arbeitsrecht news

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arbeitsrecht news
1. QUARTAL 2012
ARBEITSRECHT NEWS
DIE PERSONALAKTE
AN DER SCHNITTSTELLE ZWISCHEN PERSÖNLICHKEITSRECHT DES ARBEITNEHMERS,
DATENSCHUTZ UND INFORMATIONSBEDÜRFNIS DES ARBEITGEBERS
von Julia Zange
Frankfurt
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Maître en droit
[email protected]
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BEGRIFF UND INHALT
Die Personalakte ist die Sammlung von Dokumenten, die den Arbeitnehmer
betreffen und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Dazu
gehören etwa: Bewerbungsunterlagen, Lebenslauf, Lichtbild, Zeugnisse und
Referenzen, Personalfragebogen, Arbeitsvertrag und Ergänzungen, Beförderungen,
Gehaltssteigerungen, Führungs- und Leistungsbeurteilungen, Abmahnungen,
Bescheinigungen über Fortbildungsmaßnahmen, Krankheitsbescheinigungen,
Urlaubsanträge und -bewilligungen, Angaben zu Darlehen und Pfändungen sowie
INHALT
auch Kündigungsschreiben, Aufhebungsvertrag und Schlusszeugnis. Der gesamte
Die Personalakte
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Freiwilligkeitsvorbehalt der Teufel steckt im Detail
6
Tarifbindung, Verbandsaustritt
und „OT“-Mitgliedschaft
7
Das Arbeitszeugnis in
Recht und Praxis
Schriftwechsel zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bzw. Dritten ist
ebenfalls Bestandteil der Personalakte.
Die Personalakten werden vom Arbeitgeber geführt. Er ist „verantwortliche Stelle“
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gemäß § 3 Abs. 7 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).
Über die Art und Weise der Dokumentation und über Aufmachung und Gestaltung
der Personalakte entscheidet allein der Arbeitgeber nach pflichtgemäßem
•
Ermessen. Der Arbeitnehmer kann nicht eine beson-
für Aufstiegs- und Versetzungsentscheidungen: die
dere Gestaltung verlangen, etwa die „Paginierung“ der
Unterlagen zur Ausbildung und zum beruflichen Werde-
Personalakte (Versehen mit Seitenzahlen) oder die
gang, Fortbildungsbescheinigungen;
•
Vorheftung eines Inhaltsverzeichnisses.
für die Erfüllung der Pflicht zur Durchführung eines
betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nach
■
§ 84 Abs. 2 SGB IX sowie zur Berechnung von Entgelt-
PERSONALAKTE UND DATENSCHUTZ
Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene
fortzahlungsansprüchen: die Arbeitsunfähigkeitszeiten
Daten des Beschäftigten „für Zwecke des Beschäftigungs-
des Arbeitnehmers;
•
verhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden,
für eine Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündi-
wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines
gung: Lebensalter, Familienstand, Unterhaltspflichten,
Beschäftigungsverhältnisses oder für dessen Durchführung
Dauer der Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung.
oder Beendigung erforderlich ist“. Die Vorschrift gilt nach
§ 32 Abs. 2 BDSG ausdrücklich für jede Form der Erhebung
Wichtig: Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist jeden-
bzw. Verarbeitung von personenbezogenen Daten, so auch
fa ll s n a c h 6 M o n a t e n , a l s o n a c h d e m E r w e r b d e s
für die nicht-digitale, nicht-automatisierte Erhebung und
Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen,
Verarbeitung von personenbezogenen Daten.
die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung
zulässig, insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten
Daher dürfen auch die üblichen papiergebundenen Per-
Kündigungen (BAG v. 16. Februar 2012, 6 AZR 553/10).
sonalakten nur insoweit geführt werden, als dies für das
Arbeitsverhältnis „erforderlich“ ist, also soweit die Daten zur
Im Konzern werden Personalakten häufig an eine zen-
zweckmäßigen und legitimen Durchführung des Arbeitsver-
trale Stelle zur Verarbeitung weitergegeben. Allein aus
hältnisses benötigt werden.
der gesellschaftsrechtlichen Zugehörigkeit zu einem
Konzern folgt jedoch noch nicht die Berechtigung, perso-
Es werden z. B. folgende Daten zur Durchführung des
nenbezogene Daten konzernweit zu verarbeiten oder die
Arbeitsverhältnisses benötigt:
Personalakten zentral zu verwalten. Das BDSG kennt kein
•
für die korrekte Gehaltsabrechnung: die Sozialversiche-
Konzernprivileg. Die „verantwortliche Stelle“ ist jeweils nur
rungsdaten sowie Kirchenzugehörigkeit;
der Vertragsarbeitgeber, nicht aber die übergeordnete
Konzernmutter.
Die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener
Daten durch eine andere Konzerngesellschaft ist entweder als Auftragsdatenverarbeitung nach § 1 1 BDSG
oder als echte Funktionsübertragung zu werten. Für die
Funktionsübertragung ist ein Erlaubnistatbestand erforderlich (vor allem: Einwilligung der Arbeitnehmer).
■
PERSONALAKTE UND BETRIEBSÜBERGANG
Bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB tritt der
Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber in die bestehenden
Arbeitsverhältnisse ein. Er übernimmt naturgemäß auch die
Personalakten der übergehenden Arbeitnehmer, also derjenigen, die dem Betriebsübergang nicht widersprechen. Der
Erwerber ist nach dem Übergang der Arbeitsverhältnisse
nicht mehr „Dritter“, sondern als neuer Arbeitgeber zur
Datenverarbeitung berechtigt (§ 32 Abs. 1 BDSG).
In der Regel ist der Erwerber aber schon vor Vollzug des
Betriebsübergangs (Closing) darauf angewiesen, jedenfalls
2
•
teilweise Zugriff auf persönliche Daten seiner zukünftigen
Mitarbeiter, die personenbezogene Daten erheben,
Mitarbeiter zu erhalten, um einen nahtlosen Übergang der
verarbeiten oder nutzen, müssen bei Aufnahme ihrer
Arbeitsverhältnisse zu gewährleisten. Dies gilt etwa für die
Tätigkeit ausdrücklich auf das sogenannte Daten-
notwendigen Daten, um die Lohnbuchhaltung zu erfas-
geheimnis verpflichtet werden. Diese Verpflichtung
sen (Familienstand, Anzahl der Kinder, Krankenkasse,
umfasst die Beachtung der Datenschutzvorschriften
Religionszugehörigkeit). Außerdem sind die Arbeitnehmer
und der gesetzlichen Regelungen. Es empfiehlt sich,
vor dem Betriebsübergang zu unterrichten, was in der
der Verpflichtungserklärung die maßgeblichen Rege-
Regel durch ein gemeinsames Schreiben von altem und
lungen des BDSG im Volltext beizufügen, nämlich § 5
neuem Arbeitgeber erfolgt, und dazu sind mindestens
(Datengeheimnis), § 43 (Bußgeldvorschriften) und § 44
Name und Adresse der Mitarbeiter erforderlich. Für die
(Strafvorschriften).
Übermittlung dieser Daten besteht wohl ein berechtigtes
Interesse, nämlich die möglichst reibungslose Umsetzung
Im Rahmen von internen Ermittlungen zur Aufdeckung von
des Übergangs der Arbeitsverhältnisse, so dass sie zuläs-
Gesetzesverstößen ( Investigations ) kann es erforderlich
sig ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG).
und nach Interessenabwägung zulässig sein, auch weiteren Mitarbeitern Zugriff auf die Personalakte zu ermög-
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lichen, wenn Informationen aus den Personalakten für die
VERTRAULICHKEIT DER PERSONALAKTE
Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und die
Untersuchung erheblich sein können. Das gilt etwa für
Fürsorge verpflichten den Arbeitgeber, Personalakten
die Kontrolle durch Innenrevisoren. Der Arbeitgeber hat
vor dem Zugriff Dritter zu bewahren. Das gilt auch für
die ermittelnden Personen auch hier besonders auf die
Betriebsangehörige.
Einhaltung der Vertraulichkeit zu verpflichten und diese
Verpflichtung am besten zu dokumentieren.
Der Umfang der aufzunehmenden Unterlagen ist zu
begrenzen und deckt sich etwa mit dem Kreis der Fragen,
Besonders sensible Daten in der Personalakte unterliegen
die der Arbeitgeber im Einstellungsverfahren zulässiger-
einem verstärkten Geheimhaltungsbedürfnis und demnach
weise stellen darf.
einem gesteigerten Grad der Geheimhaltung. Dazu gehören insbesondere Daten über den körperlichen, geistigen
Der Arbeitgeber muss alle Informationen in der Personal-
und gesundheitlichen Zustand sowie Hinweise auf eine
akte vertraulich behandeln und muss im Rahmen seiner
Sucht-/Alkoholerkrankung.
Organisationspflichten auch für die vertrauliche Behandlung
durch die Sachbearbeiter Sorge tragen. Dies ist wie folgt
Der Arbeitgeber bestimmt selbst im Rahmen seiner
sicherzustellen:
Personal- und Organisationsfreiheit, wie das besondere
•
Die Personalakten dürfen nicht allgemein zugänglich
Geheimhaltungsbedürfnis in Bezug auf sensible Daten
sein, sondern müssen sorgfältig in verschlossenen
umgesetzt wird. Ein adäquates Mittel ist die Aufbewahrung
Schränken verwahrt werden.
i n e i n e m v e r s c h l o s s e n e n U m s c h l a g i n n e r h a lb d e r
Der Kreis der zugriffsberechtigten Mitarbeiter ist mög-
Personalakte, damit sie nicht bei der regelmäßigen
lichst klein zu halten. Üblicherweise haben nur die
Sachbearbeitung der Personalakte ohne konkreten Anlass
Mitarbeiter aus der Personalabteilung Zugriff, die jewei-
ins Auge fallen. Der Umschlag darf nur bei berechtigtem
ligen Vorgesetzten des Arbeitnehmers nur dann, wenn
Interesse geöffnet werden.
•
Personalentscheidungen zu treffen sind.
•
Im Rahmen der EDV-gestützten Personalaktenführung
Praxishinweis : Der Arbeitnehmer hat nach den §§ 12, 862,
hat der Arbeitgeber ein System abgestufter Zugriffs-
1004 BGB einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber
möglichkeiten zu schaffen. Der Personalverwaltungs-
ausreichende Maßnahmen zum Schutz der sensiblen
bereich, der die Personalakten führt, ist mit seiner
Gesundheitsdaten vor unbefugter Einsichtnahme, z.B. durch
Datenverarbeitung gegenüber den anderen Verwal-
Aufbewahrung in einem verschlossenen Umschlag, ergreift.
tungsbereichen dergestalt abzuschotten, dass nicht
berechtigte Personen keinen Zugriff auf den Akteninhalt
haben.
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■
SCHUTZ DER PERSONALAKTE VOR DEM ZUGRIFF
(nur) in § 83 BetrVG genannt, jedoch ist das Einsichtsrecht
DRITTER
ein nebenvertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers und
Der Arbeitsgeber hat Personalakten vor dem unberechtig-
beschränkt sich keinesfalls auf Arbeitnehmer in Betrieben
ten Zugriff Dritter zu bewahren.
mit Betriebsrat.
Vorgesetzte des Arbeitnehmers sind nicht generell befugt,
Die Personalakte ist dem Arbeitnehmer vollständig vor-
Einblick in Personalakten zu nehmen, sondern nur, wenn
zulegen. Der Arbeitgeber darf nicht einzelne („problema-
sie auch Verantwortung für Personalentscheidungen im
tische“) Schriftstücke vorher entfernen und gesondert
Hinblick auf den Arbeitnehmer tragen.
verwahren. Auch Schriftstücke mit Informationen, die dem
Arbeitgeber ausdrücklich mit der Bitte um Vertraulichkeit
Der Betriebsrat hat kein eigenes Recht auf Einsichtnahme
erteilt worden sind – wie es gelegentlich bei der Einholung
in Personalakten. Personalakten sind ihm weder vorzulegen
von Auskünften anlässlich von Bewerbungen der Fall ist –
noch auszuhändigen. Ein Einsichtsrecht als solches ergibt
sind dem Arbeitnehmer vorzulegen. Der Arbeitgeber hat
sich insbesondere nicht aus § 83 Betriebsverfassungsge-
nur die Wahl zwischen Offenlegung oder Vernichtung der
setz (BetrVG).
Unterlage.
Gerichte können die Vorlegung der Personalakte von Amts
Praxishinweis : Bei digitalen Personalakten wird der
wegen nach pflichtgemäßem Ermessen gem. § 143 ZPO
Anspruch auf Einsichtnahme durch den datenschutz-
anordnen; allerdings ist das Einverständnis des betroffenen
rechtlichen Anspruch auf Auskunft (§ 34 BDSG) ergänzt.
Arbeitnehmers erforderlich.
Dieser Anspruch soll nach dem Entwurf des Gesetzes zur
Regelung des Beschäftigtendatenschutzes künftig auch für
Behörden können das Recht zur Einsichtnahme in Perso-
in Papierform dokumentierte personenbezogene Daten und
nalakten haben. So kann etwa das Finanzamt bei Lohn-
damit für jede Personalaktenform gelten (vgl. § 27 Abs. 3
steueraußenprüfungen die Personalakten einsehen, um die
BDSG-RegE).
für die Lohnsteuer bedeutsamen Besteuerungsgrundlagen
aufzuklären. Der Arbeitgeber hat Behörden entsprechend
Einsichtnahme bedeutet, dass dem Arbeitnehmer ermög-
den gesetzlichen Vorschriften Auskunft aus der Personal-
licht wird, den gesamten Personalakteninhalt zur Kenntnis zu
akte zu erteilen (z.B. Finanzamt, Krankenkassen im Rahmen
nehmen. Einen Anspruch auf Herausgabe der Personalakte
von Betriebsprüfungen).
hat der Arbeitnehmer jedoch nicht. Jedoch ist der Arbeitnehmer befugt, Notizen, Abschriften und Kopien – auf ei-
Offenbart der Arbeitgeber unbefugt den Inhalt der
gene Kosten – anzufertigen.
Personalakte, macht er sich schadensersatzpflichtig,
wenn dem Arbeitnehmer dadurch ein Schaden entsteht
Der Arbeitgeber bzw. ein von ihm Beauftragter kann wäh-
(z.B. unterlassene Beförderung). Bei Verletzung des
rend der Einsichtnahme anwesend sein.
Persönlichkeitsrechts kommt ein Schmerzensgeldanspruch
in Betracht.
Der Arbeitnehmer kann bei der Wahrnehmung seines Einsichtsrechts gemäß § 83 BetrVG ein Betriebsratsmitglied
Verletzt die ermittelnde Person die Pflicht zur Vertraulich-
seiner Wahl hinzuziehen. Das Betriebsratsmitglied unter-
keit, verstößt sie gegen eigene Geheimhaltungspflichten
liegt einer besonderen Schweigepflicht; die Verletzung ist
gegenüber dem Arbeitgeber und greift zugleich in das
gemäß § 120 Abs. 2, 4 S. 4 BetrVG auf Antrag strafbar.
allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Arbeitnehmers ein.
Die Modalitäten des Einsichtsrechts können durch Betriebsvereinbarung geregelt werden (§ 87 Abs. 11 Nr. 1 BetrVG).
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Sonst gilt, dass der Arbeitnehmer jederzeit Einsicht nehmen
EINSICHTNAHME IN DIE PERSONALAKTE
Arbeitnehmer selbst können jederzeit in ihre Personalakten
kann; ein besonderer Anlass braucht nicht zu bestehen.
Einsicht nehmen. Zwar ist das Einsichtsrecht ausdrücklich
Die Einsicht ist grundsätzlich während der Arbeitszeit zu
4
gewähren. Der Arbeitnehmer hat jedoch auf die betrieb-
Ist dem Arbeitnehmer infolge der unrichtigen Daten ein
lichen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen; er darf die
Schaden entstanden, ist der Arbeitgeber nach § 280 BGB
Einsichtnahme nicht zur Unzeit oder in unangemessen kur-
bzw. nach § 823 BGB schadensersatzpflichtig, etwa wenn
zen Zeitabständen verlangen.
der Arbeitnehmer infolge des unrichtigen Eintrags nicht
befördert worden ist.
Praxishinweis : Das Einsichtsrecht soll auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehen (BAG v.
Bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts kommt ein
16. November 2010, 9 AZR 573/09). Es folgt aus der nach-
Schmerzensgeldanspruch in Betracht.
wirkenden arbeitgeberseitigen Schutz- und Rücksichtnahmepflicht unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf
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informationelle Selbstbestimmung. Der Arbeitnehmer soll
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitge-
jederzeit überprüfen können, ob der Inhalt der Personal-
ber dem Arbeitnehmer alle Unterlagen und Arbeitspapiere,
akte (noch) der Wahrheit entspricht.
die in seinem Eigentum verblieben sind, auszuhändigen.
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Nach steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen
RECHTE DES ARBEITNEHMERS
AUFBEWAHRUNGSPFLICHT?
Der Arbeitnehmer hat das Recht, der Personalakte Erklä-
Vorschriften besteht für bestimmte Unterlagen eine
rungen beizufügen, insbesondere Gegendarstellungen und
Aufbewahrungspflicht, etwa: Buchungsbelege aus der
weitere Unterlagen wie z.B. ein Zeugnis über eine während
Verdienstabrechnung und andere für die Besteuerung
des Arbeitsverhältnisses erworbene Zusatzqualifikation.
des Arbeitseinkommens wichtige Unterlagen für 10 bzw.
6 Jahre (§ 147 Abs. 3 Abgabenordnung). Darüber hin-
Das Recht zur Gegendarstellung hat nicht zur Voraus-
aus trifft den Arbeitgeber keine Pflicht zur Aufbewahrung
setzung, dass die Personalakte unrichtig ist. Die aufzuneh-
von rein arbeitsvertraglichen Unterlagen. Zweckmäßig
menden (Gegen-)Erklärungen des Arbeitnehmers sollen
ist es, sie zumindest für die Dauer von Ausschluss- und
vielmehr dem Zweck dienen, die für eine nachfolgende
Verjährungsfristen aufzubewahren.
Beurteilung relevante Tatsachengrundlage zu ergänzen. Die
Aufnahme von Erklärungen und Unterlagen, die mit dem
Eine Vernichtung von Unterlagen kommt frühestens nach
Arbeitsverhältnis in keinem Zusammenhang stehen, kann
vollständiger Erfüllung aller gegenseitigen Ansprüche aus
nicht verlangt werden kann, etwa allgemeine politische
dem Arbeitsverhältnis und möglichst nach Unterzeichnung
Erklärungen oder Meinungsäußerungen.
einer Ausgleichsquittung in Betracht. Zur Risikovermeidung
soll das Einverständnis des Arbeitnehmers zur Vernichtung
der Personalakte schriftlich eingeholt werden.
Der Arbeitnehmer kann auch die Berichtigung oder Entfernung unrichtiger bzw. sonst unzulässiger Personalunterlagen sowie deren Ersetzung durch eine zutreffende
■
Unterlage vom Arbeitgeber verlangen, §§ 12, 862, 1004 BGB
Es gehört zu den wichtigsten Organisationspflichten des
analog.
Unternehmens, das fehlerfreie Führen von Personalakten
FAZIT
zu gewährleisten. Um das Risiko von Imageschäden durch
Ein Anspruch auf Entfernung besteht ausnahmsweise auch
unsachgemäßen Umgang mit personenbezogenen Daten
bei zulässiger Eintragung, nämlich wenn das schutzwürdige
zu minimieren, sind die zuständigen Mitarbeiter der Per-
Interesse des Arbeitgebers an einem dauernden Verbleib in
sonalabteilung gesondert auf das Datengeheimnis zu ver-
der Personalakte weggefallen ist und der weitere Verbleib
pflichten und ihnen ist ein Leitfaden an die Hand zu geben,
die berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers oder sein
wie mit Personalakten umzugehen ist. Diese Maßnahmen
Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen würde. Jedoch wird
sind Bestandteil einer erfolgreichen Compliance.
ein Arbeitnehmer die Entfernung einer Abmahnung aus
der Personalakte nicht allein mit der Begründung verlangen können, diese habe wegen Zeitablaufs ihre Wirkung
verloren.
5
■
UNWIRKSAMKEITSGRÜNDE
Ein Freiwilligkeitsvorbehalt mit dem oben zitierten Wortlaut
ist aus mehreren Gründen mit den Regelungen zur
Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht
vereinbar und daher unwirksam:
Die Kombination zwischen einem Freiwilligkeitsvorbehalt
einerseits und einem Widerrufsvorbehalt andererseits
führt dazu, dass gegen das gesetzliche Transparenzgebot
(§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) verstoßen wird. Die gewählte
Kombination ist häufig in Anstellungsverträgen anzutreffen und aus Sicht eines Arbeitgebers nur allzu verständlich. Die Formulierung resultiert aus dem Bestreben,
dem Arbeitnehmer nachdrücklich vor Augen zu führen,
FREIWILLIGKEITSVORBEHALT - DER TEUFEL
STECKT IM DETAIL
dass die gewährte Zahlung nicht als beständiger Bezug
von Friederike Göbbels
lich oft gar nicht bewusst, dass rechtlich gesehen der
München
Rechtsanwältin/Fachanwältin f. Arbeitsrecht
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Widerrufsvorbehalt die Existenz eines Anspruchs voraus-
auch in der Zukunft angenommen werden darf. Leider ist
dem Verfasser/Verwender der Klausel dabei wahrschein-
setzt, während der Freiwilligkeitsvorbehalt einen solchen
gerade von vornherein ausschließen soll. Diese juristische Feinheit führt aus Sicht des BAG dazu, dass bei einer
Verständlicherweise sind Arbeitgeber häufig bestrebt,
Kombination von Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt
Sonderleistungen, die neben dem monatlichen Fixgehalt
eine intransparente Regelung vorliegt, weil dem
gezahlt werden, möglichst flexibel und für die Zukunft nicht
Arbeitnehmer nicht klar ist, ob der Anspruch von vorneher-
bindend auszugestalten. Leider ist dies nur sehr einge-
ein ausgeschlossen ist, oder aber ob ein Anspruch besteht
schränkt möglich. Abgesehen von materiellen Schranken
und lediglich widerruflich ist, was eine ermessensgerechte
kann schon die Wahl einer „falschen“ Formulierung dazu
Ausübung des Widerrufs voraussetzen würde. Dies kann –
führen, dass eine Bindungswirkung ungewollt entsteht, d.h.
so das BAG - den Arbeitnehmer in der Geltendmachung
dass ein Arbeitnehmer sich auch für die Zukunft auf ent-
seiner Rechte hemmen, was zur Unwirksamkeit der Klausel
sprechende Sonderleistungen einstellen und diese im
führt.
Streitfall durchsetzen kann.
Darüber hinaus ist der in der zitierten Vertragsklausel entDas BAG hat mit seinem Urteil vom 14. September 201 1
haltene Freiwilligkeitsvorbehalt viel zu pauschal und wegen
(10 AZR 526/10) erneut die Tücken von Freiwilligkeitsvor-
der dadurch bedingten unangemessenen Benachteiligung
behalten vor Augen geführt und deren ohnehin limitierten
des Arbeitnehmers auch deswegen unwirksam. Das
Anwendungsbereich nochmals eingeschränkt.
BAG stellt klar, dass ein derart globaler Bezug auf alle
zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und
In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte der kla-
ihrem Entstehungsgrund in unzulässiger Weise auch
gende Arbeitnehmer über Jahre hinweg im November
laufende Leistungen einschließt. Der Ausschluss des
ein 13. Monatsgehalt gezahlt bekommen. Der relevante
Rechtsanspruchs auf laufendes Arbeitsentgelt oder Teile
Arbeitsvertrag enthielt folgende Klausel: „Sonstige, in die-
davon widerspricht dem Zweck und Grundgedanken
sem Vertrag nicht vereinbarte Leistungen des Arbeitgebers
des Arbeitsvertrages. Die beiden Hauptleistungspflichten
an den Arbeitnehmer sind freiwillig und jederzeit widerruf-
„Arbeit“ gegen „Lohn“ werden in unangemessener Weise zu
lich. Auch wenn der Arbeitgeber sie mehrmals und regel-
Lasten des Arbeitnehmers entkoppelt.
mäßig erbringen sollte, erwirbt der Arbeitnehmer hierdurch
keinen Rechtsanspruch für die Zukunft.“
Außerdem würde die pauschal gewählte Formulierung dazu
führen, dass auch spätere, abweichende Individualabreden
6
ausgeschlossen sein sollen, was unzulässig ist. Dies
■
wiederum hat gravierende Auswirkungen im Hinblick
Der Anwendungsbereich eines zulässigen Freiwilligkeitsvor-
auf die Kollision eines Freiwilligkeitsvorbehalts mit den
behalts ist erheblich reduziert und die Anforderungen an
Grundsätzen einer betrieblichen Übung. Bisher war vom
dessen Wirksamkeit erheblich erhöht worden. Wenn man
BAG nämlich grundsätzlich anerkannt, dass die betrieb-
hinreichend vorsichtig bei Formulierung und Praktizierung
liche Übung durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt im
ist, besteht aber auch heute noch die Chance, eine Son-
Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden konnte. Gemäß
derleistung wirksam und durchsetzbar freiwillig, d.h. ohne
den nunmehr vom BAG gemachten Ausführungen darf man
Rechtsanspruch für die Zukunft zu gewähren.
FAZIT
jedoch von der Verhinderung eines Anspruchs auf Grund
betrieblichen Übung in so genereller Form nicht mehr
TARIFBINDUNG, VERBANDSAUSTRITT UND
„OT“-MITGLIEDSCHAFT
ausgehen.
■
PRAXISTIPPS
Aus den vom BAG aufgestellten Grundsätzen resultie-
von Georg Mikes
ren folgende Ratschläge im Hinblick auf den Einsatz von
Frankfurt
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Freiwilligkeitsvorbehalten:
•
Beschränkung auf einen reinen Freiwilligkeitsvorbehalt,
d.h. Unterlassen eines zusätzlichen Widerrufsvorbehalts,
■
d.h. kein Hinweis darauf, dass die Leistung jederzeit
widerruflich ist.
•
•
DIE „OT“-MITGLIEDSCHAFT – ZWISCHEN
TARIFFREIHEIT UND TARIFBINDUNG
Vermeidung einer pauschalen Regelung. Es ist wich-
Längst nicht jeder Arbeitgeber möchte sein Unternehmen
tig, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt auf konkret
einem Tarifvertragssystem unterwerfen, und so man-
beschriebene und für den Arbeitnehmer bestimm-
cher will sich möglichst aus einem solchen verabschie-
bare Leistungen bezogen wird. Empfehlenswert ist die
den. Unter diesen wiederum finden sich Arbeitgeber, die
explizite Nennung der Leistungen, die erfasst sein sol-
aber auch nicht völlig ohne den Rückhalt durch einen
len, wie z.B. „Sofern ein Weihnachtsgeld und/oder ein
Arbeitgeberverband dastehen möchten. Aus diesem
Urlaubsgeld als Jahressonderleistung gezahlt wird,
Grunde bieten zahlreiche Arbeitgeberverbände mittlerweile
handelt es sich dabei um eine freiwillige Leistung, auf
die sog. „OT“-Mitgliedschaft an (= ohne Tarifbindung), und
die kein Rechtsanspruch besteht.“
einige Verbände etablieren sich von vornherein als nicht
Ein Freiwilligkeitsvorbehalt sollte nur im Hinblick auf
tarifschließende Verbände.
Sonderleistungen, nicht jedoch auf laufende Leistun-
•
gen vorgesehen werden. Die monatlichen Bezüge oder
Ausdrücklich gesetzlich geregelt ist die OT-Mitglied-
auch andere nach Zeitabschnitten bemessene Vergü-
schaft nicht, auch nicht im Tarifvertragsgesetz (TVG). Die-
tungsbestandteile, die dem Mitarbeiter zugesagt wer-
ses regelt nur, dass Tarifgebundenheit besteht bei den
den, dürfen grundsätzlich nur einvernehmlich, nicht
Mitgliedern der Tarifvertragsparteien sowie dem Arbeit-
aber einseitig durch den Arbeitgeber geändert werden.
geber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist (§ 3 Abs. 1
Wenn man sicher sein will, dass nicht durch mehrma-
TVG). Demnach besteht Tarifgebundenheit auf Arbeitge-
lige Leistung in aufeinanderfolgenden Jahren eine
berseite bei solchen Arbeitgebern, die entweder Mitglied
betriebliche Übung eintritt, sollte man sich nicht auf
eines Arbeitgeberverbandes sind oder selbst einen Tarif-
den Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag ver-
vertrag abschließen. Dennoch ist – wenig überraschend –
lassen. Vielmehr ist es ratsam, jedes Mal, wenn die
seit Jahren von der Rechtsprechung anerkannt, dass ein
Sonderleistung ausgezahlt wird, in nachweisbarer
Arbeitgeberverband nicht den Zweck verfolgen muss, Tarif-
Form gegenüber dem Arbeitnehmer deutlich darauf
verträge abzuschließen. Denn der Verband kann seine sat-
hinzuweisen, dass es sich um eine einmalige, freiwil-
zungsmäßigen Aufgaben selbst festlegen. Es kann auch
lige Sonderleistung handelt, auf die in Zukunft kein
als geklärt angesehen werden, dass dieses Ergebnis auch
Anspruch besteht.
dann gilt, wenn innerhalb eines Verbands sozusagen zwei
7
Sektionen bestehen: eine für die Mitglieds-Arbeitgeber, die
individuell entscheiden, ob es nicht sinnvoller wäre, dem
in klassischer Weise durch den Abschluss von Tarifverträ-
Verband gleich ganz fernzubleiben, somit die Flexibilität
gen vertreten werden, und eine andere für Arbeitgeber, die
der fehlenden Bindung an Tarifverträge zu nutzen zu kön-
anderweitige Vertretung oder Unterstützung suchen. Offen
nen und rechtliche Hilfe nur bei tatsächlichem Bedarf in
ist lediglich die Frage, ob der Verband gezwungen ist, sich
Anspruch zu nehmen.
entweder zu vollständiger Tarifwilligkeit oder –unwilligkeit
■
zu bekennen, oder aber die Möglichkeit hat, einzelne Tarifbereiche auszuklammern. Zumindest aus Praktikabilitäts-
NEUERE RECHTSPRECHUNG ZUM TARIFRECHT UND
VERBANDSAUSTRITT
gründen und der Gefahr unklarer Abgrenzungen sollte man
Zu den vorgenannten Themenkreisen sind in den letz-
letztere Variante aber eher ablehnen.
ten Jahren bedeutsame Entscheidungen ergangen. Zu
erwähnen ist zunächst, dass nach BAG (Urteil vom 15.
Jeder Arbeitgeber muss zunächst selbst entschei-
Dezember 2010, 4 AZR 256/2009) eine OT-Mitgliedschaft
den, ob und gegebenenfalls welche Mitgliedschaft für
im Arbeitgeberverband nur dann in Betracht kommt, wenn
ihn die entscheidenden Vorteile aufweist. Das „klas-
sichergestellt ist, dass die OT-Mitglieder keinen Einfluss
sische“ Vorteils-Argument für eine Vollmitgliedschaft
auf tarifpolitische Entscheidungen haben. Hätte das
liegt in der Friedenspflicht . Danach dürfen während der
OT-Mitglied hingegen z.B. Einfluss auf die Tarifkommission,
Laufzeit eines Tarifvertrages Gewerkschaften keinen
könnte sich die vermeintliche OT-Mitgliedschaft als troja-
Streik beginnen, der auf die Regelung dessen gerich-
nisches Pferd erweisen – der Arbeitgeber wäre, ohne je
tet ist, was im bereits geltenden Tarifvertrag geregelt ist.
die Absicht gehabt zu haben, eben doch an Tarifverträge
Doch gerade hier zeigen sich immer mehr Löcher: Streiks
gebunden. Aus einem anderen Urteil des BAG (vom 20. Mai
zur Erzwingung der Regelung anderer als der schon gere-
2009, 4 AZR 179/08) wird deutlich, dass die Wirksamkeit
gelten Ziele sind (mit gewissen Ausnahmen) sehr wohl
des Wechsels von der Vollmitgliedschaft des Arbeitgebers
zulässig, also z.B. zur Erzwingung eines Tarifsozialplans.
in eine OT-Mitgliedschaft einem Arbeitnehmer gegen-
Nach der Rechtsprechung des BAG können ferner auch
über jedenfalls nicht davon abhängt, dass man den
verbandsangehörige Arbeitgeber mit dem Ziel eines
Arbeitnehmer über den Wechsel informiert.
Firmentarifvertrages bestreikt werden (BAG, Urteil vom
24. April 2007, 1 AZR 252/06), und Warnstreiks gegen Ende
Falsche Vorstellungen bestehen oft über die Wirkung
der Laufzeit des Tarifvertrages sind sowieso zulässig. Vor
eines Verbandsaustritts. Es wäre eine Illusion zu glauben,
allem jedoch ist auch die Entwicklung noch nicht abge-
dass mit dem Austritt auch gleich die Tarifbindung weg-
schlossen, die sich daraus ergibt, dass das BAG das Prinzip
fällt und man nachteilige arbeitsvertragliche Regelungen
der Tarifeinheit aufgegeben hat (BAG, Pressemitteilung
treffen könne. Die Tarifgebundenheit als solche besteht
46/10). Nach neuerer Rechtsprechung unterfällt ein Betrieb
regelmäßig zunächst weiter. Nach § 3 Abs. § TVG bleibt
längst nicht mehr zwingend einem einzigen Tarifsystem,
sie nämlich so lange bestehen, bis der Tarifvertrag–
sondern kann für verschiedene Arbeitnehmergruppen
nicht etwa die Verbandsmitgliedschaft – endet. Wurde
auch verschiedenen Gewerkschaften gegenüberste-
a l s o Ta r i f g e b u n d e n h e i t e i n m a l b e g r ü n d e t d u r c h
hen. Ob und inwieweit diese untereinander mögliche
Verbandsmitgliedschaft, so kommt es nur noch auf die
Arbeitskampfaktionen koordinieren müssen, ist noch nicht
Frage an, ob der Tarifvertrag bei den regulär im Verband
ausgemacht, doch in jedem Fall relativiert diese Situation
verbliebenen Unternehmen weiterhin gilt. Erst mit dem
den Wert einer Friedenspflicht ganz erheblich.
Ende der Laufzeit oder dem Ersatz durch einen neuen
Bei einer bloßen OT-Mitgliedschaft kommt Friedenspflicht
dass der Verbandsaustritt Wirkung zeigt. Während der
natürlich von vornherein nicht in Betracht. Durch den Ver-
Nachbindung gelten die Tarifbestimmungen genauso wie
band erhält das OT-Mitglied zwar rechtliche Beratung. Dafür
vor dem Austritt unmittelbar und zwingend, so dass indivi-
fällt allerdings dauerhaft Zahlung von Mitgliedsgebühren oft
dualvertragliche Abweichungen vom Tarifvertrag unwirk-
in der auch für Vollmitglieder anfallenden (vollen) Gebüh-
sam sind, wenn sie für den Arbeitnehmer nachteilig sein
renhöhe an - unabhängig davon, ob Beratung überhaupt
sollten. Leider betrachtet das BAG hierbei als „nachteilige
in Anspruch genommen wird. Da die Streikgefahr mangels
Regelung“ beispielsweise auch eine solche, die zwar eine
Friedenspflicht nicht gebannt ist, muss jeder Arbeitgeber
Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich vorsieht, den
Tarifvertrag entfällt diese sogenannte Nachbindung , so
8
Arbeitnehmern dafür aber eine willkommene Jobgarantie
Abmachung ersetzt werden. Eine derartige andere Abma-
einbrächte. Individuell-flexible betriebliche Bündnisse für
chung kann dann tatsächlich in einer individual-arbeits-
Arbeit, die dem Tarifrecht widersprechen, sind jedoch
vertraglichen Abrede liegen, und zwar nun auch in einer
immer noch tarifpolitisch unerwünscht.
Abrede zum Nachteil des Arbeitnehmers. Allerdings lässt
die Rechtsprechung längst nicht jede Abmachung als
Immerhin hat jedoch das BAG ausgesprochen, dass die
andere Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG gelten.
Nachbindung bereits zu dem Zeitpunkt endet, zu dem die
Kritisch werden vor allem zu allgemein gehaltene Rege-
Unternehmen frühestmöglich einen neuen Tarifvertrag
lungen gesehen, die schon vor dem Ende der Nachbin-
zur Anwendung bringen können. In dem entschiede-
dung für die Zeit danach abgeschlossen werden. Das BAG
nen Fall hatten Gewerkschaft und Arbeitgeberverband
urteilte hierzu am 1. Juli 2009 (4 AZR 262/08), es sei für die
beschlossen, dass der bisherige Tarifvertrag spätestens
Annahme einer anderen Abmachung „zwar nicht in jedem
ab 2009 durch die tarifliche Neuregelung ersetzt wird. Die
Fall zwingend erforderlich, dass diese erst abgeschlos-
Neuregelung konnte aber bereits ab Januar 2006 freiwillig
sen wird, nachdem die Nachwirkung eingetreten ist.“ Die
in den Betrieben eingeführt werden. Das BAG kam daher
Abrede müsse aber vom Regelungswillen der Parteien her
zu dem Schluss, dass die Nachbindung für den vorher aus
darauf gerichtet sein, eine bestimmte bestehende Tarif-
dem Verband ausgetretenen Arbeitgeber schon ab Januar
regelung „in Anbetracht ihrer absehbar bevorstehenden
2006 beseitigt war (Urteil vom 1. Juli 2009, 4 AZR 261/08).
Beendigung und des darauf folgenden Eintritts der Nachwirkung abzuändern.“
Allerdings ist selbst nach dem Wegfall der Nachbindung
die vormalige Tarifregelung prinzipiell immer noch anwend-
■
bar (sog. Nachwirkung , zu unterscheiden von der Nach-
Die genannten Urteile lassen erkennen, welchen zum Teil
bindung). Sie gilt lediglich nicht mehr unmittelbar und
erheblichen Einschränkungen und Regelungsrisiken ein
zwingend. Der Gesetzgeber wollte nämlich einen rege-
Arbeitgeber beim Wechsel zur OT-Mitgliedschaft oder auch
lungslosen Zustand vermeiden. Daher wurde in § 4 Abs.
nach generellem Austritt aus dem Arbeitgeberverband
5 TVG angeordnet, dass nach Ablauf eines Tarifvertra-
u nt e r li e g e n k a n n . E r ke n n b a r w i rd au c h , d a s s d e r
ges seine Normen weitergelten, bis sie durch eine andere
Verbandsaustritt für sich gesehen zunächst oft erstaunlich
9
FOLGERUNGEN
■
geringe Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben
kann. Wenn ferner der Schutz durch die Friedenspflicht ten-
MASSGEBLICHE GRUNDSÄTZE FÜR DIE ERSTELLUNG
EINES ARBEITSZEUGNISSES
Oberstes Gebot der Zeugniserteilung ist der Wahrheits-
denziell an Bedeutung verliert, wird es um so mehr geboten
sein, sich einen erstmaligen Beitritt zu einem tarifschließen-
und Klarheitsgrundsatz . Da das Arbeitszeugnis nicht nur
den Arbeitgeberverband reiflich zu überlegen.
dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers, sondern
auch der Information des möglichen neuen Arbeitgebers
dient, ist es von großer Bedeutung, dass das Zeugnis die
Leistung und das Verhalten wahrheitsgemäß beschreibt.
Wird der Arbeitnehmer überbewertet, so sind die Belange
des neuen Arbeitgebers gefährdet. Da das Endzeugnis oft
Verhandlungspunkt bei einer streitigen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses ist, werden typischerweise in der Praxis
Zeugnisbewertungen versprochen, die der Arbeitgeber
unter normalen Umständen nicht abgeben würde.
Neben dem Wohlwollensgrundsatz, wonach das Zeugnis
von verständigem Wohlwollen für den Arbeitnehmer getragen sein und ihm sein weiteres Fortkommen nicht unnötig
erschweren soll, ist insbesondere auch der Vollständigkeitsund Einheitlichkeitsgrundsatz zu beachten (der Arbeitgeber
DAS ARBEITSZEUGNIS IN RECHT UND PRAXIS
darf nicht getrennte Zeugnisse für verschiedene ausgeübte
Tätigkeiten erteilen).
von Claudia Röthlingshöfer
München
Rechtsanwältin; Mediatorin
[email protected]
++49 89 20 60 42 200
■
FÄLLIGKEIT DES ZEUGNISANSPRUCHS
Der Zeugnisanspruch entsteht nach dem Wortlaut des § 109
Gewerbeordnung „bei“ und nicht ernst nach Beendigung
Insbesondere Endzeugnisse nach Beendigung eines
des Arbeitsverhältnisses. Es besteht heute Einigkeit dar-
Arbeitsverhältnisses geben in der Praxis immer wie-
über, dass der Arbeitnehmer ein Zeugnis daher auch
der Anlass zu Streitigkeiten zwischen dem Arbeitgeber
nicht erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung
und dem scheidenden Arbeitnehmer. Dieser Beitrag
des Arbeitsverhältnisses, sondern bereits mit Zugang der
soll daher einen kurzen Überblick über die Pflichten
Kündigungserklärung verlangen kann. Erst mit Ablauf der
des Arbeitsgebers bei der Formulierung eines
Kündigungsfrist oder dem tatsächlichen Ausscheiden des
Arbeitszeugnisses geben.
Arbeitnehmers ist dann ein qualifiziertes Endzeugnis zu
erteilen. Gleichwohl kann der Arbeitgeber auf Verlangen
■
des Arbeitnehmers schon während der Kündigungsfrist ein
RECHTLICHE GRUNDLAGEN
endgültiges Zeugnis erteilen.
S e i t d e m 1 . J a nu a r 2 0 0 3 i s t d a s Ze u g n i s re c ht f ü r
Arbeitnehmer einheitlich durch § 109 der Gewerbeordnung
■
geregelt. Für Auszubildende gilt § 16 BBiG.
FORMULIERUNG DER BEURTEILUNG - LEISTUNG
Als Einzelmerkmale kommen im Rahmen der LeistungsArbeitnehmer können ein qualifiziertes Zeugnis verlan-
beurteilung die Selbständigkeit, die Qualität der Arbeit
gen, das auch Angaben über Leistung und Verhalten im
(Arbeitsgüte), die Arbeitsökonomie, das Arbeitstempo,
Arbeitsverhältnis enthält; zumindest muss der Arbeitgeber
die Sorgfalt und Arbeitsbereitschaft, die Belastbarkeit, die
jedoch ein einfaches Zeugnis erteilen, das Angaben über
Eigeninitiative, die Entscheidungsfähigkeit, das Urteils- und
Art und Dauer der Tätigkeit enthält. Das qualifizierte Zeugnis
Ausdrucksvermögen sowie das Verhandlungsgeschick in
bildet jedoch den absoluten Regelfall.
Betracht. Maßgebliche Bewertungsfaktoren bei Arbeitnehmern mit Personalverantwortung sind auch die Führungsfähigkeit und Führungserfolge. Üblicherweise werden sehr
gute Leistungen mit der Betonung des Zeitmoments und
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nachfolgendem Superlativ gekennzeichnet („stets abso-
Prüfungsnote sehr gut), „stets zur vollen Zufriedenheit“ (=
lut sicher und selbständig“; „stets sehr gute Ergebnisse“;
Note gut) sowie „ zur vollen Zufriedenheit “ und „ stets zur
„ verstand es stets, Mitarbeiter hervorragend zu motivie-
Zufriedenheit“ (= Note befriedigend).
ren “ usw.), wobei schlechtere Beurteilungsstufen durch
Einschränkungen eines der beiden Beurteilungskriterien
■
verdeutlicht werden.
Probleme bereitet häufig die Formulierung des
FORMULIERUNG DES BEENDIGUNGSGRUNDES
Beendigungsgrundes des Arbeitsverhältnisses. Der
■
Grund und die Art des Ausscheides dürfen jedenfalls
VERHALTEN
Die Verhaltensbeurteilung widmet sich demgegenüber dem
nicht gegen oder ohne den Willen des Arbeitnehmers
Sozialverhalten des Mitarbeiters und umfasst das Verhalten
in das Zeugnis aufgenommen werden. Ebenso darf die
zu Vorgesetzten, Kollegen und Kunden / Dritten sowie
Formulierung auch keine Rückschlüsse darauf zulassen,
das Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf. Hierbei
dass sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Streit
ist ausschließlich das Verhalten im dienstlichen Bereich
getrennt haben. Üblich und weitestgehend bedenkenfrei
maßgeblich.
ist die Formulierung „verlässt uns auf eigenen Wunsch“ (=
Kündigung durch den Arbeitnehmer), „das Arbeitsverhältnis
Das BAG wird nicht müde zu betonen, dass es unzulässig
endet am…“ (= Kündigung durch den Arbeitgeber) sowie
ist, versteckte Botschaften in vordergründig positiv klingen-
die Formel „einvernehmlich getrennt“ (= Aufhebungsvertrag
den Formulierungen zu „verstecken“.
auf Veranlassung des Arbeitgebers).
■
■
RECHTSPRECHUNG DES BUNDESARBEITSGERICHTS
HERAUSFORDERUNG FÜR DEN ARBEITGEBER
Insgesamt ist es leider so, dass häufig relativ banale
Das Dilemma, dass Zeugnisse einerseits wohlwollend,
Zeugnisprobleme zu den Gerichten gelangen. So mus-
andererseits wahr sein müssen, stellt den Arbeitgeber
ste sich das BAG in einem Urteil vom 21. September
vor allem dann vor Herausforderungen, wenn ein Zeugnis
1999 beispielsweise mit der Frage beschäftigen, ob
für einen überaus schlechten Mitarbeiter erstellt wer-
ein Zeugnis gefaltet werden darf (ja, darf es, solange
den soll – denn auch dieser hat letztlich Anspruch auf ein
das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im
wohlwollendes Zeugnis. Der Arbeitgeber muss es freund-
Zeugnisbogen sich nicht durch Schwärzungen auf den
lich ausdrücken, andererseits darf er auch nicht lügen.
Kopien abzeichnen) und ob es sich beim Zeugnis um eine
Wegen dieses Dilemmas wird immer wieder behauptet,
Hol- oder eine Schickschuld handelt (grundsätzlich muss
die Arbeitgeber bedienten sich bei der Formulierung von
der Arbeitnehmer seine Arbeitspapiere, zu denen auch
Zeugnissen geheimnisvoller Codes, was so aber nicht rich-
das Arbeitszeugnis gehört, beim Arbeitgeber abholen – im
tig ist. Nicht nur die Rechtsprechung, auch die Umstände
Einzelfall kann der Arbeitgeber aber auch gehalten sein,
verpflichten Arbeitgeber dazu, statt verhalten negativer
dem Arbeitnehmer das Arbeitszeugnis nachzuschicken;
Formulierungen einschränkend positive zu wählen, was an
Urteil vom 08. März 1995). Zuletzt hatte das BAG die Frage
die Formulierungskünste bisweilen hohe Anforderungen
zu klären, ob die Formulierung „wir haben den Kläger als
stellt.
sehr interessierten und hoch motivierten Mitarbeiter kennen
gelernt “ in der Berufswelt überwiegend negativ verstan-
Ungeachtet der Tatsache, dass Arbeitszeugnisse oft nicht
den werde. Der Kläger trug vor, dass mit dem Zeugniscode
die tatsächliche Einschätzung eines Arbeitgebers über
„ kennen gelernt “ gerade das Gegenteil der jeweiligen
die Leistung und / oder das Verhalten des scheidenden
Aussage gesagt werden solle. Diese wenig nachvollzieh-
Arbeitnehmers wiedergeben, hat das Arbeitszeugnis in der
bare These hatte das LAG Hamm in einem Urteil aus dem
Praxis gleichwohl immer noch große Bedeutung. Daher
Jahr 2000 aufgestellt. Das BAG sah dies nun erfreulicher-
ist es nur verständlich, wenn Arbeitnehmer auf ein gutes
weise anders; die Revision des Klägers blieb vor dem 9.
Arbeitszeugnis gesteigerten Wert legen.
Senat ohne Erfolg (Urteil vom 05. November 2011).
Bei der Formulierung der Gesamtbeurteilung hat sich folgendes Beurteilungssystem bei der Schlussbewertung
bewährt: „ stets zur vollsten Zufriedenheit “ (= Schul- und
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