal Computer oder sogar Smartphones, auch wenn die
Nachfrage nach diesen Produkten von vielen anderen Faktoren mitbestimmt wird. Zudem schätzten
Schultze und Mochalski (Ipoque 2009), dass in Deutschland 53% der über das Internet übertragenen
Daten in 2008 auf Tauschbörsen zurückging, mit ähnlichen Werten für andere Teile Europas. Eine
aktuellere akademische Studie von Richter et al. (2015) ermittelt für Deutschland im September
10
Eine Ausnahme ist Hammond (2014), der eine positivere
Musikveröffentlichungen von bereits bekannten Musikern findet.
Wirkung
unautorisierten
Kopierens
für
11
Zudem weisen Gayer und Shy (2006) in einer theoretischen Arbeit darauf hin, dass Kreative möglicherweise eher von
unautorisiertem Kopieren profitieren als Verwerter.
23
Handke Urhebervergütung - Kopieren
2013 einen Anteil von BitTorrent und P2P an der gesamten Internet-Datenübertragung von ca. 20%.
Adermon und Liang (2010) finden, dass der Internet-Verkehr in Schweden direkt nach einer
Verschärfung des Urheberrechts um 40% zurückgegangen ist. Daraus lässt sich schließen, dass auch
die Nachfrage nach Internet-Zugang durch die unautorisierte Verbreitung geschützter Werke im
Internet zunimmt. Es scheint, dass Anbieter vieler IKT-Produkte und Leistungen vom
unautorisierten Kopieren Online profitieren.
IV.6 Zusammenfassung
Insgesamt hat unautorisiertes digitales Kopieren also mit hoher Wahrscheinlichkeit die Einnahmen
der Rechteinhaber verringert und schadet diesen. Dieses Ergebnis findet sich aber nicht unter allen
untersuchten Umständen und spiegelt einen differenzierteren Prozess wider. Für kleinere Anbieter
und Newcomer könnte sich zumindest ein relativer Vorteil gegenüber den etablierten Unternehmen
ergeben, wenn sie bei Sampling durch unautorisiertes Kopieren leichter bekannt werden und
unautorisierte Leistungen kein perfektes Substitut für autorisierte Angebote sind.
Endverbraucher sind mit der Verbreitung digitaler Kopiertechnologie bisher sicher besser gestellt,
wenn man den vorhandenen Hinweisen traut, dass das Angebot kreativer Werke trotz
unautorisierten Kopierens vielfältiger und werthaltiger geworden ist. Etwaige negative Effekte auf
das Angebot neuer Werke sind offenbar durch Produktivitätszuwächse in den
Urheberrechtsbranchen kompensiert worden. Ökonomen diskutieren sogar, ob unautorisiertes
Kopieren sogar förderlich für die Produktivität der Musikindustrie war. Theoretisch ist dies
möglich, aber bisher empirisch nicht belegt.
24
Handke Urhebervergütung - Anpassung
V. ERSTES SCHWERPUNKTTHEMA:
ANPASSUNG AN DIGITALES KOPIEREN DURCH ENTWICKLUNG LEGALER
ANGEBOTE
Ein wichtiger Aspekt der Debatte um Digitalisierung und Urheberrecht ist die Möglichkeit für
Anbieter kreativer Werke, sich an die technologische Entwicklung anzupassen und diese in ihrem
Sinne mitzugestalten (Handke 2006). Um das Jahr 2000 war es frappierend, wie weit finanzkräftige
Major-Plattenfirmen bei der Nutzung von digitaler IKT zur Verbreitung von Musik hinter Start-ups
wie Napster zurückgefallen waren. Mittlerweile sind die durch Rechteinhaber autorisierten Dienste
allerdings technisch wahrscheinlich oft besser als die nicht autorisierte Konkurrenz. Diese
Anpassung durch Verbesserung der autorisierten Angebote könnte Probleme mit unautorisiertem
Kopieren abschwächen (Varian 2005; Peitz & Waelbroeck 2006a; Belleflamme & Peitz 2010). In
diesem Sinne böte vor allem die innovative Anwendung digitaler IKT wiederum die Lösung für das
Problem der Digitalkopie.
Varian (2005:134) präsentiert eine Kategorisierung von 15 „Business Models ohne Urheberrecht“,
mit der die Produktion werthaltiger Inhalte finanziert werden könnte. Die Arbeit enthält allerdings
keine empirischen Belege, ob und welche dieser vorstellbaren, größtenteils auf private Initiativen
und Marktmechanismen beruhenden ‚Lösungen’ angesichts der Digitalkopie-Problematik in der
Praxis wirksam sind. Zudem ist zu beachten, dass unautorisierte Verbreitungsformen wie ein
Konkurrent für die Anbieter autorisierter Leistungen wirken (Varian 2005). Das heißt, die
Gewinnaussichten für Rechteinhaber werden sehr wahrscheinlich durch unautorisiertes Kopieren
verringert, auch wenn Rechteinhaber sich so gut wie möglich anpassen.12
Mittlerweile haben einige konkrete Anpassungsversuche stattgefunden und sind empirisch
untersucht worden. Zur Bewertung der Ergebnisse ist es hilfreich, zunächst eine Reihe
grundlegender Marktbedingungen in Betracht zu ziehen.
V.1 Grundlegende Marktbedingungen
Eine relativ umfangreiche Literatur befasst sich mit den Faktoren, die unautorisiertes Kopieren
bedingen. Überblicke finden sich in Rochelandet & Guel (2005) und Hennig-Thurau (2007).
Watson et al. (2014) fokussieren komplett auf Tauschbörsen und sind besonders in der
Dokumentation der Quellenauswahl vorbildlich. Offensichtlich kann es für die Gestaltung des
Urheberrechtssystems und die Anpassungsbemühungen der Rechteinhaber an digitale
Kopiertechnologie nützlich sein, zu verstehen, warum genau viele Verbraucher das bestehende
Urheberrecht umgehen.
Zunächst sind unautorisierte Kopien keine perfekten Substitute für autorisierte Kopien, sondern in
der Wahrnehmung der Verbraucher von geringerem Wert, wie umfragebasierte Studien in vielen
Ländern und zu verschiedenen Arten von Werken belegen (Holm 2001; Mafioletti & Ramello 2004;
Rochelandet & Guel 2005; Bezmen & Depken 2006; Rob & Waldfogel 2006; Jeong & Lee 2010).
Das heißt, auch nach der weiten Verbreitung digitaler Kopiertechnologie ist es für Rechteinhaber
möglich, Verkäufe zu Preisen zu erzielen, die über ihren Bereitstellungskosten liegen (solange die
Kosten der Vervielfältigung und des Vertriebs für Rechteinhaber nicht höher sind als für
unautorisierte Anbieter). Einige empirische Arbeiten weisen sogar darauf hin, dass Verbraucher
gelegentlich autorisierte Kopien und Leistungen erwerben, nachdem sie sich bereits unautorisiert
12
Peitz und Waelbroeck (2006b) argumentieren allerdings, dass Sampling über „freie Downloads“ zumindest die
Aufmerksamkeit und damit theoretisch auch die Nachfrage nach autorisierten Leistungen sogar erhöhen kann.
Unautorisierte Verbreitung nimmt den Rechteinhabern aber die Möglichkeit, dieses Mittel kontrolliert und selektiv
einzusetzen.
25
Handke Urhebervergütung - Anpassung
Zugang verschafft haben, wenn sie das Werk als hochwertig empfinden (Gopal et al. 2006; vgl.
Andersen & Frenz 2010).
Die Bereitschaft, für autorisierte Kopien auch ohne sonstige Unterschiede mehr zu bezahlen als für
unautorisierte Kopien, speist sich anscheinend aus mehreren Gründen (siehe Hennig-Thurau et al.
2007; Handke 2011a; Watson et al. 2014). Eine Reihe von Studien zeigt beispielsweise, dass
moralische Erwägungen die Tauschbörsennutzung beeinflussen. Einerseits verringert die Sorge um
Kreative die Intensität des unautorisierten Kopierens (Rochelandet & Guel 2005; Henning-Thurau
et al. 2007). Manche Nutzer zahlen freiwillig, selbst wenn der Zugang auch ohne Zahlung nicht
eingeschränkt ist (Regner & Barria 2009; Dale & Morgan 2010). Andererseits wird
Tauschbörsennutzung gelegentlich auch als Akt des Widerstands gegen kommerzielle Unternehmen
gesehen, wie Hennig-Thurau et al. (2007) für Deutschland dokumentiert (für Finnland vgl. Cox et
al. 2010). Unautorisiertes Kopieren wird weniger attraktiv, wenn öffentlich signalisiert wird, dass
stärkere Rechtsdurchsetzungsmaßnahmen stattfinden, durch die sich die Wahrscheinlichkeit eines
Konfliktes und die erwartete Schwere der Folgen für Verbraucher erhöhen (Mafioletti & Ramello
2004; Blackburn 2004; Bhattacharjee et al. 2006; Jeong & Lee 2010; eine Ausnahme ist
Rochelandet & Guel 2005). Wie in Abschnitt VI eingehender diskutiert wird, ist es allerdings nicht
klar, ob diese Effekte dauerhaft sind und in der Folge mehr autorisierte Leistungen nachgefragt
werden.
V.2 Preis- und Veröffentlichungsstrategie
Rechteinhaber können ihre Veröffentlichungsstrategie und Preissetzung an die Verbreitung digitaler
Kopiertechnologie anpassen. Liebowitz (1985) dokumentiert, dass akademische Fachzeitschriften
auf die Verbreitung von Fotokopierern mit stärkerer Preisdiskriminierung reagierten (bei der für das
gleiche Produkt je nach Eigenschaften des Käufers verschiedene Preise aufgerufen werden).
Verlage erhöhten die Preise für Bibliotheken und es gelang ihnen so, sich viel des Zusatznutzens
durch das Fotokopieren anzueignen. Insgesamt verringerten sich die Profite für Verlage nicht.
Mortimer (2007) betrachtet Preisdiskriminierung bei Videos und findet, dass sie häufig InhalteAnbieter und Verbraucher besser stellt aber Händler schlechter stellt.
Im Zusammenhang mit der Digitalkopie scheint das Mittel der strategischen Preissetzung keine für
die Rechteinhaber zufriedenstellende Situation herbeigeführt zu haben. Die Anpassungen der
Einzelhandelspreise für urheberrechtlich geschützte Werke auf bestimmten Medienformaten sind
insgesamt nicht dramatisch ausgefallen. Eventuell war die Entbündelung beim Verkauf von
Downloads, der Verbrauchern größere Flexibilität ermöglicht, zum Teil durch den
Wettbewerbsdruck durch unautorisiertes Kopieren motiviert. Auch die Einführung relativ geringer
Einzelhandelspreise beim Online-Vertrieb geschützter Werke könnte nicht nur an der
Verhandlungsmacht großer Internet-Plattformen liegen, sondern auch ein Mittel sein, Verbrauchern
ein attraktiveres Angebot zu machen als unautorisiertes Kopieren.
In einem Arbeitspapier zeigen Danaher & Waldfogel (2012), dass es sich mit dem Aufkommen von
digitalem, unautorisierten Kopieren negativ für den Erfolg von Filmen an der Kinokasse auswirkt,
wenn Filme in unterschiedlichen Territorien mit größerer Verzögerung veröffentlicht werden.
Solche unterschiedlichen Veröffentlichungstermine sind ein Mittel für Rechteinhaber, den
Markterfolg zu testen, bevor über die teils sehr aufwändigen Promotionkampagnen entschieden
wird. Rechteinhaber müssen möglicherweise traditionelle Vermarktungsstrategien überdenken, um
auf digitales Kopieren zu reagieren.
26
Handke Urhebervergütung - Anpassung
V.3 Ausnutzen von Netzwerkeffekten und Verkauf ausschließbarer, komplementärer
Leistungen
Es ist gut dokumentiert, dass in Märkten für Computer Software positive Netzwerkeffekte bestehen
(Givon et al. 1995; Brynjolfsson & Kemerer 1996). Das heißt, der Marktwert dieser Art von
Werken erhöht sich mit der Anzahl der Nutzer. Unautorisierte Nutzung kann daher die Nachfrage
für autorisierte Kopien (oder sonstige Leistungen der Rechteinhaber) sogar steigern, zum Beispiel
weil mehr Verbraucher die Arbeit eines Kreativen wahrnehmen (Bounie et al. 2006; Gopal 2006).
Allerdings wird in der Debatte um Netzwerkeffekte eines leicht übersehen: Wenn Netzwerkeffekte
durch unautorisiertes Kopieren den Marktanteil eines Anbieters erhöhen, heißt dies noch lange
nicht, dass auch die gesamte Nachfrage für autorisierte Leistungen steigt.
Wenn unautorisiertes Kopieren Werke für eine größere Zahl von Verbrauchern zugänglich macht,
können Rechteinhaber versuchen, von einer größeren Nachfrage für leichter ausschließbare,
komplementäre Güter zu profitieren. Mortimer et al. (2010) zeigen, dass in den USA mit der
Verbreitung durch Musik über Tauschbörsen die Konzert-Einnahmen gestiegen sind. Anbieter von
Soft- und Hardware für Videospiele scheinen relativ gute Organisationsstrukturen für ihre
gegenseitige Abhängigkeit entwickelt zu haben, ohne eine komplette Integration ihrer Unternehmen
(Shankar & Bayus 2002; Clements & Ohashi 2005). Eine grundlegende Frage ist, wie Anbieter am
besten ihre Preise setzen und variieren, um erst Netzwerkeffekte zu fördern und dann verwerten zu
können.
V.4 Vorfinanzierung durch Crowdfunding
Eine weitere mögliche Alternative ist Crowdfunding, der über einen an eine breite Öffentlichkeit
gerichteten Aufruf zur Vorab-Finanzierung eines Projektes funktioniert. Ein relativ bekanntes, so
finanziertes Projekt ist der Stromberg Film in Deutschland. Erste Literaturübersichten sind
Schwienbacher & Larralde (2010) und Moritz & Block (2013). Bei Crowdfunding übernehmen
einzelne Investoren in der Regel jeweils nur einen geringen Teil der gesamten Kosten. Die
Gegenleistungen, die Investoren in Aussicht gestellt werden, sind divers. Sie reichen von einer Art
Vorab-Bestellung des zu erbringenden Gutes über Attributionsrechte oder Mitbestimmungsrechte
bis zu einer Gewinn- oder Einnahmenbeteiligung. Die Crowdfunding-Aufrufe werden oft auf
speziellen Internet-Plattformen platziert. Es handelt sich also nicht um echte Disintermediation, bei
der professionelle Finanzinstitute und Investoren umgangen werden und Anbieter direkt mit
Endverbrauchern interagieren. Empirische Studien beschäftigen sich bisher vor allem mit
Voraussetzungen für den Erfolg von einzelnen Crowdfunding-Initiativen (Kuppuswamy & Bayus
2014; Mollik 2014).
Das Crowdfunding für kreative Werke hat in den letzten fünf Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten.
Crowdfunding bietet Anbietern nicht nur eine neue Art, Finanzmittel zu sichern und Unsicherheit
zu verringern. Das Ergebnis eines Crowdfunding-Aufrufs kann auch nützliche Signale zur
wahrscheinlichen Attraktivität eines Werkes liefern, und mögliche Zielgruppen für eine weitere
Vermarktung identifizieren helfen. Allerdings ist zweifelhaft, ob Crowdfunding für Newcomer ohne
eine starke Reputation vielversprechend ist oder für künstlerisch-ambitionierte Projekte
funktioniert, die sich vor dem kreativen Akt schwer vermitteln lassen (vgl. Belleflamme et al.
2014).
Die Vorab-Finanzierung durch Nutzer wäre ein elegantes Mittel, die Entwicklungskosten kreativer
Werke zu finanzieren und damit eine etwaige Abhängigkeit Kreativer von einem effektiven
Urheberrechtsschutz zu verringern. Crowdfunding macht in der Praxis bisher aber nur einen kleinen
Teil der Investitionen in kreative Prozesse aus. Die Entwicklung sollte weiter beobachtet werden.
Es ist zu diesem Zeitpunkt aber unwahrscheinlich, dass Crowdfunding in absehbarer Zeit
weitreichende Folgen für eine rationale Gestaltung des Urheberrechts haben wird.
27
Handke Urhebervergütung - Anpassung
V.5 Internet-Plattformen: Lösung für die Kopierproblematik und Bedrohung für den
Wettbewerb?
In den letzten Jahren haben sich zwei Arten, kreative Werke anzubieten, als besonders
vielversprechend herausgestellt: erstens autorisierte, rein werbefinanzierte Angebote: zweitens
zahlungspflichtige Abonnements. Autorisierte Angebote dieser Art haben trotz der Möglichkeit
unautorisierten Kopierens eine große Anzahl an Nutzern gewonnen. Der Umsatz mit physischen
Tonträgern wie CDs ist zwar immer noch relativ hoch, aber in Europa und den USA seit ungefähr
15 Jahren stark rückläufig. Der Verkauf von Downloads, zum Beispiel über den iTunes Store,
stagniert in den letzten Jahren. Dagegen sind werbefinanzierte Angebote stark gewachsen: VideoPlattformen wie YouTube oder Vimeo oder für viele Nutzer Spotify. Zahlungspflichtige
Abonnements sind Pay TV-Anbieter wie Sky, Online-Anbieter von Filmen und Serien wie Netflix,
oder Spotify Premium und Deezer für Musikstreams.
In der Praxis gibt es Überschneidungen zwischen Abonnements und werbefinanzierten Angeboten.
Spotify bietet zum Beispiel eine werbefinanzierte Version an, die für Verbraucher umsonst ist,
sowie gegen eine Gebühr eine Premium-Nutzung ohne Werbung. YouTube wird meist ohne
Zahlung durch die Verbraucher genutzt, entwickelt aber auch Abonnement-basierte Dienste, für die
eine Gebühr anfällt.
Danaher et al. (2010) zeigen, dass ein autorisiertes Angebot tatsächlich unautorisierte Nutzung
verringern kann. Sie untersuchen, wie es sich auf unautorisiertes Kopieren ausgewirkt hat, dass
Inhalte des Senders National Broadcasting Company (NBC) zwischen Dezember 2007 und
September 2008 nicht im iTunes Store erhältlich waren. Die unautorisierte Verbreitung der
entsprechenden Werke stieg in diesem Zeitraum um 11%. DVD-Verkäufe auf Amazon stiegen
dagegen nicht.
Poort & Weda (2015) dokumentieren Veränderungen in der Art, wie niederländische Verbraucher
urheberrechtlich geschützte Werke erwerben. Sie nutzen mehrere repräsentative Umfragen mit
jeweils über 1.500 Teilnehmern, die zwischen 2008 und 2012 durchgeführt worden sind. Der Anteil
der Teilnehmer, die im letzten Jahr Musik, Filme oder Videospiele von „illegalen“ Quellen
heruntergeladen hatten, lag im Jahr 2008 bei 38% und im Jahr 2012 für Musik, Filme und TVSerien, Videospiele und E-Books bei 27%. Für Musik ist die Anzahl der Verbraucher, die sich über
illegale Quellen Zugang verschafft hatten 2012 niedriger als 2008 (22% zu 35%). Für Filme und
TV-Serien ist dagegen der Anteil der „Piraten“ 2012 deutlich höher gewesen als er es nur für Filme
im Jahr 2008 war (18% zu 11%). 13 Poort & Weda (2015) argumentieren, die gegenläufige
Entwicklung zwischen Musik und Film sei darauf zurückzuführen, dass für Musik bessere
autorisierte Angebote bestehen. Sie weisen insbesondere darauf hin, dass autorisierte OnlineMusikdienste bessere Verbraucherbewertungen erhalten als autorisierte Online-Filmdienste. Die
Autoren diskutieren alternative Erklärungen für einen Rückgang unautorisierten Kopierens und
schließen diese aus. Allerdings liegen nicht für alle alternativen Erklärungen ausreichend Daten für
eine statistische Analyse vor. Poort & Weda (2015) kommen zu dem Schluss, dass das wirksamste
und effizienteste Mittel, um Verbraucher von unautorisierten Nutzern zu zahlenden Kunden zu
machen, ein preiswertes autorisiertes Angebot ist, wie es Spotify und Netflix bieten.
Handke (2015a) weist auf ein Problem mit Plattformen hin. Zwar bieten autorisierte OnlineAngebote eine kostengünstige Möglichkeit, ein vielfältiges Angebot kreativer Werke zu verbreiten,
unautorisierte Nutzung zurückzudrängen und Einnahmen aus der Vermarktung von Medieninhalten
zu erzielen. Er zeigt aber auf, dass Plattformen mit hoher Wahrscheinlichkeit große Marktanteile
13
Bei Videospielen ergibt sich ebenfalls ein Rückgang von 8% in 2008 auf 6% in 2012 (Poort & Weda 20115).
28
Handke Urhebervergütung - Anpassung
und Marktmacht entwickeln. Wie bei allen homogenen Informationsdienstleistungen liegen hohe,
fixe Kosten und geringe, nie steigende Bereitstellungskosten vor, so dass die größten Anbieter die
geringsten Durchschnittskosten haben. Plattformen wie Spotify, Netflix oder YouTube profitieren
zudem von direkten Netzwerkeffekten und können Verbraucher an sich binden, wenn sie ihre
Leistungen mit Konkurrenzangeboten inkompatibel machen. Zudem operieren Plattformen in
sogenannten zweiseitigen Märkten: Ihr Wert für Verbraucher erhöht sich mit der Anzahl der
teilnehmenden Anbieter kreativer Werke; ihr Wert für Anbieter kreativer Werke erhöht sich mit der
Anzahl der teilnehmenden Verbraucher. Es bestehen also so genannte indirekte Netzwerkeffekte.
Zudem sind die größten Plattformen in der Lage, reichhaltige Marktinformationen zu sammeln und
exklusiv zu nutzen. Damit bestehen für die größten Plattformen erhebliche Vorteile im Vergleich zu
kleineren Konkurrenten. Im Markt für Plattformen besteht ein ‚winner-takes-all‘-Mechanismus. Die
Plattform, die ihren Marktanteil am schnellsten erhöht, entwickelt dann auch Marktmacht
gegenüber Verbrauchern und Rechteinhabern.14 Tatsächlich ist der Marktanteil der größten OnlineEinzelhändler (wie Amazon bei Büchern, dem iTunes Store für autorisierte Musik-Downloads oder
für YouTube bei werbefinanzierter Verbreitung von Video-Streams) in vielen Ländern hoch.
Spotify zahlt nach eigenen Angaben im Durchschnitt um 0,7 Cents pro Stream an Rechteinhaber
(Sisario 2015). Auch der Konflikt zwischen den großen Buchverlagen Hachette und Bonnier mit
Amazon weist auf eine starke Verhandlungsposition der Plattform gegenüber den Inhalteanbietern
hin
(Hegemann
2014).
Handke
(2015a)
schlussfolgert,
dass
UrheberrechtsDurchsetzungsmaßnahmen womöglich keine Vorteile für Rechteinhaber bieten, wenn
Rechteinhaber von marktmächtigen Plattformen abhängig sind, die Vermarktungsbedingungen
bestimmen und sich einen großen Teil der Einnahmen sichern.
Handke (2015a) betrachtet auch Hinweise, wie die Verbreitung musikalischer Werke über OnlinePlattformen auf den Wettbewerb zwischen Anbietern musikalischer Werke wirkt. Er zeigt, dass sich
die Anzahl kleinerer Plattenfirmen in Deutschland seit Verbreitung digitaler Kopiertechnologie
Ende der 1990er Jahre stark erhöht hat. Dies weist auf stärkeren Wettbewerb zwischen Anbietern
musikalischer Werke hin. Mit der Entwicklung erfolgreicher Plattformen seit 2004 hat sich das
Wachstum an Plattenfirmen deutlich verlangsamt.
Auch aufgrund des ‚winner-takes-all‘-Mechanismus für Plattformen bestehen Anreize für größere
Rechteinhaber und Plattformen, in wettbewerbswidriger Weise zusammen zu wirken. In diesem
Zusammenhang ist es zum Beispiel problematisch, dass Major Plattenfirmen Anteile an Spotify
halten. Der Musik-Abonnementdienst Deezer gehört sogar der gleichen Investorengruppe wie das
Major Musikunternehmen Warner Music. Im Mai 2015 wurde ein Vertrag zwischen Sony und
Spotify öffentlich, der Sony hohe fixe Zahlungen garantiert (Sisario 2015). Inwieweit die originären
Kreativen einen Anteil erhalten, schien fraglich. Allgemein sind Vereinbarungen geheim, so dass
wettbewerbsfeindliche Diskriminierung nicht effektiv ausgeschlossen werden kann. Schließlich
besteht die Möglichkeit einer Integration zwischen Inhalte-Produktion und Einzelhandel, wenn zum
Beispiel Netflix oder Amazon selbst Fernsehserien produzieren, was die Bestreitbarkeit beider
Märkte einschränken könnte.
14
Handke & Towse (2007) und Kemerer et al. (2011) argumentieren ähnlich, dass DRM aufgrund dieser Technologie
eigenen Größenvorteile zum Aufkommen marktmächtiger Plattformen im Markt für kreative Werke führen könnte.
29
Handke Urhebervergütung - Anpassung
Empirische Literatur zum ersten Schwerpunktthema:
Anpassung an digitales Kopieren durch Entwicklung legaler Angebote
Preis- und Veröffentlichungsstrategie
Danaher, B., & Waldfogel, J. (2012). Reel piracy: The effect of online film piracy on international box office
sales. Available at SSRN 1986299.
Liebowitz, S. J. (1985). Copying and Indirect Appropriability: Photocopying of Journals. Journal of Political
Economy, 93(5), 945-957.
Mortimer, J. H. (2007). Price Discrimination, copyright law, and technological innovation: Evidence from
the introduction of DVDs. Quarterly Journal of Economics, 122(3); 1307-1350.
Ausnutzen von Netzwerkeffekten und Verkauf ausschließbarer, komplementärer Leistungen
Bounie, D., Bourreau, M. & Waelbroeck, P. (2006). Piracy and the Demand for Films: Analysis of Piracy
Behavior in French Universities. Review of Economic Research on Copyright Issues, 3(2), 15- 27.
Brynjolfsson, E. & Kemerer, C. F. (1996). Network Externalities in Microcomputer Software: An
Econometric Analysis of the Spreadsheet Market. Management Science, 42(12), 1627-1647.
Clements, M. T. & Ohashi, H. (2005). Indirect Network Effects and the Product Cycle: Video Games in the
U.S., 1994-2002. Journal of Industrial Economics, 53(4), 515-542.
Givon, M., Mahajan, V. & Muller, E. (1995). Software Piracy: Estimation ofLost Sales and the Impact on
Software Diffusion. Journal of Marketing 59, 29-37.
Gopal, R. D., Bhattacharjee, S., Sanders, G. L. (2006). Do artists benefit from online music sharing?. The
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Mortimer, J. H., Nosko, C. & Sorensen, A. (2012). Supply Responses to Digital Distribution: Recorded
Music and Live Performances. Information Economics and Policy 24, 3-14.
Shankar, V., & Bayus, B. L. (2002). Network Effects and Competition: An Empirical Analysis of the Home
Video Game Industry. Strategic Management Journal, 24, 375-384.
Vorfinanzierung durch Crowdfunding
Keine empirischen Studien zur Gesamtentlohnung von Rechteinhabern.
Internet-Plattformen: Lösung für die Kopierproblematik und Bedrohung für den Wettbewerb?
Danaher, B., Dhanasobhon, S., Smith, M. D., & Telang, R. (2010). Converting pirates without cannibalizing
purchasers: the impact of digital distribution on physical sales and internet piracy. Marketing Science,
29(6), 1138-1151.
Danaher, B., & Waldfogel, J. (2012). Reel piracy: The effect of online film piracy on international box office
sales. Available at SSRN 1986299.
Handke, C. (2015a). Digitization and Competition in Copyright Industries: One Step Forward and Two Steps
Back?.
Homo
Oeconomicus,
angenommen
im
Januar
2015.
Online:
http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2547403
Poort, J., & Weda, J. (2015). Elvis Is Returning to the Building: Understanding a Decline in Unauthorized
File Sharing. Journal of Media Economics, 28(2), 63-83.
30
Handke Urhebervergütung - Durchsetzung
VI. ZWEITES SCHWERPUNKTTHEMA:
DURCHSETZUNGSMASSNAHMEN VON URHEBERRECHTEN
Aus Sicht der Rechteinhaber liegt es nahe, auf vielfaches unautorisiertes Kopieren mit größeren
Bemühungen zur Durchsetzung exklusiver Rechte zu reagieren. Seit dem Aufkommen von
Tauschbörsen im Jahr 1999 hat es hierzu viele Initiativen gegeben. Für einige ist empirisch
untersucht worden, ob Durchsetzungsmaßnahmen ihre beiden vorrangigen beabsichtigten Ziele
erreicht haben: unautorisiertes Kopieren eindämmen und die Einnahmen der Rechteinhaber
steigern.
VI.1 Unterschiedliche Ansätze zur Rechtsdurchsetzung
Ähnlich wie in Danaher et al. (2013) lassen sich Urheberrechts-Durchsetzungsmaßnahmen zunächst
anhand zweier Aspekte klassifizieren: Erstens, ob sie an private Verbraucher oder an kommerzielle
Anbieter gerichtet sind; zweitens, ob sie durch private Akteure durchgeführt werden oder durch die
öffentliche Hand.
Die verschiedenen Ansätze zur Rechtsdurchsetzung erreichen ihre Ziele auf Kosten
unterschiedlicher Nachteile. Sie unterscheiden sich zum Beispiel in dem Ausmaß, in dem sie
Eingriffe in die Privatsphäre von Haushalten mit sich bringen. Aus ökonomischer Sicht sind andere
Aspekte eher zu bewerten. Zum einen sind das die anfallenden Transaktionskosten und
Verwaltungskosten in einem weiten Sinne, also die Kosten der Informationsbeschaffung und
Informationsauswertung, des Entwickelns von Vereinbarungen und Regeln, sowie deren
Durchsetzung. Zum anderen beschäftigt sich die Ökonomik mit Fehlanreizen, wenn Akteure mit der
Durchsetzung von Urheberrechten betraut sind, welche die direkten Folgen nicht selbst zu tragen
haben.
An private Endverbraucher/Privathaushalte gerichtete Maßnahmen sind zum Beispiel die
Abmahnungen in Deutschland oder die HADOPI-Initiative in Frankreich (Danaher et al. 2014).
Solche Maßnahmen haben den Nachteil, dass sie das Verhalten einer sehr großen Zahl von
Akteuren direkt beeinflussen müssen. Dies steigert die gesamten (Transaktions-)Kosten verglichen
mit einer Bündelung der Durchsetzungsmaßnahmen auf zentrale Akteure, wie
Tauschbörsenbetreiber. Dabei ist anzumerken, dass in der Praxis die zusätzliche Kooperation von
ISP (Internet Service Providern, also Telekommunikations-Anbietern) erforderlich ist. Ohne die
Auskunftspflicht der ISP zur Identität ihrer Kunden hinter IP-Adressen, können
Urheberrechtsbrüche im Internet kaum verfolgt werden. Zudem erfordert es die Durchsetzung unter
Verbrauchern, private Internet-Nutzung zu beobachten und greift so in die Privatsphäre ein.
Weiterhin sind viele Verbraucher wahrscheinlich nicht in der Lage, die Grenzen des legalen
Verhaltens zuverlässig zu erkennen. Das Urheberrecht und die Online angebotenen Leistungen sind
vielfältig, und oft bestehen technisch kaum Hindernisse. Gleichzeitig ist die individuelle
Wahrscheinlichkeit meist gering, bei Urheberrechtsbrüchen entdeckt zu werden. Für die Minderheit
an Urheberrechtsbrüchen, die entdeckt werden, müssen die negativen Folgen (Strafen) dann
gravierend sein, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Dies kann zu Ungerechtigkeit und
Akzeptanzproblemen führen.
Beispiele für Rechtsdurchsetzung, die an kommerzielle Anbieter gerichtet ist, sind zum Beispiel
rechtliche Verfahren gegen Tauschbörsen- oder File-Hoster Betreiber. (Auskunftspflichten für
Telekommunikationsanbieter, um Durchsetzung unter privaten Haushalten zu ermöglichen, gehen
auch mit Aufwendungen einher. Dieses Thema wird hier nicht separat betrachtet. Spindler (2014)
fasst Hinweise auf die Kosten zusammen.) Hier besteht zum einen ein Problem, Anbieter hinter
global zugänglichen Webseiten und Internet-basierten Dienstleistungen zu identifizieren, und
Unternehmen, die in entlegenen Territorien operieren, zu belangen. Zudem haben viele InternetDienste, die massenhaft zum unautorisierten Kopieren genutzt werden, auch legale Anwendungen.
31
Handke Urhebervergütung - Durchsetzung
Dies gilt auch für Tauschbörsen und File-Hoster (deren Nutzung zum privaten Herunterladen
geschützter Werke im Übrigen in einigen Territorien nicht gegen geltendes Recht verstößt). Auch
viele andere IKT-Güter und -Dienstleistungen tragen zu der Infrastruktur bei, die unautorisiertes
Vervielfältigen und Verbreiten urheberrechtlich geschützter Werke ermöglicht. Diese ‚Helfer‘ zu
belangen hat zwei große Nachteile: Einerseits behindert es die Entwicklung der IKT-Branche, wenn
sie für das Nutzungsverhalten ihrer Kunden zur Verantwortung gezogen werden und hebt nicht auf
die eigentlichen Gesetzesübertreter ab. Eine etwas krude Analogie wäre es, Anbieter von Messern
für deren Verwendung bei Gewaltverbrechen zu belangen. Zweitens entsteht eine
Anreizproblematik, wenn IKT-Unternehmen mit Durchsetzungsmaßnahmen betraut werden. IKTUnternehmen haben keine eigenen Erfahrungen mit der Wirkung unautorisierten Kopierens auf den
Markt für urheberrechtlich geschützte Werke. Zumindest kurzfristig sollte unautorisiertes Kopieren
mithilfe von IKT die Nachfrage nach Internetanschlüssen, Computer-Hardware und geeigneten
Online-Dienstleistungen sogar erhöhen. Demzufolge haben IKT-Unternehmen wahrscheinlich
weder ausreichende Informationen noch adäquate Anreize, in einer für die Allgemeinheit
angemessenen Weise in einen effektiven Urheberrechtsschutz zu investieren. In Schweden
kündigten einige ISP als Reaktion auf eine Auskunftspflicht gegenüber Rechteinhabern sogar an,
IP-Logs zu löschen um ihre Kunden zu schützen (Adermon & Liang 2014). Es bedürfte
aufwändiger Regelungen, um Fehlanreize abzumildern.
Der Staat hat Möglichkeiten in der Rechtsdurchsetzung, die über die Handlungsoptionen privater
Akteure hinausgehen. Zudem sind staatliche Institutionen direkter demokratisch legitimiert und
kontrolliert. Demnach könnte die Durchsetzung von Urheberrechten durch die öffentliche Hand
effektiver sein und eher zu einem allgemein akzeptablen Kompromiss unterschiedlicher Interessen
in der Gesellschaft führen. Allerdings bestehen die aus wohlfahrtsökonomischer Sicht üblichen
Bedenken bei staatlichen Regelungen. Staatliche Behörden sind von den Folgen von
Urheberrechtsmaßnahmen weniger direkt betroffen als beispielsweise Rechteinhaber und
Verbraucher. Zudem sind staatliche Behörden nicht direkt an der Herstellung, Verbreitung oder der
Nutzung kreativer Werke beteiligt. Das heißt, sie haben weniger starke Anreize und weniger
relevante Informationen als direkt beteiligte Akteure. Dies behindert Behörden darin, eine adäquate
Lösung zu entwickeln. Besonders problematisch ist es, dass für alle betroffenen Akteure Anreize
bestehen, verfälschte Informationen an die Obrigkeit zu geben, um ihre Partikularinteressen
durchzusetzen. Weiterhin ist es für Rechteinhaber rational, bei öffentlich finanzierten
Durchsetzungsmaßnahmen ein höheres Schutzniveau einzufordern als sie es selbst zu finanzieren
bereit wären. Schließlich sind Rechteinhaber die direkten Nutznießer, während die
Durchsetzungskosten auf den Steuerzahler zurückfielen. Mit anderen Worten besteht bei staatlicher
Durchsetzung von Urheberrechten das Problem, dass die betroffenen Akteure Anreize zum
sogenannten Rent-Seeking haben, dem Streben nach unangemessenen Vorteilen durch Fehlleitung
der Obrigkeit. Andererseits entwickeln sich etwaige Vorteile für Verbraucher durch den
Urheberrechtschutz erst langfristig und in letztlich schwer nachzuvollziehender Weise, im
Gegensatz zu den Nachteilen von Durchsetzungsmaßnahmen für Verbraucher. Daher könnte es
unpopulär und politisch schwierig sein, eigentlich als sinnvoll erachtete staatliche
Durchsetzungsmaßnahmen einzuführen.
Private Maßnahmen zur Durchsetzung exklusiver Rechte sind zum Beispiel zivilrechtliche
Abmahnungen oder der Einsatz von digitalem Rechtemanagement (DRM), dass technische Mittel
einsetzt, um unautorisierte Nutzung zu erkennen oder zu verhindern. Bei privaten
Durchsetzungsmaßnahmen, durch Rechteinhaber oder ihre Vertreter, ist eher zu erwarten, dass das
geeignete Maß aus Durchsetzungskosten und -nutzen für Rechteinhaber angenähert würde als bei
staatlichen Maßnahmen. Das Eigentümer oder Rechteinhaber die Kosten der Durchsetzung auch
selbst tragen, ist dabei nicht außergewöhnlich. Von Wohnungs- und Fahrzeugbesitzern oder
Juweliergeschäften wird beispielsweise ebenfalls erwartet, geeignete Maßnahmen gegen Diebstahl
selbst vorzunehmen. Bisher scheint ein wesentliches Problem in der Urheberrechtspolitik zu sein,
32
Handke Urhebervergütung - Durchsetzung
dass die Rechteinhaber sich nicht in der Lage sehen, ihre exklusiven Rechte mit ihren eigenen
Mitteln effizient durchzusetzen. Allerdings weisen beispielsweise Lunney (2001) oder Elkin-Koren
& Salzberger (2012) darauf hin, dass mit technologischem Wandel eine private Durchsetzung
exklusiver Rechte an urheberrechtlich geschützten Werken auch zu stark werden könnte. Das
Urheberrecht enthält sogenannte Schrankenregeln, also Beschränkungen exklusiver Rechte, wie
zum Beispiel die Privatkopie nach rechtmäßigem Erwerb oder die Entlehnungsfreiheit. Bei privater
Durchsetzung exklusiver Rechte könnten diese Schranken faktisch außer Kraft gesetzt werden. Das
gilt nicht nur bei der Verwendung technischer Mittel durch DRM. Es gilt auch bei sogenannten
End-User License Agreements (EULA), bei denen Verbraucher einen privatrechtlichen Vertrag mit
Anbietern eingehen, der vom Urheberrecht abweichen kann.
VI.2 Empirische Ergebnisse
Eine große Zahl verschiedener Durchsetzungsmaßnahmen ist in unterschiedlichen Ländern zum
Einsatz gekommen. Für einige Maßnahmen liegen systematische, empirische Studien vor. Eine
häufige empirische Vorgehensweise ist die Betrachtung natürlicher Experimente über Zeitreihen
oder Panel-Analysen, die versuchen, den Effekt der jeweiligen Maßnahme von sonstigen Faktoren
zu isolieren. Solche Forschungsdesigns bieten in der Regel Ergebnisse, die besser zur Identifikation
kausaler Wirkungen geeignet sind als zum Beispiel Umfragen.
Zunächst lassen sich zwei Studien nicht in die Struktur aus staatlich/privat und an
Verbraucher/Unternehmen gerichtet einordnen, so dass sie hier vorab vorgestellt werden:
In einem Bericht für die deutsche Expertenkommission für Forschung und Innovation nutzen
Handke et al. (2015a) mehrere Indikatoren für die Stärke des Urheberrechtsschutzes, wie die
Internet-Breitband Penetration, pro-Kopf Einnahmen aus Leermedienabgaben, einen Software
Piraterie-Index und einen jährlichen Bericht des US amerikanischen Außenministeriums zu
Ländern, in denen Urheberrechte schwach geschützt sind. Für Musikaufnahmen ergeben sich in
einer ökonometrischen Analyse für 18 vorwiegend europäische Länder zwischen 2004 und 2011
keine konsistenten Hinweise auf geringere Einnahmen der Musikindustrie in Ländern mit
geringerem Urheberrechtsschutz. Auch auf die Anzahl der Neuerscheinungen oder die
durchschnittliche Bewertung neuer musikalischer Werke besteht keine signifikante Wirkung. Für
Filme waren Daten zu 13 EU/EFTA Mitgliedsstaaten für den Zeitraum 2005 bis 2011 erhältlich.
DSL-Penetration und Leermedienabgaben zeigen signifikante, positive Effekte auf die
Gesamtumsätze aus Kino und Video, während schwacher Urheberrechtsschutz laut des US-Berichts
einen signifikanten negativen Effekt hat. Dabei zeigt eine getrennte Analyse für Video und Kino,
dass die Urheberrechtsvariablen ausschließlich mit den Videoeinnahmen in Beziehung stehen. Für
die Kinoumsätze alleine ergibt sich keinerlei signifikanter Effekt. Wie bei Musikaufnahmen
bestehen auch bei der Anzahl der Film-Neuerscheinungen und der durchschnittlichen Bewertungen
von Filmen keine signifikanten Effekte des Urheberrechtsschutzes. Insgesamt gibt es also keine
Hinweise, dass die erfassten Variationen im Urheberrechtsschutz eine starke Wirkung auf
Einnahmen, Quantität oder Qualität des Angebots an Musikaufnahme und Filmen gehabt hätten.
Aufgrund der geringen Datenmenge lassen sich moderate Effekte aber nicht ausschließen.
Orme (2014) betrachtet mehrere Durchsetzungsmaßnahmen in den USA zwischen 1997 und 2013
und ihren Effekt auf (wöchentliche) Kinoverkäufe in einer Zeitreihenanalyse. Er zeigt, dass viele
Maßnahmen wahrscheinlich sogar zu geringeren Verkäufen geführt haben. Zudem wirkt die
Mehrheit der Maßnahmen zeitlich nur sehr begrenzt. Insgesamt haben die
Durchsetzungsmaßnahmen den Kinoverkäufen eher geschadet. Allerdings ist hier einzuwenden,
dass unautorisierte Kopien keine guten Substitute für Kinoaufführungen sind. Wahrscheinlicher
scheint ein Substitutionseffekt durch unautorisiertes Kopieren auf Videoverkäufe oder -Verleih
(siehe Handke et al. 2015a).
33
Handke Urhebervergütung - Durchsetzung
VI.2.1 Digital Rights Management (DRM) und End-User License Agreements (EULA)
Für DRM und EULA hat die Literatursuche keine Studien entdeckt, die auf Beobachtungen
tatsächlichen Verhaltens basieren. Dabei ist DRM vielfach eingesetzt worden und ist heute noch
gängige Praxis bei Filmen und Fernsehserien auf DVD, Downloads oder Streams, sowie bei EBooks, Videospielen oder sonstiger Computer-Software. In der Musikindustrie sind DRM
Maßnahmen dagegen weitgehend beendet worden, wahrscheinlich weil sie unter derzeitigen
Marktbedingungen nach Betrachtung aller Folgen keinen Nettonutzen für Rechteinhaber erbracht
haben.15 Für eine theoretische Analyse, siehe Vernik et al. (2011).
Zwei Studien verwenden Umfragen, um die Wirkung von DRM zu ermitteln. Aus StudentenUmfragen ziehen Sinha et al. (2010) den Schluss, dass DRM für Rechteinhaber in der
Musikindustrie keinen Nutzen hat. DRM kann nicht genügend ‚Piraten’ konvertieren. Verbraucher
haben eine geringere Zahlungsbereitschaft für autorisierte Kopien mit DRM. Der negative Effekt
auf Rechteinhabereinnahmen übersteigt die positive Wirkung auf die Nachfrage nach autorisierten
Leistungen, wenn DRM unautorisierte Nutzung erschwert. Auf Grundlage zweier
Verbraucherumfragen zum E-Book in den USA ergibt ein Arbeitspapier von Kim und Leung
(2013), dass ein Abschaffen von DRM Verbraucher zumindest in einem bescheidenen Maße besser
stellen würde, und ein Anbieter, der als einziger DRM abschafft, seinen Marktanteil erhöhen
könnte.
Die akademische Forschung bietet keine umfassenden Belege, inwieweit DRM zumindest aus Sicht
der Rechteinhaber ein effizientes Mittel der Urheberrechts-Durchsetzung ist. Im Prinzip wäre es aus
ökonomischer Sicht ideal, wenn die Nutznießer des Urheberrechtsschutzes innerhalb eines
gesetzlichen Rahmens selbst für die Rechtsdurchsetzung sorgten. So ließe sich am zuverlässigsten
ein effizientes Schutzniveau unter Berücksichtigung des hierfür nötigen Aufwandes annähern.
Lobbying zugunsten weiterer öffentlicher Aufwendungen für die Rechtsdurchsetzung deuten darauf
hin, dass Rechteinhaber DRM bisher wahrscheinlich nicht als ausreichend empfinden.
VI.2.2 Abmahnungen privater Haushalte
Der Nutzen unautorisierten Kopierens für Verbraucher hängt vom Risiko ab, verklagt oder
abgemahnt zu werden, sowie den damit erwarteten negativen Folgen. Eine Reihe von Studien
belegen, dass diese Faktoren eine starke Wirkung auf die Tauschbörsennutzung und unautorisiertes
Kopieren haben.
Mafioletti & Ramello’s (2004) Experimente in Italien mit Bezug auf unautorisiert gebrannte MusikCDs weisen darauf hin, dass Klagen gegen Urheberrechtsbrüche unautorisiertes Kopieren
verringern können. Klagen erhöhen aber nicht „notwendigerweise“ den Absatz autorisierter CDs, da
die Zahlungsbereitschaft der meisten Verbraucher weit unter den Einzelhandelspreisen liegt.
Zwischen März 2003 und März 2004 haben Bhattacharjee et al. (2006) automatisiert und heimlich
die Tauschbörsennutzung unter 2.056 sehr aktiven Kazaa Nutzer-IDs beobachtet. Die Autoren
überprüfen den Effekt von vier öffentlichen Ankündigungen bezüglich Durchsetzungsmaßnahmen
durch die Record Industry Association of America (RIAA) in den USA: (1) Die Drohung
individuelle Tauschbörsennutzer zu verklagen; (2) das Einreichen von 261 Klagen dieser Art; (3)
eine Gerichtsentscheidung, die es der RIAA erschwert, Tauschbörsennutzer zu identifizieren; (4)
15
Bei Downloads wurde ebenfalls der Druck durch Verbraucherschützer und Wettbewerbshüter auf den Marktführer
Apple mit seinem iTunes Store groß, ihr DRM System kompatibel mit den Gütern und Leistungen ihrer Konkurrenten
zu machen.
34
Handke Urhebervergütung - Durchsetzung
532 Klagen auf Grundlage von IP Adressen. Im Großen und Ganzen finden Bhattacharjee et al.
(2006), dass die Bedrohung durch Klagen mit einem starken Rückgang der Tauschbörsennutzung
einhergehen. Die relativ schnelle Abfolge der Ereignisse macht es unwahrscheinlich, dass sonstige
Faktoren diese Veränderungen verursacht haben. Allerdings besteht laut der Autoren die
Möglichkeit, dass intensive Tauschbörsennutzer ihre Aktivitäten nur besser verborgen haben, statt
ihre unautorisierte Nutzung zu verringern. Die Wirkung auf Einnahmen der Musikindustrie wird in
Bhattacharjee et al. (2006) nicht betrachtet.
Adermon und Liang (2010; 2014) untersuchen das Inkrafttreten einer Urheberrechtsreform in
Schweden im April 2009. Sie betrachten die folgenden Veränderungen des gesamten
Internetverkehrs, des „illegalen File-sharings“, sowie der Musikverkäufe. Die Urheberrechtsreform
hat eine gesetzliche Auskunftspflicht für Internet Service Provider (ISP) eingeführt, Rechteinhabern
die Identität von Nutzern zu IP-Adressen zu nennen, wenn Belege für Uploaden oder intensives
Downloaden vorliegen. Die Studie handelt also von den Folgen einer gesetzlichen Maßnahme,
durch die sich die Wahrscheinlichkeit zivilrechtlicher Klagen gegen schwedische
Tauschbörsennutzer erhöht hat. Um den Effekt der Urheberrechtsreform zu identifizieren, nutzen
Adermon und Liang (2014) den Vergleich mit Finnland und Norwegen, in denen im fraglichen
Zeitraum keine ähnliche Veränderung des Urheberrechtsschutzes stattfand. Der Internetverkehr in
Schweden fiel am Tag des Inkrafttretens der Reform um 40% und lag in den ersten sechs Monaten
nach der Reform durchschnittlich um 16% geringer als zuvor. In Norwegen und Finnland haben
sich dagegen kaum Veränderungen ergeben. Allerdings begann der Internetverkehr in Schweden
sehr bald wieder zu steigen und lag acht Monate später deutlich über dem Niveau vor April 2009,
im Gegensatz zu den Vergleichsländern. In den ersten sechs Monaten nach der Reform stiegen die
physischen Tonträgerverkäufe um 33% und digitale Musikverkäufe um 46%. Der systematische
Vergleich mit Finnland und Norwegen stärkt den Eindruck, dass die Urheberrechtsreform einen
starken negativen Einfluss auf die Internetnutzung und einen starken positiven Effekt auf die
Einnahmen der Musikindustrie aus den Verkäufen an Endverbraucher hatte. Poort und Weda (2015)
wenden allerdings ein, dass der Musik-Abonnementdienst Spotify in Schweden seit Oktober 2008
schnell gewachsen ist und ebenfalls eine positive Wirkung auf Musikverkäufe gehabt haben kann.
In einer früheren Version der Studie wurde auch auf schwedische Umfrageergebnisse eingegangen,
bei denen im Jahr 2009 mehr Verbraucher angaben, ihre Tauschbörsennutzung wegen Spotify
reduziert zu haben als wegen der Urheberrechtsreform (Adermon und Liang 2010). In dieser
früheren Version der Studie wird auch berichtet, dass keine Effekte auf den Umsatz von Kinos oder
auf Videoverkäufe erkennbar sind.
In Frankreich ist seit Oktober 2009 eine staatliche Behörde namens Haute Autorité pour la
Diffusion des Œuvres et la Protection des Droits sur Internet (HADOPI) mit der Identifikation und
Abmahnung von Verbrauchern betraut worden, die Online Urheberrechte verletzen. Bei der dritten
Abmahnung konnten Strafen verhängt werden inklusive eines temporären Ausschlusses von der
Internet-Nutzung. Die Verfolgung einzelner Verbraucher erfolgte ohne eine Initiative von
Rechteinhabern oder ihrer Vertreter. Danaher et al. (2014) untersuchen die Wirkung der HADOPIInitiative auf die Verkäufe von Musikaufnahmen im iTunes Store in Frankreich. Gesamtverkäufe
von Musik (physisch und digital), sind in Frankreich im Untersuchungszeitraum insgesamt
rückläufig gewesen, auch nach öffentlicher Debatte und Einführung von HADOPI. Allerdings
ergibt die Untersuchung, dass iTunes-Musikverkäufe in Frankreich im untersuchten Zeitraum bis
Mitte 2011 um fast 25% höher lagen als in Vergleichsländern ohne ähnliche
Durchsetzungsmaßnahmen. 16 Die Autoren kontrollieren für die Verbreitung neuartiger IKT16
Insgesamt nahmen Verkäufe von Downloads über den iTunes Store in Frankreich 2009 zu und waren 2010 und 2011
stabil. Damit ergibt sich ein Unterschied von 22,5% für einzelne Lieder und 25% für Alben im Vergleich zu den
sonstigen Ländern. Vergleichsländer sind das Vereinigte Königreich, Italien, Spanien, Deutschland und Belgien.
35
Handke Urhebervergütung - Durchsetzung
Hardware, die Musikverkäufe beeinflussen könnte. Der größte Unterschied zwischen Frankreich
und den Vergleichsländern war jedoch zu beobachten, während die Einführung von HADOPI vorab
öffentlich diskutiert wurde, und nicht nach Beginn der Abmahnungen.
Danaher et al. (2014) betonen, dass drei Aspekte die Wirkung der HADOPI-Initiative bedingt haben
können: (1) drohende Strafen für unautorisiertes Kopieren und damit höhere Anreize, stattdessen
autorisierte Leistungen zu nutzen; (2) die ausführliche Medienberichterstattung zur Illegalität
unautorisierten Kopierens und der Folgen für Rechteinhaber und Verbraucher; (3) eine
Informationskampagne der HADOPI-Behörde. In der Praxis wurden ab Oktober 2010 zwar 2,4
Millionen erste Abmahnungen, 250.000 zweite Abmahnungen und „weniger als 1.000“ dritte
Warnungen versandt. Zu Klagen kam es aber nur in 54 Fällen (Arnold et al. 2014). Angeblich kam
es sogar nur zu einer einzigen Strafe von 150 Euro und 15 Tage Internet-Ausschluss (Datoo 2013).
Im Juli 2013 wurde offiziell verlautbart, dass ein Ausschluss von der Internet-Nutzung auch bei
wiederholten Auffälligkeiten nicht mehr vorgesehen ist. Schon im Juni 2009 hatte eine
höchstrichterliche Entscheidung Internet-Zugang als ein Menschenrecht definiert (Wray 2009). Nur
Geldstrafen ab 60 Euro nach wiederholter Abmahnung blieben möglich. Stattdessen sollten
Rechtsdurchsetzungsmaßnahmen stärker auf professionelle Piraterie und Webseitenbetreiber
gerichtet werden, die von unautorisiertem Kopieren direkt finanziell profitieren.
Ein Arbeitspapier von Arnold et al. (2014) nutzt repräsentative Umfragedaten unter Internetnutzern
in Frankreich vom Mai 2012. Die Autoren ermitteln, dass ein Abmahnungssystem wie die
HADOPI-Initiative Verbraucher praktisch nicht davon abhält, sich über das Internet unautorisiert
Zugang zu geschützten Werken zu verschaffen. Technisch versierte Nutzer weichen zudem auf
unautorisierte Dienste aus, die von der Abmahnungsbehörde nicht erfasst werden.
Umfrageergebnisse sind allerdings in der Regel von geringerer Validität als Beobachtungen
tatsächlichen Verhaltens.
Im März 2013 führten mehrere ISP in den USA das US Copyright Alert System ein, bei dem
zunehmend ausführlichere und intensivere Warnungen im Browser erscheinen, wenn wiederholtes
unautorisiertes Downloaden erkannt wird. Nach sechs Warnungen kann die Geschwindigkeit der
Internetverbindung reduziert werden (Arnold et al. 2014). Eine Auswertung der Wirkung steht noch
aus.
In Schweden oder Frankreich wurden letztendlich kaum Strafen in Folge von Abmahnungen
verhängt. Dort sind also eher die Folgen einer öffentlichen Debatte zur Urheberrechts-Durchsetzung
und von Warnungen zu beobachten, als die Wirkung von strafbewehrten Abmahnungen. In
Deutschland sind dagegen zwischen 2005 und 2014 hunderttausende von Privathaushalten
abgemahnt und in diesem Zusammenhang zu Zahlungen aufgefordert worden (Neiße 2015), wobei
die Anwaltskosten seit 2008 begrenzt sind. Die Wirkung dieser Maßnahme auf Medienverkäufe und
das Angebot kreativer Werke sollte empirisch überprüft werden. In Handke et al. (2015a) zeigt sich
auf rein deskriptiver Ebene nicht, dass sich in Deutschland die Entwicklung von Medienverkäufen
oder des Angebots neuer Inhalte besser entwickelt hätte als in vergleichbaren Länder ohne eine
solche Abmahnpraxis, wenn man die gesamtwirtschaftliche Entwicklung berücksichtigt. Für eine
statistische Untersuchung zu den Folgen der relativ häufigen und oft mit Zahlungen verbundenen
Abmahnungen in Deutschland reicht die Datenlage nicht aus.
Es ist also wahrscheinlich, dass schon eine glaubwürdige Bedrohung durch VerbraucherAbmahnungen unautorisiertes Kopieren eindämmen und Einnahmen von Rechteinhabern erhöhen
kann. In den bestehenden Untersuchungen liegen die Einnahmeneffekte zwischen null (für die
Filmwirtschaft in Adermon & Liang 2010) und 46% (für digitale Musikverkäufe in Adermon &
Liang 2014). Allerdings ist unklar, inwieweit diese Effekte nachhaltig sind, solange Verbraucher
auf Technologien ausweichen können, bei denen Abmahnungen weniger greifen. Zudem steht das
36
Handke Urhebervergütung - Durchsetzung
Ausspähen privater Internetnutzung im Konflikt mit der Privatsphäre, und es entstehen bei
Rechtsdurchsetzung auf Ebene von Millionen von Endverbrauchern hohe Transaktionskosten.
VI.2.3 Rechtliche Schritte gegen Tauschbörsen und File-Hoster
Viele Maßnahmen zur Durchsetzung des Urheberrechts haben sich gegen Webseiten-Betreiber und
Internet-Dienste gerichtet, die unautorisierte Vervielfältigung und Verbreitung geschützter Werke
betreiben oder ihren Nutzern ermöglichen. Ein berühmtes Beispiel ist die Schließung der ersten,
sehr erfolgreichen P2P-Plattform Napster im Sommer 2001 nach einem vielbeachteten Prozess in
den USA. Andere Webseiten sind in einigen Ländern gesperrt, also für Einwohner auf normalem
Wege nicht zugänglich. Allerdings sind bisher immer wieder neue Dienste aufgetreten, die ähnliche
Leistungen anbieten und Lücken in rechtlichen Bestimmungen und Durchsetzungsmaßnahmen
ausnutzen. Auf Napster folgten KaZaA und BitTorrent-Dienste, die selbst keine Kopien vorhalten,
sondern Nutzer nur verbinden. Ein ähnliches Bild ergibt sich für Webseiten-Sperrungen, zum
Beispiel von kino.to oder The Pirate Bay. Im Folgenden werden eine Reihe Studien aus den letzten
Jahren zusammengefasst. Alle betrachten den Markt für Filme oder TV-Sendungen.
Die Schließung von Megaupload im Januar 2012 ist mehrfach untersucht worden. Megaupload war
ein sogenannter Cyberlocker oder Sharehoster. Es ermöglichte Nutzern insbesondere Filme in ein
entferntes Rechenzentrum hochzuladen und wieder auf diese Dateien und auf Dateien anderer
Nutzer zuzugreifen. Es gibt eine Reihe solcher Online-Dienste, die sich über Werbung oder NutzerAbonnements finanzieren, und damit professionelle Anbieter mit einem Erwerbsinteresse sind. Oft
operieren Cyberlocker von entlegenen Regionen und Ländern aus, wo besonders freizügige Regeln
gelten oder eine geringe Rechtsdurchsetzung besteht. Viele Unternehmen verbergen ihren
Firmensitz vor den Behörden.
Danaher & Smith (2014) diskutieren die Wirkung der Megaupload-Schließung auf den autorisierten
Videoverleih und Videoverkäufe. Megaupload hatte viele Nutzer und wurde plötzlich und ohne
öffentliche Vorwarnung geschlossen, was eine günstige Gelegenheit für eine empirische
Untersuchung ergab. Danaher & Smith (2014) betrachten, wie sich die Einnahmen der
Filmwirtschaft nach der Megaupload-Schließung in Ländern verändert haben, in denen Megaupload
unterschiedlich stark genutzt worden ist. Megaupload wurde zum Beispiel in Spanien und
Frankreich von besonders vielen Verbrauchern genutzt und war in Österreich und Deutschland
weniger populär. Die Autoren haben von drei nicht genannten großen Filmstudios Daten zum
wöchentlichen digitalen Videoverleih und -verkauf erhalten. Der Untersuchungszeitraum umfasst
18 Wochen nach der Megaupload-Schließung. Die Analyse ergibt, dass die Megaupload-Schließung
zu ca. 8% mehr digitalen Verkäufen und ca. 7% mehr digitalem Verleih geführt hat.
Peukert et al. (2013; Version vom 24. Februar 2013) untersuchen in einem noch recht skizzenhaften
Arbeitspapier die Wirkung der Megaupload-Schließung auf Kinoverkäufe. Sie nutzen wöchentliche
Verkaufsdaten von boxofficemojo.com für den Zeitraum von Mitte 2007 bis Mitte 2012. Die Daten
decken 1.344 Filme in 49 Ländern ab. Je nach ökonometrischer Spezifikation ermitteln sie einen
insgesamt negativen (!) oder keinen signifikanten Effekt der Megaupload-Schließung auf die
Kinoverkäufe. Die Autoren sehen dies als Hinweis, dass unautorisiertes Kopieren Informationen zu
Filmen verbreitet, und besser informierte Verbraucher eine höhere Nachfrage nach autorisierten
Leistungen haben. Scheinbar wird unautorisiertes Kopieren vielfach von Verbrauchern genutzt, die
eine so niedrige Zahlungsbereitschaft haben, dass sie als Käufer für autorisierte Leistungen
ausfallen. Die positive Wirkung auf die Nachfrage scheint stärker zu sein als die Substituierung
zwischen unautorisiertem Zugang und Kinoverkäufen. Nur für Blockbuster-Filme allein ergibt sich
in einigen Spezifikationen ein signifikanter positiver Effekt der Megaupload-Schließung.
Die Ergebnisse in Peukert et al. (2013) und Danaher & Smith (2014) weichen augenscheinlich
voneinander ab. Dies könnte an mehreren Unterschieden zwischen den beiden Studien liegen.
37
Handke Urhebervergütung - Durchsetzung
Erstens betrachten Peukert et al. (2013) Kinoverkäufe und Danaher & Smith (2014) digitale
Verkäufe. Kinoverkäufe sind stärker ausschließbar, und unautorisierte Kopien über das Internet sind
wahrscheinlich ein schlechterer Ersatz für Kinoaufführungen als für autorisierte digitale Kopien.
Zweitens beziehen Peukert et al. (2013) ‚kleinere‘ Filme stärker mit ein, während Danaher & Smith
(2014) nur Daten zu Veröffentlichungen großer Filmstudios verwenden. Die Studie von Peukert et
al. (2013) gibt also möglicherweise einen besseren Hinweis auf die Wirkung für die gesamte
Filmwirtschaft und nicht nur für die führenden kommerziellen Unternehmen. Drittens decken
Peukert et al. (2013) eine größere Anzahl Länder ab. Schließlich betrachten Peukert et al. (2013)
einen längeren Zeitraum und es ist vorstellbar, dass die Megaupload-Schließung nur eine kurzlebige
Wirkung hatte, wenn Verbraucher mit der Zeit neue unautorisierte Angebote ‚entdecken‘.
Ein Arbeitspapier von Lauinger et al. (2013) diskutiert die Wirkung möglicher
Durchsetzungsmaßnahmen gegen häufig über Werbeeinnahmen finanzierte Cyberlocker in den
USA. Diese Studie ist deskriptiv. Die ‚Safe Harbour’-Regelung schützt Anbieter von
Internetdiensten davor, direkt für Urheberrechtsbrüche von Verbrauchern mithilfe ihrer Dienste
verantwortlich gemacht zu werden. Stattdessen können Rechteinhaber über sogenannte Takedown
Notices Internetdienste auffordern, spezifische unautorisierte Angebote zu löschen. Lauinger et al.
(2013) zeigen, dass Cyberlocker, die besonders sorgfältig auf die Entfernung unautorisierter Inhalte
achten, schnell Nutzer an weniger kooperative Konkurrenten verlieren. Zudem kann ServerHardware beschlagnahmt werden, wenn sich diese in der US-Jurisdiktion befindet. Für Cyberlocker
außerhalb der US-Jurisdiktion gibt es Verfahren, URL von Webseiten zu übernehmen oder zu
blockieren, wie es auch in mehreren europäischen Ländern zum Beispiel für The Pirate Bay
geschehen ist. Lauinger et al. (2013) argumentieren, dass solche Maßnahmen aufwändig und
langwierig sind, während es für Cyberlocker-Dienste relativ leicht ist, auszuweichen oder neue
Dienste aufzusetzen. Aufgrund der Vielfalt und Anpassungsfähigkeit von Cyberlocker-Diensten
sehen Lauinger et al. (2013) kaum eine Wirkung von Durchsetzungsmaßnahmen auf die technische
Erreichbarkeit unautorisierter Inhalte für Verbraucher. Die Autoren sehen am ehesten eine
psychologische Wirkung der Durchsetzungsmaßnahmen, die Cyberlocker-Anbietern und Nutzern
vermittelt, dass ihr Handeln widerrechtlich ist. Lauinger et al. (2013) sehen am ehesten die
Möglichkeit, Zahlungen zwischen den Akteuren zu erschweren (zwischen Cyberlocker-Anbietern,
Werbetreibenden, Uploadern und Downloadern), um das Angebot zu verringern. Sie weisen aber
darauf hin, dass es auch ein großes nicht-kommerzielles Angebot gibt, das nicht betroffen wäre.
Webseiten-Sperrungen scheinen wenig effektiv, da viele Nutzer ihren Aufenthaltsort verbergen
können oder auf alternative Dienste ausweichen.
In einem weiteren Arbeitspapier untersuchen Aguiar et al. (2015) eine Webseiten-Sperrung in
Deutschland. Dies betraf die in Deutschland zuvor vielfach genutzte, unautorisierte Video
Streaming Webseite kino.to im Juni 2011. Aguiar et al. (2015) nutzen Daten zu den wöchentlichen
Webseitenaufrufen (Clickstream Daten) von 5.000 deutschen Verbrauchern vom
Marktforschungsunternehmen Nielsen für das ganze Jahr 2011. Aguiar et al. (2015) vergleichen die
Anzahl der Aufrufe autorisierter und unautorisierter Film-Angebote. Die Autoren ermitteln eine
Verringerung der gesamten Besuche von unautorisierten Seiten für die ersten vier Wochen nach der
kino.to-Sperrung. Ab der fünften Woche ist die Zahl der Besuche unautorisierter Seiten schnell
wieder angestiegen. Mehrere Webseiten mit ähnlichen Angebote wie kino.to wurden häufiger
genutzt. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Fragmentierung von einer vielgenutzten Seite hin
zur Nutzung vieler kleinerer Seiten eine effektive Rechtsdurchsetzung in Zukunft erschweren kann.
Besuche von Kinowebseiten und Webseiten autorisierter Einzelhändler von Filmen auf DVD/BluRay sind unverändert geblieben. Besuche von autorisierten Einzelhändlern von Filmen als Streams
oder Downloads haben sich nur für die intensivsten kino.to Nutzer erhöht, und zwar um 2,5%.
Aguiar et al. (2015) folgern, dass die kino.to-Sperrung in erster Linie die Verbraucherrente
verringert aber die Einnahmen der Rechteinhaber wahrscheinlich kaum erhöht hat. Allerdings
38
Handke Urhebervergütung - Durchsetzung
waren im untersuchten Zeitraum weniger autorisierte Verbreitungsformen für Filme erhältlich als
heute.
In der ersten Hälfte des Jahres 2012 haben wichtige ISP in den Niederlanden den Zugang zu The
Pirate Bay gesperrt. Dabei waren unterschiedliche ISP zu verschiedenen Zeiten betroffen. Poort et
al. (2014) prüfen, ob der Anteil der ISP-Kunden, die unautorisierte Angebote nutzen, ca. 6 Monate
nach der Sperrung von The Pirate Bay für ihren Internet-Zugang zurückgegangen ist. Anhand einer
Nutzerbefragung finden sie keinen Rückgang der Nutzer unautorisierter Internet-Angebote. Anhand
direkter Beobachtung von BitTorrent-Nutzung finden sie nur einen geringen Rückgang, der zudem
durch Ausweichen auf Alternativen zu BitTorrents zurückgehen könnte. Insgesamt schließen die
Autoren, dass diese Art der Durchsetzungsmaßnahmen keinen dauerhaften Effekt gehabt hat.
Im Mai 2012 wurden ISP auch im Vereinigten Königreich verpflichtet, den Zugang zu The Pirate
Bay für ihre Kunden zu sperren. Dem folgte im Herbst 2013 die Sperrung von 19 weiteren
Webseiten, deren Angebote vielfach zum unautorisierten Kopieren genutzt wurden. Ein
Arbeitspapier von Danaher et al. (2015) untersucht die Wirkung auf das Verhalten von
Verbrauchern im Internet. Sie klassifizieren Verbraucher nach der Intensität der Nutzung
sogenannter „Piratenwebseiten“ und betrachten, wie oft Verbraucher aus den unterschiedlichen
Kategorien vor und nach den Sperrungen verschiedene autorisierte und unautorisierte Webseiten
besucht haben. Danaher et al. (2015) ziehen monatliche Daten zu den sieben Monaten vor und nach
der Sperrung in Betracht. Die einzelne Sperrung von The Pirate Bay hat praktisch keine Wirkung
auf Besuche autorisierter Online-Angebote. Verbraucher scheinen auf alternative unautorisierte
Angebote ausgewichen zu sein. Bei der nahezu gleichzeitigen Sperrung von 19 Webseiten im
Herbst 2013 hat sich dagegen ein signifikanter Effekt ergeben: Besuche von autorisierten OnlineAngeboten (wie Netflix) durch Nutzer, die auch unautorisierte Angebote gebrauchen, wurden
durchschnittlich 12% häufiger. Besonders stark fiel der Anstieg für die intensivsten Nutzer
unautorisierter Angebote aus. Für eine zumindest kurzfristig erkennbare Wirkung scheint es also
notwendig, möglichst viele unautorisierte Angebote gleichzeitig zu sperren. Allerdings geben die
Autoren die Quelle der Daten nicht an. Das Forschungsprojekt ist von der Motion Picture
Association of America (MPAA) gefördert.
Insgesamt erscheint es zweifelhaft, ob Webseiten-Sperrungen einen dauerhaften positiven Effekt
auf die Einnahmen der Rechteinhaber an Filmen haben. Wie zuvor beim Kampf gegen
unautorisierte Nutzung von Musik erweisen sich das Angebot und die Nutzung unautorisierter
Verbreitungsformen als anpassungsfähig und schwer zu unterbinden. Für eine erhebliche und
dauerhafte Wirkung auf unautorisiertes Kopieren scheint es notwendig, alle unautorisierten
Angebote möglichst gleichzeitig zu unterdrücken. Wahrscheinlich müssen immer wieder neue
unautorisierte Angebote identifiziert und bekämpft werden. Selbst wenn dies gelänge, scheint ein
starker positiver Effekt auf die Verkäufe autorisierter Angebote allerdings anhand der bisherigen
empirischen Ergebnisse nicht gesichert.
39
Handke Urhebervergütung - Durchsetzung
Empirische Literatur zum zweiten Schwerpunktthema:
Durchsetzungsmaßnahmen von Urheberrechten
Allgemein
Handke, C., Girard, Y., & Mattes, A. (2015a). Fördert das Urheberrecht Innovation? Eine empirische
Untersuchung. Expertenkommission Forschung Innovation (EFI), Studien zum deutschen
Innovationssystem
Nr.
16-2015.
Online:
http://www.efi.de/fileadmin/Innovationsstudien_2015/StuDIS_16_2015.pdf
Orme, T. (2014). The short-and long-term effectiveness of anti-piracy laws and enforcement actions. Journal
of Cultural Economics, 38(4), 351-368.
Digtales Rechtemanagement (DRM)
Sinha, R. K., Machado, F. S., & Sellman, C. (2010). Don't think twice, it's all right: Music piracy and pricing
in a DRM-free environment. Journal of Marketing, 74(2), 40-54. doi:10.1509/jmkg.74.2.40
Kim, J. H., & Leung, T. C. (2013). Quantifying the Impacts of Digital Rights Management and E-Book
Pricing on the E-Book Reader Market. Available at SSRN 2335652.
Abmahnungen privater Haushalte
Adermon, A., & Liang, C. Y. (2010). Piracy, music, and movies: A natural experiment (No. 2010: 18).
Working
Paper,
Department
of
Economics,
Uppsala
University.
(Older version of Adermon & Liang (2014) with additional information.)
Adermon, A., & Liang, C. Y. (2014). Piracy and music sales: The effects of an anti-piracy law. Journal of
Economic Behavior & Organization, 105, 90-106.
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41
Handke Urhebervergütung - Vergütungssysteme
VII. DRITTES SCHWERPUNKTTHEMA:
VERGÜTUNGSSYSTEME
In Deutschland gibt es eine lange Tradition von Vergütungssystemen, die nicht auf die
Durchsetzung exklusiver Urheberrechte abzielen, sondern auf die angemessene Entlohnung der
Rechteinhaber bei unautorisierter Vervielfältigung zum privaten Gebrauch. Kopierabgaben wurden
in Deutschland im Jahr 1966 eingeführt. Über Kopierabgaben wird versucht, Rechteinhaber für eine
Urheberrechtsschranke zugunsten privater Kopien zu entschädigen. Die Motivation bei der
Einführung war, dass effektive Durchsetzungsmaßnahmen exklusiver Rechte in Privathaushalten
unverhältnismäßig erschienen, und ansonsten kein Mittel bestand, unautorisiertes Kopieren mithilfe
von Tonbändern einzudämmen. Mittlerweile werden in den meisten europäischen Ländern
Kopierabgaben erhoben, sowie zum Beispiel in den USA und in Kanada. Die Abgaben wurden
zudem auf immer neue Kopiertechnologien ausgeweitet, inklusive Computer-Hardware (WIPO
2013).
Mit dem Aufkommen von Tauschbörsen haben sich vor allem eine Reihe von
Rechtswissenschaftlern in akademischen Veröffentlichungen für die Ausweitung von
Vergütungssystemen ausgesprochen (Lunney 2001; Ku 2002; Netanel 2003; Fisher 2004; Eckersley
2004; in Deutschland zum Beispiel Grassmuck & Stadler 2003; Grassmuck 2010). Siehe Handke et
al. (2013) für eine kurze und aktuelle Literaturübersicht mit besonderem Augenmerk auf
ökonomische Aspekte. Bis heute sind allerdings nirgends Vergütungssysteme angewandt worden,
die es Verbrauchern gegen eine Zahlung erlauben würden, geschützte Werke auch ohne
Zustimmung von Rechteinhabern aus dem Internet herunterzuladen (oder hochzuladen). In
Deutschland ist „Kulturflatrate“ eine gängige Bezeichnung für diese Idee.
VII.1 Vor- und Nachteile von Vergütungssystemen
Der direkteste Vorteil für Rechteinhaber wäre, dass ein effektives Vergütungssystem Einkommen
auf Grundlage von Nutzungsformen generiert, für die sie derzeit nicht vergütet werden.17 Ein
Vergütungssystem würde zudem analog zur kollektiven Rechtewahrnehmung funktionieren und
durch Standardisierung von Nutzungskonditionen und Bündelung von Transaktionen zu einer
Verringerung von Transaktionskosten führen. Für Verbraucher wäre der direkteste Nutzen eines
Vergütungssystems, dass die Wahrscheinlichkeit abnimmt, abgemahnt oder verklagt zu werden.
Eine effektive Entlohnung von Rechteinhabern könnte sich auf Dauer auch für Verbraucher als
nützlich erweisen, wenn sich hierdurch das Angebot werthaltiger kreativer Werke erhöhen würde.
Zudem weisen Umfrageergebnisse konsistent darauf hin, dass Verbraucher es als Wert an sich
ansehen, dass Kreative, deren Werke sie nutzen, entlohnt werden (Rochelandet & le Guel 2005;
Hennig-Thurau et al. 2007; Fetscherin 2009). Schließlich könnte ein Vergütungssystem den
Aufwand für soziale Konflikte um das Urheberrecht verringern, inklusive der daraus entstehenden
Kosten für den Steuerzahler.
Aus ökonomischer Sicht ist der größte Nachteil eines Vergütungssystems, dass standardisierte
Preise und Nutzungsbedingungen die Handlungsmöglichkeiten für Akteure einschränken und den
Marktmechanismus außer Kraft setzen können (Liebowitz 2003; 2005; Merges 2004; Liebowitz &
Watt 2006). Die für eine effiziente Preisfindung nötigen Informationen bezüglich der Nachfrage
wären mit einer verpflichtenden Teilnahme aller (Breitband-)Internetnutzer schlicht nicht mehr
erhältlich. Des Weiteren trifft die übliche Kritik an kollektiver Rechtewahrnehmung und
Verwertungsgesellschaften zu: Diese Organisationen funktionieren oft als faktische Monopole mit
entsprechender Marktmacht und sind als große Unternehmen oft durch komplexe und langsame
17
Allerdings würde eine Legalisierung von Tauschbörsennutzung (und ähnlicher Online-Angebote) deren Nutzung
attraktiver machen und könnte sonstige autorisierte Leistungen teilweise ersetzen.
42
Handke Urhebervergütung - Vergütungssysteme
Entscheidungsprozesse gekennzeichnet. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass die
Verteilung der Einnahmen unter den Rechteinhabern zuverlässig der tatsächlichen Nutzung der
Werke entspricht, um effiziente ‚marktkonforme‘ Anreize für die Anbieter kreativer Werke zu
sichern. Bei bestehenden Verwertungsgesellschaften wird dieser Aspekt oft kritisiert.
Verwertungssysteme erscheinen am ehesten erstrebenswert, wenn sich die Nutzung im Internet
relativ preiswert und effektiv beobachten ließe, etwa durch Monitoring eines repräsentativen
Querschnitts der Verbraucher. Siehe hierzu Spindler (2014: 135ff.), der mehrere Möglichkeiten
aufzeigt und zu einer optimistischen Beurteilung kommt. Dabei ist zu beachten, dass auch die
Ausschüttungen von Internet-Plattformen an Rechteinhaber auf Beobachtungen des
Verbraucherverhaltens zurückgehen. Bei kommerziellen Plattformen ist der Prozess der
Nutzungsfeststellung und Ausschüttung der Einnahmen an Rechteinhaber bisher noch schwerer von
außen zu kontrollieren als bei Verwertungsgesellschaften, die durch ihre Mitglieder und staatliche
Behörden reguliert sind.
VII.2 Empirische Ergebnisse
Die Debatte um Online-Vergütungssysteme krankt daran, dass kaum belastbare empirische Daten
vorliegen, um die Wirkung eines solchen Systems vorherzusagen. Das liegt zum einen daran, dass
kein Vergütungssystem bisher Tauschbörsen und ähnliche Online-Angebote mit einbezogen hat.
Somit sind relevante Beobachtungen zum tatsächlichen Verhalten von Verbrauchern nicht
verfügbar. Zum anderen wären die Folgewirkungen eines Vergütungssystems weitreichend und sind
schwer vorab zu erfassen.
In einer Buchveröffentlichung berichten Karaganis & Renkema (2012) von Ergebnissen einer
umfangreichen Umfrage unter US amerikanischen und deutschen Verbrauchern aus dem Sommer
2011, mit 1.000 Telefoninterviews allein in Deutschland. Die Umfrage hat auch die
Zahlungsbereitschaft für eine „Breitband-Gebühr“ zur Entschädigung von Rechteinhabern für
unautorisiertes Kopieren abgefragt. In Deutschland waren 61% der Befragten bereit, eine „kleine“
Gebühr zu zahlen und unter diesen Befürwortern lag die durchschnittliche Zahlungsbereitschaft bei
etwa 16 Euro pro Monat für „Zugang zu allen Liedern, Filmen und TV-Sendungen“. In den USA
waren 48% bereit zu zahlen, im Schnitt fast 18 Dollar pro Monat (Karaganis & Renkema 2012: 5658). Die Publikation enthält eine Liste mit ähnlichen Ergebnissen aus Umfragen in Schweden,
Deutschland und dem Vereinigten Königreich, die aber allesamt nicht akademisch veröffentlicht
worden sind.
In einem Bericht für die Partei Die Grünen präsentiert der Göttinger Jurist Spindler (2013; 2014)
eine umfassende Diskussion einer Kulturflatrate. Er behandelt dabei auch die „wirtschaftliche
Vertretbarkeit“. Besonderes Augenmerk legt Spindler auf die angemessene Beitragshöhe pro
Haushalt. Er verwendet verschiedene Berechnungsmethoden.
In der Lizenzanalogie geht Spindler (2014) vom gegenwärtigen Nutzerverhalten aus und rechnet
diese mit den üblichen Lizenzzahlungen bei autorisierter Nutzung hoch. Er zieht die Aufwendungen
für den Vertrieb ab, die bei ‚freier‘ Online-Verbreitung nicht mehr für die Rechteinhaber anfallen.
So kommt Spindler (2014) auf ca. 7,90 Euro monatlich pro Breitband-Anschluss für Musik, 5,30
Euro für Filme und 1,60 Euro für Bücher beim derzeitigen Nutzerverhalten. Insgesamt ergeben sich
ca. 14,70 Euro pro Monat. Ohne Abzug der Vertriebskosten ergeben sich sehr viel höhere Summen
(bis zu ca. 120 Euro pro Monat), was in der Praxis bedeuten würde, dass die Einnahmen der
Rechteinhaber sich mit einem Schlag um ein vielfaches erhöhen würden. Ein Schwachpunkt dieser
Berechnungen ist, dass mit den vorhandenen Daten wenig zu den Veränderungen im
Nutzerverhalten zu sagen ist, die sicher mit der Einführung eines Vergütungssystems entstünden
und die Berechnungsgrundlage verändern würden.
43
Handke Urhebervergütung - Vergütungssysteme
In einem anderen Ansatz nimmt Spindler (2014) Schätzungen der tatsächlichen Substitution als
Grundlage für die Ansprüche der Rechteinhaber bei einer Kulturflatrate. Er geht von einer
Substitutionsrate von 30% aus, die er als ‚worst-case‘ betrachtet. Hier ermittelt er eine jährliche
Zahlung pro Breitband-Anschluss von 9,50 Euro für Musik, 7,40 Euro für Filme und 37,10 Euro für
Bücher. Hinzu kommen 8,10 Euro Verwaltungskosten, angenommen als 15% der
Gebühreneinnahmen, was im Vergleich zu Verteilungsquoten der effizienteren
Verwertungsgesellschaften wie der GEMA (ca. 95%) nicht zu optimistisch erscheint. Inklusive der
Verwaltungskosten errechnet Spindler (2014) insgesamt eine monatliche Gebühr von rund 5,20
Euro pro Breitband-Anschluss. Hierbei ist zu beachten, dass die tatsächliche Substitution höchst
fraglich ist und sich wie gesagt mit Einführung einer Kulturflatrate sicher große Veränderungen im
Nutzerverhalten ergeben würden. Wahrscheinlich verringerte sich die Nachfrage nach anderen,
nicht in der Kulturflatrate abgedeckten Angeboten für Kopien kreativer Werke, so dass eine
Substitutionsrate von 30% kaum als ‚worst case‘ erscheint. (Zudem würde sich die Nachfrage für
Breitband-Anschlüsse wahrscheinlich verändern.) Die Höhe der Flatrate-Gebühr könnte dem zwar
angepasst werden. Dies hieße aber, dass die Einnahmen der betroffenen Branchen an einem mehr
oder weniger beliebigen Zeitpunkt festgesetzt würden. Die Zahlungen der Verbraucher würden von
der tatsächlichen Attraktivität des Angebots kreativer Werke entkoppelt. Auch eine Prognose der
kontrafaktischen Nachfrageentwicklung ohne Kulturflatrate wäre unausweichlich fehlerhaft. Mit
Veränderungen der Marktsituation ergäben sich auf die Dauer Fehlanreize und Fehlallokationen.
Die Substitutionsrate als Grundlage für eine Gebühr scheint gerecht, ist aber praktisch nicht
umsetzbar.
Die Berechnungen in Spindler (2014) lassen für sich allein keine Rückschlüsse auf die
gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtseffekte zu, da sie kein angemessenes Maß für die
Zahlungsbereitschaft der Verbraucher in Betracht ziehen. Für Karaganis und Renkema (2012) gilt
umgekehrt, dass sie die Zahlungsbereitschaft von Verbrauchern nicht mit den zur Kompensation
von Rechteinhaber nötigen Einnahmen in Bezug setzen.
In einer akademisch veröffentlichten Studie betrachten Handke et al. (2015b) den Wohlfahrtseffekt
eines Vergütungssystems für Online verfügbare Musikaufnahmen. Grundlage ist eine repräsentative
Umfrage unter knapp 5.000 Einwohnern der Niederlande.18 Bei der Umfrage handelt es sich um ein
sogenanntes Discrete Choice Experiment. Dem derzeitigen Wissensstand zufolge ist diese
Befragungsmethode das effektivste Mittel, valide Informationen zur Zahlungsbereitschaft für
Leistungen zu ermitteln, für die noch keine tatsächlichen Marktdaten erhältlich sind (Arrow &
Solow 1993; Bateman et al. 2002). Einfachere Befragungsmethoden zur Zahlungsbereitschaft
führen in der Regel zu übertrieben hohen Ergebnissen. Handke et al. (2015b) decken eine Vielzahl
möglicher Versionen eines Vergütungssystems ab. In allen Varianten wird eine zusätzliche Gebühr
bei Zahlungen an ISP für Internet-Anschlüsse erhoben, die anschließend über eine
Verwertungsgesellschaft an Rechteinhaber verteilt wird.
Um übertrieben optimistische Ergebnisse auszuschließen, treffen die Autoren in der
Wohlfahrtsanalyse einige ‚worst case‘-Annahmen. Dazu gehört die Annahme, dass alle Teilnehmer
an einem Vergütungsmodell keine Musikaufnahmen mehr über sonstige Vertriebsmethoden
erstehen (vollständige Substitution). Der Gesamtumsatz im niederländischen Markt für
Musikaufnahmen (inklusive digitaler Angebote) betrug im Jahr vor der Befragung durchschnittlich
gut 1,70 Euro pro Monat und Haushalt. Bei verpflichtender Teilnahme aller Haushalte mit InternetZugang wäre die durchschnittliche Zahlungsbereitschaft für ein Vergütungssystem gut 9,20 Euro
18
In den Niederlanden hat zum Zeitpunkt der Befragung praktisch keine Verfolgung bei unautorisiertem privaten
Kopieren über das Internet stattgefunden, und der autorisierte digitale Markt hatte bereits einen großen Marktanteil. Die
Attraktivität eines Vergütungssystems sollte demnach in den Niederlanden relativ gering gewesen sein im Vergleich zu
Deutschland, wo Abmahnungen von privaten Haushalten wegen Urheberrechtsbrüchen häufiger stattfinden.
44
Handke Urhebervergütung - Vergütungssysteme
pro Monat und Haushalt. Jeder Preis zwischen diesen beiden Werten ergäbe einen NettoWohlfahrtsgewinn und wäre sowohl für Verbraucher als auch für Rechteinhaber als Ganzes
vorteilhaft. Die gesamte Wohlfahrtssteigerung läge bei mehr als 600 Millionen Euro pro Jahr. Das
sind mehr als 35 Euro pro Einwohner und ein Vielfaches des Gesamtumsatzes im derzeitigen Markt
von 144 Millionen Euro.
Ein
Vergütungssystem
mit
freiwilliger
Teilnahme
von
Verbrauchern
erscheint
gesamtgesellschaftlich in Handke et al. (2015b) noch günstiger. Bei einer monatlichen Gebühr von
5 Euro würden 44,6% freiwillig teilnehmen. Die Einnahmen für Rechteinhaber fielen niedriger aus
als bei obligatorischer Teilnahme aller Internetnutzer, aber eine große Zahl an Verbrauchern, die
nicht bereit sind, mindestens 5 Euro monatlich zu zahlen, würden geschont. Langfristig würde ein
Vergütungssystem mit freiwilliger Teilnahme für Verbraucher außerdem den bisher wichtigsten
Kritikpunkt in der ökonomischen Literatur abmildern: ein Marktmechanismus bliebe besser
erhalten, wenn die Einnahmen aus dem Vergütungssystem durch Ein- und Austritte von
Verbrauchern mit Veränderungen des Angebots variieren könnten. Ein Nachteil eines freiwilligen
Systems wäre, dass bezüglich der nicht teilnehmenden Verbraucher die derzeitigen Probleme mit
unautorisiertem digitalen Kopieren und Diskussionen um Rechtsdurchsetzung fortbestünden.
Handke et al. (2015b) diskutieren eine Reihe weiterer Konsequenzen, wie die langfristige Wirkung
auf das Angebot kreativer Werke, die Wirkung auf den bestehenden Einzelhandel und den
Wettbewerb zwischen Online-Verbreitern kreativer Werke, sowie die Nachfrage nach InternetZugang. Sie finden keine erheblichen Einwände. Die meisten dieser weiteren, in den Berechnungen
nicht berücksichtigten Folgen eines Vergütungssystems würden den Wohlfahrtseffekt eines
Vergütungssystems wahrscheinlich noch erhöhen.
Handke et al. (2015b) zufolge kann vor tatsächlicher Erprobung in der Praxis kaum ein klareres
Signal bestehen kann, dass ein Vergütungssystem bei Musikaufnahmen sowohl für Verbraucher als
auch für Rechteinhaber vorteilhaft wäre. Die Autoren betonen die Unsicherheit, die bei jeder
Befragung zur Zahlungsbereitschaft besteht und empfehlen zunächst eine experimentelle
Erprobung.19
19
Aus den Regressionen in Handke et al. (2015b) ergibt sich, dass unter der konservativen Annahme vollständiger
Substitution auch ein gemeinsames Vergütungssystem für Musik und Filme für Verbraucher und Rechteinhaber
gleichzeitig vorteilhaft wäre. Für Bücher ergäben die Gebühren, die Verbraucher im Schnitt zu zahlen bereit sind aber
nicht annähernd die Höhe der derzeitigen Einnahmen für Rechteinhaber aus dem Verkauf autorisierter Kopien. Viele
Verbraucher scheinen bisher eine starke Vorliebe für gedruckte Bücher zu haben. Damit ist Annahme vollständiger
Substitution konventioneller Verkäufe durch ein Vergütungssystem für Bücher womöglich irreführend.
45
Handke Urhebervergütung - Vergütungssysteme
Empirische Literatur zum dritten Schwerpunktthema:
Vergütungssysteme
Handke, C., Bodó, B. & Vallbé, J.J. (2015b). Going means trouble and staying makes it double: The value of
licensing recorded music online. Journal of Cultural Economics, angenommen im April 2015. Online:
http://link.springer.com/article/10.1007/s10824-015- 9251-8
Karaganis, J., & Renkema, L. (2012). Copy Culture in the US and Germany. New York: The American
Assembly.
Spindler, G. (2014). Rechtsprobleme und wirtschaftliche Vertretbarkeit einer Kulturflatrate: Überarbeitung
des im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündins 90/Die Grünen erstellten Gutachtens Stand 08. Januar
2014. Universitätsverlag Göttingen.
46
Handke Urhebervergütung - Vergleich
VIII. STÄRKEN UND SCHWÄCHEN DER IN DEN SCHWERPUNKTTHEMEN
BEHANDELTEN OPTIONEN AUS WOHLFAHRTSÖKONOMISCHER SICHT
Die Schwerpunktthemen behandeln drei verschiedene Ansätze für die Urheberechtspolitik, um
Rechteinhaber im Zusammenhang mit der Verbreitung digitaler Kopiertechnologie zu schützen und
nachhaltig ein hochwertiges Angebot kreativer Werke zu fördern:
(1) Regelung oder
Urheberrechten;
staatliche
Durchführung
von
Maßnahmen
zur
Durchsetzung
von
(2) die ‚Marktlösung’ aus Vertrauen auf die Anpassungsfähigkeit der Akteure in den
Urheberrechtsbranchen
und
gegebenenfalls
punktuelle
Regelungen
um
einen
Anpassungsprozess zu beschleunigen;
(3) Einführung eines Vergütungssystems durch Legalisierung von Tauschbörsennutzung (und der
Nutzung ähnlicher Dienste) für Verbraucher gegen eine erweiterte Kopierabgabe.
Bei jeder Handlungsoption stellt sich zunächst die Frage nach der Wirksamkeit gegen
unautorisiertes Kopieren und auf die Einnahmen der Rechteinhaber. Weitere Aspekte der
wohlfahrtsökonomischen Bewertung sind auch die zu erwartenden Konsequenzen für:
(1) Transaktionskosten;
(2) Verwaltungskosten für die öffentliche Hand;
(3) Anreizprobleme, wenn für beteiligte private Unternehmen kein genuines Interesse an einem
effektiven Urheberrechtsschutz besteht oder gesamtgesellschaftlich schädliches Verhalten für
sie sogar einen individuellen Nutzen bietet, 20 sowie Informationsprobleme wenn
Organisationen mit der Ausgestaltung von Maßnahmen betraut sind, die auf Informationen aus
zweiter Hand angewiesen sind, um den Nutzen zu beurteilen.
Tabelle 2 gibt einen Überblick der empirisch belegten Wirksamkeit, sowie wahrscheinlicher
weiterer Konsequenzen verschiedener Handlungsoptionen oder Entwicklungen. Der Literatur
folgend liegt das Augenmerk besonders auf der Musikindustrie und der Filmwirtschaft. Die
jeweiligen Aspekte werden grob mittels einer Skala bewertet: von „++“ für „sehr positiv“ bis „- -“
für „sehr negativ“ im Vergleich zu anderen Optionen, wobei positive Bewertungen nur vergeben
werden, wenn auch absolut eine positive Wirkung zu erwarten ist. Ein neutraler Wert ist mit „o“
markiert. Einige Felder sind aus Sicht des Autors nicht zu bewerten.
Die Wirksamkeit gegen unautorisiertes Kopieren und auf die Einnahmen der Rechteinhaber lässt
sich zum Teil direkt auf Grundlage der relevanten empirischen Forschungsergebnisse beurteilen.
Allerdings ist eine Besonderheit bei der wohlfahrtsökonomischen Bewertung einer Wirkung auf
unautorisiertes Kopieren zu beachten: Gelingt es, unautorisiertes Kopieren zu unterbinden, kann
sich nur ein positiver Wohlfahrtseffekt ergeben, wenn die Einnahmen der Rechteinhaber dadurch
steigen (und damit auf lange Sicht hoffentlich das werthaltige Angebot kreativer Werke zunimmt).
Ohne einen positiven Einnahmen- oder Angebotseffekt wäre eine Unterdrückung unautorisierter
Nutzung zulasten der betreffenden Verbraucher aus ökonomischer Sicht negativ zu bewerten. Die
‚freie’ Nutzung durch Verbrauchter mit einer geringen Zahlungsbereitschaft oder -fähigkeit ist kein
Problem an sich, sondern nur problematisch, wenn sie Rechteinhaber schlechter stellt.
Durchsetzungsmaßnahmen schließen mehreren Studien zufolge überwiegend Verbraucher aus, die
20
Die Anreizproblematik für Verbraucher, Werke zu nutzen ohne die Hersteller zu entlohnen, ist bereits unter
‚Wirksamkeit gegen unautorisiertes Kopieren und auf Einnahmen der Rechteinhaber‘ abgedeckt.
47
Handke Urhebervergütung - Vergleich
nicht willens oder in der Lage sind, für autorisierte Leistungen zu zahlen. Dies ist
wohlfahrtsökonomisch von Nachteil (Mafioletti & Ramello 2004; Aguiar et al. 2015). Daher wird
in Tabelle 2 nur die Wirksamkeit auf die Einnahmen der Rechteinhaber bewertet.
Die Höhe der insgesamt für alle beteiligten privaten Akteure anfallenden Transaktionskosten und
der Verwaltungskosten für die öffentliche Hand beruht in Ermangelung belastbarer Daten auf drei
einfachen Überlegungen: Wie viele Interaktionen finden statt? Bestehen Anreize und Möglichkeiten
für Akteure, sich den Interaktionen zu widersetzen oder zu täuschen, und wie aufwändig ist es,
unkooperativem oder opportunistischem Verhalten entgegenzuwirken? Wie ist die Aufgabenteilung
zwischen privaten Teilnehmern und der öffentlichen Hand?
Bezüglich der Anreiz- und Informationsprobleme wird auf Fehlanreize und fehlende direkte
Einblicke bei wichtigen Akteuren hingewiesen, sowie auf die negativen Folgen, die sich dadurch
bei den jeweiligen Maßnahmen ergeben können. Ein Beispiel für ein Anreizproblem ist, dass DRMBetreiber kein genuines Interesse haben, zusätzliche Kosten auf sich zu nehmen, um
Urheberrechtsschranken bei der Anwendung technischer Beschränkungen der Nutzung zu erhalten.
So befürchten zum Beispiel Lunney (2001) und Elkin-Koren & Salzberger (2012), dass effektives
DRM zu einer Aushöhlung bestehender Urheberrechtsschranken führen könnte. Ein Beispiel für ein
Informationsproblem ist, dass die Preisfindung bei für Internetnutzer obligatorischen
Vergütungssystemen nicht mehr durch Marktmechanismen bestimmt werden kann.
Insgesamt sollte ein systematischer Vergleich, wie er in Tabelle 2 dargestellt wird, hilfreich sein.
Die Bewertung durch diesen Autor bleibt aber beim derzeitigen Wissensstand in Teilen spekulativ.
Eine Fortführung und Verfeinerung durch weitere Experten oder quantitativ-empirische Forschung
ist erstrebenswert.
Der Bewertung in Tabelle 2 zufolge gibt es keine einzelne, eindeutig überlegene Handlungsoption.
Zudem besteht in der Praxis bereits eine Mischung verschiedener Ansätze. Vergütungssysteme
beinhalten als kaum angewandte Option für die ‚Lösung‘ der Digitalkopie-Problematik relativ hohe
Entwicklungskosten und Unsicherheit. Ist die Teilnahme für alle Internet-Nutzer verbindlich,
müssen zudem auch Verbraucher eine Gebühr entrichten, die keine entsprechende Wertschätzung
für die Gegenleistung des rechtssicheren Zugangs zu allen Online-Angeboten haben. Dieses
Problem tritt bei freiwilliger Teilnahme, etwa durch ein opt-out, nicht auf. Ansonsten schneiden
Vergütungssysteme nach vielen Kriterien dem derzeitigen Wissensstand nach gegenüber
Durchsetzungsmaßnahmen relativ gut ab. Private Plattformen sind in ihrer Funktion
Vergütungssystemen recht ähnlich: Beide beruhen auf einer zentralen Organisation, die
standardisierte Preise und Nutzungsbedingungen für eine Vielzahl differenzierter Werke,
Werksanbieter und Verbraucher entwickeln. Profitorientierte Plattformen haben aber stärkere
Anreize als nicht profitorientierte Verwertungsgesellschaften, eine mögliche Marktmacht
auszunutzen. Zudem werden Verwertungsgesellschaften durch ihre Mitglieder (Rechteinhaber)
kontrolliert und wären so auf der Seite der Anbieter kreativer Werke weniger bedenklich. Darüber
hinaus besteht eine relativ effektive öffentliche Regelung von Verwertungsgesellschaften im
Vergleich zur Situation bei multinationalen Unternehmen, die Online-Einzelhandelsplattformen für
kreative Werke betreiben.
48
Handke Urhebervergütung - Vergleich
Tabelle 2: Wirksamkeit und weitere Konsequenzen verschiedener Maßnahmen zur Vergütung von
Rechteinhabern
Wirksamkeit
Gegen
unautorisiertes Kopieren
Auf Einnahmen für
Rechteinhaber
Insgesamt
anfallende
Transaktionskosten
Verwaltungskosten der
öffentlichen
Hand
Anreiz- und
Informationsprobleme
Sonstiges
Die Bewertungssymbole stehen für: ++ sehr positiv; + positiv; o neutral; - negativ; - - sehr negativ; jeweils im Vergleich zu den anderen Maßnahmen.
Durchsetzungsmaßnahmen
DRM / EULA
Abmahnungen
durch private
Akteure
Für
Rechteinhaber
bisher wohl
nicht
ausreichend
-
Zwei Studien
zufolge relativ
stark
+
Eine Studie findet
steigende
Musikverkäufe
(>30%) in Schweden
aber keine Effekte auf
Filmverkäufe
(Bhattacharjee
et al. 2006;
Adermon und
Liang 2014)
Nicht zu
beurteilen
++
--
--
Eigenständige
Lösung durch
Rechteinhaber
Mögliche
Aushöhlung
bestehender
Schranken des
Urheberrechts
Rechtsunsicherheit für
Verbraucher
durch vielfältige
Nutzungsbedingungen
--
o
--
--
Hohe Kosten der
Überwachung
aller potentiellen
‚Piraten’ und bei
der Interaktion
mit identifizierten
‚Piraten‘
Potential
zahlreicher
juristischer
Konflikte; ISP
Auskunftspflichten müssen
reguliert werden
Möglichkeit
opportunistischen
Verhaltens durch
profitorientierte
Abmahnungsunternehmen;
ISP haben kein
genuines
Interesse an
Mitwirkung
Probleme mit
Rechtsunsicherheit für
Verbraucher und
dem Abwägen
zwischen
Rechtsdurchsetzung und
Schutz der
Privatsphäre;
Kosten für ISP
+
--
--
--
-
Eine Studie findet
stabilere digitale
Verkäufe von Musik
in Frankreich (+25%
im Vergleich zu
rückläufigen
Entwicklung in
Vergleichsländern)
Hohe Kosten der
Überwachung
aller potentiellen
‚Piraten’ und bei
der Interaktion
mit identifizierten
‚Piraten‘
Kosten entfallen
komplett auf den
Steuerzahler,
wenn
Strafzahlungen
nicht zur Finanzierung der
Rechtsdurchsetzung
herangezogen
werden;
Auskunftspflichten der ISP
müssen reguliert
werden
Ein effizientes
Verhältnis von
Kosten und
Nutzen ist kaum
festzustellen;
Fehlanreize durch
Rent-seeking; ISP
haben kein
genuines
Interesse an
Mitwirkung
Probleme mit
dem Abwägen
zwischen
Rechtsdurchsetzung und
Schutz der
Privatsphäre;
Kosten für ISP
o
+
-
--
Drei Studien finden
eine Steigerung
digitaler Filmverkäufe
(2,5% bis 12%); eine
Studie findet keine
Wirkung; Effekte
einzelner Sperrungen
sind anscheinend
kurzlebig
Interaktion mit
relativ wenigen
Akteuren nötig;
für dauerhafte
Wirkung aber
wahrscheinlich
kontinuierliche
und umfassende
Maßnahmen
gegenüber
Webseitenbetreibern nötig
Ausführliche
staatliche oder
juristische
Kontrolle nötig,
um
Webseitenbetreiber vor
fälschlicher
Sperrung zu
schützen
Ein effizientes
Verhältnis von
Kosten und
Nutzen ist kaum
festzustellen;
Fehlanreize durch
Rent-seeking; ISP
haben kein
genuines
Interesse an
Mitwirkung
Für Rechteinhaber
bisher wohl nicht
ausreichend
(Adermon und Liang
2010; 2014)
Abmahnungen
durch
öffentliche
Behörden
(z.B. HADOPI)
Kaum
empirisch
belegt;
wahrscheinlich
relativ stark
(Danaher et al. 2014)
WebseitenSperrung
Kaum
empirisch
belegt;
wahrscheinlich
relativ stark.
(Danaher & Smith
2014; Peukert et al.
2013; Aguiar et al.
2015; Danaher et al.
2015)
fortgesetzt auf der nächsten Seite
49
Handke Urhebervergütung - Vergleich
Wirksamkeit
Gegen
unautorisiertes Kopieren
Auf Einnahmen für
Rechteinhaber
Insgesamt
anfallende
Transaktions-kosten
Verwaltungskosten der
öffentlichen
Hand
Anreiz- und
Informationsprobleme
Sonstiges
Die Bewertungssymbole stehen für: ++ sehr positiv; + positiv; o neutral; - negativ; - - sehr negativ; jeweils im Vergleich zu den anderen Maßnahmen.
Private, autorisierte
Plattformen
(z.B. Amazon, iTunes
Store, Spotify, Netflix)
Zwei Studien
zufolge stark
Vergütungssystem
Teilnahme für
Internetnutzer
obligatorisch
Legalisierung
(Danaher et al.
2010; Poort &
Weda 2015)
o
o / ++
-
--
Möglichkeit höherer
Umsätze aber
wahrscheinlich
geringe Ausschüttungen an
Rechteinhaber/
Kreative aufgrund der
Marktmacht der
Plattformen
Zunächst hohe
Entwicklungskosten;
dann Ersparnisse
durch Bündelung und
Standardisierung von
Transaktionen
Regulierung
marktmächtiger
Plattformen nötig
Starke Anreize
zu wettbewerbswidriger
Kollusion
zwischen
Plattformen,
großen
Rechteinhabern und ISP;
Intransparenz
von Verträgen
++
o / ++
-
o
--
Zwei Studien
ermitteln eine hohe
durchschnittliche
Zahlungsbereitschaft
von Verbrauchern;
zwei Studien zufolge
geringe Zahlungen
pro Haushalt nötig
um Gesamteinnahmen der
Rechteinhaber zu
steigern
Zunächst hohe
Entwicklungskosten;
dann Ersparnisse
durch Bündelung und
Standardisierung von
Transaktionen
Umfassende
staatliche/
juristische
Kontrolle der
betreffenden
Verwertungsgesellschaft(en)
nötig
ISP haben kein
genuines
Interesse an
der Gebührenerhebung
mitzuwirken
Preisfindung
schwierig;
ambivalente
Wirkung auf
Verbraucher;
Kosten für ISP bei
der (erstrebenswerten) Gebührenerhebung durch
diese; Umstellungskosten für
bestehenden
digitalen
Einzelhandel
+
o / ++
-
o
o
Eine Studie ermittelt
eine hohe
Zahlungsbereitschaft
unter einer großen
Zahl von
Verbrauchern; geringe
Zahlungen pro
Haushalt nötig um
Gesamteinnahmen
der Rechteinhaber zu
steigern
Zunächst hohe
Entwicklungskosten;
dann Ersparnisse
durch Bündelung und
Standardisierung von
Transaktionen
Staatliche/
juristische
Kontrolle der
betreffenden
Verwertungsgesellschaft(en)
nötig;
ISP haben kein
genuines
Interesse an
der Gebührenerhebung
mitzuwirken
Unzweifelhafter
Nutzen für
Verbraucher bei
freiwilliger
Teilnahme;
Preisfindung durch
Marktmechanismen möglich;
Kosten für ISP bei
der (erstrebenswerten) Gebührenerhebung durch
diese;
Umstellungskosten
für bestehenden
digitalen
Einzelhandel im
Bereich der
teilnehmenden
Verbraucher
(Karaganis und
Renkema 2012;
Spindler 2014;
Handke et al. 2015b)
Vergütungssystem
Teilnahme für
Internetnutzer
freiwillig
Legalisierung
für
teilnehmende
Nutzer
(Handke et al. 2015b)
50
Handke Urhebervergütung - Fazit
IX. FAZIT
Aus der wohlfahrtsökonomischen Perspektive muss ein Urheberrechtssystem einen komplexen
Balanceakt vollführen: Eine Reihe unterschiedlicher Vor- und Nachteile für die beteiligten Akteure
müssen gegeneinander abgewogen werden. Die wesentliche ökonomische Begründung des
Urheberrechts liegt dabei im langfristigen Nutzen durch eine mögliche Förderung von Innovation.
Relevante Innovationen sind sowohl neue werthaltige kreative Werke als auch neue und effizientere
Methoden, Verbrauchern bestehende Werke zugänglich zu machen.
Um in einem durch die Digitalisierung veränderlichen Umfeld
Entscheidungsgrundlagen für die Urheberrechtspolitik zu schaffen, bedarf es:
möglichst
solide
(1)
einer umfassenden und ausgewogenen Analyse der Auswirkungen technologischer
Veränderungen für alle Betroffenen, insbesondere der Kreativen, sonstiger Rechteinhaber und
der Verbraucher;
(2)
präziser Einschätzungen des relativen Gewichts verschiedener positiver und negativer
Wirkungen, um einen Handlungsbedarf festzustellen;
(3)
präziser Vorhersagen, welche Handlungsoptionen die gesamtgesellschaftliche Situation am
ehesten verbessern, ohne exzessive Kosten oder unbeabsichtigte, negative Folgen zu
verursachen.
Dieses Ideal wird in der Praxis nur teilweise erreicht.
In den zurückliegenden Jahren haben Ökonomen zahlreiche empirische Untersuchungen zur
Wirkung unautorisierten, digitalen Kopierens und des Urheberrechtsschutzes verfasst. Diese
Literatur belegt, dass die Verbreitung digitaler Kopiertechnologie Rechteinhaber mitunter
schlechter stellt, in dem es ihre Einnahmen aus Verkäufen von autorisierten Kopien an
Endverbraucher schmälert und ihre Vermarktungsmöglichkeiten einschränkt. Langfristig kann dies
auch Verbraucher in Mitleidenschaft ziehen, falls das Angebot neuer kreativer Werke geschwächt
würde. Bisher finden sich in den wenigen Studien, die vorliegen, zwar keine Hinweise auf ein
schwächeres Angebot neuer Werke infolge unautorisierten Kopierens. Trotzdem wird vielfach der
Bedarf gesehen, die Position von Rechteinhabern zu stärken.
Viele Studien beschäftigen sich mittlerweile auch mit spezifischen Maßnahmen, um ausreichende
Anreize zur Herstellung und Verbreitung werthaltiger kreativer Werke sicherzustellen und das
Potential der Digitalisierung für ein reichhaltiges und weit zugängliches Angebot an
Medieninhalten möglichst voll auszuschöpfen. Die empirische Literatur ergibt teilweise
widersprüchliche Ergebnisse. So finden nicht alle Studien einen negativen Effekt digitalen
Kopierens auf die Einnahmen der Rechteinhaber. Es ist weder von endgültigen noch von universell
gültigen Ergebnissen auszugehen. Außerdem finden sich gelegentlich kontraintuitive Ergebnisse.
Manchen Studien zufolge schaden zum Beispiel Durchsetzungsmaßnahmen des Urheberrechts den
Rechteinhabern sogar, oder digitales Kopieren stärkt den Wettbewerb zwischen Anbietern kreativer
Werke und damit die Produktivität. Solche überraschende Befunde sprechen gegen eine
oberflächliche, unkritische Anwendung einfacher ökonomischer Argumente und für eine
kontinuierliche
Betrachtung
der
tatsächlichen
Entwicklung
in
den
einzelnen
Urheberrechtsbranchen.
Schwerpunktmäßig wurden in dieser Literaturübersicht empirische Ergebnisse zu
Durchsetzungsmaßnahmen, zur Anpassung der Urheberrechtsbranchen an die Verbreitung digitaler
Kopiertechnologie und zu Vergütungssystemen näher betrachtet.
51
Handke Urhebervergütung - Fazit
Der Literatur zufolge ist es durch Durchsetzungsmaßnahmen und durch die Entwicklung neuer,
autorisierter Verbreitungsformen teilweise gelungen, Rechteinhaber besser zu stellen. Solche aus
Sicht der Rechteinhaber positiven Ergebnisse finden sich aber nicht verlässlich und sind oft
geringfügig oder nicht von Dauer. Zudem entstehen vielfach nicht zu vernachlässigende Kosten
oder unbeabsichtigte Folgen. Eine nachhaltige, allgemein akzeptierte Lösung besteht noch nicht.
Ein besonderes Problem ergibt sich möglicherweise aus der Entwicklung stark konzentrierter,
intermediärer Unternehmen, die Werke im Internet verbreiten. Plattformen wie dem iTunes Store,
Amazon oder Netflix ist es gelungen, viele zahlende Kunden zu gewinnen, trotz Konkurrenz durch
unautorisierte Angebote. Diese Plattformen erfüllen oft Funktionen, die traditionell von
Verwertungsgesellschaften übernommen worden sind: Sie setzen standardisierte Preise und
definieren die Nutzungsbedingungen für eine Vielzahl geschützter Werke und vermarkten kreative
Werke, in der Regel ohne selbst vorab in die Herstellung dieser Werke zu investieren. Einzelne
Plattformen werden mit einiger Wahrscheinlichkeit weiterhin in ihren Bereichen sehr große
Marktanteile haben und als profitorientierte Unternehmen etwaige Marktmacht ausnutzen. Dies
könnte sowohl für Rechteinhaber als auch für Verbraucher nachteilig sein. Es scheint daher für die
derzeitige Urheberrechtspolitik notwendig, die möglichen Auswirkungen großer Markmacht von
Internet-Plattformen in Betracht zu ziehen.
Eine Alternative sind Vergütungssysteme, das heißt eine Ausweitung von Kopierabgaben auf den
Internetzugang, im Gegenzug für eine Legalisierung der privaten, nicht autorisierten Nutzung von
im Internet erhältlichen Werken, die ohnedies weit verbreitet ist. Lange wurde die Debatte um
Vergütungssysteme wie die Kulturflatrate ohne ausgefeilte empirische Grundlage geführt.
Mittlerweile liegen einige systematische Untersuchungen vor. Die Ergebnisse deuten darauf hin,
dass Vergütungssysteme eine relativ günstige Möglichkeit bieten, die Vergütung von
Rechteinhabern zu verbessern.
Ähnlich wie in Handke (2011b) finden sich nach wie vor vier Probleme in der empirischen
Literatur:
(1)
Die Literatur ist nicht ausgewogen. Der Großteil der Literatur konzentriert sich auf die
Einnahmen von Rechteinhabern und zunehmend auf Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung.
Eine Anpassung der Urheberrechtsbranchen, die langfristig etwaige Probleme mit digitalem
Kopieren abschwächen könnte, sowie Verbraucherinteressen sind bislang weniger untersucht
worden. Vor allem die Wirkung auf das Angebot neuer kreativer Werke ist selten in Betracht
gezogen worden, obwohl hier die eigentliche Zielgröße einer ökonomisch begründeten
Urheberrechtspolitik liegt.
(2)
Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen sind für die Urheberrechtsbranchen weniger
gut dokumentierte Daten erhältlich, und viele Datensätze sind von interessierten Parteien
selbst zusammengestellt worden. Das erschwert eine gründliche und stichhaltige Bewertung
der Wirkung des Urheberrechtssystems.21
(3)
Es besteht eine weite Streuung der Ergebnisse selbst für sehr ähnliche Fragestellungen. So
bleibt es zum Beispiel umstritten, inwieweit unautorisiertes, digitales Kopieren Rechteinhaber
schadet, oder ob spezifische Durchsetzungsmaßnahmen unautorisiertes Kopieren
zurückdrängen und die Einnahmen von Rechteinhabern erhöhen. Dies ist wahrscheinlich auch
in Messschwierigkeiten und einer unbefriedigenden Datenlage begründet.
21
Eine Übersicht von Datenquellen für einige Urheberrechtsbranchen findet sich in Handke et al. (2015a).
52
Handke Urhebervergütung - Fazit
(4)
Zudem deckt die empirische Literatur nur einen kleinen Teil der Urheberrechtsbranchen ab.
Der größte Teil behandelt die Musikindustrie und die Filmwirtschaft. Andere Bereiche wie
Nachrichten, Videospiele, Bürosoftware oder wissenschaftliche Arbeiten sind praktisch nicht
untersucht worden. Das spiegelt nicht die wirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche
Bedeutung dieser Branchen wider. Aufgrund der engen Fokussierung der empirischen
Literatur auf Musikindustrie und die Filmwirtschaft ist es fragwürdig, aus den bestehenden
empirischen Ergebnissen allgemeine Schlüsse auf das Urheberrecht und seine Wirkung
jenseits dieser Bereiche zu ziehen.
Insgesamt besteht ein großer Bedarf nach weitergehender empirischer Forschung, um die
Entwicklung eines allgemein akzeptablen und innovationsförderlichen Urheberrechts zu
unterstützen. Hierzu scheint es sinnvoll, dass Rechtsexperten, Ökonomen und sonstige, empirisch
orientierte Wissenschaftler zusammen arbeiten. Ökonomen sind selten zu den komplexen Details
des Urheberrechts und ihrer praktischen Umsetzung informiert, und es fehlt ihnen oft ein
Verständnis, was im bestehenden Rechtsrahmen machbar ist (der Autor ist keine Ausnahme).
Juristen sind dagegen weniger geübt in der Suche nach bestmöglichen Lösungen von
Allokationsproblemen oder in der Anwendung empirischer Forschungsmethoden.
Ein Bereich, in dem weitere empirische Ergebnisse für die Fortentwicklung des
Urheberrechtsystems besonders hilfreich wären, ist die Wirkung von Durchsetzungsmaßnahmen
und alternativen Vergütungssystemen. Dabei gilt es, die verschiedenen Optionen möglichst präzise
miteinander zu vergleichen. Diese Literaturübersicht bietet hierzu einen ersten Beitrag. Die
empirische Literatur weist darauf hin, dass Durchsetzungsmaßnahmen zwar mehrfach erprobt, aber
bisher nur sehr bedingt erfolgreich gewesen sind. Vergütungssysteme erscheinen den wenigen
bislang hierzu vorliegenden Untersuchungen zufolge dagegen recht vielversprechend (insbesondere
für die Musikindustrie), sind aber in der Praxis nicht erprobt worden.
Die hier zusammengefasste empirische Literatur bietet bereits nützliche Hinweise sowohl auf den
Bedarf einer besseren Vergütung von Rechteinhabern, als auch auf die Wirkung von verschiedenen
Handlungsoptionen. Die Literatur macht auch deutlich, dass große Wissenslücken und
Unsicherheiten bestehen. Prinzipiell spricht das dagegen, derzeit dauerhafte und für alle
Urheberrechtsbranchen gültige Lösungen festzuschreiben. Stattdessen scheint es sinnvoller,
Neuerungen zu erproben und auszuwerten, und so eine sukzessive und evidenzbasierte Anpassung
an veränderliche Marktbedingungen zu ermöglichen.
Gerade weil ein evidenzbasierter Anpassungsprozess Zeit braucht, sollte er zügig angegangen
werden. Denn schneller Fortschritt scheint gegenwärtig besonders dringlich. Es bestehen
widersprüchliche Anforderungen an das Urheberrecht. Durch technische Entwicklungen im
Rahmen der Digitalisierung scheinen nicht nur große Produktivitätszuwächse in den
Urheberrechtsbranchen möglich. Auch macht es die Digitalisierung für viele Akteure
unausweichlich, Innovation zu betreiben und mit großer Unsicherheit umzugehen. Das
Urheberrechtssystem sollte dies erleichtern, in dem es Kreativen und kommerziellen Nutzern mehr
Rechts- und Planungssicherheit bietet. Das wird angesichts der Diskrepanz zwischen rechtlicher
Definition ausschließlicher Rechte und massenhafter, unautorisierter Nutzung nur bedingt erreicht.
Gleichzeitig bedarf es oft zahlreicher und langwieriger Verhandlungsprozesse, um zu einer
Übereinkunft mit Rechteinhabern oder Verwertungsgesellschaften für neue Verbreitungsmethoden
und Nutzungsarten zu kommen, wenn dies überhaupt gelingt. Es besteht die Gefahr, das
schlechteste aus beiden Welten zu bekommen: einerseits de facto einen geringen Schutz für
Rechteinhaber und möglicherweise geringe Anreize in neue kreative Werke zu investieren;
andererseits hohe Hürden für die Entwicklung autorisierter und innovativer Verbreitungsmethoden.
Sowohl die Rechts- und Planungssicherheit als auch die Geschwindigkeit, mit der neue Formen der
Nutzung und Verbreitung legal möglich werden können, würde sich durch eine umfassende
53
Handke Urhebervergütung - Fazit
Standardisierung von Nutzungsbedingungen und Bündelung von Transaktionen verbessern. Dies
scheint auch das Bestreben der ‚Richtlinie 2014/26/EU über die kollektive Wahrnehmung von
Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an
Musikwerken für die Online-Nutzung‘ zu sein. Es ist aber zweifelhaft, ob Rechteinhaber
profitieren, wenn Standards zunehmend durch marktmächtige, profitorientierte Plattformen gesetzt
werden. Der Sinn des Urheberrechts besteht vordergründig darin, Kreative besser zu stellen. Es ist
sinnvoll, Verwertungsgesellschaften als marktmächtige (und mehr oder weniger effiziente und
innovative) Vertreter der Rechteinhaber weitgehend zu regulieren. Weniger sinnvoll ist es jedoch,
Verwertungsgesellschaften zu benachteiligen, in dem sie stärker eingeschränkt werden als private
Unternehmen, die ähnliche Funktionen mit einem klaren Profitinteresse erfüllen. Ein Anfang wäre
es, für profitorientierte Plattformenbetreiber ab einer gewissen Größe ähnliche Regulierungen in
Betracht zu ziehen, wie sie für formal nicht profitorientierte Verwertungsgesellschaften in der
Richtlinie 2014/26/EU vorgesehen sind. Das ist allerdings ein Thema, dass ökonometrisch noch
nicht beleuchtet worden ist.
54
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