Wer vergibt ihnen, wenn sie nicht wis

Transcrição

Wer vergibt ihnen, wenn sie nicht wis
KEY B. HACKER
Wer vergibt ihnen, wenn sie nicht wissen, was sie tun...?
Was keiner zu Ende zu denken wagt
(Oder: Nachhilfestunde für Denkfaule)
Mit Erlebnissen aus dem INTERNET
von
BRAINWARe / ESSEN
Nach dem letzten Stand der Tragik
©1996 by BRAINWARe / Essen a.d. Ruhr
( – True Final 4.05 γ / 06/97 – )
KEY B. HACKER
Titel bei Beginn der Arbeit:
Wie geht es uns morgen?
Digital, aber arbeitslos
Diese Abhandlung wurde erfaßt, gestaltet und ausgegeben über
einen DOS/Windows-Rechner mit INTEL Pentium-Prozessor. Als
®
Textverarbeitung wurde MS WORD 6/7 benutzt.
Die komplette Erfassung und Fertigstellung des Manuskripts erfolgte unter Windows 95.
Recherchen im Internet wurden über AOL mit Netscape betrieben.
Korrespondenzen wurden vorwiegend über GeoNet abgewickelt.
KEY B. HACKER
Wieder für die zwei »M«’s...
...für das eine, weil es die Zukunft noch vor sich hat,
...für das andere, weil es meine Zukunft bewahrt hat.
„Richtig ist nur, was auch dann richtig
wäre, wenn es alle täten.“
KBH
Alle erwähnten Eigennamen können Warenzeichen sein, ohne daß dieses im Text
selbst besonders erwähnt oder durch ®- oder ™-Zeichen markiert wird. Rechtlich
soll dieser Hinweis eine etwa notwendige Deklarierung substituieren, da Markennamen als Warenzeichen heutzutage allgemein bekannt sein dürften.
KEY B. HACKER
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TSTEHTBEISPIELHAFTFÜRUNDURCH
SICHTIGEINFORMATIONENOHNEEIN
O R D N E N D E N R A H M E N
ACHTENSHUN! DAS MACHINEN IST NODT FOR GEFINGERPOKEN UND MITTENGRABBEN. IST EZY FOR BREKKEN DAS
SPRINGENWERKS, BLOWENFUSEN MIT LOUDISH POPEN UND
SPITZENSPARKEN. IST NIX GEWERKEN BY DUMMKOFFS! DAS
RUBERNEKKEN SIGHDTSEEREN UND STUPIDISCH GOOFOFFERS BAST RELAXEN, KIPP HANDS IN POKKETS UND VATCH
DAS STOFFA KUMOUDT!
DAS MANICHMIND
INHALT
Inhaltsverzeichnis
VORWEG
WIE ES ANFING
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
ANTWORTEN UND „ANTWORTEN“
MDB TAUSS
UND WO WAREN DIE ANDEREN?!
„[email protected]“
INFORMATIONSDSCHUNGEL
ZWISCHENBILANZ?
WAR ES DAS UND NICHT MEHR?
EIN SCHIMMER AM ENDE DES TUNNELS?
„DANK AUCH FÜR NICHTSTUN“
„STERBEURKUNDE“
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
WAS SIND ÜBERHAUPT PARTEIEN?
FRAGEN WIR DIE GESCHICHTE
DIE DA OBEN UND DIE DA UNTEN
KEINEN DEUT BESSER
ZWEIERLEI MAßSTÄBE
ALLES NUR UNFUG? PARTEIPROPAGANDA?
DSCHUNGELPRINZIP
VERDACHT
VERGLEICH MIT KREBS
DOKUMENTATION: GUT ODER SCHLECHT GEFUNDEN...
<1> SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: „DER KANZLER...“
<2> ÜBER EMAIL ERREICHBARE ABGEORDNETE (5/96)
<3> „DER ELEKTRONISCHE CSU-WÄCHTER“
<4> DIE ERSTEN FLOPS...
<5> ZUM STICHWORT „ZWANGSARBEIT“
<6> PROTOKOLL EINES „ÜBERFALLS“
<7> TAUSS’SCHE WEB-FUNDSTELLEN
<8> FALSCHE FÄHRTEN
<9> VON JENSEITS DES TEICHES
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INHALT
<10> LIBERALE (AUSZUG)
<11> DER ZUKUNFTSMINISTER
<12> DER „JULI“ MALTE
<13> EIN LICHTLEIN DER CDU...?
<14> L.T.D.
<15> KOMPLOTT DER HECHTE
<16> KAMPFGEBRÜLL DER KARPFEN
<17> QUERELEN DER „SCHMUDDELKINDER“
<18> DAIMLER-BENZ-STIFTUNG: „ARBEITSMÄRKTE“
<19> GRÜN-TÜRKISCHE KURDENFRAGE
<20> AUSZUG AUS DEM GRUNDGESETZ
<21> SIEGMAR MOSDORF (ENQUÊTE-KOMMISSION)
<22> EIN „PFUI DEIBEL“-SEIBEL?
<23> DER KÖSTLICHE „JULI“-NACHZÜGLER
<24> PKK UND DIE JUSTIZ
<25> SCHLUßLICHT
<26> LOHNSTÜCKKOSTEN UND LOHNKOSTEN
<27> LOBBY BEIM BUNDESTAG
<28> NOBELPREIS „GEGEN KOHL“
<X> TECHNISCHES
STICHWORTVERZEICHNIS
ENDNOTEN
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VORWEG
Vorweg
1.) Dieses Buch bietet eine Fülle von Informationen, aus denen
man anscheinend nur schließen kann, daß die Nachkriegsdemokratie in Deutschland am Ende ist. Die Alt-Bundesrepublik hat
sich mit ihrer Art, die neuen Bundesländer im Osten zu annektieren, finanziell übernommen. Die international grassierende Unternehmer- und Welthandelsfreiheit hat die Beschäftigungsstruktur in der Bundesrepublik derart ausgehöhlt, daß das soziale System zusammenbricht, zumal seine Reserven vom Staat geplündert und zweckentfremdet wurden. Ein sozialer und ethnischer
Konsens ist kaum noch auszumachen. Eine Finanz- und Machtelite fährt hemmungslos ihre Ernten ein, während immer mehr
Menschen in großes soziales Elend stürzen. Geübte Brandstifter
gerieren sich als Löschkommando und legen weitere Lunten an
das System...
In diesem Buch werden die Anhaltspunkte für all das in einer
Weise bloßgelegt, die auch für bequeme Seelen ungemütlich werden müßte.
2.) Dieses Buch schildert ein Abenteur und hat eine turbulente
Entstehungsgeschichte. Es unterscheidet sich zudem von einem
großen Teil der Literatur durch einige Kleinigkeiten. Heute - im
Zeitalter der Computer und des DTP (DeskTop Publishing - Publikation vom Arbeitstisch aus) können Bücher auf völlig neue
Weise entstehen. Ein Autor kann jetzt ein Buch als Gesamtwerk
gestalten. Er kann probieren, welche Schrift er für angemessen
hält, wie er das Gesamtbild beeinflussen möchte, das Inhalts- oder
Stichwortverzeichnis aufbaut und manches andere.
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VORWEG
Die Frage ist dann, ob und wie weit ein Verlag das mitmachen
will oder kann. Das, was ich betonen und herausstellen möchte, ist
jedoch etwas anderes. Es bezieht sich auf die Art der Entstehung
speziell dieses Buches.
Dieses Buch enthält sehr viel Material, das auf rund um die Welt
in irgendwelchen Rechnern elektronisch gespeicherten Informationen beruht. Ein großer Teil besteht aus Nachrichten von Absendern, die nicht erst das Papier und die „gelbe Schneckenpost“
zwischengeschaltet, sondern mir über elektronische Postsysteme
ihre „Briefe“ von Bildschirm zu Bildschirm übermittelt haben.
Außerdem sind verschiedene Grafiken enthalten, die mir zum Teil
„unverhofft über den Weg“ liefen. Dieses Buch nimmt auch direkt
Bezug auf bestimmte Internet-Adressen, die von jedermann nachgeprüft werden können.
Nachdem dieses Buch mit einer ungefähren Vorstellung begonnen wurde, veränderten unvorhersehbare Informationen und Ereignisse dessen Zielrichtung mehrmals. Dieses Buch ist sehr stark
von intuitiven Prozessen beeinflußt, die mit der Nutzung elektronischer Medien zusammenhängen. Ohne diese wären deren Auftreten und Berücksichtigung nicht denkbar gewesen.
Das ist etwas sehr Wichtiges und für die Zukunft Bedeutsames! Die Art, ein Buch zu produzieren, kann nunmehr sehr wesentlich
davon beeinflußt werden, daß ein PC über eine Telefonverbindung und anhand besonderer Suchprogramme jederzeit mit unzähligen Datenquellen rund um die Welt Kontakt aufnehmen
kann. Gefundene Informationen lassen sich dabei auf eigenen
Datenträgern abspeichern. Hinzu kommen Informationsquellen
auf CD-Scheiben (etwa Lexika, Gesetzestexte), die „nebenbei“
mitlaufen, sowie Hilfsprogramme, die völlig diskret unablässig aus
dem Hintergrund wirken (zum Beispiel Rechtschreibe- und
Trennhilfen sowie Synonymlexika).
Anders als beim vollgeschriebenen Papier läßt sich der jeweilige
Stand der Arbeit jederzeit mühelos verändern. Ohne Schere und
Klebstoff lassen sich beliebige Teile sogar nur zur Probe nach
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VORWEG
Gutdünken verschieben, wonach das gesamte „Werk“ sofort und
nahtlos eine neue Gestalt annimmt. Man kann in Windeseile verschiedene Versionen ausprobieren, vergleichen, verwerfen, übernehmen oder vertagen, ohne etwas kaputt zu machen oder zu verlieren.
So erfuhr dieses Buch während des Schreibens verschiedene Änderungen von Zielrichtung oder Gestaltung. Es ist kein vorgefaßtes Buch, zu dem mühselig das entsprechende Material gesucht
wurde. Es ist ein Buch, dessen Erarbeitung sich dem gefundenen
Material ständig anpaßte, bis „die“ Linie gefunden war, zu der nur
noch bestimmtes Material aufgenommen wurde. Daraus ergab
sich ein dynamischer Prozeß. Ein solcher Prozeß mag auch kennzeichnend sein für künftige Vorgehensweisen in vielerlei Bereichen, und zwar unter Einbeziehung beliebiger Quellen und Partner. Das haben nur noch nicht ausreichend viele Menschen (auch
Unternehmer) bemerkt. Hier etwas zu verschlafen, kann kostspielig werden und sogar die Existenz kosten.
Ein weiterer Aspekt ist der ungeheuer hohe Grad von Aktualität,
der sich über moderne Hilfsmittel realisieren läßt. Kaum ist ein
Dokument zu irgendeinem Ereignis irgendwo abgespeichert, läßt
es sich weiterverwenden. Bei der Wahl tauglicher Schlüsselwörter
für die Suche lassen sich entsprechende Stellen auffinden, elektronisch kopieren und in eine Arbeit einbinden (etwa Protokollteile
einer Bundestagssitzung).
Zu meiner Verwunderung gibt es sehr viele Verlage, die noch
„zu Fuß“ arbeiten und mit einem Manuskript auf einem Datenträger kaum selbst etwas anfangen können.
So „schlau“ wie dieses Buch könnte allerdings jeder Bürger sein,
der einen Computer besitzt. Mit einem Modem und für nicht
mehr als eine Mark am Tag kann er im Internet auf Informationsjagd gehen. Das kann ergiebiger sein als jedes Glotzen in die
Röhre oder noch so gründliches Studium von Zeitungen und Magazinen.
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VORWEG
Dieses Buch beweist nicht nur, welche Fülle von Informationen
das Internet hergibt, sondern vor allem auch, welche Unmenge an
Informationen nicht in den offiziellen Nachrichten auftaucht. Gerade die kritischen Beiträge von zum Teil prominenten Leuten,
deren Aussagen nicht so recht ins Bild einer gut geölten Konsensund Konsumgesellschaft passen, sind über das Internet leicht auszugraben. Es gibt superschnelle Suchhilfen, die alles gut übersichtlich auflisten.
Doch der „mündige Bürger“, der aus einem Meer von Informationen das ihn Interessierende fischt - wo ist er denn? Es gibt ihn
nicht einmal im Promillebereich. Schon im Prozentbereich könnte
er für diese Art von Staat unbequem werden. Und als Regelfall
kann es ihn nicht geben, weil er sich sonst längst andere Regierungen beschafft hätte.
In Wahrheit sind das, was Regierende so gern als „mündige Bürger“ umschwärmen, mit Erfolg bevormundete Bürger, die Bequemlichkeit über alles lieben und froh sind, daß es für alles, was
ihnen lästig sein könnte, „Zuständigkeiten“ gibt. Die schaffen das
Unbequeme aus der Welt, aus den Augen oder aus dem Bewußtsein... - Viel zu viele Bürger sind von Institutionen umgarnt und
eingelullt wurden, bis ihr eigenes Denken nur noch zum Aufsagen
von Allgemeinplätzen taugte.
Nicht die Information, sondern der Mangel an Information
(auch gleichzusetzen mit der Undurchschaubarkeit an sich vorhandener und massenhaft in bestimmter Weise und flutartig verbreiteter Informationen) beherrscht die Szene.
Inwieweit sich das wesentlich ändern wird, steht noch völlig dahin. Es ist nicht anzunehmen, daß sich die sogenannte „Masse“
ändern wird. Deren Denkfähigkeit und Interesse ist seit jeher von
Trägheit bestimmt gewesen, vom „Herdentrieb“, der auf die
Steuerung durch „Leithammel“ programmiert ist. Selbst noch so
wertvolle Informationen laufen bei ihr ins Leere, wenn ihnen
nicht eine Autorität deren Wert bestätigt („Mangel an Leitbildern“)I.
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VORWEG
So ist auch dieses Buch nur ein Muster, von dem keine evolutionären oder revolutionären Wirkungen erwartet werden. Es stellt
nur wie bei einem Experiment eine Art Beweisführung dar.
Allerdings wurde auch die Erkenntnis über einen völlig neuen
Sachverhalt gewonnen: Wer mit einem Computer gut umgehen
kann, sich die notwendigen Programme und Zugriffe verschafft
und ein gutes Allgemeinwissen besitzt, kann zu einem Thema,
von dem er absolut nichts versteht, innerhalb kurzer Zeit eine erschöpfende Abhandlung verfassen und herausgeben.
Nicht möglich? - Doch. - Mir ist noch nicht klar, warum es so
ungeheuer viele Menschen und Institutionen drängt, alle Arten
denkbarer Informationen ins „Netz“ zu stellen und (bis auf wenige Ausnahmen) für jedermann meist kostenlos zugänglich zu machen. Man sollte sich einmal neben jemanden setzen, der sich im
Internet gut auskennt und gut mit Suchmaschinen umgehen
kann. Man nenne ihm Themen und erarbeite mit ihm passende
Stichworte. Und dann sehe und staune man, was er zutage fördert...
Es gibt zu fast jedem Thema nicht nur Informationen, die man
als „herrschende Lehrmeinung“ umschreiben könnte, sondern
auch reichlich gegenteilige Auffassungen, bei denen es schonungslos zur Sache geht. Das einzige Handicap: Man sollte die
englische Sprache schon gut beherrschen; denn die wirklich offenen Diskussionen finden zumeist im englischen Sprachraum statt.
Wichtig ist auch, daß zum Beispiel in den USA eine völlig andere Art von Informationsmöglichkeit besteht - sozusagen in einem umgekehrten Verhältnis zu den Gewohnheiten in der BRD.
Hier in Deutschland ist grundsätzlich alles vertraulich und geheim, steht es unter „Datenschutz“. In den USA ist fast alles für
jedermann einsehbar. Wenn nun bald alles oder fast alles auch als
elektronisches „File“ über das Netz einsehbar wird, kann sich jeder über alles von seinem häuslichen Arbeitsplatz aus „in–form–
ieren“ („in Form bringen“).
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VORWEG
Davon abgesehen ist die wichtigste Frage meistens unzureichend beantwortet, nämlich die nach dem Wahrheitsgehalt bei Information. So steht etwa das, was Stefan Baron von der Wirtschaftswoche in der ARD1 sagte (Lohnstückkosten in den neuen
Bundesländern bei 140 % gegenüber den alten Bundesländern)
völlig im Widerspruch zu einer offiziellen Statistik (siehe auch
Seite 391).
Information stammt zwangsläufig aus „Quellen“ – wird „gemacht“, um etwas „in Form“ zu bringen. Wo aber gibt es heute
Quellen, die einfach nur da sind wie die Quellen von Bächen?
„Quelle“ bedeutet heutzutage meistens schon „Interessenvertretung“. Ob eine Information zum scheinbar gleichen Sachverhalt
vom Arbeitgeberverband oder von einer Gewerkschaft gegeben
wird, macht einen gewaltigen Unterschied. Zu gleichen Fragen
äußern sich auch Parteien völlig unterschiedlich. Die dabei nicht
immer sichtbar, jedoch ahnbar werdenden Interessen machen aus
„Information“ bereits Agitation. Aber nicht immer ist bei Informationsquellen so leicht wie bei Verbänden oder Parteien erkennbar, welche Interessen sich hinter ihnen verstecken. Auch ich informiere mit diesem Buch. Doch wenn ich dabei eine Absicht und
begrenzten Raum habe (auswählen muß), kann meine Information schon nicht mehr neutral sein.
Das alles ändert jedoch nichts daran, daß aus dem Internet
schon jetzt unzählige Informationen auf sehr leichte Art abzuschöpfen sind. Wenn man sich diese Informationen verfügbar
macht, sorgfältig abwägt und filtert (wobei man ja auch sehr viel
lernt und bald kein Laie mehr ist), kann man tatsächlich über etwas, von dem man zumindest vorher nichts verstand, ein Buch
schreiben.
Alexander von Cube, der sehr lange in der Abteilung Wissenschaft des Westdeutschen Rundfunks (Fernsehen) tätig war, sagte
einmal zu mir: „Wenn man von einer Sache nichts versteht, muß
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Presseclub des WDR am 16.6.1996.
VORWEG
man einen Film darüber machen.“ - Darin steckt viel Wahrheit.
Denn wer will sich schon öffentlich blamieren und von sachkundiger Kritik zerfetzen lassen? Also muß man gründlich seine
Schularbeiten machen, um dann mit einem grundsätzlich vorhandenen Film- oder Schreibtalent ein Thema zu bewältigen.
Was es damals, als von Cube das sagte, noch nicht gab, waren
die vielfältigen und nahezu schon unendlichen Möglichkeiten,
sich über Computernetze mit Informationen zu versorgen. Da
mußte noch per Telefon und Fax nach Informationen und Informanten gefahndet werden. Was heute in wenigen Stunden möglich ist, nahm damals - vor nur zehn Jahren - Wochen in Anspruch.
Gelogen und betrogen wird heute so selbstverständlich, daß sich
sogar die Parteien im Bundestag vor laufenden TV-Kameras gegenseitig der Lüge und des Betruges bezichtigen (siehe hierzu insbesondere auch Seite 208 und die nachfolgenden). Insofern mag
dieses Buch (im Gegensatz zu mancher Publikation) auch hier eine Ausnahme darstellen: Es soll Lügen aufdecken, aber keine auftischen.
Unangenehm könnte sein, wenn es jemandem nach der Lektüre
dieses Buches so ergehen sollte wie mir während des Schreibens
und danach. Ich fühlte mich überhaupt nicht mehr wohl und von
jenen Politikern, die sich doch so sehr für das Wohl der Bundesrepublik aufopfern, übers Ohr gehauen.
Tatsächlich war meine Einstellung zu dem „paralysierten
Bonner Laden“ trotz aller Kritik doch recht naiv, bevor ich im Internet begann, den vielerlei Kapriolen Bonner Politik nachzuspüren. Da war in mir nur jenes Quantum Wut und Enttäuschung,
wie es Spiegel- und FOCUS-Leser als Gegenwartsbewältigungsdroge frisch halten. Nach dem Surfen, Schlürfen und Verdauen
vieler Millionen Datenbytes aus dem Netz war diese Droge nur
noch fahl im Geschmack.
Denn das Netz macht es jetzt schon möglich, bei einem Stichwort in der gedämpft moderierten Tagesschau „Moment mal!“ zu
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VORWEG
rufen und auf eigene Faust Hintergrundmaterial zu erforschen.
Und da sehen Wirklichkeit und Verflechtungen zu einem bestimmten Thema plötzlich ganz anders aus.
Aber gerade das, was so toll klingt wie ein Sesam-öffne-dich,
macht so traurig, weil manche Hoffnung zunichte: Denn was
nützt es, wenn plötzlich Hunderttausende oder gar ein paar Millionen anfangen, sich ihre Meinung durch Suchen und Finden
selbst zu bilden, aus ihrer persönlichen „Tagesschau“ ihr persönliches Weltbild zu stricken, sofern dann noch mehr Millionen bei
der nächsten Wahl ihre Kreuzchen bei den Stricken zu machen,
an denen hinterher auch die „Schlauen“ aufgehängt werden?
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WIE ES ANFING
Wie es anfing
D
as „Netz“ (übliches Kürzel für das Internet) bietet die
größte Informationsfülle auf dieser Welt. Und auf seinem Rechner kann man alle Daten aus ihm abspeichern. Danach kann man je nach Geschick mit anderen Programmen aus diesen Daten bequem neue gewinnen. Und
auch gerade durch das, was offenkundig fehlt, lassen sich Erkenntnisse gewinnen.
Anfang 1996 berichtete TV-TODAY2: „AKTION: InternetGrundkurs für Volksvertreter“. Diese Programmzeitschrift mit
stets bunten Multimediaseiten teilte auch mit, daß an der Freien
Universität in Berlin ein Pilotprojekt zur Ergründung des Verhaltens der Abgeordneten zum Internet verfolgt wurde.
Zu dieser Aktion hatte sich der DMMV in seinem Medium
selbst mit der Schlagzeile: „Politiker auf Draht“ gemeldet (Zitat):
Der Deutsche Multimedia Verband e.V. lädt die Bundestagsabgeordneten zur Testfahrt auf die Datenautobahn ein. Am 30. Januar 1996 erhielten 672 Abgeordnete des Deutschen Bundestages
ein Informationspaket vom DMMV e.V. mit der Zugangssoftware
deutscher Online-Diensteanbieter.
„1996 wird das Online-Jahr“ erwartet Paulus Neef, der Präsident
des DMMV (Deutscher Multimedia Verband e.V.). Der Verband,
der sich als Interessenvertretung der deutschen Multimedia- und
Online-Branche versteht, möchte daher die Bundestagsabgeord2
Nebenbei: Diese Zeitschrift hatte ihren Einführungspreis von einer
Mark erst bis auf 2 Mark 30 erhöht, um den Preis dann ab Nr. 5/96
dauerhaft auf 1 Mark zu senken, zumal Werbung ja schon ausreichend Geld in die Kasse spülen mochte (ähnlich wie beim privaten
Satellitenfernsehen, das sich völlig aus Werbeeinnahmen finanziert). Ein Gericht verbot jedoch die Auslieferung der bereits gedruckten Folgenummer wegen „Dumpings“.
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WIE ES ANFING
neten für das Thema Online sensibilisieren. Mit der Informationsaktion Politiker auf Draht bietet der DMMV allen Abgeordneten
die Gelegenheit, sofort online zu gehen und sich selbst ein Bild
von den Online-Anbietern zu machen, so Paulus Neef weiter.
Hintergrund der Aktion sind die für 1996 anstehenden Entscheidungen über die Rechtsgrundlagen für Online-Dienste. Der
DMMV will im nächsten Jahr eine eigenständige rechtliche Einordnung der Online-Dienste erreichen.
Um den politischen Entscheidern die für diese Thematik notwendige Entscheidungshilfe zu geben, beschlossen die Verbandsmitglieder die Aktion Politiker auf Draht. Jeder Bundestagsabgeordnete erhält ein Paket mit sogenannten Starter-Kits der deutschen Online-Dienste: CompuServe, MAZ Hamburg (als Internet-Provider), Europe Online und T-Online. Mit dieser Softwaregrundausstattung können sich die Bundestagsabgeordneten selbst
ein Bild vom Informations- und Unterhaltungsangebot der Online-Anbieter machen. In den Datennetzen finden sie internationale
und lokale Information zu jedem nur erdenklichen Thema, sowie
redaktionell aufbereitete Nachrichten, elektronische Magazine,
Chat-Areas (Gesprächskreise), Musikclips etc.
Jeder Abgeordnete erhält zudem seinen persönlichen elektronischen Briefkasten und kann den „Daten-Highway“ zum Kontakt
mit der Basis nutzen. Der direkte Kontakt zum Bürger bzw. vom
Bürger zum Politiker wird hier ermöglicht. In den USA ist die EMail Adresse ein Muß für Politiker. Schneller und direkter Meinungsaustausch kennzeichnen diese neue Bürgernähe. (Apropos,
auch US-Präsident Clinton ist so direkt erreichbar, und bei Anfragen wird prompt geantwortet - „mailto:president whitehouse.gov“)
Die rechtliche Zuordnung des Online-Bereiches ist derzeit noch
offen. Eine Entscheidung dieser Fragen ist dringend geboten. Die
Produzenten und die Online-Anbieter mit ihren Redaktionen, die
elektronischen Seiten mit Inhalten füllen, brauchen Klarheit hinsichtlich: Kennzeichnungspflicht, Jugendschutz, Werberichtlinien
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WIE ES ANFING
und Urheberrecht. Der DMMV tritt für eine eigenständige, liberale Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für OnlineDienste ein, da hier die individual-kommunikative Komponente
dominiert, ähnlich der bei herkömmlichen Telefongesprächen.
Politiker auf Draht ist der Auftakt einer Serie von Aktionen, die
der DMMV für 1996 plant. Alle Aktionen verfolgen das Ziel, die
Position der deutschen Multimedia- und Online-Unternehmen
im internationalen Wettbewerb zu stärken und in Deutschland
den Online / Offline Multimedia Markt als neuen Wirtschaftsfaktor zu festigen. (Zitat-Ende)
Damit hatte der Verband vor allem einen Vorstoß unternommen, der im Ergebnis auch helfen sollte, die wirtschaftliche Seite
der Onlinedienst-Anbieter und -Gestalter abzusichern („Werberichtlinien, Urheberrechte“). Denn schließlich kann „das Netz“
keine wirtschaftliche Basis für neue Arbeitnehmerheere darstellen,
wenn dort nicht geordnet Geld verdient wird.
Und jetzt die Abgeordneten, deren Minister sich gern mit Blaulicht auf der echten Autobahn am Volk vorbeidrängeln, auf der
Datenautobahn?
Im Internet, das weder Sitz noch Stimme hat, das juristisch als
Firma nicht existiert und dennoch die ganze Welt auf den Kopf
stellt, wird jetzt möglich, was sonst nur der Staatsgewalt erlaubt
ist: sich jemandem gnadenlos an die Fersen zu heften, ihn aufzustöbern, zu verfolgen, ihm auf den Zahn zu fühlen und - wenn es
wirklich nottut - an die große Glocke zu hängen.
Eine erste Suche führte nur auf dürftige Spuren:
Per E-Mail erreichbare Abgeordnete des Deutschen
Bundestages
CDU
CSU
SPD
BÜNDNIS '90/GRÜNE
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WIE ES ANFING
F.D.P.
PDS
CDU:
Hintze, Peter: http://www.cdu.org/cgibin/cdupersform?MAILTO=hintze
Kauder, Volker: http://www.cdu.org/cgi-bin/cdupersform?MAILTO=kauder
Kronberg, Heinz-Jürgen: [email protected]
Pfeiffer, Anton: http://www.cdu.org/cgibin/cdupersform?MAILTO=pfeifer
Rüttgers, Jürgen: [email protected]
CSU:
Dr. Friedrich, Gerhard: [email protected]
SPD:
Dreßler, Rudolf: [email protected]
Hampel, Manfred: [email protected]
Kubatschka, Horst: [email protected]
Opel, Manfred: [email protected]
Scharping, Rudolf: [email protected]
Dr. Schwall-Düren, Angelica: [email protected]
Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid: [email protected]
Stiegler, Ludwig: [email protected]
Tauss, Jörg: [email protected]
Wagner, Hans Georg: [email protected]
Dr. Wodarg, Wolfgang: [email protected]
BÜNDNIS '90/GRÜNE:
Altmann, Elisabeth: [email protected]
Fischer, Joschka: [email protected]
Eichstädt-Bohlig, Franziska: [email protected]
Özdemir, Cem: [email protected]
Schulz, Werner (Berlin): [email protected]
FDP:
Albowitz, Ina: [email protected]
Dr. Kolb, Heinrich L.: [email protected]
18
WIE ES ANFING
Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans: [email protected]
Dr. Röhl, Klaus: [email protected]
Dr. Schmidt-Jortzig, Edzard: [email protected]
PDS:
Dr. Gysi, Gregor: [email protected] oder
[email protected]
Köhne, Rolf: [email protected]
Dr. Luft, Christa: [email protected] (bevorzugt) oder:
[email protected]
Last edited Tuesday, 6. February 1996 17:32:56 by Stefan Gran
Man merke: Die PDS mit nur drei Abgeordneten vertreten, die
CSU mit nur einem einzigen. Ganz anders sah es da schon zwei
Monate später aus. Man durfte annehmen, daß vor allem die Abgeordneten der CDU/CSU und die wirtschaftsfreundlichen Knappen der FDP - alle in der Regierungskoalition vereint - ihre Schularbeiten gemacht haben würden. Allem voran hätten sie vielleicht
dem „Bündnis für Arbeit“ durch regen Informationsaustausch und
durch ein elektronisch offenes Ohr für das gesamte Volk etwas
wirkliches Leben einhauchen können.
Jedoch - die Schmach wischte wie von allein die Heiligenscheine
von den Häuptern der Treter ihres Volkes, schiere Statistik legte es
bloß:
Anzahl der erreichbaren MdBs
in Prozent
Partei
2
1
4
6
14
30
3,51 %
1,75 %
7,02 %
10,53 %
24,56 %
52,63 %
CDU
CSU
FDP
B 90/Grüne
SPD
PDS
Damit brachten es die Abgeordneten der Regierungsparteien auf
sage und schreibe 12,28 Prozent aller Abgeordneten, die offiziell
19
WIE ES ANFING
über eMail zu erreichen waren. Die Nichtregierungsparteien kamen dagegen auf stolze 87,72 Prozent. Während die Zahl der
eMail-gierigen Abgeordneten bei der PDS von 4 auf 30 hochgeschnellt war, hatte die CSU eiserne Stabilität bewiesen: Für sie
hielt souverän Dr. Friedrich, Gerhard: [email protected]
Wache am elektronischen Tor zur Welt. Wie - das ist unter Dokumentation <3> (ab Seite 275) zu finden.
In Wirklichkeit sieht es für die Regierungsparteien noch ungünstiger aus. Wenn schon vom Berliner Pilotprojekt „Abgeordnete
im Internet“ eine Liste mit dem Titel „Per E-Mail erreichbare Abgeordnete des Deutschen Bundestages“ herausgegeben wird, sollte
sie so vollständig wie möglich sein. Lutz Lademann, einer der Betreuer des Projektes, schränkte jedoch ein: „Dabei muß allerdings
eines beachtet werden: es ist keine Liste aller MdBs, die über eine
E-Mail Adresse verfügen - das sind weit mehr, als bei uns aufgeführt. Es ist die Liste aller MdBs, die gleichzeitig auch mit der
Veröffentlichung ihrer Adresse einverstanden waren.“
Womit die Katze aus dem Sack war. Andererseits war festzustellen, daß in gewisser Weise die Linke nicht wußte, was die
Rechte tat (hier eher umgekehrt), denn während die Liste des
Projektes 30 PDS-Abgeordnete nannte, gab die PDS selbst in ihren WEB-Seiten 37 Abgeordnete bekannt. Rechnete man die Projektliste entsprechend um, stellten die PDS-Abgeordneten nicht
52.63 %, sondern sogar 57,81 % der per E-Mail „erreichbaren“ Abgeordneten oder Funktionsträger in der BRD.
Verteufelt sei, wer nun glaubt, daraus lasse sich ein Rückschluß
auf die Arbeitsamkeit und das Interesse an den Problemen des
Volkes bei den Regierenden ablesen! Oder sollte (cum grano salis)
doch etwas an den Zahlen sein, das auf die Arbeitswilligkeit, die
Lernfähigkeit und das Engagement der Mehrheit des Bundestages
schließen ließe? Waren - im Gegensatz zur leeren Rede der Mäuler - die Bäuche zu voll, die Kreisläufe zu träge geworden? Waren
die Hände mehr zufrieden gefaltet als rege beim Tun? Hatten sich
20
WIE ES ANFING
die Abgeordneten der CDU/CSU innerlich zurückgelehnt oder
bereits heimlich das Handtuch geworfen?
Der eine einzige über das Pilotprojekt für die Bundestagsabgeordneten erfahrbare und direkt erreichbare Abgeordnete der CSU
wurde (ein wenig) näher betrachtet (aaO, Seite 275).
Dabei stellte sich aber heraus, daß anscheinend die Liste der
über eMail erreichbaren Abgeordneten irgendwie ungepflegt war.
Der Abgeordnete Friedrich schmückte sozusagen sein Titelblatt
mit einer Verzweigung zu „allgemeinen Dokumenten“, unter denen aber das Thesenpapier eines Abgeordneten Mayer ans Licht
kam, der wiederum über eMail unter „[email protected]“ erreichbar sein sollte. Dieser Mayer kam in der offiziellen Liste „Per E-Mail erreichbare Abgeordnete des Deutschen Bundestages“ (last edited Tuesday, 6. February 1996 17:32:56
by Stefan Gran) aber nicht vor. Auch in der am 8. April 1996 vom
Server gezogenen Liste war dieser Abgeordnete Mayer nicht vertreten.
Sollte daraus der Schluß gezogen werden können, daß entweder
a) die Liste bewußt oder aus Schlamperei unvollständig gehalten
wurde oder b) es Abgeordnete gab, die sich „versteckten“, also lieber nicht direkt erkennbar per eMail erreichbar sein wollten? Nun,
dazu haben wir ja schon die Erklärung von Lutz Lademann.
Jetzt war der Boden reichlich gedüngt, diesen gesamten Komplex einmal zu untersuchen und über die gewonnenen Erfahrungen ausführlich zu berichten. Denn für mich stand fest: Auch
wenn es sich um ein Pilotprojekt handelte, mußte gerade hier und
jetzt alles klappen, durfte nichts irgendeinem Schlendrian überlassen werden.
Mein Vorhaben, zu dem Problem ständig anwachsender Arbeitslosigkeit und zu den sonnigen Prophetien, das Multimediazeitalter werde es schon richten, einigen Leuten konkrete Aussagen abzuringen, sollte vor allem unter Einsatz eben jener hochgelobten modernen Technik durchgezogen werden. In irgend einer
Weise war die Situation schizophren: Vertreter des Volkes, bei de21
WIE ES ANFING
nen Kommunikationsfähigkeiten Vorrang haben sollten, mußten
durch ein „Projekt“ erst an diese Technik „herangeführt“ werden,
während Hunderttausende von Kids damit schon wie selbstverständlich umgingen. Sie stellten sich damit auf eine Stufe mit den
vielen verschlafenen Unternehmern, die eMail als modernes Kommunikations- und Organisationsmittel ignorierten.
So verkündete das Projekt in einem Vorwort: „Im Rahmen des
Pilotprojekts präsentieren sich zum ersten mal sechs Abgeordnete
des Deutschen Bundestages im Internet. Sie sind unseres Wissens
damit in Deutschland die ersten Politiker überhaupt, die das Medium Internet im größeren Umfang nutzen - also nicht nur via EMail erreichbar sind, sondern auch selber Informationen über das
World Wide Web der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.“ Sechs! Und die wurden gefeiert wie Helden: „Wer das kritische
Internet-Publikum hierzulande kennt, weiß, daß darin nicht nur
Chancen liegen, sondern auch ein kleines Wagnis.“
Zur „Idee“ legten die Projektträger auf ihrer Begrüßungsseite
dar: „Wo aber - insbesondere aus politikwissenschaftlicher Sicht könnte die Verfügbarkeit von Informationen und die Möglichkeit
der direkten Kommunikation so wichtig sein wie im Bereich des
Politischen? Der in unserer Demokratie so oft bemühte ,mündige
Bürger‘ setzt den informierten Bürger zwangsläufig voraus. Wie
und ob sich Bürger informieren, dürfte jedoch entscheidend von
der Größe des Aufwands abhängen, der zur Beschaffung der Informationen aufgebracht werden muß. Somit drängt sich die Nutzung des Internet zur Bereitstellung von politischen Informationen und Kommunikationsmöglichkeiten geradezu auf. - Wer sich
im Internet auskennt, weiß, daß es in Deutschland von wenigen,
noch dazu inhaltlich oftmals eher unzulänglichen Ausnahmen
abgesehen, eine solche ,politische‘ Nutzung des Internet nicht
gibt. Aus diesem Umstand entstand die konkrete Idee für dieses
Pilotprojekt: wir wollten exemplarisch aufzeigen, daß die Möglichkeiten des Mediums Internet bei der Vermittlung von politischen Informationen und politischer Kommunikation bisher in
22
WIE ES ANFING
Deutschland bei weitem noch nicht voll ausgeschöpft werden. Im
Idealfall hoffen wir, durch dieses Projekt andere zur Nachahmung
anzuregen.“
Der Dekan des Fachbereichs Politische WissenschaftII an der FU
Berlin, Prof. Dr. Ralf Rytlewski, gab denn auch in einem Grußwort zu: „Neue soziale Präsentations- und Darstellungsformen,
veränderte Prozesse der Gruppen- und Interessenorganisation,
neue Möglichkeiten der Telepräsenz, -abstimmung und -arbeit
werden unsere Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten einem
grundlegenden Wandel unterziehen.“
Und weiter: „Bundespräsident Roman Herzog stellte unlängst
fest, daß die repräsentative Demokratie in der Informationsgesellschaft Konkurrenz bekomme. Als größtes politikwissenschaftliches Institut in der Mitte Europas interessiert uns die Frage, wie
diese Konkurrenz aussieht, welche gesellschaftlichen Folgen sie
nach sich zieht und ob sich tatsächlich der repräsentative Charakter unserer Demokratie verändern wird.“
„Das Pilotprojekt ,Abgeordnete im Internet‘ soll ein Anfang sein,
diese Entwicklungen zu erforschen“, schrieb der Dekan. „Es geht
darum festzustellen, wie elektronische Verbreitungsmedien dazu
beitragen können, die Distanz zwischen den politischen Prozessen
und den interessierten Bürgern zu verringern. - Kein anderes Medium bietet die Möglichkeit, komplexe Prozesse des parlamentarischen Geschehens so aufzubereiten und darzustellen wie das
World-Wide-Web.“
Aber: „Und nach dem Pilotprojekt?“ wurde auf der Infoseite des
Projektes auch schon gefragt. Die Antwort: „Das Pilotprojekt ist
auf einen Zeitraum von einem Jahr beschränkt. Sofern die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt positiv waren, soll das Informationsangebot der Abgeordneten möglichst aufrechterhalten und weitergeführt werden. Wie das dann realisiert wird, hängt von den technischen Möglichkeiten ab, die den Abgeordneten zu dem Zeitpunkt über ihre Partei, Fraktion, den Bundestag oder aber privat
zur Verfügung stehen. Die bis zu dem Zeitpunkt erstellten Seiten
23
WIE ES ANFING
bleiben auf jeden Fall auch unter http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/ erhalten, so daß darauf gelegte Links nicht
ungültig werden.“
Immerhin steht jetzt schon fest: Ohne das Projekt mit dem entsprechenden Trara wäre es fast geheim geblieben, daß in Wirklichkeit schon etliche Abgeordnete per eMail erreichbar waren.
Nur wußte es kaum einer. Die es am besten wußten, werden wohl
die Lobbyisten aus der Industrie und bestimmten Verbänden gewesen sein. Oder nicht?
Wie sich später herausstellen sollte, verkehrten viele Abgeordnete das Projekt in das Gegenteil dessen, was es laut Ankündigung
durch Lutz Lademann und Thomas Sümmerer sein sollte: „Die
beteiligten Abgeordneten sollen per E-Mail erreichbar sein und
diese dann natürlich auch lesen und beantworten. Zum zweiten
sollen alle Abgeordneten möglichst umfangreiche Informationen
über sich und ihre Arbeit in Bonn bzw. im Wahlkreis im WWW
zur Vergfügung stellen. Die Seiten sollen explizit keine einfache
Übertragung von bunten Wahlbroschüren auf WWW-Seiten sein,
sondern „harte Informationen“ zur Verfügung stellen - Presserklärungen, Gesetzestexte an deren Entwurf der/die Abgeordnete
beteiligt war, Debattenbeiträge, Aufsätze des Abgeordneten, der
Wortlaut von Vorträgen usw. usf.“
24
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Der Brief an die Abgeordneten
D
en Grundstein, das Thema Arbeitslosigkeit und deren
mögliche Bekämpfung weiter zu verfolgen, hatte ich
in meinem Buchmanuskript „Mies... Mieser... Multimiesia“ gelegt, an dem ich immer noch arbeite. Die
dort aufgeworfenen Fragen konnten jetzt aufgegriffen werden.
Während der Arbeit an dem Buch, das wiederum nur einen Auszug aus dem ebenfalls noch nicht erschienenen Buch „Die Zeitbombe im Kopf“ darstellt, hatten sich immer neue quälende Fragen aufgedrängt. Diese lagen eigentlich auf der Hand und mußten
jedermann interessieren. Sie wurden aber vor allem in den Medien
nicht oder zumindest so gut wie nie und vor allem nicht deutlich
erkennbar gestellt. Lediglich in Fachzeitschriften wie beispielsweise in Markt & Technik wurden diese Fragen angeschnitten.
In meinem Buch hatte ich dargelegt:
Wir sind also nicht nur über die Schwelle zur Industrialisierung
geistiger Arbeit getreten, sondern müssen auch den Begriff „Arbeit“ und die Regeln zur Erbringung von Leistungen neu definieren (Umverteilung von Arbeitsplatz und Arbeitszeit, Flexibilisierung von Verteilung und Leistung). Bis jetzt konnten angesichts
dieser gesellschaftlichen Notwendigkeiten die Unternehmer die
Gewerkschaften immer in die Tasche stecken.
Bei der hohen Komplexheit gewachsener Verflechtungen mit
vielen Beteiligten, wie wir sie heute haben, dürfen wir uns nicht
einbilden, daß wir selbst auf bereits brennende Fragen die Antworten schon in fünf oder zehn Jahren wissen. Es wird wohl eine
ganze Generation in Anspruch nehmen mit vielen nachwachsenden jungen Menschen und vielen neuen jungen Unternehmen, es
wird vielleicht auch einer reinigenden Katastrophe bedürfen, bis
25
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
ein völlig neues Verständnis von „Recht auf Arbeit“, von „Arbeit“
selbst und von Verteilung von Arbeit zum Alltag geworden ist.
Heutige „Normen“ und daraus folgend „genormtes“ Verständnis von Problemen hilft aus Schwierigkeiten nicht heraus und verschlimmern sie noch. Auch das überraschende Angebot einer großen Gewerkschaft, für eine gewisse Zeit auf Lohnerhöhungen zu
verzichten, wenn die Arbeitgeber eine bestimmte Menge neuer
Arbeitsplätze schaffen, zeigt nur die Hilflosigkeit der Beteiligten.
Es wurde der Preis genannt und der dafür verlangte Gegenwert,
ohne schlüssig darzulegen, wie das Ergebnis erreicht werden kann.
Im Gegenzug allein für den heroischen Entschluß, Forderungen
durch Verzichtsangebote zu ersetzen, sollten andere sich den Kopf
zerbrechen und die Leistung erbringen.
Niemand - auch in den vielen nachfolgenden Diskussionen vor
allem im Fernsehen nicht - hat dargelegt: Bei weiter steigender
Produktivität des Einzelnen und bei dann gleichem oder sogar
wachsendem Produktionsausstoß nimmt der Bedarf an Arbeitskräften eher ab als zu. Neue Arbeitsplätze, selbst wenn sie aus
Lohnverzicht finanziert werden sollten, könnten nur durch neue
Produkte und Dienstleistungen notwendig werden. Auch müßten
Produkte nicht so hemmungslos importiert oder zur Herstellung
in Billiglohnländer vergeben, sondern hierzulande fabriziert werden. Da beißt sich die Katze aber in den Schwanz: In solchen
Fällen könnte die Produktion auch ohne Lohnverzicht erweitert
werden. Das würden Unternehmer von sich aus tun.
Die Schwierigkeiten werden um so größer sein, je träger die Gewerkschaften erkennen, welchen Wert und Anteil die Information
an der Gesamtheit aller Arbeitsprozesse gewinnen wird und wie
stark die Verlagerung von Informationsverarbeitung in immer
selbständiger agierende Rechner sich auswirkt. Zunehmende Vernetzungen und qualitativ wie quantitativ wachsende Datenverarbeitungen (in jedem und im weitesten Sinne) führen zu einer Robotisierung auch da, wo man keinen einzigen dieser Pneumo-,
Hydro- und Elektro-Sklaven entdecken kann.
26
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Es ist in diesem Zusammenhang hochinteressant, daß die Techniken zur Realisierung von Multimedia (wie Harry Assenmacher
sie vornehmlich bei der „Unterhaltungskultur unserer weltweiten
Gesellschaft“ ausmacht) exakt die gleichen sind, mit denen man
bei der Leistung von geistiger Arbeit die Menschen an eine Aufgabe binden kann (stationäre und virtuelle Arbeitsplätze oder Unternehmen). Multimedia wird mithin nicht, wie viele glauben, eine Freizeitangelegenheit sein und hier eine neue Informationsindustrie schaffen.
„Multimedia“ - das heißt „multilokale“ und „multifunktionale“
Einbindungen in Prozesse jedweder Art, bei denen Informationen
er- oder verarbeitet werden. Dabei spielt es, falls es nicht Grundbedingung ist, überhaupt keine Rolle mehr, wann und von wo die
Leistungen erbracht werden. Multimedia ist, so gesehen, nicht ein
neues Medium oder eine Verschmelzung von Medien, sondern
nur die Verfeinerung und Leistungssteigerung von Techniken, wie
sie vielerorts schon längst in lokalen Netzen (LAN) oder weit gespannten Netzen (WAN)3 rund um die Welt bekannt sind.
Dem folgte an anderer Stelle zum Stichwort „Arbeitsplatz“:
Die Welt wird morgen ganz anders sein als heute. Gewaltige
technologische Veränderungen, die an sich viel Zeit brauchen,
stehen bevor. Dahinsiechende Technologien von gestern haben
aber schon eine breite Spur unzähliger Arbeitsloser hinterlassen,
und so kann erwartet werden, daß maßgeblichen Leuten in Wirtschaft und Politik „ein Licht aufgehen“ wird. Wenn neue Medien
mit neuen Technologien neue Dienstleistungen und neue Arbeitsplätze und vielleicht gar eine neue Gesellschaft schaffen, werden sie erst noch mehr Arbeitsplätze alter Art vernichten. Sie werden andererseits aber ungeheure Investitionen in die neuen tragenden Gerüste voraussetzen - warum soll man dann nicht die
3
Hier sei schon angemerkt, daß das Internet sich anschickt, WANs
zu ergänzen oder zu ersetzen, während das „Intranet“ an die Seite
der LANs tritt.
27
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
vielen heutigen Arbeitslosen mit gigantischen Programmen an den
Bau dieser Gerüste bringen? - Wird es so sein?
Als Hitler4 (pardon, es gab ihn ja tatsächlich) die Arbeitslosen
von der Straße haben wollte, wurden sie massenweise über den
Reichsarbeitsdienst an die Autobahnbaustellen gekarrt, obgleich es
den entsprechenden Langstrecken- und Massenverkehr noch gar
nicht gab. Gleichzeitig ließ er von Ferdinand Porsche in Wolfsburg den „Volkswagen“ auf Kiel legen, wozu 1938 nicht nur das
Werk, sondern die ganze Stadt Wolfsburg selbst aus dem Boden
gestampft wurde (siehe auch Endnote III).
Statt von den noch Arbeitenden unproduktive Arbeitslosigkeit
und langweilendes Nichtstun finanzieren zu lassen, wird dem
Staat oder der EU sicherlich irgendwann einfallen, wie sie aus
Unterstützungszahlungen Wertschöpfungen wachsen lassen können. Zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht finanzierbare
Investitionen in neue Strukturen werden vielleicht finanzierbar
oder vorgezogen, wenn die Gestehungskosten durch Lohnzuschüsse wesentlich gesenkt werden können. So mag niemand an
Hitler denken, aber an Stichworte wie „Autobahn“ oder „Wolfsburg“. Es geht um Konzepte, nicht nur eine neue Ära technisch zu
ermöglichen, sondern auch möglichst viele Menschen produktiv in
diesen neuen Zeitabschnitt mit hinüber zu nehmen - ...statt sie
vom Fortschritt abhängen und im eigenen Saft schmoren zu lassenIV.
Ich fand zum Problem der Arbeitslosigkeit immer neue bedrohliche Facetten, die ich in dem Buch darlegen wollte. So etwa auch:
Euphorische Schätzungen besingen das Aufkeimen von Millionen an Arbeitsplätzen im Bereich Multimedia. Doch das anstaubende Deutschland ist nicht dabei.
Thomas F. Lansky, Tausendsassa im Film-, Multimedia- und
Newsgeschäft, pfeift auf unsere Republik, die er eigentlich mag,
und setzt lieber auf New York. In Deutschland könne man wegen
4
28
Zu beachten ist hierzu auch die nachfolgende Endnote (Seite 411).
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
der verkrusteten Strukturen und des Herumgemeckeres nur Geld
verlieren. Kai Krause, 38, ein Ruhrgebietskind aus Essen-Steele,
sieht in Deutschland keine Chance und wirkt in Kalifornien. Als
„multimedialer Popstar“ hat er richtungsweisende Produktionen
mit Keith Emerson, Peter Gabriel, Herbie Hancock, John Mitchell, Stevie Wonder und Prince geschaffen. Vor einiger Zeit landete er weltweit einen Hit mit dem Programm „GOO“.
Jennifer Neumann, erst 35 Jahre alt und rund um die Welt geschätzte Software-Schmiedin, bezog ihre Wissensbasis von der
Uni Berlin. Sie krabbelte sich im innovationsfeindlichen
Deutschland nur mühselig hoch und gründete in den USA eine
Tochterfirma, die sie zum Hauptsitz erhob. Nach ihrer Auffassung werden im behäbigen Deutschland innovative Firmengründer eher gelyncht als gefördert.
In Deutschland, beklagte der mittlerweile etwas verdrossene
SPD-Mandatsaussteiger Glotz, gäbe es mal gerade eben ein namhaftes Softwareunternehmen mit fast 2.000 Mitarbeitern. Dagegen
wären in den Vereinigten Staaten Dutzende weltbekannter Firmen quasi aus dem Nichts („Garagenfirmen“) entstanden. Die
Stärken Deutschlands lägen auf „klassischen Feldern“ wie Automobil, Elektrotechnik, Chemie, Maschinenbau. Im nächsten Jahrhundert würde das Wachstum aber nicht von diesen Industriegruppen bestimmt sein. Das sei, „um es moderat auszudrücken,
eine gefährliche Situation für uns“.
Während Old Germany in einem unruhigen Dämmerschlaf mit
eingestreuten Alpträumen verharrt, rüstet sich die neue Welt zu
weiteren Eroberungsfeldzügen, die Deutschland zu einem Kolonialstatus verhelfen können, wenn es sich nicht aufrappelt...
In meinem Manuskript kommt es erst viel später, fügt sich jedoch hier wie nahtlos an:
Ob man das gehässig als „digitalen Imperialismus“ der Amerikaner bezeichnet oder nicht - es schafft weiterhin peinliche Situationen. Da mag ein Deutscher (der Konstanzer Otto Müller mit
seinem „Hyperstone“-RISC/DSP-Multimedia-Prozessor) getrost
29
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
einen Mikroprozessor entwickelt haben, den das japanische (!!!)
Unternehmen Alps in Lizenz genommen hat, es ändert nichts an
der Tatsache, daß in fast allen Computern vornehmlich solche
Bauteile stecken und diese Computer fast nur mit Betriebssystemen und Programmen arbeiten, an deren Rechte Amerikaner verdienen. Außerdem darf man nicht übersehen, daß bei der Unterhaltungselektronik die Japaner den Weltmarkt erobert haben. Und
selbst wenn irgendwo „Made in Germany“ draufsteht, muß man
fürchten, daß drinnen schon die Maden aus Billiglohnländern
deutsche Arbeitsplätze weggefressen haben.
Ulrich Wickert (ARD-Tagesthemen) formulierte in seinem
Buch „Der Ehrliche ist der Dumme“, das den Verfall von Moral
und Ethik, die mangelnde Solidarität und das Fehlen gemeinsamer Ziele in der heutigen Zeit bloßlegt: „Denn in dieser Zeit des
ausgehenden 20. Jahrhunderts, in der die Industriegesellschaft sich
in eine Dienstleistungsgesellschaft verwandelt und sich deshalb in
einer großen Beschäftigungskrise befindet, wird neu darüber
nachgedacht, wie die vorhandene Arbeit gerecht verteilt werden
kann. Dies erfordert solidarisches Handeln derjenigen, die von
ihrer Arbeit etwas abgeben sollen.“ Diese Darlegung liest sich, als
sähe Wickert „Arbeit“ als etwas wie gottgegeben und mengenmäßig Vorgegebenes an, dessen möglichst gleichmäßige (gerechte)
Verteilung zu veranstalten sei, um allen Bürgern Brot und Glück
zu sichern. Er erläutert auch nicht, warum die Amerikaner diese
Umstellung anscheinend schaffen, die Deutschen dagegen nicht.
Etwas weiter in seinem Buch (zu Ursachen von Gewalt) legt
Wickert dar: „Den Zusammenhalt einer Gesellschaft kann eine
Idee bewirken, die über dem Alltäglichen steht, die zu verteidigen
die Mitglieder der Gesellschaft alles einsetzen und zu deren Gunsten die Bürger auf eigene Vorteile verzichten würden5. Kurz, der
transzendentale Wert besiegt den Egoismus und schweißt die Ge5
30
Nebenbei: So haben sich religiöse Gemeinschaften, die Kommunisten und die Nazis ebenfalls gegeben und tun sie es noch.
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
sellschaft zusammen.“ Einige Absätze später führt er aus: „Denn
die neuen Freiheiten führen nicht nur zu neuen, positiven Spielräumen, sie haben auch negative Folgen, die weiter gehen als die
Aufspaltung in eine Zweidrittel-Gesellschaft (zwei Drittel wohlhabend, ein Drittel arm) oder die Ausgrenzung von Randgruppen
(Obdachlose etc.); vielmehr geht es insgesamt um
• Auflösungsprozesse von Beziehungen zu anderen Personen
oder von Lebenszusammenhängen (sei es in der Familie oder in
Milieus);
• Auflösungsprozesse der Teilnahme an gesellschaftlichen Institutionen (z.B. vor allem der Wahlbeteiligung);
• Auflösungsprozesse der Verständigung über gemeinsame
Wert- und Normvorstellungen (z.B. durch Subjektivierung und
Pluralisierung.“
Diese Stelle, an der ich in dem Buch Ulrich Wickert zitiert habe,
sollten wir sorgfältig und griffbereit im Hinterkopf ablegen. In
meinem eigenen Munuskript fuhr ich fort:
Hämmern wir uns ein: Es geht darum, die vielen und zum Teil
hochqualifizierten Arbeitskräfte, die als Folge von Rationalisierung und Automation überflüssig (vornehm ausgedrückt: „substituiert“) werden, mit neuen Jobs zu versorgen. Diese können ja
nicht in den bekannten alten Berufsfeldern zu finden sein, aus denen sie gerade rausgeflogen sind. Für die heranwachsende Jugend
müssenneue und neuartige Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch
diese können nicht in den Berufsfeldern liegen, die ausgebildete
Menschen abgesondert haben und keinen Nachwuchs mehr im
altgewohnten Maßstab benötigen.
Erinnern wir uns jetzt daran, daß es viele an sich überflüssige
(Luxus-)Produkte und Dienstleistungen gibt, die niemand wirklich braucht, die aber dennoch zum Wirtschaftskreislauf, zum Sozialprodukt beitragen, Hunderttausenden Arbeit verschaffen und
ein angenehmes Dasein ermöglichen. Wo liegt da, verglichen mit
Nahrung, Kleidung und Wohnung, die „Leistung“? Nehmen wir,
um die Kosmetik-Industrie nicht übermäßig zu schmähen, unsere
31
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
eigenen vier Wände und erst recht die Luxusbehausungen unter
die Lupe: Da sammelt sich im Laufe der Zeit ein Krimskram an,
der zum normalen Leben völlig unnötig ist. Seien wir so mutig,
auch Kunstgegenstände dazu zu rechnen, Bilder, Skulpturen,
künstlerisch überhöhte Gebrauchsgegenstände, teure Tapeten,
Teppiche... - und Schmuck!6
Ich wollte und will damit keineswegs den Künstlern oder Kosmetikern an den Kragen. Wier sollten uns jedoch vor Augen halten, daß riesige und zum Leben (zu einem guten Leben!) unnötige
Industriekomplexe florieren und vielen Menschen Arbeit und
Wohlstand verschaffen. Wie umweltverträglich und ressourcenfressend sie sein mögen, steht auf einem anderen Blatt. Wenn wir
heute so viele Arbeitslose haben, hängt das sehr wesentlich damit
zusammen, daß keine neuen Kommerzbereiche „erfunden“ wurden, die anderweitig freigewordene Arbeitskräfte mit einem „unteren“ Bildungs- und Ausbildungsstand hätten binden können. Anders ausgedrückt: Es fehlte an Innovation. Es kam aber noch
schlimmer, was ich in meinem Manuskript auch aufgriff:
Dem listigen Entwenden deutscher Arbeitsplätze durch im
Ausland produzierende Konkurrenz setzten deutsche Unternehmer eigenhändig die Krone auf. Sie schufen zur Kosteneinsparung
unzählige Arbeitsplätze im Ausland, um dort ihre Produktionen
aufzubauen und ihre Produkte nur noch zu importierten. EG-weit
schauten die Politiker untätig zu. Bei uns verlagerten sie die eklatanten Schäden daraus auf die Sozialkassen der noch verbliebenen
Arbeitnehmer, vergriffen sie sich an deren Rentenrücklagen.
Und jetzt soll Multimedia und alles, was damit zusammenhängt,
die Wende bringen, die Menschheit vom Industriezeitalter in das
Informationszeitalter erheben? Wie sollen die notwendigen und
bislang kaum vorhersehbaren Prozesse in einem solchen Zeitalter
6
32
Oder man denke an Swatch-Uhren, die niemand wirklich braucht
und deren Preis beträchtlich nur dazu dient, Werbekampagnen,
PR-Protz und Happenings zu finanzieren, die wiederum den Absatz
hochschrauben und weitere Werbemittel verschaffen...
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
den weggebrochenen Arbeitskräftebedarf in klassischen Industrieund Dienstleistungsbereichen hinlänglich und wirkungsvoll kompensieren? Wer werden die Hersteller, was die Produkte, wie die
Prozeduren, wo der Markt sowie vor allem wie die Wertbeschaffenheit sein?
Ausgerechnet ich konnte darauf auch keinen Antwort haben. Ich
konnte allerdings aufzeigen:
Immerhin: In den USA wurden in den vier Jahren bis Ende 1995
acht Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, die Inflation sank
bis auf unter drei Prozent, die Arbeitslosigkeit auf Werte um fünf
Prozent, während die Unternehmensgewinne explodierten. In
Deutschland explodierten nur die Unternehmensgewinne. Von
Inflation keine Rede, aber die Arbeitslosigkeit nahm immer dramatischere Ausmaße an. Und es mag noch schlimmer kommen:
Während nämlich im Werksbereich die Rationalisierung schon
fürchterlich gewütet hatte und weiter wütet, blieb der Verwaltungsbereich trotz unzähliger Computer noch weitgehend verschont, hat man dort immer wieder neue Arbeit „erfunden“ - und
seien es blödsinnige Statistiken. Untersuchungen in den USA ergaben, daß die Superunternehmen bald ein Viertel ihres alten Beschäftigentenstammes gefeuert hatten, von den Gefeuerten aber
ungefähr drei Viertel „Weißkragen“ waren. Da gesparte Kosten
zusätzlicher Gewinn sind, werden auch deutsche Unternehmer
bald genauer hinsehen, was aus den Wasserköpfen der Verwaltungen abgelassen werden kann.
Dann verfolgte ich einen anderen Aspekt:
Arbeitsplätze werden heute oft so gesehen, als seien sie Teil eines
Vermögens, das Unternehmer und Politiker böswillig in ihren
Kellern vor arbeitswilligen Menschen verstecken.
Und ich führte etliche Seiten weiter dazu aus:
Oder muß man es so sehen, daß „Arbeitsplätze“ nicht mehr auf
der Basis eines gesunden Unternehmens die Folge eines unternehmerischen Bedarfs an Arbeitskraft sind, sondern eine soziale
Veranstaltung?
33
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Ist die „Rettung von Arbeitsplätzen“ auf Kosten der Gesamtgesellschaft eine modernere Form von „Reichsarbeitsdienst“, mit
dem man Leute von der Straße hält, um sie nicht in einem überbordenden Elend dumpfer Arbeitslosigkeit dahindämmern und zu
einem revolutionären Potential aufquellen zu lassen?
Wird privatwirtschaftliche Unfähigkeit, wenn sie nur ausreichend viele Menschen vor den Abgrund stößt, zum Politikum mit
dem Staat als Heilgehilfen? Wird privatwirtschaftliches Risiko auf
diese Weise sozialisiert und somit unsozial?
Sollte das der Fall sein, warum „schafft“ man dann nicht „Arbeitsplätze“, indem man nicht ständig marode Industriezweige
künstlich beatmet, sondern in zukunftsweisende Technologien
und ihre Verbreitung investiert? Warum baut man nicht ein tatsächlich flächendeckendes bundesweites Breitbandnetz (Glasfaser)7? Warum verfügen die zu besonderen Anstrengungen aufgerufenen alten Bundesländer nicht über ein so modernes Kommunikationsnetz wie die neuen Bundesländer, in die noch lange hineingebuttert werden muß?
Machen wir einen Sprung zu einer anderen Stelle in meinem
Manuskript:
Die Militärs wollen die allgemeine Not für sich ausschlachten
und kommen immer wieder listig mit ihrem Eurofighter anmarschiert. Nicht daß jemand diese Kriegsgerät wirklich benötigt,
nein, es soll „Arbeitsplätze sichern“. Und danach darf es am laufenden Bande irre Kosten produzieren. Für weniger Geld könnte
man die Arbeitsplätze aufgeben und die Arbeiter mit fürstlichen
Gehältern auf die Bermudas in Pension schicken. Man könnte
auch statt der Flugzeuge unzählige Windkraftwerke bauen und
den Strom verkaufen (also statt Verluste sogar Gewinn machen),
aber das wäre „vernünftig“, geht also nicht.
7
34
Italien kann es! Glasfaser als „Nationale Aufgabe“ sichert diesem
Land „Vorsprung durch Technik“.
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Da Journalisten ihre Weisheit aus Beobachtung schöpfen, haben
sie es leicht, öffentlich etwas davon abzugeben wie in der WAZ:
„Es kam, wie es kommen mußte. Gegen den Markt kann man auf
Dauer nicht produzieren. Gegen die billigeren Wettbewerber aus
Fernost und Osteuropa können sich deutsche Werften nicht behaupten...“ - Nur, woher kommt die Weisheit, wo wurde sie gefunden? Bei der Wirtschaft, bei der Politik? Da war sie doch wohl
nicht zu finden, also muß sie woanders verborgen gewesen sein,
wo der Journalist sie entdeckte, in Wirtschaft und Politik doch
wohl nicht.
Droht jetzt Ähnliches beim Eintritt in das Multimedia-Informations-Dienstleistungszeitalter? Wird man irgendwann in der Zeitung lesen: „Es kam, wie es kommen mußte. Gegen den Markt
kann man auf Dauer nicht existieren. Gegen die fortschrittlichen
Wettbewerber aus USA und Fernost können sich deutsche Anbieter nicht behaupten...“ - Günther Leue8, schon Anfang der
achtziger Jahre ein führender Pionierveteran im Mailboxbereich
(Vorreiter der heutigen Online-Provider) schrieb aus seiner Gebirgsidylle zu längst weitverbreiteten Befürchtungen in einem lieben eMail-Brief: „Leider ändern daran die Politiker-Phrasen garnichts. Meine Befürchtung ist, daß es erst zu einem ganz großen
Kladderadatsch kommen muß, zu einer Art von 1945, bevor sich
da vielleicht etwas ändern mag. Vielleicht ist aber schlicht und
einfach die westliche Welt am Ende.“
Das wollen wir nicht hoffen. In meinem Manuskript kam ich zu
dem Schluß:
Dem Westen bleibt jetzt nur noch, alles zu versuchen, den Start
in das Digitalzeitalter mit vielen Innovationen zu verbinden, aus
denen Arbeitsplätze in den heimischen Gefilden wachsen. Sofern
8
Über Leue wunderte sich das „Spiegel special“ (Nr. 3/96), weil er
die Chance verpaßte, sein Unternehmen teuer an einen Konkurrenten zu verkaufen, und nun vielleicht einem Pionierschicksal entgegensieht wie der kürzlich verstorbene Konrad Zuse, der nur wenige Kilometer von Leues Ilmesmühle entfernt in Hünfeld lebte.
35
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
dabei Hardware betroffen ist, droht aber bereits deren Fertigung in
Fernost. Es ist schlicht viel zu einfach, digitales Design rund um
die Welt über Netze zu optimieren, wie es John Gage, wissenschaftlicher Direktor bei SUN Microsystems im kalifornischen
Mountain View, gewohnt ist. Mit nahezu einer halben Milliarde
Bits je Sekunde tauscht er rund um die Welt fachliche Daten aus,
simuliert er in Zusammenarbeit mit anderen Entwicklern die Leistungen neuer digitaler Schaltungen. Diese dann „on silicon“ (auf
Siliziumplättchen) zu realisieren, ist simpel geworden. Ohne das
Know-how in neuen Chips preiszugeben, kann man die Produktion neuer High End-Geräte dann in Billiglohnländern vornehmen, um die Fertigprodukte teuer in Hochlohnländern zu verhökern und satte Profite einzuheimsen9.
Was aber werden diese Produkte sein? Und: Müssen innovative
Produkte mit innovativen Chips, die nicht kopierbar sind, in Billiglohnländern produziert werden? Können solche Produkte, bis
selbst sie veralten, nicht vorrangig auch in heimischen Bereichen
produziert werden? Sind moderate Preise nicht allein schon dadurch zu erwarten, daß immer mehr Leistung (auch mehrerer
Chips) in immer weniger Chips gepackt wird und in den Geräten
immer „weniger drin“ sein kann? Werden nicht tatsächlich sogar
Standardprodukte, bei denen sich die Taiwaner riesige Weltmarktanteile gegriffen haben, in Deutschland hergestellt oder zumindest „assembliert“ (siehe auch Fußnote)?
Dazu gibt Nicholas Negroponte, Mitbegründer des MIT Media
Lab und Professor für Medientechnologie am MIT, in seinem
Buch „Being Digital“ einen bedeutenden Hinweis, indem er feststellt, daß ausgerechnet jene Leute zu wenig mit digitalen Medien
9
36
Anscheinend lohnt sich auch das nicht immer: Fujitsu hat das deutsche Computerwerk ASI gekauft und will seine PC-Fertigung von
Taiwan nach Thüringen verlegen, um die dortige Produktion von
140.000 auf 500.000 Stück hochzutreiben. „Um Kosten zu sparen“,
so die Pressesprecherin Yuri Momomoto, „wollen wir unsere Geräte
künftig dort produzieren, wo sie verkauft werden.“
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
umgehen, „die es am nötigsten hätten, diese radikal neue Kultur zu
verstehen“.
Das könnte auf unsere überaus geschätzten Abgeordneten gleichermaßen zutreffen. Bleiben wir aber erst noch bei Ausführungen
in meinem Manuskript, die wir benötigen, um das Anliegen dieses
Buches besser verstehen zu können:
Von den acht Millionen in den letzten vier Jahren neugeschaffenen Arbeitsplätzen in den USA gingen über 60 Prozent an Manager und Fachleute. Wenn Unternehmen auf der einen Seite Tausende von Arbeitskräften entließen, konnte es auf der anderen
Seite sein, daß sie ebenfalls Tausende neu einstellten - aber mit
anderen und wesentlich höheren Qualifikationen. Wer sich jedoch
hierzulande auf Arbeitsämtern, in Sozialämtern, in Kneipen,
Spielhöllen, auf Fußballplätzen und in von jungen Leuten bevorzugten Bereichen umsah, durfte Trauer anlegen. Sogar eine discofreudige Bafög-Studentin bekannte (öffentlich im Fernsehen):
„Das Examen habe ich erst einmal nach hinten geschoben. Ich
will erst noch Fun haben, gut drauf sein, was erleben, Action machen und mit anderen was aufziehen.“
Offenbar hatte schon seit allzu vielen Jahren die gesamte deutsche Bildungs- und Sozialpolitik eher die Zündung eines neuen
Proletariats und Mangel an Verantwortung bewirkt. Da mußte es
in den Ohren dröhnen, von einem Mann wie dem IBM-Chef
Louis V. Gerstner jr. zu hören: „Die Zusammenhänge zwischen
Bildungsstand und wirtschaftlichem Erfolg sind offenkundig.
Wenn unser Land nicht alarmiert wird und beginnt, die 30 bis 40
Prozent am unteren Ende auszubilden, werden wir Schwierigkeiten bekommen.“ Daran fügt sich fast nahtlos die Feststellung des
deutschen Handwerks an, daß Lehrstellenbewerber oft nicht angenommen werden können, weil sie kaum rechnen und schreiben
können - also das Schulwesen miserable Resultate abliefert.
Es wäre schön gewesen, wenn mit entsprechendem Gespür auch
der deutsche Bundeskanzler Kohl das Notwendige im Kabinett
gesagt und vor allem den Ländern ins Gebetbuch geschrieben
37
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
hätte. Doch scheint die Leitung zwischen den Regierenden und
den Erkenntnissen vor Ort längst zerschnitten. Die Bundesregierung meint wohl, sie hätte durch ein Abkommen mit der Telekom
(„Schulen an das Netz“) genug getan, um in ihrem Bericht „Info
2.000“ schon von einer „Bildungsoffensive“ sprechen zu können.
Prompt ging der Autor Reinhard Kahl in der „taz“ auf die Palme:
„Daß die Telekom alles tut, uns von ihren Leistungen abhängig
zu machen, verwundert so wenig wie der Werbefake10, der jenes
Leben verspricht, das ein Produkt gerade nicht liefert. Daß nun
aber die Bundesregierung die Software der Telekomwerbung zum
bildungspolitischen Leitmotiv erklärt, ist ein Skandal.“
„Fachleute“ (wie auch immer) in Jugendämtern äußerten sich
auf zweierlei deutliche Weise: Ältere, sich schon auf Pensionierung freuende Amtspersonen rümpften schnell die Nase über Disziplinlosigkeit, Konsumrausch, Hektik, Vergnügungssucht und
Verantwortungsscheu „der heutigen Jugend“; jüngere hielten
Hopfen und Malz für längst noch nicht verloren, aber wenn man
sie fragte, wie es denn bei steigender Anforderung an Bildung und
Ausbildung aussähe in einem hinsterbenden Industriezeitalter
und einem heraufdämmernden Multimedia-, Informations- und
Dienstleistungszeitalter, gerieten sie ins Grübeln, meinten sie,
man müsse „da schon etwas differenzieren“. Gemeinsam war ihnen, daß sie sich keinen Rat wußten und auch nicht selbst über
Mittel verfügten, die Situation angemessen zu ändern.
Es geht noch eine Weile aus meinem Manuskript weiter. Wir
können uns das, wenn wir gewissenhaft vorgehen und von diesem
Buch etwas haben wollen, nicht ersparen:
In der Zeit der lichtschnellen Redensarten ist das medienwirksame Geschwätz weitgehend an die Stelle der gesellschaftsförderlichen Tat getreten. Ganze Bibliotheken ließen sich mit Weisheiten füllen, die „Politiker“ und „Fachleute“ seit Jahren schon verströmt haben, ohne daß sich an den Problemen und gesellschaftli10
38
fake, am. für Schwindel, Täuschung
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
chen Schwierigkeiten etwas änderte - außer dem, daß sie größer
wurden. Kaum daß Regierung, Arbeitgeberklüngel und Gewerkschaften ihren Eid auf das „Bündnis für Arbeit“11 abgelegt hatten,
wurde mehrfach die Streichung von Zigtausenden von Arbeitsplätzen über die Medien angekündigt, als wolle man schnell noch
ein paar Leichen aus dem Keller räumen, ehe man - vielleicht! die Ärmel aufkrempelte.
Bislang (Irrtum vorbehalten) wurde noch nirgendwo vorgehalten, wer denn ursächlich dafür verantwortlich ist, daß deutsche
Arbeitskraft „zu teuer“ geworden ist. Gewiß waren es nicht die
Unternehmer, die sich darüber den Kopf zerbrochen haben, wie
um Himmelswillen man die Lohnkosten endlich nach oben treiben konnte. Und verantwortlich dafür, daß Billigimporten und
dem Export von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer Tür und Tor
aufgerissen wurden, waren und sind die Institutionen, die entsprechende Vorschriften erließen oder versäumten: die Politiker.
Büßen sollen jetzt die Arbeitnehmer...
In dem zitierten Manuskript beschrieb ich dann meine Bemühungen, von vielen bekannten und weniger bekannten, jedoch
ziemlich „oben“ im Multimediabereich Wirkenden zu erfahren,
wie sie sich die Schaffung von „vielen“ Arbeitsplätzen zur Kompensierung bestehender Arbeitslosigkeit vielleicht vorstellten. Das
Ergebnis sah einer Null so ähnlich wie ein Ei dem anderen... Deshalb:
Nachdem aus etlichen Unternehmern im Multimediabereich
nichts herauszuholen war, verdichteten sich die Anzeichen, daß
Multimedia (wie gesagt: im weitesten Sinne sowohl als Werkzeug
wie als Inhalt) wahrscheinlich mehr Arbeitsplätze vernichten als
schaffen wird. Wohl auch deshalb sprach Alvin Toffler von einem
bevorstehenden „Zukunftsschock“. Den durchzustehen kann dem
hochindustrialisiertem Teil der Menschheit gerade deshalb be11
Dieses gilt nunmehr offiziell als gescheitert, weil die Regierung es
laut Gewerkschaft zur Täuschung benutzt habe.
39
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
schieden sein, weil sämtliche bekannten und gewohnten Instrumente nicht mehr greifen und durch mutige Ideen und Entscheidungen ersetzt werden müssen.
Sodann nahm ich mir einen Bericht des Bundesministers für
Wirtschaft vor. In diesem Bericht hatten sich sehr viele politisch
und wirtschaftlich bedeutende Leute ausgelassen. Dieser Bericht
ist für die Bundesregierung eigentlich eher peinlich, denn er belegt, daß die Regierenden sehr gut hätten wissen können, was sie
als Grundlage bei ihren Entscheidungen offenbar immer wieder
vernachlässigt oder nur in Flickwerk umgesetzt hatten.
Das Wort „Billiglohnländer“ kommt in der Veröffentlichung des
Bundesministers für Wirtschaft12 nur einmal vor, bei Fredy Weling
von Arthur D. Little: „In den letzten Jahrzehnten haben Kostensenkungsprogramme dazu geführt, daß hauptsächlich Produktionsstätten in Billiglohnländer verlagert wurden. Seit dem Entstehen der
Datenautobahn, die Raum und Zeit überbrückt, kann jetzt auch die
geistige Wertschöpfung ins Ausland verlagert werden.“
Doch er weiß noch mehr und behielt es nicht für sich: „Dienstleistungen wie beispielsweise die Datenerfassung, die Bearbeitung
von Versicherungspolicen, die Informationsbeschaffung über Datenbanken oder das Erstellen von Software können auch in Ländern mit hohem Ausbildungsstand und geringen Lohnkosten wie
Indien oder den GUS-Staaten erbracht werden.
Auch deutsche Unternehmen müssen von diesen Möglichkeiten
Gebrauch machen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die Globalisierung des Arbeitsmarktes durch den Information
Highway führt dazu, daß in Zukunft auch geistige Wertschöpfung
und Gehaltskosten nach internationalen Maßstäben beurteilt werden.
12
40
Das Dokument wurde aus dem World Wide Web herangezogen: „Die
Informationsgesellschaft - Fakten - Analysen - Trends" - herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaft (Referat Öffentlichkeitsarbeit, 53107 Bonn; Stand: November 1995).
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Die schnelle Entwicklung der Informationstechnologie zwingt
den einzelnen zum lebenslangen Lernen und zur ständigen Neuanpassung.
Das Wissen, das sich der einzelne während seiner Ausbildungszeit oder am Arbeitsplatz angeeignet hat, ist bereits nach wenigen
Jahren veraltet.
Die Zahl der auf dem Markt erscheinenden Softwarepakete und
Telekommunikationsdienste nimmt rapide zu. ,PC- Analphabetismus‘ wird sich niemand mehr leisten können. Die Arbeitsplätze
der Zukunft bieten anspruchsvollere Tätigkeiten und besitzen
deshalb auch deutlich höhere Anforderungsprofile. Für die heranwachsende Generation bedeutet dies, daß nur eine breit angelegte Ausbildung und die Bereitschaft zur ständigen Weiterbildung eine Basis für eine lebenslange Beschäftigung liefern. Hier sind die
Schulen und Universitäten gefordert, effektivere und effizientere Ausbildungsprogramme zur Verfügung zu stellen, um zukünftige Qualifikationsdefizite zu vermeiden. Für den einzelnen ist diese Entwicklung Chance und Risiko zugleich: Sie bietet größere Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung durch anspruchsvollere Tätigkeiten,
fordert zugleich jedoch mehr Selbstverantwortung für die eigene
Weiterbildung und Flexibilität bei der Anpassung an veränderte
Umfeldbedingungen.“ - An dieses Zitat schloß ich in meinem
Manuskript die Frage an:
Sind wir jetzt gerüstet, besser „informiert“ (in Form gebracht, also ausreichend fit) die Fragestellung nach den Arbeitsplätzen der
nächsten Zukunft weiter zu verfolgen?
Wir hatten ja schon ätzend festgestellt, daß es eigentlich die Gewerkschaften mit immer wieder durchgesetzten Lohnforderungen
waren, die den hohen, nämlich angeblich zu hohen Lohn(stück)kostenanteil in Deutschland verschuldet haben13. Die Unterneh13
Es gibt Stimmen wie auch die des SPD-MdB Rudolf Dreßler am 24.
Mai 1996 im Bundestag, die das angeblich zu hohe BRD-Lohnkostenniveau in Abrede stellen. Es liege im Vergleich mit anderen Industriestaaten allenfalls im Mittelfeld. Auch verschiedene Institute
41
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
mer hatten bei den Verhandlungen stets gezetert „Das geht nicht“,
„Wir können nicht“ oder „Der Export wird zu teuer“ und hatten
jetzt, an unvermuteter Stelle, scheinbar recht behaltenV.
Irgendwie gemerkt haben müßten wir auch, daß man die auf der
Straße liegenden Arbeitskräfte nicht einfach rückwirkend anders
ausbilden kann, um sie vorauswirkend in Zukunftstechnologien
zu installieren. „Um“bilden kann man sie auch nicht über Nacht.
Selbst wenn das ginge, müßte man sich fragen, was ein Werftarbeiter mit seiner höchstpersönlichen Lebens- und Arbeitswelterfahrung an einem Computerbildschirm soll, um sich etwa als
Screen-Designer, Software-Experte oder Online-Techniker zu
üben, nach denen anscheinend händeringend gesucht wird.
Wir brauchen eine Übergangsphase, die man vielleicht entwerfen und realisieren muß wie ein Produkt In dieser Phase sollten
die brachliegenden Arbeitskraftpotentiale in ihren erlernten Berufen oder in artverwandten, zumindest jedoch vom Verhaltensansatz vertrauten Tätigkeitsfeldern Arbeit finden. Sie sollten als
Geldverdiener über die Runden kommen können und nicht als
ausgemusterte Unterstützungsempfänger, bis die nachwachsende
Generation für künftige Aufgaben Boden unter die Füße bekommen hat.
Ich bin noch nicht völlig fertig damit, Teile aus meinem eigenen
Manuskript hier einzubringen, zumal dieses einfacher ist, als alles
noch einmal neu zu formulieren und im Grunde genommen doch
nur dasselbe damit sagen zu wollen. Ständige Umformulierungen
längst fixierter Sachverhalte schaffen ja auch keine neuen Aussagen. Das hatte sich zum Beispiel wohl auch Peter Glotz gedacht,
wenn er umfängliche Textpassagen aus früheren Beiträgen in
neue Beiträge einfügte, aber in neuen Zusammenhängen dennoch
Neues damit aussagte.
bestreiten, daß das hiesige Niveau im internationalen Vergleich zu
hoch sei.
42
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Sorgen bereiteten mir die möglichen Auswirkungen gegenwärtiger Maßnahmen auf lange Sicht. Die Literatur gab dazu wenig
her, weil sie sich widersprach. Die sogenannte „herrschende Lehrmeinung“ war natürlich in der Überzahl. Trotzdem mußte sie
nicht richtig sein. Alles lief mehr oder weniger nach den Thesen,
die bereits vom Engländer David Ricardo im 19. Jahrhundert formuliert und von den Schweden Eli Heckscher und Bertil Ohlin
zurechtgeschliffen worden waren. Trotzdem kam es zur Weltwirtschaftskrise nach dem berüchtigten Schwarzen Freitag.
Gegen einen neuen Schwarzen Freitag schienen mir jedoch Gatt
und WTO keine Garantie zu bedeuten. Wenn in Staaten mit teurer Infrastruktur und hohen Sozialleistungen die Kaufkraft der
Mittelschicht zusammenbricht, ist ein neuer Schwarzer Freitag
nicht nur für die Börsianer, sondern auch für die Demokratie
kaum zu vermeiden. Und vielleicht wird schon bald mancher an
Freitag, den 13. September 1996, zurückdenken, als die Mannschaft um den Kanzler Kohl ein sogenanntes „Sparpaket“ verabschiedete.
Mir schien das ganze Unterfangen völlig unlogisch. Unternehmer sowieso auf billige Arbeit im Ausland setzten, warum sollten
Sie dann Profitverbesserungen durch Einsparungen bei Lohnkosten nicht ebenfalls dazu benutzen, neue Arbeitsplätze im Ausland
zu schaffen, um billigere Produkte herstellen zu können. Ich hielt
es für wahrscheinlicher, daß das Sparpaket nur zu noch mehr Kapitalexport führen würde - oder dazu, mit Geld noch mehr Geld
zu machen, statt in Arbeitsplätze zu inverstieren, die innerhalb des
Weltmarktes immer noch zu teuer sein würden.
Eigentlich, so sah ich es, was eine weltumspannende Ökonomie
vehement dabei, nationale Politik zum Narren zu halten, zu erpressen und vor den Karren ihrer ökonomischen Interessen zu
spannen. Sozialvereinbarungen mußten dabei zunehmend auf der
Strecke bleiben. Weil jedoch die Masse der Bevölkerung, insbesondere die zunehmend verarmende sowie um Rechte und Ansprüche gebrachte, die Politik als den maßgebenden Faktor für je43
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
de Art von Entwicklung verantwortlich sieht (denn sie macht ja die
Gesetze!), kann es um die westliche Demokratie bald sehr schlecht
stehen. Ist die Katastrophe erst einma da, wird es mit Sicherheit
einen drastischen Protektionismus geben. Den und die Katastrophe selbst hätte man aber mit einem sanften und wohldosierten
Protektionismus, der auch die Sozialsysteme geschützt hätte,
wahrscheinlich vermeiden können. Ich konnte auch nicht einsehen, warum die Interessen von Aktionären (also die des Kapitals)
höher bewertet und stärker gefördert werden sollten als die der Arbeitnehmer, die schließlich im Verein mit den Maschinen eine
Produktion erst ermöglichten.
Jeder, der ein wenig Verstand im Kopf hatte, mußte doch erkennen, daß die Entwicklung in der westlichen Welt darauf hinauslief: Produktion und Wohlstand in Fernost- und Drittländern
steigen, während der Wohlstand und die sozialen Sicherungssysteme in den klassischen Industrieländern zerfallen. In diesen
Ländern kann sich nur ein Elite behaupten, die vom Wissen lebt
und mit Information ihr Geschäft betreibt. Gegen diese Elite steht
ein neuartiges „Outsource“14-Proletatriat, daß sich irgendwann der
klassischen Mittel des Proletariats bedienen mag, um für sich noch
eine Zukunft erhoffen zu können.
Zumindest in dieser Hinsicht fühlte ich mich nicht ganz allein.
Da waren etwa James Goldsmith, Robert Borosage und Sarah Anderson vom Institut für politische Studien, einer Washingtoner
Denkfabrik. Sie befürchten einen Graben zwischen rein profitorientierten Unternehmen und der Gesellschaft, der für beide zur
Fallgrube zu werden droht. Oder beispielsweise ausgerechnet ein
Milliardär aus Großbritannien, der sich als (französischer!!!) Abgeordneteter im Europaparlament umtut, in England die Referendums-Partei gegründet hat und ähnliche Befürchtungen hegt: James Goldsmith will England unter Umständen völlig aus der EU
14
44
„Outsource“ kann man hier als „überflüssig“ oder „zur Seite gelegt“
betrachten.
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
hebeln, statt nur zuzusehen, wie eine lahme Brüsseler Kompromißpolitik die Gefahr heraufbeschwört, daß einst führende Produktionsländer verarmen und instabil werden.
In den Vereinigten Staaten, die durch ihre Grenze zu Mexico
ähnliche Probleme haben wie die Deutschen durch ihre Grenzen
zum früheren Ostblock, sind exakt jene Folgen eingetreten, die
offiziell zunächst ausgeschlossen und später einfach geleugnet
wurden. Das NAFTA15-Abkommen hatte zu manchen Gatt- oder
WTO-Regelungen des freien Welthandels zusätzliche Probleme
beschert.
Die Welt kippt in ihren Größenordnungen und Wertbeständigkeiten um. In der Fortune 500-Liste der 500 größten Unternehmen der Welt belegen die EU-Kernländer 170 Plätze. Die Bundesrepublik nimmt mit 44 Unternehmen nur rund fünfmal soviele
Plätze ein wie Südkorea. Die Japaner haben mit 149 Plätzen nur
zwei weniger als die US-Amerikaner erobert, dafür aber General
Motors den Spitzenplatz weggenommen.
Das lange als Vorzeigeland bewunderte Schweden ist mit drei
Unternehmen nur halb so stark vertreten wie das durchaus noch
als arm zu bezeichnende Spanien. Allerdings nehmen bei den
Spaniern allein drei Banken, eine Telefon- und eine Petrolgesellschaft fünf Plätze ein. Hält man bei den Deutschen die ständig abspeckenden oder akut notleidenden Unternehmen und die Handelsriesen heraus, bleiben kaum zwanzig Unternehmen übrig, die
in der Liste der 500 noch eine Chance haben. Von diesen zwanzig
gehören etliche zu den Globalisierungskandidaten, die schon
kräftig dabei sind, „vor Ort“ in fernen Ländern Produktionskapazitäten auf- oder auszubauten, um Märkte zu erschließen oder zu
hakten.
Offenbar wird in der EG zu sehr übersehen, was in den USA
und in Japan Teil eines funktionierenden Wirtschaftsdenkens ist:
Schutz des eigenen Marktes vor Billigprodukten, die heimische
15
Nordamerikanisches Freihandelsabkommen USA-Canada-Mexico
45
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Unternehmen in Billiglohnländern herstellen. Wenn beispielsweise ein deutsches Unternehmen seine gesamte Produktion ins (billige) Ausland verlagert hat und (billig) importierte Erzeugnisse
unter seinen alten Handelsnamen in Deutschland weiter verkauft,
will es diese Produkte auch an jene Zigtausende von abgebauten
Arbeitnehmern verkaufen, die früher diese Produkte in ihrer Heimat herstellten.
Rechnet man einen solchen Fall hoch und gesteht man allen
Unternehmen zu, daß sie so verfahren dürfen, würde das am Ende
bedeuten, daß es in Deutschland nur Arbeitslose und Unterstützungsbedürftige als Käufermarkt gibt, falls tatsächlich alle Unternehmen so verfahren. Irgendwo muß es eine Grenze geben, nach
deren Überschreitung das System auf die Dauer umkippen muß!
Wie es aussieht, ist diese Grenze bereits überschritten und werden
die eingetretenen und noch drohenden Folgen dadurch bekämpft,
daß die Arbeitskraft billiger werden soll, wodurch allerdings auch
die Kaufkraft der noch Beschäftigten gedrosselt wird. Auf der anderen Seite gibt es keine Verpflichtungen für die kostenentlasteten
Unternehmen, ihre zusätzlichen Profite im Inland zu investieren
und dabei Arbeitsplätze zu schaffen. Rein profitorientierte Unternehmen (und das sind mittlerweile alle, wie sanft säuselnd sie
auch daherreden mögen!) werden zusätzliches Kapital dort anlegen, wo es ihnen den größten Gewinn bringt. Das bedeutet aber
andererseits, daß die gedrosselte Kaufkraft der strangulierten Beschäftigten zu weiterer Arbeitslosigkeit führen wird. Dabei kann
man als Faustregel annehmen, daß je Milliarde Mark Kaufkraftverlust 3.500 bis 4.000 Arbeitsplätze verloren gehen.
Zu den unternehmensgemachten Arbeitsplatzverlusten werden
sich noch unzählige von Politik und Regierung gemachte gesellen,
welche als direkte Folge politischer Entscheidungsprozesse angesehen werden können. Anders ausgedrückt: Viele arbeitslos gewordene Wähler werden darüber nachdenken dürfen, inwieweit
sie ihr Schicksal dem Abstimmungsverhalten eines Volksvertreters
verdanken, den sie höchstpersönlich selbst gewählt haben. Und
46
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
wenn öffentlich Bedienstete einfach nur die Ausgabenansätze kürzen, trifft das vor allem binnenwirtschaftliche Kreisläufe, zu denen
auch das Bauwesen gehört. Gedrosselte Aktivitäten führen auch
zu einem verringerten Steueraufkommen. Bei diesem werden sich
die Steuerverweigerungen infolge des Ausschöpfen von Tricks mit
den echten Ausfällen mangels Masse treffen und das Desaster
noch verschärfen.
Natürlich darf niemand glauben, die Regierungen und deren
Berater seien wirklich so unglaublich dumm, daß sie darum nicht
wüßten. Wenn sie dennoch etwas tun, was eine Spirale nach unten
in Gang setzt, und wie im deutschen Fall die Abgeordneten der
regierenden Parteien dazu knüppeln, entsprechenden Gesetzen
zuzustimmen, müssen sie Gründe haben, die nicht öffentlich genannt werden. Andernfalls wären sie wirklich nichts anderes als
unendlich dämlich und deshalb nicht politikfähig.
Man darf allerdings auch nicht glauben, daß eine Vermeidung
unerwünschter Auswüchse der Globalisierung von Produktionen
und Märkten im nationalen Alleingang möglich wäre. Insofern ist
es sehr aufschlußreich, daß die „Sparpaket“-Posse der Bundesregierung außerhalb gemeinschaftlicher Bemühungen der EG stand.
Es wäre längst eine vordringliche Aufgabe der EG gewesen, den
sichtbar gewordenen Globalisierungsfolgen durch ein gemeinsames Konzept entgegen zu treten. Daß dieses nicht geschah, beweist nur das Schwatzbudenniveau der Brüsseler und Straßburger
Institiutionen und deren verkappte Nationalstaaterei. Einheitlich
in der EG dürfte nur der Druck der längst global operierenden
Konzerne sein, die auf keinen Einzelstaat mehr Rücksicht nehmen, jedoch jeden Einzelstaat bei dessen Aktivitäten unter Druck
setzen. Während Staaten nicht ausweichen können, sind die Konzerne dazu sehr wohl in der Lage. Sie können mit der Politik
Ping-pong spielen. Das erklärt wahrscheinlich auch das blindwütige Verhalten der Regierungsparteien am schwarzen Freitag (den
13ten) im September 1996. Ein Gesetz zulasten der Arbeitnehmer
und eindeutig zugunsten der Unternehmen, zudem noch mit ein47
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
gebauten Mißbrauchsmöglichkeiten für die Unternehmer, ist nur
schlüssig erklärbar, wenn ein Kniefall der Politik vor dem Kapital
unterstellt wird (siehe auch Seite 256).
Zugegeben: Eine Grenze zwischen ungehemmter Globalisierung und Schutz der heimischen gesellschaftlichen Interessen bedeutet ein Zünglein an der Waage zwischen ungebremster Profitmaximierung und opportunem Protektionismus. Sofern aber eine
Grenze in Richtung einer Katastrophe überschritten ist, hilft nur
schleunigste Umkehr. Jedes Schleifenlassen der Zügel oder jedes
Nachgeben gegenüber denen, welche die Katastrophe nur vollenden können, beschleunigt deen Herannahen. Wenn Politik die
Richtlinien zieht, wenn die Politik die Gesetze macht, nach denen
sich alle richten müssen, nützt es nichts, wenn nur die Deutschen
oder die Franzosen jammern und mit untauglichen Mitteln improvisieren. Bei dem Ausmaß des eingetretenen und des erst noch
drohenden viel gewaltigeren Schadens bedarf es in der Politik
auch eines gewaltigen Schachzuges, den nur die EG als ganze
vornehmen kann. Nur dann kann Politik handlungsfähig bleiben
und wieder glaubwürdig werden. Schafft sie das nicht, wird die
Demokratie, wie wir sie kennen, erst in den Bankrott treiben und
dann völlig zerstören.
In meinem Manuskript hatte ich zu diesem Komplex mit Focus
auf die EG bereits festgehalten:
Niemand kann sagen, welche Auswirkungen es hinsichtlich Inflation, Arbeitsmarktbewegungen, Lohnausgleich für Inflation
oder Beschäftigungsverschiebungen (Export von Arbeitsplätzen
und Import von Arbeitslosigkeit innerhalb der EG) geben wird.
Wie es in den verschiedenen Staaten der USA verschiedene Besteuerungen gibt, mag es auch in den Mitgliedsstaaten der EG verschiedene Besteuerungen geben. Wegen des Wegfalls von Zöllen
ist aber nicht auszuschließen, daß bestimmte gleichwertige Produkte mit sehr unterschiedlicher Preisgestaltung zur Herbeiführung eines günstigeren Einstandspreises innerhalb der EG den
Transport über weite Strecken lohnen. Das mag dazu führen, daß
48
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
regionale Lieferanten ihre Kunden verlieren und regionale Produktionen innerhalb der EG aufgegeben werden müssen.
Dazu ein Beispiel, das Schule machen könnte: Unglaublich mag
anmuten, daß rund 90 Prozent aller gefangenen Krabben von der
Nordseeküste per Lkw nach Marokko kutschieren, um dort von
billigen Händen ausgepuhlt zu werden. Sie werden etwa von der
holländischen Fischhandlung Heiploeg über die Heitrans B.V.
zum marokkanischen Unternehmen T.K. Fish in Tetouan gekarrt. Während ein wirklich frisches Krabbenkilo in Deutschland
rund 60 Mark kostet, ist ein in Marokko gepuhltes Kilo um zwanzig Mark billiger, allerdings auch zwanzig Tage älter. Nach der
Rückreise kommt es trotzdem als „frisch“ in den Handel...
So mag vor allem eintreten, daß Produktionen in lohnschwachen
Regionen boomen und in stärker lohnbelasteten Teilen der EG
einfrieren. Als Folge davon könnte es zu einer Wohlstandsverschiebung kommen, die in Hochlohnregionen vor allem die weniger qualifizierten Arbeitskräfte treffen würde, von denen es noch
lange Zeit eine große Anzahl geben wird. Der Startschuß dazu
wird spätestens mit Beginn der europäischen Währungsunion fallen.
Die mit der Digital-, Multimedia- und generell mit der Informationstechnik zusammenhängenden neuen Wirtschaftszweige
werden dafür wohl kaum einen Ausgleich schaffen können. Trotz
intensiver Suche wurde nirgendwo eine einleuchtende, nachvollziehbare und in sich schlüssige Aussage gefunden, die auch nur
annähernd beschrieben hätte, warum und wie sich im Verhältnis
zur weiterhin dramatisch ansteigenden Arbeitslosigkeit eine signifikante Menge neuer Arbeitsplätze herausbilden wird.
Jetzt sind wir mit den Zitaten bald fertig:
Es ist mithin davon auszugehen, daß jeder, der „viele“ oder „ungeheuer viele“ oder „Millionen“ Arbeitsplätze in den informationstechnischen Bereichen prognostiziert, prinzipiell recht hat,
aber wenn er so tut, als würde sich damit die bestehende Arbeitslosigkeit erledigen, nur dummes Zeug redet. Das gegenwärtig als
49
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Tatsache noch zu beobachtende Schleifenlassen der Zügel bei
gleichzeitigem Wortgedröhne ist Augenwischerei und Singen im
dunklen Keller. Exakt das Gegenteil von dem, was sein müßte,
breitet sich epidemisch aus. Auch die gesundgeredeten Staatsfinanzen erwiesen sich mittlerweile als so marode, daß eine Haushaltssperre verhängt werden mußte.
Positiv zu denken mag allerdings geben, daß im Ruhrgebiet - einer einstigen Kohle-, Stahl- und Chemiehochburg - die Zahl der
Arbeitsplätze an digital funktionierenden Zauberkisten bereits die
frühere Zahl in den Staub-, Gestank- und Hitzehöllen übertroffen
hat. Eine Schwerindustrie-Region verwandelt sich deutlich sichtbar in ein Dienstleistungszentrum entlang Ruhr, Emscher und
Lippe.
Jetzt sind wir am Ende der vielen Zitate, die wir uns einvernehmen mußten, um zu wissen, welchen Sinn ein Brief machen sollte,
den ich am 08.04.1996 an die Liste „Per E-Mail erreichbare Abgeordnete des Deutschen Bundestages“ sandte.
Hier nun der Text, wiedergegeben aus der Kopie, die ich mir
selbst in meinem Fach in AOL niederlegte.
Um darzulegen, daß die Übermittlung elektronischer Dokumente offenkundig von verzwickten Prozeduren begleitet wird, ist
auch das „Drumherum“ mit angeführt. Es mag Laien ein wenig
davon vermitteln, was aus einigen Klicks auf dem Bildschirm des
Absenders in der Kette der übermittelnden Rechner ausgelöst
wird. Fachleute dagegen können daraus den Weg erkennen, den
die eMail genommen hatte.
Thema: Einige Fragen
Datum: 08.04.96 15:13:35
From: [email protected]
To:
[email protected], [email protected],
[email protected],
[email protected]
50
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
CC:
[email protected],
[email protected], [email protected]
Datei: MAILER.TMP (5178 bps)
DL Zeit (19200 bps): < 1 Minute
-------------------- Headers ------------------From [email protected] Mon Apr 8
10:13:12 1996
Return-Path: [email protected]
Received: from GEOD.Geonet.De (GEOV6.GeoNet.de
[193.96.236.16]) by
emin25.mail.aol.com (8.6.12/8.6.12) with SMTP id
KAA08225 for
<[email protected]>; Mon, 8 Apr 1996 10:13:03 -0400
From: [email protected]
Date: Mon, 08 Apr 1996 16:12:50
Subject: Einige Fragen
To:
[email protected],
(... etc. - entsprechend der Liste, die unter Dokumentation zu finden ist - bis ...)
[email protected],
[email protected],
[email protected]
CC: [email protected],
[email protected],
[email protected]
Return-Receipt-To: [email protected]
Message-Id: <[email protected]>
Mime-Version: 1.0
Content-Type: multipart/mixed; boundary=
"============_49612427==_"
X-Attachments: MAILER.TMP;
************************
(Es folgt jetzt der Text, wie er sich in AOL mühelos auslesen ließ:)
Sehr geehrte Damen und Herren,
(ohne Hervorhebung von Funktion, Amt oder Titel)
bitte gehen Sie davon aus, daß ich alle wesentlichen Aussagen Ihrer Parteien in Programmen oder
51
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Themenpapieren, Diskussionen und sonstigen Verlautbarungen kenne, soweit sie im WEB recherchierbar
oder in Pressediensten erhältlich sind.
Gegenwärtig stelle ich ein Buch fertig (das evtl.
bereits in einer Vorversion erscheint, ehe die
Vollausgabe verlegt wird). Informationen zu meiner
Person finden Sie in verschiedenen KROLL-Pressetaschenbüchern.
Ein Kernthema meines Buches befaßt sich mit dem
Schicksal der Menschen im nächsten Jahrtausend. Das
21. Jhdt. wird gern unter dem "Multimedia"-, "Informations"-, "Dienstleistungs"- oder "Dienstleistungsorientiertes Informations"-Zeitalter gehandelt. "Third wave" nach einem "Zukunftsschock"
(Toffler) sind auch gebräuchliche Schlagworte. J.
Schumpeter wähnt sogar "kreative Zerstörung" als
mögliche Voraussetzung für einen Durchbruch zu Neuem.
Mich würde es freuen, wenn Sie mir (wegen der Deadline in möglichst kurzer Frist !!!) einige Fragen
beantworten und dabei versuchen, jeweils mit ganz
wenigen Zeilen auszukommen:
1)
Halten Sie das gegenwärtige Bildungssystem (wie es
IST: Grundschule, Hauptschule, Oberschulen, Hochschulen) für noch irgendwie geeignet, die Absolventen in geeigneter Weise auf die Anforderungen der
gegenwärtigen und erst recht der künftigen Berufswelt "ausreichend" vorzubereiten?
2)
Sind "Berufsbilder", wie sie gegenwärtig noch festgeschrieben sind, in ausreichender Zahl geeignet,
Auszubildende auf die Anforderungen der Zukunft mit
der notwendigen Spezifikation vorzubereiten?
3)
Existieren (im Sinne echter Verfügbarkeit) bereits
ausreichend neue "Berufsbilder" (oder Ansätze dazu)
zur Abdeckung von Fertigkeiten für künftige Anforderungen?
52
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
4)
Kommt der gegenwärtig zu zählenden Arbeitslosigkeit
eine eher quantitative oder eine eher qualitative
Bedeutung zu?
5)
Hat die Mehrzahl aller qualifizierten Arbeitslosen
(mit abgeschlossener Berufsausbildung) überhaupt
noch eine Chance, in künftigen Tätigkeitsfeldern
nach Absolvierung einer weiteren Ausbildung (Umschulung) einen qualifizierten Arbeitsplatz zu finden?
6)
Besteht für die arbeitslosen Jugendlichen (Zahlen
werden als bekannt vorausgesetzt, ansonsten siehe
Fußnote) ohne Ausbildung überhaupt noch eine Chance, auf Anforderungen des künftigen Arbeitsmarktes
tauglich vorbereitet zu werden?
7)
Kann die Behauptung als zutreffend betrachtet werden, daß die gegenwärtige Arbeitslosigkeit in der
BRD abgesehen von den "offiziellen" Zahlen über 20
% liegt, wenn man die Menschen mitzählt, die aus
dem Berufsleben durch andere "Maßnahmen" (z.B.
Frührenten) ausgeschieden sind oder nach Arbeitslosmeldung anderweitig abgefedert werden (z.B. Sozialhilfe) oder in Verhältnissen wirken (z.B. ABM),
die nicht als normales produktives Arbeitnehmerverhältnis zu betrachten sind? (Die also auf der Seite
der Empfänger statt auf der der Leistenden stehen.)
8a)
Haben Sie konkrete Vorstellungen davon, wie neue
und zukunftsorientierte Arbeitsplätze in so ausreichender Zahl geschaffen werden können, daß auch die
Jugendarbeitslosigkeit und die Substitutionsarbeitslosigkeit dadurch in ausreichendem Maße abgebaut werden können?
8b)
Ist das, was im Bereich "Multimedia"/"Information"
an neuen Arbeitsplätzen geschaffen wird, überhaupt
53
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
ausreichend, weiter entstehende Arbeitslosigkeit zu
kompensieren (Bilanzierung)?
9)
Möchten Sie zu dem angeschnittenen Fragenkomplex
sonstige Bemerkungen machen, welche den Fragestellungen als hilfreich anderweitig gerecht werden?
Sie mögen respektieren, daß ich mit "Leerformeln"
oder irgendwelchen Hinweisen auf irgendwo bereits
Ausgeführtes wenig anfangen kann. Meine Fragen mögen Sie bitte als in einem direkten Interview gestellt betrachten.
Ausgehen dürfen Sie davon, daß mein Impuls, an Sie
- die Nutzer eines zukunftsträchtigen Mediums - auf
diese Weise heranzutreten, in keiner Weise negativ
geprägt ist. In meinem Buch will ich neben der Beschreibung kritischer Verhältnisse vor allem positive Ansätze bieten, soweit sie geboten werden können. Sie als Vertreter des Volkes und politisch Aktive sind dabei allererste Adresse für die Suche
nach positiven Signalen.
Freilich haben Sie die absolut beste Chance, in
meinem Buch herausgestellt zu werden, wenn Sie auf
eine Antwort völlig verzichten.
Doch in der Hoffnung, sehr bald von Ihnen eine ausreichende Antwort zu erhalten, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Manfred L. Schuermann
eMail:
[email protected]
WWW:
http://users.aol.com/bitsnfun/index.html
Fußnote:
54
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Über eine halbe Millionen junge Menschen unter 25
Jahre (529.054) waren im Februar dieses Jahres arbeitslos gemeldet.
· In Westdeutschland sind 391.614 Menschen unter 25
Jahren ohne Arbeit (Steigerung 12,6 % gegenüber
Vorjahresmonat). Davon sind 86.002 unter 20 Jahren
(Steigerung 13,5 % gegenüber Vorjahresmonat).
· In Ostdeutschland sind 137.448 Menschen unter 25
Jahren ohne Arbeit (Steigerung 15,8 % gegenüber
Vorjahresmonat). Davon sind 22.124 unter 20 Jahren
(Anstieg 24 % gegenüber Vorjahresmonat).
So weit der Brief an die Abgeordneten.
Die erste verwertbare Antwort kam vom Betreiber der GEOMailbox, dem ich meinen Brief informatorisch als Kopie zugeleitet hatte:
Hallo Manfred:
Das sind SEHR interessante Fragen, die Du an die
Partei- und Regierungs-Ober......16 gerichtet hast und ich bin mehr als neugierig, wie man darauf antworten wird. (Kann ich davon ausgehen, daß Du sie
mir nicht vorenthalten wirst?).
Ich bin zwar in dem Adressatenkreis nur als "Kopierter" aufgeführt. Trotzdem möchte ich Dich meine
Antworten auch wissen lassen.
Ich wiederhole die Fragen nicht textlich, sondern
beziehe mich bei meinen Antworten lediglich auf die
Fragen-Nummern. Ok?
1. Die Frage ist mir zu allgemein formuliert. Das
deutsche Bildungswesen läßt sich sicherlich nicht
generell in die darin aufgeführten Schubkästen
sperren.
16
Der hier benutzte Ausdruck war keineswegs beleidigend oder herabsetzend, könnte jedoch je nach Landstrich mißverstanden werden.
55
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Ich wünschte mir eine noch größere Vielfalt und
Freizügigkeit für private Schulen, die versuchen,
sich den Zukunftsgegebenheiten anzupassen. Bei
Deutschlands Hochschulen sollte mehr Wettbewerb und
mehr Verknüpfung mit der Industrie Einzug halten.
Gleich nach dem Kriege (als das Wort BAFÖG noch
nicht erfunden war, geschweige denn Geld an die
Studenten ausgeschüttet wurde) gab es einmal Trimester statt Semester. Das war eine feine Möglichkeit, die miserable, weil weitgehend durch Bomben
zerstörte, Infrastruktur besser zu nutzen.
BAFÖG sollte m.E. nur in Form von Darlehen bzw. für
Hochbegabte in Form von Stipendien geleistet werden. Das würde die Hochschulen von denjenigen befreien, die die Studienplätze mißbrauchen. Das
wirkt besser und zielgerichteter als die VerteilerMentalität, die mit dieser komischen Organisation
in Dortmund für die Studienplatz-Zuteilung und den
numerus clausus-Einschränkungen Einzug gehalten
hat.
Es muß wieder Freizügigkeit in der Gestaltung von
individuellen Studienplänen geben. Nur so wird die
interdisziplinäre Ausbildung gewährleistet, die wir
dringender denn je benötigen. Das sollte auch große
Studienabschnitte bei ausländischen Universitäten
einschließen und einen planmäßigen Wechsel zwischen
sinnvoller praktischer Arbeit (keine "Praktikanten"-Tätigkeit) und Studium vorsehen. (In Amerika
läuft das an zahlreichen Plätzen sehr gut - und dem
Vernehmen nach soll das auch an einigen Stellen in
der ehemaligen DDR funktioniert haben).
2. In manchen Fällen vielleicht schon. In der Mehrzahl der Situationen wahrscheinlich nicht. Um das
jedoch beurteilen zu können, müßte ich einen repräsentativen Überblick über solche Berufsbilder bekommen. Da fast alles in Deutschland verkrustet und
im Anspruchsdenken verhaftet ist, möchte ich einmal
annehmen, daß das auch in diesem Bereich nicht anders sein wird.
3. Die Antwort 2 gilt auch für die Frage 3.
56
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
4. Der hohen Arbeitslosenzahl, die - besonders im
Vergleich mit anderen Ländern - sehr wenig aussagefähig ist, kommt m.E. sowohl qualitative als auch
quantitative Bedeutung zu.
5. Die diversen Umschulungsmaßnahmen helfen in erster Linie den vielen Firmen, die diese Geldquellen
des Staates anzapfen. Umschulungen mögen in einigen
Fällen dazu helfen, einen neuen Arbeitsplatz zu
finden. In der Mehrzahl der Fälle werden es AlibiAktionen sein.
6. Der zukünftige Arbeitsmarkt könnte eine Fülle
von Arbeitsplätzen offerieren, für die keineswegs
besondere zukunftsorientierte Ausbildungspläne erforderlich sind.
7. Soweit man den diversen Presseberichten glauben
darf, scheint in der Tat der "wirkliche" Arbeitslosen-Prozentsatz Größenordnungen von 20 % oder mehr
zu erreichen. Die Statistiken sind oft so zweckorientiert geschönt, daß man "mit der Wahrheit lügt".
8. Ich halte es für einen Irrglauben, anzunehmen,
daß direkt mit Multimedia, Datenautobahnen oder anderen gängigen Schlagworten verknüpfte Arbeitsplätze einen nennenswerten Beitrag zur Reduzierung des
Arbeitslosenproblems bringen können.
9. Nicht Kommunikation oder Informationsbeschaffung
per se können eine Wende bringen, sondern nur deren
konsequente Nutzung für eine Beseitigung von hierarchischen Strukturen. Aus dieser Sicht heraus erscheint es zwingend, JEDEN Menschen mit der Nutzung
der neuen Instrumente (die noch VIEL benutzerfreundlicher werden müssen) vertraut zu machen.
Schlußbemerkung:
Wir müssen weg von der die Menschen entwürdigenden
Situation, daß ein großer Prozentsatz der Bevölkerung auf bürokratisch verwaltete Almosen angewiesen
ist. Menschen müssen sinnvolle Arbeit haben. Arbeit
gibt es sogar in unserem reichen Lande genug, wenn
57
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
man sich anschaut, was im sozialen Bereich und in
der Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt zu
tun gibt.
Die U.S.A. weisen einen Weg, den man - wie üblich nicht kopieren darf, aber kapieren sollte. Wichtig
ist eine Änderung der Einstellung. Man darf Arbeitsplätze, wie z.B. die einer Kellnerin oder einer Packkraft im Supermarkt, nicht schief ansehen.
Es ist besser, geringe Löhne zu zahlen, wo die
Schaffung eines Arbeitsplatzes nur so möglich ist
(und gegebenenfalls Ausgleichszahlungen aus dem
Steuersack einzuführen), als Arbeitslosengeld oder
Fürsorgezahlungen zu verteilen.
Mobilität, lebenslange Lernwilligkeit, innere Bereitschaft, neue Aufgaben anzupacken, Auflösung der
Verkrustungen (Beispiel: Ladenschlußgesetz), Wille
zur Selbständigkeit, Abbau bürokratischer Hemmnisse
bei solchen Bemühungen, Aufgabe des Besitzstanddenkens in allen Bereichen: Das sind m.E. die richtigen Weichenstellungen. Zugegeben: Sie sind viel
leichter aufgezählt als realisiert.
Gruß: Günther
Daraufhin schrieb ich an G.LEUE sofort zurück und packte ihm
einen Beitrag ("Dienst ist Dienst - Alte und neue Zwangsarbeitskonzepte" Referat von Harald Rein) dazu, der die gefährliche
Gratwanderung der Behörden zwischen „Wohlfahrt“ und
„Zwangsarbeit“ schilderte (siehe Seite 285; in Dokumentation
<5>):
Lieber Günther,
vielen Dank für Deine viele Mühe. D’accord. Kommentar spare ich mir.
Sicherlich wolltest Du bewirken, in meinem Buch
aufzutauchen, um PR abzustauben... (hi!) Jetzt bist
Du drin!
58
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Darf ich Dir als nachdenklichem und auch in Geschichte denkendem Wesen einmal das Referat von Harald Rein zuleiten?
Wenn die Situation im Arbeitsmarkt sich weiter verschärft und die Arbeitslosen (incl. Sozialhilfeabhängige) zu brodeln beginnen - was wird der Staat
dann tun?
Knack mal schön an der Nuß...
MfG Manfred
Zwei Minuten nach dem Tippen war der Brief samt Referat im
eMail-Fach von G.LEUE (siehe Protokoll der Übertragung auf
Seite 401):
Ganz anders dagegen die ersten Reaktionen von Abgeordneten.
Die ersten Rückläufe bestanden darin, daß mitgeteilt wurde, die
Nachricht könne nicht entziffert werden (siehe Seite 282; Dokumentation <4>).
Das gab zunächst Rätsel auf. Zum ersten mal in der Geschichte
von mir praktizierten Datenaustausches mit beliebigen Partnern
in verschiedenen Netzen rund um die Welt erhielt ich solche Meldungen. Mit einer Ausnahme: Bei CompuServe gab es anscheinend Beschränkungen bei der Übermittlung von „angehefteten“
Dokumenten via Mime17-Protokoll. Das sollte irgendwie nicht
funktionieren oder nicht vorgesehen sein, weshalb jemand behauptete, er hätte mir einen Text von seinem Rechner nicht übermitteln („beiheften“) können. Doch noch nie hatte sich ein Empfänger elektronischer Nachrichten später bei mir gemeldet, er sei
mit den übermittelten Informationen nicht zurecht gekommen.
Dieses war das erste mal!
Zu-dumm-zum-zum? - wie man so schön bemerkt, wenn jemand mit etwas nicht umgehen kann?
An dieser Stelle sei eingeschoben: Als ich den Brief an G.LEUE
zum automatischen Versand freigegeben hatte, knallte mir die
Mailbox die IN-BOX auf meinem Rechner mit Zustellnachrich17
MIME = Multimedia Internet Mail Extensions
59
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
ten vom POSTMASTER und mit Service-Meldungen voll, daß es
nur so knackte - etwa nach diesem Muster:
Ihre Nachricht mit dem Betreff 'Einige Fragen' an
'c.schenk§pdsll.zerberus.de' hat den Empfdnger erreicht.
(Your message has arrived at the receiver)
Woraus wieder einmal auch hervorging, daß manche Rechnersysteme immer noch nicht begriffen hatten, wie mit deutschen Umlauten umzugehen ist („d“ statt „ä“). Auch kam häufig das „@“
verfälscht als „§“ an. Grund (vermutlich): Die Betreiber hatten
amerikanische Software auf ihren Systemen laufen, die nicht den
hiesigen Verhältnissen angepaßt war und sich auch oft nicht ausreichend oder fehlerfrei anpassen ließ.
Das sollte jetzt aber nicht weiter im Vordergrund stehen, denn
ich hatte mich längst daran gewöhnt.
Es gab bei den Bestätigungen jedoch merkwürdige Unterschiede. Auffällig war, daß es ganz vorsichtige gab, sozusagen in „altsozialistischer“ Rückversicherungsmanier:
> Content-Type: application/octet-stream; name="MAILER.TMP"
> Content-Transfer-Encoding: base64
> Content-Disposition: attachment; filename="MAILER.TMP"
>
Die Nachricht wurde empfangen, aber nicht decodiert
- also auch nicht gelesen.
Ciao,
i.A. Gvtz Renger
-Buero des Abgeordneten im 13. Deutschen Bundestag
ROLF KOeHNE [PDS], Bundeshaus, 53113 Bonn
60
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
PGP18 auf Anfrage (## in der Betreffzeile voranstellen)
Dagegen kam auch vor:
## automatische Empfangsbestaetigung durch
CrossPoint v3.1
## erhaltene Nachricht:
Message-ID:
<[email protected]>
Datum/Date:
08.04.96, 16:22
Groesse/Size:
7397 Bytes
Pfad/Path:
pdsll.zerberus.de!pdsll.zerberus.de!bionic.zerberus
.de!
GEOD.Geonet.De!M.L.SCHUERMANN
## CrossPoint v3.1 ##
oder (vom gleichen Empfänger):
## automatische Empfangsbestaetigung durch
CrossPoint v3.1 R
## erhaltene Nachricht:
Message-ID:
<49612427GEOD§GEOD.Geonet.De>
Datum/Date:
08.04.96, 16:23
Groesse/Size:
7397 Bytes
Pfad/Path:
pdsll.zerberus.de!pdsll.zerberus.de!bionic.zerberus
.de!
GEOD.Geonet.De!M.L.SCHUERMANN
autom. Empfangsbestaetigung von R.KOEHNE
-----BEGIN PGP PUBLIC KEY BLOCK----Version: 2.6.2i
mQCNAjA05RsAAAEEANszsL1cbBOX2GERKIAgnNbtkdFG3Yckp5iS/DgM
YU8EUaWhU8qL/ILLusYhYgX1xahboh9JAER/vqzrqshFpOGK5ID
4Iz9G1nhY70/JXH2rcD3dwGO3PVsfqZAEwuj3Zab9ULOgRikevI
KVHt/iDmj9JlfoV7rMBhaeOplufq9FAAURtChSb2xmIEtvZWhuZ
18
Ein interessantes Detail: PDS-Genossen bedienen sich (aus amerikanischer Quelle) des einzigen Verschlüsselungssystems, das
wirklich taugt und der US National Security Agency (NSA) Kopfschmerzen bereitet. Einzelheiten zu diesem System berichtete der
SPIEGEL in Nr. 36/1996.
61
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
SA8Ui5LT0VITkVAUERTTEwuemVyYmVydXMuZGU+iQCVAwUQMOae
IxaeOplufq9FAQEbPgQAwp/vlXebspN4qm3Ax+74XWA4DGZsYjeLOqsE
KXdwpH48VZI3FSqdODydH+qVcvqX8pbVoaLWhus0faE5J/BpS7b
wWvhrd/Qrr31vHc8qsnYRmNS6SzcXTly75CfOV3QVyFes7Okiz6
I+rUZFY7M1aRxpwBAB2JranyYNYlMN
FRM=
=LI5X
-----END PGP PUBLIC KEY BLOCK-----
...womit der gute Mensch gleich den öffentlichen Teil seines
Geheimschlüssels PGP zum „konspirativen“ Zuspielen von
Nachrichten mitteilte.
Dagegen war gut und ohne jeden Aufwand leserlich (kaum daß
die Frage abgeschickt war) prompt eine Antwort von G.LEUE da:
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfänger:
49616603GEOD
GEO9:G.LEUE
A. AUF: We. von INTERNET:[email protected]
p
10-04-96, 14:23:46
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Hallo Manfred:
Ich habe Deine beiden Nachrichten an CL weitergeleitet.
Er ist heute in Bonn, wird aber sicherlich morgen
gleich antworten.
Gruß
Guenther
Jetzt konnte ich nur noch der Dinge harren, die da kommen
würden.
Da ich aus dem Netz die WEB-Seite der PDS mit den eMailAnschriften weiterer Abgeordneter gefischt hatte, sandte ich von
AOL aus an alle 37 PDS-Abgeordnetenadressen noch einmal eine
Nachricht, in der ich auf mein erstes Schreiben hinwies.
Das soll hier aufgelistet werden, weil die jeweilige Zuständigkeit
der Abgeordneten dadurch transparent wird wie bei keiner anderen Partei: 1 Wolfgang Bierstedt - MdB (Technologie); 2 Petra
62
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Bläss - MdB (Soziales); 3 Marita Böttcher - MdB (Bildung); 4 Eva
Bulling-Schröter - MdB (Umwelt); 5 Judith Dellheim - Bundesvorstand; 6 Heinrich Graf von Einsiedel - MdB (Abrüstung); 7
Ludwig Elm - MdB (Wissenschaft); 8 Dagmar Enkelmann - MdB
(Verkehr); 9 Ruth Fuchs - MdB (Gesundheit & Sport); 10 Matthias Gärtner - MdL Sachsen-Anhalt; 11 Gregor Gysi - Vorsitzender
der Bundestagsgruppe; 12 Hanno Harnsich - Pressesprecher beim
Bundesvorstand; 13 Uwe-Jens Heuer - MdB (Recht); 14 Heiko
Hilker - MdL Sachsen; 15 Barbara Höll - MdB (Finanzen); 16
Willibald Jacob - MdB (int. Solidarität); 17 Ulla Jelpke - MdB
(Innenpolitik, Datenschutz); 18 Gerhard Jüttemann - MdB (Gewerkschaft & Soziales); 19 Sylvia-Yvonne Kaufmann - stellvertretende Parteivorsitzende; 20 Heidi Knake-Werner - MdB (Arbeit &
Soziales); 21 Rolf Köhne - MdB (Umwelt); 22 Rolf Kutzmutz MdB (Wirtschaft); 23 Andrea Lederer - MdB (Außenpolitik); 24
Heidemarie Lüth - MdB (Familien & Senioren); 25 Christa Luft MdB (Haushalt); 26 Günther Maleuda - MdB (Landwirtschaft);
27 Angela Marquardt - stellvertretende Parteivorsitzende; 28 Carsten Müller - Landesvorsitzender im Saarland; 29 Manfred Müller
- MdB (Gewerkschaft & Europa); 30 Rosel Neuhäuser - MdB
(Kinder und Jugend); 31 Jürgen Reents - Pressesprecher der Bundestagsgruppe; 32 Uwe-Jens Rössel - MdB (Kommunales); 33
Christina Schenk - MdB (Frauen); 34 Steffen Tippach - MdB
(Menschenrechte & humanitäre Hilfe); 35 Klaus-Jürgen Warnick
- MdB (Wohnungspolitik); 36 Winfried Wolf - MdB (Verkehr); 37
Gerhard Zwerenz - MdB (Frieden, Kultur, Medien).
Das war nun wieder eine meiner „overkilled actions“, denn die
Zahl 30 für die per eMail erreichbaren Bundestagsabgeordneten
stimmte! Die PDS war ja nur mit 30 Abgeordneten im Bundestag,
aber die waren alle per eMail erreichbar.
Bei den anderen Parteien sah es nach der Sitzverteilung im Bundestag müde aus, so daß es sich geradezu aufdrängte, noch einmal
eine Tabellenkalkulation zu bemühen:
63
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Sitzverteilung im Bundestag:
per eMail:
in %
erreichbar
CDU
CSU
F.D.P.
SPD
Bündnis 90/Die Grünen
PDS
244
50
47
252
49
19
30
2
1
4
14
6
30
0,82
2,00
8,51
5,56
12,24
100,00
Alle Abgeordneten:
672
57
8,48
Regierungsparteien:
Opposition:
341
331
7
50
2,05
15,11
Eigentlich läßt sich aus dieser Statistik ablesen, daß die Parteien,
die zu strampeln haben, um vielleicht ans Ruder zu kommen, sich
mehr bemühen (auch mehr und intensiver entsprechende Technik
einsetzen), und die anderen, die sich fest im Sattel glauben, ohne
besondere Anstrengungen vor sich hin traben.
Das kann man drehen, wie mal will: Es kommt am Ende, als für
Außenstehende (die Wähler, das „vertretene“ Volk!) sichtbar, nur
heraus, daß die Oppositionsvertreter rund siebenmal häufiger per
eMail erreichbar sind. Ich sehe es so, daß sie sich einfach mehr um
Kommunikation, um ein „offenes Ohr“ bemühen.
Der besseren Präsenz der PDS gesellte sich bald auch größere
Flinkheit bei. Die erste persönliche Reaktion auf meine beiden
Schreiben via GeoNet und AOL kam von einem PDS-Mitglied:
Thema: Schreiben via Internet
Datum: 11.04.96 09:25:39
From:
[email protected] (Angela
Marquardt)
To:
[email protected]
19
64
Trotz eines Stimmenanteils von nur 4,4 Prozent (5 Prozent-Klausel!) über 4 Direktmandate errungen.
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Hallo,
(... Technisches, an dieser Stelle nicht wesentlich ...)
Offen bleibt fuer mich der Sinn deines Schreibens.
Nichts desto trotz
freundliche Gruesse aus Berlin
Angela
@ Angela Marquardt [PDS] @ 100655,2414 @
http://www.xs4all.nl/~tank/radikal - Link it!!!
Neugierig wie ich bin, habe ich bei der http-Adresse gleich einmal nachgeschaut, aber nur Chaotisches gefunden, das sich nicht
in meine Arbeit an diesem Buch hätte einpassen lassen.
Unverzüglich loggte ich mich bei AOL ein, wo ich eine Kopie
meines Schreibens an die Abgeordneten hingeschickt hatte, und
leitete diese Kopie an Angela Marquardt weiter. Bei der Gelegenheit las ich selbst die sogenannte „Message“ zu der Kopie und lud
die Kopie als MAILER.TMP - wie sie genannt war - auf meinen
Rechner herunter. Anschließend öffnete ich dieses Dokument mit
einem simplen Editor (für Benutzer von DOS/Windows-Rechnern: mit dem Programm NOTEPAD.EXE) und konnte mein
Schreiben, das zahlreiche Abgeordnete anscheinend nicht in den
Griff bekamen, ohne Mühe klar lesen.
Erst später kam ich dahinter, daß bei der Verwendung von Umlauten oder „ß“ in einer Nachricht diese Nachricht als „Binär“Datei verschickt wird. Die deutschen Sonderzeichen verlangen
nämlich 8 Bit „Wortbreite“, die nicht ohne weiteres von allen
Rechnern verdaut werden kann. Wenn dieses Nadelöhr durch die
Umwandlung in Binärdateien umgangen wird, kann es sein, daß
der Rechner beim Empfänger oder der Empfänger selbst es nicht
schafft, die Binärdatein in normale Textdateien zurück zu verwandeln.
In einer späteren Nachricht an mich zitierte Angela Marquardt
einen ihrer Mitarbeiter: „Und die Umlaute: Das hat wenig mit
65
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
amerikanischen Zeichensaetzen zu tun. Vielmehr damit, dass
Grossanbieter wie unsere urdeutsche Telekom mit Grossrechneranlagen arbeiten. Auf denen laeuft nicht einmal mehr das UnixSystem (in welchem ein 8-bit-Code moeglich waere) sondern eben
ein IBM-System, das in der Tat nur 7 bit unterstuetzt. Aber nicht
wegen der Sprache, sondern wegen der internen Protokolle.“
Es kam aber, was ich damals (im April 1996) noch nicht wissen
konnte und was die Dynamik beim Erstellen des Buchmanuskripts unterstreicht, noch viel schöner.
Angela Marquardt, die stellvertretende PDS-Parteivorsitzende
und damit die Stellvertreterin von Gregor Gysi, wurde auf der
„WWW-Startseite der Partei des Demokratischen Sozialismus“
im zweiten Absatz quasi stolz als eine Art „Kriminelle“ vorgestellt:
„Eines ist geblieben: Immer noch findet Ihr hier die wohl prominenteste, erklärte Verfassungsfeindin der Bundesrepublik, unsere stellvertretende Bundesvorsitzende Angela Marquardt, den schrägsten Parteipressesprecher der Welt, Roman Hanno Harnisch, und den
langhaarigsten Landesvorsitzende, den eine Partei je haben durfte,
Carsten Müller.“
Man mag darüber streiten, was unter „Feindin“ zu verstehen ist.
Zur Demokratie mag gehören, daß sich jemand Gegner einer
Verfassung gibt, unter der er leben soll. Das auch zu sagen, gehört
zur Meinungsfreiheit.
Angela Marquardt wurde jedoch im September 1996 in eine Aktion der Bundesanwaltschaft gegen die in Deutschland verbotene
Zeitschrift „RADIKAL“ verstrickt. Sie selbst machte ja in ihrer
Korrespondenz per Fußnote auf diese Zeitschrift aufmerksam
(siehe Seite 65) und warb insofern für RADIKAL, das als elektronische Publikation auf einem niederländischen Internet-Server zu
finden ist.
Am 30. August 1996 forderte die Bundesanwaltschaft von dem
„eco e.V.“ und von von der ICTF, alle ihnen angeschlossenen Internet-Provider (Vermittler von Internet-Verbindungen) um Sperrung des Zugriffs auf RADIKAL zu ersuchen. Der „eco e.V.“ ver66
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
steht sich als Interessenvereinigung eines wesentlichen der Teils
deutschen Online-Wirtschaft. ICTF bedeutet „Internet Content
Task Force“. Sie wurde freiwillig gegründet, um „bedenkliche“
Inhalte im Internet aufzuspüren und vielleicht auch dem Zugriff
normaler Internet-Benutzer zu entziehen. Jetzt entpuppte sie sich
als mögliches Werkzeug und vielleicht williges Hilfsorgan für den
Staatsanwalt.
Der Bundesanwalt stellte in dem Fax fest, daß auf zwei Servern
und bei Compuserve über die Seite (Home Page) von Angela
Marquardt) „die Gesamtausgabe der Druckschrift ‘radikal Nr. 154’
abrufbar“ war. Das stimmte. Von „http://ourworld.compuserve.com/
homepages/angela1/radilink.htm“ gelangte man direkt zu RADIKAL. Dazu stellte der Bundesanwalt fest: „Teile des Inhalts dieser
Druckschrift begründen den Anfangsverdacht eines nach § 129a,
Abs. 3 StGb strafbaren Werbens für eine terroristische Vereinigung, einer nach § 140, Abs. 2 StGB strafbaren öffentlichen Billigung von Straftaten sowie den Anfangsverdacht eines Vergehens
der Anleitung zu Straftaten gemäß § 130a, Abs. 1 StGB.“
Deshalb leitete der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren „gegen die Verbreiter dieser Druckschrift“ ein. Unter „Verbreiter“ verstand er wohl die Provider, welche ihren Kunden den
Zugriff auf das Internet ermöglichten. Er drohte ihnen, „daß Sie
sich möglicherweise einer Beihilfe zu Straftaten strafbar machen,
soweit Sie auch weiterhin den Abruf dieser Seiten über Ihre Zugangs- und Netzknoten ermöglichen sollten“.
Es ist nicht bekannt, was im Internet von vielen Kritikern der
Bundesanwaltschaft bemerkt wurde, daß auch gegen die Telekom
vorgegangen wurde, die über T-Online ja ebenfalls den Zugriff
auf die radikalen Seiten ermöglichte. Auch erschien die Maßnahme der Bundesanwaltschaft insofern als purer Witz, wie sie ja
nicht verhindern konnte, daß jemand mit einem ausländischen
Rechner (etwa einer Suchmaschine) und von diesem direkt mit
dem holländischen Rechner zu den RADIKAL-Seiten verbunden
67
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
wurde. Auch waren längst nicht alle Internet-Provider den Verbänden angeschlossen.
Deshalb ging der Bundesanwalt sehr listig vor: Er koppelte das
Ersuchen an eco/ICTF mit dem Verlangen, ihm eine Liste aller
ISP (Internet-Service-Provider) zu verschaffen, an die sein Fax
weitergeleitet sein würde.
Diesem Ausspähungsversuch trat ein Rechtsanwalt Schneider
vom eco e.V. sofort entgegen. Der Anwalt ging jedoch noch weiter
und gab dem Bundesanwalt Nachhilfeunterricht in Sachen ISPTechnik. Die Sperrung der Internet-HomePage der Verfassungsfeindin und Radikal-Werberin Angela Marquardt wäre ad hoc
nämlich nur möglich gewesen, wenn man ganz CompuServe gegen Zugriffe gesperrt hätte. Damit wären auch Tausende, wenn
nicht gar Millionen von Zugriffen auf völlig legale „Contents“ (Inhalte) bei CompuServe verhindert worden. Rechtsanwalt Schneider stellte auch in Frage, ob der Schritt der Generalbundesanwaltschaft überhaupt legal war. Um eine gezielte Sperre zu realisieren,
hätte man auch völlig private IP-Pakete analysieren müssen, etwa
auch elektronische Briefe. Diese aber wären nach § 85, Abs. 3 des
inzwischen in Kraft getretenen Telekommunikationsgesetzes dem
Zugriff durch Dritte entzogen gewesen.
Es scheint, als habe der Generalbundesanwalt nicht in ein Wespennest gestochen, sondern sich in eines hineingesetzt. Die Zeitschrift RADIKAL funkte SOS und bekam von vielen Servern
Hilfe, auf denen sie elektronische „gespiegelt“ wurde und dadurch
voll erreichbar blieb. Außerdem zählte ein Ulf Möller dem Bundesanwalt in einem Brief vom 16.9.1996 zwei Dutzend Telefonnummern auf, über die RADIKAL abgerufen werden konnte. Bei
der Verbindung zu diesen Telefonnumern würden die Dienste der
Deutschen Telekom in Anspruch genommen. Möller bat den
Bundesanwalt um Prüfung, „ob die Telekom sich einer Beihilfe
zu strafbarem Werben für eine terroristische Vereinigung, öffentlicher Billigung von Straftaten oder zur Anleitung zu Straftaten
strafbar macht“.
68
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
Für SPIEGEL ONLINE, taz und FOCUS waren die Schritte
der Karlsruher Ermittler ein gefundenes Fressen. Auch im Internet blähte sich ein Dickicht von Informationen und Stellungnahmen zu diesem Vorgang auf.
Sebastian v. Bombard von der SpaceNat GmbH in München sah
„privat“ im Vorgehen der Bundesanwaltschaft „di ersten Früchte“
einer Mitgliedschaft in ECO/ICTF: Er erhoffte sich einen Weg,
„solche Probleme in Zukunft zu klären: Wenn wir auf Schreiben
der Exekutive reagieren müssen, können wir den Betrieb sicherer
gestalten, als wenn wir vorausschauend verpflichtet würden, alles,
was im Internet über uns geholt werden kann, zu prüfen - was wir,
wie sich jeder leicht vorstellen kann, natürlich nicht können.“ Dabei übersah Bombard aber eines: Auf bloße „Schreiben“ von
Staatsanwälten zu reagieren und Zugriffe zu vereiteln, würde den
Staatsorganen einen bequemen Weg eröffnen, Zensur auszuüben
und auch bloße Meinungen so lange aus dem Verkehr zu ziehen,
bis ein Gericht entschieden hat und die Meinung vielleicht längst
erkaltet ist.
„Für den Zeitraum von zunächst 28 Tagen“ kam ausgerechnet
der PoP-Server der Point of Presence GmbH in Hamburg der
bundesanwaltlichen Bitte nach und sperrte CompuServe wegen
der Marquardt-Seite gleich völlig. Dabei dient dieser Server besonders Journalisten zum beruflichen Fortkommen. Hendrik
Walliser, Presse- und PR-Mann bei „PoP“, sah seinen Provider
„gezwungen, den Zugriff auf die entsprechenden Server vorerst zu
sperren“, auch wenn „die Auffassung der Generalbundesanwaltschaft nicht uneingeschränkt“ geteilt wurde. Walliser hoffte, „daß
in dieser Sache zügig ermittelt und verhandelt wird“, und eilte erst
einmal in untertäniger Manier gehorsam voraus, wo andere zum
Widerstand bliesen. Selbst Papa Heuss hatte einmal behauptet, wo
Unrecht zum Recht werde, werde Widerstand zur Pflicht...
Die taz druckte unter ‘Telegramm’: „Erneut ist ein Internet-Zugang zu der in Deutschland verbotenen Untergrundzeitung Radikal blockiert worden. Nachdem in den vergangenen Tagen fast
69
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
alle deutschen Provider auf Druck der Bundesanwaltschaft die
Zugänge zu den Radikal-Seiten versperrten, hat CompuServe jetzt
auch die Homepage von PDS-Vorstandsmitglied Angela Marquart blockiert. Aus Protest gegen die Zensur nahmen mehr als 20
Großrechner weltweit die Seiten von Radikal in ihr Angebot auf.“
Außerdem meldete die taz fröhlich: „...der Kabarettist Dieter
Hildebrandt hat den Umtrieben der Moral- und Staatsschützer jeder Art einen weiteren Aspekt abgewinnen können und ihn trefflich auf den Punkt gebracht: ‘Zensur ist die geheime Empfehlung
durch öffentliches Verbot.’“
Angela Marquardts Seite bei CompuServe war auch einen Monat nach Beginn der Karlruher Aktion gesperrt. Sie quengelkte
unter einer Adresse bei RADIKAL: „Ich werde künftig, um mein
Internet-Angebot aufrecht erhalten zu können, eine andere Homepage betreiben müssen. Dies verursacht zusätzliche Mühen
und evtl. auch Kosten. Auf meinen Protest gegen jegliche Zensurversuche deutscher Behörden - zunächst gegen eine Zeitschrift
und inzwischen auch gegen mich selbst - werde ich aber auf keinen Fall verzichten.“ Dabei wäre es doch naheliegend für sie gewesen, längst ebenfalls in der elektronischen Stammkneipe der
PDS (www.zerberus.de) einzukehren. Aber war sie vielleicht gerade dort wegen erklärter „Verfassungsfeindlichkeit“ und möglicher Schwierigkeiten, wie sie sie jetzt hatte, wenig erwünscht?
Ganz im Gegensatz zu CompuServe schien sich AOL um die
Bundesanwaltschaft nicht besonders zu scheren. Sowohl die inkriminierte Adresse „http://www.xs4all.nl/~tank/radikal/“ wie
auch eine der vielen Ausweichadressen „http://www.ecn.org/radikal“ waren über AOL Anfang Oktober 1996 zu erreichen. Dabei
war auch die besonders erwähnte Nummer der Radikal mit den
kriminellen „Werbungen“, „Billigungen“ und „Anleitungen“ voll
einzusehen. Das wurde von RADIKAL auf der Begrüßungsseite
feixend gefeiert: „Radikal number 154 back online J“.
Der „FoeBuD e.V.“ in Bielefeld (auf dem gleichen ZerberusServer zu finden wie die PDS) hatte am 5.9.1996 nicht nur ein
70
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
halbes Dutzend Ausweichadressen für den Zugriff auf RADIKAL
genannt, sondern zugleich festgestellt: „Ein Zugriff auf eine mit
‘http://www.xs4all.nl/’ beginnende Internetadresse ist somit in
Deutschland nur noch über Universitäten und Leitungen der Telekom AG möglich.“ - Sollte man daraus ableiten dürfen, daß in etwa „staatsnahe Einrichtungen“ bei der Bundesanwaltschaft Immunität genossen?
Wie auch immer - wir werden im Laufe dieser Abhandlung noch
vielerlei Anhaltspunkte dafür finden, daß Regierung(en) und Parlament(e) längst nicht mehr voll handlungsfähig sind: Das dauerhaft stabile, immer mehr durchstrukturierte und bis ins Kleinste
geregelte System BRD ist so komplex geworden, daß es als Ganzes
nicht mehr durchschaut, begriffen und wirksam gesteuert werden
kann.
Wer erfolgreich seine Interessen wahrnehmen will, muß selbst
ein vielfältiges Geflecht von Beziehungen aufbauen, mit dem seine
individuellen Kapazitäten bald ausgelastet sind. Es bleibt einfach
keine psychische Reserve mehr, über den eigenen Kreidekreis hinaus Zusammenhänge zu erforschen und gar auch noch das Wohl
anderer, völlig fremder und anonymer Menschen im Auge zu behalten. Die „Gesellschaft“ als solche stellt sich nicht als ein Block
dar, sondern als ein Mosaik, in dem die einzelnen Steinchen
Kontakt zu ihren Nachbarn haben, doch über diese hinaus sich
nicht weiter interessieren.
Es fehlt eben an der von Wickert vermißten „Idee“ (siehe Seite
30), „die zu verteidigen die Mitglieder der Gesellschaft alles einsetzen und zu deren Gunsten die Bürger auf eigene Vorteile verzichten“. Solche „Ideen“ werden jedoch neuerlich fast nur noch
für bestimmte Gruppen der Gesellschaft beschworen, denen es
nach einer Übernahme dieser Ideen anschließend schlechter gehen mag.
Als ich dieses Buch begann, ahnte ich noch nicht, wie sich die
Situation in Deutschland zuspitzen würde. Zu der hitzigen Diskussionen über Renten, Arbeitsplätze, Steuern, Gesundheitskosten
71
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
und Sparmaßnahmen war eine galoppierende Eskalation der
Zwietracht getreten. Ein alles anderes als demokratisches System
war längst Realität! Daß man die sogenannte Zweidrittel-Gesellschaft auch anders bezeichnen konnte, nämlich als ein Zweiklassensystem, in dem sich 1/3 und 2/3 unversöhnlich gegenüberstanden, wagte anscheinend nur niemand so auszusprechen.
Doch der SPD-Bundestagsabgeordnete Joachim Poß (Mitglied
im Haushaltsausschuß und Sprecher für die SPD-Fraktion im Finanzausschuß, Aufsichtsratsvorsitzender der Emscher-LippeAgentur in Gelsenkirchen-Buer und Aufsichtsratsmitglied der
Stadtwerke Gelsenkirchen GmbH) redete öffentlich von einem
„sozialen Bürgerkrieg“ in der Bundesrepublik20. Damit drückte er
genau das Gegenteil aus von Gemeinsamkeit oder zusammenschweißender Idee. Für eine solche Idee gab es anscheinend überhaupt keinen Boden mehr. Denn anders wäre es nicht möglich
gewesen, daß in Bonn sogar der Gedanke zu einer Amnestie zugunsten all derer aufkam, die Milliarden ins Ausland verschoben
und der deutschen Steuer entzogen hatten.
Eine Amnestie war ja schon in der berüchtigten Parteispendenaffäre versucht worden, um hohe Tiere von Parteien und Industriefirmen der Bestrafung zu entziehen. Jetzt sollte eine Amnestie
für Täter wohl vor allem deren Helfern, den Banken, zugute
kommen. Es gab kaum einen Monat oder eine Woche, wo die
Staatsanwaltschaft nicht in irgendeine Bank spazierte und Aktenberge über Kunden mitnahm. Sogar die größte aller Landesbanken, die WestLB, hatte es erwischt. Eine Aachener Bank sollte sogar weit über 100 Millionen Mark Drogengelder gewaschen haben, was über die Gesetzestreue mancher Banker auch nichts
Gutes sagt.
Daß Politiker ein Interesse daran entwickeln konnten, sich aus
dem Ärger bei den von ihnen beaufsichtigten Banken herauszuwinden, lag auf der Hand. Hans-Peter Repnik, CDU-MdB (Mit20
72
ARD-Tagesthemen 4. Okt. 1996.
DER BRIEF AN DIE ABGEORDNETEN
glied im Vermittlungsausschuß, im Ausschuß für Wirtschaft, im
Finanzausschuß und im Haushaltsausschuß, stellvertretender
Vorsitzender der Nord Handelsgesellschaft mbH in Norderfriedrichskoog, stellvertretender Beiratsvorsitzender der Paul Neuling
Mineralölwerk-Chemische Fabrik GmbH in Berlin, stellvertretender Beiratsvorsitzender der Paul Neuling Verwaltungs-GmbH
in Berlin) wiegelte ab21: „Wir haben natürlich im Rahmen der
Diskussion über die große Steuerreform uns Gedanken gemacht,
wie es möglich sein könnte, Menschen in Deutschland, die ihr
Kapital nach draußen gebracht haben, zu bewegen, das Kapital ins
Inland zurück zu bringen...“
Von einer Amnestie würden aber vor allem die großen Geschäftsbanken profitieren, die dabei geholfen haben, Millionenbeträge auf Konten am Luxemburger Kirchberg zu verstecken. Eine
Amnestie für Schwarzparker von Milliarden, während der kleine
Mann für fünf Minuten Parkuhrüberziehung schon ein dickes
Knöllchen vorfindet?
Wo bleibt da noch Raum für Gemeinsinn im Volk?
21
A.a.O.
73
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Antworten und „Antworten“
W
ir haben ja schon gesehen, welch abenteuerliches
Schicksal mein eMail-Brief an die Abgeordneten
teilweise erleiden mußte. Die einen fanden „nichts“
oder nichts Entzifferbares und forderten eine neue
Übermittlung an. Andere wiederum standen vor einem Block von
Binärcodes22, wie es auch ausgerechnet dem Abgeordneten Friedrich erging.
Vom Büro dieses Abgeordneten, den wir ja aus dem Vorherigen
schon kennen, ging drei Tage nach der Übermittlung meines
Schreibens an ihn eine Antwort ein:
ID:
49619370GEOD
Nachricht von:
INTERNET:[email protected]
Betrifft:
Re: Einige Fragen
Abgesandt am:
11-04-96, 08:36:25
Empfangen am:
11-04-96, 09:40:12
Empfänger:
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Sehr geehrter Herr Schuermann,
vielen Dank fuer Ihre e-mail. Leider kam sie in der
unten wiedergegebenen Form an. Unsere technische
Ausruestung erlaubt es nicht, die u.a. Zeichen in
lesbare Form umzusetzen. Wenn Sie an einer Antwort
auf Ihre Schreiben interessiert sind, dann senden
Sie bitte eine Fassung im Klartext.
Mit freundlichen Gruessen
Dr. C. Stienen
(Referent)
22
74
Binärcodes sind wertbestimmende Ketten aus 0 und 1.
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Dr. Gerhard Friedrich, MdB
CDU/CSU Fraktion - Bundeshaus HT 325 - 53113 Bonn
Mich warf es fast um, als ich zu meiner Nachricht lesen durfte:
„Leider kam sie in der unten wiedergegebenen Form an. Unsere
technische Ausruestung erlaubt es nicht, die u.a. Zeichen in lesbare
Form umzusetzen. Wenn Sie an einer Antwort auf Ihre Schreiben
interessiert sind, dann senden Sie bitte eine Fassung im Klartext.“
(Die vollständige Antwort ist unter „Technisches“ ab Seite 401
wiedergegeben.)
Man muß sich das einmal vorstellen: Meine simple technische
Ausrüstung (DOS/Windows-Rechner, Mailstation-Programm von
GeoNet) erlaubt es, mühelos zu empfangen und zu lesen, was der
Abgeordnete mir zukommen ließ. Doch er selbst war nicht in der
Lage, herauszubekommen, was ich ihm mit der gleichen Ausrüstung übermitteln ließ. (Sollte es sich um das verkehrende Schicksal dafür handeln, daß zwar die Abgeordneten das Geld der Wähler verbraten können, nicht aber die Wähler das Geld der Abgeordneten?)
Andererseits gingen aber auch Nachrichten bei mir ein wie diese:
Nachricht von:
Nachricht an:
Betreff:
Abgesandt am:
Ursache:
GEO9:POSTMASTER
GEO9:G.LEUE
We. von INTERNET:ZERBERUS§LINKN.cl.sub.de: N
10-04-96 15:31:02
Nachricht wurde am 10-04-96
18:20:59 gelesen.
Gespannt war ich nur, was solche „Postmaster“-Meldungen bedeuteten. War es etwa den vereinten Kräften aus den ehemals
„IM“- und konspirationsgeübten Ländles gelungen, meine Nachricht zu „dechiffrieren“? Hatten sie vielleicht sogar mit der Hilfe
von Geheimdienstresten des ehemals Großen Bruders meine vielleicht als Geheimbotschaft vermutete Nachricht flugs entschlüsselt? (Vorsicht, Prozeßlustige: Dieses ist satirisch gemeint!)
75
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Noch war ich ahnungslos, mußte ich warten, ob sich je ein Abgeordneter unter erkennbarem Bezug auf die von mir gestellten
Fragen melden würde.
Nebenbei brütete ich über einem Titel für mein Buch: Er sollte
ausdrücken, wie die smarten Typen dieser Gesellschaft sich aus
allen möglichen Töpfen bedienen, während die biederen und ehrlichen Menschen immer häufiger auf den Müllhaufen dieser konsumwütigen Gesellschaft verstoßen werden (in Anlehnung an Ulrich Wickerts „Der Ehrliche ist der Dumme“23).
Doch nur nichts übereilen. Ich wollte nicht einen Stab über
Leute brechen, die zumindest persönlich vielleicht nicht verantwortlich sein konnten. Denn wenn irgendwo (in der Industrie, bei
Universitäten, bei Institutionen, Behörden oder sonstwo) Rechnersysteme angeschafft werden, sind es ja in der Regel nicht die Betroffenen, die über die Anschaffungen und deren Eigenheiten entscheiden. Wie sollten sie auch, falls sie noch Laien sind! Aber
wenn sie erst einmal mit solchen Systemen zu arbeiten haben, sind
sie die Leidtragenden, falls die „Experten“ unsauber entschieden
haben oder die Beschaffer irgendwelchen „Experten“, die keine
sind, auf den Leim gegangen sind. So etwas kommt immer wieder
vor. Denn oft machen gerade Händler oder „Experten“ ihre
Schularbeiten nicht gründlich genug.
Meine Absichten, den Dingen weiter nachzugehen, wurden
plötzlich unterbrochen. Der Rhein-Ruhr-Flughafen in Düsseldorf
war in Flammen aufgegangen. Eine tragische Katastrophe. Ich
nahm sie zum Anlaß, mein Gewühl im Rechner und in Netzen
hintanzustellen und die Nachrichten zu verfolgen. Als klar wurde,
daß im Köln-Bonner Ausweichflughafen ein Chaos auszubrechen
begann, machte ich mich sofort auf den Weg. Das wollte ich mir
ansehen und vielleicht meine Hilfe anbieten.
23
76
Untertitel: „Über den Verlust der Werte“ - Im übrigen wurde die hier
erwähnte Idee verworfen.
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Das Chaos begann schon im Vorfeld bei der Anfahrt zum KölnBonner Airport. Einige Polizisten wollten unterschiedslos alles
vom Terminal fernhalten und ins Nirgendwo umleiten. Mit einem
von ihnen legte ich mich bedrohlich an. Ich wollte schließlich seinen Namen, seine Dienstnummer und den Namen seines aktuellen Vorgesetzten wissen, um sie „dafür verantwortlich machen zu
können, daß sie mich an einer vorgesehenen Hilfeleistung hinderten“. Ich log ihm alles mögliche vor. Das knickte ihn endlich
derart ein, daß er mir jetzt sogar den Weg freibaggerte.
Dann fand ich niemanden, der auch nur annähernd so etwas wie
eine Koordination betrieb. Wenn jemand genannt wurde, war an
ihn nicht heranzukommen. Oder jemand, der etwas hätte entscheiden oder veranlassen können, drückte sich und wollte sogar
dann erst noch rückfragen, wo niemand für eine Rückfrage zur
Verfügung stand. Das Chaos optimierte sich selbst.
Auf dem Rollfeld begannen die Maschinen sich zu drängeln. Aus
einem Kofferradio hörte ich die verzweifelten Hilferufe über den
WDR an alle möglichen Leute, die dienstfrei hatten, im Flughafen
zu erscheinen. Ich selbst wollte das tun, was mir am Herzen lag:
mich um Kinder zu kümmern, ihnen eine ruhige Ecke und ein sicheres Fortkommen zu verschaffen. Erwachsene mochten sich um
sich selbst kümmern, aber in solch einem Chaos sind Kinder besonders betroffen, wird es immer etwas heikel.
Nichts lief mehr nach irgendeiner Uhr. Es war abzusehen, daß
sich auch hier eine mittlere Katastrophe anbahnte, und ich wunderte mich, daß noch kein Personal vom Düsseldorfer Flughafen
aufgetaucht war, das ja am Brandort wohl kaum noch etwas tun
konnte.
Einen uniformierten Rotkreuzmann, dem ich freiwillige Hilfe
anbot, interessierte nur, ob ich selbst dem Roten Kreuz angehörte
oder nicht: „Tut mir leid, da kann ich nichts tun.“ Als ich ihm etwas fassungslos den Rücken zukehrte, entdeckte ich eine Frau mit
drei kleinen Kindern, der ihre Kleinen wie auch ihre Koffer kaum
noch gehorchten. Ihr besorgte ich wenigstens schon einmal Sitz77
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
gelegenheiten, auf denen sich vorher Jugendliche herumgelümmelt hatten. Von einer Bar, an der eine Asiatin Dienst tat, besorgte
ich Getränke für die Kinder und ihre Mutter. Später gelang es mir,
über ein Handy ein Taxi an eine ganz bestimmte Stelle zu lotsen
und die Mutter samt Anhang zu verfrachten.
Das war erst einmal alles, weil ich keinen Anlaufpunkt für eine
vernünftige Aufgabe fand. Ich sah mich bloß nochum und schätzte
mich glücklich, nicht selbst als Fluggast betroffen zu sein. Anscheinend waren jetzt schon fast dreißig Maschinen vom Düsseldorfer zum Köln-Bonner Flughafen umgeleitet worden, und es
drohten noch viele andere Maschinen zu kommen. Jede von ihnen
würde mit etwa 150 oder 200 Passagieren besetzt sein.
Es war zu hören, daß man statt mit 13.000 Fluggästen jetzt mit
annähernd 30.000 rechnete. Das konnte wahrhaftig „heiter“ werden. Schließlich fand ich jemanden von der LTU, der spontan sicher war, für mich einen Platz zu finden, an dem ich nützlich sein
konnte, aber er wollte erst noch etwas Dringendes erledigen und
verschwand für immer aus meinen Augen.
Dann hörte ich irgendwann, daß schon bald vierzig Maschinen
zusätzlich zum normalen Volumen in Köln-Bonn gelandet waren.
So ganz untätig war ich in der Zwischenzeit nicht geblieben. Ich
hatte Zeit, zwei freie Hände, ein Handy (von dem aus lauter Not
inzwischen schon rund ein Dutzend Leute telefoniert hatten) und
notfalls auch ein Auto, wenn es darauf ankommen sollte. Mein
Gedanke, mich vielleicht um Kinder zu kümmern, konnte so
falsch nicht gewesen sein. Tatsächlich waren es vor allem alleinreisende Frauen mit zwei oder mehr Kindern, die wie entnervt
durch das Gewühl ruderten.
Am lästigsten waren die Medienvertreter mit ihrem Troß, die
sich wie Schmeißfliegen an die Opfer der Katastrophe hefteten
und immer wieder nach „Offiziellen“ suchten, die sie vor den
Kameras und Mikrofonen in Positur bringen konntten. Eine Frau,
an der Linken einen schweren Koffer, an der Rechten ein quengelndes Kind, einen kleinen Koffer mit Fußtritten vor sich her
78
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
treibend, trat einem Reporter wütend vors Schienbein, als er ihr
ein Mikrofon fast in die Augen drückte, um sie mit seinen Fragen
zu traktieren.
Das war heller Wahnsinn!
Im größten Gewühl fiel mir ein Mann auf, der sich auf Krücken
abstützte und zwei unterschiedlich große Koffer vor sich her
schob. Fast ständig wurde er vor allem auch von jungen Menschen
umspült, die fast kein Gepäck oder sogar die Hände frei hatten.
Sie waren jedoch nur darauf bedacht, irgendeinem imaginären
Ziel entgegen zu stürmen und dabei alles zur Seite zu quetschen.
Ich erreichte den Mann, als gerade ein junges und sehr elegant gekleidetes Mädchen an ihm mit einen Airport-Kofferkuli vorbeischieben wollte, auf dem ein einsamer winziger Koffer lag. Ich
stellte mich der jungen Dame in den Weg und zeigte nur auf den
Mann mit den Krücken. Es war fast zu spüren, wie sie mich mit
ihren Augen erschießen wollte. Doch plötzlich ging ihr ein Licht
auf: Sie sprach den Mann freundlich an, hob seine Koffer auf ihren Kuli und wühlte sich mit ihm langsam durch das Gedränge.
Ich merkte, daß ich mit meinen Vorstellungen von common sense
und Mitgefühl auf einem falschen Stern lebte. Insgesamt nahmen
die Menschen die verheerenden Zustände mit einer stoischen Gelassenheit hin, doch sie dachten dabei ausschließlich an sich selbst.
Und es schien noch schlimmer zu werden. Tröstlich war vorläufig nur, daß nicht auch noch ungezählte Abflüge zu bewältigen
waren. Doch die drohten für den nächsten Tag. Ebenso drohte ein
verstärkter ankommender Verkehr durch die zurückkehrenden
Osterurlauber. Davon war als Fluggesellschaft insbesondere die
LTU betroffen, deren Heimatflughafen ja Düsseldorf war.
Alles in allem hatte es den Anschein, daß man sich über viele
Jahre an gutgeölte Routine gewöhnt hatte und sich nicht mehr
vorstellen konnte oder wollte, daß etwas auch einmal anders ablaufen könnte. Wie es aussah, hatte wohl niemand auch für den
Fall vorausgedacht, daß ein ganzer Großflughafen mit einem
Schlage ausfallen könnte. Wie sollte das auch geschehen? Ein
79
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
ganzer Airport? Wo Nachrichten gehört worden waren oder Leute
von zu Hause auftauchten, die ferngesehen hatten, machten sich
Spekulationen breit. Einige stellten sich vor, wie es wäre, wenn
jetzt, in diesem Moment auch in Köln-Bonn eine Katastrophe
ausbrechen würde - vielleicht durch einen Terroranschlag, der ja
angeblich von kurdischer Seite angedroht worden sein sollte.
Ganz Schlaue malten sich alles Mögliche aus und unterstellten,
daß die chaotischen Zustände, die ja nun auch auf Maastricht,
Münster-Osnabrück und andere Ausweichflughäfen ausstrahlten,
ein ungeheures Einfallstor für Rauschgiftschmuggler darstellten.
Diese Gangster würden garantiert am schnellsten schalten und
aus der ungeheuren Tragik auch noch Kapital schlagen... Jaja, die
Gangster, seufzte jemand, der über seinem Kaffee brütete, die seien anscheinend noch die einzigen, die sich ständig was Neues
einfallen ließen und aktiv zur Sache gingen.
Als ich mich aus dem Gedränge im Flughafen wieder davon machen wollte, weil ich einsah, hier überflüssig zu sein, kam ich nicht
weg. Mein Auto war eingekeilt worden, und der Verkehr war so
dicht wie bei einem Flüchtlingstreck in Bosnien. Ich betrat notgedrungen wieder die Eingangshalle und drängelte mich nach einer
Tasse Kaffee durch.
Da bahnte sich ein hohes Tier den Weg durch die Menge, im
Kielwasser eine Menge Reporter. Ich wußte im Moment nicht, wer
das sein mochte. Mir war jetzt alles egal, denn nachdem ich mich
innerlich abgeseilt hatte, vor meinem Kaffee saß und mir die Verzweiflung vieler Fluggäste nur noch wie im Kino ansah, merkte
ich, daß ich hundemüde war.
Ich wollte nun auf Biegen und Brechen weg und schlafen gehen.
Mit etwas Mühe bekam ich mein Auto aus der Klemme, doch es
dauerte mehr als eine halbe Stunde, ehe ich freie Fahrt auf der
Autobahn hatte.
Vom Flughafen zurück war ich dann wieder so munter, daß ich
den Rechner einschaltete und erst noch eine Schlange elektronischer Post abarbeitete, ehe ich dann doch zum Schlafen kam.
80
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Kaum wach fand ich eine Nachricht von Christian Leue vor, der
das GeoNet-System betreute, da er sozusagen damit aufgewachsen war:
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfänger:
Text:
49622004GEOD
GEO9:C.LEUE
Re: E
12-04-96, 13:00:16
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Im Internet können keine 8-Bit Daten übertragen
werden. Es gibt die Standards MIME (der modernere)
und UUENCODE, um 8-bit Dateien zu transportieren.
Von Mail Clients sollte man heute erwarten können,
daß sie MIME automatisch dekodieren können (wir
können's, natürlich...). Manche anscheinend nicht.
Eine Nachricht ist binär, sobald auch nur ein Umlaut drin ist. Falls Du in MailStation "komprimieren" wählst, ist sie auch garantiert binär (als
PKZIP- Datei).
Um den geringsten gemeinsamen Nenner anzusprechen
mußt Du "komprimieren" deaktiviert lassen, Deine
Nachricht nur im MailStation Notizeditor schreiben
(nicht als WinWord File) und die Formatierungsoption "ASCII 7 Bits Deutsch" verwenden (dann kannst Du
auch mit Umlauten schreiben, die dann auf die eckigen und geschweiften Klammern konvertiert werden).
Klaro?
C
Wie auch immer, für mich bedeutete das erst einmal, daß die
Abgeordneten nicht mit einem zeitgemäßen System zu arbeiten
schienen, daß sie, die doch jetzt über das Pilotprojekt in moderne
Zeiten eintreten sollten, anscheinend nicht auf einem ausreichenden Stand der Technik waren.
Die einfache Umstellung des Sendeprotokolls bei mir hätte nur
dazu geführt, daß alle Umlaute und das „ß“ in der ankommenden
81
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Post bei den Abgeordneten durch seltsame Zeichen ersetzt gewesen wären. Deshalb rottete ich alle deutschen Sonderzeichen aus,
wobei zum Beispiel aus ä ein „ae“ wurde und aus ß ein „ss“.
Dann schickte ich mein Schreiben im Format „ASCII 7-bit
(Deutsch)“ noch einmal ab. Das Ganze dauerte 2 ¼ Minuten. Es
ergab sich wieder ein Protokoll, wie es unter Dokumentation
<6> zu finden ist.
Vorher hatte ich es kreuz und quer durch verschiedene Systeme
im Netz gejagt und nirgendwo die geringsten Schwierigkeiten bekommen, es wieder anzusprechen und zu lesen. Folglich sollte es
nun für alle Abgeordneten leicht sein, meine Fragen endlich im
Klartext zur Kenntnis nehmen zu können.
Nur kurze Zeit nach dem Absenden ging ich noch einmal in das
GeoNet-System. Dort fand ich bereits Bestätigungen der anderen
Rechner vor, etwa nach diesem Muster:
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfangen am:
Empfänger:
49622266GEOD
INTERNET:MAILER-DAEMON§piro.net
Returned mail: Return receipt
12-04-96, 13:05:29
12-04-96, 14:04:46
GEOD:M.L.SCHUERMANN
...und eine Menge ähnlicher Bestätigungen.
Aus dem EUnet lagen sogar insgesamt sechs Bestätigungen mit
verschiedenen Zeitangaben vor. Nicht eine einzige Nachricht gab
zu erkennen, daß etwas schiefgelaufen war. Ob nun localhost (localhost) by dagobert.piro.net oder freenet-a.fim.uni-erlangen.de
(root§freenet-a.fim.uni-erlangen.de [131. 188.192.11]) by uni-erlangen.de oder Mail Delivery Subsystem <MAILER-DAEMON§Germany.EU.net> - im Prinzip lauteten alle Meldungen wie diese:
The original message was received at Fri, 12 Apr
1996 14:07:33 +0200
from GEOV6.GeoNet.de [193.96.236.16]
----- Transcript of session follows ----<[email protected]>...
Successfully delivered
82
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Deshalb hoffte ich, mit den Abgeordneten nun endlich zu Potte
zu kommen und von ihnen ihre Gedanken und Antworten zu
meinen Fragen über das Internet zu erhalten. Denn Internet sollte
es ja sein... - Das erste Lebenszeichen aus dem PDS-Bereich sah
ebenfalls erfolgversprechend aus, was immer es auch im einzelnen
bedeutete. Hier die vollständige Nachricht zum Mitraten:
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
49623060GEOD
INTERNET:[email protected]
*** BIN:Empfangsbestaetigung
(Acknowledgement of receipt)
12-04-96, 15:55:26
12-04-96, 20:32:58
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Abgesandt am:
Empfangen am:
Empfänger:
Text:
Received: from osn.de 194.77.92.17
by GEOD.Geonet.De
Date: Fri, 12 Apr 1996 20:32:41
Received: from msn.sub.org ([email protected]
[193.23.167.67]) by osn.de (8.7.5/8.7.3) with SMTP
id UAA23601 for <[email protected]>;
Fri, 12 Apr 1996 20:32:37 +0200 (MET DST)
Received: from cl.sub.de by msn.sub.org (4.1/SMI4.1)
id AA24451; Fri, 12 Apr 96 20:32:33 +0200
Received: from LINK-N.cl.sub.de by cl.sub.de with
uucp
(Linux Smail3.1.28.1 #14) id m0u7kju-0005gfC; Fri,
12 Apr 96 17:26 MET DST
Received: by link-n.cl.sub.de (UUCPfZ V5.59 U005)
via ZConnect; 12 Apr 96 17:27:34 +0200
Date: 12 Apr 96 16:55:26 +0200
From: [email protected]
Subject: Empfangsbestaetigung (Acknowledgement of
receipt)
To: [email protected]
Message-Id: <[email protected]>
In-Reply-To: <49622174GEOD§GEOD.Geonet.De>
X-Mailer: ZERBERUS V5.3 Rel3.0 <Z085>
X-Gateway: ZCONNECT UH link-n.cl.sub.de [UUCPfZ
V5.59 U005]
X-Zc-Stat: EB
X-Zc-Stat: CTL
83
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Ihre Nachricht mit dem Betreff 'Nachricht in 7bit
ASCII'an '[email protected]' hat den Empfänger erreicht.
(Your message has arrived at the receiver)
Diese Bestätigung hatte ich aus dem Rechner geholt, als sie gerade frisch eingegangen sein mußte. Das war, während in n-tv die
Sondersendung zu der Brandkatastrophe im Düsseldorfer Flughafen lief. Danach wollte ich eine Pause einlegen, den Computer
etwas beiseite lassen, vielleicht ein wenig fernsehen und später erst
noch einmal bei GeoNet vorbeischauen.
Während ich über die Satellitenkanäle strich und fast überall auf
Werbung und nochmals Werbung stieß, blätterte ich in Notizen
und einigen ausgedruckten WEB-Seiten. Dabei war auch eine
Seite des Pilotprojektes für die Bundestagsabgeordneten (wer gab,
schoß mir durch den Kopf, eigentlich einmal allen deutschen
Schülern Gelegenheit, sich in einem Pilotprojekt umzusehen?).
Es war eigentlich das erstemal, daß ich mir die Zielsetzung des
Projektes sehr genau ansah; vorher hatte ich alles nur überflogen
und mich wohl nicht gründlich genug mit den Aussagen befaßt:
„Die Ziele des Pilotprojekts
Es soll u.a. herausgefunden werden, ...
• ob und in welchem Umfang dieses Informationsangebot überhaupt genutzt wird,
• wie das Informationsangebot genutzt wird und
• wie die Möglichkeit der Kommunikation via E-Mail mit den
Abgeordneten genutzt wird.
Letztendlich sollen anhand der Erfahrungen aus dem Projekt
auch erste Antworten auf die Frage gefunden werden, ob die Nutzung des Mediums Internet eine neue, womöglich bessere Qualität der Kommunikation und des Informationsaustausches zwischen Abgeordneten und Bürgern ermöglicht.“
Nun ging mir ein Licht auf. Man wollte also nur sehen, ob und
in welchem Umfang dieses Informationsangebot überhaupt genutzt
wird, wie das Informationsangebot genutzt wird und wie die
84
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Möglichkeit der Kommunikation via eMail mit den Abgeordneten
genutzt wird...
Also: ob und wie und ob überhaupt genutzt. Außer dadurch, daß
ich im Internet gestöbert und in TV-TODAY davon gelesen hatte,
war mir nicht aufgefallen, daß die Abgeordneten jetzt auch bürgernäher geworden sein könnten. So war mir nicht erinnerlich,
etwa in AOL schon beim Einloggen darauf aufmerksam gemacht
worden zu sein. Etwa: „Hallo, Leute, jetzt können Sie Ihre Abgeordneten direkt absprechen! Hier • klicken, um zur Liste der Abgeordneten und an das Projekt zu gelangen.“
Unterhaltung vor Unterrichtung...
In AOL standen (wie meistens) Kommerz und Unterhaltung im
Vordergrund. Doch konnte man diesem Anbieter nicht nachsagen,
daß er den Nachrichtenteil insgesamt vernachlässigte. Ganz im
Gegenteil: Viele namhafte Zeitungen und Magazine, sogar die
New York Times und das Business Magazine waren über AOL
zugänglich. Dazu auch noch der FOCUS (wenn auch insgesamt
etwas dürftig) und vor allem gute Recherchiermöglichkeiten für
jeden, der Interesse und die notwendigen Suchroutinen entwikkelte.
Über die Katastrophe, die so urplötzlich über viele Menschen
hereingebrochen war und viele Tote gefordert hatte, berichtete
AOL kurz, bündig und umfassend genug, bündig, wovon man
85
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
sich nach der Verzweigung zum Thementeil leicht überzeugen
konnte (Zitat):
Düsseldorf, 12. April (dpa/AOL)
Jetzt ist die Ursache für die Brandkatastrophe auf dem Düsseldorfer Rhein-Ruhr-Flughafen ermittelt. Das Feuer, das 16 Menschenleben forderte, wurde durch Schweißarbeiten ausgelöst. Dies
teilten Staatsanwaltschaft und Polizei am Freitag der Presse in
Düsseldorf mit. Gegen die verantwortliche Firma, die für die Arbeiten ein Subunternehmen engagiert hatte, wird wegen fahrlässiger Brandstiftung und fahrlässiger Tötung ermittelt. Der materielle Schaden wird auf mehrere 100 Millionen Mark geschätzt.
Nach den Feststellungen der Ermittler hatten die Arbeiter am
Donnerstag nachmittag versucht, Dehnungsfugen auf der Zufahrtsstraße über dem Abflugdeck zu verschweißen. Dabei sei es
bei der Erhitzung von Bitumen offenbar zu einem Funkenflug gekommen, der die PVC-Ummantelung einer Leitung in Brand gesetzt habe. Die Stadtverwaltung präzisierte, Bitumen sei „brennend in die Zwischendecke getropft“.
Binnen Sekunden rollte eine Feuerwalze in den Terminal, wo
sich Hunderte Fluggäste und Besucher aufhielten. 16 Menschen
erstickten und verbrannten in Liften, auf einer Toilette und in einer VIP-Lounge. Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU)
ordnete nach der schwersten Brandkatastrophe auf einem deutschen Flughafen Trauerbeflaggung an.
Die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft richten
sich gegen die namentlich nicht genannte Schweißfirma mit Sitz
in Dortmund, die einen Subunternehmer engagiert hatte. Ermittelt werde „gegen alle, die für die Ausführung des Auftrages verantwortlich sind“, hieß es auf der Pressekonferenz.
Alle 16 Leichen wurden identifiziert, berichtete der Leitende
Polizeidirektor und Einsatzleiter, Rolf Baudiß. Die Toten sind elf
86
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Männer, vier Frauen und ein Junge. Es handelt sich um sieben
Deutsche, sechs Franzosen, zwei Italiener und einen Briten. Unter
ihnen sind auch ein Siebenjähriger aus Bochum und sein
27jähriger Vater. Das älteste Opfer ist ein 54jähriger Franzose.
Der Rhein-Ruhr-Flughafen - zweitgrößter Airport Deutschlands
- wird mindestens bis einschließlich Sonntag völlig geschlossen
bleiben. Bis dahin müssen rund 160.000 Passagiere vor allem nach
Köln/Bonn und auf mehrere Regionalflughäfen umgeleitet werden. Auch Frankfurt/Main, Lüttich, Maastricht und Amsterdam
sollen als Ausweich-Flughäfen dienen.
Insgesamt wurden bei dem Brand laut Baudiß 62 Menschen
verletzt. Neun von ihnen befanden sich am Freitag noch in Düsseldorfer Krankenhäusern. Eine 70jährige Deutsche und ein
48jähriger Franzose schwebten weiter in Lebensgefahr. Der Franzose erlitt eine schwere Rauchvergiftung und Schädelverletzungen, die er sich bei einem Sprung zuzog. Der Brand setzte in dem
Terminal wahrscheinlich auch Dioxine frei. Das Gebäudeinnere
sei „stark kontaminiert“, sagte ein Sprecher auf der Pressekonferenz.
Ein Sprecher des Flughafens verteidigte am Freitag morgen den
Einsatz der Werksfeuerwehr. „Wir sind direkt nach der Alarmmeldung ausgerückt“, sagte er der dpa. „So schnell wie möglich“
sei dann auch die städtische Feuerwehr alarmiert worden. Nach
deren Angaben vergingen jedoch vom Bekanntwerden des Brandes um 15.32 Uhr bis zu ihrer Unterrichtung 27 Minuten. Erst vor
zwei Wochen hatte es auf dem Flughafen einen Sicherheits-Check
gegeben. Bei der brandtechnischen Begehung habe es „keine Beanstandung“ gegeben, sagte der Flughafen-Sprecher.
Bundesregierung und Bundespräsident Roman Herzog sprachen
den Hinterbliebenen der Opfer ihr Mitgefühl aus. Der stellvertretende Regierungssprecher Herbert Schmülling sagte am Freitag in
Bonn, die Regierung kondoliere den Angehörigen aus dem Inund Ausland.
© dpa/AOL 20:50 Uhr (Ende Zitat)
87
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Ohne jeden Zweifel überzeugend: Online-Dienste als Nachrichtenquelle würden nicht zu verachten sein. Im Zusammenhang
mit dem Projekt für die Bundestagsabgeordneten wäre es zweifellos nützlich gewesen, wenn man insbesondere auf Programme
Wert gelegt hätte, die eine automatische Recherche in Nachrichten
des Netzes erledigen. Es ist ja bekannt, daß nicht nur Abgeordnete, sondern insbesondere Leute aus der Wirtschaft sich täglich einen Querschnitt aus der Presse entsprechend ihrem Themenschlüssel besorgen lassen. Jetzt war die Zeit reif, dieses Instrument
genau gezielter Informationsauslese zu „demokratisieren“ und
nicht nur den Abgeordneten, sondern jedermann zugänglich und
vor allem nicht von hohen Kosten abhängig zu machen.
Nachdem ich mich etwas ausgeruht, die Tagesthemen und auch
noch den Anfang eines langweiligen Films angesehen hatte, ließ
ich den vor sich hin surrenden Rechner noch einmal auf das Netz
los. Es waren aber noch keine neuen Meldungen für mich eingegangen.
Damit war jetzt eine längere Pause vorprogrammiert. Über das
Wochenende wollte ich zu Freunden in den Taunus fahren, denen ich schon lange nicht mehr begegnet war und die mir auf der
Seele gekniet hatten, ich sollte mich endlich einmal wieder bei ihnen blicken lassen.
So schob ich eine Backup-Festplatte in den Rechner, zog mir
Kopien von allen Arbeiten an sämtlichen Büchern und verstaute
die Platte an einem sicheren Ort. Denn das war und ist das Wichtigste von allem, was jeder beherzigen sollte, der einen Personal
Computer benutzt: Mag man auch einbrechen und den Rechner
stehlen, mag das Gerät auch Feuer fangen oder sich in Luft auflösen - die Daten sollten man dabei niemals einbüßen. Nicht der
Rechner und sein Drumherum sind das Vermögen, sondern die
Information auf seinen Datenträgern...
Ich muß jetzt gestehen, daß ein Wochenende ohne Rechner für
mich bislang ein Fremdwort war. Als ich einmal nach Spanien
eingeladen war und ebenfalls keinen Rechner bei mir hatte, war
88
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
mir das nicht aufgefallen, denn ich hatte meine „Arbeit“ als ausgedrucktes Buchmanuskript mitgenommen, das ich Zeile für Zeile
überprüfte (soweit ich dazu kam und nicht in den Bergen herumkroch). Diesmal hatte ich zwar auch einen Manuskriptausdruck
mitgenommen, doch nur um meine Freunde darin stöbern zu lassen.
Dabei fiel mir etwas auf, das mir sehr zu denken gab: Am Vorabend des Sonntags saßen wir bei einem Gericht, zu dem es „Goethesauce“ gab. Außer dieser Sauce genossen wir es, uns in einer
Debatte über Japaner auf der Überholspur gegenüber deutschen
Herstellern zu verhakeln. Der Herr des Hauses wollte mir einbläuen, daß alle Geräte zur Bildkonservierung und Dokumentübertragung nur von den Japanern erfunden werden konnten.
Denn die hätten vor allem das Problem mit ihrer komplizierten
Schrift. Deshalb hätten sie ja auch die Faxgeräte ersonnen24.
Das wollte mir nicht einleuchten. Was man mit Worten ausdrücken kann, ist ja am Telefon direkt zu erzählen, ohne daß man
eine Fax benötigt. Statt Wortsymbole zu übertragen, kann man sie
ja aussprechen. Den Bedarf für die Faxübertragung sah ich vor allem bei wirklichen Bildern, Abbildern von etwas, bei Zeichnungen, hingeworfenen Skizzen, mit denen man vielleicht einen Reiseweg beschreibt. Dieser Bedarf war weltweit. Hätten die Japaner
nur einen typisch japanischen Bedarf gedeckt, wäre das Fax kaum
in der ganzen Welt so beliebt geworden.
Auch konnte ich die japanischen Schriftzeichen und deren umständliche Handhabung nicht als maßgeblichen Auslöser für die
Entwicklung von Bildaufzeichnungsgeräten ausmachen. Diesen
Bedarf hatte grundsätzlich jede Fernsehstation. Leicht transportable Kameras und Recorder waren auch Bedingung für Bildreportagen. Der Bedarf daran war ebenfalls weltweit. Diese Geräte
dann herunter zu dividieren auf Consumer-Formate lag für mich
24
Stimmte nicht. Das Fax wurde in Deutschland erfunden.
89
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
auf der Hand. Das mußte und konnte nur (wie die Vergangenheit
schließlich bewies) ein riesiger Markt sein.
Wir verklemmten uns dann noch einigemal bei der Frage, ob es
den Deutschen nun an Innovation fehlte und erst recht gegenwärtig fehlt. Mein guter Freund - in einem bekannten japanischen
Unternehmen leitend tätig - sprach mir einigemal einfach jede
Kompetenz ab.
Am Sonntagmorgen nach dem Frühstück trieb jeder erst einmal,
was er wollte. Ich machte es mir in der Sonne bequem und blätterte in einigen Büchern, die ich mir per Internet bestellt hatte und
die prompt einen Tag später von der Post AG ausgeliefert worden
waren, als seien sie per UPS, DPD oder Transoflex beordert worden. Außer einigen Büchern von Joseph Weizenbaum, die ich
einmal in Deutsch lesen wollte, waren Bücher über Volkswirtschaft dabei.
Mir fiel, ähnlich wie Alvin Toffler in den USA, sofort auf, daß
trotz derart frischer Literatur neben Boden, Kapital und Arbeit in
keinem Fall die Information als wichtige Ressource genannt wurde.
Toffler hatte einmal in einem brandneuen Buch für graduierte
Studenten nachgesehen und als Faktoren für Produktion Land,
Arbeit und Kapital gefunden. Das Wort „Wissen“ als ökonomischer Faktor kam nicht vor.
Während ich mich näher mit den Büchern bekannt machte, vergrub sich mein Freund in dem Manuskript, das ich mitgenommen
hatte. Dabei war er merkwürdig still. Sonst kannte ich ihn immer
als jemanden, der zwischendurch, wenn er etwas zur Kenntnis
nahm, seine Bemerkungen abließ. Irgendein „Jaja“ oder „Ha, sieh
da...“ oder „Hm, das sehe ich aber anders...“ Diesmal war er still
wie ein Mäuschen, während er Seite für Seite umblätterte und sogar sein Getränk vergaß. Er las und las, bis er bei der letzten der
neunzig Seiten angekommen war, die ich erst ausgedruckt hatte.
Dann stand er auf und ging wortlos weg. Etwas später rief er vom
Flur zur Terrasse herüber, er werde kurz weg sein, und fuhr mit
seinem Wagen davon.
90
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Seine Frau, die im Wohnzimmer mit einer Freundin gesessen
und geklönt hatte, kam zu mir auf die Terrasse und sah mich völlig verwirrt an. „Was ist los? So habe ich ihn noch nie gesehen... Er hat doch nur in Deinem Manuskript gelesen. Ich habe das sehr
genau beobachtet, wie er da saß und las. Er ist sonst immer ziemlich unruhig, wenn er liest und rückt immer mal hin und her. Aber
jetzt saß er da und blätterte nur die Seiten um...“
„Ich weiß es nicht“, sagte ich nur. „Ich hatte erwartet, daß er irgendetwas sagt, und hatte mich ganz ruhig verhalten, um ihn
nicht zu stören. Daß er einfach aufsteht und weggeht, ohne etwas
zu bemerken, finde ich seltsam.“
„Ich aber auch. Was mag ihn denn so beeindruckt haben?
Schließlich hatte ich gestern abend und heute morgen schon in
deinem Manuskript gelesen. Vieles habe ich nicht verstanden, weil
das für mich ja eine völlig fremde Welt ist. Was ich aber verstanden habe, hat mich sehr beeindruckt, doch nicht aus der Fassung
gebracht. Ich will auch noch mit dir darüber reden, und ich hoffe
nur, daß du lange genug bleibst und nicht wieder so schnell verschwindest, wie du es sonst tust...“
Sie blieb vor mir stehen und sah mich nur an. Schließlich bemerkte sie noch, ehe sie wieder zu ihrer Freundin ging: „Ich habe
so etwas an ihm noch nie erlebt. Was mag da bloß sein? Und wohin mußte er so plötzlich fahren?“
Wir erfuhren es nicht. Als wir abends in einem urigen Lokal saßen und knusprige Haxen verspeisten, zu denen wir Apfelwein
aus einem Bempel tranken, warf ich noch einmal die Frage auf,
was die Deutschen endlich tun könnten, um mit innovativen Produkten wieder Fuß zu fassen und die Arbeitslosigkeit abzubauen.
Als Antwort hörte ich von meinem Freund nur: „Das mußt du
besser wissen als ich.“
Ich wußte es keineswegs. In der Nacht fuhr ich zurück, ließ nach
meiner Ankunft die Rechner jedoch ausgeschaltet. Weil ich nicht
müde war, nahm ich mir wieder eines der Bücher vor, um mehr
über Volkswirtschaft zu erfahren. Ich wollte, falls die angeschrie91
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
benen Abgeordneten des Bundestages produktiv waren und mir
antworteten, etwas mehr „klassisches Wissen“ greifbar haben, mit
dem ja auch die Berater der Bundesregierung arbeiteten.
Am Morgen darauf war ich neugierig auf etwaige Reaktioen der
MdBs. Ich hatte meine Fragen ja auch noch einmal über AOL abgeschickt, was ja äußerst sinnvoll schien. Denn das „MdB-Projekt“
an der FU Berlin war ja ausdrücklich zur Erprobung von Kontakten über das Internet dargestellt worden. Deshalb hatte ich sowohl von GeoNet aus wie auch über AOL stets InternetNachrichtenwege benutzt. Was bislang dabei herausgekommen
war, schien fast dramatisch zu sein und eher schlimmer als besser
zu werden.
Den Beweis lieferte ein PDS-Abgeordneter, der sich als erster
etwas auführlicher zu Wort meldete, jedoch in einer Weise, die
mich ebenso befremdete wie erheiterte. Das bei mir über AOL gelandete Dokument ist einfach umwerfend und soll deshalb in aller
Ausführlichkeit hier wiedergegeben werden:
Forwarded message:
From: R.KOEHNE§PDSLL.zerberus.de (Rolf Koehne)
To:
Bitsnfun§aol.com
Date: 96-04-12 11:22:26 EDT
Sehr geehrter M.L.Schuermann,
Sie schrieben
am:
10.04.96
in:
R.KOEHNE§P-KOEHNE.zerberus.de
Thema: Schreiben via Internet
> Sofern Sie ein separat auf Ihrem Datentraeger abgelegtes Dokument ausfindig machen koennen, moegen
Sie dessen Endung .TMP (falls vorhanden) in .TXT
aendern und versuchen, das Dokument dann mit eiem
simplen Texteditor zu oeffnen (NotePad.EXE oder
WordPad.EXE), was vom Programm aus auch ohne Aende-
92
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
rung der Endung moeglich sein muesste (wenn Sie *.*
= Alle Dateien) auswaehlen25.
Was ist denn das för ein Verfahren? Ich bin es gewohnt, das Nachrichten in meinem Postfach oder in
einer Newsgroup liegen. Und zwar endweder im Klartext oder PGP verschlösselt. Wenn ich jedesmal meinem Platten (mehrere im Netzwerk) nach *.tmp Dateien durchscanne, dann werde ich mit Sicherheit mehrfach föndig werden. Wenn ich ihre Endung in Txt
oder was auch immer dndere, dann kvnnte so mancher
laufende Task seine Auslagerungsdatei nicht mehr
wiederfindet. Also von solchen Operationen ist abzuraten.
Der Header ihrer Nachricht gab base64 als Codierung
an. Nach entsprechender Behandlung mit base64.bas
(ver. 1985) oder auch BASE.EXE (ver. 1996 för OS/2)
lie_ es sich aber nicht lesbarer machen.
Kurz: Wir raten aus kommunikationspolitischen Grönden drinfend von AOL (wg. grober Inkompatibilitdt)
und Compuserve (wg. Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehvrden) ab. Wenn es schon Internet sein mu_,
dann wechseln sie bitte zu einem Non-Comercial Provider - das sind die wirklichen Profis.
Mit freundlichen Grö_en
i.A. Gvtz Renger
-Buero des Abgeordneten im 13. Deutschen Bundestag
ROLF KOeHNE ÄPDSÜ, Bundeshaus, 53113 Bonn
PGP auf Anfrage (## in der Betreffzeile voranstellen)
Jetzt wußte ich zumindest, daß es Rechner und eMail-Systeme
gibt, die aus einem ö ein v machen, aus ß ein _ und anscheinend
aus einem ü ein ö. Dazu noch aus [ ein Ä, aus ] ein Ü und aus
dem ä ein d.
25
Das war mein eigener Hinweis nach den Schwierigkeiten, mit denen
die Empfänger anscheinend zu kämpfen hatten.
93
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Mir, einem in puncto Computer, eMail-Netzen und Datenbanken nicht gerade unbelecktem Wesen, waren nun auch endlich
noch fehlende Belehrungen zuteil geworden. Nur gut, daß es die
PDS und den rührigen Herrn Renger gab, der sich für den Abgeordneten Koehne abrackerte.
Immerhin: Die PDS konnte den Pluspunkt für sich verbuchen,
mit einer ausführlicheren Reaktion welcher Art auch immer im
Rennen ganz vorn zu liegen.
Nicht weit davon bewegte sich der SPD-Abgeordnete Jörg
Tauss, der sich zunächst mit einer eMail bemerkbar machte, die
ein Demokratieverständnis offenbarte, das nur deshalb nicht als
seltsam betrachtet werden mag, weil es bei vielen MdBs vielleicht
schon geläufig geworden ist:
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfangen am:
Empfänger:
49631656GEOD
INTERNET:[email protected]
Re: Nachricht in 7bit ASCII
17-04-96, 16:20:42
17-04-96, 17:23:19
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Received: from mail.Germany.EU.net 192.76.144.65
by GEOD.Geonet.De; Wed, 17 Apr 1996 17:22:56
Message-Id:
<[email protected]>
Received: by mail.Germany.EU.net with SMTP
(5.59:20/EUnetD-2.5.4.a) via EUnet
id RAA03013; Wed, 17 Apr 1996 17:22:50 +0200
Comments: Authenticated sender is
<[email protected]>
From: "Joerg Tauss, MdB" <[email protected]>
Organization: Deutscher Bundestag
To: [email protected]
Date: Wed, 17 Apr 1996 16:20:42 +0100
Subject: Re: Nachricht in 7bit ASCII
Priority: normal
X-mailer: Pegasus Mail for Windows (v2.23)
Am 12 Apr 96 schrieb M.L.SCHUERMANN§GEOD.Geonet.De
94
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
<[email protected]>:
> bitte gehen Sie davon aus, dass ich alle wesentlichen Aussagen Ihrer
> Parteien in Programmen oder Themenpapieren, Diskussionen und sonstigen
> Verlautbarungen kenne, soweit sie im WEB recherchierbar oder in
> Pressediensten erhaeltlich sind.
Sehr geehrter Herr Schuermann,
dann gehe ich davon aus, dass Ihre Fragen bereits
hinreichend beantwortet sind.
Herzliche Gruesse
Joerg Tauss
Dem war als wichtigste Nachricht zu entnehmen, daß meine
Aussendung im ASCII-7bit-Modus jetzt zumindest für die klugen
Rechner der SPD zu entziffern war.
Man achte jedoch auf Datum und Uhrzeit der Antwort: „Abgesandt am: 17-04-96, 16:20:42“. Etwas später („Abgesandt am: 1704-96, 16:41:18“) traf eine zweite Nachricht ein, deren umständlichen „Header“ (Kopf) wir uns ersparen. Wie oft üblich legte der
Editor der Abgeordneten den empfangenen Text mit einen „>“Zeichen vor jeder Zeile vor, wogegen die eingetippten Anmerkungen als normaler Text, also unmarkiert erschienen:
Am 12 Apr 96 schrieb M.L.SCHUERMANN§GEOD.Geonet.De
<M.L.SCHUERMANN§GEOD.Geonet.De>:
> 1)
> Halten Sie das gegenwaertige Bildungssystem (wie
es IST: Grundschule, Hauptschule, Oberschulen,
Hochschulen) fuer noch irgendwie geeignet, die Absolventen in geeigneter Weise auf die Anforderungen
95
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
der gegenwaertigen und erst recht der kuenftigen
Berufswelt "ausreichend" vorzubereiten?
Nein.
> 2)
> Sind "Berufsbilder", wie sie gegenwaertig noch
festgeschrieben sind, in ausreichender Zahl geeignet, Auszubildende auf die Anforderungen der Zukunft mit der notwendigen Spezifikation vorzubreiten?
Ja, in einigen Faellen werden aber sicher Ueberarbeitungen oder neue Berufsbilder benoetigt.
> 3)
> Existieren (im Sinne echter Verfuegbarkeit) bereits ausreichend neue "Berufsbilder" (oder Ansaetze dazu) zur Abdeckung von Fertigkeiten fuer kuenftige Anforderungen?
Nein, siehe auch 2.
> 4)
> Kommt der gegenwaertig zu zaehlenden Arbeitslosigkeit eine eher quantitative oder eine eher qualitative Bedeutung zu?
Diese Frage verstehe ich schlichtweg nicht.
> 5)
> Hat die Mehrzahl aller qualifizierten Arbeitslosen (mit abgeschlossener Berufsausbildung) ueberhaupt noch eine Chance, in kuenftigen Taetigkeitsfeldern nach Absolvierung einer weiteren Ausbildung (Umschulung) einen qualifizierten Arbeitsplatz zu finden?
Nein, weil Komponenten wie Alter, mangelnde Mobilitaet (in den wenigsten Faellen durch eigene Schuld)
etc. noch hinzugerechnet werden muessen. Es ist also nicht nur eine Qualifikationsfrage.
> 6)
96
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
> Besteht fuer die arbeitslosen Jugendlichen (Zahlen werden als bekannt vorausgesetzt, ansonsten
siehe Fussnote) ohne Ausbildung ueberhaupt noch eine Chance, auf Anforderungen des kuenftigen Arbeitsmarktes tauglich vorbereitet zu werden?
Es wird fuer diesen Personenkreis immer schwieriger.
> 7)
> Kann die Behauptung als zutreffend betrachtet
werden, dass die gegenwaertige Arbeitslosigkeit in
der BRD abgesehen von den "offiziellen" Zahlen ueber 20% liegt, wenn man die Menschen mitzaehlt, die
aus dem Berufsleben durch andere "Massnahmen" (z.B.
Fruehrenten) ausgeschieden sind oder nach Arbeitslosmeldung anderweitig abgefedert werden (z.B. Sozialhilfe) oder in Verhaeltnissen wirken (z.B.
ABM), die nicht als normales produktives Arbeitnehmerverhaeltnis zu betrachten sind? (Die also auf
der Seite der Empfaenger statt auf der der Leistenden stehen.)
Es ist davon auszugehen, daß ca. 6 - 8 Millionen
Arbeitsplaetze fehlen. Insofern sind auch die gehandelten Prozentzahlen sicherlich zu hinterfragen.
> 8a)
> Haben Sie konkrete Vorstellungen davon, wie neue
und zukunftsorientierte Arbeitsplaetze in so ausreichender Zahl geschaffen werden koennen, dass
auch die Jugendarbeitslosigkeit und die Substitutionsarbeitslosigkeit dadurch in ausreichendem Masse
abgebaut werden koennen?
Wir haben im hohen Maß Bedarf an Arbeit - allerdings steht nicht die (gesellschaftliche) Bereitschaft gegenueber, diese Arbeit auch zu bezahlen.
Insofern muessen mehr Ueberlegungen angestellt werden, diese benoetigte Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Koennte zudem mit Hilfe der
Arbeitsverwaltung allein in kleineren und mittleren
Betrieben in Deutschland je ein halber Arbeitsplatz
geschaffen werden, haetten wir eine Reduktion der
registrierten Arbeitslosigkeit um mindestens 25%.
97
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
> 8b)
> Ist das, was im Bereich "Multimedia"/"Information" an neuen Arbeitsplaetzen geschaffen wird, ueberhaupt ausreichend, weiter entstehende Arbeitslosigkeit zu kompensieren (Bilanzierung)?
Diese Entwicklung wird Rationalisierungs- und Globalisierungseffekte verstaerken. Insofern ist m. E.
bestenfalls zu hoffen, daß eine ausgeglichene Bilanz zustande kommt. Darstellungen des BMWi ueber
die Schaffung von 1,5 Mio. neuen Arbeitsplaetze
sind hoechst unserioes. Ifo hat im uebrigen das
Fehlen brauchbarer Analysen erst juengst wieder beklagt.
> 9)
> Moechten Sie zu dem angeschnittenen Fragenkomplex
sonstige Bemerkungen machen, welche den Fragestellungen als hilfreich anderweitig gerecht werden?
Nein.
> Sie moegen respektieren, dass ich mit "Leerformeln" oder irgendwelchen Hinweisen auf irgendwo bereits Ausgefuehrtes wenig anfangen kann. Meine Fragen moegen Sie bitte als in einem direkten Interview gestellt betrachten.
Vielleicht hat es Ihnen noch niemand gesagt: Aber
den Ton Ihres Mails halte ich zumindest fuer ungewoehnlich.
> Ausgehen duerfen Sie davon, dass mein Impuls, an
Sie - die Nutzer eines zukunftstraechtigen Mediums
- auf diese Weise heranzutreten, in keiner Weise
negativ gepraegt ist.
Das zumindest heitert mich auf :-)
Mit freundlichen Gruessen
98
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Naja, kein Name am Schluß, doch immerhin vor den „freundlichen Grüßen“ ein : -) Wenn man den Kopf nach links dreht (was
einfacher ist, als den Monitor nach rechts zu kippen), kann man
daraus ein Paar Augen, eine Nase und einen lachenden Mund
deuten, was in der Internet-Sprache ein J bedeuten soll. Ein : -(
geht ebenfalls und führt zu einem L.
Auch hier wurde immerhin deutlich, daß die Deutschen um der
Vernetzung und der eMail willen wohl ihre Umlaute und das ß
opfern sollen. Ich selbst war ja bereits durch das intelligente System der Abgeordneten gezwungen worden, meine Mail zu verstümmeln, mühsam alle Umlaute und das ß auszurotten und die
Fragen beim Abschicken durch einen 7bit-Protokoll zu quetschen.
Die Schelte des Abgeordneten Koehne, losgelassen von seinem
abwehrdienstbeauftragten „Gvtz“ Renger, konnte ich nur amüsiert
abheften. Dieses „Wir raten aus kommunikationspolitischen
Grönden drinfend von AOL (wg. grober Inkompatibilitdt)... ab“
war grober Unfug. Ich konnte ohne Probleme zwischen GeoNet
und AOL Dokumente hin und her schicken, ohne daß deren Inhalt litt - dank MIME. MIME heißt nicht ohne Grund Multipurpose Internet Mail ExtensionsVI oder auf gut Deutsch: Mehrzweck
Internet Post Zusätze (Erweiterungen). Und ich war ja insbesondere
dabei, die Abgeordneten entsprechend ihrem Projekt auf InternetFähigkeiten abzuklopfen.
Der Hinweis auf CompuServe lag völlig schief. Abgeraten wurde
„wg. Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehvrden“, was ja gerade nicht zutraf. CompuServe war als Opfer verfolgungswütiger
Staatsanwälte betroffen, aber kein Konspirant, wie es der gute
Renger darstellen wollte. Dagegen war der Dokumentenaustausch
via MIME bei CompuServe nicht möglich, was dem Herrn von
der PDS wohl entgangen war... - Das wäre ein Grund gewesen!
Mir schien es nicht angebracht, dem PDS-Bediensteten eine
Richtigstellung nachzuwerfen, doch wollte ich von dem SPDAbgeordneten etwas mehr wissen und ihn auch nicht im unklaren
darüber lassen, daß mir an Unhöflichkeit nichts lag. Deshalb
99
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
mailte ich ihm zu, wobei ich wiederum das Schriftbild bewußt verschandeln mußte, um sein Computersystem nicht zu überfordern:
To: [email protected]
De: [email protected]
17.4.1996
Sehr geehrter Herr Tauss,
vielen Dank für die Muehe, die Sie sich gemacht haben.
Gleich vorweg (ansonsten siehe unten): Wenn Sie den
Ton meiner Mail fuer etwas ungewoehnlich halten,
dann vielleicht deshalb, weil diese Art der Kommunikation fuer ein Interview noch ungewoehnlich ist.
Sie haben von mir berechtigte und klare Fragen erhalten mit der Bitte um eine Antwort.
Wollten Sie mehr? Eine Tasse Kaffee? Gemuetliches
Geplauder, wie es Gattin und Hund geht?
Zeitverschwendende Hoeflichkeiten, die nichts mit
der Sache zu tun haben?
> 4)
> Kommt der gegenwaertig zu zaehlenden Arbeitslosigkeit eine eher quantitative oder eine eher qualitative Bedeutung zu?
Ihre Antwort:
Diese Frage verstehe ich schlichtweg nicht.
Erlaeuterung:
"Quantitativ" soll schlichte Ueberzaehligkeit gegenueber dem Bedarf an Arbeitskraeften mit einer
bestimmten Qualifikation bedeuten. "Qualitativ" dagegen ein Mangel an Qualifikation gegenueber der
Nachfrage nach Leuten fuer bestimmte Aufgaben (wie
etwas neue Aufgaben in EDV/Multimedia-Bereichen, wo
Mangel an Ausgebildeten etwa fuer als ScreenDesign,
Multimedia[Internet]-Software und Online-Technik
beklagt wird).
100
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
> 6)
> Besteht fuer die arbeitslosen Jugendlichen (Zahlen werden als bekannt vorausgesetzt, ansonsten
siehe Fussnote) ohne Ausbildung ueberhaupt noch eine Chance, auf Anforderungen des kuenftigen Arbeitsmarktes tauglich vorbereitet zu werden?
Ihre Antwort:
Es wird fuer diesen Personenkreis immer schwieriger.
Zusatzfrage:
Besteht bereits KONKRETE Gefahr, daß durch eine
(vielleicht mehr oder weniger "unvermeidliche"
- was man nicht hat, kann man nicht bieten -) Vernachlaessigung dieses Personenkreises ein Abdriften
in Verwahrlosung und Kriminalitaet die Folge sein
wird?
> 9)
> Moechten Sie zu dem angeschnittenen Fragenkomplex
sonstige Bemerkungen machen, welche den Fragestellungen als hilfreich anderweitig gerecht werden?
Ihre Antwort: Nein.
Nachgefragt:
Wirklich nicht?
> Sie moegen respektieren, dass ich mit "Leerformeln" oder irgendwelchen Hinweisen auf irgendwo bereits Ausgefuehrtes wenig anfangen kann. Meine Fragen moegen Sie bitte als in einem direkten Interview gestellt betrachten.
Ihr Kommentar:
Vielleicht hat es Ihnen noch niemand gesagt: Aber
den Ton Ihres Mails halte ich zumindest fuer ungewoehnlich.
Meine Antwort:
1) Siehe oben.
2) Sie sind bislang der einzige, der das moniert
hat.
3) In Pressekonferenzen habe ich immer wieder erlebt, wie prominente "Auguren" seriösen Themen und
101
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Fragen durch "dummes Zeug" ausgewichen sind. Auch
die Art vieler Volksvertreter in Kommune, Land und
Bund, "zu Potte" zu kommen, ist nicht selten
schlicht zynisch oder gar menschenverachtend - wenn
auch gut verpackt...
4) Mir persoenlich reichte es. Ich nehme meine Arbeit ernst und moechte auch meine Fragen ernstgenommen sehen. Auf Geschmuse verzichte ich. Wer mir
nicht antworten will, kann es lassen.
Trotzdem:
Sie sehen doch, dass es geht. Mir ist jeder, der
NICHT antwortet, ebenso lieb wie der, der antwortet: Beide erhalten bei meinem Vorhaben gleiche Publizitaet.
Das habe ich offen dargelegt.
Nur haben Sie sich selbst die Chance genommen, bei
mir schlecht abzuschneiden. (Hatten Sie nicht den
Verdacht, ich könne auch etwas satirisch sein?)
Ihnen und Ihrem Wirken alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen
Manfred L. Schuermann
Dieses war die allererste direkte und ausführliche Beantwortung
meiner Fragen, und dazu noch durch den Abgeordneten selbst.
Ob und wie er dafür ein besonderes Lob verdiente, war noch nicht
auszumachen, doch scheint es mir der besonderen Erwähnung
wert. Vielleicht ist Jörg Tauss, weil er so prompt und sachdienlich
reagierte, so etwas wie ein „politischer Hoffnungsträger“ für die
Zukunft (seine Kollegen hätten ja auch tun können, was er tat,
taten es aber nicht...). Vielleicht ist er es aber auch nicht, denn dazu war seine Reaktion noch etwas zu dünn.
Nicht vergessen dürfen wir die Abgeordnete der Grünen/Bündnis 90, Franziska Eichstädt-Bohlig (eMail: Franziska.Eichstaedt-
102
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
[email protected]), die beim ersten Anlauf melden
ließ:
Sehr geehrter Herr Schuermann,
Ihr Dokument kam leider hier unleserlich an. Bitte
noch einmal versuchen.
Herzliche Gruesse Felicitas Kraus
(Wiss. Mitarbeiterin)
Sie trat jetzt nach der Aussendung über AOL, ohne sich zu beschweren oder Vorträge über lausige Service Provider zu halten,
prompt wieder in Erscheinung:
Sehr geehrter Herr Schuermann,
herzlichen Dank fuer ihr schreiben. wir haben es
zustaendigkeitshalber an Matthias Berninger (koordinator ak soziales, zustaendig fÈur bildung) weitergeleitet. ich bin sicher, er kann ihnen weiterhelfen.
mit freundlichen gruessen
i.a. Felicitas Kraus, wiss. mitarbeiterin
Damit war die uraltdeutsche Frage „Heißt es: Laß mir arbeiten
oder laß mich arbeiten?“ korrekt beantwortet: „Laß andere arbeiten!“ Abgesehen von der Verballhornung gewisser Zeichen durch
das eMail-System war hier zusätzlich die Nützlichkeit einer
Rechtschreibreform unter Beweis gestellt worden: Am besten alles
klein und so, wie jeder will, und überhaupt ohne jede Regel, damit
auch die Deutschlehrer abgeschafft werden können. Das mag den
Lehrerüberschuß vergrößern und die Betroffenheit von Staatsdienern derjenigen von einfachen Arbeitern demokratisch annähern.
Da andere Abgeordnete sich nicht rührten, blieb Zeit, dem
103
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
MdB Tauss
etwas nachzuspüren. Zwei Internet-Hinweise zu Bild und Infos
erwiesen sich als trügerisch:
http://www.bundestag.de/mdbjpg/1318011b.htm
Resultat: File Not found - The requested URL
/mdbjpg/1318011b.htm was not found on this
server.
http://www.bundestag.de/mdb/1318011.htm
biografie
Resultat: File Not found - The requested URL
/mdb/1318011.htm was not found on this server.
Aber über das MdB-Projekt war Tauss leicht auszumachen:
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/
Dort fand sich auf
der Ausgangsseite
auch ein schönes
Bild von ihm ein,
und ein anderes
und noch größeres
Bild zierte die Leitseite des „virtuellen
Ortsvereins“, auf
den ich bald stieß.
Zuvor hatte ich die
Altavista-Suchmaschine bemüht, die mir zu den Stichworten
„tauss and jörg“ den Bildschirm überlaufen ließ (siehe Seite 306;
Dokumentation <7>).
Tauss stellt seine Arbeit als MdB offenbar unter einen Leitsatz
aus dem Grundgesetz: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und
geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an
Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (Artikel 38, Abs.1, Grundgesetz)“
104
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Das machte diesen Abgeordneten zunächst einmal sympathisch.
Diese Maxime sollte allerdings auch für alle anderen Abgeordneten so selbstverständlich sein wie Tag und Nacht. Aber war sie
das? Da lag ja wohl der Grund für Tauss, es zu erwähnen: Unter
den Abgeordneten gab und gibt es, wie wir oft lesen, sehen und
hören, Helle und Dunkle. Tauss wollte vielleicht andeuten, daß er
es mit diesem Artikel 38, Abs.1, Grundgesetz ernst meinte. Vielleicht brauchte er die Erinnerung an diese Vorschrift zudem, um
gelegentlich auch mal gegen den Stachel zu löcken?
Aus seiner Internet-Seite „Aus der Arbeit im Bundestag“ wird
bei Jörg Tauss erkennbar, warum er so schnell und auch wohl aus
dem Handgelenk auf meine Fragen reagieren konnte. Da stand als
Themen zu lesen: „Die Entwicklung zur Informationsgesellschaft
/ Neue Informations- und Kommunikationstechnologien“, „Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und
Technikfolgenabschätzung“, „Diäten, Diäten...“, Erleichterung
bei Einbürgerungen“, „Was tut so ein MdB den lieben langen
Tag... ?“, „Was man als MdB so alles an Einladungen bekommt...“
sowie
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Außerdem bot Tauss „Dokumente zum Thema Informationsgesellschaft, Neue Technologien“ an, die er reichlich vorhielt, so beispielsweise „Multimedia in geschäftlichen Anwendungen“ als
„Gutachten des VDI/VDE im Auftrag des Büros für Technikfolgenabschätzung (TAB) beim Deutschen Bundestag“. Dazu noch
„Auszüge aus der Plenardebatte des Deutschen Bundestages (64.
Sitzung)“ (Einsetzung einer Enquête-Kommission "Nutzung der
neuen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik für Deutschland"), „Referentenentwurf für ein Telekommunikationsgesetz“ (Dieser Entwurf wird zur Zeit im Bundestag
diskutiert. In Zukunft können Sie an dieser Stelle Neuerungen
und den Gang des Verfahrens verfolgen.), „Kommentar und Be105
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
gründung zum Referentenentwurf.“ (Hier finden Sie die ausführliche Kommentierung zu den im Telekommunikationsgesetz vorgesehenen Maßnahmen.) und eine „Pressemitteilung“ (Zur politischen Vereinbarung zwischen SPD, Regierungskoalition und dem
Bundesminister für Post und Telekommunikation zum neuen Telekommunikationsgesetz). - Um das Maß noch voller zu machen,
stellte er heraus: „Weitere Informationen zum Thema Informationsgesellschaft, Neue Medien können Sie auf meiner Schwerpunktseite finden.“
Man merkt, daß ich an einen Telekommunikations-Tausendsassa der SPD geraten war, wie ich ihn nur in Peter Glotz vermutet
hatte.
Auf der Schwerpunktseite „Entwicklung zur Informationsgesellschaft / Neue Informations- und Kommunikationstechnologien“
wimmelte es nur so von Themen - wie jetzt kaum noch anders zu
erwarten. Unter „CompuServe, Internet und die Münchner
Staatsanwaltschaft“ hatte sich Tauss auch „Zu der Sperrung von
rund 200 virtuellen INTERNET-Diskussionsforen durch CompuServe“ in einer Presseerklärung gemeldet. Darin stellte er auch
fest: „Bisher fehlt es im Bereich der neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien an einem befriedigenden Ordnungsrahmen. Dies führt - nicht nur im Strafrecht - zu großen
Unsicherheiten bei allen Beteiligten.“ Aus seiner Oppositionsrolle
heraus schloß er: „Die Bundesregierung ist dringend aufgerufen,
sich ihrer Verantwortung für die Gestaltung der Informationsgesellschaft über technische und ökonomische Fragen hinaus endlich ernsthaft zu stellen und an de Lösung des Problems der
Durchsetzbarkeit rechtlicher Normen in einer globalen Informationsgesellschaft im Sinne einer freiheitlich-demokratischen Verfassung mitzuarbeiten.“
Eine weitere Presseerklärung „CompuServe, Internet und die
Münchner Staatsanwaltschaft - Durchsetzbarkeit rechtlicher Normen in der Informationsgesellschaft“ schloß der Abgeordnete so:
„Die Freiheit der Meinungsäußerung bleibt, wie der Schutz der
106
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Privatsphäre, auch in der zukünftigen Informationsgesellschaft ein
schutzwürdiges Gut. Die Bundesregierung ist dringend aufgerufen, sich ihrer Verantwortung für die Gestaltung der Informationsgesellschaft über technische und ökonomische Fragen hinaus
endlich ernsthaft zu stellen und an der Lösung des Problems der
Durchsetzbarkeit rechtlicher Normen in einer globalen Informationsgesellschaft im Sinne einer freiheitlich-demokratischen Verfassung mitzuarbeiten.“
Man merkt: Der SPD-Abgeordnete Tauss kennt sich mit Computern aus und nutzt sie für das Mengengeschäft (ganze Sätze
werden wie Mosaiksteinkopien als Versatzstücke an verschiedenen
Stellen positioniert). Tauss verstand es, immer wieder auf sich
aufmerksam zu machen. PR in kristalliner Form. Zu diesem Bild
schien sein eigenes zu passen, das unter seinem Vor- und Zunamen mutterseelenallein auf einer Seite eines „virtuellen Ortsvereins“ prangt - unten links ganz klein garniert vom Hinweis „Leitseite des virtuellen Ortsvereins der SPD“.
Auf den glaubte man - wie ich - zu stoßen, wenn man in Altavista auf „http://vov.xlink.de/vov/personen/jt/bild.html“ klickte.
Dann gelangte man nämlich zu dem Konterfei des SPD-Mannes.
Läßt man dann das „personen/jt/bild.html“ weg, wird schnell klar,
daß derart eitel, wie es schien, der Abgeordnete doch nicht ist. Er
ist nur rührig.
Zu seiner Aktivität gehörte auch eine weitere Presseerklärung,
die Tauss zur Premiere des MdB-Projektes abgab:
Pressemitteilung/Bonn, den 31.01.1996
Bundestagspremiere im Internet: Schritt in die richtige Richtung
Der "Mausklick" zum Bundestag ist da. Der Mausklick für die
Abgeordneten zum Volk, soweit es sich im Computernetz tummelt, noch nicht.
Dennoch begrüßt der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg
Tauss den "Quantensprung", den es in dieser Frage innerhalb
eines Jahres gegeben hat.
107
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
Ziel müsse es jetzt sein, die Dokumente des Bundestages
und alle seine Publikationen möglichst schnell elektronisch abrufbar zu machen.
Verwundert ist der Bruchsaler SPD-MdB allerdings darüber,
daß die Abgeordneten selbst noch gar nicht auf das Informationsangebot des Bundestages im World Wide Web zugreifen
können - ihre Büros sind noch nicht mit der nötigen Hard- und
Software für den Zugang zum Internet ausgestattet.
Wichtig sei jetzt, die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation umfassend auszuschöpfen, um die Darstellungen
und Abläufe parlamentarischer Arbeit transparenter, bürgernäher und dialogoffener zu machen.
Anhörungen könnten so ihren Charakter ritualisierter Parlamentsroutine verlieren und statt dessen eine wichtige Rolle für
die Aktivierung politischer Debatten außerhalb des Parlamentes in der gesamten Gesellschaft spielen.
"Man stelle sich vor, das Parlament tagt und immer mehr
Menschen bringen ihre Meinung ein", sagte Tauss.
Daß dies ein weiter Weg ist, zeigt der sog. Zukunftsminister
Rüttgers. In Sonntagsreden beschwört er neue "virtuelle Welten" - im Alltag fürchtet er sich vor dem Volk und warnt vor
"plebiszitären Elementen" durch den Einsatz neuer Kommunikationstechnologien.
Starker Tobak mit aggressivem Aroma.
Dazu gehörte sicherlich auch, daß er - und zwar sachkundig wie
kaum einer! - der Bundesregierung durch Anfragen einheizte.
Natürlich brachten auch die Anfragen 3/230, 3/231 und 3/232 vom
15.03.1996 (Eingang Bundeskanzleramt: 18.03.1996) willkommene PR:
Frage 3/320:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Unternehmen
und öffentliche Institutionen (z.B. Universitäten), die allein auf
technischer Ebene als sog. "Internet-Provider" privaten, öffentlichen und gewerblichen Nutzern den Zugang zum Internet und
seinen verschiedenen Diensten (News, Email, WWW, FTP,
IRC usw.) vermittelt, im Hinblick auf dort von Dritten verbrei-
108
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
tete strafbare Inhalte (z.B. Kinderpornographie) keine strafrechtliche (Mit-) Verantwortung trifft ?
Antwort: Man werde prüfen. Bis dahin: „Die strafrechtliche Würdigung des Einzelfalls obliegt alleine den zuständigen Strafverfolgungsorganen der Länder.“
Frage 3/231:
Teilt die Bundesregierung die Meinung, daß sog. "USENETAdministrationen", die quasi als Exekutivorgan aufgrund von
demokratischen Abstimmungsentscheidungen der Internet-Nutzer sog. "Newsgruppen" weltweit einrichten bzw. entfernen, wegen dieser Tätigkeit nicht strafbar sein sollten und sieht sie zur
Klarstellung gesetzgeberischen Handlungsbedarf?
Antwort: Aber klar doch! „Auch die sog. "USENET-Administratoren" unterliegen geltendem Strafrecht; ihre Verantwortlichkeit
im strafrechtlichen Sinn beantwortet sich daher nach allgemeinen Regeln.“ usw.
Frage 3/232:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß mathematische
Algorithmen, wie sie z.B. zur Verschlüsselung verwendet werden, grundsätzlich nicht patentierbar sein sollten, und sieht sie
hier gesetzgeberischen Handlungsbedarf?
(Private Antwort: Nee!)
Während des Hinterherstöberns im Wirkungsbereich des Abgeordneten Tauss machte ich von einem seiner Abgebote Gebrauch,
„Ihre Meinung über die WWW-Seiten von Jörg Tauss“ zu äußern.
Danach erhielt ich die Quittung seines Rechners quasi als Beglaubigung:
Resultat - Ihre Mail
Sie haben die folgenden Daten abgeschickt:
To: [email protected]
Subject: Nur...
Reply-To: [email protected]
109
„ANTWORTEN" UND ANTWORTEN
* fullname = M.L.Schuermann
* username = [email protected]
* comments = ...eben mal GUTEN TAG! wünschen.
Mit freundlichem Gruß Manfred L. Schuermann
Damit war die unerschöpfliche Aktivität des Computer- und
Netzvirtuosen der SPD noch nicht annähernd ausgekostet. Tauss
gibt auch ein „Mitteilungsblatt des SPD-Bundestagsabgeordneten
Jörg Tauss für Sozialdemokratinnen im Großraum Karlsruhe“
heraus, das von einem originellen Titel geziert wird:
Er beginnt mit dem Inhaltsverzeichnis für „Herbst 1995“:
Vorwort
Kommunale Energiewende
Mädchenpower braucht das
Land
Korruption - nein danke
Wir müssen uns einklinken
Atempause für Gemeinden
Anfragen zur Region
Anfragen der SPD-Fraktion
Presse Echo
Interna
und schließt mit dem Impressum:
Der bonn report ist eine vierteljährlich erscheinende Informationsschrift
des SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss (ViSdP).
Bundeshaus:
53113 Bonn
Tel.: 0228/16-87639
Fax.: 0228/16-86639
Wahlkreisbüro:
Am Künsterlerhaus 30
76131 Karlsruhe
Tel.: 0721/374007
110
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Fax.: 0721/374550
Nachdruck erlaubt und erwünscht gegen Zusendung eines Belegexemplars.
Redaktion und Layout: Gabriele Schill
Herstellung: M+S Repro/Ammerdruck
Auflage: 5500 Exemplare
Die aufgegabelte elektronische Version des „Bonn Report“ im
MdB-Projekt war perfekt gemacht, wie sich überhaupt die Präsenz
des Abgeordneten Tauss als überwältigend herausstellte. Eine
„Demokraten-Demo“ per Netz...
Unter „Presse Echo“ stellte Tauss aus dem SPIEGEL unter
„Ortsverein im Netz“ einen Teil seines Gespräches mit dem Magazin vor:
Spiegel: Sie haben für Ihren virtuellen Ortsverein einen Internet-Anschluß in Ihrem Bundestagsbüro beantragt. Was sagte
die Verwaltung?
Tauss: Die haben nicht so richtig gewußt, wovon ich rede. Die
haben nur gesagt: Mach mal, wir lassen dich in Ruhe.
Spiegel: Das klingt wie Pionierarbeit. Ist das Internet wirklich
schon ein Diskussionsforum der Gegenwart oder nur was für
Freaks?
Tauss: Im Internet und all diesen Netzen tummeln sich überwiegend junge und qualifizierte Leute. Die zu erreichen müßte
jede Partei interessieren. Wenn die unsere Ortsvereinsdiskussion verfolgen, kann das Werbewirkung haben. Internet ist
längst ein öffentliches Medium. Denken Sie an Leute, die irgendwo in der Republik sitzen - im hintersten Bayern. Oder
Behinderte. Die kann man über Internet aktuell und schnell erreichen.
Spiegel: Sie springen Tag und Nacht zum Schirm, um nichts zu
verpassen?
Tauss: Nicht ständig. Aber jetzt hat die Netzgemeinde erstmals
ein eigenes politisches Werk verfaßt, nächtelang über die
111
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Schirme diskutiert. Wir haben eine Große Anfrage an die Bundesregierung zusammengebastelt. Wir wollen wissen, wie wir
mit dieser zukünftigen Informationsgesellschaft umgehen sollen. Ob das neue Arbeitsplätze bringt. Und wie der Zugang zu
Netzen zwar erleichtert, aber auch reguliert wird. (...)
Sollte es sie je geben, die Demokratie per Netz, wird Tauss
schon alle denkbaren Geschütze in Stellung gebracht haben,
während wohl die Mehrheit seiner Kollegen noch bei den Waffenhändlern für PR in Prospekten blättert. An anderer Stelle (beim
„Gründungsaufruf zum 1. virtuellen Ortsverein“) hatte Tauss sich
dazu geäußert: „Der OV wird zunächst bundesweit organisiert
und kümmert sich (irgendwann vielleicht mit eigenem Antragsrecht zu Bundesparteitagen) vor allem um Fragen der Informationsgesellschaft.
Mitreden können alle, die Lust dazu haben. Die "eingetragenen
SPD-Mitglieder" haben darüber hinaus Stimmrecht. Da können
wir auch gleich das "elektronische Wählen" testen.
Mitgliederversammlungen könnten regelmäßig (evtl. 1x im Monat) zu den gewünschten Themen angeboten werden, darüber
hinaus könnten wir z.B. ein elektronisches Mitgliedermagazin anbieten.
Das ganze könnte als ein Modellprojekt bei der Ausstellung "lebendiger Ortsverein" beim nächsten Bundesparteitag vorgestellt
werden, verbunden mit dem Antrag, in jedem Landesverband/Bezirk einen solchen OV (dann "Satzungsgemäß") zu gründen. Ich
habe Rudolf Scharping dazu die Schirmherrschaft angeboten.“
Ausgerechnet Scharping, dessen Erscheinungsbild ein Spötter
aus meiner Bekanntschaft gern als das eines „schlaftrunkenen
Meßdieners“ abtat, die Schirmherrschaft anzubieten, zeugt von
einer guten Portion List beim Abgeordneten Tauss. Scharping
würde kaum das Zeug haben, merklich zu nützen oder zu schaden...
112
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Selbst im „UStA“-Magazin, vom „Unabhängigen Studierendenausschuß der Uni Karlsruhe“ herausgegeben und auch im Internet publiziert, war der SPD-„Taussendsassa“ auszumachen (ist
schon schlimm, was man mit Suchmaschinen im WEB alles herausbekommen kann):
Sozialisten im UStA ?
Nun ja, auf Einladung der Juso-Hochschulgruppe war
zumindest der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss,
Mitglied der SPD und Abgeordneter von KarlsruheLand, Ende Mai zu Gast im UStA. Sein Spezialgebiet
ist der Bereich Neue Medien, er ist aber als Mitglied des Ausschusses für Forschung und Bildung
(ein Ausschuß, der dem neuen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, kurz
Zukunft genannt, zugeordnet ist) auch mit bildungsund sozialpolitischen Fragen beschäftigt. Der Aktualität entsprechend stand das Thema BAföG ganz
oben auf der Liste der Themen, die wir mit ihm diskutierten. Wie wir bereits berichteten, sollen die
BAföG-Sätze nach den Plänen der Bundesregierung lediglich um 4% angehoben werden, die Förderungshöchstdauer auf 9 Semester begrenzt und nach dem 2.
Semester Leistungsnachweise eingeführt werden. Interessant zu hören war, daß offensichtlich derzeit
die Finanzmittel des BAföG gegen die Mittel des
Hochschulbaus ausgespielt werden, also Verbesserungen im einen Bereich auf Kosten des anderen geschehen werden und auf jeden Fall zu Lasten der Studierenden. Unklar ist in der Bundespolitik auch noch,
wie der 2. Leistungsnachweis denn nun aussehen
soll: War er ursprünglich als sogenannter Studienstandsnachweis „nur“ für BAföG-EmpfängerInnen gedacht, soll er nach der Vorstellung des Ministers,
J. Rüttgers, offensichtlich „der Einfachheit halber“ für alle eingeführt werden und „mehr als nur
ein Beteiligungsnachweis“ sein. Die SPD fordert
zwar die Erhöhung des BAföG um 6% und lehnt den 2.
Leistungsnachweis ab, im Gespräch gewann man aber
den Eindruck, daß die Bundes-SPD sich in der Rückzugsposition befindet und im Grunde gegen die Pläne
der Regierung keinen Widerstand leisten kann und
113
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
die BAföG-Novellierung im Bundesrat auch nicht ewig
wird blockieren können. Das Thema 'Neuen Medien'
entpuppte sich im Verlauf des immer lockerer werdenden Gesprächs tatsächlich als das Steckenpferd
des MdB. Mit Stolz wies er darauf hin, daß er vor
dem Bundesminister J.Rüttgers bereits einen E-MailAnschluß besessen hatte. Die Einführung von neuen
elektronischen Medien beurteilte J.Tauss im Grunde
sehr positiv, sah Gefahren leider weniger in einer
Technisierung der Lebenswelt als mehr in Durchführungsproblemen wie dem Datenschutz und im technischen Problem des gleichberechtigten Netzzugangs
für alle. Insgesamt war es ein Treffen, daß neben
Information und Diskussion auch Spaß gemacht hat,
wofür den Jusos als Organisatoren hier auch einmal
gedankt sei. -hr
Aus all dem ergibt sich, daß Jörg Tauss gar nicht anders konnte,
als auf meine Fragen einigermaßen flink, präzise und ausführlich
einzugehen. Denn er durfte ja vermuten, daß ich all das, was ich
erst nachher über ihn herausfand, schon vorher wußte. Da hätte er
durch Ignorieren meiner Frage unangenehm auffallen müssen. Er
konnte zudem vermuten, daß ich ihn gezielt angesprochen hatte.
Und wo waren die anderen?!
Wo waren sie? Wo kauerten sie, angefüllt mit Grübeleien über
meine (eindeutig berechtigten!) Fragen und angestrengt nach
hilfreichen und überzeugenden Antworten suchend? Waren sie
geschockt, hockten sie vor den Fragen wie Kaninchen vor einer
Schlange, fassungslos darüber, daß solche Fragen in diesem unseren Lande Substanz haben könnten und jemand es wagte, sie zu
stellen?
Oder spielte ihnen die Technik einen Streich, saßen sie etwa nägelkauend vor ihren maledeiten Kästen, zähneknirschend zornig
über diese irren Kollegen, die sich mit solcher Zauberei eingelassen und ihnen gar das MdB-Projekt eingebrockt hatten? War es
nicht schon genug, was sie sich als Abgeordnete auferlegt hatten,
auf Diät gesetzt, mühsam schuftend, den Wählerauftrag im Ge114
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
nick, den Wahlkreis am Rockschoß wie ein quengelndes Kind, die
Presse schußbereit in den Büschen, die Familie hinter dem Horizont entbehrend, den Magen einer langweilig gewordenen Gastronomie ausgeliefert?
Voller Mitleid mit den armen Volksvertretern wollte ich mich
schon schlafen legen, als mir im Entwurf für ein Vorwort zu diesem Buch ein paar Fragen auffielen, die ich ganz gut ebenfalls den
eMailfähigen Abgeordneten hätte vorlegen können. Warum dieses
nicht nachholen? Kurz entschlossen lud ich einen einfachen
Textprozessor, kopierte die Fragen hinein, versah sie mit ein paar
Zusätzen und schoß sie über GeoNet den bereits angemailten Abgeordneten hinterher:
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
zu meinen Fragen, die ich Ihnen per eMail stellte,
habe ich unverhoffte und brauchbare Antworten eher
aus Richtungen erhalten, aus denen ich Sie kaum erwartete.
Wo ich mit kompetenter Beschäftigung mit dem Fragenkomplex rechnete, geschah so gut wie nichts.
Daraus könnte der Eindruck erwachsen, daß gerade
die Verwendung eines neuen Mediums eher zu einem
Stau und zu besonderem Desinteresse an Auseinandersetzungen mit Bürgern (Wählern) führt.
Ich will die Hoffnung nicht aufgeben und sogar noch
ein paar Fragen nachschieben:
1)
Wie sollten "virtuelle" Unternehmen gesetzlich verankert sein?
2)
Nach welchen Regeln sind sie schon jetzt juristisch
"haftende Person"?
3)
Wie sollen sie steuerlich erfaßt werden?
4)
115
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Wie werden "virtuell" in verschiedenen Unternehmen
nacheinander oder zugleich "herumgeisternde" Mitarbeiter sozial abgesichert oder gar erst einmal zu
Abgaben verpflichtet?
5)
Nach welchen Umlageverfahren sollen Abgaben erhoben
(erzwungen) werden, und von welchen Institutionen
sollten wann welche Leistungsansprüche befriedigt
werden können?
6)
Wie sollte/könnte Arbeitnehmer- oder Unternehmereigenschaft bei virtuellen "Firmen" (Zusammenschlüssen) definiert werden?
Im Zusammenhang mit meiner Arbeit erscheinen mir
Art und Umfang der Beschäftigung mit diesen Fragen
durch Abgeordnete sehr wesentlich.
Vielleicht überdenken Sie Ihr Verhalten und entschließen Sie sich, journalistisch relevanten Themen und Fragestellungen auch über das "Netz" durch
Ihre Stellungnahme zu entsprechen.
Für Ihre etwaige Mühe bedanke ich mich schon jetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred L. Schuermann
Für interessierte Leser ist das Protokoll des Versandbablaufes ab
Seite 399 unter „Technisches“ wiedergegeben.
Am anderen Morgen quoll meine Mailbox bei GeoNet vor Zustellbestätigungen fast über. Damit hatte ich Gewißheit, daß auch
meine zweite Fragestellung ohne Hemmnisse in den Zugriffsbereich der Abgeordneten gelangt war.
Doch ich fand noch mehr, nämlich ein exzellentes Beispiel für
die Kunst, ein neues technisches und gesellschaftsrelevantes Medium ad absurdum zu führen, ein chromglänzendes und viele
Menschen begeisterndes Novum mit Staub und Muff von gestern
zu überschütten, um dessen Attraktivität der einer verrottenden
Postkutsche anzugleichen.
ID:
Nachricht von:
116
49634836GEOD
INTERNET:Friedrich§mdb2.bn.eunet.de
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfänger:
Re: Nachricht in 7bit ASCII
19-04-96, 08:37:33
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Received: from mail.Germany.EU.net 192.76.144.65
by GEOD.Geonet.De; Fri, 19 Apr 1996 08:38:30
Comments: Authenticated sender is <Friedrich§personalmail.Germany.EU.net>
From: "Dr. Gerhard Friedrich, MdB" <Friedrich§mdb2.bn.eunet.de>
Organization: Deutscher Bundestag
Date:
Fri, 19 Apr 1996 08:37:33 +0100
Subject:
Re: Nachricht in 7bit ASCII
Priority: normal
X-mailer: Pegasus Mail for Windows (v2.01)
Sehr geehrter Herr Schuermann,
vielen Dank fuer Ihre E-Mail. Als zustaendiger Referent habe ich Ihr Schreiben Herrn Dr. G. Friedrich vorgelegt. Ich bitte Sie allerdings um etwas
Geduld.
Ganz allgemein kann die Beantwortung einer Anfrage
einige Zeit in Anspruch nehmen, da es unter den Abgeordneten eine sinnvolle Aufteilung der Zustaendigkeiten und damit auch der Fachkenntnisse gibt.
So wird es im Einzelfall immer wieder einmal erforderlich sein, sich bei Kolleginnen oder Kollegen
sachkundig zu machen, bevor man eine spezielle Frage beantworten kann. Sollte das Thema der Anfrage
zu sehr von den Aufgabengebieten von Herrn Dr.
Friedrich abweichen, wird an die Experten der zustaendigen Arbeitsgruppe der Fraktion verwiesen.
Das heisst, dass E-Mail Anfragen wie normale Postanfragen behandelt werden. Ich bitte daher um Verstaendnis dafuer, dass Herr Dr. Friedrich nicht
ebenso schnell auf sie antworten kann, wie es im
informellen Briefverkehr ueber E-Mail oftmals ueblich ist. Von einem Bundestagsabgeordneten wird mit
Recht eine fundierte, voll inhaltlich getragene
Antwort erwartet. Vielen Dank.
Mit freundlichen Gruessen
117
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Dr. Christian Stienen
(Referent)
-Dr. Gerhard Friedrich, MdB
CDU/CSU Fraktion
Bundeshaus HT 325
53113 Bonn
Als ich mich innerlich noch kringelte und mir die Reaktion des
promovierten Referenten wiederholt „reinzog“, rief mich eine Bekannte an, die mir gelegentlich beim Korrekturlesen beistand. Ich
faxte ihr über eine zweite Leitung den Brief aus der Mailbox zu.
Eine Weile blieb sie stumm, dann bemerkte sie leise und eher wie
zu sich selbst: „Arbeit wird nur noch vertagt...!“ - Hatte ich damit
meinen Titel für dieses Buch? Genau das war es nämlich! Exakt!
Nachdem ich probeweise den Titel geändert und mich eine
Weile an dessen Anblick erfreut hatte, ging ich noch einmal zu
meinem Fach in GeoNet, wo ich die nächste erfreuliche Nachricht
im Kauderwelsch der technischen Möglichkeiten des Bundestages
vorfand (Header gekürzt):
ID:
49635306GEOD
Nachricht von:
werner.schulz§mdb.BUNDESTAG.dbp.de
Betrifft:
*** BIN:Re: Nachricht in 7bit ASCII
Abgesandt am:
19-04-96, 09:35:43
Empfangen am:
19-04-96, 10:42:53
Empfänger:
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Text:
Received: from ixgate02.dfnrelay.d400.de
193.174.248.2
by GEOD.Geonet.De; Fri, 19 Apr 1996 10:42:43
Date: Fri, 19 Apr 1996 10:35:43 +0200
X400-Recipients: m.l.schuermann§geod.geonet.de
In-Reply-To: <49622174GEOD§GEOD.Geonet.De>
Subject: Re: Nachricht in 7bit ASCII
Importance: Low
Sehr geehrter Herr Schuermann,
118
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Sie warten auf Antworten auf Ihre Fragen. Ich verstehe Ihre Ungeduld, haben Sie bitte auch VerstÈandnis, daû Ihre Fragen nicht ad hoc zu beantworten sind. Es ist die 1. Sitzungswoche nach der
Osterpause, Sie kÈonnen sich vorstellen, (oder auch
nicht), was da liegen bleibt. Dazu ist Herr Schulz
Parlamentarischer GeschÈaftsfÈuhrer, das heiût, zu
der normalen AbgeordnetentÈatigkeit kommen regelmÈaûig 5 wÈochentliche, feste Termine. Von den
"spontanen" gar nicht zu reden. Ich kann gut nachvollziehen, daû "Ihr" Buch fÈur Sie gerade der Nabel der Welt ist. Und das ist auch gut so. Aber haben Sie bitte auch Geduld mit den "normalen" Menschen, die zur Zeit einen anderen Arbeits- und/oder
Lebensmittelpunkt haben.
Ich wÈunsche Ihnen viel Erfolg bei der Arbeit.
Mit freundlichen GrÈuûen
Jutta Ferchow
Damit war aus dem Bereich der Grünen/Bündnis 90 die zweite
Antwort gegeben worden, die zumindest erkennen ließ, daß jemand sich mit dem Anliegen beschäftigte. Herausgekommen im
Sinne meiner Fragestellungen war aber auch hier nichts.
Wie man es noch besser machen konnte, demonstrierte als wissenschaftlicher Mitarbeiter des FDP-MdB Schmidt-Jortzig (auch
hier der Header gekürzt):
ID:
49635324GEOD
Nachricht von:
INTERNET:SchmidtJortzig§mdb1.bn.eunet.de
Betrifft:
Re: Nachricht in 7bit ASCII
Abgesandt am:
19-04-96, 10:55:57
Empfänger:
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Received: from mail.Germany.EU.net 192.76.144.65
by GEOD.Geonet.De; Fri, 19 Apr 1996 10:56:03
Message-Id:
<199604190855.KAA13590§mail.Germany.EU.net>
Date:
Fri, 19 Apr 1996 10:55:57 +0100
Subject:
Re: Nachricht in 7bit ASCII
Priority: normal
119
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Am 12 Apr 96 schrieb M.L.SCHUERMANN§GEOD.Geonet.De
<M.L.SCHUERMANN§GEOD.Geonet.De>:
(Folgt zunächst mein kompletter eigener Brief, was die Übertragungszeit und die Kosten nicht gerade verringert.
Dann die Antwort:)
Herrn
Manfred L. Schuermann
Sehr geehrter Herr Schuermann,
vielen Dank fuer Ihre Mail vom 8. April bzw. 12.
April. Herr Professor Schmidt-Jortzig hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Ihr Buch wird sich, so wie ich es Ihrer Mail und
den Fragen entnehme, vorwiegend mit Fragen der Arbeits-, Bildungs-, und Technologiepolitik beschaeftigen. Diese Bereiche gehoeren nicht zu den Taetigkeitsfeldern von Herrn Professor Schmidt-Jortzig
in seiner politischen Arbeit. Da Ihrer Sache mit
allgemeinen Aussagen m.E. wenig gedient ist und
Sie, wie Sie schreiben, die Aussagen der F.D.P. in
Programmen und Infodiensten kennen, moechten wir um
Ihr Verstaendnis dafuer bitten, wenn Herr Professor
Schmidt-Jortzig an Ihrem Buchprojekt nicht mitwirkt.
Gestatten Sie mir die Anmerkung, dass Saetze wie
"Freilich haben Sie die absolut beste Chance, in
meinem Buch herausgestellt zu werden, wenn Sie auf
eine Antwort voellig verzichten" nach meinem Empfinden Ihrer Sache eher abtraeglich sind.
Ihrem Buchprojekt wuensche ich alles Gute.
Mit freundlichen Gruessen
Heiko Krause
Wiss. Mitarbeiter
-Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, MdB
120
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Bundeshaus, 53113 Bonn
Email: schmidt-jortzig§mdb1.bn.eunet.de
Da ich nur ein offenbar unkultiviertes und zudem einfach geradeaus denkendes Wesen bin, neigte ich nach meinen bisherigen
Erfahrungen mit den Reaktionen der Abgeordneten dazu, in unseren Volksvertretern (abgesehen vom rührigen Jörg Tauss) immer
mehr nur zuständigkeitsbeflissene und persönlich meinungslose
Apparatschiks zu vermuten.
Anscheinend hatte keiner der Adressaten gerochen, daß ich ein
„hundsgemeines“ und dennoch gutgemeintes Vorhaben realisierte, nämlich die Internet-Fähigkeit der Berufsdemokraten auszuloten. Wie es aussah, schienen etliche von ihnen nicht in dieser Welt
zu leben, sondern in irgendeiner anderen, ihnen eigenen. In dieser
Welt mochten Fragen nicht über Auge oder Ohr direkt ins Gehirn
dringen und dort eine persönliche Meinung provozieren, sondern
in Filtern kleben bleiben, die jeweils von persönlichen Referenten
abgekratzt wurden.
Wer aber durfte mir meinen naiven Glauben verübeln, daß Abgeordnete zu Fragen, die mitten aus dem Leben gegriffen waren
und anderweitig ganze Gazetten füllten, eine eigene und jederzeit
äußerbare Meinung haben können? - Wohl niemand. Ich war
nicht zu Vermutungen angehalten, daß Abgeordnete vielleicht
keine freie Menschen sind, daß sie in Partei- oder Koalitionsstrikken zappeln, mit Kompetenzscheuklappen herumlaufen und vor
allem erst irgendwelche Zuständigkeitsrivalitäten abklopfen.
Mir schwebte eher die Tegtmeiersche Art vor, jemanden auf
kurzangebundene Weise nach seiner spontanen Meinung zu fragen, etwa nach dem Motto: „Hör mal, wat hälzte denn davon: Allet wird anders, auch’e Arbeit. Dat machen die allet nur noch mitti
Komposters, mitt’n Internet... - Aber wenne de Apgeordneten
fraachs, wat’se dafon haam, wie sich dat allet verrendert, mannomann, dann kannze wat erlehm! Dann ham se ihre Meinunk verleecht, die finn’se dannich widder, und müssen’se ihre Refferennten fragen, wo se sich rumtreipt...“
121
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Der einfache Weg, Fragen zu stellen und Meinungen dazu mitgeteilt zu bekommen, schien (siehe Dr. Christian Stienen für [email protected]; Seite 116) im Regelfall verschüttet zu
sein. „Meinungen“ von den abwimmelnden oder bislang schweigenden Volksvertretern hätte man am Biertisch sicherlich in Unmengen um die Ohren bekommen. Aber hier war ja nicht Biertisch, hier fragte jemand als Publizist, mußte man einrechnen, irgendwo zitiert zu werden und danach schlimmstenfalls sogar bei
den eigenen Parteifreunden auf ein Riff zu laufen. Das schien es
zu sein, was den freiheitlich-demokratischen Meinungsäußerungsmechanismus vielleicht blockierte. War es das? War es die
schiere Angst eines in ein politisches Netz eingesponnenen Menschen, der nur noch auf die Spinne starrte?
Wie soll lichtschnell transportierte „Kommunikation“ funktionieren, wenn Bildschirmdokumente ebenso abgelegt werden und
verschimmeln dürfen wie Papier? Sollen lediglich die Post- und
Büroboten arbeitslos gemacht werden, während der Muff in der
Weiterbearbeitung weiter mieft?
Welchen Wert soll gewinnen, was der MdB Jörg Tauss dem
SPIEGEL vorhielt: „Denken Sie an Leute, die irgendwo in der
Republik sitzen - im hintersten Bayern. Oder Behinderte. Die
kann man über Internet aktuell und schnell erreichen.“? Was
nutzt es ihnen aber, wenn sie Abgeordnete erreichen können und
außer automatisierten Lebenszeichen kaum eine Rückkopplung
erfahren? Wie steht es um den Behinderten, der sich zwar mühsam zum Computer stemmen, aber nicht zum Postkasten begeben
kann? Hat er sein Geld zum Fenster hinausgeworfen, wenn seine
teure Investition nicht mehr bringt als die Meinung von Abgeordneten aus Zeitung und Fernsehen?
Man muß Tauss wörtlich (!) nehmen: „Die kann man über Internet aktuell und schnell erreichen.“ - Es geht also wohl eher darum, den Radius der Berieselungsmaschine für die Abgeordneten
zu erweitern, nicht aber die Kommunikation mit den Bürgern allgemein über ein Zweiwegmedium. Wünscht er sich vor allem den
122
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
zentrischen „Sender“ Internet? (Nun wird man das ausgerechnet
bei Tauss weniger annehmen müssen, sondern eher bei vielen seiner Kollegen, die ja schon fleißig Belege dafür abliefern.)
Der nächste Sonnabendvormittag begann heiter: Von „R.KOEHNE§PDSLL.zerberus.de (Rolf Koehne)“ ließ sich ein „##
automatische Empfangsbestaetigung durch CrossPoint v3.1 R“
vernehmen. Dabei hätte mich rein technisch interessiert, warum
trotz eines „Abgesandt am: 19-04-96, 02:00:00“ erst ein „Empfangen am: 20-04-96, 07:31:37“ verzeichnet wurde.
Ähnlich bei anderen Bestätigungen aus dem PDS-Bereich: „Ihre
Nachricht mit dem Betreff 'Weitere Bitte um Stellungnahmen' an
'r.kutzmutz§pdsll.zerberus.de' hat den Empfdnger erreicht. (Your
message has arrived at the receiver)“, hieß es. Aber dem „Abgesandt am: 19-04-96, 04:08:27“ folgte ein „Empfangen am: 19-0496, 12:23:27“. Von solchen und ähnlichen Empfangsbestätigungen
hagelte es genau so viele, wie es PDS-Abgeordnete im Bundestag
gab: 30 Stück. Sie wurden von mir nicht etwa auf bequeme Weise
von „Ungelesen“ nach „Gelesen“ verschoben (was möglich gewesen wäre), sondern einzeln aufgerufen und verglichen. Aber mehr
als nur eine automatische Empfangsbestätigung war nicht dabei.
Damit schien der Sonntag gerettet. Ich hatte vor, dieses Buch bis
auf wenige Ausnahmen entsprechend dem Rücklauf von den Abgeordneten wachsen zu lassen. Zum einzigen Knackpunkt war eine Weile die Frage nach dem richtigen Konzept geworden. Wieviel Zeit mußte man den Abgeordneten mindestens geben? Ab
wann durfte eine Frage oder Nachricht als nicht beantwortet betrachtet werden?
Diese Fragen mußte ich als entscheidend ansehen. Deshalb beantwortete ich sie mir nicht aus mir selbst. Einerseits war ja wohl
sonnenklar: Der Sinn eines superschnell arbeitenden Mailboxoder eMail-Systems konnte ja nicht sein, im Ergebnis die unzulänglichen Kommunikationswege nur nachzuäffen und keine
Vorteile zu bringen. Andererseits war es ausgesprochenes Ziel solcher Systeme, unabhängig von beliebigen Entfernungen und Ta123
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
geszeiten den sicheren Kontakt mit Kummunikationspartnern zu
gewährleisten und blitzschnelle Reaktionen zu ermöglichen.
Teure und abträgliche Redundanz (Diktat, Tippen, Kuvertieren,
Frankieren, Beförderung, Zustellung, Weiterbearbeitung) sollte
vermieden werden.
Aus solchen und anderen Aspekten heraus beriet ich mich mit
Leuten, die Erfahrungen mit solchen Systemen hatten, und auch
mit Laien, denen ich derartige Möglichkeiten erst geduldig erklären mußte. In einigen Fällen führten meine Gespräche sogar zu
Lerneffekten, die sofort umgesetzt wurden: Man wußte nicht, daß
es so etwas wie das GeoNet gab und entschloß sich sofort, dieses
Medium einzusetzen.
Was mich aber doch etwas verwunderte (und der Minister nicht
wissen konnte), war die Tatsache, daß von der Adresse
„[email protected]“
überhaupt nichts zu kommen schien. Zuletzt hatte ich den „Minister für Zukunft“ in Hannover auf dem Fachpressetag erlebt. Ich
kann mich noch genau erinnern, wie er eine konkrete Frage eines
Kollegen damit beantwortete, das stehe alles da und da drin - als
kenne jeder jederzeit alles, was sein Ministerium irgendwann
einmal auf die Menschheit losgelassen hatte.
Von Markt & Technik hatte Rüttgers einmal eins über den Schädel bekommen, als er sich zu einer Sache wohl nicht sehr kompetent geäußert hatte. Chefredakteur Georg Steinbeißer riet in seinem Zwischenruf „Moment mal, Herr Rüttgers“: „Erst die
Hausaufgaben machen.“
Während der Parlamentarier Tauss sozusagen selbstverständlich
sofort auf meine Fragen eingegangen war, während andere Abgeordnete nur den Routineapparat eingeschaltet und wieder andere
die Fragen für sich selbst durch Delegieren aus der Welt geschafft
hatten, übte sich das Haus der vollmundigen Sprüche trotz aller
(zumindest angeblichen) Kompetenz und Referenten nur in
Schweigen. Ich nahm nicht an, daß das gesamte Ministerium angesichts meiner Fragen aus den Fugen geraten war, sondern sah
124
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
darin nur ein Indiz, daß die Präsenz des Ministers im Internet nur
Teil eines Gedröhnes war, hinter dem nichts steckte außer warmer
Luft - wie in letzter Zeit so oft auf Regierungsseite (siehe Seite 64;
Statistik zu der Präsenz von Abgeordneten einzelner Parteien im
Internet).
Abgeordnete waren vom gesamten deutschen Volk gewählt und
ihm auch verpflichtet. Dabei waren sie, wie MdB Tauss herausstrich (siehe Seite 104), nur ihrem Gewissen unterworfen. Wenn
Abgeordnete oder auch ein Minister Bürger ignorierten, sich rar
machten oder auch drückten, ließ das sicherlich Rückschlüsse auf
ihre Gewissenhaftigkeit im Umgang mit Demokratie zu. - Oder
nicht? - Ich jedenfalls erlaubte mir solche Rückschlüsse und stand
damit nicht allein. Quer durch alle Medien waren ähnliche Rückschlüsse an der Tagesordnung, wenn auch in jeweils anderer Formulierung.
Einen „Prof. Dr.“ etwas zu fragen und eine ausführliche Antwort
zu erwarten, ohne gleichzeitig „ein angemessenes Honorar im üblichen Rahmen“ anzubieten, mußte sowieso - das hatte ich während meiner Fernseharbeit gelernt - ziemlich aussichtslos sein.
Daß da jemand anschließend „nicht mitmacht“, braucht unter
Umständen schon aus diesem Grunde nicht zu verwundern.
Hinzu kam, daß etwa der „Zukunftsminister“ Rüttgers jedes
Klappern wie etwa der Abgeordnete Tauss (siehe insbesondere
Seite 315 bei der Dokumentation) zu versäumen schien. Suchte
man per Altavista unter den Begriffen „tauss AND jörg“ im WEB,
drohte man in Fundstellen zu ersticken. Schränkte man die Suche
ein auf „tauss AND jörg AND arbeitslos“ (der Begriff „arbeitslos“
als Priorität bei der Fundstellenauflistung), schrumpfte das Ergebnis auf gerade einmal zwei Verweise zusammen.
125
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Bei Minister Rüttgers kam man
mit der Suche nach „rüttgers AND
minister“ verknüpft mit „arbeitslos“ auf ein Ergebnis von exakt
NULL. Änderte man die Suchkriterien auf „rüttgers AND minister“
verknüpft mit „zukunft“, bequemte
sich Altavista zu vier Ergebnissen:
„PM A - 22.12.95“ (Bonn,
22.12.1995. Rüttgers: Studienberatung verbessern. HIS-Studie: Berufschancen für Studienabbrecher
nicht schlecht. Das Bundesministerium für Bildung,...), „No Title“ (Der Einfluß des World Wide Web auf die Gesellschaft. Vortrag 10 des WWW-Proseminars von Oliver Heger), „Der Knüppel
im Sack“ (Wirtschaft und Bundesregierung müssen...)und „asta
lue:go 17“ (17. Oktober 1995. Für alle Pennmützen, die bis gestern
noch mit "zu’en" Augen am Kulturprojektbereich vorbeiliefen:
"Die Braut haut ins Auge" bestieg den Berg...). Wohl kaum besonders interessante und hilfreiche Outputs in Richtung eines Zukunftsministeriums.
Erst wenn man die Suche noch weiter modifizierte, kam man zu
weiteren Ergebnissen, etwa: „Anlage-Management 02/96 - Namen
& Nachrichten I - AM fragte nach der Zukunft des Telekommunikationsmarktes. Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister: „Wir
wollen Multimedia möglich machen, auch als Chance, die nach
wie vor... - http://www.deutsche-bank.de/am/aktuell/namen1.htm
- size 4K - 7 Feb 96“ Allerdings half zum Beispiel diese HTTPAdresse nicht weiter, denn sie führte zu einer Seite „AnlageManagement befragte Experten zu Investitionen in Japan.“ Dort
gaben Dr. Erika Emmerich (Präsidentin des VDA), Roland Berger
(Geschäftsführender Partner der Roland Berger & Partner
GmbH), Hiroshi Sakurai (Konsul am japanischen Generalkonsulat) und Andreas Meckel (Geschäftsführer des DeutschJapanischen Wirtschaftsförderungsbüros) kurze Erklärungen ab.
126
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Von einem Herrn Rüttgers keine Spur. Man findet ihn zum Beispiel kurz und nicht rühmenswert erwähnt in einem Artikel der
Süddeutschen Zeitung („http://www-dw.gmd.de/sz/19951018/seite3_2.htm“ - „Die kleine Angst der Unbesiegbaren“). Oder unter
„http://rhein-zeitung.de /ihk/j_2_96/stand.htm“, wo er im „Standpunkt“ der Rhein-Zeitung unter dem Titel „Deutschland muß
"High-Tech-Land" werden“ verriet, daß wir offenkundig kein
High-Tech-Land mehr sind.
„Wir sind nach wie vor ein starkes Technologieland“, behauptete
Rüttgers, um einen Absatz weiter anheimzustellen: „Prinzipiell
könnten wir in etlichen Bereichen noch einige Zeit so fortfahren
und damit zunehmend von der Substanz leben.“ Dann suchte er
aber flink Buhmänner, um die Regierung von Säumigkeit zu entlasten: „Aber ein Banker, der den Kredit für ein innovatives Unternehmen Zukunftsinvestition nicht zügig bewilligt, setzt im
Schnitt vier Arbeitsplätze aufs Spiel.“ Und noch eins drauf: „Ein
Regierungspräsident, der nicht innerhalb von sechs Monaten die
Genehmigung für eine neue Industrieanlage erteilt, ist für den
Verlust einer Vielzahl von Arbeitsplätzen verantwortlich.“ Also
waren die Banken und Bürokraten schuld, die nicht direkt von
Bonn kommandiert werden konnten?
Dabei ist alles ganz einfach und für jeden kleinen Mann vom
Minister verständlich gemacht: „...müssen wir mit mehr Risikobereitschaft und einem höheren Einsatz an Kapital und persönlicher Leistungsbereitschaft ein höheres Niveau und ein moderneres
Profil technologischer Kompetenz erreichen.“ Rüttgers hatte von
seinem Haus einmal die Lage peilen lassen und wohl erschrocken
feststellen dürfen, daß „vor allem Südkorea, Taiwan, Singapur
und Israel“ als Herausforderer „in unseren alten Domänen immer
stärker“ Erfolg hatten, weil „auf den kommenden Mengen- und
Preiswettbewerb derzeit viel besser eingestellt als wir“.
Dann machte die Nachlese in den abgespeicherten HTMSuchdokumenten noch einmal neugierig. Denn unter dem WEBTitel „SZ vom 16.11.1995 Wissenschaft Nachgefragt Seite 30“
127
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
wurde angeboten: „SZ vom 16.11.1995. Ausstieg aus der Fusionsforschung? Dr. Jürgen , Bundesforschungsminister, zu Bedenken
über das internationale Projekt ITER...“ - anzuwählen über
„http://www-dw.gmd.de/sz/19951116/wissen_1.htm“, was ja kein
Problem darstellte. Nur drei Minuten später war dieses Dokument
vom GMD-Server auf meine eigene Festplatte heruntergespielt
worden und ich wieder aus AOL verschwunden.
Aus dem Interview, das die SZ vom 16.11.1995 brachte, konnte
ich für mich nichts abzweigen. Doch mußte ich immerhin zugestehen, daß so ein Minister anscheinend viel um die Ohren hat.
Eines aber glaubte ich feststellen zu können, daß nämlich im Netz
reichlich zu finden war, was andere im Zusammenhang mit dem
Minister Rüttgers etwa anboten, er selbst aber und sein Haus nicht
annähernd mit Informationen vertreten waren wie „der kleine Abgeordnete Tauss“...
Wirklich? So völlig traute ich der Sache noch nicht. Ich hatte
zum Beispiel nach „rüttgers AND minister“ mit „arbeitslos“ gesucht und nicht eine einzige Fundstelle erhalten („No documents
match the query“), hätte aber ebensogut nach „rüttgers AND minister“ verknüpft mit „arbeit“ suchen können. Oder vielleicht nach
„rüttgers AND Jürgen AND minister“ verknüpft mit „arbeit“ ohne
„...slos“. Auch hatte ich nur eine Suchmaschine ausgespielt, obgleich es viele davon gab.
Das Problem, wenn ich dem Minister nicht Unrecht zufügen
wollte, mußte ich zunächst in der Unhandlichkeit der unzähligen
Informationen selbst suchen, im
Informationsdschungel
Es war schier unglaublich, daß sich ein Zukunftsministerium eher
versteckte als präsentierte! Immerhin hatte ich ja mit „rüttgers
AND jürgen“ zusammen mit „arbeit“ statt „rüttgers AND minister“ verbunden mit „arbeitslos“ vier Treffer gelandet, auch wenn
sie nichts brachten (siehe Seite 126: „PM A - 22.12.95“, „No Title“
etc.). Mit anderen Worten: Ich konnte nicht blind darauf vertrau128
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
en, daß alles, was ich tat, richtig war und nicht wesentlich besser
zu machen war.
So führte die über Altavista nachgeholte Suche mit „rüttgers
AND Jürgen AND minister“ verknüpft mit „arbeit“ tatsächlich zu
19 Treffern. Dabei boten sich unter Nr. 18 „Diskussionsforen“ an,
die unter einer babylonischen Adresse
zu finden sein sollten. Tatsächlich stieß ich dann auf den Herrn
Minister selbst, der einen Aufruf zum Mitmachen sogar unterzeichnet hatte.
Von dieser WEB-Seite aus konnte sich,
wer genug Zeit und Geld hatte, durch
das Internet hangeln wie ein Affe durch
den Urwald, zwar auf der Jagd nach der
Informationsbanane, jedoch ohne sicher
zu wissen, ob das, was als Nächstes zu finden war, nun eine Banane oder eine faule Frucht sein würde.
Das nennt man dann surfen, wo der Weg selbst das Ziel ist und
nicht etwa eine bestimmte Welle. Unter „No Title - 3. Teil,
SPIEGEL SPEZIAL Nr. 3 / 1995; S. 68-73; Befragung von ...
"Welche neue Informationstechnologie... " - http://infix.emp.paed.uni-muenchen.de/nic/materiale/artikel3.html“ konnte
man auf interessantes Material stoßen. Angegeben wurde diese
Fundstelle allerdings unter den 19 Fundstellen, die auf die Stichworte „rüttgers AND Jürgen AND minister“ verknüpft mit „arbeit“ ausgegeben wurden. Dachte man als ganz Schlauer dann
weiter und wollte man sich unter „artikel2.html“ und „artikel1.html“ die noch fehlenden Teile holen, stieß man bei „artikel1.html“ auf „Not found“ - nicht gefunden.
129
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Das alles zeugt von dem Informationswirrwarr, in dem man sich
zwangsläufig immer wieder verheddert, auch wenn man noch so
planmäßig darin eintaucht oder „nur mal eben“ etwas suchen und
finden will. Es zeugt auch von der Unberechenbarkeit des Netzes,
in dem Wegweiser einfach vergessen und weiterhin als Fundstellen ausgewiesen werden, obgleich in ihrer Richtung nichts mehr
zu finden ist. Da ist es noch eine Wohltat,
wenn am Ziel wenigstens ein weiterer Wegweiser auftaucht und
sagt, wo es wirklich langgeht - wie hier beim Zukunftsminister
Rüttgers, auf den man erst über eine Schnitzeljagd nach dem
Sprung von der ersten Fundstelle aus stößt.
Nur auf Umwegen jemanden finden zu können, kann die Regel,
aber nicht der Weisheit letzter Schluß sein. Das „Bundesministerium für Forschung und Technologie“ mit seinem korrekten Namen auf Anhieb finden zu wollen, dürfte zum Abenteuer werden.
„Infoseek Guide“ spuckte 13 Verweise aus, von denen nicht einer
zum Ministerium selbst führte (siehe ab Seite 321 in der Dokumentation). Auch mit ähnlichen Stichworten wurde das Ergebnis
nicht besser und erst recht nicht so gut wie etwa bei Altavista.
Interessant waren die Ergebnisse von Lycos: „Lycos search:
Bundesministerium f_r Forschung und Technologie - April 6,
1996 catalog (37,643,037 unique URLs) - Found 166868 documents with the words bundesministerium (1542), forschung
(7627), forschung1 (1), forschung2 (1), forschung9 (1), forschungf
(5), forschungp (1), forschungs (1713), und (35796), technologie
(9452) - Note: the following stop words were ignored: f_r“. Die
Maschine kam mit dem Umlaut ü nicht zurecht und vermerkte
130
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
dies ausdrücklich. Aber sie warf bei den Ergebnissen beispielsweise aus:
1) Bildungsminister [1.0000, 4 of 4 terms, adj 1.0]
Abstract: Bildungsminister
BMBF (former BMFT)
BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMBF - Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie
Bundesministerium BMBF... und so weiter, über mehrere Bild-
schirmseiten.
Dabei war das Bundesministerium für Forschung und Technologie an einigen Stellen direkt ausgewiesen und auch anzuspringen, wie ein Versuch bestätigte. Darüber hinaus wurden in diesem
Fall auch Hinweise auf eine „Initiative Informationsgesellschaft
Deutschland“ oder auf „II. Empfehlungen des Rates..., III. Ziele
der Bundesregierung“ gegeben und gar etwas völlig Unverhofftes
angezeigt:
8) Gesellschaft und Politik [0.4401, 4 of 4 terms] - Outline: Gesellschaft und Politik Informationen zur Europäischen Union
WWW-Server über Regierungen, Ministerien und Parteien Nationale Organisationen und Aktivitäten Inter- und Supranationale Organisationen Politik - Abstract: Gesellschaft und Politik
Informationen zur Europäischen Union Information about Europe and the European Union Europa European Union Basics
(FAQ) Aktuelle Ergänzungen der Maastrichter Verträge Europe
and the global information society Recommendations to the
European Council WWW-Server über Regierungen, Ministerien
und Parteien Bundesregierung de http://www.rrz.unikoeln.de/themen/politik/ (4k)
Derlei Funde, obgleich ungewollt und „störend“, machen natürlich neugierig und können sehr nützlich sein, weshalb gerade sie
hier noch weiter dargestellt werden sollen.
9) Die nationalen Kontaktstellen bei PTB und BAM [0.4356, 4
of 4 terms] - Outline: Die nationalen Kontaktstellen bei PTB
und BAM - Abstract: Die nationalen Kontaktstellen bei PTB und
BAM Die nationalen Kontaktstellen bei PTB und BAM Im Auf-
131
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
trag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) und in Abstimmung mit der
Europäischen Kommission, Generaldirektion DG XII-C, sind die
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) f http://www.bs.ptb.de/deutsch/WWW-PSt/1.4.html (2k)
Zumindest für einen Journalisten kann sich dabei - wie hier in
Lycos - geradezu ein roter Faden auftun, dessen Verfolgung zu
ungeahnten und vielleicht nützlichen Ergebnissen führen mag.
11) BMBF und Projektträger im WWW [0.4319, 4 of 4 terms]
- Outline: Das BMBF und seine Projektträger im World-Wide
Web - Abstract: BMBF und Projektträger im WWW Das BMBF
und seine Projektträger im World-Wide Web Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Tec http://www.dlr.de/IT-KT/pts.htm (2k)
Wenn man, wie ich, an einem bestimmten Thema arbeitet, wird
es geradezu spannend, etwa auch auf Spuren wie diese zu stoßen:
13) Schule, Ausbildung und Weiterbildung [0.4290, 4 of 4
terms] - Outline: Schule, Ausbildung und Weiterbildung - Abstract: Schule, Ausbildung und Weiterbildung Schule, Ausbildung und Weiterbildung Studien und Berichte - http://www.dlr.
de/BMBF/schule/ (4k)
Näheres Hinsehen und Aufnehmen weitere Spuren können zumindest bloßlegen, was alles an Aktivitäten oder verbalen Rauchwolken entwickelt wurde, um es dann mit dem zu vergleichen,
was lichtschnell zu erreichenden Abgeordnete im Gegensatz dazu
an Regungslosigkeit präsentieren. Sehr aufschlußreich konnte etwa auch werden:
17) Informationstechnik und Beschäftigung [0.4271, 4 of 4
terms] - Outline: Informationstechnik und Beschäftigung - Abstract: Informationstechnik und Besch_ftigung Telearbeit und
Telekooperation Telearbeit - Definition http://www.kp.dlr.de/BMBF/informationstechnik/ (3k)
Geradezu als Fundgrube wurde deshalb auch vermutet:
23) Fakten, Trends und Meinungen [0.4265, 4 of 4 terms] Outline: Fakten, Trends und Meinungen - Abstract: Fakten,
132
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Trends und Meinungen Fakten, Trends und Meinungen Ordnungspolitische und rechtliche Rahmenbedingungen der Informationsgesellschaft Zwischenberichte zu den Ergebnissen der
Arbeitsgruppe des "Petersberg-Kreises" Die Informationsgesellschaft - Fakten, Analyse - http://www.kp.dlr.de/BMWi/gip/
fakten/ (4k)
Blieb also - nach gemächlicher Auswertung „offline“, also nach
der Durchsicht der abgespeicherten Suchergebnisse außerhalb der
Verbindung mit dem Netz - zu prüfen, was diese Fundstellen hergeben konnten. In der Tat. Es war nicht wenig und zum Teil genau das, was an Informationen zum Teil noch fehlte.
Bleibt noch zu erwähnen, daß andere Suchmaschinen nicht viel
Brauchbares lieferten, daß sich also insbesondere Altavista und
speziell Lycos bewährten. Unterm Strich wurde jedoch erkennbar,
daß es noch an griffigen Formeln fehlte, wie man sich besonders
gut „findbar“ machen kann. Zwar gibt es gewisse Regeln zur
Selbstdarstellung im Netz, doch insgesamt scheint der Konsens
zwischen Suchendem und Gesuchtem noch nicht ausreichend
etabliert. Das eröffnet natürlich Leuten, die sich vermittelnd einschalten, ein lukratives Betätigungsfeld.
Noch enttäuschender muß wirken, wenn etwas erscheint wie
beim Abgeordneten Tauss
und dann dieses dabei herauskommt:
133
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Wenn man dann davon ausgehen muß, daß dieses Ergebnis definitiv falsch sein muß, weil beim Parlamentarier Tauss sehr wohl
der Suchbegriff „arbeitslos“ in Dokumenten vorkommt, ist man
zumindest irritiert. Ähnlich erging es mit anderen Stichworten, bei
denen anzunehmen war, daß sie auf jeden Fall vorkamen.
Dieses alles erlaubt jedoch nicht, irgend jemandem einen Vorwurf zu machen. Das Netz explodiert zur Zeit weiter vor sich hin.
An manchen Tagen kommen Abertausende von Seiten und Nutzern hinzu. Die Zahl der Server wächst ständig. Da kann niemand
erwarten, daß man im WEB alles so findet wie in einem kleinen
Kochbuch. Selbst noch so raffiniert ausgedachte Vorgehensweisen
führen oft zu skurrilen Ergebnissen. Beim Suchen führt oft erst die
Abänderung der Stichwortkombinationen zu einer Annäherung
ans Ziel. So mag man sich mit dem Netz beschäftigen, ohne sich
auch nur im geringsten zu langweilen, dabei aber das Ziel aus den
Augen verlieren. Surfen entartet dann zum Selbstzweck.
Hier jedoch stehen solche Ausflüge nicht im Kern der Aufmerksamkeit. Es ging und geht immer noch um das Herausfinden, was
der neue direkte digitale Weg zu Abgeordneten bringt oder nicht
und welche Aussichten sich vielleicht eröffnen oder nicht.
Am 8. April 1996 wurde aus einem bewährten System auf eine
völlig normale technisch vorgesehene Weise über das Internet ein
Fragenkatalog an einen Kreis von Abgeordneten übermittelt, ohne
daß die Abgeordneten in der Lage schienen, damit etwas anzufangen. Als dieses erkennbar wurde, ging der gleiche Fragenkatalog
noch einmal über das Internet hinaus, diesmal jedoch von einem
134
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
System aus, das sich in der Welt als das erfolgreichste System für
private Nutzer etablieren konnte: von AOL.
AOL könnte man auch als ein Popularsystem bezeichnen. Es ist
auf bequeme und unkomplizierte Nutzung zugeschnitten und soll
vor allem den digitalen Breitensport im Netz ermöglichen. Wer
mit dem AOL-System nicht zurechtkommt, darf man annehmen,
sollte lieber die Finger von seinem Rechner lassen, weil es ihm
wahrscheinlich auch ansonsten an Talenten fehlt.
AOL unterstützt auch MIME. Mit anderen Worten: Wenn jemand ein EXCEL- oder WORD-Dokument an jemanden übermitteln möchte, der ebenfalls mit einer entsprechenden Version
von EXCEL oder WORD arbeiten, kann er das über AOL bequem tun. Er hängt das Dokument an eine Nachricht, die er verschickt, einfach an. Was auf diese Wiese von der Festplatte des
Benutzers nach AOL hochgeladen wird, geht von da aus zusammen mit der Notiz direkt etwa nach GeoNet, von wo es der Empfänger neben der Notiz auf seine Festplatte übertragen erhält.
Beide Systeme entsprechen dabei dem Stand der Technik. Den
Abgeordneten standen solche Systeme anscheinend nicht zur
Verfügung. Von AOL aus wurde ihnen der Fragenkatalog vorsichtshalber nur als direkte Nachricht übermittelt, also nicht als
angehängtes Dokument.
Daraufhin gingen dann auch die ersten Bestätigungen ein, daß
die Nachricht inhaltlich zur Kenntnis genommen werden konnte.
Aber es gingen bis auf die eine und einzige Ausnahme des Abgeordneten Tauss von der SPD keinerlei konkrete Antworten ein.
Zeit für eine
Zwischenbilanz?
Sicherlich. Seit der zweiten Übermittlung der Fragen waren jetzt
schon zwei Wochen vergangen. Auch nach der Übermittlung eines
zweiten Fragenkatalogs war nun schon über ein Woche verstrichen. Mithin überlegte ich nun, was der bisherige Aufwand an tatsächlich brauchbaren Ergebnissen eingefahren hatte.
135
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Beantwortet hatte ich mir schon die Frage nach dem Maß der
Geduld, das man nach der Stellung elektronischer Fragen auf digitalen Wegen aufbringen sollte. Dabei war von zusätzlicher Bedeutung, was der „Altmeister“ im Mailboxwesen, Günther Leue,
mir zu dieser Frage übermittelt hatte:
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfänger:
49641717GEOD
GEO9:G.LEUE
A. AUF: Frage
23-04-96, 14:50:16
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Hallo Manfred:
Ich habe über das Wochenende die Box geschwänzt.
Wetter war zu schön.
Zurück von Dortmund, wo ich gestern war, begebe ich
mich nun ans Aufholen.
> Nachricht Nr.:
467
> ID:
49618912GEO9
> Nachricht von:
GEOD:M.L.SCHUERMANN
> Betrifft:
*** BIN:Frage
> Abgesandt am:
20-04-96, 12:13:26
> Empfänger:
GEO9:G.LEUE
> Text:
>
> Lieber Günther,
> ich benötige mal kurz und schnell Deine Hilfe.
> In meinem Buch wird stehen:
> "Ich hatte vor, dieses Buch bis auf wenige Ausnahmen entsprechend dem Rücklauf von den Abgeordneten wachsen zu lassen. Zum einzigen Knackpunkt war
eine Weile die Frage nach dem richtigen Konzept geworden. Wieviel Zeit müßte man den Abgeordneten
mindestens geben? Ab wann durfte eine Frage oder
Nachricht als nicht beantwortet betrachtet werden?
> Diese Fragen mußte ich als entscheidend ansehen.
Deshalb beantwortete ich sie mir nicht aus mir
selbst. Einerseits war ja wohl sonnenklar: Der Sinn
eines superschnell arbeitenden Mailbox- oder eMailSystems konnte ja nicht sein, im Ergebnis die unzulänglichen Kommunikationswege nur nachzuäffen und
136
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
keine Vorteile zu bringen. Andererseits war es ausgesprochenes Ziel solcher Systeme, unabhängig von
beliebigen Entfernungen und Tageszeiten den sicheren Kontakt mit Kummunikationspartnern zu gewährleisten und blitzschnelle Reaktionen zu ermöglichen. Teure und abträgliche Redundanz (Diktat, Tippen, Kuvertieren, Frankieren, Beförderung, Zustellung, Weiterbearbeitung) sollte vermieden werden."
> Deine Meinung dazu? Wie lange soll ich den MdBs
Zeit lassen?
Nun - man muß natürlich fairerweise Leuten zugestehen, daß sie mal auf Dienstreisen, krank oder
auf Urlaub sind. Das sollte allerdings ihr E-MailAccount dem Anschreibenden mitteilen. Hat weniger
mit Technik zu tun, als mit Organisation - obwohl
natürlich solche schönen Dienste wie eine AnsageFunktion den Vorgang erleichtern. Aber auch dort
muß natürlich der Mensch organisatorisch aktiv werden.
Allerdings bin ich der Meinung, daß hier garnicht
der Kern des Übels liegt. Der Kern ist die "Pseudomodernität". "Man trägt eine Internet-Adresse" ohne das Instrument wirklich echt nutzen zu wollen.
Ich sagte neulich schon: Echten Nutzen bringen die
neuen Techniken nur, wenn sie die Verkrustung auflösen, Hierarchien beseitigen, schnelle Verbreitung
von Informationen und Nachrichten ermöglichen,
spontane und schnelle Antworten garantieren.
Dafür ist erforderlich, daß sich Menschen selber
an die Tastatur setzen. Wenn sie es nicht in der
Schule gelernt haben, dann sollen sie sich ein Tutorial-Programm besorgen, mit dessen Hilfe und mit
einigem Fleiß in weniger als 2 Wochen Blindschreiben mit hoher Geschwindigkeit erlernt werden kann.
Die Krux ist: Das wollen die Leute nicht. Tippen
ist nach deren Auffassung Tippsen-Arbeit. Auch wenn
sie das nicht sagen (und das ist ja das eigentlich
Schlimme): Durch diese Haltung boykottieren sie
denn Sinn und die Möglichkeiten von E-Mail.
Offensichtlich trifft dieser Vorwurf wohl auf die
meisten MdBs zu. Und das sollte man brandmarken. 2
bis 3 Tage sollten die Toleranzschwelle sein. Wer
bis dahin nicht geantwortet hat (oder noch schlimmer: Wer seinen Assistenten damit beauftragte, erst
137
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
viele Tage später nichtssagende oder unsinnige Bescheide zu geben) der sollte in Deinem Buch gebeutelt werden.
Herzlichen Gruß
aus der sommerlichen Ilmesmuehle:
Guenther
Dazu paßte eine Nachricht aus dem Bereich der SPD wie die
Faust aufs Auge:
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
49641745GEOD
INTERNET:100102.774§CompuServe.COM
Eingangsbestatigung/Ihre E-Mail
vom 8.4.1996
Abgesandt am:
23-04-96, 13:09:44
Empfangen am:
23-04-96, 15:08:02
Empfänger:
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Date: 23 Apr 96 08:09:44 EDT
From: Wolfgang Hennes <100102.774§CompuServe.COM>
To: "m.l.schuermann"
<m.l.schuermann§geod.geonet.de>
Subject: Eingangsbestatigung/Ihre E-Mail vom
8.4.1996
Sehr geehrter Herr Schuermann,
Herr Mosdorf, MdB, dankt Ihnen fur den umfangreichen Fragenkatalog zur Vorbereitung Ihres Buches.
Mit freundlichen Grusen
Enquete-Kommission "Zukunft der Medien..."
Wolfgang Hennes, wiss. Mitarbeiter
Da lag es auf der Hand, mal kurzerhand elektronisch wieder
vorstellig zu werden: „Guten Tag, Herr Hennes, kurz zurueckgefragt: Gibt es eine Vorstellung, ob und wann Herr Mosdorf
mir etwa auch mit Antworten weiterhilft? - Mit freundlichem
Gruß nach Bonn...“
Ob es helfen würde?
138
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Ebenfalls aus dem SPD-Bereich fand sich eine Antwort bei mir
ein, die völlig außergewöhnlich war:
Sehr geehrter Herr Schuermann,
1. Der Satz "zu meinen Fragen, die ich Ihnen per
eMail stellte" impliziert, dass Sie mir wohl schon
einmal eine Mail zukommen liessen. Diese ist hier
leider nicht angekommen, so dass ich zu den dort
gestellten Fragen nicht antworten kann. Ich bitte
um Ihr Verstaendnis.
2. Wenn die Verwendung des neuen Mediums eMail zu
"Desinteresse an Auseinandersetzungen mit Buergern"
fuehren wurde, dann haette ich mir sicherlich keinen eMail-Zugang legen lassen, zumal ich letzteren
aus meiner Privatboerse finanziere... "Staus" kommen sicherlich vor, manchmal werden wir auch zugemuellt. Nichtsdestoweniger bemuehen wir uns stets
um Antwort.
3. Ihre angefuegten Fragen stellen mich insofern
vor Probleme, als sie sehr speziell auf einen Bereich ausgerichtet sind. Ich muss Sie daher auch an
ein spezielles Gremium verweisen, welches sich fuer
die SPD-Bundestagsfraktion mit solchen Fragenkomplexen befasst. Bitte wenden Sie sich an die
Projektgruppe Informationsgesellschaft
Wolfgang Thierse, MdB
Bundeshaus
53113 Bonn
Natuerlich bin ich auch bereit, Ihre Fragen dorthin
weiterzuleiten. Sobald der Abschlussbericht dieser
Projektgruppe vorliegt, koennen Sie ihn auch erhalten. (Snail-Mail Adresse vorausgesetzt...)
Mit freundlichem Gruss,
gez. M.Hampel
Diese Antwort (ersten Fragenkatalog nicht erhalten, dagegen
aber den zweiten) warf bei mir die Frage auf, ob es sich überhaupt
noch lohnte, sich weiter mit den Abgeordneten im Netz zu be139
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
schäftigen. Sollte ich dem Mann namens Hampel den ersten Brief
noch einmal „rübermailen“?
Bevor ich das vielleicht tat, unternahm ich lieber etwas anderes:
Ich benutzte die Suchfunktion von Windows 95, sämtliche Dokumente auf allen Festplatten, also rund zwei Gigabyte, nach
„Manfred.Hampel“ in „t-online“ absuchen zu lassen. Innerhalb
dieses Dokumentes fand ich unterdessen bereits „[email protected]“ als eMail-Adresse für den Abgeordneten Hampel mit
einem „.ok“ als Bestätigung für die Annahme der Nachricht durch
GeoNet. Es gab jedoch mehr:
Nachricht Nr.:
Service-Meldung:
Nachricht von:
Nachricht an:
ID:
Betreff:
Abgesandt am:
Status:
103
361 (08-04-96 16:27:51)
INTERNET:POSTMASTER§GEOD.Geonet.De
INTERNET:03496218108§t-online.de
49612427GEOD
Einige Fragen
08-04-96 16:12:00
Erfolgreich abgesetzt am 08-04-96
16:27:50.
Empfange Nachricht 103
Dieses war eine Service-Meldung
Empfänger der Nachricht war: INTERNET:03496218108§t-online.de
Service-Meldung für Nachricht 49612427GEOD
Versandstatus war: Erfolgreich abgesetzt am 08-0496 16:27:50.
Diesen Meldungen zu der ersten Anfrage entsprach eine spätere
zu der zweiten:
Nachricht Nr.:
233
Service-Meldung:
Nachricht von:
Nachricht an:
ID:
Betreff:
Abgesandt am:
867 (12-04-96 14:18:56)
INTERNET:POSTMASTER§GEOD.Geonet.De
INTERNET:03496218108§t-online.de
49622174GEOD
Nachricht in 7bit ASCII
12-04-96 13:55:32
140
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Status:
Erfolgreich abgesetzt am 12-04-96
14:18:55.
Dem gegenüber hatte T-Online zu einer Nachricht, die nicht
zustellbar war und mithin auch vom Empfänger nicht zur Kenntnis genommen werden konnte, bislang stets eine Rückmeldung
geliefert. Eine solche Rückmeldung lag hier nicht vor. Wollte der
Parlamentarier Hampel mit dem alten Trick arbeiten, der bei
nicht eingeschriebenen Briefen funktioniert: einfach behaupten,
man habe nichts bekommen? - Das wollte und konnte ich mir
nicht vorstellen. Vielleicht hatte ein dienstbarer Geist (die meisten
Abgeordneten hatten ja reichlich davon) meine eMail in den elektronischen Papierkorb geworfen, den es ja auch gibt.
Was sollte es! Mit einer Nachreichung des ersten Fragenkatalogs
würde der Abgeordnete Hampel sowieso nicht anders verfahren
als mit dem zweiten Katalog: Ab nach Wolfgang Thierse! Seltsam
nur, daß ich diese offensichtliche Galionsfigur einer „Projektgruppe Informationsgesellschaft“ nur bei den Fundstellen zu Jörg
Tauss ausfindig machen konnte (siehe Seiten 309 ff.), nicht jedoch
bei den eMail-Adressen für die Abgeordneten. Undercover-Attitüde eines Ex-Ossis?
Erschüttern konnte mich sowieso nichts mehr. Was ich mit meinen Fragen an die Abgeordneten erreicht und so nebenbei beim
Surfen im Netz ausgegraben hatte, was ich überdies während dieser Zeit im Fernsehen erleben konnte (zuletzt bei der „Tschernobyl-Debatte“ im Bundestag, n-tv), reichte mir, vieles nur noch satirisch zu betrachten.
Es verdichtete sich der Anlaß zu der Annahme, daß die Abgeordneten nichts im Gehirn hatten, das sie zu gestellten und für
unsere gesamte Zukunft sehr wesentlichen Fragen spontan auf
den Bildschirm hätten schreiben können, um es einem eMail-Fragesteller als Antwort zuzuleiten. Sich gegenseitig mit dem Morgenstern über die Schädel zu dreschen, darin waren sie ganz offenkundig große Meister. Würden Fußballspieler so wenig den
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„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Ball und so viel die Gegner treten, wie Abgeordnete es tun, wären
alle mit roten Karten gesperrt und gäbe es keine Spiele mehr.
Manchmal hatte ich den Eindruck, daß dieses gegenseitige Niedermachen zwischenzeitlich zum Beruf geworden war.
Daran änderte auch die Antwort nichts, die ich zu meiner zweiten Fragerunde vom MdB Jörg Tauss erhalten hatte:
Am 18 Apr 96 schrieb M.L.SCHUERMANN§GEOD.Geonet.De
<M.L.SCHUERMANN§GEOD.Geonet.De>:
Sehr geehrter Herr Schuermann,
leider muss aber jetzt auch ich noch um etwas Geduld bitten. Denn in der Tat haben wir zwar ein
schnelles Medium. Nur nebenbei bin ich bis unter
die "Halskrause" dicht, und sollte es notwendig
sein, bei anderen nachzufragen, hat man schnell eine Verzoegerung. Insofern bitte ich ausnahmsweise
auch um etwas Gnade fuer meinen - wirklich nichtFreund Zimmermann26. Was soll der arme Referent denn
sonst sagen, wenn der Herr und Meister moeglicherweise noch nicht einmal im Lande ist?
Aber wie heisst es im Arbeitsrecht bei einem
schlechten Zeugnis? Ich werde mich bemuehen ;-)
Herzliche Gruesse
Wenigstens eine menschliche Regung, die man respektieren
konnte...
Es schien auf das hinaus zu laufen, was Günther Leue aus seiner
vieljährigen Erfahrung zu dem Problem geäußert hatte (siehe sein
Schreiben auf Seite 136): „Man trägt eine Internet-Adresse.“ Man
schmückte sich mit dem Anschein, auf dem letzten Stand der
Technik zu sein, keine Kommunikationsmöglichkeit auszulassen,
aber man fing nichts damit an, warf alles à la Friedrich-Referent
26
142
Eine Namensverwechslung? Oder die Bezugnahme auf einen anderen als den von mir genannten Referenten...?
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
(Seite 116) in einen Korb, schor alles über einen (nämlich den alten) Kamm, führte Innovation ad absurdum, indem man sie
handhabte wie den alten Muff, der die Probleme aufgeworfen
hatte, um die es mir ging.
War es das und nicht mehr?
Konnte man sagen: Armes Deutschland - siehe deine Volksvertreter!?
So schnell nicht. Ich ging jetzt einen anderen Weg und benutzte
die Endungen bekannter eMail-Adressen (wie etwa „@mdb1.bn.
eunet.de“), um mittels Altavista nach Dokumenten zu suchen, in
denen diese Endungen bei vielleicht noch nicht bekannten eMailAdressen vorkommen mochten. Dabei gelangte ich mit „@mdb1.
bn.eunet.de“ natürlich zu den Liberalen. Unter den vielen Fundstellen (nahezu 100) war auch eine Seite (http://www.ftech.
net/~worldlib/Whitepages.html) mit Adressen aus der ganzen
Welt (siehe Seite 325 unter Dokumentation <10>). Aus diesen
wurden die deutschen herausgezogen. Sie sollten dazu dienen,
auch Nichtabgeordneten die schon gestellten Fragen vorzulegen.
Auffällig war bei den Seiten der Liberalen die Regsamkeit des
Abgeordneten Schmidt-Jortzig. Dessen Name zog sich dominierend über Seiten in den Titeln der Fundstellen hin. Offenbar hatte
er viel zu melden, mir persönlich jedoch so gut wie nichts (siehe
Seite 119). An zweiter Fundstelle stand ein Verweis auf seinen Lebenslauf
(http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/schmidt -jortzig/biographie.html).
Diese Biographie begann so: „Geboren am 8.10.1941 in Berlin.
Aufgewachsen in Lüneburg. Seit 1968 verheiratet, vier Kinder.
Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Bonn, Lausanne
und Kiel, 1. Staatsexamen, 2. Staatsexamen, Kommunaljurist in
Göttingen, Promotion (Kiel), und Habilitation. Hochschullehrer
in Göttingen, Münster und seit 1982 an der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel, dort Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches
143
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Recht, seit 1994 Dekan der Juristischen Fakultät.“ Dann hieß es zu
seiner Parteiarbeit: „Mitglied der F.D.P. seit 1982, von 1984 bis
1988 stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Kiel, 1988
bis 1989 und seit <Jahreszahl fehlt und wurde nie ergänzt> Mitglied
des F.D.P.-Landesvorstandes Schleswig-Holstein, von 1984 bis
1990 Vorsitzender des Landesfachausschusses "Innen und Recht",
bis heute Mitglied des entsprechenden Bundesfachausschusses.“
Zu den zum Teil juristisch relevanten Fragen von mir hatte er
aber nichts zu melden. Vielleicht hätte ich als Kieler Sprotte mehr
Gnade bei ihm gefunden.
Fast „naturgemäß“ war unter „@mdb2.bn.eunet.de“ bei der
CSU weniger zu finden, denn da schien ja nur der Parlamentarier
Friedrich einsam auf elektronischem Posten zu wachen. Doch
hatte möglicherweise sein eifriger Dr. Christian Stienen, der eine
abschmetternde Nachricht (siehe Seite 116) übermittelt hatte, vorgesorgt. Denn ungefähr zwei von den drei Seiten mit Fundstellen
kündeten von „Dr. Gerhard Friedrich, MdB“ - gefolgt von einem
weiteren Hinweis auf seine Aktivitäten, so etwa „Informationen
aus dem Wahlkreis“, „Wahlergebnisse im Wahlkreis 228“, „Karte
Erlangen und Umgebung“ oder „Stellungnahme zum Thema
Fraktionszwang“.
Von dem so reichlich zu findenden Abgeordneten Friedrich
kam auf meine zweite Anfrage bei ihm wieder eine Bestätigung
durch Dr. Stienen mit exakt dem gleichen Wortlaut wie in der ersten... - mithin eine ohne jede individuelle geistige Arbeit verteilte
hinhaltende Nachricht aus dem Standardbaukasten, wie ihn
Computer für Massengeschäfte so bequem zur Verfügung stellen.
„@mdb2.bn.eunet.de“ führte in die Gefilde der CDU, wo offiziell erkennbar zwei einsame Abgeordnete, Heinz-Jürgen Kronberg
und der Zukunftsminister Jürgen Rüttgers, das eMail-Panier der
Partei hochhielten. Die fett angezeigte Zeile „Documents 1-10 of
15 matching some of the query terms, in no particular order.“ besagte sofort, daß hier nicht viel zu holen war. Der Minister selbst
kam auf den beiden Seiten nicht vor. Ein Kronberg-Festival wurde
144
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
aus ihnen ebenfalls nicht, denn alle entsprechenden Verweise
zeigten nur auf das „http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdbprojekt/kronberg/“ und dessen persönliche Seiten. Da war also so
gut wie nichts los.
Ganz anders bei den SPD-Fundstellen. Über 20 von ihnen begannen mit „Jörg Tauss, MdB“. Da auf den entsprechenden Seiten
als eigentlich angestrebte Fundstelle etwas mit dem Inhalt
„@mdb5.bn.eunet.de“ zu finden sein mußte, kann man davon
ausgehen, daß dort für die Rückkopplung „[email protected]“ zu finden war.
Sehr auffällig - wie schon zuvor - war die über zehnmalige Präsenz von „VDI/VDE“. Wer blies da auf wessen Trompete? Es
konnte angenommen werden, ohne es gesondert zu prüfen, daß
auf den VDI/VDE-Seiten ebenfalls die eMail-Adresse des Abgeordneten Tauss zu finden war.
Blieben die Genossen unter „@spdpv.spd.de“ mit 26 Fundstellen. Aufregend von ihnen war keine. Die einzelnen Titel stellten
einen Mischmasch von „No title“ über „Oliver's Official Internet
Homepage“ und „fun (FB15, Uni-Frankfurt)“ bis hin zu „Das
Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie stellt sich vor“. Besonders lustig wurde es, als auf diesen Seiten (ein Irrläufer unter
„@spdpv.spd.de“?) die WEB-Adresse „http://www.junge-union.de/email.html“ den Weg zu „Junge Union Deutschlands - Politische Emailadressen“ wies. - Das durfte einfach nicht wahr
sein... - im CDU-Bereich war derlei nicht zu finden gewesen.
Am erbärmlichsten verlief die Suche mit „@mdb.bundestag.
dbp.de“ - nur eine Seite voller Kraut und Rüben: „Wir aergern die
Grossen“, „What's Happening at CompuServe“ oder „Oliver's
Official Internet Homepage“...
Die politischen eMail-Adressen der Jungen Union
erwiesen sich als „Schuß im Ofen“. Die „Liste von
Emailadressen aus dem politischen Bereich“ enthielt
Verweise auf JU, JUNGE UNION Deutschlands,
CDU, CDU Bundesgeschäftsstelle, CDU Baden Württemberg,
145
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
CSU, CSU Franz Joseph Strauß-Haus, FDP Bundespartei, SPD,
Bundesvorstand der SPD, BÜNDNIS '90/DIE GRÜNEN, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Jürgen Rüttgers, Emailadressen von Abgeordneten (eben
die längst bekannten aus der Liste des MdB-Projekts!), Bundestag,
Landtag Baden-Württemberg , Süddeutsche Zeitung, Welt, TAZ,
FOCUS, DER SPIEGEL, Stern - und das war es. Die übrigen
Seiten der Jungen Union waren hübsch bunt und mit kleinen lustigen Sternchen garniert, ähnelten aber eher einem Flur im Kindergarten mit dem aufgehängten Gemale der lieben Kleinen.
Dann aber gab es doch wieder ein Festival, ein Cem ÖzdemirFestival für Bündnis 90/Die Grünen. Bei 34 Fundstellen kam der
Name Özdemir elfmal im Titel vor, meist am Anfang. Beiträge
wie „Cem Özdemir/Thomas Poresky - The Green Wonder - Text
prepared for Turkish journalists on the occasion of my first visit as
Member of the German Parliament...“, „Cem Özdemir, MdB Immigrants and immigration in Germany - February 17th, 1995
Speech given at the Michigan State University. The subject of my
presentation is the...“ oder „Cem Özdemir, MdB - Pressemitteilungen. Fremdenfeindlichkeit bei der Polizei endlich ernstnehmen. Datum: 05.02.1996. Katholiken bestätigen grüne Einwanderungspolitik...“ mögen zwar interessant sein, reizten mich beim
Surfen jedoch nicht zum näheren Hinsehen.
Blieben noch - last but not least - die PDS-Mandatsträger. Dreißig saßen im Bundestag; von sieben weiteren waren Adressen
schon bekannt. Warum eigentlich noch weiter suchen? - Der
Gleichbehandlung halber. Doch die Suche brachte nichts. Eine
Forschung im Netz mit den Suchworten „@pdsll.zerberus.de“
und „PDS“ brachte 12 Eintragungen hoch; eine Suche mit „Abgeordnete“ statt „PDS“ nur acht. Und die Überschriften sagten nicht
viel. Es waren so seltsame Angebote wie „Soc.Culture.German
FAQ: part8 - [PREV] [Table of Contents] [NEXT] 8 Political
Life. 8.1 National Anthem. 8.2 Text of the Grundgesetz. 8.3 Government Addresses on the Net. 8.4 Political...“ oder „No Title 146
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Empfaenger : [email protected] Absender : W. Bierstedt@
PDSLL.zerberus.de (Wolfgang Bierstedt, MdB) Betreff : Verbot
von kryptograph. Verschluesselung...“ dabei, die sich kaum näher
zu betrachten lohnte.
Kurz vor der weiteren Suche im Netz hatte ich meine Anfrage,
die bei den Abgeordneten auf so helle Begeisterung gestoßen war,
daß sie weitgehend sprachlos blieben, über AOL an Mitglieder der
Jungen Liberalen geschickt. Nur wenige Stunden später trafen die
ersten Antworten ein. Sollte dieses bedeuten, daß nur die Jungen,
die noch nicht unter Routinen verkrustet waren, so etwas wie
Hoffnung bringen konnten, sozusagen:
Ein Schimmer am Ende des Tunnels?
Eine meiner Anfragen ([email protected]) war als
unzustellbar abgeschmettert worden. War der Inhaber dieser
eMail-Adresse (Priesmeyer, Malte, JuLis Nordwestsachsen, Leipzig) abgetaucht, ohne eine neues Adresse zu installieren? - Keineswegs. Denn im Gegensatz zu der Erwartung, daß der Adressat
sozusagen „elektronisch unbekannt verzogen“ war, tauchte ausgerechnet von ihm als erstem eine Antwort auf.
Das stiftete in mir etwas Verwirrung. Bislang war mir noch niemals begegnet, daß mir ein System einen abschlägigen Bescheid
zuspielte, während sich hernach herausstellte, daß meine Nachricht sehr wohl vom System angenommen worden und dem
Empfänger bereitgestellt worden war.
Zunächst überraschte mich der Empfänger bei seiner Antwort
mit einem lustigen Briefkopf, wie ich ihn noch nie gesehen hatte:
_\|/_
(o o)
**oOO*(_)*OOo****************
M
MPPPP
Malte Priesmeyer
MM MMP
P
M M MPPPP
M
MP
M
MP #:
*****************************
147
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Dann erstaunte er mich mit seiner aus dem Stegreif gegebenen
Antwort, die unter Dokumente <12> (siehe Seite 328 ff.) vollständig wiedergegeben ist. Hier findet sich in der Antwort auch
meine Fragestellung an die Jungliberalen vollständig wieder.
Gleichzeitig mit den ersten Antworten der „JuLis“ trudelten
endlich auch weitere (wenn auch nur zwei) Lebenszeichen der
längst etablierten Parteigänger im Bonner Parlament ein.
Da war zunächst eine Antwort des Zukunftsministers Dr. Jürgen
Rüttgers durch seinen „Mitarbeiter des Ministerbüros“ (siehe Seite
327; mit Anmerkungen). Ihr folgte eine Antwort durch dem
CDU-Abgeordneten Kronberg, so daß immerhin schon alle Abgeordneten der CDU, die laut MdB-Projekt über eMail direkt zu
erreichen waren, geantwortet hatten... - nämlich die einzigen bei
der CDU auszumachenden Abgeordneten: 2 von 244. Das sind
umgerechnet 0,82 Prozent...27 Die Antwort des MdB Heinz-Jürgen
Kronberg ist ebenfalls vollständig im Kapitel Dokumentation unter <13> (Seite 334 ff.) zu finden.
Zu einer Wertung der Antworten kommen wir später; denn ich
hatte mich ja nun entschlossen, erst einmal etwas in der Nachwuchsbasis herumzustochern, um zu sehen, ob dort ebenso eine
Internet-Mundfaulheit herrschte wie bei den parlamentarischen
Berufsdemokraten.
Anscheinend nicht. Neben den „JuLis“ hatte ich eine InternetAdresse der Jungen Union angeschrieben, weil ich bei der Suche
nach möglichst vielen Adressen der Jungdemokraten der CDU
nicht fündig geworden war. Prompt und sozusagen aus der Hüfte
reagierend erhielt ich nicht nur eine aufschlußreiche Antwort,
sondern auch noch eine aufmerksame Einladung:
Thema: AW: Wo sind denn...
Datum: 26.04.96 14:14:12
From: [email protected] (Thomas Jarzombek)
27
148
Nach der alten Berechnung von April 1996; im Mai waren es drei.
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
To:
CC:
[email protected] ('[email protected]')
[email protected] ('Benter, Christian')
Sehr geehrter Herr Schuermann,
in Sachen Internet ist unser Kreisverband momentan noch
"Under Construction". Das bedeutet auch, daß unsere Funktionsträger momentan noch sehr dürftig mit EMail-Adressen
ausgestattet sind.
Dies sieht allerdings auf Landesebene ganz anders aus, hier
gibt es in nahezu jedem Kreisverband einen Ansprechpartner
mit EMail-Adresse. Am besten nehmen Sie hierzu Kontakt mit
Herrn Christian Benter auf, er ist der Internet-Koordinator
der Jungen Union NRW. Seine EMail-Adresse ist:
[email protected]
Bei Angelegenheiten, die den Kreisverband Düsseldorf betreffen können Sie jedoch weiterhin gerne mit mir Kontakt
aufnehmen.
Unsere Web-Site ist seit heute Nacht übrigens fast fertig,
vielleicht schauen Sie ja noch 'mal rein...
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Jarzombek, Kreisvorsitzender JU Düsseldorf
Das kehrte meine Vorbehalte gegen die Internet-JU aber noch
nicht ins Gegenteil.
Interessant war überhaupt, wie sich über das Internet anscheinend auch ein wenig nachzeichnen ließ, wie Parlamentarier „entstehen“. Von den 17 JuLis, die über Internet anzusprechen waren,
wiesen 12 Adressen auf einen Universitätsrechner! Das waren
mehr als zwei Drittel.
Meine Liste in EXCEL las sich so: Berlingen, Ralf (Junge Liberale, Germany), Burdinski, Jan (International Officer of LHG,
German Liberal Students), Drewes, Achim (Vice-Chairman of
Cologne Young Liberals), Gramckow, Claus (Senior Program Associate, Friedrich Naumann Stiftung, Washington DC), Haucap,
Justus (Member of FDP-Board & Vice-President JuLis Saarbrükken), Heering, Jörg-Peter (vice-president Junge Liberale Rhein149
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
land-Pfalz), Herbst, Torsten (Member of board FDP of Saxony,
Germany), Hutzler, Alexander (Junge Liberale, Germany), Koch,
Gerrit (President of Junge Liberale Lübeck), Lutzke, Steffen (JuliA Sachsen, Dresden), Priesmeyer, Malte (JuLis Nordwestsachsen, Leipzig), Puersuen, Yanki (FDP Frankfurt-OG 5 Board
Member, LTD Board Member), Renz, Jonas (International Officer of Junge Liberale, Germany), Scheitterlein, Bernd (Representative, Friedrich Naumann Foundation, Washington),
Schmidt-Jortzig, Prof. Dr. Edzard (Member of Deutscher Bundestag), Schönherr, Markus (member national board FDP, Germany), Werner, Roland (Vice-President of Junge Liberale, Germany), Wetekam, Rainer F. (FDP/JuLis, Germany).
Konnte man daraus schließen, daß viele Studenten an den Universitäten nicht nur ihr Fach lernen, sondern auch, sich zu organisieren, zu liieren, Posten zu ergattern und sich darin zu üben, Interessen und Partner zu beobachten, zu steuern und zu vertreten?
Mag sein. Von irgendwo muß irgendwas ja kommen, was den
Parteien den Nachwuchs sichert und trainierte Kandidaten verschafft, die entsprechend gefördert werden, um irgendwann die
Oldtimer abzulösen.
Jedenfalls setzte ich nun auf den „Nachwuchs“, wo immer ich
ihn auch finden würde. Ich wollte dessen Meinung einsammeln
und vor allem auch dessen Umgang mit Partnern im Internet erfahren. Was den Umgang mit Computern anging, glaubte ich davon ausgehen zu können, daß bei den „Jungen“ zahlreich und
selbstverständlich zum Alltag gehören mochte, was den „Alten“
eher wie eine zu heiße Kartoffel vorkam.
Als kritisch für die demokratische Entwicklung in diesem unseren Lande begann ich zu fürchten, daß Computer für Studierende
ein Muß sein mochten, jedenfalls nichts Exotisches, sondern
überwiegend etwas Selbstverständliches. Das war bei den „einfachen“ Bürgern, die nie eine Universität oder auch nur ein Gymnasium besuchen würden, in dieser Weise nicht zu erwarten.
150
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Meine Befürchtungen hinsichtlich einer neuen Zweiklassengesellschaft („Informationselite“ und „Informationsproletariat“ oder
„PC-Analphabeten“) schienen neue Nahrung gefunden zu haben.
Denn wenn die junge Politik sich zunehmend zur Abstimmung
ihrer Interessen am „Netz“ festmachte (was ja nur bedingt das
Internet sein mußte), sah ich für den einfachen Bürger ohne Netz
nur noch drastisch sinkende Chancen, sich in Parteien zu profilieren und Boden zu gewinnen.
Also doch kein Lichtlein am Ende des Tunnels, sondern eher
Düsternis? - Was würde es bedeuten, wenn clevere und studierte
Leute, im parlamentarischen Geschehen von der Universität her
schon gedrillt, nicht nur in den Parteien nach vorn drängten, sondern vor allem auch organisatorisch und für die Unvernetzten unbemerkbar ihre Fäden sogar um die ganze Welt spannen? Wenn
sie quasi irgendwo im Dunklen längst ihre Interessen und Vorgehensweisen abglichen und alles schon in trockene Tücher gepackt
hatten, während nach außen hin noch alles offen schien?
In Bezug auf die FDP machte ich mir da wenig Sorgen, da würde der kleine Mann sowieso kaum vertreten sein. Aber bei der
SPD beispielsweise würde auch ein Tausendkünstler wie Jörg
Tauss kaum den Ton angeben, die große Wende herbeizaubern
und eine bedrohliche Entwicklung verhindern können. Tauss und
sein Kollege Mosdorf (für den mir Wolfgang Hennes eine nichtssagende Antwort erteilte) wurden ja selbst von Peter Glotz wie
leuchtende Galionsfiguren28 herausgestellt; so zum Beispiel in einem n-tv-Interview, das Ende April 1996 gesendet wurde.
In der Bundestagsdebatte am 26. April 1996 wurde deutlich, wie
zu Gunsten des Kapitals und zu Lasten der sozialen Komponente
die Demokratie in der Bundesrepublik umgekrempelt werden soll,
weil sich die Regierenden keinen Rat mehr wissen, die postindustrielle Krise an der Schwelle zum Informationszeitalter in den
28
„Durchschnittliche“ Politiker verglich Peter Glotz mit Pontius Pilatus:
Unrecht billigen und die Hände in Unschuld waschen...
151
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Griff zu kriegen. Da schienen selbst zwei Einsen nicht mehr das
Recht zu haben, eine Zwei zu sein, als Minister Rexrodt die
Schröpfung der Mittellosen und die Schonung der Vermögenden
damit begründete, das Kapital würde sonst ins Ausland fliehen.
Es war fast ausschließlich die Rede davon, Arbeitsplätze durch
Anwendung monetärer Kniffe und ausgeleierter steuerlicher Anreize zu schaffen. In keinem Fall war zu hören, daß etwa durch
kurzfristige Ausschöpfung besonderer Abgaben auf exorbitante
Einkommen und Vermögen der Staat sich entschulden könnte,
um die Transformation der Gesellschaft in Angriff nehmen zu
können.
Lediglich Gregor Gysi sagte, was eigentlich ein Abgeordneter
aus CDU oder SPD hätte vorbringen sollen, um die Luft zu reinigen. Er trug allerdings konstruktiv zur besseren Einschätzung und
Änderung der Lage nichts bei, sondern schlug sich nur auf die
Seite des gebeutelten unteren Drittels der BRD-Bevölkerung.
So wird die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft, von welcher
der größte Teil die Fitneß für das kommende Jahrtausend nicht
schnell und nicht ausreichend genug erlangen mag, fast zum
Greifen deutlich.
Was es da bedeutet, wenn vor allem Studierende den Umgang
mit Computer und Netz wie nebenbei beherrschen lernen, während der Staat die Heranführung an die digitalen Techniken dem
weitaus größten Teil seiner Bevölkerung beharrlich schuldig
bleibt, wird besonders da deutlich, wo sich der studierende Parteiennachwuchs auf die neuen Medien stürzt, während die „arbeitende Bevölkerung“ weitgehend ihrem Schicksal überlassen ist. Das
wird auch der Demokratie wehtun und das Netz allenfalls zur zusätzlichen Abfütterungsmaschine für die Parteibasis degradieren
(siehe Seite 122; „Berieselungsmaschine“). Selbst der beste Wille
einzelner Abgeordneter kann daran nichts ändern, wenn die
Mehrheit der Abgeordneten sich so verhält, wie es Günther Leue
von GeoNet (siehe Seite 136 ff.) argwöhnt, nicht schnell genug
dazu lernt und „dieses Zeug mit den Computern und dem Netz“
152
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
den jungen Spunden überläßt. Erst wenn es zu spät ist, werden sie
merken, daß sie sich damit selbst ins Knie geschossen haben.
Ihnen, den Angeordneten, die mehr mit dem Morgenstern gegenüber „Kollegen“ als mit der Morgenstunde für die Bürger im
Sinn hatten, waren anscheinend rührige Burschen auf den Fersen,
die sich vielleicht auch nicht scheuen würden, nicht auf den „Ruf“
der Alten zu warten, um aufrücken zu dürfen, sondern diese einfach hinwegzufegen. Animiert werden könnten sie auch durch so
konsternierende Entscheidungen, wie sie bei der Rückkehr Möllemanns in eine Führungsposition getroffen wurden.
Nach der flinken Antwort von Malte Priesmeyer traf tags darauf
die Antwort eines unaussprechlichen Yanki Puersuen ein, den ich
unter „[email protected]. de“ angeschrieben hatte (siehe ab Seite 337 unter Dokumentation <14>).
Diese Antwort beeindruckte mich sehr. Die Antworten von
Priesmeyer und von Puersuen zu bestimmten Fragen sollen hier
einmal gegenüberstehen:
> 2.1) Wie sollten "virtuelle" Unternehmen gesetzlich verankert
sein?
Priesmeyer: - Genauso wie andere Unternehmen auch.
Puersuen: - Das Internet ist noch kein Volksmedium. Deswegen
wird dieser Bereich noch lange im rechtsfreien Raum agieren.
Wenn es sich um eine Unternehmung handelt, gibt es genug Gemeinsamkeiten mit herkömmlichen, um die gleichen Regeln anzuwenden (Ort, Geschäftsführer, Anlagevermögen, Geschäftszweck, Umsatz, Ware, Produktion, etc.).
> 2.2) Nach welchen Regeln sind sie schon jetzt juristisch "haftende Person"?
Priesmeyer: - Keine Ahnung - bin kein Jurist.
Puersuen: - Hier gibt es noch zu wenig Erfahrung. Mir ist kein
Urteil bekannt. Die Datensicherheit ist noch nicht ausreichend.
Ich denke, daß die Beteiligten auf den guten Willen des anderen
hoffen, wie auch z.B. bei Telefon-Kreditkarten/Reservierungsgeschäften. Noch problematischer ist es bei Auslandsgeschäften.
153
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Aber letztendlich wird die Justiz ihre Rechtsprechung entwickeln
und die geltende Wirtschaftsgesetzgebung auf das Internet übertragen.
> 2.3) Wie sollen sie steuerlich erfasst werden?
Priesmeyer: - Auch davon habe ich keinen Schimmer.
Puersuen: - Warum sollte es einen Unterschied geben?
> 2.4) Wie sollten "virtuell" in verschiedenen Unternehmen
nacheinander oder zugleich "herumgeisternde" Mitarbeiter sozial
abgesichert oder gar erst einmal zu Abgaben verpflichtet sein?
Priesmeyer: - ???
Puersuen: - ?
> 2.5) Nach welchen Umlageverfahren sollen Abgaben erhoben
(erzwungen) werden, und von welchen Institutionen sollten wann
welche Leistungsansprueche befriedigt werden koennen?
Priesmeyer: - ???
Puersuen: - ? Es wird doch offiziellen Umsatz geben.
> 2.6) Wie sollte/koennte Arbeitnehmer- oder Unternehmereigenschaft bei virtuellen "Firmen" (Zusammenschluessen) definiert
werden?
Priesmeyer: - ??? Was sind denn das fuer Fragen?
Puersuen: - Abhängig von Zweck und Ernsthaftigkeit, wie im
HGB.
Zugegeben: Meine Fragen waren zum Teil sehr „nickelig“ formuliert, weil sie Vorwissen der Befragten und damit deren Interesse an Problemen austesten sollten. Insbesondere die Frage 2.4
hatte es in sich. Sie zielte auf Leute ab, die sich in virtuellen Firmen zusammenschließen würden.
„Virtuelle Unternehmen“ bestehen im Grunde aus einem
Häuptling mit Computer und Zugriff auf Datennetze. Um ihn
können sich über das Netz spezialisierte Indianer gruppieren, mit
denen zusammen er ein Projekt aufnimmt und durchführt. Quer
über den ganzen Globus können für spezielle Aufgaben auf diese
Weise sogar die besten Leute zusammengetrommelt werden, um
in unübertrefflicher Weise ein Ergebnis zu erarbeiten und abzu154
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
liefern (siehe Seiten 157 ff.). Der Bau teurer Büros oder Mieten
dafür können sich erübrigen. Ein „virtuelles Unternehmen“ kann
zu niedrigsten Kosten beste Ergebnisse erzielen und dadurch im
Wettbewerb „klassische“ Unternehmen ausstechen.
Bei virtuellen Unternehmen mag es sich kaum lohnen, Angestelltenverhältnisse zu begründen. Es bietet sich vielmehr an, ergebnisorientierte Beteiligungen oder Honorare auszuhandeln.
Damit aber würde eine wichtige Basis unseres Sozialsystems zur
Begründung sozialer Sicherheit einzelner Beteiligter an virtuellen
Unternehmen entfallen. Auch gäbe es Unklarheiten bei Unternehmen mit Mitarbeitern aus vielen Nationalitäten. In welcher
Form soll ein deutscher „virtueller“ Unternehmer einen Kalifornier oder Japaner als „Angestellten“ anheuern, der in den USA
oder in Japan wohnen bleibt und während der Dauer des Projektes
nicht einmal einen Fuß auf deutschen Boden setzt? Wie sollen
dann „Sozialabgaben“ definiert werden?
Wegen der vielen unbeantworteten Fragen mag gerade ein solches System „virtueller“ Unternehmensaktivität zum ungehemmten Mißbrauch reizen. Auch können unangenehme Haftungsfragen gegenüber Kunden von virtuellen Firmen auftauchen. Schon
heute ist es bei manchen Versandunternehmen, insbesondere bei
Firmen oder „Firmen“, die international im Satellitenfernsehen
werben, manchmal fast aussichtslos, Reklamationen anzubringen
oder ein Geschäft zu annullieren. Wie würde das erst einmal aussehen bei virtuellen Unternehmen oder bei Anbietern, die nur aus
einer WEB-Seite bestehen und ebenso schnell verschwinden können, wie sie auftauchen mögen?
In diesem Zusammenhang überraschte es, daß dort, wo der (sicherlich Nord-) Deutsche Malte Priesmeyer mit Fragezeichen
aufwartete, bis es ihn nervte (??? Was sind denn das fuer Fragen?), der Türke Yanki Puersuen mit präzisen Antworten kam.
Nun, immerhin stand auf diese Fragen zum Beispiel eine Antwort von Jörg Tauss noch aus. Wir können aber die Antworten des
155
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
CDU-Bundestagsabgeordneten Heinz-Jürgen Kronberg dagegen
stellen:
1) Wie sollten "virtuelle" Unternehmen gesetzlich verankert
sein?
Wie jede andere Firma auch.
2) Nach welchen Regeln sind sie schon jetzt juristisch "haftende
Person"?
Bin kein Jurist.
3) Wie sollen sie steuerlich erfaßt werden?
Siehe 1.
4) Wie werden "virtuell" in verschiedenen Unternehmen nacheinander oder zugleich "herumgeisternde" Mitarbeiter sozial abgesichert oder gar erst einmal zu Abgaben verpflichtet?
Entsprechend ueber Lohnabrechnung29
5) Nach welchen Umlageverfahren sollen Abgaben erhoben (erzwungen) werden, und von welchen Institutionen sollten wann
welche Leistungsansprüche befriedigt werden können?
Siehe 1.
6) Wie sollte/könnte Arbeitnehmer- oder Unternehmereigenschaft bei virtuellen "Firmen" (Zusammenschlüssen) definiert
werden?
Frage unklar.
Hier hätte der Abgeordnete des Bundestages, statt zu antworten,
lieber die Antwort verweigern oder sich wie der JuLi Malte Priesmeyer geben sollen. Es ist schlicht unbegreiflich, wie jemand im
Bundestag Verantwortung tragen soll, wenn er (sicherlich zugeschüttet von anderen Tagesgeschäften) zu wichtigen Fragen, die
täglich drängender die nächste Zukunft berühren können, keine
akzeptablen Antworten weiß. Hier muß er sich dem Verdacht aussetzen, daß er bei Abstimmungen den Leithammeln der Fraktion
29
156
Beschämende Kenntnis! - Siehe hierzu die Antwort auf Seite 384!
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
folgen mag, ohne zu wissen, wozu er seine Stimme hergibt oder
verweigert.30
Auffallen muß auch, daß bei der Frage nach der „haftenden Person“ sowohl der junge Demokrat Priesmeyer wie der wohl ältere
Hase Kronberg reagierten: „Bin kein Jurist.“ Diese Antwort geben
sich wohl täglich Millionen Menschen innerlich, wenn ihnen etwas unklar ist. Wenn sie sich dann nicht nachzufragen trauen oder
sich keine Blöße geben wollen, kommt der innere Schweinehund
und sagt: „Was soll’s...“ - Und nicht zuletzt aus diesem Grunde
sind viele Gerichte vor Überlastung schon fast funtionsuntüchtig.
Dabei ist die Angelegenheit ganz einfach: Eine juristisch haftende Person ist die, welche als Bezeichnung auf einer Ladung stehen
muß, damit die Ladung rechtsgültig ist. Das kann auch eine „juristische Person“ sein, etwa eine GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer, oder ein Verein, vertreten durch den geschäftsführenden Vorstand, oder eine Aktiengesellschaft, vertreten durch den
Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden. Ist
doch alles ganz „easy“, wie junge Leute es „cool“ bemerken würden.
Aber wie steht es bei einer virtuellen Firma?
Überhaupt nicht „easy“. Ein virtuelles Unternehmen bietet den
größten Anreiz für verdeckte Tätigkeiten. Wer in einem festen
Vertrags- und Arbeitszeitverhältnis bei einem Unternehmen arbeitet, kann sehr wohl noch „virtuell“ und dennoch real über das
Netz eine zweite, dritte oder gar vierte Tätigkeit ausüben, ohne es
an die große Glocke zu hängen.
Wie etwa ein Journalist oder Schriftsteller als „Ghostwriter“ Reden oder Beiträge, selbst ganze Bücher für andere Personen verfaßt, können auch ein Planer, Techniker, Statiker oder Architekten
als „Ghostworker“ für ein anderes Unternehmen tätig werden.
Bislang war das relativ aufwendig und oft mit physikalischer Präsenz an bestimmten Arbeitsstätten verbunden. Nunmehr genügt
30
Siehe hierzu jedoch die Seiten 379 ff.
157
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
es, einen PC, die entsprechenden Programme und eine Anbindung an das Netz zu haben. Vom äußeren Anschein her kann es
sich um eine Anlage für das Privatvergnügen handeln, um einen
harmlosen sogenannten Multimedia-Computer.
Für bestimmte Unternehmen mag es sogar besonders reizvoll
sein, über das Netz völlig unauffällig mit Fachleuten zusammen
zu arbeiten, die früher außer Reichweite gelegen hätten. Für beide
Seiten stehen dabei sogar erhebliche Kostenreduzierungen im
Raum: Der Auftragnehmer arbeitet von zu Hause, nur nebenbei
und billiger als ein Unternehmen mit dem üblichen Aufwand,
während der Auftraggeber entsprechend weniger für die Arbeit bezahlt. Je nach dem, ob auch „Negergeld“ (Mittel in schwarzen
Kassen) im Spiel ist, wickeln beide das Geschäft obendrein noch
unter dem Tisch ab.
Immer wenn unternehmerisch denkende Menschen ein
Schlupfloch finden, gleichwertige Ergebnisse zu geringeren Kosten zu erzielen, sind sie schnell dabei. Das ist eben cleveres Business und wird meist toleriert, wie auch Steuerhinterziehung häufig
nur als Kavaliersdelikt betrachtet wird. Wenn der Staat so schlampig und gewissenlos mit den Steuergeldern umgeht, meint man
oft, dann müsse man ihm so wenig geben wie möglich...
Mithin - die Fragen an die Abgeordneten dienten nicht nur dem
Zweck, ihre „Internetfähigkeit“ zu testen, sondern besaßen einen
durchaus ernsthaften Hintergrund. In anderen Kreisen waren
längst entsprechende Problemfelder erkannt und diskutiert worden.
Langsam wurde es jedoch Zeit, mal wieder etwas Bewegung in
die „Volkvertreterbefragung“ zu bringen.
Im übrigen hatte sich auch das „Lichtlein am Ende des Tunnels“ als flüchtiges Glühwürmchen entpuppt. Die Jungdemokraten waren offenkundig eifrig dabei, in die Fußstapfen von
Schlendrian und Gleichgültigkeit ihrer Altvorderen zu zielen. Auf
das erste Aufflackern von Antworten folgte tiefes Schweigen im
Walde. Ein Vertreter der Jungen Union, um Adressen von eMail158
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
fähigen Mitgliedern gebeten, fragte erst noch einmal nach dem
Zweck, meldete sich danach aber nicht wieder.
Hervorgetan, wenn auch mit Spätzündung, hatte sich nur noch
der CDU-Abgeordnete Kronberg (siehe unter Dokumentation,
Seite 334). Daneben hatte sich auch noch der SPD-Abgeordnete
Jörg Tauss wieder gemeldet, der offenbar mit dem eMailInstrument (direkter Wechsel in die Antwortfunktion beim Lesen)
gut umzugehen wußte.
Es bestand Anlaß zur Annahme, daß die „eMailfähigen“ Abgeordneten des Deutschen Bundestages eingehende Mail von Referenten oder höchstselbst nur ausgeben ließen, um sie auf einen
großen Haufen zu werfen. Bemerkenswert war, daß die Delegation an Referenten oder durch diese an andere Stellen in nicht einem einzigen Fall zu irgendeinem Ergebnis geführt hatte. Die
Anfragen waren bei diesen Leuten einfach untergegangen.
Am 8. Mai 1996 wurde deshalb ein Strich gezogen. Die Abgeordneten hatten an diesem Tage einen ganzen Monat Zeit gehabt,
sich in irgendeiner Weise zu melden oder gar konstruktiv nützlich
zu machen. Einen Monat Zeit zu lassen, wäre selbst bei Benutzung der „Schneckenpost“ (üblicher Briefverkehr) eine angemessene Frist gewesen. Zunächst hatte ich selbst mir eine Grenze von
zwei Wochen gesetzt. Das war schon sehr großzügig. Die „Online-Legende“31 Günther Leue hatte mir einen wesentlich kürzeren Zeitraum als angemessen genannt (sie Seite 137).
Nun waren aber mehr als vier Wochen vergangen. Das veranlaßte mich, den Abgeordneten
„Dank auch für Nichtstun“
zukommen zu lassen. Das Schreiben ging am Abend des 8. Mai
1996 über GeoNet hinaus:
31
In der Einladung der Leipziger Messe zu einer Pressekonferenz am
3.6.1996 wurde Günther Leute mit diesem Attribut als Referent angekündigt.
159
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
waehrend ich dieses zu Bit und Byte bringe, ist der 8. Mai
1996, 21:00 h.
Vor genau einem Monat habe ich Sie per eMail angeschrieben oder anzuschreiben versucht (am 8.4.96).
Von den angeschriebenen und mit etlichen Fragen "bombardierten" Abgeordneten haben weniger als eine Handvoll meine
Fragen beantwortet.
Etliche Abgeordnete haben die Beantwortung der Fragen delegiert. Aber danach ist keine weitere Reaktion zu verzeichnen
gewesen.
Den wenigen Abgeordneten, die mir geantwortet und mit ihren Antworten geholfen haben, einen schwierigen Problemkomplex journalistisch zu beleuchten, danke ich SEHR herzlich. Ich druecke ihnen meine Hochachtung davor aus, wie sie
ein neues technisches Medium adaptiert und in ihre Arbeit eingebunden haben.
Ganz besonders danken moechte ich aber jenen Abgeordneten, die ueberhaupt nichts von sich haben vernehmen lassen
oder die meine Fragen zwar delegiert, aber sich anscheinend
nicht davon ueberzeugt haben, ob der/die Beauftragte ueberhaupt einen Finger ruehrte.
Ihnen verdanke ich mein besonderes Motiv, ueber Buergernaehe, Effizienz und Verantwortungsgefuehl von Abgeordneten
reflektieren zu koennen und Belege dafuer zu haben.
Das Internet macht es moeglich, innerhalb kurzer Zeit (wenige Minuten) mehr gezielte Informationen zu erforschen, als es
die tagelange Lektuere auch noch so vieler Zeitungen oder
Magazine gestatten wuerde. Somit war es kein Problem, alles
nur Denkbare dazu ausfindig zu machen, was Ihre Parteien
oder bestimmte Personen zu diesem oder jenem Problem oder
gar zu ganz bestimmten Einzelheiten veroeffentlicht haben.
Meine Fragen an Sie sollten vor allem die Frage beantworten,
ob Abgeordnete unabhaengig von "industriell verbreiteter" Information in einem persoenlichen Kontakt mit einem Frage-
160
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
steller noch eine spontane eigene Ansicht zu aeussern vermoegen und auch dazu bereit sind.
Diese Frage ist absolut nicht unwichtig, sondern eher von erheblicher Bedeutung. Sie wurde von ALLEN angeschriebenen
Abgeordneten beantwortet, also auch von denen, die keinen
Finger geruehrt haben. Deshalb gebuehrt auch diesen mein
Dank.
Einen Abgeordneten gibt es, der sich sogar fuer moeglicherweise einmal zu verzeichnende zahnlose Arme vor dem Plenum echauffiert, es aber nicht schaffte, einen freundlichen
Gruss per eMail zu beantworten oder beantworten zu lassen.
Ein anderer Abgeordneter, von Beruf Volljurist mit Befaehigung zum Richteramt, konnte sich zu juristischen Aspekten
meiner Fragen nicht aeussern, weil er sich nicht fuer versiert
hielt.
Diese beiden Bonbons moegen genuegen, Ihnen meine
Suessigkeiten anzudeuten, mit denen ich mein Buch fuer die
Leser ueberfuellen kann.
Persoenlich bin ich sicher, daß eMail und der Zugriff auf Informationen in Netzen eine erhebliche Effizienzsteigerung gerade bei Volksvertretern bewirken koennen, die ihre Arbeit
ernst nehmen, zumal "Suchmaschinen" ihnen helfen koennen,
gezielt, mit grosser Geschwindigkeit und weltumspannend Informationen zu bestimmten Fragen und Themenkreisen zu gewinnen.
Abgeordnete, die solche Moeglichkeiten nicht nutzen und
auch keine Beherrschung der neuen Informations- und Kommunikationsmedien dokumentieren, manoevrieren sich selbst
ins Abseits gegenueber den "besser Informierten", die eine eigene Meinung entwickeln koennen und damit auch mehr eigenes Rueckgrat (wem gegenueber auch immer) und mehr Verantwortung gegenueber denen, von denen "alle Macht"
schliesslich ausgehen soll.
Vertrauen Sie nicht darauf, dass ich mein "Thema jetzt abgefruehstueckt" habe und zum naechsten uebergehe.
Es war einfach zu amuesant, Sie so herausragend kennengelernt zu haben, dass daraus ein Buch entstehen konnte.
161
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
DARAUS! Denn sonst war da nichts.
In der Zeitschrift MENSCH & BÜRO war zu lesen (mir per
eMail zugetragen):
--------------------------"Politik - Netz-Abstinenz.
Der Bundestag hat kein Interesse an Online-Diensten. Selbst
Praesente für den Zugang werden verschmaeht.
Zwar wird der Bundeskanzler inzwischen begriffen haben,
daß mit "Information Highways" keine Strassenverkehrswege
gemeint sind, aber mit der Nutzung dieser modernen Informations- und Kommunikationstechnik ist es in Bonn nicht weit her.
Der Deutsche Multimedia Verband stellte fest, daß nur sechs
von 650 Abgeordneten über einen PC mit Modem verfuegen,
also von der Hardware-Seite her netztauglich sind. Um Ihnen
auf die Spruenge zu helfen, stellte er als Weihnachstspraesent
allen deutschen Volksvertretern die Zugangssoftware für
saemtliche deutschen Anbieter von Online-Diensten zu Verfuegung. Damit sie zukuenftig wissen, wovon sie reden. Und damit
sie sich nicht mehr durch meterdicke Papierstapel wuehlen
muessen, um gezielt an nuetzliche Informationen zu kommen.
Allerdings stiess die freundliche Geste auf keinerlei Resonanz.
Auch das ist ein deutlicher Hinweis auf den "Standort Deutschland"."
--------------------------Wer so ein "Praesent" noch ungenutzt liegen hat und nicht
benoetigt, moege es mir bitte schenken. Vielleicht hat der
DMMV es so geschnuert, dass es nur mit wissenschaftlicher
Akribie aufgedroeselt werden kann. Davon wuerde ich mich
gern ueberzeugen.
Und: Nochmals herzlichen Dank!
Mit freundlichem Gruss
M.L.Schuermann
eMail:
[email protected]
162
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
[email protected]
HomePage:
http://users.aol.com/bitsnfun/index.html
Eine der ersten Reaktionen (neben den üblichen Zustellmeldungen der Systeme) war auch eine der interessantesten:
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfangen am:
Empfänger:
59614925GEOD
INTERNET:[email protected]
Returned mail: Host unknown
09-05-96, 05:15:19
09-05-96, 07:00:13
GEOD:M.L.SCHUERMANN
To: [email protected]
Cc: [email protected]
Subject: Returned mail: Host unknown
----- Transcript of session follows ----550 HOME=/ (TCP)...
550 Host unknown
554 <[email protected]>...
550 Host unknown (Valid name but no data [address])
----- Unsent message follows -----
Genosse Scharping hatte sich entweder absentiert und einen anderen Server mit seinen eMail-Interessen betraut, oder aber sein
Server bzw. sein „Host“, bei dem sein Server zu Gast war, spielte
verrückt.
Bis zu diesem vorläufigen Abschied von den Abgeordneten war
reichlich Zeit gewesen, ihnen und ihrem Tun im Internet nachzustellen.
Stoff gab es reichlich, und es stellte sich wie nie zuvor in meiner
Lebenserfahrung heraus, daß die Parteien im Produzieren von
Wörthülsen und Standpunktpapieren ungeheure Energien verpulverten. Was ich alles an Pressemitteilungen und sonstigen Verlautbarungen fand, spülte mir die Festplatten voll wie nie ein Ereignis zuvor.
163
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
SPD: „Eckpunkte einer innovativen Politik sozialstaatlicher
Reformen“ (siehe: „Aufschrei der Karpfen“, Dokumentation Seite
343).
Die PDS stellte auf ihrer Begrüßungsseite gleich ihr 5-PunkteProgramm vor, das hier nicht wiedergegeben wird. In den Sitzungsprotokollen des Bundestages war auch die Rede des Vorsitzenden der Gruppe der PDS, Dr. Gregor Gysi, zu finden, die sich
durchaus zu lesen lohnt (siehe Seite 356). Nur hatte es der große
Vorsitzende nicht nötig, auf einen kurzen eMail-Gruß wenigstens
auch einmal kurz zu antworten32. Allerdings hatte sich seine Genossin Christa Luft kurz gemeldet, weshalb sie gleich an dieser
Stelle referiert werden soll. Die Fragen zu den Antworten finden
sich an anderer Stelle (z.B. ab Seite 52); hier nur die Antworten:
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfangen am:
Empfänger:
5965867GEOD
INTERNET:[email protected]
Bildung
03-05-96, 13:41:00
03-05-96, 14:36:55
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Received: from mail.Germany.EU.net 192.76.144.65
by GEOD.Geonet.De; Fri, 03 May 1996 14:36:47
- Header gekürzt X-mailer: Pegasus Mail for Windows (v2.23)
Sehr geehrter Herr Schuermann,
> bitte gehen Sie davon aus, dass ich alle wesentlichen Aussagen Ihrer...
32
164
Die Bitte um ein Redeprotokoll wurde erst ganz spät und in einer die
PDS blamierenden Weise beantwortet (siehe Seite 403). Die Reden
(nicht nur von Gysi) waren längst aus den kompletten Bundestagsprotokollen bekannt.
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
vielen Dank fuer Ihre Zeilen, die mich per E-Mail
erreichten. Ihre Fragen moechte ich wie folgt beantworten:
zu 1)
Das gegenwaertige Bildungssystem mit dem gegliederten Schulwesen ist in keiner Weise geeignet, die
Absolventen auf die Anforderungen der Berufswelt
vorzubereiten. Die PDS plaediert fuer eine Bildungsreform mit folgenden Leitkriterien:
- Sicherung von Chancengleichheit durch Foerderung
statt Auslese.
- Ueberwindung des mehrgliedrigen Schulsystems.
- Differenzierung verschiedener Bildungsformen nach
neuen oekologischen, interkulturellen, feministischen und wissenschaftlichen Schwerpunkten.
- Soziale Oeffnung und gegenseitige Durchlaessigkeit verschiedener Bildungsformen.
- Recht auf freie Berufswahl und zukunftssichere
Ausbildung einschliesslich der Moeglichkeit des
Zugangs zum Studium nach erfolgreicher Ausbildung.
- Sicherung von Moeglichkeiten fuer lebenslanges
Lernen durch Schaffung differenzierter Formen
der Aus- und Weiterbildung.
zu 2)
Grundsaetzlich nein. Es ist sogar noch weiter zu
fragen, ob ueberhaupt das System der Festlegung
bzw. die Modalitaeten der Berufsordnung in dieser
Weise noch lange funktionieren koennen.
zu 3)
Nein, siehe Frage 2.
Fragen 5 und 6:
Nein, und zwar nicht, weil die Umschueler zu unwillig sind, sondern weil das Bildungssystem am Beschaeftigungssystem vorbeigeht bzw. das Beschaeftigungssystem grundsaetzlich neu strukturiert werden
muss (siehe PDS-Material zum oeffentlich gefoerderten Beschaeftigungssektor).
Mit freundlichen Gruessen
165
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Christa Luft
-Prof. Dr. Christa Luft, MdB
Bundeshaus, 53113 Bonn
Da kann man zur PDS stehen, wie man will - sie ist eine vielen
Menschen der früheren DDR sehr nahestehende Partei, und man
muß mit ihr im Gespräch bleiben (oder das Gespräch mit ihr suchen), um ihre Vorstellungen zu hinterfragen und zu begreifen
(nicht sie einfach abzutun) und auch ihr eine vermehrte Aufmerksamkeit für die eigenen Vorstellungen abzuringen. Alles andere
wäre eine Konservierung des Grabens, der sich unübersehbar zwischen den alten und neuen Bundesländern aufgetan hat. Die PDS
weiter zu behandeln wie bisher, sie etwa auch im Bundestag nicht
mehr zu sehen, würde nur die Gefahr heraufbeschwören, daß sie
sich völlig auf die Länder der früheren DDR konzentriert, um von
dort her die BRD revolutionär aufzurollen. Dabei mag ihr die Geschichte sogar in die Hand spielen, zumal das gesamte Sozialsystem der BRD in höchstem Maße gefährdet ist, denn „wir haben
die zurückliegenden zwanzig Jahre in diesem Bereich weitestgehend verschlafen“, wie es Meinhard Miegel vom IWG33 feststellte.
Er ging geflissentlich darüber hinweg, wer in dieser Zeitspanne
überwiegend die Regierung stellte.VII
Da die Gewerkschaften keinen politischen Streik ausrufen können, weil der rechtswidrig wäre, könnte es gerade der PDS zupaß
kommen, wenn die Reichen in der BRD weiter geschont, die Armen weiter gedrückt und gleichzeitig Unsummen an Steuergeldern weiterhin für Prestigeprojekte verbraten werden. Sollte es
dann auch nur an einer einzigen Stelle zu einem Teilzusammenbruch des bestehenden Systems kommen (beispielsweise einer Abschlagzahlung auf Renten statt ihrer vollen Überweisung), würde
die PDS zum Angriff blasen und vor allem der dann als „mitverantwortlich“ angeprangerten SPD die Wähler abzunehmen versuchen.
33
166
Leiter des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) in Bonn
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Während dieses Kapitel fortgesetzt wurde, fuhren sich im Bundestag die Abgeordneten wegen eines technologischen Großprojektes an die Kehle, dessen enormer Milliardenaufwand überhaupt
noch nicht solide zu kalkulieren ist. Es ging um den Transrapid,
der sich mit ziemlicher Sicherheit in die Reihe der Milliardengräber Brüter Kalkar und Kugelhaufenreaktor Uentrop einfügen und
noch viele Beatmungskosten vor seinem rostigen Begräbnis verursachen wird. Der Vorwurf im Plenum, daß die Regierungsparteien
wohl am Gängelband der Industrie ihre Entscheidung zum
Transrapid fällen werde, schien nicht aus der Luft gegriffen. Und
es war die Rede davon, nach dem von der Regierung kurz zuvor
präsentierten „Horrorkatalog für soziale Kürzungen“ sei diese
geplante Verschwendung von Steuergeldern unglaublich.
Unglaublich war auch vieles von den Argumenten, die im Bundestag für den Bau des Transrapid vorgetragen wurden. Da hätte
man in manchen Fällen besser im Kaffeesatz lesen oder eine
Münze werfen sollen, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Was während der Bundestagsdebatten Ende April und nun Anfang Mai 1996 im Plenum wahrzunehmen war, schmiegte sich
flüssig an den Eindruck, den ich von den Abgeordneten insgesamt
anhand der Erfahrungen bei meiner Befragung gewinnen mußte.
Geht es nicht mehr darum, Probleme zu analysieren, unter
möglichst präzise und ruhig abgewogenen Aspekten zu betrachten, gegebene und neue Notwendigkeiten auf einen möglichst erträglichen Nenner zu bringen, Gerechtigkeit zu fördern und dabei
soziale (und auch christliche) „Werte“ zu beachten? Oder geht es
vielmehr darum, sich auf den Schädel zu hauen, „parteiprogrammatische“ Festlegungen wie Naturgesetze zu verteidigen, den
Gegner niederzumachen und sich selbst ständig als Erlöser anzupreisen?
Geht es in der Hauptsache nur noch darum, eine „Klientel“ zu
„bedienen“, wobei jene Klientel am besten abschneidet, welche
sowieso die meisten Mittel der Macht besitzt?
167
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Stehen die Parteien, die Interessenverbände und die Kirchen mit
ihren unzähligen Organisationen in der Landschaft nur noch herum wie Hydepark-Redner auf ihren Kisten, um ihr Latein herunter zu beten, ohne sich noch um die Interessen der Gesamtheit des
Publikums zu kümmern? Gibt es überhaupt keine Gesamtheit
mehr? Besteht das „Volk“ nur noch aus „Interessenclans“, die sich
gegenseitig zu befehden und auszubeuten trachten?
Wir wollen hier nicht weiter fragen und auch keine Antworten
suchen. Ab Seite 177 sind ja noch viele Fragen und Aspekte aufgeworfen, wobei insbesondere ab Seite 204 eine vorher schuldig
gebliebene Antwort gegeben wird.
Gönnen wollen wir uns nur noch eine Nachlese zu dem auch
von Dr. Peter Glotz herausgestellten SPD-MdB Siegmar Mosdorf,
der nichts wieder hatte von sich hören lassen. Dabei ist er doch der
Vorsitzende der Enquête-Kommission, auf die so gern verwiesen
wird und deren Büro nach Auskunft des Büros von MdB Friedrich
nicht einmal einen eMail-Anschluß besaß (siehe Seite 280).
Zu dieser Kommission sollen hier einige Informationen folgen,
weil die anstehenden Fragen einfach zu wichtig sind. Sie stammen
aus dem Netz (woher sonst):
Enquetekommission des Bundestags
Bonn - Die seit langem umstrittene Enquetekommission34 des
Bundestags zum Thema Informationsgesellschaft soll nun
rasch eingesetzt werden. Möglich macht das eine von Rudolf
Scharping und Joschka Fischer beschlossene "rot-grüne Koalition".
Handstreichartig will SPD-Chef Scharping die Enquetekommission realisieren. Den Entwurf ließ er den verdutzten Abgeordneten seiner Fraktion in der vergangenen Woche zuleiten, noch
vor der Sommerpause will er den Antrag im Bundestag behan34
168
Fehlerhafte Schreibweisen entsprechen fehlerhafter Darstellung im
Internet!
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
delt sehen. In den Geschäftsführungen beider antragstellender
Fraktionen rechnet man "mit nur leichtem Widerstand" aus den
Reihen der Regierungskoalition. Die Mitglieder der Kommission
"Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" sollen die
"künftige Entwicklung der elektronischen Medien und Informationstechnologien" abschätzen. Dabei geht es auch um rechtliche Grundlagen und Möglichkeiten der wirtschaftlichen Nutzung. "Die geplante Enquetekommission wäre ein Riesenschritt
nach vorn, um in die längst überfällige Diskussion über die globale Informationsinfrastruktur einzusteigen", meint SPDNetzpolitiker Jörg Tauss.
Marie-Ann Maushart/Peter Welchering (Computerzeitung)
Anmerkung: Es handelte sich um den Antrag der Fraktionen
SPD und Bündnis 90/Die Grünen: Einsetzung einer EnquêteKommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft
- Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" gemäß Bundestagsdrucksache 13/1782 (23. Juni 1995).
Gegen den Schachzug der Opposition hatte sich der rührige
CSU-Bundestagsabgeordnete Friedrich gleich mit einer Presseerklärung aufgebäumt:
[Dr. Gerhard Friedrich, MdB]
Pressedienst CDU/CSU
29. September 1995
Friedrich: Keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Datenautobahn zur Informationsgesellschaft zulassen.
Nach einem ersten Gespräch mit der SPD über den Antrag von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen, eine Enquete-Kommission
"Multimedia" einzurichten, erklärt der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Dr. Gerhard Friedrich
MdB:
169
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Die erfolgreiche Fortentwicklung unserer Industriegesellschaft
wird nur gelingen, wenn wir in der Lage sind, neue Techniken
schnell einzusetzen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die
Bundesminister Dr. Jürgen Rüttgers und Dr. Wolfgang Bötsch
sind sich einig: Bei der Entwicklung neuer Informationstechnologien in Sachen "Multimedia" haben wir eine Chance, technologisch eine Spitzenstellung in der Welt zu erobern. Diese
Chance müssen wir nutzen. Wir können sie nur nutzen, wenn
rechtliche Barrieren zügig abgebaut werden.
Mit ihrem Antrag auf Einsetzung einer Enquete-Kommssion
macht die SPD deutlich, daß "Multimedia" auch für sie ein
wichtiges Thema ist. Die Experten der CDU/CSU-Fraktion fragen sich allerdings, ob eine Enquete-Kommission, die jahrelang
tagt und Sachverständige befragt, die notwendigen Entscheidungen und technischen Entwicklungen nicht eher behindert.
Außerdem stellen wir fest, daß es zu diesem Thema schon unzählige Untersuchungen, Gutachten und wissenschaftliche
Empfehlungen gibt. Wer den Fragenkatalog der SPD liest, gewinnt den falschen Eindruck, daß wir uns hier noch auf unerforschtem Gelände bewegen.
CDU und CSU werden es ertragen, daß es im Parlament Minderheitenrechte gibt. Dazu gehört auch das Recht, die Einsetzung einer Enquete-Kommission zu erzwingen. Deshalb sind
wir bereit, zu versuchen, einen gemeinsamen Fragenkatalog zu
erarbeiten. Bei der ersten Kontaktaufnahme mit der SPD haben
wir aber deutlich gemacht: Drängende Entscheidungen z. B. im
Bereich der Telekommunikation, Korrekturen im Patentrecht,
eine Änderung des Urheberrechts und des Arbeitsrechts, können nicht so lange zurückgestellt werden, bis die neue Enquete-Kommission kurz vor der nächsten Bundestagswahl ihre
Empfehlungen vorlegt. Wahrscheinlich werden wir uns darauf
einigen, daß dringende Fragen kurzfristig beantwortet werden.
Außerdem muß der umfassende Fragenkatalog der Oppositionsparteien deutlich entschlackt werden. Es hat keinen Sinn,
Fragen zu stellen, die die Wissenschaft längst beantwortet hat
oder die die zuständigen Minister auf Wunsch der Opposition in
den zuständigen Ausschüssen jederzeit beantworten können.
170
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Konkret haben wir unseren Gesprächspartnern in der SPD folgende Änderungswünsche vorgetragen:
1. Wir sollten uns nicht zu lange mit einer Bestandsaufnahme
aufhalten.
2. Es macht wenig Sinn, wenn Abgeordnete und Sachverständige monatelang prüfen, für welche Angebote eine Nachfrage
besteht. Die CDU/CSU-Fraktion will, daß nicht staatliche Unternehmen, sondern Wirtschaftsunternehmen neue Dienstleistungen anbieten. Es ist dann auch Aufgabe der Unternehmen
selbst, einzuschätzen, welche Nachfrage auf dem Markt besteht.
3. Bei einigen Fragen im vorliegenden Antrag kommt eine pessimistische Tendenz zum Ausdruck. Wir leugnen nicht, daß
auch die neuen Informationstechnologien mit Risiken verbunden sind. Schon bei der Formulierung der Fragen muß aber
deutlich werden, daß die neuen technischen Lösungen auch eine Chance bieten, Probleme zu lösen und Arbeitsplätze zu
schaffen.
4. Bei "Multimedia" können wir nicht mehr in bisheriger Weise
zwischen Rundfunk und Fernsehen auf der einen Seite und
Einsatzmöglichkeiten des Computers unterscheiden. Deshalb
ist es dringend erforderlich, den Rundfunkbegriff neu zu definieren.
5. Die Informationsgesellschaft wird wegen ihrer neuen Informationsangebote auch Auswirkungen auf den politischen Willensbildungsprozeß, die Arbeitsweise in Parlamenten haben.
Schon jetzt erreichen einzelne Abgeordnete Anfragen von Mitbürgern nicht mehr über die Post, sondern über elektronischem
Weg. Wir sollten deshalb auch untersuchen, wo die Chance
besteht, den politischen Willensbildungsprozeß zu verbessern
und ob eventuell die Gefahr besteht, daß mächtige Medienkonzerne einen unangemessenen Einfluß auf die Meinungsbildung gewinnen.
6. Wegen des Entscheidungsbedarfs schon in nächster Zeit
wollen wir auch wissen, welche gesetzlichen Barrieren wir in
Deutschland schnellstmöglich abbauen müssen, um auf dem
weltweiten Informationsmarkt mitmischen zu können.
171
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
7. Es war schon immer unser Ziel, im ländlichen Raum im Verhältnis zu Ballungsgebieten gleichwertige Lebensverhältnisse
anzubieten. Wir wollen deshalb wissen, ob elektronische Telekommunikationstechnologien geeignet sind, dort z. B. das kulturelle Angebot zu verbessern und Arbeitsplätze zu schaffen,
die über Datenleitung mit einer weiter entfernten Firmenzentrale in der Großstadt verbunden ist.
Den Vorsitz der Kommission hatte sich Siegmar Mosdorf erobert. Ihn finden wir - um endlich einmal eine Aussage von ihm
zu haben - im Protokoll einer Online-Diskussion wieder. Dazu
auszugsweise und erhellend aus dem Transkript dieser OnlineDiskussion vom 01.02.1996:
<Mosdorf> Guten Abend - Ich begrüße die Internet-Community...
Ich bin seit gestern Vorsitzender der neuen Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Zukunft der Medien in
Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg zur Informationsgesellschaft. Und ich möchte schon jetzt alle Internet-User
herzlich einladen, an unserer Arbeit in den nächsten zwei
Jahren mit Vorschlägen mitzuwirken. Neben mir sitzt unser
Kommissions-Mitglied Jörg Tauss, der in der Community schon
bestens bekannt ist und der mit mir und 10 anderen KollegInnen aus dem Deutschen Bundestag und 11 unabhängigen
Sachverständigen die wichtigsten Gestaltungsaufgaben auf
dem Weg in die Informationsgesellschaft in den nächsten
Jahren bearbeiten wird. Sie/Ihr könnt mich auch wie hier üblich
mit "Du" anreden. Das besonders deshalb, weil ich glaube, daß
die User von heute die Jusos von morgen sind ;-)
<Mosdorf> Moderator: der erste Fragesteller kann kommen...
<Mosdorf> .... Der Weg in die Informationsgesellschaft ist ein
ökonomisch, sozial und kulturell steiniger Weg und wird am
leichtesten von den Jungen gegangen, wenn man ihre Medienkompetenz rechtzeitig stärkt. Deshalb meine ich, sollten wir
172
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
schon jetzt damit anfangen, die Schulen und Hochschulen
möglichst rasch ans Internet zu bringen, ich bin übrigens auch
der Auffassung, daß wir mit den Herstellern so wie in den USA
über die Unterstützung eines solchen Programms reden sollten.
Für eine besonders wichtige Maßnahme halte ich auch den Anschluß der Jugendhäuser in Deutschland, aber ich kann mir
sehr wohl auch vorstellen, daß ältere Menschen sich noch in
das Netz einklinken und die Vielfalt der neuen technologischen
Möglichkeiten auch mit Neugier verfolgen.
....
<Mosdorf> Weitere Vorschläge und Fragen könnt Ihr per Mail
direkt an mich schicken - in wenige Minuten wird sie mit auf der
Liste der per E-Mail erreichbaren Abgeordneten des Pilotprojekts abrufbar sein.
Offensichtlich hatte sich Mosdorf schon auf ein gemütliches Zusammensein „in den nächsten Jahren“ eingestimmt. Im Internet
war einen Monat später noch ein aufschlußreicher Hinweis darauf
zu finden, was die Kommission bis dahin geleistet hatte:
6. März 1996
Doris Barnett
Doris Barnett, Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion in der
Bundestags-Enquête-Kommission zur Zukunft der Informationsgesellschaft erklärt:
Mit einer zweitägigen Klausursitzung hat die Enquête-Kommission zur Zukunft der Informationsgesellschaft jetzt ihre Arbeit
aufgenommen. Das Ziel der Enquête-Kommission ist es, die
rechtlichen und politischen Weichen für den Aufbruch
Deutschlands in das Informationszeitalter zu stellen.
Auf der Klausursitzung haben alle Mitglieder der aus allen
Fraktionen zusammengesetzten Enquête-Kommission ihre Arbeitsschwerpunkte benannt. Doris Barnett wird sich schwerpunktmäßig mit den Auswirkungen der neuen Informationstechnologien auf die Arbeitswelt und die Arbeitsplätze befassen.
Hierbei wird es u.a. um Fragen wie Telearbeit, Arbeit in Satel-
173
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
litenbüros oder die Auswirkungen der durch Kommunikationstechnologien entstehenden neuen Formen der Selbständigkeit
bzw. Scheinselbständigkeit auf die sozialen Sicherungssysteme
gehen.
Nach Auffassung von Doris Barnett müssen die rechtlichen und
politischen Rahmenbedingungen in Deutschland so gestaltet
werden, daß durch die Einführung dieser innovativen Informations- und Kommunikationstechnologien mehr neue Arbeitsplätze geschaffen werden als durch den technischen Wandel
verloren gehen.
Wie so häufig war ein Problem durch die Einsetzung einer
Kommission erst einmal vom Tisch. Und sollte es wieder auftauchen, konnte man es bequem durch den Hinweis auf die noch
ausstehenden Ergebnisse der Kommission wieder abschütteln.
(Informationen zu Mosdorf siehe Seite 374.)
Doris Barnett geb. Frenzel, Jahrgang 1953, „Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion in der Bundestags-Enquête-Kommission zur Zukunft der Informationsgesellschaft“, wurde noch im Mai, also geraume Zeit nach Einsetzung der Kommission, trotz
intensiver Suche nicht mit einer eigenen eMailAdresse im Netz gefunden.
Und hier die
„Sterbeurkunde“
zum Pilotprojekt:
6. September 1996
Nach einjähriger Laufzeit endet das Pilotprojekt mit dem
heutigen Datum.
Die Seiten der Abgeordneten werden weiterhin auf diesem
Server abzurufen sein. Ob und inwieweit die beteiligten Abgeordneten ihre WWW-Seiten in privater Initiative fortführen werden, entscheidet sich Anfang Oktober.
174
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
Wir danken allen beteiligten Abgeordneten für ihre Teilnahme sowie den Nutzern für das positive Feedback im vergangenen Jahr.
Lutz Lademann
Thomas Sümmerer
Nach gebührender Wartefrist und Geduld bohrte ich Anfang
Dezember 1996 im Netz nach Auskünften über den Verlauf des
MdB-Pilotprojektes.
Der Erfolg war betrüblich. Zwei Tage vor Nikolaus meldete sich
der Nachlaßverwalter des Projektes über GeoMail:
Hallo,
> eigentlich lief das Projekt ja erst Anfang 96
richtig an. Dann entschlief es nach "einjaehriger"
Laufzeit. Dann sollte irgendeine Aussage ueber den
Verlauf kommen.
Das Projekt ist im September 1995 angelaufen und nicht Anfang 1996. Es war auf eine einjährige Laufzeit angesetzt, und
die endete halt im September 1996. Es existiert bisher eine
Beta-Version einer Auswertung, die aber seit dem Sommer vor
sich hinschlummert, da die beiden Initiatoren seitdem ihren Lebensunterhalt anderweitig verdienen müssen.
> Anscheinend ist es beim Dahinscheiden ohne besonderen Nachruf geblieben...
Der "besondere Nachruf" meinerseits ist in der OktoberAusgabe der Zeitschrift "pl@net" nachzulesen.....
Gruß
Thomas Sümmerer
Kommentar eigentlich überflüssig. Aber es muß doch die Frage
gestellt werden, ob das MdB-Projekt nur den Sinn einer ABM-Ak-
175
„ANTWORTEN“ UND ANTWORTEN
tion für „Initiatoren“ war, die nun „ihren Lebensunterhalt anderweitig verdienen müssen“...
176
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Abrißbirne über Standort Deutschland?
T
rauer anlegen oder in die Hände spucken und etwa
unternehmen? - Wo ist das eine oder andere erkennbar... - Trauer schickt sich gewiß für all diejenigen, die
an christlich-soziale Demokratie geglaubt, sich auf die
Parteien verlassen und nur immer den Schnabel nach versprochenen Wohltaten hochgereckt haben. Sie erhalten jetzt die Quittung
für ihre Leichtgläubigkeit, Wohlstand schiene wie die Sonne und
die Parteien machten das Wetter. In die Hände spucken mag derjenige, der noch nicht in Trägheit ertrunken und dessen Intelligenz nicht schon vor dem Malen von Kreuzchen erschöpft ist.
Vielen Menschen steht das blanke Entsetzen im Gesicht, wenn
man ihnen die Maske des Maulheldentums behutsam abnimmt.
In der Süddeutschen Zeitung vom 16.1.1996 drückte sich Hermann Unterstöger sehr vornehm aus mit dem Titel „Furcht vor
Kriminalität und Arbeitslosigkeit“. Nach dem Untertitel „Zukunftsangst nicht mehr 'grün' gefärbt: Das Hemd ist den Deutschen wieder näher als die Jacke - jedenfalls geben sie's offen zu“
spekulierte er: „Was läge näher, als einen Beitrag über die Zukunftsängste der Deutschen philosophisch zu intonieren. Freilich
wäre man damit schnell am Ende seiner Erörterungen, weil nämlich die meisten Ängste, so betrachtet, keine Ängste sind, sondern
Fürchte - pardon: keine Angst, sondern Furcht. Die Angst als geistiges Phänomen ist (mit Heidegger zu reden) die das Dasein des
Menschen, sein Selbst, erschließende Grundbefindlichkeit des
Sich-Ängstigens vor seiner, des Menschen, Hineingehaltenheit in
das Nichts. Ja, so etwa. Die Furcht hingegen ist objekt- oder situationsbezogen, mithin ein wesentlich handfesterer Zustand als die
Angst. Nichtsdestoweniger haben sich die Zukunftsängste als
Terminus etabliert, und so mögen sie denn auch hier durchgehen:
177
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
als Summe alles dessen, wovor zu fürchten wir Deutschen uns in
diesen Zeiten entschieden haben.“
Da mag er recht haben, der Hermann Unterstöger. Doch in der
Praxis kommt man ohne Heidegger-Philosophie aus. Da genügt
es, Angst ganz klassisch als Appetenz-/Aversionskonflikt zu sehen.
Fürchten kann man alles und jedes, das nicht einmal akut bedroht. Man ist noch nie geflogen, will auch nie fliegen, und trotzdem fürchtet man einen Flugzeugabsturz, will auf keinen Fall etwas damit zu schaffen haben.
Sigmund Freud erwähnte einmal einen Brief von Romain Rollland, in dem die Rede von einem „ozeanischen Gefühl“ war. Dieses kann man nachvollziehen, wenn man sich in einem Boot
denkt, das auf einem glatten bleiernen Meer unter einem eintönigen bleiernen Himmel schwimmt. Man kann keinerlei Himmelsrichtung festlegen und deshalb nicht wissen, in welche Richtung
zu rudern sich lohnen könnte. Freud schrieb über Religion und
machte auf diese Weise deutlich, wo Religionen beim Menschen
ihren Hebel ansetzen, um eine Massenneurose installieren zu
können: Bei diesem Gefühl des Verlorenseins.
Der Appetenz-/Aversionskonflikt aber ist etwas anderes: er ist
unausweichlich. Freud unterfüttert ihn beim Menschen mit dessen Grundhaltung, Leid vermeiden und Glück erlangen zu wollen. So lange Leid nicht erkennbar und Glück nicht fühlbar ist,
mag die „Hineingehaltenheit in das Nichts“ als „ozeanisches Gefühl“ greifen und das Leben als nicht besonders lebenswert erscheinen lassen. Da herrschen Furcht und Angst in Vermählung:
die Furcht vor dem Verlorensein und die Angst als Konflikt zwischen Aversion gegen das Anhalten der Situation sowie Appetenz
als Streben nach einer Änderung der Situation zum Angenehmeren hin.
Furcht kann immer da sein, ohne zu ängstigen. Angst dagegen
tritt unausweichlich ein, wenn etwas Bedrohliches für unsere
Wahrnehmung „greifbar“ wird und unserem „gesunden“ Streben
zuwiderläuft. Wenn man einen Haufen Geld hat, möchte man
178
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
vielleicht spekulieren. Die Appetenz läßt das Wasser im Munde
zusammen laufen beim Gedanken an einen Batzen Gewinn in
kurzer Zeit; die Aversion gegen gleichfalls denkbare erhebliche
Verlusten stellt sich gegen unsere Appetenz und erzeugt Angst als
Konfliksituation.
Jetzt haben wir’s: Liegt der Aversionsgradient über dem der Appetenz, ist die Angst deutlich spürbar, verläuft er aber weit unter
ihm, könne wir die Angst verdrängen oder nicht einmal mehr
spüren. Sollten wir auf unsere Aktienspekulation verzichten, fällt
es uns auch leicht, wie der Fuchs von den Trauben zu sprechen,
die angeblich sowieso zu sauer gewesen wären, auch wenn er sie
hätte erreichen können.
Angst wird zum Streß, wenn sie aufgezwungen wird. Oft ist es
das „Schicksal“, das uns Ängste aufzwingt. Ob man aber die Unzulänglichkeit von Menschen, etwa auch die Fehlleistungen von
Politikern, als „Schicksal“ abtun kann, ist stark bezweifelbar. Bei
den heute oft üblichen „Beziehungskisten“ oder „Seilschaften“,
die Politiker eingehen, bei den nicht immer erkennbaren Interessen, denen sie nachgehen, während sie „Volksvertreter“ sein sollen, kann es auch sein, daß wir es mit „Verrat“ und dadurch mit
dem „Bösen“ zu tun haben, nicht aber mit einem Schicksal.
Schicksal wäre es gewesen, wenn auch alle Leute, deren Handeln
oder Unterlassen für unser Wohl und Wehe entscheidend oder
mitentscheidend sein kann, alles getan hätten, eine Gefahr abzuwenden, statt sie vielleicht sogar selbst herbei zu führen. Doch
wenn kaum bekannte, kaum nachweisliche, aber dennoch maßgebliche Kungeleien oder Nachgiebigkeiten von „Entscheidungsträgern“ uns Nöte und Ängste einbrocken, ist das kein „Schicksal“
mehr.
Deshalb kann man das, was Hermann Unterstöger in der SZ geschrieben hat, fast amüsiert weiterlesen: „Es gab eine Zeit, und sie
liegt noch gar nicht weit zurück, da hatte die öffentlich geäußerte
deutsche Zukunftsangst, die natürlich immer auch Gegenwartsangst war, einen deutlich 'grünen' Hintergrund. Sie war überaus
179
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
weit gespannt, indem sie die Furcht vor der Grundwasserverseuchung durch die benachbarte Deponie ebenso einschloß wie die
vor der Verklappung von Säuren auf den sieben Weltmeeren oder
die vor den Unabwägbarkeiten im Zusammenhang mit dem
Ozonloch. Insofern konnte man von einer wahrhaft globalen Daseinsangst sprechen - von der Sorge um die bedrohte Kröte war es
nie weit bis zum Weltuntergang. Daß diese Angst, bei allem verständlichen Egoismus, deutlich altruistische Züge trug, sei ihr
hoch angerechnet.“ Das ist alles noch leicht zu ertragen, eher weit
weg und nicht als Loch im Portemonnaie erkennbar.
Hermann Unterstöger nahm dann Bezug: „Die Umfrage35 wollte
wissen: 'Wovor haben Sie am meisten Angst, wenn sie an
Deutschland in zehn Jahren denken?' Wie sich zeigt, hat die
Angst, ein offenbar situationsbedingtes Wesen, sich nun auf andere Gegenstände geworfen (wobei natürlich, da der Blick in die
Zukunft verschleiert ist, heute schwer zu sagen ist, ob diese Gegenstände es dereinst durch ausgesuchte Bösartigkeit rechtfertigen
werden, daß man sich ihretwegen jetzt so ängstigt). Die Angst vor
den globalen Gefahren einer fortschreitenden Umweltzerstörung
ist deutlich rückläufig, sie hat binnen fünf Jahren von 62 auf 52
Prozent abgenommen und rangiert nun - gesamtdeutsch - an
dritter Stelle. In Westdeutschland ist sie mit 53 Prozent allerdings
immer noch deutlicher ausgebildet als im Osten (51 Prozent). Sie
nimmt hier den zweiten Rang ein, wohingegen sie in den neuen
Bundesländern erst an fünfter Stelle steht, ausgenommen bei jungen Ostdeutschen, bei denen sie eine ähnlich hohe Relevanz hat
wie bei gleichaltrigen Westdeutschen.“
Langsam kommt uns der Verdacht, daß Angst auch so etwas wie
ein Pingpongball sein mag. Denn: „Da ist, salopp gesagt, viel
Angst frei geworden, und sie hat, wie das wohl ihre Art ist, schnell
wieder Anschluß gefunden. Ihr Hauptthema ist die Kriminalität,
was landläufig gleichbedeutend ist mit steigender Kriminalität;
35
180
Da war wohl eine, die hier nicht näher bakannt ist.
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
das fast gleichberechtigte Zweitthema ist die Arbeitslosigkeit, steigend auch sie. Vor der Kriminalität fürchten sich 59 Prozent, vor
der Arbeitslosigkeit 52 Prozent. In beiden Bereichen ist, in den alten wie in den neuen Bundesländern, die Unsicherheit dramatisch
angewachsen, bei der Kriminalität um 9, bei der Arbeitslosigkeit
gar um 19 Prozentpunkte. Im Osten ist die Angst vor der Kriminalität ausgeprägter als im Westen (71 zu 56 Prozent); es verwundert, daß im Westen nicht nur Ältere diese Angst überdurchschnittlich häufig äußern, sondern auch und noch stärker die 14bis 19jährigen.“
Da es hier offenkundig auch um Ost-/West-Angstverläufe geht,
können wir annehmen, daß Angst (oder „Furcht“) auch Furcht
von Lebenserfahrung sein kann, mal Apfel, mal Birne, aber nicht
Kirsche, wenn einmal Apfel, und auch nicht Tomate, wenn einmal Birne - aber vielleicht blaue Johannisbeere, falls einmal rote
gewesen?
Oder, nach Hermann Unterstöger: „Wird die Angst eines Tages
kein Objekt mehr haben, quasi verwaist dastehen? Nicht einmal
davor braucht man Angst zu haben, denn die Themen, an denen
die deutsche Zukunftsangst sich festmacht, sind vorderhand unerschöpflich. Aus der Reihenfolge, wie die Untersuchung sie an den
Tag brachte, lassen sich Präferenzen ablesen. Auf Kriminalität,
Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung folgen: Rechtsextremismus (44 Prozent), Krieg (42), Gewalt (40), Drogen (39), Terrorismus (39), zu viele Ausländer (30), Kernkraft-Katastrophen (27),
Aids (25), Gentechnik und Armut (je 22), Wohnungsnot (21),
Überbevölkerung und Nationalismus (je 19), Inflation (18), Naturkatastrophen (17), Autoritärer Staat und Kommunismus (je
10), Weltuntergang (7) sowie Kapitalismus (4).“
Unterstöger schloß seine Betrachtung noch um einen Zahn salopper als zuvor: „Wohin der Angst-Hase läuft respektive wie der
Trend ist, ergibt sich indessen nicht so sehr aus dieser Rangliste als
vielmehr aus der Relation der heutigen Zahlen zu den früheren.
Demnach wären die großen Gewinner auf dem Markt der Ängste
181
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
die Arbeitslosigkeit, die Kriminalität, die Gewalt, die Armut und
die Inflation, Themen also, die unmittelbar an die Existenz gehen.
Das Fazit könnte, unfreundlich gesprochen, dahin gehen, daß der
Egoismus seine alten Rechte einfordert. Etwas freundlicher formuliert: Das Hemd ist den Deutschen wieder näher als die Jacke jedenfalls geben sie's jetzt offen zu.“
Für Internet-Surfer nachweisbar bei SZ-ONLINE des Süddeutschen Verlages, einer hervorragend gestalteten Fundgrube.
Alles ganz „easy“, wie es scheint, und „cool“ in den Griff zu
kriegen. Was vielen Menschen den Schweiß ins Gesicht treibt und
permanent den Schlaf raubt, bedarf vor allem der Meßbarkeit.
Nicht daß die Menschen Angst haben, ist so wichtig, sondern in
welchem Verhältnis verschiedener Ängste zueinander. Nicht die
Ursache der Angst wird seziert, sondern der Grad ihrer Wirkung,
als könne man für den Dauerbetrieb noch etwas verändern, aus
dem Verhältnis der Ängste zueinander eine bessere Mischung ableiten, die am Ende aus Ängsten sogar ein Wohlgefühl erzeugt.
Wie war das noch, um was ging es? - Kriminalität, Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung, Krieg, Rechtsextremismus, Gewalt, Drogen, Terrorismus, zu viele Ausländer, Kernkraft-Katastrophen,
Aids, Gentechnik, Armut, Wohnungsnot, Überbevölkerung, Nationalismus, Inflation, Naturkatastrophen, Autoritärer Staat,
Kommunismus, Weltuntergang und Kapitalismus.
Angst vor Miet- oder Hypothekenzinserhöhungen, Angst vor
Partnerverlust, Angst vor Mobbing oder Angst vor plötzlicher und
schwerer Krankheit (und die Raten nicht mehr bezahlen zu können) - für viele Menschen alles tägliche Ängste vor Ereignissen,
die ein Leben völlig aus der Bahn werfen können. Diese Ängste
scheinen nicht bekannt oder unerheblich zu sein. Doch gerade das
sind Ängste, die oft verdrängt werden, die Streß bedeuten und oft
krank machen, zu denen also erheblicher Anlaß bestehen kann.
Was bedeuten dagegen schon eine „Angst vor Terrorismus“,
„Angst vor zu vielen Ausländern“, „Angst vor Kernkraft-Katastrophen", „Angst vor Aids“, „Angst vor Gentechnik“, „Angst vor
182
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Überbevölkerung“, „Angst vor Nationalismus“, „Angst vor Naturkatastrophen“, „Angst vor Autoritärem Staat“, „Angst vor Kommunismus“, „Angst vor Weltuntergang“ oder „Angst vor Kapitalismus“? - Wird nach solchen Ängsten nicht systematisch und mit
breitem Echo in den Medien vor allem deshalb gefragt, damit die
Menschen gerade diese Ängste für wesentlich halten und ihrer eigenen latenten Ängste schämen?
Die sogenannte „Masse“, die „Mehrheit der Bürger“, die „mittleren und unteren Schichten“ nur als Manövriermasse zu betrachten, entsprechend zu beachten und auch zu mißachten,
scheint wohl - wenn man die Ereignisse auf ihren eigentlichen
casus cnactus zurückführt - Usus bei denen zu sein, die - wie man
es so schön umschreibt - „das Sagen“ haben.
Während ich auf die Antworten der Bundestagsabgeordneten
wartete, vertrieb ich mir die Zeit mit verschiedenen Betrachtungen. Die Stichworte für sie holte ich mir aus den drahtlosen und
gedruckten Medien. Und mit diesen Stichworten ging ich „ins
Netz“, um nach weiterführenden Informationen zu suchen. Je
mehr ich auf kritische Beiträge stieß, denen ich sonst nirgends begegnet war, desto mehr fragte ich mich, ob unsere „öffentliche
Meinung“ überhaupt richtig funktioniert. Waren wir nicht längst
auch Opfer einer „Meinungsmacherelite“ geworden? Sind es nicht
immer und immer und immer wieder dieselben Gesichter, aus denen über unzählige Kanäle Meinung verströmt wird, die wiederum Meinung beeinflußt? Sind nicht manche „Neue“ oft nur die
„Alten“, die über ihre Seilschaften ein Comeback geschafft haben?
Als ein „Zeichen“ glaubte ich auch auszumachen, daß nüchterne
Berichterstattung immer häufiger durch Versuche satirischer Betrachtung ersetzt wurde. War dieses auch ein Anhaltspunkt dafür,
daß man die Gegenstände der Berichterstattung als nicht mehr
ernstzunehmen ansah? Gesellte sich zu der Hilflosigkeit, über die
zu berichten gewesen wäre, die Hilflosigkeit in der Berichterstattung selbst? Oder versteckte sich hinter dieser Form des „Berichtens“ eine neue Form des Verschlüsselns?
183
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Um wieder aufzuschließen: Wir werden nachher noch sehen,
daß wir uns bei niemandem entschuldigen müssen, wenn wir ihn
oder sie für „Abschaum“ halten, daß wir aber auch niemandem einen vorschnellen Vorwurf machen sollten, wenn er sich wie „Abschaum“ verhält.
? ? ? - Wie das?
Wir werden es sehen. Nur so viel an dieser Stelle: Wenn eine
Gans den Fuchs einen Mörder schimpft, hat sie wohl recht. Doch
wenn der Fuchs sich eine Gans mopst - was ist daran unnormal?
Sehen wir uns also erst die „Ängste“ an, mit denen in der Öffentlichkeit operiert wird. Nehmen wir sie uns einzeln vor:
„Angst vor Terrorismus“ - was ist das? Ist es die Angst, ins Auto
zu steigen, das anschließend beim Start explodiert? Bei einer Pizza zu sitzen, während das Lokal hochgeht? Beim Verlassen des
Hauses erschossen zu werden? Auf einen Nenner gebracht: Ist es
Angst vor Umständen, die unsere Polizeibehörden nicht mehr im
Griff haben? Und sind die etwa Folgen politischer Entscheidungen von Volksvertretern und Regierungen, die sie gebildet haben?
„Angst vor zu vielen Ausländern“ - was soll denn die? Am
31.12.1994 lebten in der Bundesrepublik 81.538.600 Menschen.
Darunter waren 7.117.700 Ausländer - also 8,73 Prozent. Von denen waren 1.965.600 Türken. Die machten von den Ausländern
27,61 Prozent aus; gegenüber 8,037 Prozent Italienern. Auf elf
Deutsche kommt ein Ausländer. Von vier Ausländern ist einer
Türke. (Zu den Hintergründen siehe auch Seite 364 unter Dokumentation <17>)
Fassen wir „Angst vor zu vielen Ausländern“ und „Angst vor
Terrorismus“ zusammen, wird vielleicht schon eher ein Stiefel
draus.
Wer wollte, konnte in der WELT vom 18.3.96 einen Artikel Von
Stefan Schmitz lesen: "Deutschland ist Hauptfeind Nummer 2"
mit dem Untertitel "Verbotene Kurdische Arbeiterpartei macht
zum Neujahrsfest mobil". Darin berichtete er aus Bonn: „Fanatisierte Kurden prügeln auf Polizisten ein, Tausende Demonstran184
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
ten blockieren für Stunden mehrere Autobahnen - das ist das Szenario, das die Sicherheitskräfte seit Wochen befürchtet hatten und
das jetzt Wirklichkeit wurde. Nach Monaten relativer Ruhe macht
die verbotene Kurdische Arbeiterpartei (PKK) wieder mobil: Für
sie ist Deutschland nach der Türkei der "Hauptfeind Nummer
zwei". Am Donnerstag feiern die Kurden Newroz, ihr traditionelles Neujahrsfest. Schon jetzt stellt sich die Polizei auf neue Ausschreitungen ein.
Die Gewalt geht nur von einem kleinen Teil der in Deutschland
lebenden 500.000 Kurden aus. Der Verfassungsschutz schätzt, daß
die PKK etwa 7.500 Anhänger in Deutschland hat und rund jeder
zehnte hier lebende Kurde zur Teilnahme an PKK-gesteuerten
Demonstrationen bereit ist.“
Kann es nicht sein, daß die sogenannte „Angst vor zu vielen
Ausländern“ in Wahrheit nur eine Abart der „Angst vor Überfremdung“ ist? Ein Viertel der hier lebenden Türken sind Kurden.
Wenn auf elf hier lebende Deutsche nur ein Ausländer kommt weshalb dann diese Doppelangst?
Wer hat beispielsweise Angst vor Spaniern oder Portugiesen, obgleich doch die Spanier ihr eigenes Kreuz mit der bombenden
ETA haben? Wer hat Angst vor Engländern, denen die IRA
schwer zu schaffen macht? Oder vor Franzosen, deren afrikanische Kolonialzeit ihnen heute Probleme nachwirft? Oder vor
Schweizern, Dänen, Belgiern und Schweden? - Wohl kaum jemand.
Anders sieht es aus, wenn man an Polen, Russen, Rumänen, Italiener, Türken, Kurden und „Araber“ denkt.
Wer eine von bestimmten Automarken fährt, kennt sicher auch
den Spruch: „Heute gestohlen, morgen in Polen.“ Von den Russen
ist vornehmlich bekannt, daß sie sich im Rotlichtgewerbe gewalttätig aufführen. Rumänische Banden (angeblich gesteuert von früheren Profis der Securitate) plündern in Deutschland. An den
freundlichen und lebenslustigen Italienern stören nur deren Mafia
und deren Cosa Nostra, unter denen sie selbst leiden. Deren poli185
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
tisches Tollhaus in ihrer Heimat amüsiert uns allenfalls, obgleich
wir auch vernehmen konnten, daß Italiener die EG-Kassen geplündert haben sollen, was wieder uns alle betrifft. Schlimmer
vielleicht: Mafiose Einflüsse und Methoden scheinen sich in der
BRD immer mehr auszubreiten und Schwerpunkte organisierter
Kriminalität zu bilden.
Die Türken machen in Deutschland viele Drecksarbeiten, für
die wir uns zu fein geworden waren und auch heute noch zu fein
sind. Wenn wir uns den vielen Aufforderungen, Türken zu „integrieren“ nicht angeschlossen haben, brauchen wir uns kaum zu
grämen: Wo wollten die Türken denn integriert werden? Wo hokken sie in unseren Kneipen statt in ihren eigenen Teestuben? Sollen wir in ihre Moscheen pilgern oder sie in unseren Kirchen erwarten (in die wir nicht einmal selbst gehen!)? Schotten wir uns
gegen die Türken ab, oder gehen vielmehr die Türken lieber ihre
eigenen Wege? Müssen die in Deutschland lebenden Türken
nicht erst ihre eigenen Generationenkonflikte lösen, ehe sie (nach
unseren Vorstellungen!) integrations„fähig“ werden?
Dann die Kurden. Sie sind ein Volk, dessen Lebensraum sich
über drei Staatsgebiete verteilt, von denen nur eines in der Türkei
liegt. Wir verbinden die Kurden schnell mit der PKK, zu der Stefan Schmitz in der WELT berichtete: „Deutschland ist für die
PKK aus zwei Gründen besonders wichtig: PKK-Aktivisten treiben bei ihren Landsleuten Geld für die militärische Auseinandersetzung in der Türkei ein und rekrutieren neue Mitglieder. Das
Spendenziel lag 1994 bei 30 Millionen Mark. Zugleich versucht
die PKK, die deutsche Öffentlichkeit und die hier lebenden Kurden für ihre Ziele zu gewinnen.“ Für den gemeinen Deutschen ist
der gemeine Kurde ein gemeiner Türke. Dessen Probleme mit der
PKK werden auch in Deutschland zu einem Problem. Kurden
blockieren Autobahnen und tanzen der deutschen Polizei auf der
Nase herum. Man sieht es doch im Fernsehen! Hätten wir keine
Türken hier, hätten wir auch keine Kurden.
186
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
In der WELT vom 18.3.1996 hieß es unter der Schlagzeile „Kinkel nennt Gewalt der Kurden Kriegserklärung“ in einem Bericht
aus Dortmund: „Die Bundesregierung sieht in den Krawallen extremistischer Kurden vom Wochenende eine ernstzunehmende
Herausforderung für die innere Sicherheit. Das Verhalten der
kurdischen Gewalttäter und ihrer Rädelsführer komme "einer
Kriegserklärung an unseren Rechtsstaat gleich", sagte Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) gestern in Bonn.
Der militante Extremismus von Kurden müsse "mit der ganzen
Härte" des Strafrechts rechnen. Die Rädelsführer müßten umgehend in die Türkei abgeschoben werden. Innenminister Manfred
Kanther (CDU) machte die verbotene Kurdische Arbeiterpartei
(PKK) für die militanten Aktionen verantwortlich. Er nannte die
PKK eine "Verbrecherorganisation".“36
Der Stammtischdeutsche macht darauf seinen simplen Reim:
„Die Türken führen ihren Bürgerkrieg in Deutschland und machen uns damit das Leben schwer. Außerdem übervölkern ihre
Blagen unsere Schulklassen. Wenn die Türken dahin gehen, wohin sie gehören, haben wir unsere Ruhe, und unsere Kinder können wieder ordentlichen Unterricht erhalten.“ Er weiß nichts von
dem, was etwa in der Studie der Daimler-Benz-Stiftung erarbeitet
wurde, und wenn er es wußte, hat er es längst verräumt.
Ehe wir weitermachen in unserer Betrachtung wollen wir zu
Seite 184 zurückblättern, wo wir Ängste „auf einen Nenner gebracht“ hatten. Gilt das dort Gesagte auch hier? Eine entsprechende Annahme scheint begründet, wenn man den Bericht der
WELT weiterliest: „Die Politiker reagierten damit auf die schweren Krawalle am Samstag in Nordrhein-Westfalen. Tausende militanter Kurden hatten mit Autobahnblockaden versucht, ihre
Teilnahme an einer verbotenen Großkundgebung in Dortmund
zu erzwingen. Trotz eines massiven Aufgebots auf Fernstraßen,
Bahnhöfen und an Grenzübergängen konnte die Polizei nicht
36
Siehe als Hintergrundinformation Seite 387 unter Dokumentation
187
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
verhindern, daß etwa 4.000 Kurden nach Dortmund kamen. Bei
Demonstrationen wurden dort mehr als 400 Menschen verletzt,
darunter 22 Grenzschutz- und Polizeibeamte.“
Da muß nicht nur dem Stammtischdeutschen angst und bange
werden. „Tausende militanter Kurden hatten ... versucht, ... zu erzwingen.“ Das heißt nach rechtskräftigen Interpretationen zum
deutschen Strafgesetzbuch, daß sie sich mit „vereinter“ Gewalt gegen die „Rechtsordnung“ und damit gegen den „inneren Frieden“
in unserem Land gerichtet hatten. Nach zahlreichen Urteilen, die
gegen ganz kleine Lichter aus den Demo-Szene verhängt worden
sind (z.B. nach Sitzblockaden), hätten diese „Tausende militanter
Kurden“ allesamt in U-Haft genommen, abgeurteilt und für lange
Zeit hinter schwedischen Gardinen sitzen müssen.
Jedoch: Nichts davon. Wer sich am Parkautomaten vorbeimogeln will, darf vielleicht schon fünf Minuten später über eine saftige Verwarnung fluchen. Wer als Kurde Autobahnen blockiert, Polizisten verprügelt, eine „Herausforderung für die innere Sicherheit“ und eine „Kriegserklärung an unseren Rechtsstaat“ produziert37, wird vorwiegend nur fotografiert und archiviert. Bis zum
nächsten mal. So wiederum sieht es der Stammtischdeutsche, weil
er es nicht anders sehen kann. Und wenn er es anders sieht, dann
meistens nur, um es noch besser zu wissen, jedoch mit dem gleichen Ergebnis. Die besten Kandidaten für das Bundeskanzleramt
stehen ja bekanntlich völlig unterfordert an Biertheken...
Überfordert scheint dagegen grundsätzlich zu sein, wer sich in
der Politik herumtreibt.
Was sind überhaupt Parteien?
Wer tummelt sich in ihnen warum herum?
Im Prinzip kann man eine Partei gründen wie einen Karnickelzuchtverein. Die Regeln sind recht einfach zu ergründen und einzuhalten. Auf welche Schikane von Funktionären bereits „eta37
188
Siehe als Hintergrundinformation auch Dokumentation, S. 367
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
blierter“ Parteien man stößt, die ja auch in Amtsstuben hocken, ist
eine andere Frage.
Vereine sind nach Artikel 9 des Grundgesetzes auszurichten
(siehe Seite 372 unter Dokumentation). In ihnen versammeln sich
Gleichgesinnte, die Kaninchen oder Kanarienvögel züchten, vor
Computern herumraten oder Rennen fahren wollen. Sie können
dabei auch „gemeinnützige“ Zwecke verfolgen. Doch sie können
über ihren Verein nicht in die Politik gehen. Wohl aber können
sie, wie der ADAC, der auch bloß ein Verein ist, politischen Einfluß versuchen.
Parteien richten sich nach Artikel 21 des Grundgesetzes (siehe
Seite 374). Wie bei Karnickelzuchtvereinen oder Schützenclubs
kloppen sich diejenigen mit der größten Klappe und den frechsten
Ellenbogen um die Posten. Und sie kriegen sie auch. Wie in kochender Suppe (da nennt man es „Abschaum“) schwimmt in den
Vereinen das am wenigsten Gehaltvolle oft nach oben. Parteien
können Politik machen und dadurch dem Artikel 20 des Grundgesetzes Genüge tun (aaO, Seite 373), wonach alle Staatsgewalt
„vom Volke aus“ geht.
Der Hauptunterschied zwischen Vereinen und Parteien liegt in
der Kompetenz ihrer Mitglieder. Wer Karnickel züchtet und in einen Verein geht, würde sich lächerlich machen, wenn er nichts
von Karnickeln versteht. Wer in einem Computerclub mit anderen
fachsimpelt, sollte sich wohl auskennen. Wer im Schützenverein
sogar König werden will, muß schon ganz schön schießen und
treffen können. Sollte er „den Vogel abschießen“, könnte ihm
auch etwas Reichtum nicht schaden. In einem Briefmarkensammlerverein hat wohl jeder seinen „Michel“ bei der Hand, um
selbst ein braver zu sein.
Und wie sieht es in den politischen Parteien aus, von denen doch
die eigentliche „politische Willensbildung des Volkes“ (also aller
wahlberechtigten Einwohner in diesem unserem Lande) geleistet
wird? Eigentlich sollte man Berichterstattungen von „politischen
Aschermittwoch“-Veranstaltungen oder Parteitagen nicht selten
189
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
lieber unterdrücken. Da könnte breitbeinig eine nasepuhlende und
an der baren Brust stillende Naturverbundene sitzen, um „basisdemokratisch“ über die naturverschandelnde Infamie von Energiewindmühlen oder über Gefahren schon bei der Forschung in der
Gentechnik zu befinden. Oder ein schwitzender Fettwanst haut
johlend mit der Faust auf die rohe Bohle, daß sich der Bierkrug
von ihr schaumspritzend bis zum Zeltdach katapultiert.
Konkret wie in physikalischen oder mathematischen Kolloquien
kann es natürlich in den Parteien kaum zugehen, weil ihr Stoff so
wenig konkret ist. Zu ihm gehören das „Europäische Haus“,
„Werte der freiheitlichen und demokratischen Ordnung“, der
„Schutz der Ungeborenen“, die „Verpflichtung zu menschlichem
Handeln“, das „Hochhalten unserer Ideale und moralischen
Wertvorstellungen“, der „bildungspolitische Rahmen zur Sicherung der Zukunft unseres Volkes“ oder (konkret und ganz frisch
aus der Rede des Kanzlers am 26.4.1996) der „Standort Deutschland für das 21. Jahrhundert“, „durchgreifende Veränderungen in
Wirtschaft und Gesellschaft“, eine „sichere Zukunftsgrundlage für
unsere sozialen Sicherungssysteme“ sowie eine „Politik im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland und der
Schaffung neuer Arbeitsplätze“. Das alles gehört zu griffigen und
nicht einklagbaren Formeln, die sich in den Köpfen der Wähler
kaum verfangen und auch nichts Konkretes auslösen.
Für all das jedoch, was hinter diesen Formeln steht, gehen Leute
in die Parteien? Karnickelzüchter züchten Karnickel und suchen
im Verein nach Verbesserungen. Schützen schießen. Computerfans kungeln und wollen Problemlösungen finden. Vogelliebhaber
basteln an noch schöner singenden Kanarienhähnen. Aber Parteimitglieder? Wollen sie grüner werden, bessere Christen, sozialerer Sozialisten? - Wohl kaum; sie wollen an die Töpfe von
Macht und Moneten, ohne selbst etwas hineinzutun. Irgendwann
wird auch das geduldige Schaf belohnt und bekommt einen lukrativen Sitz in einem Aufsichtsrat oder ein Pöstchen in parteieigenen Unternehmen. Die Füchse indes, die Habichte, die Geier,
190
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
erst recht die Adler, die Wölfe und die Löwen in den Parteien machen große Beute, suhlen sich in Privilegien und schanzen auch
dem Hinterbänkler noch seine Studienreise nach Palavien zu. Experten? - Experten sind sie allemal, und was noch fehlen könnte,
karren die Referenten herbei.
So hat sich, mangels griffiger Masse und problemfähiger Antennen beim Volk, die öffentlich wahrnehmbare Rauflust der Parteien
auf verbale persönliche Attacken reduziert, wie sie in den Parlamenten gang und gäbe sind und auch den Kanzler einschließen,
den politischen Geschäftsführer des Unternehmens Bundesrepublik. Ein mildes Beispiel:
„Wir haben - dies will ich besonders in diesen Tagen in Erinnerung
rufen, wo aus naheliegenden Gründen von bestimmten Kreisen historische Erfahrungen der jüngsten Zeit gerne vergessen oder vernebelt
werden - gleichzeitig in mehreren Schritten in diesen Jahren eine
Steuerreform vorgenommen und die Steuerzahler um rund 60 Milliarden DM entlastet.
(Lachen und Zurufe von der SPD: Aber welche denn?)
- Sie waren ja zum Teil dabei. Wenn Sie dabei waren, wissen Sie: Es
war eine ungeheuer erfolgreiche Politik.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Lachen bei der SPD)
- Meine Damen und Herren, ich habe nicht den Ehrgeiz, daß Sie dem
Satz "Es war eine ungeheuer erfolgreiche Politik" zustimmen, aber die
Wähler haben ihm zugestimmt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
Und so stehe ich immer noch vor Ihnen, und Sie müssen mich immer
noch ertragen. Ihre lauten Zwischenrufe haben Ihnen in diesen Jahren
nichts genutzt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)“
Die Politiker scheinen in einem Raumschiff über dem Volk zu
schweben38, von diesem über die Parteien abgesondert, immun
nicht nur gegenüber dem Gesetz, sondern auch gegenüber ihrer
angedichteten Verbundenheit mit dem Volk an sich. Es muß zu
38
Siehe auch „Der Kanzler - hoch über des Volkes Gewimmel“ - Seite
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denken geben, wenn jemand wie Hildegard Hamm-Brücher mehr
solcher Verbundenheit anmahnt.
Damit wären wir eigentlich auf elegante Weise wieder beim
Hauptthema dieses Buches: bei den Abgeordneten, bei den ihnen
gestellten Fragen, bei ihrer Kompetenz und vor allem bei den von
ihnen nicht gegebenen (jedoch geschuldeten?) Antworten. Doch
gehen wir zunächst noch weiter fremd, um unseren Denkapparat
etwas zu ölen.
Bleiben die „Araber“, die wir im Zusammenhang mit den Kurden fanden. Sie gehören in eine Angstkategorie „Internationaler
Terrorismus“. Von dieser Sorte Gewaltanwendung und Mißachtung menschlichen Daseinsrechtes sind die Medien fast täglich
voll. Neben einigen Verrückten oder Verzweifelten, die sich mal
eben ein Flugzeug kapern, um ihr Taschengeld aufzubessern oder
ihre Tante aus dem Knast zu pressen, sind es vor allem verschiedene fanatische Kampfgruppen aus dem arabischen Lager, die
Angst verbreiten können. Da mag man durchaus nach Palma de
Mallorca einsteigen und in Beirut oder sonstwo landen, um sich
von tobenden Karl May-Figuren schurigeln lassen zu müssen.
Das ist schlimm. Oft fehlt uns die Urteilskraft, überhaupt abwägen zu können, ob diese Leute sich für etwas „Gutes“ oder etwas
„Schlechtes“ einsetzen. Tun die Terroristen Unrecht, indem sie
sich gegen Unrecht wehren? Wer tut überhaupt wem Unrecht an?
Über wieviele Jahre hat Arafat international Terror verbreitet und
auch den Tod Unschuldiger (wer wäre denn überhaupt „schuldig“
gewesen?) verantwortet, um dann auch noch den Friedensnobelpreis zu erhalten? Müßte da nicht, wie in einer Kneipe zu hören
war (jaja, die Stammtischdeutschen...!), jeder Dieb, jeder Mörder
belohnt statt bestraft werden, wenn er mit dem Staat einen Handel
macht und aufhört zu stehlen oder zu morden?
Man faßt es nicht...!
„Angst vor Drogen“ (siehe Seite 182) - das klingt schon wieder
konkreter. Doch wer soll vor Drogen Angst haben? Der Vater, weil
er drogensüchtig werden könnte? Oder die Mutter, weil sie hero192
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insüchtig werden könnte? Fliegen Drogen einfach herum, daß
man sie versehentlich einatmen könnte? Nein, aber die Kinder,
die noch labilen und unreifen, mit ihren eigenen und von den Eltern oft nicht wahr- oder enrstgenommenen Problemen, könnten
verführt und abhängig werden? Sie selbst - eben noch unreif und
labil - mögen die Gefahr abtun und bei anderen alles für möglich
halten, nur nicht bei ihnen selbst - doch dann, schwupps, ist es
passiert: der gute Freund oder die gute Freundin haben auf einer
Party kosten lassen.
„Angst vor Kernkraft-Katastrophen“, die muß man tatsächlich
haben. Offenkundig haben Politiker mit der Kernkraft gespielt wie
mit Streichhölzern, obgleich sie wissen mußten, daß es Streichhölzer und nicht etwa Murmeln. Aber sie hatten so zu tun, als sei
Feuer wie Wasser, weil andere ihr Geschäft damit machen wollten.
Oder war es anders? Wenn die Kernkraft unabwendbar notwendig
war, wie kann es dann salonfähig sein, Überlegungen zu einem
Ausstieg aus der Kernenergie auch nur zuzuhören? Oder ist das
Gerede vom „Ausstieg aus der Kernenergie“ auch nur eines der
Ablenkungsmanöver, mit denen in Wahrheit nur bewirkt werden
soll, daß das Ungeliebte als scheinbar „nur noch vorübergehend“
weiter bestehen kann?
Es hat rund 50.000 Jahre gedauert, bis aus dem Urmenschen das
wurde, was heute vom Sofa aus über Satellitenkanäle zappt, mittels Tastatur und Bildschirm die ganze Welt über das Internet bereist, per Düsenjet „mal eben“ für ein Wochenende nach Mallorca
zu einer Kegeltour aufbricht oder über Jahre vor der gesamten
Weltpresse mit bequemen Tötungsmaschinen eigene Landsleute
barbarisch hinmetzelt.
Diese „hochzivilisierten“ Menschen sollen nun die nächsten
50.000 Jahre damit verbringen, die Gräber für Atommüll absolut
sicher zu bewachen und dafür zu sorgen, daß niemand zu dem
Müll und der Müll in keiner Weise zu den Menschen dringen
kann. Das kann wohl nur derjenige als ernsthaft in den Raum
stellen, der innerlich bereits davon ausgeht, daß der Menschheit
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ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
nicht einmal mehr ein Bruchteil dieser 50.000 Jahre auf diesem
Globus beschieden ist.
„Angst vor Aids“ kann nur haben, wer selbst Anlaß dazu schafft
oder unbedacht vorgeht.
„Angst vor Gentechnik“ mag haben, wer nicht weiß, was Gentechnik ist. Der größte Gentechniker aller Zeiten war und ist die
Natur selbst. Wenn wir Menschen die Fortsetzung und Potenzierung unserer kulturellen Evolution auch darin sehen wollen,
daß wir geistige Arbeit von Maschinen verrichten lassen und industrialisieren, warum soll dann im biologischen Raum eine Grenze
gezogen sein? Wer und mit welcher Kompetenz schürt oder verharmlost diese Angst vor Gentechnik?
„Angst vor Überbevölkerung“ äußern wohl ausgerechnet jene
Bevölkerungsteile, deren politische Vertreter (demokratisch oder
nicht) alles daran gesetzt haben, die Überbevölkerung anzuheizen.
Eine riesige Industrie von Hilfsorganisationen lebt davon, „arme“
Menschen aus ihren traditionellen Lebenssphären herauszureißen, ihnen Anschauungen, Lebensweisen und Hilfsmittel anzupreisen und „helfend“ aufs Auge zu drücken, die nur in hochindustrialisierten Lebensräumen Bestand haben können. Da werden
Babys, die sonst nach der Geburt gestorben wären, durchgepäppelt, bis sie nach wenigen Jahren mit Storchenbeinen und aufgeblähten Bäuchen dennoch krepieren. Zeugungsfähige Männer
und gebärfähige Frauen, die unter den „normalen“ Bedingungen
ihres ethnischen Lebensraumes untergegangen wären, können
sich dank fremder Hilfe (Einmischung) vermehren und neue Not
zeugen, die sich vermarkten läßt.
Wo wäre denn Anlaß zu einer „Angst vor Überbevölkerung“,
wenn die Welt in der Mitte des 19. Jahrhunderts stehen geblieben
wäre? Wo wäre sie, wenn es die Medien nicht gäbe, mit deren
Hilfe sich „Not“ so mitleidheischend darstellen läßt und die Industrie der Hilfsorganisationen auf volle Touren gebracht werden
kann? Und wo wäre unsere Angst, daß Biafra über Gibraltar nach
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ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Europa einmarschieren könnte, wenn wir unseren Wohlstand
nicht via Satellit in die Welt strunzen würden?
„Angst vor Nationalismus“ - Was soll das überhaupt sein? Hat
man erst gefragt, ob jemand weiß, was Nationalismus ist oder was
man darunter zu verstehen gedenkt? Wer einen Thesaurus seiner
Textverarbeitung bemüht, findet als Ersatz für „Nationalismus“
die Worte Patriotismus, Heimatliebe oder auch Vaterlandsliebe.
Und fragt er für „Patriotismus“ nach, kann er auf Nationalbewußtsein, Nationalstolz und Nationalismus stoßen.
„Angst vor Kommunismus“ - wer hat die noch?
„Angst vor Kapitalismus“ - die muß man freilich haben, wenn
man davon ausgeht und teilweise schon miterlebt, daß er sich ungehemmt austoben kann. Dazu werden wir noch verschiedene
Aspekte in diesem Buch sehen.
„Angst vor Autoritärem Staat“ - wohl wahr: eine sehr begründete
Angst... - belegt sogar durch den Kanzler Kohl. Zwei Sätze aus
seiner Rede am 26.4.1996: „Die Menschen in Deutschland haben
längst begriffen, daß wir echte, durchgreifende Veränderungen in
Wirtschaft und Gesellschaft brauchen, um mehr Wachstumsdynamik zu ermöglichen und Beschäftigungshemmnisse zu beseitigen.“ - „Um mehr Arbeitsplätze aufzubauen, müssen wir den
Standort attraktiv machen, die Belastungen der Wirtschaft abbauen, Steuern, Abgaben und Lohnkosten senken, überflüssige Regulierungen beseitigen, rascher die notwendigen Innovationen auf
den Weg bringen und vor allem die Arbeitswelt flexibler machen.“
Bei den überflüssigen Regulierungen hätte der Kanzler auch sagen
können, wer diese Regulierungen denn eingeführt hatte und auch
mit Zwang durchzusetzen bereit war. Andere hätten ihm vielleicht
sagen können, ob die Überflüssigkeit vieler Regulierungen nicht
schon vor der Einführung beklagt wurde. Man kann einen
„Standort attraktiv machen“ nur dann, wenn er attraktiv nicht ist.
Aber wer ist seit 1 ½ Jahrzehnten dafür verantwortlich, daß er unattraktiv wurde? Wenn man dazu „die Belastungen der Wirtschaft
abbauen“ muß - wer hat sie denn wuchern lassen? Falls man
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„Steuern, Abgaben und Lohnkosten senken“ muß - wer hat sie
denn so exorbitant klettern lassen?
„Angst vor Autoritärem Staat“ beinhaltet sicher auch eine „Angst
vor zu viel Staat“. Die wiederum dürfte gekoppelt sein mit Angst
vor fehlerhaftem und dünkelhaftem Staat, der sich vornehmlich in
Willkür mediokerer Bürokraten austoben kann. Nirgendwo haben
„Fehler“ oder eher schädliche als nützliche Normen so heftigen
und folgenreichen Bestand wie dort, wo sie mit Macht und heimlichen Interessen verquickt sind und an biederen Bürgern ausgelassen werden. Die Verselbständigung eines Systems, wie es auch eine Regierung samt ihrer sie tragenden Parteien sein kann, wuchert
offensichtlich proportional oder gar exponentiell mit ihrem zeitlichen Bestand. Übermut tut selten gut, hat jedoch anscheinend
große Ausdauer.
Ist die einzige noch wirksame „Opposition“ in vielen Fällen nur
noch die Furcht vor der öffentlichen Blamage durch die Medien?
Ist die Politikverdrossenheit der Bürger, ist deren Mißtrauen gegen
den Staat nicht längst in einen offenen Krieg eingemündet, in dem
der Staat unbotmäßige Bürger zusammenknüppeln läßt? Hat jemand die Gorleben-Bilder im ZDF gesehen, auf denen die Polizei
einen Bauern aus seinem Trecker zerrte, nachdem sie diesen erst
demolierte hatte? Konnte der behinderte Wasserwerfer nicht um
den Trecker herumfahren?
„Politik“ und „Demokratie“ werden in Wahrheit gehandhabt
wie eine Religion, die sich um die materiellen Belange der Bevölkerung kümmern soll, während deren seelisches Heil einschließlich Dämpfung der „ozeanischen“ Ängste Angelegenheit der Kirchen ist. Eine Arbeitsteilung, notwendig und nützlich, weil Völker
größer sind als Familien, die unter einem Dach wohnen, unhandlicher als ein Clan, der auf einer Länderei hockt, und schwerer zu
managen als ein Stamm.
Dem religiösen Fanatismus, mit dem im Morgenland gepredigt,
beschlossen, gehandelt und gekämpft wird, steht bei uns die wilde
Entschlossenheit der Politik gegenüber, einmal zementierte Be196
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stimmungen und Verfügungen mit allen Mitteln zu realisieren.
Dabei knüppeln auch schon mal Polizisten, die als private Bürger
ebenso denken und fühlen wie ihre Opfer, gnadenlos auf Gesinnungsbrüder ein. Die Uniform verlangt es so. Ihnen steht nicht zu,
darüber nachzudenken, ob die Grenze von Unrecht, hinter der
Ungehorsam und Widerstand zur Pflicht werden können, vom
Staate selbst vielleicht schon überschritten ist. Jeder Bürger, der
sich über die Ajatollahs und Mullahs lustig macht oder über den
starken Durchgriff des Islam in der morgenländischen Politik mokiert, sollte sich an seine abendländische Nase fassen: Wieviele
Entscheidungen hängen bei uns vom religiösen Etikett ab, das
Vorgängen und betroffenen Personen aufgeklebt ist? Warum gibt
es evangelische Krankenhäuser, katholische Schulen oder konfessionelle Vorgaben bei der Besetzung von Pöstchen? Wieso gibt es
„christlich-soziale“ oder „christlich-demokratische“ Parteien?
Wir sehen in den fundamentalistischen Strömungen bei den
Moslems nur deshalb eine Gefahr auch des Überschwappens in
unseren Kulturraum, weil wir unterschwellig davon wissen, wie
sehr Religion bei uns selbst zum bloßen Etikett verkommen ist.
Dagegen führen uns die täglichen Nachrichten vor, wie sehr der
Islam das gesamte Leben der Moslems durchzieht, wie sich die
Gläubigen bei ihren Ritualen zu Boden werfen, mit welchem Feuereifer ihre Autoritätsfiguren den „heiligen Krieg“ beschwören.
Ebenfalls unterschwellig ahnen wir, daß unsere Verbundenheit
mit Religion nicht mehr taugt, dagegen an zu halten. So bleibt uns
nur das Ausweichen auf „Recht und Ordnung“, von denen wir
ebenfalls ahnen, daß sie längst zu einem käuflichen Gut für Privilegierte geworden sind. „Angst vor Autoritärem Staat“ mag deshalb vor allem auch als Angst vor Rechtlosigkeit und sozialem Abstieg zu interpretieren sein.
Die „Angst vor Naturkatastrophen“ bedarf wohl kaum eines
Kommentars. Wer sein Haus am Rhein unterhalb der höchsten
Überschwemmungsmarken der letzten Jahre baut, ist einfach
dumm. Wer sein Haus nicht erdet und auch keinen Blitzableiter
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ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
montiert, ist dumm. Schon die Bibel rät, nicht auf Sand zu bauen.
Und wer trotz heraufziehenden Unwetters in karstiges Gebirge
aufbricht, ist dumm. Um ein Haus auf Sylt zu kaufen, sollte man
schon ein anderes haben. Aber wer alle nur denkbare Vorsicht
walten läßt, ist nicht sicher davor, das Opfer einer Naturkatastrophe zu werden. Die Gefahr ist je nach Region stärker oder schwächer; gänzlich auszuschließen ist sie nicht.
Doch weshalb werden Menschen zur Skalierung ihrer Ängste
ausgerechnet nach der „Angst vor Naturkatastrophen“ gefragt?
Um durch die Menge möglicher Ängste von jenen Ängsten abzulenken, die wirklich von Bedeutung wären und gegen die man
durchaus etwas tun könnte?
Bleibt noch die „Angst vor Weltuntergang“. Die gab es wohl
immer schon.
Allerdings ist jetzt die Möglichkeit eines selbstgemachten Weltunterganges hinzugekommen, für den der liebe Gott nicht verantwortlich wäre. Denn „verantwortlich“ dafür, wenn sich diese
Welt irgendwann ins Weltall sprengt oder unbewohnbar würde,
wären die Menschen selbst und von diesen nur eine einzige bestimmte Clique: die Politiker. Ihnen kann man nur zugute halten,
daß sie ja möglicherweise „vom Volk gewählt“ waren und daß das
Volk mit ihnen das bekommen hatte, was es verdiente („Denn die
allerdümmsten Kälber wählen ihre Henker selber.“).
Da wäre es direkt eine elegante und durchaus akzeptable Lösung, wenn den Politikern ein Komet oder ein ausreichend großer
Meteor zuvorkäme und hinter diese Welt einen Punkt schriebe.
Der würde die Politik daran hindern, nicht auch noch das
schlimmste Verbrechen an der Menschheit zu begehen. Wegen der
nicht geringen Wahrscheinlichkeit, daß diese Welt nicht dazulernt
und die Konsumgeilheit der Menschen Oberhand behält, könnte
ein „natürlicher“ Untergang der Welt eher wünschenswert erscheinen - er würde alle mitnehmen und nicht einer privilegierten
Schicht noch ein vorübergehendes Schlupfloch lassen...
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ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Doch wo taucht die „Angst vor Schwarzarbeit“ auf? Na, wo ist
sie denn? Wurde sie geflissentlich nicht abgefragt, etwa weil zu
viele hochherrschaftliche Unternehmer davon profitieren? Oder
hat sie sich in der „Angst vor zu vielen Ausländern“ versteckt, etwa
vor den Polen auf Baustellen der Bundesregierung? - Aber wo ist
sie denn dort bewußt?
Dabei ist Schwarzarbeit - ob nun von findigen Unternehmern
illegal organisiert oder von cleveren Einzelgängern praktiziert die schlimmste Art asozialen Verhaltens, die es überhaupt gibt. Sie
„klaut“ legale Arbeitsplätze und bestiehlt die Staatsfinanzen.
Oder die „Angst vor Steuerhinterziehern“? - Nun aber Punkt! Steuerhinterzieher - und zwar ein erfolgreicher - wäre man ja
wohl selbst gern, wenn es genug zu versteuern gäbe. Tatsächlich
ist es so, daß sich Steuerhinterziehung am meisten lohnt, wenn
man viel verdient. Und das ist vor allem etwas für die „dicken Fische“, an die - so glauben die meisten - sich keiner herantraut.
Dem scheint zu widersprechen, was man zum Beispiel über
Steffi Grafs Einkommen und Vermögen vernehmen konnte. Dieser Fall taugt aber nichts als Alibi für die Finanzbehörden. Im Visier steht nämlich Steffis Vater. Wer mag den schon...! Eine undurchsichtige Sexaffäre, Verschleuderung von Steffis Geld als
Schweigegeld für ein uneheliches Kind, das dann aber gar nicht
von ihm war. Steffis Abhängigkeit von diesem Kerl. Wer also
mochte schon diesen „miesen Typen“?
Da war es für die Finanzbehörden ein leichtes Spiel, den krummen gräflichen Steuertouren mit großer Publizität nachzugehen,
ohne ein nationales Symbol - „unsere Steffi“ - dabei zu beschädigen. Das Signal - „Seht, wir machen vor niemandem halt, wir pakken jeden!“ - war gesetzt. Die Bürger sollten glauben, daß die
Steuer ohne Ansehen der Person von jedem eingetrieben wird, der
sie schuldig bleibt.
Und dann auch noch diese Steueraffäre in Niedersachsen! Da
hatten doch tatsächlich mit Hilfe einer Bank, die der niedersächsischen Landesregierung nicht gerade fern steht, reiche Leute ihr
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ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Geld ins Ausland zu einem luxemburgischen Ableger gescheffelt.
Dummerweise kam die Steuerfahndung ins noble Geldhaus,
stellte Akten sicher und begann ihre Ermittlungen. Rund ein Jahr
später schrieb die Bank ihre Kunden an und teilte ihnen mit, der
Staatsanwalt habe mit der Auswertung der Akten und der Einleitung von Strafverfahren begonnen.
Und was passiert? - Reihenweise zeigen sich Steuerhinterzieher
selbst an. Wer sich selbst anzeigt und die hinterzogenen Steuern
nachzahlt, kann nämlich damit rechnen, ohne Strafe davon zu
kommen. Mithin waren die „schlauen“ Steuerhinterzieher nichts
anderes als wiederum schlau. Lieber zahlen, was man sowieso
hätte zahlen müssen, als später bestraft zu werden, jetzt ebenfalls
zahlen zu müssen, aber zusätzlich noch etwas aufgebrummt zu
bekommen.
Später zog die WestLB (Westdeutsche Landesbank in Düsseldorf) nach, die sich den Besuch von Staatsanwaälten und den Abtransport von riesigen Aktenbergen einhandelte.
Die Grafs bekamen Gesellschaft von anderer Prominenz: Die
„Schreinemakers live“-Moderatorin war mit ihrer verschachtelten
Unternehmensdschunke auf deutsches Steuerriff gelaufen. Aber
als sei es ein Naturrecht, durch den Druck verschiedener Briefbögen und durch die Gewerbeanmeldungen in verschiedenen Staaten Millionen bei unveränderter Geschäftslage am Staat vorbeizuschleusen, wollte diese Briefkastentante der Nation sogar im Fernsehen öffentlich Beschwerde führen. Dadurch kam es zu der Premiere einer Senderabschaltung: SAT1 machte das nicht mit...
Wie sagte Gregor Gysi in seiner Rede vor dem Bundestag (siehe
Seite 343)? - „Bei den sozial Schwächeren in unserer Gesellschaft
wird immer gesagt, wir brauchen neue Gesetze, um den Sozialmißbrauch in diesem oder in jenem Falle auszuschließen. Da sitzen ganze Expertengruppen und denken darüber nach, wie man verhindern
kann, daß irgendwo in Hamburg oder in Erfurt eine Sozialhilfeempfängerin 10 DM zuviel bekommt. Aber bei den Vermögenden
argumentieren Sie immer umgekehrt. Da sagen Sie: Wir können die
nicht höher besteuern, denn dann halten die sich nicht an die Geset-
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ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
ze; dann beschäftigen sie die Dienstmädchen eben schwarz, oder sie
begehen Kapitalflucht; und bevor die kriminell werden, schenken wir
es ihnen lieber. Das ist Ihre Argumentation, die Sie hier im Ernst anbieten.
(Heiterkeit und Beifall bei der PDS -- Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]:
Was wissen Sie schon von Kapitalflucht? Mein Gott!)
Mit diesem Argument können Sie auch den Diebstahlsparagraphen
abschaffen, weil er häufig verletzt wird. Das ist wohl keine sehr günstige Ausgangsposition, die Sie hier gewählt haben.
Natürlich gibt es Kapitalflucht. Wissen Sie was? Dann besteuern Sie
doch endlich die Kapitalflucht! Steuern heißen Steuern, weil man damit steuern kann. Wenn Sie nicht wollen, daß das Kapital ins Ausland
geht, dann machen Sie den Gang des Kapitals ins Ausland steuerpflichtig. Dann bricht Ihre ganze Argumentation zusammen, die Sie
hier anbieten, wenn es um höhere Steuern für wirklich Reiche und
Vermögende geht.“
Der kleine Mann auf der Straße fragt sich immer wieder, auf
welche Weise derart viele Leute so viel Geld scheffeln (und dazu
anscheinend auch noch „schwarz“), daß sie ungezählte Millionen
ins Ausland verschieben können, und warum der Staat so wenig
tut oder so wenig Erfolg vorzeigt, diese Leute als das zu fangen
und zu brandmarken, was sie in Wahrheit sind: Diebe. Und er
sagt sich, daß wahrscheinlich alle unter einer Decke stecken, der
Staat, „die Politiker, die die Gesetze machen“, die Industriebosse,
die prominenten Steuerberater und Juristen, ja sogar manche
Fachminister höchstpersönlich mit ihrem Machtwort, wenn endlich einmal herauskommt, daß auch große Geschäftsbanken bei
der Kapitalflucht lukrativ mitgemischt haben.VIII
Der kleine Mann faßt sich an den Kopf und wählt jene Leute
wieder, denen er sogar den größten Betrug am Wähler zutraut.
Nach „Angst“ vor den Folgen von Steuerhinterziehung oder von
Schwarzarbeit zu fragen, scheint sich jedoch nicht zu lohnen...
Oder auch die durchaus begründete „Angst vor Rentenverfall“.
Nach ihr wurde nicht gefragt. Die WAZ brachte auf ihrer Titelseite am 7.5.1996 die Schlagzeile „Kohl gibt keine Garantie für die
Rente“. Monate und Jahre zuvor war immer nur die Rede davon,
die Renten seien „sicher“. Nachdem aber die aufgehäuften Reser201
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
ven der Beitragszahler für Leistungen geraubt wurden, die eigentlich vom Steuerzahler, also vom ganzen Volk hätten erbracht werden müßten, war die Sicherheit dahin, bemühte sich die Regierung, den Einzahlungszeitraum zu strecken und die Leistungen
zu kürzen.
Warum etwa sollen die Renten, die im Zusammenhang mit Naziverbrechen an Juden fällig wurden, ausschließlich von den Söhnen und Enkeln der Täter aufgebracht werden, die Arbeitnehmer
sind? Warum nicht vom ganzen Volk, auch von den Unternehmern und insbesondere von den behördlichen Amtsträgern, die
heute oft schon wieder viel näher an „Schuld“ sind als die kleinen
Leute, die sich höchstens auf dem Stimmzettel kreuzigen?
Warum auch zum Beispiel sollen Renten für neu erworbene
Bürgermillionen des jetzigen deutschen Volkes nicht aus dem
Volksvermögen insgesamt gezahlt werden, statt nur aus den Kassen der Arbeitnehmer, die sich jetzt (mit Recht?) bestohlen fühlen.
Wer plündert oder schont da wen und aus welchem (nicht sichtbaren) Grund?
Daß es gerade für vorausplanende Sparere noch schlimmer kommen würde, war lange nicht sichtbar. Es gibt Bürger, die dem
Aufruf des Staates gefolgt sind und für ihr Altenteil in Aktien „erster Adressen der deutschen Wirtschaft“ investiert haben. Am 7.
September 1996 äußerte sich die Westdeutsche Allgemeine: „Die
Aktionäre fühlen sich gerupft. Über 20 Firmen streichen die Körperschaftssteuer-Gutschrift.“ Völlig legal gewährten etwa die Degussa AG oder die Allweiler AG diese Gutschrift nicht mehr, weil
sie ihre Dividende „nur noch aus Erträgen von Auslandstöchtern
ermöglicht, weil im Inland nichts mehr läuft oder weil man wegen
eines steuerlichen Verlustvortrages keine Ertragssteuern zahlen
muß“. Folge: „Vor allem für Rentner und Pensionäre, die auf regelmäßige Dividenden-Einkünfte gebaut hatten, wirkt sich das so
aus, daß sie gezwungen sind, ausgerechnet an ihrem Lebensabend
den Gürtel enger zu schnallen.“
202
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Den Ausflug in das Angstrevier der Bundesbürger haben wir uns
geleistet, um einmal zu beleuchten, was als Problem dargestellt
wird, als sei es mehr oder weniger abhängig von einem Wettergott,
in Wirklichkeit jedoch zu den vielfältigen Früchten gehört, die von
Politikern produziert wurden.
Weitergehend wollen wir jetzt aber wirklich nach der Antwort
auf die Frage fahnden, ob „das Netz“ an dem sichtbaren Schlamassel etwas ändern kann. Von den vollmundigen Ankündigungen wissen wir ja noch (Seite 23). Aber nach all dem, was sich
später zeigte, muß es eine Ursache dafür geben, daß Abgeordnete
mit Internet-Zugriff nur mit Ausnahmen auch nicht mehr taugen
als Abgeordnete ohne.
Warum? - Diese Frage habe ich mir auch gestellt und sie weitergegeben. Was nutzen lichtschnelle Medien, wenn sie die Schnekkenpost (auch als snail mail bezeichnet) auf den Schreibtischen
nicht überholen?
Zunächst muß hier an eine Meinungsäußerung von Günther
Leue (Seite 137) erinnert werden. Man „trägt“ halt eine InternetAdresse, weil es Mode zu sein scheint; man „schmückt“ sich damit. Doch wer dem alten Mailbox-Guru Leue Parteilichkeit vorwerfen will, mag sich lieber auf das stürzen, was in der Presse gemeldet und via Mailbox weitergereicht wurde (bereits zitiert auf
Seite 162):
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfänger:
5965349GEOD
GEO9:G.LEUE
Für Dich gefunden .. (in Mensch &
Büro 2/96)
03-05-96, 12:10:16
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Hallo Manfred:
Für den Fall, daß Du das nicht schon für Deine
Sammlung hast ... die nachfolgende Notiz fand ich
gestern während einer Bahnfahrt in der ausgehängten
Zeitschrift MENSCH & BÜRO.
203
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
„Politik - Netz-Abstinenz.
Der Bundestag hat kein
Diensten. Selbst Präsente
verschmäht.
Interesse an Onlinefür den Zugang werden
Zwar wird der Bundeskanzler inzwischen begriffen
haben, daß mit "Information Highways" keine Straßenverkehrswege gemeint sind, aber mit der Nutzung
dieser modernen Informations- und Kommunikationstechnik ist es in Bonn nicht weit her. Der Deutsche
Multimedia Verband stellte fest, daß nur sechs von
650 Abgeordneten über einen PC mit Modem verfügen,
also von der Hardware-Seite her netztauglich sind.
Um Ihnen auf die Sprünge zu helfen, stellte er als
Weihnachtspräsent allen deutschen Volksvertretern
die Zugangssoftware für sämtliche deutschen Anbieter von Online-Diensten zu Verfügung. Damit sie zukünftig wissen, wovon sie reden. Und damit sie sich
nicht mehr durch meterdicke Papierstapel wühlen
müssen, um gezielt an nützliche Informationen zu
kommen. Allerdings stieß die freundliche Geste auf
keinerlei Resonanz. Auch das ist ein deutlicher
Hinweis auf den "Standort Deutschland".“
Gruß
Günther
Reicht das? - Es muß reichen. Es hätte keinen Sinn, nun noch
weiter zu machen. Doch ganz fertig mit dem Ausflug zur neuen
Wolke 17 der Bundestagsabgeordneten sind wir noch nicht.
Jetzt ist noch das Versprechen von Seite 184 („Wie das?“) einzulösen.
Dazu kann es ganz nützlich sein, sich erst einmal die Rede von
Rudolf Scharping anzusehen, die er am 8. Mai 1996 bei einer aktuellen Stunde im Bundestag hielt:
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das Wort dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Rudolf Scharping.
Rudolf Scharping (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte diesen einmaligen parla-
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ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
mentarischen Vorgang festhalten, daß die Regierungsfraktionen jede Debatte über ihre eigenen Vorschläge verweigern.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der
PDS)
Ich finde es eine grobe Mißachtung des Parlaments und einen
politischen Skandal ersten Ranges, daß sich ein nicht zuständiger Minister, was sein gutes Recht ist, in Interviews zur Rentenversicherung äußert, einem Teil der Debatte beiwohnt, dann
flugs durch die Türen verschwindet
(Zurufe von der CDU/CSU)
-- oh, Entschuldigung, Herr Seehofer -- und dem Parlament jede Antwort auf die Frage verweigert, was denn nun mit der
Rentenversicherung, dem sensibelsten Thema des Sozialstaates überhaupt, in Zukunft geschehen soll. Unerträglich!
(Lebhafter Beifall bei der SPD -- Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und bei der PDS)
Ich finde es unerträglich, daß sich der Bundesfinanzminister
vor der Jungen Union in Bayern äußert, dem Deutschen Bundestag aber jede Antwort auf die Frage verweigert, was seiner
Ansicht nach in Zukunft mit der Rentenversicherung geschehen
soll.
(Lebhafter Beifall bei der SPD -- Beifall bei der PDS sowie bei
Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde es unerträglich, daß bestimmte Mitglieder der Regierungskoalition Zeit haben, sich morgens ins Fernsehstudio zu
setzen, aber nachmittags dort, woher sie ihre Bezüge erhalten
und wo sie Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und
Wählern zu tragen haben, jede Antwort auf die Frage verweigern, was sie in Zukunft mit der Rentenversicherung vorhaben.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der
PDS)
Ich finde es unerträglich und einen politischen Skandal ersten
Ranges, daß sich Mitglieder dieses Hauses von einer Fraktionsführung den Mund verbieten lassen, nach der Methode: Wir
wollen erst einmal in Kommissionen reden.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der
PDS)
205
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Wie Sie mit Ihrem Selbstbewußtsein umgehen, das ist nun
wirklich Ihre Sache. Aber die Rentnerinnen und Rentner in
Deutschland, die Wählerinnen und Wähler -- das deutsche Volk
-- haben Anspruch darauf, daß in diesem Parlament von denen, die die Mehrheit haben, gesagt wird, was sie vorhaben,
und daß sie offen darüber reden, anstatt jede Debatte zu verweigern. Das ist empörend, es ist unerträglich, es ist eine Mißachtung des Parlaments, es ist eine Mißachtung der Wählerinnen und Wähler!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der
PDS)
Wenn der Bundesarbeitsminister sagt, er halte an der lohnbezogenen und beitragsfinanzierten Rente fest, dann nehme ich
das ernst und zur Kenntnis.
(Dr. Heiner Geißler [CDU/CSU]: Der ist zuständig!)
-- Wer bei Ihnen zuständig ist! Herr Kollege Geißler, dazu will
ich Ihnen eines sagen: Zuständig ist offenbar überhaupt niemand mehr; es quatscht jeder bei dem sensibelsten Thema
herum. Und auch Ministerpräsidenten, die etwas sagen könnten, halten im Parlament den Mund und äußern sich draußen.
Ob Herr Blüm in dieser Koalition noch irgend etwas zu sagen
und zu beeinflussen hat, daran habe ich angesichts der Gesetze, die Sie vorlegen, erhebliche Zweifel.
(Beifall bei der SPD und der PDS)
Deswegen möchte ich für die SPD-Fraktion festhalten: Die politische Auseinandersetzung nicht im Parlament, nicht durch
Diskussion, nicht durch Argumente und nicht durch Information
der Bürgerinnen und Bürger zu suchen, sondern mit allerlei Interviewäußerungen Verunsicherung und Angst zu säen und den
Menschen allerlei Hinweise zu geben, ohne konkret zu sagen,
was geschehen soll, ist ein Verhalten, das sich selbst richtet.
Sie haben die Wählerinnen und Wähler belogen; Sie haben die
Rentnerinnen und Rentner betrogen. Wir werden darauf hinwirken, daß Sie die Quittung dafür bekommen.
Es ist -- ich wiederhole es -- unerträglich, wie Sie sich im Parlament verhalten.
(Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)
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ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Es ist auch nicht hinnehmbar, daß sich die Bundesregierung in
dieser Weise verhält. Wenn Sie so weitermachen, ruinieren Sie
die Glaubwürdigkeit politischer Institutionen, nicht nur Ihre eigene -- das könnte uns egal sein.
(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD -- Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Da geht also jemand hin, und beklagt immer und immer wieder,
daß etwas „unerträglich“ ist und nennt es einmal „empörend“. Er
spricht von grober Mißachtung, von einem politischen Skandal ersten Ranges. Er wirft der Regierung vor, sie habe „Wählerinnen
und Wähler belogen“, auch habe sie „die Rentnerinnen und Rentner betrogen“. Das hält er für „nicht hinnehmbar“ und schließt
mit der Anklage, daß die Regierung „die Glaubwürdigkeit politischer Institutionen“ ruiniere.
Daraufhin bricht nicht etwa ein Hexenkessel im Bundestag los,
geht nicht etwa die Regierung hin und wehrt sich, schilt sie nicht
den Redner als unverantwortlich, zieht sie ihn nicht zur Rechenschaft für seine Vorwürfe. Was folgt, hatten wir schon. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch beendet den Meinungsaustausch: „Die
Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer
heutigen Tagesordnung.“
Sind die Politiker auf der Regierungsbank verrückt geworden?
Hat die Opposition durchgedreht? Wird tatsächlich nur noch gelogen und betrogen?
Minister Blüm wurde zum Eiertänzer, der mit therapeutisch
modulierender Stimme den kleinen Leuten beizustehen schien
und ihnen mit Gesetzesänderungen die Faust ins Gesicht schlagen lassen mußte. Minister Seehofer gerierte sich wie ein Chef, für
den Blüm nur noch den Laufburschen abzugeben schien. Nicht
das offene und ehrliche Wort im Parlamentsdialog, sondern ge-
207
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
streute Hinweise und Verunsicherungen vor den Medien schienen
die Informationspolitik der Regierung auszumachen.
Genau hier setzte Scharping an, nachdem auch andere Redner
der Regierung Verschlagenheit, Unaufrichtigkeit und Irreführung
vorgeworfen hatten. Mehr nicht. Er wollte es wohl nur einmal
konzentriert loswerden, aktenkundig werden lassen. Seine Rede
war kurz und an die Regierung ein einziger Vorwurf von Lüge
und Betrug. Das hielt er zusammen mit dem anderen Verhalten
von Koalitionspolitikern für unerträglich und empörendIX.
Vor ihm hatte die PDS-Abgeordnete Petra Bläß bereits gemahnt:
„Ich habe fast den Eindruck, daß seitens der Regierung mit immer
neuen Vorschlägen der Widerstand gegen andere Maßnahmen
schon im Vorfeld gebrochen werden soll. In der Tat kommen Verbände und Betroffene mit ihrem Protest kaum noch hinterher. Wir
meinen, die Rentenpolitik gehört endlich auf einen Tisch, der seriöse Diskussionen zuläßt, und nicht permanent ins Medienkarussell.“
Wer die PDS nicht für salonfähig hält, mag sich an Rudolf
Dreßler halten, der zu Beginn seiner Rede gefragt hatte: „Die
SPD-Bundestagsfraktion hat die heutige Aktuelle Stunde beantragt, um die Bundesregierung zu zwingen, Klarheit zu schaffen,
welcher Minister nun eigentlich für die Rentenpolitik des Kabinetts Kohl verantwortlich ist. Wir wollen wissen, was nun eigentlich gilt: die Worte des Kanzlers, die Ankündigungen des Finanzministers und CSU-Vorsitzenden Waigel, vielleicht auch die
Diskussionsbeiträge von Frau Süssmuth oder von Herrn Biedenkopf, vielleicht sogar die Kabinettsvorlagen und öffentlichen Erklärungen des zuständigen Bundessozialministers Blüm oder
vielleicht doch die Position des Bundesgesundheitsministers Seehofer, der jetzt ganz offen darangeht, seinen Kabinettskollegen
Blüm zu demontieren, um dessen Ressort übernehmen zu können?“
Auch Dreßler sparte nicht mit überaus deutlichen Worten, die
niemand in der Öffentlichkeit sagt, wenn er nicht (unabhängig
208
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
von seiner Immunität) notfalls vor Gericht eine Verleumdungsklage abschmettern könnte: „Wir wollen in dieser Aktuellen Stunde auch etwas über den permanenten Wortbruch wissen, der geradezu zum Markenzeichen der Rentenpolitik dieser Regierung geworden ist. Im März vor den wichtigen Landtagswahlen hat der
Kanzler in seinem berüchtigten Rentnerbrief die älteren Mitbürger
beschwichtigt: Sie können sich darauf verlassen: Ihre Rente ist und
bleibt sicher. Am Generationenvertrag wird nicht gerüttelt. - Daß
das die reine Unwahrheit war, bestenfalls ein Blackout des Kanzlers, aber aller Wahrscheinlichkeit nach eine bewußte Täuschung,
wissen wir heute.“ Oder, ein wenig weiter: „Die Herren Blüm,
Kohl und Waigel begehen einen Wortbruch an den Rentnerinnen
und Rentnern und an den Versicherten. Wir werden diesen Wortbruch beim Namen nennen.“
Was ist im Parlament los, wenn es zu solchen Zwischenrufen
kommen konnte oder mußte, als Minister Blüm sprach: Ich komme zu einem weiteren Punkt, den beitragsfreien Zeiten. Herr
Kollege Dreßler, wir wollen das Thema einmal ganz langsam
angehen. Wir beschränken die Anrechenbarkeit beitragsfreier
Zeiten. Auch das ist kein Systembruch; denn Sie haben sich an
der Kürzung der Anrechenbarkeit beitragsfreier Zeiten von 13
auf 7 Jahre beteiligt. War das eine Beschränkung, oder war das
keine? Wenn das damals kein Systembruch war, dann ist es
auch heute keiner.
(Rudolf Dreßler [SPD]: Ich rede von Abbruch! Reden Sie doch
nicht so einen Unsinn!)
-- Man muß einmal klar sagen, was das System trägt.
(Rudolf Dreßler [SPD]: Das mit dem Systembruch ist doch eine
Erfindung von Ihnen!)
Ehe wir gleich etwas intensiver auf die Antwort darauf zusteuern, warum alles nur ganz normal (geworden) ist, wollen wir etwas einschieben: Das Sonntagsblatt schrieb kurz vor Weihnachten
1995: „In der Politik haben die grauen Panther das Sagen. Jene
Führungscrew um die 50, die nicht mehr in dem Alter ist, in dem
man risikofreudig über Veränderungen in der Gesellschaft disku209
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
tiert. Über Bundeskanzler Helmut Kohl wird geraunt, er wolle das
Jahr 2000 in Amt und Würden erleben, dann wäre er 70 Jahre alt.“
Jetzt können wir aufnehmen, was Andrea Fischer (Berlin) vom
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gleich zu Beginn ihres Beitrags
am 8. Mai 1996 sagte: „Lange hat die Bundesregierung den Dialog
mit der jungen Generation verweigert. Ich habe allerdings nicht den
Eindruck, daß die gegenwärtige Art und Weise geeignet ist, diesen
Dialog zu eröffnen.“
Weil dieses Buch sich ja mit Bundestagsabgeordneten und darüber hinaus mit unserer Gesellschaft und ihren Problemen befaßt
und damit wir uns für die weiteren Ausführungen besser wappnen
können, sei hier auch noch der gesamte Redebeitrag von Peter
Dreßen (SPD) aus dem Bundestagsprotokoll zitiert:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es schon
für ein unmögliches Verhalten gegenüber dem Parlament, wenn
man im "Stern" lesen muß, welche Vorstellungen der Bundesgesundheitsminister hat, und wenn er hier im Parlament
schweigt. Sie haben hier doch die Möglichkeit zu reden.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der
PDS)
Oder ist es der CDU versagt, ihre profilierten Sozialpolitiker ins
Rennen zu schicken, um hier zu reden? Ich würde ganz gerne
einmal hören, was Herr Geißler zu den Vorstellungen von
Herrn Seehofer sagt. Wie ist Ihre Meinung dazu? Es wäre doch
interessant, das einmal zu erfahren.
(Dr. Heiner Geißler [CDU/CSU]: Das würde euch so gefallen! -Detlev von Larcher [SPD]: Geißler läßt sich den Mund verbieten!)
Kolleginnen und Kollegen, wenn der Bundeshaushalt mit seinen angeschlossenen Nebenhaushalten den Bilanzgesetzen für
Wirtschaftsunternehmen unterliegen würde, dann würden die
Herren Kohl, Waigel, Blüm neben Jürgen Schneider in einer
Gefängniszelle schmoren -- und das vollkommen zu Recht; sie
X
verfälschen nämlich ohne Ende die Bilanzen .
(Beifall bei der SPD)
210
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen:
Erstens müßte der Bundeszuschuß mindestens um 25 Milliarden DM höher liegen, als er tatsächlich ist, um alle Fremdleistungen abzudecken.
Zweitens. Die Finanzierung der deutschen Einheit wollten Sie
aus der Portokasse bezahlen. Sie hatten nie den Mut, diesen
Fehler zu korrigieren.
(Rudolf Dreßler [SPD]: Sehr wahr!)
Ergebnis: Solche Kosten, die eigentlich alle hätten tragen müssen, wurden auf die Schultern der Sozialkassen abgeladen und
damit auf die Arbeiter und Angestellten in diesem Land. Sie von
der Koalition haben immer nur auf die Ausgabenseite geschaut.
Sie haben sich aber nie darüber Gedanken gemacht, wie die
Einnahmenseite verbessert werden könnte. Ich will Ihnen dazu
ein paar Beispiele sagen; ihre Zahl ließe sich erweitern.
Warum lassen Sie es eigentlich zu, daß die 4,4 Millionen Menschen, die heute mit 590-DM-Jobs versehen sind, nicht sozialversicherungspflichtig werden? Dann hätten Sie Geld.
(Beifall bei der SPD und der PDS)
Zweitens: Seit 13 Jahren steigen und steigen die Arbeitslosenzahlen. Diese Bundesregierung hat effektiv gar nichts unternommen, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Statt dessen
legen Sie uns ein Sozialabbruchgesetz nach dem anderen vor
und wollen dem Bürger weismachen, daß das etwas mit Beschäftigung zu tun hat.
Wenn wir die Arbeitslosigkeit halbieren könnten, hätten wir insgesamt fast 14 Milliarden DM pro Jahr an Mehreinnahmen allein in der Rentenversicherung; schließlich würden auch noch
die Kosten bei der Arbeitslosigkeit wegfallen.
Aber bei diesem Thema fallen Ihnen nur Schlagworte wie Deregulierung, Lohnverzicht, Billiglöhne oder Abschaffung des
Ladenschlusses ein. Das wird auch nicht dadurch kreativ, daß
man das permanent wiederholt.
Nun kommen noch die sogenannten Sanierer mit den Schlagworten: Grundrente, längere Arbeitszeiten, Besteuerung der
Rente usw. Diese Herren sind keine Sanierer, sondern die Totengräber des Systems -- Herr Blüm, das sollten Sie diesen
211
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Herren einmal sagen --, das sich seit über 100 Jahren bewährt
hat.
(Beifall bei der SPD)
Welch ein schäbiges Schauspiel! Vielleicht einigen Sie sich wenigsten darauf, daß vor den Wahlen die Renten immer sicher
sind, danach leider nicht mehr.
In Baden-Württemberg haben Sie sich stark vergaloppiert. Wir
haben das Rententhema in Baden-Württemberg nicht so hochgefahren. Wir haben gesagt: Da gibt es Schwierigkeiten. Ihr
Bundeskanzler hat doch jedem einzelnen Rentner einen Brief
geschickt, zu dem er heute wahrscheinlich gar nicht mehr steht.
Solange Sie es zulassen, daß in diesem Land jährlich 100 Milliarden DM Steuern hinterzogen werden, daß in diesem Land
Einkommensmillionäre legal immense Abschreibungen vornehmen können und dadurch keine einzige Mark Steuern zahlen, solange Sie es zulassen, daß die Vermögenssteuer gestrichen werden soll und die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft
wird, müssen Sie sich gefallen lassen, daß wir die Frage nach
der Gerechtigkeit stellen.
(Beifall bei der SPD)
Festzuhalten ist aus meiner Sicht, daß mit Ihrer Steuer-, Finanz- und Beschäftigungspolitik die Arbeitslosigkeit ständig zugenommen hat und weiter zunimmt. Außerdem haben Sie die
Wirtschaft in Ostdeutschland nicht auf die Beine gebracht.
Einer der politischen Offenbarungseide wird uns nun durch das
klaffende Loch in der Rentenversicherung präsentiert. Das ist
nicht nur unsozial, sondern das grenzt schon an Kriminalität.
Für uns Sozialdemokraten ist sicher: Die Rente gibt es auch
noch in 50 oder 100 Jahren, und zwar die leistungsbezogene
Rente. Notfalls müssen Steuern zur Mitfinanzierung herangezogen werden. Wie anders wollen Sie heute einen 25jährigen
davon überzeugen, daß sein fast zehnprozentiger Lohnabzug
für die Rentenversicherung etwas Gutes ist, das ihm im Alter
ein angemessenes Auskommen garantiert?
Ich fordere Sie auf, unsere Rentner nicht in Existenzangst zu
treiben.
(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Das macht doch niemand!)
212
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Ich fordere Sie auf, bei unseren jungen Menschen das Vertrauen in die Rentenversicherung wiederherzustellen. Das haben
Sie mit Ihrem Gerede nämlich verpaßt, Frau Babel.
(Beifall bei der SPD)
Das Schlimme an der ganzen Debatte ist, daß ein Keil zwischen jung und alt getrieben wird. Das muß aufhören. Diesen
Systemveränderern muß das Handwerk gelegt werden.
(Beifall bei der SPD und der PDS)
Deutlicher konnte für einen, der zwischen den Ohren noch
Verstand besitzt, nicht gesagt werden, daß der Regierung ein Verhalten vorgeworfen wurde, dessen Qualität an anderer Stelle direkt ins Gefängnis geführt hätte. Allerdings konnte auch nicht
deutlicher offenbart werden, daß in der Politik offenbar andere
Maßstäbe beansprucht werden, daß in ihr nicht ein solides „Handwerk“ mit Beachtung von allgemeingültigen Regeln an der Tagesordnung ist, sondern ein Lavieren auf Kosten anderer und zugunsten einer bestimmter „Klientel“ eben ohne die Beachtung von Regeln des Anstandes, der Würde, der Redlichkeit, der Verläßlichkeit, der Verantwortlichkeit, der Moral39.
Was - um Gottes willen! - hat die Politik, hat die gesamte Bundesrepublik, insbesondere die Erfolgreichen befallen, welche Seuche ist in ihr ausgebrochen? Welche Erreger haben die Seelen verkrampft? Welcher Wahn hat die Rezeptoren für Gemeinsinn und
Verbundenheit verklebt? Was hat aus dieser Gesellschaft einen
Haufen von Einzelkämpfern gemacht?
Die stellvertretende DBG-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer
war im n-tv40 mit einem schweren Vorwurf zu hören, als sie erregt
in die Zuhörerschaft rief: „Mit dieser Politik zeigt diese Bundes39
40
Ein Beispiel dafür, wie Unfähigkeit das Geld der Steuerzahler kosten kann: Die europäische Pauschalreise-Richtlinie wurde von
Bonn erst mit 22monatiger Verspätung national umgesetzt. Deshalb
entschied der EU-Gerichtshof, daß Bonn viele Millionen Entschädigung an Tausende von Urlaubern zahlen muß, die 1992/93 von
Konkursen der Reiseveranstaler betroffen waren.
Am 10. Mai 1996
213
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
regierung ihr wahres Gesicht! Mit ihrer Politik provoziert sie die
Spaltung unserer Gesellschaft!“ Und ihr Kollege Frank Teichmüller zeigte sich in einem Interview erschüttert: „Was wir hier jetzt
von der Bundesregierung haben, ist - wie wir finden - skrupellos.“
Die Gewerkschaftsfrau hatte sogar noch etwas draufgesetzt: „Und
ich sage: Wenn die Bundesregierung Konfrontation will, werden
wir den Fehdehandschuh aufgreifen!“ Später sprach sie nur noch
von einer „Kumpanei von Kabinett und Kapital.“
Wir müssen noch einmal auszugsweise an den Artikel im Sonntagsblatt anschließen: „Wie aber kann man den Politikern Beine
machen, damit sie diese Themen nicht weiterhin verdrängen? Wie
verhindern, daß die Gesetzgeber von heute sich einfach auf ihr gut
gepolstertes Altenteil retten, getreu dem Motto: und nach uns die
Sintflut? Das wird nur gelingen, wenn die heute Jüngeren und
Jungen den mittleren und alten Generationen klarmachen können, daß die Umverteilung in deren eigenem Interesse ist. Denn
sonst wird eine über das erträgliche Maß hinaus ausgebeutete Generation (unterhaltspflichtig sowohl für die Alten wie für den eigenen Nachwuchs) sich ausklinken aus sämtlichen Generationenverträgen, wird aus den gesetzlichen Versicherungssystemen fliehen und die Sorge um die Alten den Alten überlassen. Wenn die
grauhaarigen Meinungsführer von heute den vielbeschworenen
"Krieg gegen die Alten" verhindern wollen, müssen sie heute Friedensverhandlungen mit den Jungen führen, in Familien, Bildung,
Ausbildung, Kinderbetreuung investieren, anstatt nur ständig die
Beschwörungsformel zu murmeln: "Die Renten sind sicher." ...“
Wir müssen langsam zu der Erklärung kommen, warum das
alles „normal“ ist. Dazu müßten wir aber auch erst wissen, wo wir
uns überhaupt befinden, in welchem System. Auch müßten wir
wissen, welche Glaubwürdigkeit dieses System hat. Gabriele Krone-Schmalz, lange im In- und Ausland für das Westdeutsche
Fernsehen (ARD) tätig, zeigte sich im Radio WDR 2 erstaunt41.
41
214
In einer Vormittagssendung am Muttertag 1996
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Sie stellte fest, daß wir (die Westler) uns immer daran hochziehen, wie im ehemaligen Sowjet-Imperium alles kommandiert,
geregelt, protegiert und subventioniert wurde, und daß wir mit
dem Finger darauf zeigen und fordern, das alles müsse erst beseitigt werden, ehe eine gesunde freie Wirtschaft eine Chance habe.
Dann sei sie, nach langem Rußlandaufenthalt als Korrenspondentin, zurückgekommen und habe festgestellt: Bei uns ist es auch
nicht anders. Es hat bloß andere Namen. Es sei doch nicht einzusehen, daß unergiebige Industrien mit Gewalt am Leben gehalten
werden. Die Journalistin konnte darin keineswegs eine vernünftige
Marktwirtschaft entdecken. Aus diesem Grund und einer Menge
anderer Gründe mußte sie ihrem „Zorn“ Luft machen und ein
Buch darüber schreiben.
Die Tage zuvor hatten sich alle Ministerpräsidenten der Bundesländer im Rheinland nahe der niederländischen Grenze versammelt und die Lage beraten, in die sie durch das Lavieren der
Bundesregierung geraten waren und noch schlimmer zu geraten
drohten. Während SPD-Schröder klipp und klar sagte, daß es um
Geld gehe, daß der Bund sich auf Kosten der Länder freischaufele,
daß die Länder dadurch vor unlösbar scheinenden finanziellen
Problemen stünden und daß er auch für die Gorleben-Staatsaktion von der Bundesregierung Geld sehen wollte42, beschwichtigte
CSU-Stoiber betont, die Zusammenrottung der Ministerpräsidenten sei keinesfalls als Front gegen die Regierung zu verstehen.
Gab es überhaupt noch Glaubwürdigkeit bei wem auch immer
und bei egal welcher Äußerung? Die Journalistin Krone-Schmalz
hatte sich im Radio unter anderem auch verwundert darüber gezeigt, daß zwischen öffentlichen Reden von Politikern und dem,
was sie dazu privat äußerten, oft große Gegensätze bestanden; daß
Politiker im privaten Gespräch oft glatt das Gegenteil von dem
vertraten, was sie öffentlich gefordert hatten.
42
Fast 10.000 Polizisten waren für Tage ihrem normalen Bürgerauftrag entzogen; die Sicherung des Transportes der strahlenden
Aschentonne hatte rund 50 Millionen Steuermark verschlungen.
215
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Wieso das?
Fragen wir die Geschichte
danach, was hier abläuft.
Im gesamten Bereich der lebenden Materie läuft alles nach dem
Prinzip der Nahrungskette und des Überlebens, des Sich-behaupten-könnens ab. Ein Fressen oder Gefressenwerden, ein Überleben oder Untergehen. Die Fähigkeiten der einzelnen Spezies werden im genetischen Material verankert und von Generation zu
Generation weitergegeben. Dabei gibt es Veränderungen (Mutationen), die sich als nützlich, oder auch solche, die sich als schädlich erweisen. Gut und Böse gibt es nicht in der Natur.
Innerhalb des Tierreiches war der Mensch, als er schon nicht
mehr reines Tier war, sondern eindeutig die Anlagen zu seiner
Herausentwicklung in sich trug, eben auch nur ein Tier, aber ein
besonders gefährliches: er hatte zu allen Waffen, die es im Tierreich gab, eine weitere Waffe entwickelt - seinen Kopf. Er wurde
in überragender Weise fähig, planend und gemeinsam vorzugehen
und sich dazu bestimmte Gerätschaften herzustellen.
Bis zum Rockefeller, Roosevelt, Hitler oder Stalin war noch ein
weiter Weg zurückzulegen. Auch gab es nicht gleich einen Goethe, Rembrandt oder Mozart. Anfangs ging es noch so zu, wie bei
verwandt konstruierten Lebewesen: nach der Hackordnung, nach
bewährten Regeln in Horde, Rudel oder ähnlichen Verbänden.
Und wenn es darum ging, die Existenz der Gemeinschaft zu sichern oder ihre Verhaltensweise zu optimieren, konnte es nützlich
sein, daß nicht jeder das Sagen hatte, sondern nur einer. Im Anfang war das sicher der jeweils Stärkste.
Das änderte sich allmählich mit zunehmender Fähigkeit zur
Kommunikation, mit der Entwicklung von Sprache. Je vielseitiger
die Menschen darin wurden, auch abstrakte Sachverhalte in ihre
Gedanken oder Emotionen einzubeziehen, desto mehr hatten
auch geschickte Schwätzer eine Chance, sich an die Spitze einer
Lebens- oder Interessengemeinschaft zu setzen. Das war nicht nur
216
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
die Wiege für Zauberpriester, für Religionen, sondern auch für die
Politik.
Am Anfang war alles ganz einfach, und so ist es heute noch. Wir
müssen es nur zu entdecken und vor allem zuzugeben lernen. Aus
den Atomen der ersten Menschwerdung hat sich eine vielschichtig
funktionierende und verwobene Kultur entwickelt, deren Komplexität und Dynamik, aber nicht deren Bausteine, das Begreifen
erschweren.
Zur Sprache kam die Schrift und damit die Möglichkeit, Informationen dauerhaft zu speichern und weiterzugeben. Was sich
änderte, das waren die Regeln des Zusammenlebens und -wirkens.
Im Anfang - nach dem Überschreiten der Grenze vom Tier zum
Mensch - galten noch die Regeln aus dem Tierreich als Gesetz des
Stärkeren. Mit zunehmender Kommunikations- und Abstraktionsfähigkeit konnte (mußte nicht überall) an die Stelle des physisch Stärkeren und Geschickteren der gedanklich und sprachlich
Geschicktere tretenXI.
Damit wurde möglich, an die Stelle der bis dahin natürlichen
Regeln künstliche Regeln zu setzen. Die bildeten die Grundlage
für „Kultur“. Jetzt wurde nach und nach die „natürliche“ Verhaltensweise durch eine „nützliche“ Verhaltensweise ersetzt - eine
„genormte“. Das hinderte freilich die im Erbgut verankerten Anlagen nicht an ihrer weiteren Existenz. Sie mußten zunehmend
nur daran gehindert werden, im täglichen Leben die Oberhand zu
gewinnen.
Die zehn Gebote sind ein treffliches Beispiel für „Regeln“, nach
denen die sich immer stärker organisierende Menschheit richten
sollte. Berühmt sind auch die Gesetzestafeln Hammurabis, des
Königs und Reichsgründers (1728–1686 v. Chr.), der ganz Babylonien, Mari und Eschnunna erobert hatte. Bekam weit früher ein
Unterlegener an Ort und Stelle die blutige Quittung, wenn er sich
gegen einen Stärkeren aufgelehnt hatte, wurde der Nachteil, den
man durch Mißachtung von Regeln jetzt erleiden konnte, als
„Strafe“ in die Regelwerke eingebaut: Aufbruch in eine Evolution
217
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
zur Gesellschaft, bei der alles „richtig“ und möglichst „in Lot und
Waage“ zu sein hat.
Beim Kampf ums Überleben unter „natürlichen“ Bedingungen
war die Sicherstellung von Nahrung und Lebensraum das wesentliche Ziel. Mit zunehmender Abstraktionsfähigkeit des Denkens,
mit abnehmendem Wert nur roher Gewalt als tauglichem Mittel
zum Zweck nistete sich in das Streben vieler Menschen ein neues
Ziel als verlockend ein: die Lust auf Macht und die mit ihr verbundenen Privilegien. Diese Lust ließ sich zudem aus einem natürlichen Hang zur Eitelkeit nähren.
Die sich vermehrende und organisierende Menschheit stand
bald vor zwei Problemen in zwei verschiedenen Bereichen: für das
leibliche Wohl mußte die Versorgung sichergestellt werden, und
die stets auf der Lauer liegenden Urängste bedurfte der Bändigung.
Die Lösung war Arbeitsteilung. Der eine Bereich (die „weltliche“ Macht) kümmerte sich um die ordnungspolitischen und
materiellen Angelegenheiten, der andere (die Schamanen mit ihren besonderen Beziehungen zum Reich des Unsichtbaren) kneteten die Seelen zurecht. Beide ließen sich für diese „Dienstleistung“ nicht zu knapp bezahlen. Und beide setzten ihre Machtansprüche rigoros durch. Dieses System funktionierte manchmal
auch in Personalunion, meistens jedoch als offene oder heimliche
Allianz. Der „Sozialbereich“ wurde geteilt.
Bei einem Zeitraffertrip durch die Geschichte muß auffallen,
daß die noch sehr „natürliche“, also „unkultivierte“ Vorgehensweise im Kampf um die Macht sich ziemlich lange hielt. Vorzugsweise durch die Ermordung von Machthabern rissen deren
Nachfolger das Zepter an sich. Das gilt für beide Bereiche der
Machtausübung - also auch für den religiösen. Beide setzten auch
bis in jüngere Zeit (die letzte „Hexe“ wurde im 18. Jahrhundert
verbrannt; die Inquisition wütete über viele Jahrhunderte) die
gleichen Zwangsmittel ein. Doch das Grundprinzip, daß Überlegene die Macht an sich reißen und die Masse zur Gefolgschaft
verdammt ist, hat sich bis heute erhalten. Dem einfachen Volk
218
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
wurde und ist verboten, sich an Seinesgleichen zu vergreifen. Es
blieb den Machthabern und ihren Helfern (heute Staatsgewalt genannt) vorbehalten, die jeweils geltende Ordnungen und „Interessen“ des Staates mit allen Mitteln der Gewaltausübung durchzusetzen.
Die da oben und die da unten
sind seit Anbeginn der Menschheit gleich geblieben. Nur ihre
Methoden haben sich geändert, sind verfeinert und immer mehr
„kultiviert“ worden.
Dabei müssen wir den Begriff der „Kultur“ als das verstehen lernen, was er tatsächlich nur bedeutet: Die jeweilige Kultur stellt
das jeweilige Ausmaß der Entfernung des menschlichen Verhaltens von seinem anlagegemäßen Verhalten dar. Sie basiert auf
Überwindung genetischer Prägung. Genetisch ist im Menschen
noch alles vorhanden und intakt, was er aus seinen tierischen Ursuppen in sich hineingelöffelt hat. Entsprechend der jeweils gültigen gesellschaftlichen Vereinbarung wird es ihm nur ab seinem
Austritt aus der Mutter durch Erziehungs- und Bildungsmethoden möglichst wirksam lahmgelegt. Der junge Mensch wird von
der Gesellschaft auf gemeinsame Ideale „umprogrammiert“. Er
wird „sozialisiert“, für die Gesellschaft tauglich und nützlich gemacht.
Daran ist nichts Schlimmes. Wenn wir uns vorstellen, daß jeder
nur macht, was er will, ohne sich an gewisse Regeln zu halten,
können wir den Sinn von Normen nicht bestreiten - etwa auch
beim Luft- oder Straßenverkehr.
Nun gibt es aber Mittel und Wege, trotzdem zu machen, was
man will, wenn man die Regeln anhand anderer Regeln umgeht.
Dazu bedarf es aber ungeheurer Geschicklichkeit, die nicht jeder
besitzt. Viele Menschen verfügen jedoch über diese Geschicklichkeit und entsprechende Geduld bei der Verfolgung ihrer Ziele, so
daß letztlich alle vor dem Gesetz Gleichen doch nicht gleich sind.
219
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Manche sind, wie man es gern ausdrückt, „etwas gleicher als
gleich“.
In unserer kapitalistischen Wettbewerbsgesellschaft wird allgemein anerkannt, daß einzelne mehr erreichen als viele andere.
Damit Gewinnstreben und Selbstsucht nicht ungehemmt ausufern und die Gemeinschaft nicht völlig ausgeplündert werden
kann, wurden in das Grundgesetz Bremsen eingebaut (siehe etwa
Seite 373: Eigentum).
Was aber im Grundgesetz steht und was daraus gemacht wurde
und wird, sind zweierlei Dinge. Trotz GG-Artikel 3 (Seite 372)
und auch vielen Bestimmungen zur Gleichstellung der Frau zum
Trotz werden Frauen immer noch massiv benachteiligt. Die uralte
Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“ ist immer noch eine Illusion, die gegen die Wirklichkeit nicht ankommt.
Die Welt der Ideale, der Ethik, der Moral, der Gleichberechtigung für jedermann, die Welt der Verfassungen, Bestimmungen,
Verordnungen, Gebote, Appelle, Normen, Dekrete und Manifeste
ist großenteils nur eine Welt des schönen Scheins. Sie demonstriert die angebliche Redlichkeit der Bemühungen um Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich. Aber sie hat einen Todfeind, der immer siegt.
Hinter der Welt des schönen Scheins wetteifert unablässig die
Welt der Interessen. War der Mensch in seiner frühesten Zeit
schon damit ausgefüllt, genug zu essen aufzutreiben, Schutz vor
dem Wetter zu finden sowie Raubzeug und andere Bedrohungen
für sich und seine Nachkommen abzuwehren, hat er heute viel
weiter gespannte Interessen.
Infolge der Triebunterdrückung und seiner Fähigkeit zur Abstraktion wird seine Aufmerksamkeit auf andere Ziele gelenkt, die
vorwiegend durch Konsum und Unterhaltung gekennzeichnet
sind. Alles andere ist für ihn „organisiert“ und „geregelt“. Der direkte triebhafte Zugriff ist kulturell durch Verbote oder rituelle
Verhaltensweisen verdrängt worden. Ausnahmen kann sich nur
leisten, wer hinlänglich begütert oder anderweitig privilegiert ist.
220
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Der hohe Grad an Organisation auch der Interessen hat für alles
und jedes bestimmte Institutionen und „Wege“ vorgezeichnet das sind „einzig richtige“, „vernünftige“, „notwendige“ „vorschriftsmäßige“, „bessere“, „aussichtsreichere“ oder „einzig ratsame“ Wege, die „man“ einzuschlagen hat. Dabei handelt es sich
um offenkundige Prozeduren, die von einem Begehren zu dessen
Erfüllung führen können. Sie beruhen auf „Normen“, deren Vielzahl auf allen nur denkbaren Gebieten mittlerweile ausgeufert ist.
Daneben gibt es noch Wege, von denen jedermann weiß, daß sie
existieren, die aber nicht jedermann kennt oder nutzen kann. Sie
beruhen auf „Beziehungskisten“, „Seilschaften“ oder „Drähten“,
die jemand besitzt. Diese Wege kennt nur, wer sie systematisch
von Kindesbeinen an über Schule, Studium, Beruf und bestimmte
Verbindungen aufgebaut und sorgfältig gepflegt hat. Zur Pflege
gehört insbesondere, auch selbst nützlich sein zu können, also gesellschaftlich ein gewisses Gewicht zu entwickeln. Eine Grundregel dabei ist geradezu biblischen Ursprungs: „Gib, so wird dir gegeben!“ Deshalb gilt als Ersatz für fehlende Beziehungen und als
probater Grundstein zur Bildung eigener die Bestechung.
Die Probleme, mit denen wir heute zu kämpfen haben, beruhen
darauf, daß über eine zu lange Zeit zu viele solcher Wege begangen wurden, sich ein zu fein gesponnenes Beziehungsgeflecht gebildet und alle Einflußsphären der maßgeblichen Bereiche überwuchert hat (oder besser: durchwuchert). Es ist wie bei einem Pilz:
Was man sieht, ist nur wenig, und das Wesentliche ist das im Boden haftende Mycel. Oder wie bei einem Eisberg: Sichtbar über
Wasser ist nur ein kleiner Teil, der um ein Vielfaches größere Teil
droht unsichtbar unter der Wasserlinie.
Der normale Bürger blickt überhaupt nicht mehr durch. Kennzeichnend mag auch ein Satz sein, wie er im April 1996 im Bundestag fiel: „Zur Beschlußfassung steht heute die Änderung der
Änderungsanträge zum Ersten Änderungsgesetz zur Änderung
des Elften Buches Sozialgesetzbuch.“ So, wie Gesetze und schier
unüberschaubar gewordene Bestimmungen in allen Gefilden sich
221
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
verfilzt haben, geht der Filz insbesondere auch durch die führenden Gesellschaftsschichten. Er tritt dabei so sehr an die Stelle der
vorgesehenen Normen, daß die Beteiligten ihre Anstrengungen
nicht selten verkehren, um allgemeingültige Normen nicht einhalten, sondern umgehen zu können. So darf der eine, was dem
anderen verboten bleibt, bekommt jemand sofort, worauf andere
ewig oder gar vergeblich warten. Bei entsprechenden Beziehungen
werden Amtsträger zu Gehilfen oder gar „Mittätern“.
Die Bestechung in deutschen Amtsstuben soll „ungeheure“
Ausmaße angenommen haben. War man früher bei der Meldung
eines Bestechungsskandals noch geschockt, wunderte man sich
schon etwas weniger, als einige Parteispendenaffären ruchbar
wurden. Den Parteien traute man schon alles zu. Schlimm wurde
es, als die schwarzen Schafe ihr Mandat zur Schaffung eines Amnestiegesetzes benutzen wollten, das ihre Untaten der Strafbarkeit
entziehen sollte.
Diesen Versuch konnte man durchaus als ein Zeichen für den
auch anderweitig eingetretenen Werteverfall ansehen. Obwohl als
„christlich-sozial“ oder „sozial-demokratisch“ deklariert, verpuppte sich das Staatswesen immer mehr zu einem (mittlerweile auch
so genannten) „Selbstbedienungsladen“, in dem jeder raffte, was
er nur kriegen konnte, um sich dann sogar noch um das Bezahlen
nach Kräften zu drücken. Steuerhinterziehung und Versicherungsbetrug, das Ausmisten der Sozialgesetzgebung und alle
Praktiken, bei denen ein scheinbar anonymes System geplündert
werden konnte, wurden zu „Kavaliersdelikten“. Wer mit ihnen
erfolgreich war, schien clever zu sein, wer erwischt wurde, galt als
dämlich, hatte wohl „irgendetwas falsch gemacht“.
Im Grunde genommen haben wir es hier mit einer „natürlichen“, den vereinbarten Normen zwar widersprechenden und
ordnungswidrigen, aber dem inneren Urtrieb gerecht werdenden
Verhaltensweise zu tun. Dieser Ur- und Selbsterhaltungstrieb ist
darauf angelegt, nach allem zu greifen, was die Existenz sichern
222
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
und eigene Interessen fördern kann. Das war früher, als man sich
nur um Bananen und Blätter streiten konnte, leicht zu verstehen.
Heute handelt es sich mehr um eine „Jagd auf imaginäre Bananen“, als Jagd auf alles, was als begehrenswert an die Stelle der
Banane getreten ist. Da wir zu unserem „Lebensbedarf“ nicht
mehr nur die Grundnahrung und eine irgendwie geeignete Behausung zählen, sondern in vielfältigen Lebensbereichen „Ansprüche“ stellen, wird auch erklärlich, warum etwa Jugendliche
Popmusik-CDs klauen oder andere Ladendiebstähle begehen,
wenn das Geld nicht reicht. Laden- und Personaldiebstähle sind,
wie man hinter vorgehaltener Hand erfahren kann, „an der Tagesordnung“ und längst in die Kalkulation der Verbraucherpreise
eingegangen. Würden alle Diebstähle mit einem Schlage aufhören, könnten die Konzerne sich händereibend einen ansehnlichen
Zusatzprofit einstreichen.
Was im kleinen, bei den weniger cleveren und durchtriebenen
Bürgern gilt, hat erst recht bei den Großen seine Bedeutung, weil
es hier um ganz andere Ausmaße geht43. Unzählige Millionen
werden allein von der Öffentlichen Hand bei Bauvorhaben verschleudert, weil Unternehmer schmieren und Bedienstete die
Hand aufhalten (die Schmiergelder stecken ja im Endpreis).
Fragte man früher: „Welches Gehalt kriegst du?“, so heißt es
heute: „Und was konntest du abgreifen?“ - Alles ist nur noch ein
„Abgreifen“ auf Biegen und Brechen geworden, ohne jeden Gemeinsinn, ohne jeden Gedanken daran, was übersteigertes Eigeninteresse in der Summe an Belastungen für die Allgemeinheit
bedeutet. „Jeder ist sich selbst der Nächste“ und „Das Hemd ist
mir näher als die Jacke“ - alte Sprüche und den Deutschen zu lieb
und zu teuer geworden (siehe auch Seite 182).
43
In einem bestimmten Gerichtsbezirk wurde die Hinterziehung von
insgesamt 283.000 Mark Steuern in verschiedenen Fällen mit insgesamt 67 Monaten Freiheitsentzug bestraft. Dagegen hinterziehen
bestimmte Einzeltäter gleich ein Hundertfaches der genannten
Summe.
223
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Keinen Deut besser
als die meisten Menschen in der Bevölkerung sind die Politiker,
die entscheidend in das gesamte Geschehen in diesem unserem
Lande eingreifen. Es gibt nahezu nichts, ob es nun funktioniert
oder in die Hose gegangen ist, ob es der Bevölkerung Erleichterung oder Erschwernisse beschert hat, ob mit Geld sorgsam umgegangen oder es hanebüchen verschleudert wurde, wo nicht irgendwo und irgendwie die Politiker die Finger drin hatten und
weiterhin haben. Vor allem sind sie maßgeblich verantwortlich
dafür, daß in vielen Lebensbereichen alles komplizierter, komplexer, undurchschaubarer und für viele Bürger ohne kostpielige
Fremdhilfe nicht mehr beherrschbar geworden istXII.
Geradezu ein Musterbeispiel jüngster Geschichte gibt der Abgeordnete Wilfried Seibel ab (siehe auch Dokumentation ab Seite
377). So wie sein Bild auf der WEB-Seite des Deutschen Bundestages (http://www.bundestag.de//mdb/seibewi0.htm), schien er auch
seine Geschäfte zu lieben: düster und kaum erkennbar...
FOCUS-TV hatte Schlimmes über den Abgeordneten erfahren,
es öffentlich gemacht und in einer weiteren Sendung noch mehr
224
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
schlimme Informationen nachgeschoben44. Unter anderem hatte
Wilfried Seibel 1993, wie Dokumente und Aussagen auf dem
Bildschirm offenbarten, das Gehalt für die damalige Geschäftsführerin seines Verlages, Astrid Pauselius, einige Monate lang mit
jeweils 1.000 Mark aus Mitteln der Verwaltung des Deutschen
Bundestages (Referat ZA 2) verbilligt.
Irgendwie mußten die 18.000 Mark brutto, die jeder Abgeordnete jeden Monat für Hilfskräfte vom Bund bekommt, ja sinnvoll
ausgegeben werden (neben 11.300 Mark Diäten und 6.000 Mark
steuerfreier Aufwandsentschädigung, die jeder Abgeordnete
ebenfalls erhält). Seibels Rechtfertigung war simpel, verschlimmerte den Skandal jedoch nur noch und brachte jetzt den gesamten Bundestag in Verruf: „Das macht doch jeder Abgeordnete
hier!“
Auch schien die CDU seines Wahlkreises nicht viel Schlimmes
an Seibels Verschiebung von Personalkosten und an seinen sonstigen Fragwürdigkeiten zu finden, denn die Zeitung „Dewezet“
hatte wohl Anlaß zu der Schlagzeile: „Die CDU straft SeibelGegner ab“.
Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin und Festrednerin zu Seibels 50. Geburtstag, brachte trotz eingehender Kenntnis des äußerst belastenden Materials nur heraus: „Die Vorwürfe werden
geprüft, und es wird dann Stellung genommen, wenn die Prüfung
abgeschlossen ist.“
Ihre vorherige Prüfung von Seibels Fähigkeiten hatte sich in der
Presse, wie FOCUS berichtete, unter anderem mit ihrem Urteil
niedergeschlagen, Seibel habe eine „aktive, vorpreschende Art“, er
besitze „Begeisterungsfähigkeit und die Bereitschaft, Visionen zu
entwickeln“. Das paßt genau in unsere Erkenntnis, daß beim
Kampf um führende Posten auch geschickte Schwätzer eine
Chance haben, sich an die Spitze einer Lebens- oder Interessengemeinschaft zu setzen (siehe Seite 216).
44
PRO 7; 13. Mai 1996
225
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Das Vorpreschen ins Internet steht Seibel auch schon bevor,
wenn zur Zeit (5/96) auch erst in einer versteckten Zeile seiner
HomePage und noch nicht sichtbar. Der Platzhalter für eine
eMail-Adresse ist nämlich in seiner WEB-Seite schon enthalten.
Für „EMAILADRESSE“ muß nur noch Seibels künftiger Internet-Name eingesetzt werden.
Es scheint aber nicht viel zu sein, was dem CDU-MdB Seibel
blühen mag. FOCUS-TV verwies auf das Beispiel des SPDAbgeordneten Kurt Neumann aus Berlin, dem das Magazin attestierte: „Zwei Vorstrafen und ein laufendes Verfahren wegen
Steuerhinterziehung konnten den Volksvertreter nicht aus dem
Parlament bewegen.“ (Dieses Zitat interpretiere ich so, daß der
Rechtsanwalt (!) zweimal bereits verurteilt ist und eine weitere Bestrafung unter Umständen noch bevorsteht.)
Der „Werteverfall“, verbunden mit fehlender Achtung vor Ethik,
Moral und allgemeingültigen Normen, an deren Entstehung ja
insbesondere auch Bundestagsabgeordnete arbeiten, scheint eigens
226
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
vor herausragenden Persönlichkeiten nicht Halt zu machen, sondern ganz im Gegenteil gerade sie zu infizieren.
Kurt Neumann war in seiner Karriere durchaus kein kleines
Licht. Die Bundestags-WEB-Seite gibt über Kurt Neumann Auskunft: „Seit 1966 Mitglied der SPD; 1965 bis 1968 Mitarbeiter in
der Studentenvertretung, 1970 bis 1971 als Assistentenvertreter
Mitglied des Konzils der Freien Universität, 1969 bis 1970 Bundesvorsitzender des Sozialdemokratischen Hochschulbundes (SHB),
1969 bis 1971 Vorsitzender der Steglitzer JungsozialistInnen, 1974
bis 1976 Landesvorsitzender der Berliner JungsozialistInnen, 1976
bis 1982 Abteilungsvorsitzender in Steglitz; seit 1988 Beisitzer im
Landesvorstand der Berliner SPD, 1987 bis 1989 Mitglied der Programmkommission auf Bundesebene (Berliner Programm). 1981
bis 1985 und 1986 bis 1989 Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin, Mitglied des Petitions-, Wirtschafts- sowie des Frauenausschusses. Mitglied des Bundestages seit 1994.“
Bei der Ergatterung von Posten und Pöstchen ist Neumann dem
CDU-Kollegen Seibel jedoch weit unterlegen. Als Frischling war
er nur bis in den Petitionsausschuß vorgedrungen. Seibel dagegen
hatte sich als ordentliches Mitglied in folgenden Bundestagsgremien eingenistet: Haushaltsausschuß, Enquête-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft“, stellvertretendes
Mitglied im Finanzausschuß, im Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung
sowie im Ausschuß für die Angelegenheiten der EU.
Gemeinsam mit seinem MdB-Kollegen hat Seibel einen Karrieretyp. Beide profilierten sich bereits als Studenten; beide erklommen leitende Positionen in ihren Parteien; beide hatten es stets
verstanden, an die Schalthebel der Macht zu kommen, von denen
meistens auch ein Weg zu den Moneten führt (siehe auch Seite
190).
Sollen diese beiden Abgeordneten die einzigen von mehr als 600
Mitgliedern im Bundestag sein, die vom Pfad der Tugend abgekommen sind? Was dann kann den Abgeordneten Seibel zu seiner
227
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
persönlichen Rechtfertigung veranlaßt haben: „Das macht doch
jeder Abgeordnete hier!“
Das „Abgreifen“ zieht sich durch alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Die „Cleveren“ bedienen sich dabei der Juristen, Wirtschafts- und Steuerberater (in besonderen Fällen eben auch der
Bundestagsabgeordneten), die „Dummen“ zahlen drauf. Ein großer Teil der Rechtsanwälte lebt parasitär von der Tatsache, daß
sich der Durchschnittsbürger im Paragraphendschungel verheddern muß und selbst alltägliche Rechte ohne fremde Hilfe kaum
noch geltend machen kann. Was ihm helfen könnte (etwa Verbraucherverbände), wird von mächtigen Interessengruppen möglichst kurz gehalten oder ausgehungert. Zu der „Umverteilung von
unten nach oben“ gehört eben auch eine Umverteilung der Macht.
Dazu zählt auch, Instrumente der Gegenwehr (Gewerkschaften
und Verbände der kleinen Leute) zu blockieren.
228
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Zweierlei Maßstäbe
scheinen in der Politik und auch bei den Abgeordneten zu gelten.
Fehlender Sachverstand hat Politiker noch nie daran gehindert,
schwerwiegende Entscheidungen zu treffen, die unter Umständen
auch zu großen finanziellen Belastungen für den Bundeshaushalt
führen können.
Insbesondere scheint es Mode in der Politik zu sein, den Interessen anderer mit dem Geld der kleinen Leute ein gemachtes Bett
zu schaffen. Während beim normalen Bürger unter Hinweis auf
selbstverschuldete Notlagen gesetzliche Unterstützungsleistungen
verweigert werden (zum Beispiel Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitnehmer selbst gekündigt hat), fließen Milliardenbeträge in Regionen, deren Bewohner in völlig unsinniger und gar verbrecherischer Weise einen Krieg angezettelt und unfaßbare Zerstörungen
angerichtet hatten.
Im gleichen Magazin, mit dem FOCUS-TV den Abgeordneten
Seibel neuerlich bloßstellte, wurde berichtet, wie die Politik sich
lästigen Widerstand in der Bevölkerung vom Halse schafft. Während SPIEGEL-TV über die skandalösen Vorgänge um den Castor-Transport nach Gorleben berichtete, ging FOCUS-TV einen
anderen Weg und legte dar, warum in Wahrheit die Gorlebener
selbst mit dem strahlenden Müll ganz gut zurecht kamen.
Im Gegensatz zu den eher bettelarmen Gemeinden in der Nachbarschaft konnte sich Gorleben/Gartow jeden Luxus leisten. Jedoch nicht aus den Steuern, die vom Zwischenlagerbetreiber gezahlt wurden, sondern von „Geschenken“ aus Bonn und vom
Land Niedersachen. Um die quengelnden Gorlebener ruhig zu
stellen, hatte sich Bonn etwas einfallen lassen, das danach unter
dem Begriff „Gorleben-Gelder“ eine Wirkung hatte, die von Birgit
Breuel (Land Niedersachsen) und Klaus Töpfer (Bonn) seinerzeit
in Briefen als „politische Akzeptanz“ umschrieben wurde.
Diese zeigt sich jetzt als weitläufiges Hallenbad für 17,2 Millionen Mark, von denen rund 12 Millionen aus Gorleben-Geldern
229
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
bezahlt wurden, 4,6 Millionen vom Land und der Rest aus Geldern der Gemeinde, die von der Brennelementelager Gorleben
GmbH (BLG) 1,25 Millionen Mark als zinsfreien Kredit und
980.000 Mark als Geld zu völlig freier Verfügung erhielt.
Eine Sporthalle für 7,5 Millionen Mark mit Fitnessraum, Kegelbahn, Schießstand und „allem Drum und Dran“ (FOCUS-TV)
wurde ebenfalls aus Gorleben-Geldern gebaut. Die Halle sei, wie
der Hallenwart ausplauderte, „durch die Atomlobby der Gemeinde als Geschenk gemacht worden“.
Damit die Reiter nicht zu kurz kamen, erhielten sie für ihren
Sport eine Halle für 2.000.000 Mark. Die Feuerwehr konnte für
vier Einsatzwagen 600.000 Mark ausgeben und für deren Garagenhaus nochmals 600.00 Mark. Für Fremde, die mobil ihren Urlaub nahe bei Atommüll verbringen wollen, hatte die Gemeinde
5.000.000 Mark zur Anlage eines komfortablen Campingplatzes
zur Verfügung.
Bei derart stolzen Preisen darf man ohne Neid vermuten, daß
auch die befaßten Bauunternehmer ihren gebührenden Schnitt
machen konnten, zumal - laut FOCUS-TV - knapp 500 Millionen Mark an die Gemeinde Gorleben und deren Nachbargemeinden geflossen sein sollen.
Ein „Geschenk“ aus Bonn und vom Land Niedersachsen war
auch der rund 50 Millionen Mark teure Polizeischutz durch etwa
10.000 Uniformierte. Angeblich muß die Atomindustrie bei Transporten von Castor-Behältern nur für einen Streifen- und einen
Begleitwagen aufkommen. Dabei dürfte sie in Geld geradezu baden. Denn in den Strompreisen sind 1,5 Pfennig je Kilowattstunde
für eine Rücklage zur Entsorgung von Atommüll und den späteren Abriß von Atomkraftwerken enthalten. Laut SPIEGEL-TVMagazin haben sich bereits 44 Milliarden Mark angesammelt, von
deren Zinsen sich die Kraftwerksbetreiber „quer durch das gesamte
Branchenfernsprechbuch“ Firmen zusammenkaufen, insbesondere im Telekommunikationsbereich. Oder anders: Die Stromkunden „schenken“ ihren Lieferanten neue Unternehmen.
230
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Warum Politiker glauben, große Teile des Volksvermögens an
Unternehmer verschenken zu müssen, wissen die Unternehmer
vielleicht selbst nicht. Doch sie nutzen das grinsend aus.
„Markt & Technik“45 berichtete im Mai 1996 lapidar: „Geld aus
Dresden“. AMD (Advanced Micro Devices), so das Szeneblatt für
Elektronik und Informationstechnik, komme „gleich in mehrfacher Hinsicht in den Genuß von staatlichen Fördermitteln“. Für
die Ansiedlung eines Zweigwerkes des US-Herstellers will die
Stadt Dresden 42,7 Millionen Mark hinlegen. Davon sollen 36,1
Millionen Mark angeblich wieder „durch Förderung an Dresden
zurückfließen“. Das Land Sachsen (Ministerpräsident: Biedenkopf) soll „eine Beihilfe von 300 Millionen Mark für den Bau des
Werkes in Dresden“ planen.
Wenn ein Unternehmen rund 340 Millionen Mark „Hochzeitsgeld“ nur dafür erhalten soll, daß es sich mit Dresden in Sachsen
einläßt, muß man sich automatisch fragen, wann es sich für den
Partner bezahlt macht, wann also (wenn überhaupt!) AMD diese
340 Millionen zuzüglich fiktiver Zinsen bis dahin an das Land als
Steuern gezahlt haben wird.
Eine ganz einfache Frage ist zudem, ob AMD hilfsbedürftig ist.
Das Unternehmen wurde 1969 von dem damals 30jährigen Jerry
Sanders gegründet, der bei Fairchild Camera rausgeflogen war,
aber als Marketing-Hexenmeister galt.
1972 ging AMD an die Börse und bekam 1977 eine Finanzspritze, als Siemens46 aus Angst, keinen Fuß in den US-Halbleitermarkt zu bekommen, fast 20 Prozent von AMD kaufte. 1987
kaufte AMD den Hersteller programmierbarer Chips Monolithic
Memories. Um den Bau einer Fabrik in Austin, Texas, zu finan45
46
Nr. 19/1996, Seite 10
Siemens investierte 1996 über 2 Md. Mark in ein Werk mit ca.
1.500 Arbeitsplätzen bei Newcastle in England, um „bessere Bedinngungen“ im englischen Arbeitsrecht ausschöpfen zu können.
Außerdem sei das Genehmigungsverfahren in 9 Tagen erledigt gewesen. So gesehen erscheint AMD’s Engagement ausgerechnet in
Deutschland kaum plausibel.
231
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
zieren, trennte sich AMD 1992 von seinem 5,5%-Anteil an Xilinx.
Ein Jahr darauf schloß AMD eine Entwicklungsvereinbarung mit
Hewlett-Packard. Außerdem wurde ein Joint-venture mit Fujitsu
geschlossen (das wiederum mit Siemens verquickt ist oder war).
Allein die AMD-Topmanager W. Jeremiah „Jerry“ Sanders III,
58, Chairman und CEO, Anthony B. Holbrook, 55, Vice Chairman, Richard Previte, 60, President und COO, Stephen J. Zelencik,
60, Senior Vice President und Chief Marketing Executive, Marvin
D. Burkett, 52, SVP, CFO und Treasurer sowie Eugene D. Conner,
51, SVP Operations, steckten sich für ihre Spitzenjobs zuletzt über
8,6 Millionen Dollar ein - mit dem Mai-Kurs 96 umgerechnet
rund 13.160.757 Mark.
Wie schlecht geht es also einem Unternehmen, welches sich allein für die oberen und hier aufgezählten Bosse jeden Monat über
eine Million Mark an Zuwendungen leisten kann? Das Unternehmen selbst wird an der Börse mit nicht ganz 2,5 Milliarden
Dollar notiert. Rund 55 Prozent seiner Produktion fließt ins Ausland. Als „Net Profit“ werden für die zurückliegenden Jahre von
1991 bis 1995 jeweils 134,9, 234,7, 218,4, 294,9 und 300,5 Millionen Dollar berichtet, als „Total Assets“ (gesamte Vermögenswerte) 3,0313 Milliarden Dollar, das sind etwa 4,6 Milliarden Mark.
Wenn AMD meint, sich im europäischen Raum möglichst nahe
den aufgeweichten Ostblockstaaten niederlassen zu müssen, muß
man sich fragen, warum man diesem Unternehmen zur Erfüllung
seiner Träume auch noch über 340 Millionen Mark schenken
muß. Von diesem Betrag könnte man 1.000 Menschen (wieviele
wird AMD in Dresden beschäftigen?) über 18 Jahre lang jeden
Monat 1.500 Mark netto ausbezahlen. Allerdings würde dieses
Geld auch reichen, den AMD-Bossen weitere 18 Jahre lang ihre
persönlichen Einnahmen zu sichern.
Falls nicht eine einzige Stadt, kein einziges Land, nicht der
Bund, nicht ein einziger europäischer Staat, falls niemand auf der
Welt den Unternehmern Geld schenken würde nur für die Tatsache, daß sie irgendwo eine Verwaltung oder eine Fabrik ansiedeln
232
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
- würden die Unternehmen dann aufhören zu investieren? Würden sie ihre Tätigkeiten oder ihre Expansionen einstellen? - Mit
Sicherheit nicht! Sie würden weitermachen wie bisher und ihre Investitionen planen und durchführen. Kann man es also so formulieren, daß die Politiker völlig unnütz das Geld der Steuerzahler
durch „Beihilfen“ an die Unternehmer verschwenden und auf diese Weise zusätzlich Geld von unten nach oben schaufeln? Ist es
nicht so, daß Unternehmer sich kaputtlachen und zusätzliche
Profite einstreichen können, weil Politiker sich gegenseitig Konkurrenz machen wollen?47
Gäbe es diese „Bestechungsgelder“ an Investoren nicht, würden
Unternehmerentscheidungen sich mehr nach der Infrastruktur,
nach Entscheidungsfreudigkeit der Behörden und nach der wirklichen Zweckdienlichkeit von Bürokratie richten. Aber genau das
müßten die Politiker und Bürokraten am meisten fürchten, daß sie
nämlich an ihrer eigenen tatsächlichen Qualität gemessen werden.
Das wäre ja noch schöner... - da verschleudert man lieber das Geld
des Steuerzahlers.
Wie wohl ist diesen und anderen Politikern überhaupt in ihrer
Haut? Wissen sie vielleicht sogar genau, was sie tun und daß es
mit Volksherrschaft kaum noch etwas zu tun hat? Warum tauchen
tief in der Nacht Heerscharen der Polizei auf, um ein Klinikgelände klinisch rein zu machen, nur weil am folgenden Morgen eine Ministerin einen Grundstein legen will für etwas, von dem gerade sie wohl nicht viel versteht? Warum darf nicht einmal das
vertraute Personal mit seinen Autos zum Dienst in das Gelände
einfahren? Warum stehen neben jedem Busch Schwerbewaffnete,
bis die Ministerin das Gelände wieder verlassen hat? Wer hat
warum vor wem die Hosen voll? Wie teuer kam bei so viel Polizeistaat eine simple Grundsteinlegung, zu der auch noch eine Polizeikapelle den Marsch blies?
47
Siehe auch Fußnote auf Seite 36
233
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Während die weltliche Obrigkeit auf vielerlei Weise Gelder verpulvert, berichtete die WAZ am 13. Mai 1996: Eltern klagen über
Unterrichtsausfall: Die Landeselternschaft der Gymnasien in
NRW sieht mit großer Sorge, „daß der vorgesehene Unterricht
in der Realität immer weniger erteilt wird“. Und das, während
viele Lehrer arbeitslos auf der Straße liegen.
In der gleichen WAZ verschaffte sich Leser Gerd Kirsch mit einem Brief Luft: Wenn ein Räuber 400 Jahre lang täglich eine
Bank um 1 Million erleichtert, kommt man auf eine Summe von
146.000.000.000 DM (146 Milliarden). In dieser Größenordnung
wurden unsere Rentenkassen in den letzten fünf Jahren geplündert.
Womit wir wieder mitten im Thema sind.
Der politische Raum scheint zu einem einzigen Verschiebebahnhof für Interessen und deren Befriedigung geworden zu sein.
Dabei scheint der kleine Bürger nur noch eine Manövriermasse
abzugeben, die wie Zement oder Kies eingeplant oder verworfen
wird. Der „kleine Mann“, oft als „mündiger Bürger“ umschmeichelt und bei jeder Wahl anscheinend ohne Erinnerung daran, wie
er immer wieder reingelegt wurde, wird zum Richter, der belohnt,
statt zu bestrafen, zum demokratischen Feuerwehrmann, der zündelt, statt zu löschen. Wer soll da noch Respekt vor ihm haben?
Und gerade die Nichtwähler, die durch Ablehnung ihrer Beteiligung an Wahlen die Politiker „bestrafen“ wollen, machen ihnen in
Wahrheit das Bett, richten sich selber.
Respekt vor Eigentum oder Verträgen scheint in der Politik völlig abhanden gekommen zu sein. Das ist leicht nachzuvollziehen.
Denn entweder hat der WAZ-Leser Kirch recht, oder er spinnt.
Dazu ein Beispiel: Wenn Kunden Lebensversicherungsverträge
abschließen und laufend Prämien einbezahlen, wird deren Versicherungsgesellschaft kaum das Recht haben, aus den Lebensversicherungsgeldern Löcher in der Kraftfahrtversicherung zu stopfen
oder irgendwelche Schulden davon zu bezahlen, die sie sich durch
Mißmanagement auf anderen Gebieten eingehandelt haben.
234
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Wohl mit Recht würden sich die Lebensversicherten empören
und auch Gerichte finden, welche die Versicherung verurteilen.
Ein derart unseriöses Verhalten scheint bei den Verantwortlichen
in der Politik aber an der Tagesordnung zu sein. Und trotz öffentlich geäußerter Bedenken sogar aus den eigenen Reihen, trotz allzu deutlicher ätzender Berichterstattung in den Medien machen
sie lustig weiter.
War und ist ihnen schon alles egal?
Verschafften sich Regierung und Abgeordnete schon „Ersatzbefriedigungen“, tendierten sie schon zu Ausweichbetriebsamkeiten,
um sich vom Scherbenhaufen ihrer Improvisationen abzulenken?
Mußten sie trotz brennender Probleme vor der eigenen Haustür
nach Problemen in Asien suchen, um sie ohne Not auf die Tagesordnung zu setzen? Wie kam es ausgerechnet zu dem verhängnisvollen „Antrag der Abgeordneten Hartmut Koschyk, Andreas
Krautscheid, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU, der Abgeordneten Volker Neumann (Bramsche), Rudolf
Bindig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Gerd Poppe, Wolfgang Schmitt (Langenfeld) und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten
Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Burkhard Hirsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Die Menschenrechtssituation
in Tibet verbessern (Drucksache 13/4445)“?
Daß die Abgeordneten es für angeraten hielten, vor fremden
Haustüren zu kehren, zahlte sich mit neuen Problemen aus. Die
Chinesen, denen „Gesichtsverlust“ und „Mangel an Harmonie“
sehr viel bedeuten, luden den Außenminister Kinkel kurzfristig
wieder aus, dessen Besuch bevorstand und der am 4. Mai 1995
noch den Dalai Lama brüskiert und eine Freundschaftsgeste zurückgewiesen hatte. Daraufhin sagten die Bundesminister Merkel
und Töpfer ihre geplanten Besuche in China ab.
Bei Exporten nach China für rund 11 Milliarden Mark und Importen aus diesem Land für etwa 16 Milliarden Mark war dieses
kein gutes politische Timing. Wollten die Abgeordneten erreichen
235
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
(natürlich nicht!), zu den wirtschaftlichen Störungen im eigenen
Lande jetzt auch noch Exportbeziehungen zu stören? Als sichtbar
wurde, was Bonner Politik wieder einmal in den Sand gesetzt
hatte, brach Hektik aus und sprach die Presse von Versuchen zur
„Schadensbegrenzung“. - Wieso denn „Schadensbegrenzung“,
muß man sich da fragen. Wer hatte ein Votum zur Rettung tibetanischer Kultur neun Jahre, nachdem zuletzt ein interfraktioneller
Antrag über Menschenrechtsverletzungen in Tibet eingebracht,
debattiert und verabschiedet worden war, für so opportun gehalten?48
Nachdem eine Aktuelle Stunde beendet war, rief Vizepräsident
Hans-Ulrich Klose den Tagesordnungspunkt 8 (Tibet) auf:
„Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen.“ Für „Aufbau Ost“ und „Arbeitsförderungsmaßnahmen“ waren jeweils zwei Stunden vorgesehen. Zum Thema „Arbeitswelt und Behindertenpolitik“ war nur
eine Stunde angesetzt worden. Ebenfalls eine Stunde wollte man
für eine „Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur stärkeren Berücksichtigung
der Schadstoffemissionen bei der Besteuerung von Personenkraftwagen (Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz 1997 -- KraftStÄndG
1997)“ opfern. Eines der heißestem Themen in der Bundesrepublik sollte am Vortag als „Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Vertrauensschutz Rentenalter Frauen)“ mit nur einer halben
Stunde auskommen. - Eineinhalb Stunden Debatte, um sich mit
48
236
Es hätte dem Parlament mehr Ehre bereitet, sich um Ost-Timor
(seit 1975 von Indonesien ohne internationale Anerkennung annektiert) und um des Kanzlers guten Freund Suharto zu sorgen, dessen Truppen Folterungen und Morde (mit deutschen Waffen)
nachgesagt werden. Es ist nicht anzunehmen, daß Kohl nicht weiß,
was „Monitor“ (ARD/WDR 10.10.96) sogar mit Bildern belegen
konnte. (Siehe auch Seite 395!)
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
dem Tibet-Problem diplomatisch in die Nesseln zu setzen, aber
eine Rentenfrage nur als beiläufig?
Ist das, was die Bundesregierung sich in der Rentenfrage insgesamt geleistet hat, nicht ein schmutziges Spiel mit dem Vermögen
und mit dem Schicksal mehrerer Generationen? Ist es dummes
Zeug, was Rudolf Dreßler im Februar 1996 als seine vorgesehene
Rede im Bundestag der Presse zugeleitet hatte?
Dreßler hatte in dem Papier behauptet: „Die Bundesregierung
hat das gemeinsame Werk der Rentenreform durch eine Kette von
einseitigen direkten und indirekten Manipulationen in den Strudel einer kurzfristig taktierenden Haushalts- und Schuldenpolitik
hineingezogen und den Konsens zerstört.“ Und er erläuterte:
„Nicht wer die Wahrheit sagt, sondern wer - wie Herr Blüm - die
Öffentlichkeit über die tatsächliche Lage in der Rentenversicherung hinters Licht führt, vertäuscht oder schwindelt, der ist auf dem
Weg zur Zerstörung des Systems.“ Und er legte noch drauf: „Aus
diesen Informationen ergibt sich einwandfrei, daß seine Beschwichtigungsparolen nichts als Unwahrheiten und Ausflüchte
sind...“
Dreßler behauptete: „Niemand kann heute sicher sein, ob die
Rentenkassen im kommenden Herbst nicht leer sein werden... Wir
stehen vor einem Scherbenhaufen, und der Verantwortliche ist
niemand anderes als der Bundesarbeitsminister. Statt die Linie des
Rentenkonsenses weiter zu verfolgen und seiner Sorgfaltspflicht
für die Rentner und Rentnerinnen, für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu genügen, hat er zugelassen, daß die Rentenversicherung erst zur Manövriermasse der Haushaltspolitik wurde
und jetzt in der Gefahr ist, zum Tummelfeld der besserverdienenden Sozial-Abbruchunternehmer zu werden.“
War Dreßler nicht bei Trost? Wie konnte und durfte er der
Bundesregierung ohne triftigen Grund „Versagen in der Beschäftigungspolitik“, „Umverteilung von unten nach oben, von den abhängig Beschäftigten mit niedrigem und mittlerem Einkommen
auf die Besserverdienenden und auf die Besitzer großer Vermö237
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
gen“ sowie kurz und bündig einen „Betrugsversuch bei der Finanzierung der deutschen Einheit“ vorwerfen?
Tatsächlich hatte die Regierung ja, wie Dreßler auch ausführte
und es als „Rentendiebstahl“ bezeichnete, eine „Senkung des Rentenversicherungsbeitrages von 18,7 auf erst 17,7 und später auf
17,5 % bei gleichzeitiger Erhöhung des Beitrages zur Bundesanstalt für Arbeit im gleichen Umfang“ beschlossen. Dadurch erhielt
die Rentenversicherung weniger Geld von den Versicherten. Aber
die Bundesanstalt für Arbeit erhielt mehr Geld, das aber „zur Finanzierung von allgemeinen Staatsausgaben, nämlich der Stützung des Arbeitsmarktes im Osten mißbraucht wurde“. War das
Schwindel? Oder anders gefragt: Welcher klar und geradeaus
denkende Mensch konnte ein solches Vorgehen nicht als äußerst
unseriös betrachten?
Dreßler regte sich auf, „die privilegierten Versorgungssysteme
sollen abermals aus der Diskussion herausgehalten werden, während die beamteten Experten und Empfänger von Minister- und
Ministerpräsidentengehältern öffentlich darin wetteifern, die Altersversorgung der kleinen Leute kaputtzureden“, und beklagte:
„Diese Regierung hat Mal für Mal die Rentenversicherung als Reservate für ihre bankrotte Haushaltspolitik mißbraucht.“ Für seine
Partei stellte er fest, sie sei „nicht mehr bereit, das gesetzwidrige
Verhalten des Bundesinnenmininisters länger hinzunehmen...“
Richtig oder falsch? Zahl oder Adler? Bei Verstand oder nicht
mehr bei Trost? Konnte es wahr sein, daß ein Minister mit einem
derartigen Lebenslauf (siehe EndnoteXIII) sich als Führungskraft
im Kabinett gesetzwidrig verhalten hatte? Oder verhielt sich
Dreßler unmoralisch und wahrheitswidrig, als er diese Vorwürfe
erhob?
Er ging sogar noch weiter und nannte die Politik der Regierung
eine „Politik der schleichenden Ausplünderung der Rentenkassen“, vor allem auch, so lange „die Bundesregierung sich nicht von
ihrer verhängnisvollen Strategie lossagt, ausschließlich die Beitragszahler für die deutsche Einheit zahlen zu lassen“.
238
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Alles nur Unfug? Parteipropaganda?
Wir hatten einen Ausflug in die Urzeit der Menschheit unternommen, um zu erahnen, worauf es damals ankam: aufs Überleben. Dazu war, noch ohne Bibel, ohne die Zehn Gebote, ohne
Katechismus und Grundgesetz, alles recht. Selbst- und Arterhaltungstrieb hatten sich in den Genen verankert, und sie haben bis
heute trefflich funktioniert.
Was wir noch nicht hatten: Es gibt eine Betrachtensweise, der
zufolge ein „Organismus“ (siehe auch später ab Seite 260) nicht
nur das ist, was wir bei Menschen oder Tieren erkennen können,
sondern daß auch ein Volk oder eine Institution die Eigenschaften
eines Organismus entwickelt und auslebt. Vieles, was wir bei einem Individuum entdecken können, wird uns bei genauerem
Hinsehen auch bei Zusammenschlüssen von Individuen auffallen.
Überall, wo Menschen unter einem festen organisatorischen und
ideologischen Dach vereint sind, scheint so etwas wie ein Organismus zu sein, entsteht so etwas wie eine „Person“, die sich insbesondere bei Gefahr von außen wie ein geschlossener Organismus
darstellt49. Dafür gibt es in der Natur sogar ein verblüffendes Vorbild, bei dem sich zum Beispiel Einzeller bei Nahrungsmangel zusammenrotten und einen Klumpen bilden, bis der Mangel vorbei
ist.
Genetische, also naturgegebene, Veranlagungen lassen sich nicht
einfach wegzaubern, sondern sich durch entsprechende Erziehungsmaßnahmen nur so weit verdecken, wie es die Gesellschaft
braucht und gewährleistet. Jedoch nicht ganz. Triebe verhalten
sich wie Krankheiten, deren Symptome nach einer Behandlung
verschwinden, ohne daß die auslösenden Erreger vernichtet werden konnten. Die Erreger bleiben weiter auf der Lauer und nehmen jede Gelegenheit wahr, wieder zuzuschlagen.
49
Der Spruch „Einer für alle - alle für einen“ scheint damit eine gewisse Verbindung zu haben.
239
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Das mag erklären, warum sich der „Organismus“ der CDU in
und bei Hameln wie ein Igel zusammenrollte, um Angriffe von
FOCUS-TV gegen einen Teil von sich, nämlich den MdB Wilfried Seibel, abzuwehren (siehe Seite 225). Daß auch der Bundestagsabgeordnete Kurt Neumann (Seite 226) trotz schwerer Belastungen Abgeordneter bleiben konnte, mag auch mit solchen Reaktionsmechanismen zusammenhängen.
Offenkundigen Tatsachen nachzugeben und einen Teil des Organismus abzustoßen, muß ja auch einschließen, daß der Organismus eine kranke Stelle zugibt. Wenn jedoch unterstellt und zu
Propagandazwecken behauptet wird, der Organismus sei ideal
und die einzig richtige Wahl, gehört dazu auch, eben keine kranke
Stellen zu zeigen. Gegenteiliges würde das Ideal beschmutzen.
Solche und ähnliche „Organismen“ innerhalb des „Organismus“
Volk gibt es mittlerweile in Mengen. Oft überschneiden sich diese
Mengen sogar mehrfach und in Personalunion. Wenn jemand ins
Kreuzfeuer (meist nur der Presse) gerät, der in den Führungsgremien mehrerer „Organismen“ (Institutionen) hockt, nehmen diese
ihn nicht selten in Schutz, indem sie sich gegenseitig flankieren.
Damit sind wir bei einem wesentlichen Aspekt angelangt - dem
Filz.
Wir müssen es uns einfach einbleuen, daß Filz „normal“ ist.
Auch der Filz entspricht einer urtypischen Verhaltensweise aus
den Anfängen der Menschheit. Wie anders, als durch geplantes
gemeinsames Handeln hätten die Menschen großes Wild erlegen
können? Die Erkenntnis, daß man gemeinsam mehr erreicht als
einzeln, gehört zu den frühestens Lernergebnissen von Lebewesen. Sogar im Märchen von den „sieben Brüdern“ ist nachzulesen,
daß man sieben gebündelte Stäbe nicht so leicht bricht, wie man
jeden Stab einzeln zerbrechen kann.
Wo Menschen sich unter einer gemeinsamen Idee, einer Zielsetzung versammeln, entsteht „Bündelung“ und mit ihm „Filz“. Der
Filz besitzt die besondere Eigenheit, daß er parteiübergreifend
sein kann, wenn das Ziel nicht parteiabhängig ist (wie etwa die
240
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
kollektive Bereicherung auf Kosten Dritter oder die Abwehr von
Bedrohungen durch Dritte). Er ist auch in besonderem Maße abhängig von der Stabilität einer Situation. Je länger bestimmte
Parteien an der Regierung sind, je länger bestimmte Kontakte zwischen verschiedenen Institutionen andauern, je mehr Mengen sich
beim Verfolgen bestimmter Absichten überschneiden, desto mehr
Filz entsteht. Der Filz stellt für sich genommen dann schon wieder eine Menge dar, in der konkurriert wird.
Wer das grundlegend ändern will, ist ein Träumer. Er hat den
schlimmsten Gegner gegen sich, nämlich die genetische Prägung,
die sich unter der Tünche hoher Kultivierung und Zivilisation als
so lebendig erweist wie eh und je.
Daraus ergibt sich: Der soziale Wohlfahrtsstaat, wie er im
Nachkriegsdeutschland aufgebaut wurde, war eine kulturelle
Höchstleistung mit einer unglaublichen Distanz gegenüber der
„natürlichen Prägung“ der Betroffenen. So lange, wie die Umstände es hergaben, konnte der Beutetrieb aller dabei befriedigt
werden; der sogenannte „Wohlstand“ wuchs und wuchs und
wuchs...
Dann aber kam der „Weltmarkt“, kamen die Entwicklungshilfe,
die WTO, die Liberalisierung des Welthandels und die Billigimporte. Die Entwicklungshilfe war während des kalten Krieges
teilweise als politisches Instrument zum Einkauf von Gewogenheit in der UNO zu verstehen. Zu einem Teil aber half sie mit,
Billigproduktionen aufzubauen, die der heimischen Industrie
später Sorge bereiteten.
Den größten Schnitzer leisteten sich die Politiker, als sie Bestimmungen erließen oder duldeten, die Billigimporte zuließen,
ohne daß die Preise für eingeführte Waren durch Zölle oder Steuern dem Preisniveau vergleichbarer heimischer Produkte wenigstens angenähert wurden. Zu einem solchen Verhalten gab es keinen absoluten Zwang.
Ebenso schlimm war, daß Unternehmer ihre Produkte für den
Binnenmarkt im Ausland unter Ausbeutung der dortigen Notla241
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
gen herstellen durften50. Auch für die Ermöglichung oder Duldung
dieser Vorgehensweise, die ausschließlich dem Profit dient und
europäische Arbeiter brotlos macht, gab es keinen Zwang.
Die gesamte Politik wurde wie an der Leine der Unternehmer
gestaltet (Kellner des Kapitals51), deren Ziel es nicht war, Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen, sondern nur, möglichst fette
Bilanzen zu erreichen. Selbst die „Erhaltung“ von Arbeitsplätzen
benutzten Unternehmer zur Gewinnmaximierung. Sobald nämlich ein ausreichend großes Unternehmen ausgelaugt und heruntergewirtschaftet war, drohten sie nicht selten mit Stillegung und
schnorrten „zur Erhaltung der Arbeitsplätze“ Subventionen, durch
die sie in der Vergangenheit gezahlte Steuern eigentlich nur vom
Staat zurückholten.
Daß Unternehmen nicht in Arbeitsplätzen, sondern in Profit
denken, zeigt sich immer wieder. Zur „Schaffung von Arbeitsplätzen“ sollen wieder einmal die Unternehmenssteuern gesenkt werden. Dabei sind, wie auch das ARD-Morgenmagazin berichtete52,
die Gewinnsteuerquoten in den Jahren der Kanzlerschaft von
Helmut Kohl fast um die Hälfte von über 50 Prozent auf nahe 30
Prozent gesenkt worden. Das hat den Staat einige 100 Milliarden
gekostet, die jetzt fehlen und auch als Schulden durch die Jahre
geschoben werden. Weitere Steuersenkungen, so der Wirtschaftsminister Rexrodt, sollen bewirken, „daß unser Land attraktiv gemacht wird für Kapitalanlagen und Investoren“.
Dabei haben Steuersenkungen nur zu weiteren Gewinnmitnahmen geführt. Seit Anfang dieses Jahrzehnts stiegen die Unternehmensgewinne bis zu 15 Prozent, wogegen die Investitionen in
Sachanlagen und damit verbundene Arbeitsplätze um 15 Prozent
gesunken sind. Deshalb fragte das Morgenmagazin: „Wo bleiben
die Gewinne, wo bleibt das Geld, das die Bundesregierung den
50
51
52
242
Was oder wer zwingt einen Kaffeeröster dazu, Textilien in Bangladesch produzieren zu lassen, wo Kinderarbeit die Regel ist?
Eine Überschrift im SPIGEL 26/1996, Seite 22
Am 17. Mai 1996
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Unternehmen schenkt?“ Es gab selbst die Antwort: bei Banken.
Das Geldvermögen wachse in der Bundesrepublik Deutschland
jedes Jahr um ein Drittel; es gebe viermal mehr Barvermögen als
vor vier Jahren53. Geld streike nicht, werde nicht krank und vor allem lasse es sich am Finanzamt vorbeimogeln: „Drei Viertel aller
Gewinne aus Geldvermögen werden nicht versteuert.“
Wenn Journalisten eines Fernsehsenders das wissen, warum wissen es dann nicht die Politiker? Wissen sie es nicht, oder tun sie
nur so, als wenn es nicht so wäre? Wenn Unternehmen weitere
Steuererleichterungen erhalten sollen, wer zwingt sie denn, die
dadurch steigenden Gewinne nicht zu den Banken zu tragen und
dort arbeiten zu lassen, ohne daß die Unternehmer sich selbst
mehr Arbeit aufladen? Wenn Geld als Geld mehr und bequemer
Profit abwirft als durch die Investition in Arbeitsplätze, warum soll
man dann Arbeitsplätze schaffen? Nur um sich den Kopf des
Staates zu zerbrechen und Leute von der Straße zu kriegen?
Wenn wir jetzt in Gedanken zurückblättern und alles Bisherige
auf einen einzigen Satz verkürzen wollen, müßte ungefähr herauskommen: In mehr als einem Jahrzehnt der bisherigen Regierung der BRD durften die Unternehmer tun, was sie wollten,
konnten sie ihre Profite auf jede nur erdenkliche Weise steigern
und ihre Steuerlast verringern, während der Nutzen der abhängig
53
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) stellte fest,
daß von 1980 bis 1995 der Realwert der Nettolöhne und -gehälter in
Westdeutschland auf 96,7 % gesunken sei. 1980 erwirtschafteten
die Unternehmer in Durchschnitt für 1.000 Mark Bruttolohnsumme
(einschließlich Arbeitgeberbeiträge) 220 Mark Überschuß bei der
Nettowertschöpfung, 1995 waren es 333 Mark, also 51 % Prozent
mehr. Der Anteil der Bruttolohnsumme an der Nettowertschöpfung
je Erwerbstätigen sank dabei um 8,53 Prozent. Die Belastung der
Bruttoeinkommen durch Einkommensabzüge stieg um 24,14 Prozent, die Summe der gesamten Abgaben um 17,07 Prozent (von
41% auf 48%). - Quelle: WAZ v. 1.6.1996; Wirtschaft: „Staat kassierte Lohnerhöhungen“ und Internet-Adresse „http://www.diwberlin.de/diwwbd/96-22-2.html“
243
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Beschäftigten und der Rentner abnahm und ihr Besitzstand sogar
zweckentfremdet wurde.
Das belegt eindeutig, daß sich die Interessen des Kapitals
(Grund-, Investitions- und Geldvermögen) bevorzugt durchsetzen
konnten und die Interessen der Beschäftigten gefährlich beschädigt wurden.
Wer außer den Politikern und der sie beeinflussenden und sehr
mächtigen Lobbyverbände ist daran schuld? - Niemand. Und
wenn Minister am Rednerpult unsinnige Behauptungen aufstellen
oder sich in der Öffentlichkeit gegenseitig beharken, wenn über
Jahre als nutzlos erwiesene Methoden auf Geheiß der Regierungsbank fortgesetzt werden sollen, wenn Abgeordnete der Regierungsparteien diesen Methoden weiterhin zustimmen und entsprechende Gesetze auf den Weg bringen wollen - wo ist dann der
Sachverstand des Parlaments, die persönliche Meinung oder
Überzeugung des einzelnen Abgeordneten zu finden, der nur seinem Gewissen verantwortlich sein soll?
Die „Volksvertreterbefragung per Internet“ war ja nur ein Aufhänger, der Politik einmal auf den Zahn zu fühlen und einen Bogen vom Gestern über das Heute bis zum Morgen zu spannen.
Es ist schierer und „ungezügelter Kapitalismus“, vor dem der
Papst in Slowenien warnte (weil er es wohl nicht gerade im prunkumrahmten Vatikan tun wollte).
Wir kommen nicht umhin, uns mit dieser Tatsache abfinden zu
müssen, denn sie ist ohne einen ganz entschiedenen Schwenk der nicht wahrscheinlich ist - nicht zu ändern. Wir selbst, sofern
wir autofahren, geben jeden Tag dafür den Beweis ab. Denn einen
Beleg dafür, wie sehr unsere Gesellschaft zu einer Bagage von
Egoisten, einem ungeheuren Klüngel von rücksichtslosen Einzelkämpfern geworden ist, bietet der Straßenverkehr.
Während der täglichen Hatz durch den Verkehrsdschungel,
beim erzwungenen Schmoren im Stau, zeigen die Bundesbürger,
wes Geistes Kind sie geworden sind. Obgleich die durch ihre
Kennzeichen zu ermitteln sind, fühlen sie sich anonym, sind sie
244
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
verwachsen mit ihrem Fahrzeug, das sie als Teil von sich empfinden, als Potenzierung ihrer Gehwerkzeuge, als eine Art hypertrophierter Extremität. Und mit diesen Extremitäten treten sie in
einen Wettkampf ein, zeigen sie sich ungehemmt als Primaten auf
der Jagd auf die vielleicht letzte Banane.
Die vielen Deutungsversuche vieler Experten, warum der fahrende Bürger sich oft so unsinnig und gegen jede Vernunft handelnd im Straßenverkehr bewegt, geht an der Tatsache vorbei, daß
das bemängelte Verhalten in Wahrheit völlig natürlich ist. Es entspricht der genetischen Prägung, die sich ohne das Gefühl, von der
Gesellschaft wirksam kontrolliert zu werden, immer hemmungsloser austobt.
Was viele nicht so denken, aber in Wahrheit durch ihr Verhalten
offenbaren: Sie wollen ja gar nicht autofahren und ihre Zeit auf
der Straße vergeuden. Sie haben ein Ziel, an dem sie ihre Anwesenheit und ihre Tätigkeit fortsetzen wollen. Deshalb wollen sie
am Ort A nicht mehr sein und sich so schnell wie möglich am Ort B
befinden. Dazwischen liegt eine Strecke, die überwunden werden
muß. Der Weg aus Strecke mal Zeit ist eigentlich nur ein Verlust.
Zur Verminderung dieses Verlustes ist das Fahrrad besser als das
Gehwerkzeug, das Motorrad besser als das Fahrrad, das Auto (rollendes Wohnzimmer) besser als ein Motorrad, das schnellere Auto
besser als das langsame. Auch, so glauben wohl viele, ist in diesem
Zusammenhang die schnellere Fahrweise besser als die gemächliche.
Ausschlaggebend für das Gedrängel im Straßenverkehr ist aber
die genetische Veranlagung, jeden anderen, zu dem keine besondere soziale Bindung besteht, bei gleichem Tun als einen Konkurrenten anzusehen. Die Wegnahme von Verkehrsraum, das
Vordrängeln und Einnehmen „besserer“ Positionen, soll die eigene Chance verbessern, vor dem Konkurrenten an eine mögliche
„Beute“ zu gelangen. Das könnte, um es überspitzt, aber deutlich
auszudrücken, an einer Staude die „letzte Banane“ sein, die dem-
245
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
jenigen seine Überlebenschance verbessert, der sie als erster erreicht und verzehren kann.
Nichts anderes ist der Grund, warum wir uns im Straßenverkehr
gegenseitig bekämpfen und ständig auszustechen versuchen: Wir
sind permanent auf einer „Jagd nach der imaginären Banane“, obgleich die Vernunft uns etwas völlig anderes sagen könnte: „Du
willst nur von A nach B und mußt dazu eine bestimmte Strecke
überwinden, was dich einen bestimmten Betrag an Zeit kostet. Ob
du jetzt drängelst oder nicht - es bringt dir keine bemerkenswerten
Vorteile ein gegenüber einer gelassenen Fahrweise, die außerdem
weniger gefahrenträchtig ist.“ Das könnten wir wissen und zum
Maßstab unseres Verhaltens machen, doch etwas in uns, das wir
nicht bewußt wahrnehmen, läßt uns anders handeln.
Könnten wir uns zum doppelten Preis eines Autos genetisch so
verändern lassen, daß wir nur noch die Augen schließen und uns
das Ziel, an dem wir sein möchten, vorstellen müßten, um in der
nächsten Sekunde tatsächlich auch dort angekommen zu sein... was würden wir tun? Augen zu, Teneriffa vorstellen, und schon
sind wir da! Augen zu, das Brandenburger Tor vorstellen, und
schon sind wir dort! Augen zu, die Couch vor dem Fernseher vorstellen, und schon sitzen wir drin! Wo würden wir unsere Mittagspause verbringen? Auf dem Times Square? An der Santa Monica Beach?
Leider haben wir nur unsere Füße, so schnell und so weit sie uns
tragen. Weil das Auto schneller ist, lieben wir das Auto, denn es
hilft uns, weniger Zeit durch die Bewältigung einer Strecke zu
verlieren. Da uns ein schnelleres Auto wenigstens im Prinzip noch
weniger Zeitverluste zumutet, fahren wir so schnell es geht, immer
auf der Suche nach einer freien Spur oder einem Plätzchen weiter
vorne - vor den anderen...!
Weil wir als Fußgänger drängeln, drängeln wir auch mit dem
Auto. Und ebenso, wie wir beim Schlußverkauf ein Schnäppchen
wähnen, das uns jemand wegjagen könnte, stürmen wir grundsätzlich nach vorn: die Augen weit voraus und die vermeintlichen
246
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Rivalen unauffällig im Blick. Neigt sich die Autobahn sanft ins
Tal, um wieder anzusteigen und hinter der nächsten Anhöhe unsichtbar zu werden, treten wir erst recht aufs Pedal und hängen
alles ab, was sich nicht wehren kann, denn hinter der Höhe - unsichtbar und nicht auszuschließen - könnte ja etwas sein, dessen
Wert sich nur dem erschließt, der es zuerst erreicht.
Dabei haben wir es schwer, uns auf der mittleren und linken
Spur bei fast völlig freier rechter Fahrspur nicht ins Gehege zu
kommen. Kluges Ausnutzen auch der rechten Spur zieht kaum
jemand in Betracht, denn diese Spur verrät nach der Hackordnung
den Schwächsten, zu dem sich niemand freiwillig rechnen möchte. Nur der ganz Brutale, bewaffnet mit einem röhrenden Gefährt,
schießt rechts vorbei und „zeigt es allen“. Wenn es zwar Geschwindigkeitsbeschränkungen gäbe, jedoch trotz drohender Strafen keinerlei Kontrollen - wer würde sich dann noch an die Schilder halten? Wohl nur die „Dummen“.
Der autofahrende Mensch empfindet auch als Fußgänger, als
Schreibtischhengst, als frommer Kirchgänger, als lieber Kollege
und erst recht als Vorgesetzter vom inneren Drang her nicht anders als hinter dem Volant. Und so, wie wir im Verkehr eine bürgerkriegführende Nation sind, sind wir es auch woanders54. Wer
ständig im Mitmenschen nur den Konkurrenten wähnt, ihm alles
neidet und nichts gönnt, kann nicht solidarisch sein, kann keinen
„common sense“ entwickeln, will keine Gemeinsamkeit, die von
allen erwarten könnte, den Riemen für eine Weile ein wenig enger
zu schnallen. Er braust drauflos, denkt nur an sich, greift alles
Greifbare und achtet nicht auf Schilder, die Solidarität verlangen,
weil ihm keine Sanktionen drohen.
Opfer muß der bringen, der von der Natur her bereits Opfer ist:
der Schwächere, der weniger Erfolgreiche, der Abhängige, der
54
17.600 Autofahrer überzogen 1995 ihr Flensburger Punktekonto,
10,9 % mehr als im Vorjahr. 150.000 Delinquenten mußten sich einem „Idiotentest“ unterwerfen; mehr als zwei Drittel von ihnen als
Alkoholsünder.
247
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
„ewig Dumme“, Gegängelte, stets über Ohr Gehauene, dem ein
soziales Staatswesen endlich eine Chance auf ausgleichende Gerechtigkeit, auf Menschenwürde und Teilhabe am Reichtum der
Nation verschaffen sollte.
Dieses Staatswesen, gut gediehen, doch noch nicht vollendet,
steht nun zur Disposition, muß zusehen, wie „Diedaoben“ mit der
Abrißbirne auf „Diedaunten“ zielen, um sie an das alte Wort zu
erinnern, daß auch nicht essen soll, wer nicht arbeitet. Wer keine
Arbeit hat, ist selber schuld, denn nirgends ist verboten, Unternehmer zu werden und sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Wer immer nur am Rockschoß des Arbeitgebers herumquengelt, womöge noch von Gewerkschaften aufgewiegelt, die ihn
sowieso nur für ihre eigenen Machenschaften und Machtgelüste
mißbrauchen, muß endlich lernen, daß er das Schicksal von Unternehmern und Unternehmen zu teilen hat: Wo keine Aufträge
sind, ist auch keine Arbeit, und wo keine Arbeit ist, braucht man
auch keine Leute.
Und wenn beispielsweise dem Erfolgreichen, dem Wohlhabenden, zusätzliche Vorteile von Gesetzes wegen verschafft werden in
der Erwartung, daß er Arbeitsplätze schafft, aber ohne den Zwang,
es zu tun, bedeutet dieses nur einen Erfolg für seine Interessenvertretung, seine Gewinne ohne Mehrleistung noch weiter zu verbessern.
Das ist Catch-as-catch-can, gesellschaftliches Freistilringen jeder
gegen jeden, Abwesenheit von Gemeinsinn. Diese Abwesenheit hat
sich auf viele Institutionen übertragen, auf die „Organismen“, wie
wir sie zu verstehen versucht haben. So sind in dem „Organismus“
EU (Europäische Union) die einzelnen Mitglieder selbst auch nur
Organismen, ähnlich den Mitgliedern in einem Verein. Doch
selbst in diese Organismen hat sich die Aushöhlung von Werten
eingeschlichen, selbst in ihnen grassiert nur noch der pure Egoismus.
So hat Großbritannien nach dem Erkennen der BSE-Rinderseuche unverantwortlich viele Jahre die Zügel schleifen lassen und ei248
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
ne mögliche Gefährdung der Gesundheit von EU-Bürgern nicht
nur ignoriert, sondern sogar geleugnet. Als das Gefahrenpotential
erkannt wurde und gegen England ein Exportverbot verhängt
wurde, war es kaum einzusehen, warum alle EU-Bürger jetzt zur
Kasse gebeten wurden, den englischen Landwirten ihren vorwiegend selbstverschuldeten „Schaden“ tragen zu helfen. Doch damit
nicht genug: Als den Engländern aufging, welches Ausmaß die
Notschlachtungen annehmen und wie groß die Ausfälle durch das
Exportverbot ausfallen würden, forderte Premierminister Mayor
„ultimativ“, die Ausfuhr von Rinderprodukten durchaus bedenklicher Art wieder zu erlauben. Andernfalls wolle Großbritannien
alle EU-Entscheidungen blockieren. Diese Drohung wurde wahrgemacht. Als dann das Exportverbot gegen England verhängt
wurde und die Briten große Mengen Vieh notschlachten mußten,
hielten sie sich wiederum nicht an die EG-Auflagen und drosselten die Schlachtungen. Erste Stimmen in Brüssel und Straßburg
forderten, die Engländer aus der EU zu feuern...
Die gesamte westliche Welt hat sich dem
Dschungelprinzip
verschrieben, das gewöhnlich als „Kapitalismus pur“ bezeichnet
wird. Die einzigen Leute, die in der Bundesrepublik dagegen hätten angehen können, sogar dazu verpflichtet gewesen wären, sich
gegen eine solche Entwicklung zu stemmen, schienen inzwischen
„zu Bütteln der Arbeitgeber“ oder zu „Handlangern der Banken
und Unternehmer“ geworden zu sein: die Politiker der Regierungsparteien während der Kanzlerschaft von Helmut Kohl, aber
auch die Mitglieder der Oppositionsparteien, die sich beispielsweise zur Aufrechterhaltung von „Konsens“ in Teilbereichen auf
faule Kompromisse eingelassen und dadurch den Verfall bestimmter Grundsätze mit eingeleitet haben.
249
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Jetzt stellt sich heraus, daß die Bundesrepublik lieber die Gefahr
eines Aufruhr in der EU hätte in Kauf nehmen sollen, als sich
immer und immer wieder auf einen „gemeinsamen Nenner“ einzulassen, der gewissermaßen das schwächste Glied in der EUKette zum Maßstab nahm. Das soll hier nicht weiter ausgeführt
werden. Doch während sich die EU in ihrem eigenen Markt von
Fernostländern die Butter vom Brot nehmen ließ55, bliesen die
Amerikaner gehen Dumpingpreise zum Kampf, wurden beispielsweise asiatische Produkte wie Fernseher und Videorecorder
demonstrativ vor laufenden TV-Kameras öffentlich zerstört, erließ
die US-Regierung Strafzölle, um den Markt und amerikanische
Arbeitsplätze zu schützen.
Obwohl namhafte US-Firmen große Produktionen ins Ausland
verlegten, gelang es der amerikanischen Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit auf knapp über fünf Prozent abzubremsen. Daß solches in
Europa nicht gelang, liegt jedoch nicht an den Unternehmern,
weil die Lohnstückkosten in Deutschland sehr hoch sind56, sondern am Fehlen innovativer Leistungen. Gewinne wurden genug
gemacht (siehe Seite 242). Trotzdem sanken die Investitionen drastisch (aaO).
Dabei hätte es durchaus Möglichkeiten gegeben, beispielhaft für
die ganze Welt neue Märkte aufzurollen und Arbeitsplätze zu
schaffen. Eine davon wollen wir näher betrachten:
Es genügt keineswegs, auf die sogenannten Datenhighways oder
Datenautobahnen zu setzen. Diese müssen erst zu solchen gemacht werden, die auch funktionieren und den mächtigen, ständig
anschwellenden Datenstrom tatsächlich bewältigen. Dagegen
wartet schon lange ein weiteres und dazu noch sehr großes Anwendungsfeld für Elektronik darauf, von urväterlicher Technik
auf digitale Prozesse umgestellt zu werden.
55
56
250
Mit winzigen Ausnahmen wie z.B. Antidumpingzölle gegen japanische Computerdrucker.
Siehe hierzu auch die Fußnote auf Seite 41.
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Solch urväterliche Technik, deren Überleben auf die Dauer keine Chance mehr besitzt, begegnet jedem jeden Tag. Sie steckt in
unseren Behausungen und verbraucht unangemessen viel Strom,
den sie dadurch vergeudet. Es ist die simple Haustechnik, die am
Stromzähler beginnt und im Küchenherd oder in der Gartenbeleuchtung endet.
Die Bemühungen, dieser Technik einen modernen Stempel aufzudrücken, laufen unter dem Begriff Gebäudeautomatisierung.
Eigentlich ist es heute eine Kleinigkeit, das Stromnetz in Häusern und einzelnen Wohneinheiten unter digitale Kontrolle zu
bringen. Bei einem Neubau fallen die Mehrkosten nur mit rund 15
Prozent ins Gewicht. Da sind zu den etwa 8.000 bis 9.000 Mark
Kosten bei einem Einfamilienhaus (einschließlich Verlegen von
zahlreichen Leerrohren für verschiedene Zwecke) weniger als
1.500 Mark zu addieren.
Es gibt jedoch keinerlei Vorschriften dazu, daß etwa Neubauten
gleich mit entsprechender Technik zu versehen sind. Solche Vorschriften wären bislang auch über die Streitereien um einen Standard gestolpert. Dabei wartet hier ein Markt von vielen Milliarden
Markt auf seine Erschließung. Es gibt allein in Europa fast 150
Millionen Haushalte, die von der Digitaltechnik im Stromnetz
profitieren könnten.
Wie immer, wenn es um Märkte und Profite geht, hatte sich die
Industrie in den Haaren. Siemens wäre gern König mit seinem
EIBA-System geworden, Daimler-Benz zusammen mit Philips
und dem EHSA. IBM hätte gern mit LON den Markt abgestaubt.
Von BatiBUS aus Frankreich gar nicht erst zu reden...
Mit welchem Bus-System auch immer: Es hätte sich in jedem
Fall gelohnt, schon früher Einigkeit zu pflegen und auch schon
Haushalte vermehrt auf digitale Füße zu stellen. Um den Luxus,
von einer Zentrale aus im Keller das Licht ausschalten und während des Urlaubes irgendwelchen Langfingern ein belebtes Haus
vortäuschen zu können, wäre es dabei nicht einmal gegangen. Digitalisierung hätte hier auch wesentliche Einsparungen im Sinne
251
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
ökonomischen und ökologischen Umgangs mit Ressourcen bedeutet und kann es selbst jetzt noch bedeuten.
Nebenbei wären auch viele Bequemlichkeiten und Sicherheitsfaktoren abgefallen, die wir hier jedoch nicht im einzelnen erörtern wollen. Eine digitale Vernetzung des Privathaushaltes mit der
Steuerung der gesamten Trivialelektrik steht irgendwann sowieso
an, und für das Multimedia-Zeitalter mit seinem mannigfachen
Möglichkeiten, aus dem Urlaub in fernen Landen auch den Zustand von Geräten im Haus abzufragen, ist sie Bedingung. Bedingung ist sie auch für die Weiterführung einer Vernetzung außerhalb des Hauses bis ins Wohngemach und dessen Nachbarräume.
Da ist es nur logisch, dem Datenhighway dessen Verwandten
zur Kontrolle und Steuerung der gesamten Haushaltselektrik beizugesellen. Wer von beiden zuerst zur modernen Familie stößt, ist
gleichgültig - gebraucht werden beide.
Machen wir eine „Milchmädchenrechnung“: Wenn die Ausoder Umrüstung von 25 Millionen Haushalten pro Haushalt 5.000
Mark kosten sollte, ergäbe das in der Summe einen Umsatz von
125 Milliarden Mark. Es gibt aber in Europa fast sechsmal so viele
Haushalte. Und wenn sich die Aus- oder Umrüstung auf die
Hälfte verbilligen ließe, würde das im Endeffekt immer noch zu
einem Umsatz von rund 350 Milliarden Mark führen - verteilt auf
die Jahre der nächsten Zukunft.
Ein riesiger Milliardenmarkt! Der liegt da einfach nur herum,
weil sich ausschließlich die Trüffelschweine der Industrie in ihm
trollen, um die Claims abzustecken. Eine andere Möglichkeit angesichts des als sicher bevorstehenden Informationszeitalters haben wir schon angerissen (siehe Seite 28). Nichts kann die Bundesregierung daran hindern, mit einem derartigen Staatsprogramm vorzupreschen.
Man muß sich fragen, was „Programme“ nützen, wenn man sie
nicht auflegt. Zur „Reinhaltung der Luft“ wurden gesetzliche Vorschriften erlassen, die den Katalysator erzwangen. Jetzt sollen
Autos ohne Katalysator derart mit Steuern belastet werden, daß
252
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
ausgerechnet den finanzschwachen Bevölkerungsteilen, die sich
nur alte Autos leisten können, das Autofahren weitgehend unmöglich gemacht wird. - Freie Fahrt den Reichen? - Wie auch
immer, der vorgeschriebene Katalysator führt nur zu einer anderen Art von Abgassystem mit vergleichsweise geringen Modifikationen des Systems Auto. Dadurch wurden kaum nennenswert zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Modelländerungen und technischer Fortschritt bedingen häufig viel weitgehendere Modifikationen.
Solche „Programme“, die den Namen kaum verdienen, führen
nur zu einer veränderten Auslastung vorhandener Personalstämme. Echten Bedarf an Arbeitsplätzen können nur Programme bewirken, die gänzlich Neues schaffen, für das Arbeitskräfte benötigt
werden. Und wirken können solche Programme nur, wenn sie
Qualifikationen voraussetzen, die im Lager der Arbeitslosen
reichlich zu finden sind. Sonst bleiben sie Papier.
Wir wollen zum Ende kommen.
Manchmal mag es scheinen, daß ich mich auf die eine oder andere Seite geschlagen und auch nicht „unparteiisch“ zitiert habe.
Das wäre ein Mangel, den ich in Kauf nehmen muß. Es mag auch
so aussehen, daß ich die „Frechheit einer Volksvertreterbefragung
per Internet“ nur zum Vorwand genommen habe, mich in Wahrheit über etwas ganz anderes auszulassen. Auch einen solchen
Vorwurf nähme ich gern in Kauf.
Aus dem, was ich mit brennenden Fragen im Herzen angefangen habe, ist zwar sehr wohl am Ende etwas ganz anderes herausgekommen. Das ist jedoch ein Ergebnis der Dynamik, die sich in
das Schreiben dieses Buches gedrängt hat. Das ständige Stöbern
im Internet, die unablässige Beobachtung der tatsächlichen oder
ausgebliebenen Rückläufe aus meinen Anfragen, die unverhofft
aufgetretenen technischen Aspekte beim eMail-System und auch
die immer häufiger erkennbaren neuen Fragen und die Versuche,
Antworten auf sie zu finden, haben die Arbeit an diesem Buch
nicht zur Abarbeitung eines Planes werden lassen, sondern zu ei253
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
ner Abenteuerreise durch Probleme unseres Systems, die wir in der
Hauptsache Politikern verdanken, weil sie die Rahmenbedingungen geschaffen haben oder notwendige Beschränkungen schuldig
geblieben sind.
Von denen, die Fehler machen und immer wieder in ihre Positionen zurückkehren wollen, kann man am wenigsten erwarten,
daß sie ihre Fehler zugeben. Eher, daß sie sie vertuschen oder
leugnen. Offenlegung und Kritik kann man eigentlich nur von der
„Gegenseite“ oder Betroffenen erwarten.
Wie sehr die Vertuschung auch schlimmster „Unregelmäßigkeiten“ zum Tagesgeschäft geworden ist, zeigte jüngst der Crash bei
KHD (Klöckner-Humboldt-Deutz). KHD schob rund eine Milliarde Mark Schulden vor sich her (man muß sich fragen dürfen,
wie ein „gesundes“ Unternehmen solcher Größenordnung eine
Milliarde Schulden haben kann, wer da Mist gebaut und wer da
trotzdem und warum Geld hineingesteckt hat). KHD brauchte
und bekam Unterstützung. Die wäre wohl ausgeblieben, wenn
bekannt gewesen wäre, wie es um die WEDAG AG stand, eine
KHD-Tochter.
Von der WEDAG hieß es erst, daß da ein paar Milliönchen
fehlten. Dann war von Verlusten in zweistelliger Millionenhöhe
die Rede. Kurz darauf wurden die Millionen dreistellig. Es sollte
sich um die „Verschleierung von Verlusten“ gehandelt haben.
Endlich wurde eine Summe von 650 Millionen genannt. Die
WAZ schrie es auf der Titelseite heraus57: „Bilanz-Betrug gefährdet Konzern KHD“.
Wo aber jeder Rolex-Dieb verhaftet worden wäre, wurde „gegen
die Beteiligten“ Strafanzeige erstattet, wurden sie „beurlaubt“.
3.500 Arbeitnehmer der WEDAG gerieten in Panik. Und schon
traten Funktionäre auf den Plan, die von Stadt, Land und Bund
„finanzielle Hilfen“ forderten.
Leben wir in einem Tollhaus namens BRD?
57
254
Nr. 124 v. 29. Mai 1996
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Man stelle sich vor: Verrückte in einem Haus stecken alles in
Brand, bis nur noch Schutt und Asche übrig sind. Aus welchem
Grund sollen dann die Nachbarn sammeln und zusammenlegen,
um den Verrückten ihr Haus wieder aufbauen zu helfen? Oder:
Betrügerische Angestellte fälschen Bilanzen bei einer Gärtnerei,
die deshalb vor der Pleite steht. Aus welchem Grund soll die
Stadtverwaltung Geld geben, um die Pleite zu verhindern? Nach
Informationen im Fernsehen soll die Stadt Köln aber ihre Bereitschaft zur Hilfe für den maroden Betrieb signalisiert haben.
Lug und Trug bei der Regierung, wenn man den Aussagen von
Rednern der Oppodition traut. Lug und Trug bei großen Indistrieunternehmen, wenn man an Vulkan und KHD denkt. Lug
und Trug bei Sport- und Medienkanonen... - Wo lauert und tarnt
sich überall noch weiterer Lug und Trug, der bis jetzt nicht ans
Licht gekommen ist? Ist alles nur noch auf Raub, Plünderung und
Täuschung angelegt? Gehört die Irreführung zur Norm? Ist der
Griff in fremde Taschen salonfähig geworden? Besteht „Diedaoben“ nur noch aus Raubzeug?
Um mich nicht mit eigenen Worten aus der Affäre zu ziehen,
will ich abschließend von der „Gegenseite“ einen SPD-MdL aus
dem bayrischen Landtag zitieren58. Fritz Schösser lief offenbar zur
gleichen Zeit wie Rudolf Dreßler, der im Bundestag den Rentenkonsens mit den Regierungsparteien aufkündigte, die Galle über:
„Die Reichen neiden den Armen mittlerweile den letzten Groschen. Verschämte Armut und unverschämter Reichtum spalten
diese Gesellschaft. Starke entziehen sich immer mehr der Verantwortung, schwache Schultern müssen immer mehr Lasten tragen.
... Eine Minderheit der Bevölkerung hortet immer mehr Kapital
und Vermögen, während die Mehrheit immer mehr Steuern und
Abgaben zahlen muß.“ - Droht eine neue Spaltung Deutschlands?
Werden die Wohlhabenden bald nur noch in geschützten Revieren
58
Aus seiner Rede am 23. Mai 1996
255
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
hausen und sich von schwarzen Sheriffs behüten lassen wie viele
reiche Prominenz in Amerika?
Wie sehr der Staat sich als Dienstleister vor allem für die Mächtigen und Vermögenden versteht, zeigt sich auch bei Gelegenheiten, bei denen es nicht auf Anhieb auffällt. Als der superreiche Erbe Reemtsma entführt und gegen 30 Millionen Mark Lösegeld
freigelassen war, veranstalteten die Ermittlungsbehörden eine riesige Treibjagd in ganz Europa. Deren Erfolg mußte einschließen,
dem Freigekauften auch seine Millionen wieder zu beschaffen,
soweit das Geld nicht futsch war. „Heiß gemacht“ war das Geld
ebenefalls durch Aufzeichnung der Geldscheinnummern. Was
aber hätte die Polizei unternommen, wenn irgendein Unbekannter entführt und gegen eine „geringe“ Summe wieder freigelassen
worden wäre - etwa ein Kölner Vorstadtarchitekt, dessen Angehörige sein Haus verpfändet hätten, um einige hunderttausend Mark
zusammenzukratzen? Wer kümmert sich um jene, die nicht irgendeine „Nummer“ in der etablierten Gesellschaft darstellen?XIV
Und wen wundert es da noch, daß die eMail-fähigen Abgeordneten in Bonn wie auch ihre Nachwuchskader an sie gestellte Fragen fast einhellig ignorierten?
Es scheint eine Menge nicht nur ein wenig aus dem Lot geraten
zu sein, scheinen „die Mächtigen“ immer unverschämter „die Sau
rauslassen“ und sogar den „Bundeskanzler am Nasenring durchs
Land“ führen59 zu wollen.
Was hat das Parlament noch mit den Wählern zu schaffen?
Zeigt eine Oberschicht - zu der sich wahrscheinlich auch die privilegierten Bundestagsabgeordneten der Koalition zählen - nicht
deutlich, wie wenig sie noch mit einer gesamtgesellschaftlichen
Verantwortung mit Blick auf „das Wohl aller“ zu tun haben will?60
59
60
256
Gregor Gysi, PDS, am 26.9.1996 im Bundestag.
Mit seinem rigorosen Nein zu Mindestlöhnen auf dem Bau blokkierte der Arbeitgeberverband lange Zeit das sogenannte Entsendegesetz zunächst auf die Gefahr hin, daß sich weiterhin billige Ar-
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
- Wann werden sich folglich nach den Nichtwählern auch die
restlichen Wähler fragen, was sie noch mit diesem Staat zu schaffen haben wollen?
Nach der stur eingehaltenen Marschrichtung der Regierung in
Bonn, die sich eindeutig auch in den Bundestagsdebatten am 23.
und 24. Mai 1996 sowie in späteren Debatten offenbarte, mag die
Frage bald nicht mehr lauten, ob es irgendwann knallt, sondern
nur noch, wann es knallt. Zwar hat jedes Volk die Regierung verdient, die es hat. Doch es kann auch sein, daß eine Regierung
plötzlich das Volk bekommt, das sie verdient. Und das kann bitter
werden und ein teurer Spaß, für den natürlich am Ende nur wieder die „Kleinen“ zu bezahlen haben...
Während meiner Beobachtungen, bei denen das Internet eine wesentliche Werkzeugfunktion ausübte, beschlich mich immer mehr
ein
Verdacht
- nämlich der, daß Männer in der Politik mehr unheil als Heil anrichten und daß Politik so viele unheilvolle Folgen hat, weil sie
von Männern dominiert wird.
Was hat die Politik im Fall Ex-Jugoslawien bewirkt? Sie hat gedroht und zugesehen, wie Zigtausende unschuldiger Menschen
dem Wahnsinn zum Opfer fielen. Nachdem Kulturdenkmäler
zerstört, die Toten kaum noch zählbar und Massenhinrichtungen
als nackter Völkermord erkennbar waren, taten die Politiker das,
was sie schon Jahre zuvor hätten tun können. Durch jahrelanges
Faseln und effektives Nichtstun wurden westliche Politiker im
Verein mit ihren UNO- und NATO-Partnern mitschuldig am
Tod vieler tausender Zivilisten, die noch leben könnten, wenn
beitskräfte aus dem Ausland auf den Baustellen tummeln dürfen
und in der Branche weitere 300.000 Inländer arbeitslos werden.
257
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
vorhandene Machtmittel sofort eingesetzt worden wären, nachdem nan mit ihnen gedroht hatte.
Was haben Politiker getan, als von ihnen selbst geschaffenen Instrumente beim freien Welthandel zu wirtschafts- und sozialschädlichen Auswüchsen in ihren Heimatländern führten? Wie
sie in der Bundesrepublik Deutschland der Probleme zu Lasten
der Schwachen und Armen Herr werden wollten und wie sie dabei
den Interessen der Mächtigen und Vermögenden entegenkamen,
zeigt dieses Buch wohl zur Genüge.
Männer neigen zum Kampf - ...für sich selber. Sie neigen zum
Kungeln - ...mit den Alpha-Tieren. Sie verachten eher den Schwächeren und erst recht „den Schwächsten, den die Hunde beißen“
mögen. Männer analysieren oft lange, gründlich und umständlich,
bis eine entsprechende Entscheidung schon nichts mehr nützen
kann. Männer sind zu einem weit übergreifenden Konsens und zu
Opfern nur fähig, wenn sie allesamt und wirklich ausnahmslos einer von außen auf sie zu kommenden Gefahr ausgesetzt sind.
Frauen in exponierten Stellungen dagegen vertrauen ihrem Instinkt. Sie handeln oft intuitiv und beraten sich gern mit anderen.
Was sie tun, wollen sie gut tun. Sie stellen Leistungen, mit denen
möglichst viele Betroffene zufrieden sein können, in den Vordergrund. Sie wollen Vertrauen und vertrauenswürdig sein. Frauen
interessieren sich auch für die Gefühlswelt anderer, für deren familiäres Schicksal, das Wohlergehen von Angehörigen. Frauen
betrachten besser in Zusammenhängen, achten mehr auf die
Tragweite ihrer Entscheidungen und tun, wenn sie die Wahl haben, eher dem Stärkeren, der sich zur Not helfen kann, als dem
Schwächeren weh, der sich nicht zu wehren wüßte.
Anders mag es bei etlichen Frauen sein, die nicht als Töchter,
Partnerinnen oder Mütter eine Familie oder intakte enge Beziehungen erfahren haben. Es mag auch noch andere Frauenschicksale oder Werdegänge bei Frauen geben, die Frauen danach streben lassen, „ihren Mann zu stehen“ und Mannhaftigkeiten nachzueifern. Sie tragen nicht das Frauenbild mit, das sich in dieser
258
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Welt schon oft als heilsam erwiesen und von Männern Zerstörtes
wieder gerichtet hat.
Die eklatante Unterrepäsentation von Frauen in der Politik
könnte das größte Übel sein, unter dem die Selbstorganisation der
Menschheit leidet und so viel Leid über die gesamte Menschheit
gebracht hat.
Wo sind die Frauen in diesem Buch?
Sie wurden nicht gefunden.
Es gibt jedoch eine weiterreichende Möglichkeit, die nicht gerade glücklichen Entwicklungen besonders in den reichen Gesellschaften zu bewerten. Dazu drängt sich ein
Vergleich mit Krebs
auf, mit einer Geißel der Menschheit, die insbesondere als Brust-,
Lungen-, Darm-, Blut- oder Hautkrebs vielen Menschen Leid und
oft frühzeitigen Tod gebracht hat.
Kann man Krebs als den natürlich vorkommenden Prototyp einer Art von „Erkrankung“ betrachten, die sogar eine Gesellschaftsform befallen kann?
Man kann.
Schon Rudolf Virchow61 ging davon aus, daß in einem Zellverband, wie ihn auch der Mensch darstellt, jede Zelle von wesentlicher Bedeutung sei. Die Zellen mögen unterschiedliche Aufgaben
haben. Sie mögen in unterschiedlichen Organen spezialisiert sein.
Auch mögen gewisse Organe von höherer Bedeutung sein und
andere von geringerer. Manche mögen die Funktion des Organismus nicht sehr stark beeinträchtigen, selbst wenn sie selbst stark
61
Virchow, Rudolf, * 1821, † 1902, dt. Pathologe u. Anthropologe;
Begr. der Zellularpathologie u. Mitbegr. der modernen Anthropologie
u. Vorgeschichtsforschung; Vorkämpfer der öffentl. Gesundheitspflege; als Politiker Mitbegr. der Dt. Fortschrittspartei, Gegner Bismarcks. (Aus Bertelsmann Lexikon 1995 auf CD)
259
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
geschädigt sind. Für einen gesunden Organismus ist jedoch wichtig, daß möglichst alle Zellen intakt sind.
Dies alles ist leicht einzusehen. Es läßt sich aber auch auf einen
Betrieb übertragen. Ein Staatsmann hat einmal gesagt: „L’etat,
c’est moi!“ - der Staat, das bin ich! - und viele Chefs mögen der
Meinung sein: „Der Betrieb, das bin ich!“ Aber am bequemsten
bei kleineren Betrieben kann man erkennen, daß das nicht stimmt.
Wie beim Menschen, dessen Zellen, Organe und Gliedmaßen für
das „Betriebsergebnis“ zusammenwirken müssen, läßt sich auch
ein Gewerbebetrieb in seine „Organe“ und „Zellen“ zerlegen.
Bei einem kleineren Betrieb kann alles bereits ins Wanken geraten, wenn die mitarbeitende Ehefrau ausfällt, die etwa die Korrespondenz, das Rechnungswesen und die Buchhaltung betreut. Bei
einem Sanitär- oder Klimaunternehmen zum Beispiel ist ein weiteres Funktionieren nicht denkbar, wenn alle Monteure wegbleiben, wichtige Spezialwerkzeuge fehlen, die Fahrzeuge ausfallen
oder lediglich kein Treibstoff zur Verfügung steht. Dagegen mag
alles durchaus eine Weile weiterlaufen, wenn das „Gehirn“, der
Chef, eine gewisse Zeit abwesend ist.
Ein Betrieb ist immer ein Ganzes, bei dem alles einschließlich
aller Kleinigkeiten eine geplante Funktion hat und bestimmte
Voraussetzungen erfüllen muß. Nicht anders ist es beim Menschen. Worin nun unterscheiden sich ein Volk, ein Staatswesen
von einem Betrieb? 62
Eigentlich in nichts. Es ist ja auch nicht neu, ein Volk oder
Staatswesen als „Organismus“ zu betrachten, der wie ein individueller menschlicher Organismus funktioniert. Wir hatten dieses
62
260
Beim diesjährigen (1996) Wahlkampf in den Vereinigten Staaten
wurden Forderungen laut, den Staat mehr wie ein Unternehmen zu
führen, also „verbraucher“orientiert und effizient. Kein Unternehmen, kein Mensch könne, ohne draufzugehen, mehr leisten, als erwirtschaftet oder als Nahrung aufgenommen werde. Nur der Staat
leiste sich sinnlose Apparate und Kosten sowie viel zu lange Entscheidungswege, weil er Steuern auch für ineffiziente und sinnlose
Aktivitäten verschwenden könne.
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
schon ab Seite 239 angeschnitten. Wie aber mag man verschiedene
unerwünschte Befindlichkeiten eines solchen Organismus diagnostizieren und bezeichnen? - Gehen wir es behutsam an.
Wenn wir uns vorstellen, daß bei einem Menschen bestimmte
Bereiche stark unterernährt werden, während andere durch Überversorgung verfetten und sich blähen, können wir kaum zu dem
Schluß kommen, das sei in Ordnung so. Gerade bei der Erhaltung
von Gesundheit gilt die Maxime „ausgewogen“ – also angemessen, bemessen, überlegt und kontrolliert. Ausgewogenheit ist sowohl Grundlage wie auch Ziel: Alles soll einen optimalen Zustand erreichen.
Der Krebs bringt diese Ausgewogenheit durcheinander. Er bewirkt gestörtes Zellwachstum, wuchert durch ein Organ oder beschädigt und beeinträchtigt lebenswichtige Bestandteile. Dadurch
nehmen Funktionen und Ausgeglichenheit so erheblichen Schaden, daß letztlich der Tod eintritt.
Ist unsere Gesellschaft „krebskrank“63? Kann man die Folge bestimmter Entwicklungen als eine Art „social cancer“, als „Sozialkrebs“ bezeichnen? Kann man es als krebsartige Wucherung bezeichnen, wenn ein kleiner Teil der Gesellschaft in rücksichtsloser
Weise die Macht, die Ressourcen, überschäumende Kaufkraft und
üppigen Wohlstand an sich rafft, während ein wesentlich größerer
Teil (oft sogar als direkte Folge davon) unterversorgt wird? Ist es
hinnehmbar, daß Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit immense Schäden anrichten und folgenlos bleiben dürfen?64
Oft wird von Neid oder gar von Sozialneid gesprochen, um das
Recht zu verteidigen, daß jeder einheimsen darf, so viel er will.
Nicht beantwortet ist damit die Frage, ob dieses „Recht“ sozial63
64
Trotz intensivster Suche wurde im Internet in keiner Sprache etwas
gefunden, das dieser Definition („Sozialkrebs“ oder „social cancer“)
entsprach, jedoch vieles, das sie stützt.
Oskar Lafontaine wird in der WAZ 242/96 zitiert: „Da setzen die
Vorstände Milliarden in den Sand. Dann entlassen sie, um das auszubügeln, Zigtausende von Arbeitnehmern. Dann kündigen sie an,
daß sie Milliarden erwirtschaften, und kürzen die Lohnfortzahlung.“
261
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
schädlich ist. In vielen Beiträgen (ganz besonders im Internet)
wird immer wieder darauf hingewiesen, daß soziale Unausgewogenheiten oder Benachteiligungen bei den Betroffenen zu echten
Krankheiten führen. In der heutigen Informationsgesellschaft mag
das auch damit zusammenhängen, daß diese Betroffenen wissen,
welche Personen oder Gruppen sich antisozial verhalten, warum
deren Verhalten als antisozial gewertet wird und weshalb sie ihr
Schickal als unbillig zugefügtes Unrecht empfinden könnenXV.
Aber wenn alte Teddybären Preise von 30.000 oder 40.000 Mark
erzielen und es Sammler gibt, die solche Beträge auf den Tisch legen, nur um einer persönlichen Lust zu frönen und ihre Sammelwut zu stillen, muß die Frage erlaubt sein, ob derjenige, der so viel
Geld für einen alten Teddybären ausgeben kann, dieses Geld trotz
rechtmäßigen Erwerbs keineswegs „verdient“ hat.
Wenn alle Welt über Ozonlöcher und Treibhauseffekte klagt,
wenn die Autos als schlimme Ozonkiller verteufelt und alle Benutzer zu Vernunft und Bescheidenheit aufgerufen werden, ist es
dann nicht schizophren, daß immer mehr schwere Luxuslimousinen produziert und bezahlt werden, die viel Treibstoff verbrauchen und trotz Katalysator viel Umweltgift erzeugen und Energie
verschleudern? Wenn jemand mit einem Auto zu 50.000 Mark
ausreichend bequem und schnell fahren kann, ist ein Auto zu
100.000 Mark oder mehr dann nicht ein Zeichen dafür, daß er zu
viel Geld zwar rechtmäßig erworben, jedoch nicht „verdient“ haben mag? Ist eine Armbanduhr zu 30.000 oder 40.000 Mark noch
„normal“ oder vielleicht schon „unsozialer“ Luxus?
Wenn die Mehrzahl der Menschen, die arbeiten und Geld verdienen, brav ihre Steuern zahlt, weil diese bereits vom Arbeitgeber
als Vollzugsorgan des Staates abgezweigt werden, ist es dann vertretbar, daß dieser Arbeitgeber rechtens sein Steuerschicksal frei
gestalten und dem Staat sogar um so weitgehender die Steuern
vorenthalten kann, je mehr Überschüsse er erwirtschaftet?
Wenn ein kleiner Teil der Gesellschaft (der oft als „Creme“, als
Ober- oder Führungsschicht bezeichnet wird) wuchernd sich auf262
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
bläht, sich die Verfügbarkeit verschiedener Lebens- und Entfaltungsgrundlagen überproportional zueignen und reservieren darf,
wenn immer größere Teile der gleichen Gesellschaft Not leiden
müssen, weil sie von eben jener „Creme“ als überflüssig ausgesondert oder anderweitig vernachlässigt wurden, wenn vorsorglich installierte Sicherungssysteme nur noch unzureichend greifen und
selbst in hohem Maße notleidend zu werden drohen - darf man
dann von Unausgewogenheit sprechen, von Diskrepanzen, die bei
einem Organismus als „Krankheit“ bezeichnet werden? (Ralph
Nader hatte schon 1992 einen Katalog von „Krankheiten“ und eine Agenda zu deren Bekämpfung aufgestellt; Auszug siehe Seite
418XVI)
Wenn der SPD-Bundestagsabgeordnete Joachim Poß von einem
„sozialen Bürgerkrieg“ spricht (siehe Seite 72), könnte er damit
nicht einen bedrohlichen Zustand umrissen haben, dessen Ursache man auch eine Krankheit nennen könnte, eine „soziale Erkrankung“ eben oder auch „social cancer“?
Wer das schlimme Wort Krebs vermeiden und nach einem anderen Bild von krankhafter Beeinträchtigung suchen möchte, die
einem Organismus schweren Schaden zufügen kann, mag sich
vielleicht mit dem Wort Parasit anfreunden. Parasiten sind von
innen oder außen wirkenden Substanzdiebe. Es ist kaum zu
bestreiten, daß bestimmte Bestandteile der Gesellschaft parasitär
agieren können, weil ihrem Profit keine adäquate Leistung gegenübersteht, sondern nur das erlaubte Ausschöpfen von Gelegenheiten. Diese Teile handeln jedoch nicht von außen („exogen“),
sondern von innen, sind also eher wie Bandwürmer. Bandwürmer
sind jedoch nicht körpereigene fremde Lebewesen. Weil die Erkrankung des Organismus namens Gesellschaft, Volk oder Staat
aber von ausufernden eigenen Zellen („endogen“) verursacht wird,
drängt sich doch eher das Wort Krebs oder Sozialkrebs als treffende Charakterisierung auf.
Das Bild des Krankhaften in der Gesellschaft wird am deutlichsten durch dessen Gegenteil, das Bild des Gesunden, das ein mög263
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
lichst einträchtiges Zusammenwirken aller Zellen in einem Organismus voraussetzt. An diesem Zusammenwirken fehlt es: Ganze
Gruppen der Gesellschaft wirken nicht zusammen, sondern heftig
und feindselig gegeneinander.
Schlimmer noch: Sowohl evolutionsbiologisch wie auch geschichtlich läßt sich nachweisen, daß organisierte Daseinsformen
nach immer höheren, komplexeren Anordnungen streben. So ist es
eine fast „natürliche“ Entwicklung, das sich als größere Einheiten
Verbände bilden, die neue Ziele erreichbar scheinen lassen. Dazu
gehören etwa UNO, NATO oder auch die EG. Solcherart weiterentwickelte und höhere Organisationsmuster bilden dann selbst
einen Organismus, auf den die Kriterien für vorausgegangene Organisationsformen wieder zutreffen. Entsprechend können auch
hier Störungen eintreten, wie sie in untergeordneten Einheiten zu
beobachten sind, können auch hier einzelne „Zellen“ oder Zellverbände durch ihre Entwicklung zu einer „Erkrankung“ führen.
Ein schlagendes Beispiel liefert England.
In England haben Landwirte die Rinderseuche BSE auf die
leichte Schulter genommen und es um ihres Profites willen an der
notwendigen Gewissenhaftigkeit fehlen lassen. Die englische Regierung hat in einer skandalösen Weise der grassierenden Seuche
nur sehr unzureichend entgegengewirkt und sogar versucht, die
Bedrohung für große Bevölkerungsteile in Europa herunterzuspielen. Als die Seuche auszuufern schien und die europäische
Gemeinschaft drakonische Maßnahmen gegen England verhängte, drohte England mit der Blockade anderer EG-Interessen. Später ließ der englische Ministerpräsident John Mayor durchblicken,
England müsse vielleicht sein Engagement in der EG und besonders die Währungsunion überdenken - also notfalls ausscheren.
Für den kleinen Mann stellt sich der Skandal noch toller, wie
aus dem Irrenhaus, dar. Als durch den leichtfertigen Umgang mit
der BSE-Seuche die englischen Rinder weitgehend unverkäuflich
wurden und nach einem Beschluß der EG in großer Zahl vernichtet werden sollten, stellte sich England beträchtlich quer. Die
264
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
englischen Landwirte taten sogar, als sei die Seuche über sie gekommen wie ein Erdbeben oder eine Eiszeit, und jammerten nach
Schadenersatz aus den EG-Töpfen, der ihnen auch gewährt wurde. Weil der Verbrauch von Rindfleisch im EG-Europa drastisch
absoff, gerieten - etwa in Deutschland - auch jene Landwirte in
arge Drangsal, die nach besten Kräften gesundes Vieh produzierten und sich seit langem gegen die englische Laschheit verwahrt
hatten. Nun wollten und sollten auch sie entschädigt werden, aber
bei nachweislichen Verlusten von etwa 300 Mark pro Tier mit einer Entschädigung von weniger als 20 Mark zufrieden sein.
Man könnte noch unzählige Beispiele dafür anführen, wie „Freiheit“ und „Demokratie“ in einem kapitalistisch organisierten
Staatswesen oder Staatenverbund zu „Unausgewogenheiten“ führen, die zu dem Attribut „sozial“ oder „human“ in einem vehementen Widerspruch stehen. Es gibt Kritiker, die hier von eingebauten Systemfehlern sprechen, aber doch wohl übersehen, daß
niemand von den jeweils regierenden Politikern per Verfassung
oder Gesetz gezwungen wird, solche Webfehler zur Norm werden
zu lassen. Der tatsächliche Webfehler liegt eher in einem schädlichen und mißbräuchlich genutzten Konsens aus der „Kumpanei
von Kabinett und Kapital“ (siehe auch Zitat auf Seite 214), bis
sich der Interessenwucher einzelner Zellen oder Zellverbände
schädlich auf den gesamten Organismus auswirkt.
Dieser Interessenwucher innerhalb eines völkischen oder staatlichen Gesamtorganismus dürfte tatsächlich dem entsprechen, was
man am treffendsten mit „sozialer Krebserkrankung“ umreißen
kann. Demgemäß schlimm dürften auch die Folgen werden.
Politiker scheinen umso unfähiger zu sein, Probleme aus und in
großen Zusammenhängen zu lösen, je komplexer die ihnen durch
gesellschaftliche Vereinbarung anvertraueten Gegenstände strukturiert sind. An Größe und Komplexität sind in der Geschichte
schon viele Staatswesen gescheitert. Der Weg, innenpolitische - also binnengesellschaftliche - Probleme durch Krieg mit einem anderen Staat zu vertuschen, dürfte heute weitgehend versperrt sein,
265
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
zumal Nachbarstaaten, mit denen sich ein Krieg anzetteln ließe,
heute oft zu Partnern in übergeordneten Gemeinschaften zählen.
Auch ist die Plünderung der Speisekammern wohlhabender
Nachbarn zur Linderung eigener Not längst durch gegenseitige
Verträge erschlossen.
Es bleibt nur übrig, belastende Symptome der sozialen Krebserkrankung zu schlucken und durchzustehen oder deren Ursachen
in einem noch nicht erkennbaren Konsens zu bekämpfen. Im politischen Raum und in den Medien wird immer wieder dargestellt,
daß die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, daß die industrielle Verschwendung im großen Maßstab weitergeht, derweil lächerliche Spareffekte vom kleinen Mann sogar
gesetzlich abgenötigt werden, daß die Wahrnehmung von Rechten
immer ausgeprägter nur noch den Wohlhabenden zugute kommt
und den Unbemittelten schon wegen der Desorganisation von
Gerichten vorenthalten wird. Während die Not unzähliger Menschen in der Bundesrepublik und auch in Nachbarstaaten ständig
zunimmt, werden insbesondere Rüstungshilfen an fremde Staaten
(als Unterstützung mit Werkzeugen zur Tötung oder Unterdrükkung von Menschen) weiter gewährt und damit erhebliche Teile
des Volksvermögens der Linderung von Not im eigenen Land entzogen.
Der auf Seite 187 schon herangezogene „Stammtischdeutsche“
hält das nicht aus. Aber man sollte sich auch fragen, ob der sogenannte „Stammtischdeutsche“ nicht nur erfunden wurde, um den
Normalbürger zu diffamieren und ihm eine offen ausgesprochene
Meinung auch dann zu verleiden, wenn sie begründet ist.
Nicht einmal berücksichtigt ist bis jetzt, welches Unrecht der
nächsten Generation angetan wird, den Kindern und Jugendlichen. Ein kleiner Hinweis ist bereits in einer Endnote gegeben
worden (siehe Seite 418). Die Entwicklung der Kriminalität und
der Jugendkriminalität im Besonderen, die dramatischen Auswirkungen der Jugendarbeitslosigkeit bürden schon der nächsten Zukunft nicht nur des deutschen Volkes fast unlösbare Probleme auf.
266
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
Die Ursachen für diese Entwicklungen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem maßlosen Egoismus einer rücksichtslosen, verästelten „polyarchischen Kaste“, wie man den dominanten Teil der Bevölkerung schon nennen muß, um ihn treffend einzuordnen.
Wenn ein großer Teil der Jugend ohne Hoffnung verwahrlosen
muß, wenn die gewohnte Einordnung in das Erwerbs- und Gesellschaftsleben nicht stattfinden kann, wenn für Lebensabschnitte
wie Ehe und Elternschaft die sichere und geordnete materielle
Grundlage ausbleibt, wenn einer Lebensplanung bis hin zum vielleicht ersehnten Häuslebau der Boden genommen wird, ergreifen
Enttäuschung, Ängste, Gefühle des Betrogenseins, unkontrollierbare Emotionen, Anarchie und Ausweichstrategien zum Überleben Besitz von den jungen Seelen.
Verlorengehende Achtung der Rechtsordnung führt auch zu abnehmendem Respekt vor Mitmenschen, läßt den Besitz der anderen zunehmend im Licht möglicher Beute erscheinen. Sofern
schon die Elternhäuser kaputt waren oder sind und es an Geborgenheit fehlte, kann keine Reparaturmaßnahme den schon im
Kleinkindstadium zugefügten Schäden mehr beikommen. Bereits
in Kindheit und Jugend aufgebaute und weiter sich anstauende
Neid- und Haßgefühle65 leiten zur Betrachtung der bessergestellten Gesellschaftsteile als „Feind“.
Noch nie haben Arme grundlegende und andauernde Politik bestimmt. Stets waren es die Besitzenden und Privilegierten (denen
auch der Besitz besonderer Bildung zugutekam), die den Lauf der
politischen Geschicke nachhaltig gestalteten und zu ihrem Vorteil
wendeten. Die gegenwärtigen Inhaber der Macht haben zu deutlich erkennen lassen, auf wessen Seite sie letztendlich stehen,
wenn es zum Schwur kommt (Stichwort „Kanzlermehrheit“).
Zudem haben sie in allen Bereichen versagt, die dem Schutz vor
65
Vorsicht: Hier geht es um den „Neid“ und den „Haß“ von Opfern,
nicht um den von Ebenbürtigen!
267
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
einem Abgleiten der Jugend in Hoffnungslosigkeit hätten dienen
können... - einer Jugend, die zwangsläufig zur tragenden Säule einer neuen Generation zu werden hat, ob sie will oder nicht. Was
dieser fehlt, hat sich als Luxusgut oder gesellschaftsschädliche
Vermögensanhäufung in den Händen weniger angesammelt, die
sich als Zellen und Zellverbände im Gesamtorganismus aus der
notwendigen Disziplin gelöst haben.
Das soziale Krebsgeschwür, das sich im Volksorganismus ausgebreitet hat, ist keine neue Erscheinung. Es gab sie immer schon. Es
hat seine Ursache in der jedem Menschen innewohnenden Gier,
die zwar aus seinem Lebens- und Überlebenstrieb stammt, mit
zunehmendem Erfolg aber ins Maßlose ausartet. Das war zu allen
Zeiten bei nahezu allen Menschen mit einem außergewöhnlichen
Erfolg so. Der Anhäufung über das Notwendige hinaus folgt meist
die Unersättlichkeit.
Gegen die sozialschädlichen Auswirkungen von Macht und Kapital stellten sich in der jüngeren Geschichte mehrere Revolutionen - doch nur augenscheinlich mit Erfolg. Was die französische
Revolution zumindest auf dem Papier erreichte (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) soll im Prinzip auch die Grundlage aller demokratischen Verfassungen bilden. Bei einigen kam noch die Attribut „christlich“ oder „human“ hinzu. Was daraus wurde, stellte
sich in beängstigender Übereinstimmung überall dort heraus, wo
ein System über einen langen Zeitraum stabil blieb und die einflußreichen Kräfte Gelegenheit fanden, sich zu sammeln, zu verflechten und abzuschotten. So kann es auch geschehen, daß ein
Kanzler „hoch über des Volkes Gewimmel“ (Süddeutsche Zeitung; siehe unter „Dokumentation“, Seite 270) das Gefühl für den
Zweck verliert, dem seine Firma (die Regierung für und nicht gegen das Volk) eigentlich dienen soll.
Virchow läßt grüßen.
Wer es nicht ertragen kann, den gesellschaftlichen Organismus
des deutschen Volkes als „krebskrank“ anzusehen, mag sich damit
268
ABRIßBIRNE ÜBER STANDORT DEUTSCHLAND?
trösten, daß in dieser Hinsicht die gesamte westliche Welt krank
ist.
Aber Deutschland ist schlimmer dran als manch anderer.
269
DOKUMENTATION
Dokumentation: Gut oder schlecht gefunden...
D
iese Dokumentation dient zwei Zielen: Sie soll einerseits im wesentlichen darlegen, wo und wie ich recherchiert habe oder bei meiner Arbeit vorgegangen
bin. Zum anderen soll sie etliche „Fundobjekte“ vorzeigen, auf die jedermann (!!!) bei entsprechend besonnener Vorgehensweise im Internet (WWW, WEB) stoßen kann.
Bei den Recherchen zum Thema Arbeitslosigkeit wurde zu den
Suchkriterien (gregor NEAR gysi) mit Priorität für „pds“ (Altavista advanced query) gefunden, was hier auch als Beipiel wiedergegeben werden soll:
SZ vom 13.10.1995 Seite Vier Seite 4
SZ vom 13.10.1995. Der Kanzler - hoch über des Volkes Gewimmel. In der Regierungserklärung zur Einheit weigert er sich, eine ungeschönte Bilanz...
http://www-dw.gmd.de/sz/19951013/seite4_1.htm - size 6K - 3 Mar 96
<1> Süddeutsche Zeitung: „Der Kanzler...“
[ Seite Vier ]
SZ vom 13.10.1995
Der Kanzler - hoch über des Volkes Gewimmel
In der Regierungserklärung zur Einheit weigert er sich, eine ungeschönte Bilanz aufzustellen
Von Heribert Prantl
Einheit ist Alltag, Reden darüber Pflichtübung. Der Kanzler hat
sich seine Regierungserklärung über fünf Jahre deutscher Einheit
leichtgemacht: Er streichelt über die Glanzseiten der Einheit,
richtet ein paar begütigende Worte nach Ost, ein paar nach West das war's dann schon. Sicherlich: Kohl hat nicht aufgetrumpft,
sondern eine eher bescheidene Rede gehalten, sich nicht selbst be270
DOKUMENTATION
weihräuchert; das hat er auch nicht mehr nötig, das machen die
Ministranten Schäuble (CDU) und Gerhardt (FDP) für ihn.
Aber: Der Kanzler weigert sich, nach fünf Jahren eine ungeschönte Bilanz aufzustellen. Die Negativa tauchen bei ihm nicht
auf; er addiert Fehler, Fehleinschätzungen und Fehlentwicklungen nicht.
Helmut Kohl kümmert die sauere, die schlechte Stimmung im
Osten nicht, er spricht nicht von den Verlierern der Einheit, von
den Arbeitslosen, den Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz, er
überläßt sie Gregor Gysi von der PDS. Kohl steht, milde winkend,
wie ein Monarch auf dem Balkon, hoch über des Volkes Gewimmel.
Das Verschweigen alter Fehler ist ein neuer Fehler. Wer Fehler
nicht markiert, kann sie auch nicht korrigieren. Es spricht weder
für den Bauherrn noch für seine Architekten, wenn sie nach der
Erstellung eines Baus die Baumängel nicht sorgfältig registrieren
und dann abzustellen versuchen. Kohl hat so der Opposition Gelegenheit gegeben, Punkte zu machen: Für die SPD hat Rudolf
Scharping die Chance erstaunlich souverän genutzt, und Werner
Schulz, der ehemalige Bürgerrechtler, hat für das Bündnis 90/Die
Grünen die lange Mängelliste vorgelegt, die der Kanzler zumindest hätte prüfen müssen.
Dabei muß man nur das Schicksal des Solidarzuschlages nachzeichnen, und schon hat man eine Fieberkurve der fünf Einheitsjahre vor Augen: Die Einführung und Abschaffung dieser Sondersteuer, ihre Wiedereinführung und Wiederabsenkung samt den
aufgeregten bis hysterischen Debatten darüber widerspiegeln die
Bonner Irrungen und Wirrungen bei der Einschätzung des Finanzbedarfs im Osten. Der Kanzler würde sich auch nichts vergeben, wenn er das im Einigungsvertrag festgelegte Prinzip 'Rückgabe von Eigentum vor Entschädigung' als Fehler eingestände. Aus
dem damit ausgelösten Wundstarrkrampf mußte der Osten mit
dramatischen Aktionen, genannt Vermögensrechtsänderungesetz,
gerettet werden. Geglückt ist das noch lange nicht. Die Altschulden, die die Ost-Kommunen drücken, die gigantische Staatsver271
DOKUMENTATION
schuldung, die Zweckentfremdung der Sozialkasse für den Aufbau Ost, das Sparen an den Ärmsten der Gesellschaft - nichts von
alledem hat Kohl angesprochen. Auch nicht die verpaßte Chance,
den großen Umbruch im Osten zu einer Inventur im Westen zu
nutzen. Dabei redet Kohl ständig davon, Deutschland 'fit' für die
Zukunft zu machen. Wie soll das Land 'fit' werden, wenn der Regierungschef die alten Zustände nicht auf den Prüfstand stellt?
Werner Schulz hat dem Kanzler gesagt, der Übergang von der
Plan- zur Marktwirtschaft sei 'gelaufen, aber nicht gelungen'.
Das gilt auch für die Einheit. Ohne Selbstkritik wird sie nicht
gelingen.
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<2> Über eMail erreichbare Abgeordnete (5/96)
Per E-Mail erreichbare Abgeordnete des Deutschen
Bundestages (Stand Anfang Mai 1996)
--------------------------------------------------------------------------CDU:
Kronberg, Heinz-Jürgen
[email protected]
Pfeifer, Anton
[email protected]
Rüttgers, Jürgen
[email protected]
Nicht direkt per E-Mail, aber immerhin per WWW-Formular sind erreichbar:
Pfeifer, Anton
http://www.cdu.org/dpfeifer.htm
Kauder, Volker
http://www.cdu.org/dkauder.htm
--------------------------------------------------------------------------CSU:
Dr. Friedrich, Gerhard
[email protected]
--------------------------------------------------------------------------SPD:
Bulmahn, Edelgard
[email protected]
Dr. Schwall-Düren, Angelica
[email protected]
Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid
[email protected]
Dr. Wodarg, Wolfgang
[email protected]
Dreßler, Rudolf
[email protected]
272
DOKUMENTATION
Hampel, Manfred
[email protected]
Krüger, Thomas
[email protected]
Kubatschka, Horst
[email protected]
Lennartz, Klaus
[email protected]
Mosdorf, Siegmar
[email protected]
Opel, Manfred
[email protected]
Scharping, Rudolf
[email protected]
Stiegler, Ludwig
[email protected]
Tauss, Jörg
[email protected]
Thierse, Wolfgang
[email protected]
--------------------------------------------------------------------------BÜNDNIS '90/GRÜNE:
Altmann, Elisabeth [email protected]
Eichstädt-Bohlig, Franziska
[email protected]
Fischer, Joschka
[email protected]
Özdemir, Cem
[email protected]
Schmitt, Wolfgang
[email protected]
Schulz, Werner (Berlin)
[email protected]
--------------------------------------------------------------------------FDP:
Albowitz, Ina
[email protected]
Dr. Kolb, Heinrich L.
[email protected]
Dr. Schmidt-Jortzig, Edzard
[email protected]
Dr.-Ing. Laermann, Karl-Hans [email protected]
--------------------------------------------------------------------------PDS:
Falls der/die zuständige Abgeordnete nicht bekannt ist, kann man ihn/sie unter
der Adresse [email protected] über die Gruppe der PDS im Bundestag erreichen.
Bierstedt, Wolfgang [email protected]
Bläss, Petra
[email protected]
Böttcher, Maritta
[email protected]
Bulling-Schröter, Eva
[email protected]
Dr. Fuchs, Ruth
[email protected]
Dr. Gysi, Gregor
[email protected] oder
[email protected]
Dr. Höll, Barbara
[email protected]
Dr. Jacob, Willibald
[email protected]
Dr. Knake-Werner, Heidi
[email protected]
Dr. Maleuda, Günther
[email protected]
Dr. Rössel, Uwe-Jens
[email protected]
Dr. Wolf, Winfried [email protected]
Enkelmann, Dagmar
[email protected]
Graf v. Einsiedel, Heinrich
[email protected]
Hartmann, Hanns-Peter
[email protected]
Jelpke, Ulla
[email protected]
Jüttemann, Gerhard [email protected]
Köhne, Rolf
[email protected]
Kutzmutz, Rolf
[email protected]
Lederer, Andrea
[email protected]
Lüth, Heidemarie
[email protected]
Müller, Manfred
[email protected]
Neuhäuser, Rosel
[email protected]
Prof. Dr. Elm, Ludwig
[email protected]
Prof. Dr. Heuer, Uwe-Jens
[email protected]
Prof. Dr. Luft, Christa
[email protected] (bevorzugt) oder:
[email protected]
Schenk, Christina
[email protected] oder [email protected]
Tippach, Steffen
[email protected]
273
DOKUMENTATION
Warnick, Klaus-Jürgen
[email protected]
Zwerenz, Gerhard
[email protected]
---------------------------------------------------------------------------
274
DOKUMENTATION
<3> „Der elektronische CSU-Wächter“
So, wie ein Netz
aus einer Reihe von Knoten besteht,
so ist auch alles in der Welt verknüpft.
Wenn jemand meint, die Maschen
eines Netzes seien ein Ding
für sich,
so irrt er.
Gautama Siddhartha
560 - 480 v. Chr.
Mit diesem Leitspruch beginnt der Abgeordnete.
Dann zeigt seine Anfangsseite ein Foto von ihm, neben dem er
Verzweigungen zu verschiedenen WEB-Sseiten anbietet:
Dr. Gerhard Friedrich, MdB
• Zur Person
• Kontaktmöglichkeiten
• Informationen über den Wahlkreis (Erlangen)
• Aus der Arbeit im Bundestag
• Allgemeine Dokumente
Es folgen sodann weitere Angebote, sich umzusehen:
• Was ist neu
• Volltextsuche
• Server der CDU
• Der Server der Bundesregierung ist die geeignete Adresse für
ihre Mitteilungen und Fragen an die Bundesregierung.
Die sogenannte „Volltextsuche“ ließ vermuten, daß mit ihrer
Hilfe in Dokumenten des Bundestages nach Stichworten gesucht
werden konnte. Ein Versuch mit dem Wort „arbeitslose“ ergab:
275
DOKUMENTATION
„Es konnten keine Dokumente gefunden werden, in denen das gesuchte Stichwort ‘arbeitslose’ enthalten ist.“ Ähnlich waren die
Ergebnisse bei anderen interessanten Stichworten.
Mit dem Netsacpe-Browser stellte sich die gesamte Seite so dar:
Es wurden anschließend die angebotenen Seiten der Reihe nach
aufgerufen. Diese Seiten werden nachfolgend zum Teil nur inhaltlich wiedergegeben.
„Zur Person“ gibt der Abgeordnete bekannt:
276
DOKUMENTATION
Zur Person
Dr. Gerhard Friedrich ist seit 1987 der direkt gewählte Abgeordnete des Bundeswahlkreises Erlangen (228). Seit Mai 1993
leitet er auch die Erlanger CSU als Kreisvorsitzender. In Bonn
ist Friedrich als Umweltexperte bekannt. Als stellvertretender
Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion ist er nicht nur für den Bereich Umwelt, sondern auch für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Post zuständig. Im Mai 1995 wurde
ihm eine besonders brisante Aufgabe übertragen: Die Leitung
des Untersuchungsausschusses zur Plutonium-Affäre.
1948 in Gunzenhausen geboren, trat Friedrich 1966 dort der
Jungen Union und der CSU bei. Als Student der Rechtswissenschaft kam er ein Jahr später nach Erlangen, wo er für mehrere
Semester die Leitung der RCDS-Gruppe übernahm. Als Mitglied im Studentenparlament und im Uni-Senat vertrat er seine
Kommilitoninnen und Kommilitonen an der Universität.
In der Jungen Union machte Friedrich schnell Karriere. Sein
Weg führte ihn zunächst zum Kreisvorsitz in Gunzenhausen,
dann übernahm er als Kreisvorsitzender die JU Erlangen, später den Bezirksvorsitz der JU Mittelfranken und war schließlich
acht Jahre lang Stellvertretender Landesvorsitzender der JU in
Bayern.
Nach der zweiten juristischen Staatsprüfung trat Friedrich in
den öffentlichen Dienst ein, war zunächst in der Presseabteilung der Bayerischen Staatskanzlei tätig, dann als Leiter der
Abteilung für Bau- und Wohnungswesen des Landratsamtes
Nürnberger Land. 1978 promovierte er und zog im gleichen
Jahr in Erlangen in den Stadtrat ein. Dort war er Mitglied im
Personalausschuß und Verkehrsausschuß, später Sprecher im
Umwelt- und Energieausschuß. Ein neuer beruflicher Wechsel
erfolgte 1980. Als Leiter der Sozialverwaltung des Bezirks Mittelfranken war Friedrich nun für die Finanzierung der Heime
277
DOKUMENTATION
und Behinderteneinrichtungen zuständig, bevor er sich 1986 als
Rechtsanwalt in Erlangen niederließ.
Bereits ein Jahr später wählten ihn die Bürgerinnen und Bürger
des Erlanger Wahlkreises erstmals in den Bundestag, wo er im
Umweltausschuß und im Ausschuß für Raumordnung und
Städtebau mitarbeitete. Noch während seiner ersten Wahlperiode wurde er umweltpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe. 1990 erneut direkt in den Bundestag gewählt, übernahm
Friedrich die Leitung des sogenannten "Arbeitskreises I" der
CSU-Landesgruppe, der sich mit den Themen Recht, Inneres,
Umwelt und Sport befaßt. Einige Jahre war er Mitglied der
Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und
Bundesrat, 1993/94 stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses "Treuhand".
Dr. Friedrich ist verheiratet und hat zwei Söhne.
Unter Kontaktmöglichkeiten bietet der Abgeordnete an:
Per E-Mail:
[email protected]
Auf traditionellem Wege:
Dr. Gerhard Friedrich, MdB
Bundeshaus HT325
53113 Bonn
Telefon: 0228/16-87481
Fax: 0228/16-86173
Mitarbeiter im Bonner Büro:
Cornelia Droste
Dipl. Geographin, Referentin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Tel.: 0228/16-49053, Fax: 0228/16-46621
278
DOKUMENTATION
Dr. Christian Stienen
Dipl. Biologe, Meeresbiologe, Referent für Bildung, Forschung,
Wissenschaft und Technologie. Tel.: 0228/16-41265, Fax:
0228/16-46621
Die nächste Seite berichtete:
Aus der Arbeit im Bundestag
Friedrich: Fundamentalisten in Wirtschaft und SPD gefährden
Verpackungsnovelle
Presseerklärung der AG "Post und Telekommunikation" der
CDU/CSU-Fraktion zum Gebührenkonzept der Telekom
Hochschulzugang durch strenge Anforderungen an das Abitur
steuern
Keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Datenautobahn zur
Informationsgesellschaft zulassen
Rede zur Haushaltsdebatte Bundeshaushalt 1996
Parlamentsreform
Plenardebatte zur Reform der Diäten
Pressemitteilung zur Parlamentsreform
Der "Plutonium-Jäger"
Zwischen Grundlagenforschung und Produktinnovation
Die Arbeitskreise der CSU-Landesgruppe
Die Arbeitsgruppen der CDU/CSU-Fraktion
Ein Anklicken des Angebotes (direkt neben dem Portrait des
Abgeordneten), sich „allgemeine Dokumente“ anzusehen, brachte
eine Seite des Abgeordneten Dr. Martin Mayer aus der
CDU/CSU-Fraktion hoch: „Mayer: 10 Thesen zur Zukunft mit
den Medien“, der selbst unter „[email protected]“ zu erreichen war. Diese Thesen ließen einen Zusammenhang mit Friedrichs Forderung „Keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Datenautobahn zur Informationsgesellschaft
zulassen“ erkennen.
Eine weitere Seite des Abgeordneten Friedrich war mit „Pressedienst CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag“ überschrie279
DOKUMENTATION
ben und befaßte sich mit seiner Rede während der Haushaltsdebatte vom 7. September 1995 im Plenum: „In der heutigen 1. Lesung des Bundeshaushalts 1996 führt der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Gerhard Friedrich
MdB, zum Einzelplan 30 u.a. folgendes aus: ...“ - ... und so weiter.
Zum weiteren Verlauf des Kontaktes mit Dr. Friedrich, CDU:
Zunächst waren die Schreiben vom Referenten Dr. Christian
Stienen mit Standardantworten aus dem Stehsatz abgefertigt worden (siehe beispielsweise die Seiten 74, 118 und 144). Dann kam
am letzten Apriltag ein Schreiben, das näheren Aufschluß über
den Hintergund der Zurückhaltung geben sollte. Daraus:
„...fuer Ihre 2. E-Mail vom 18. April danke ich Ihnen. Herr Dr.
G. Friedrich, der mich bat, Ihnen zu antworten, ist als Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion fuer die
Bereiche Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie, Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit, Post und Telekommunikation zustaendig.
Die von Ihnen gestellen Fragen betreffen sehr spezielle Themen
im Einsatz und der Nutzung des Internets, die wir noch nicht beantworten koennen. Viele Probleme sind noch nicht geloest.
Der Dt. Bundestag hat eine Enquete Kommission eingesetzt,
um Loesungsansaetze zu erarbeiten. Bitte wenden Sie sich an das
Buero der Kommission, das von Herrn Dr. Renken geleitet wird.
Tel.Nr. 0228 1623035. Leider verfuegt das Buero noch nicht ueber
einen E-Mail Anschluss.“
Diese Nachricht seines Referenten wird der Abgeordnete vor
dem Absenden wohl kaum gelesen haben. Es wäre ein starkes
Stück, wenn eine Kommission, die sich mit zukünftigen Technologien, mit ihrer Bedeutung für die Gesamtgesellschaft, also auch
mit ihrer wirtschaftlichen und bildungspolitischen Bedeutung
auseinanderzusetzen hat, sozusagen auf mittelalterlichen Methoden hocken bleibt und neue Methoden nicht benutzt, die anderen
Menschen („kleinen Bürgern“, selbst und vor allem Schülern) im
280
DOKUMENTATION
gleichen Lebensraum, aus dem die Mitglieder der Kommissionen
stammen und für den sie zuständig sein wollen, längst geläufig
sind.
281
DOKUMENTATION
<4> Die ersten Flops...
ID:
49615241GEOD
Nachricht von:
INTERNET:[email protected]
Betrifft:
*** BIN:Re: Einige Fragen
Abgesandt am:
09-04-96, 16:25:24
Empfangen am:
09-04-96, 18:11:49
Empfänger:
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Text:
Received: from ixgate02.dfnrelay.d400.de
193.174.248.2 by GEOD.Geonet.De
Date: Tue, 09 Apr 1996 18:11:26
X400-Received: by mta d400relay in
/PRMD=dfnrelay/ADMD=d400/C=de/; Relayed; Tue, 9 Apr
1996 17:47:12 +0200
X400-Received: by /ADMD=DBP/C=DE/; Relayed; Tue, 9
Apr 1996 17:45:56 +0200
X400-Received: by /PRMD=BUNDESTAG/ADMD=DBP/C=DE/;
attempted /PRMD=BMBF/ADMD=BUND400/C=DE/; Rerouted;
Tue, 9 Apr 1996 17:25:24 +0200
Date: Tue, 9 Apr 1996 17:25:24 +0200
X400-Originator: [email protected]
X400-Recipients: [email protected]
X400-MTS-Identifier:
[/PRMD=BUNDESTAG/ADMD=DBP/C=DE/;BUNDESTAG
R0005000829063523290]
Original-Encoded-Information-Types: teletex
X400-Content-Type: P2-1984 (2)
Alternate-Recipient: Allowed
From: Werner Schulz <[email protected]>
Message-ID:
<2e34cabc.960409162554+0200*/G=werner/S=schulz/O=md
b/PRMD=bundestag/ADMD=dbp/C=de/@MHS>
To: [email protected] (Non Receipt Notification Requested)
In-Reply-To: <[email protected]>
Subject: Re: Einige Fragen
Importance: Low
Nachricht kann leider nicht entschluesselt werden.
282
DOKUMENTATION
Gruss Jutta Ferchow
Büro Werner Schulz
Diese Nachricht wurde zur Klärung an G.LEUE von GEONET
übermittelt, von dem an C.LEUE. Als ein solcher Fall sich wiederholte, wurde auch er weitergeleitet:
Lieber Günther, jetzt habe ich gleich den zweiten Fall:
ID:
49615974GEOD
Nachricht von:
INTERNET:[email protected]
Betrifft:
*** BIN:Re: Einige Fragen
Abgesandt am:
10-04-96, 08:01:10
Empfangen am:
10-04-96, 09:16:36
Empfänger:
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Text:
Received: from ixgate02.dfnrelay.d400.de
193.174.248.2
by GEOD.Geonet.De
Date: Wed, 10 Apr 1996 09:16:29
X400-Received: by mta d400relay in
/PRMD=dfnrelay/ADMD=d400/C=de/; Relayed; Wed, 10
Apr 1996 09:15:45 +0200
X400-Received: by /ADMD=DBP/C=DE/; Relayed; Wed,
10 Apr 1996 09:14:25 +0200
X400-Received: by /PRMD=BUNDESTAG/ADMD=DBP/C=DE/;
attempted /PRMD=BMBF/ADMD=BUND400/C=DE/; Rerouted;
Wed, 10 Apr 1996 09:01:10 +0200
Date: Wed, 10 Apr 1996 09:01:10 +0200
X400-Originator: [email protected]
X400-Recipients: [email protected]
X400-MTS-Identifier:
[/PRMD=BUNDESTAG/ADMD=DBP/C=DE/;BUNDESTAG
R0005000829119669292]
Original-Encoded-Information-Types: teletex
X400-Content-Type: P2-1984 (2)
Alternate-Recipient: Allowed
From: EICHST DT-BOHLIG <[email protected]>
Message-ID:
<2e36549c.960410080216+0200*/G=franziska/S=eichstae
dt-bohlig/O=mdb/PRMD=bundestag/ADMD=dbp/C=de/@MHS>
283
DOKUMENTATION
To: [email protected] (Non Receipt Notification Requested)
In-Reply-To: <[email protected]>
Subject: Re: Einige Fragen
Importance: Low
Sehr geehrter Herr Schuermann,
Ihr Dokument kam leider hier unleserlich an. Bitte
noch einmal versuchen.
Herzliche Gruesse
Felicitas Kraus (Wiss. Mitarbeiterin)
Was ist da los? Wofür hat man die Abgeordneten am Strick, wenn's
dann nicht klappt?
MfG Manfred
284
DOKUMENTATION
<5> Zum Stichwort „Zwangsarbeit“
Es wird zu dem Stichwort Zwangsarbeit ein Beitrag in diese Dokumentation aufgenommen, der gefunden wurde, als mit „(arbeitslosigkeit AND bunderepublik)“ und einigen Zusatzkriterien
(wie Anfangs- und Enddatum) über „Altavista.digital.com“ als
Suchmaschine im Netz geforscht wurde.
Dabei wurde ein Dokument aufgestöbert, daß unter
http://stud-www.uni-marburg.de/~s1002392/rein.html
direkt angesprungen und nicht nur gelesen, sondern - wie meist
üblich - auch abgespeichert werden konnte. Der Inhalt ist hier als
Beispiel für die unverhoffte Fülle und auch den Wert von Informationen sowie dafür wiedergegeben, wie obrigkeitliche Macht
mit Bürgern umspringen mag:
(Dokument, Anfang)
--------------------------------------------------------------------------"Dienst ist Dienst - Alte und neue Zwangsarbeitskonzepte"
Ein Referat von Harald Rein
[Frankfurter Arbeitslosenzentrum (FALZ), Solmsstr. 1a, 60486 Frankfurt/M., Tel.:
069/700425]
[Stand: 06/95]
--------------------------------------------------------------------------1. Definition
2. Der erzwungene Arbeitseinsatz
3. Der Dienst an der Gemeinschaft
--------------------------------------------------------------------------Im folgenden wird es um den Versuch gehen, sozialpolitische Traditionslinien
deutscher Politik aufzuspüren. Am Beispiel des Umganges von Politik und Verwaltung mit Erwerbslosen und Sozialhilfebeziehern soll gezeigt werden, wie eine
scheinbar demokratische Gesellschaft in Krisensituationen auf Lösungskonzepte
zurückgreift, die aus der Spätphase der Weimarer Republik und der Anfangsphase
des Nationalsozialismus stammen.
1. Definition
Wenn ich von Zwangsdiensten spreche geht es um Dienste zu denen Menschen,
mit Unterstützung entsprechender Sanktionsgewalt, gezwungen werden können.
285
DOKUMENTATION
Hierzu zählen der Kriegsdienst, der Zivildienst, die gemeinnützige Arbeit als erzwungene Variante nach dem Bundessozialhilfegesetz und die erzwungene Gefangenenarbeit im Knast. Es steht zu befürchten, daß in diesem Sinne der
Zwangseinsatz von Arbeitslosenhilfeempfänger in das Arbeitsförderungsgesetz
Einzug hält. Ansätze gibt es bereits.
Wenn von Zwangsmaßnahmen, seitens der Behörden gegen Erwerbslose oder
SozialhilfebezieherInnen die Rede ist, spreche ich von Arbeitszwang oder erzwungenen Arbeitseinsatz.
Pflichtarbeit ist ein offizieller Begriff der sowohl zu Weimarer Zeiten als auch heute
von Behörden und Politiker gebraucht wurde und wird.
Innerhalb des bundesweiten Zusammenschlusses der Erwerbsloseninitiativen wird
auch der Begriff Zwangsarbeit verwendet. Dieser ist nicht unproblematisch.
Als Zwangsarbeitsverhältnis soll demnach dann gesprochen werden, wenn
* keine existenzsichernden Löhne gezahlt werden
* es keinen sozialversicherungsrechtlichen Schutz gibt
* wenn die allgemeinen Bestimmungen des Arbeitsrechtes nicht gelten
* wenn die individuelle Qualifikation nicht berücksichtigt wird und
* wenn die Tätigkeit mit Sanktionsgewalt durchgesetzt wird.
Natürlich ist der Unterschied zur Zwangsarbeit im Nationalsozialismus bewußt, es
sollen keine nahtlosen Verbindungslinien hergestellt werden. Aber in einigen gesellschaftlichen Bereichen, über die im weiteren gesprochen werden wird, gibt es
Entwicklungen und Realitäten, die es erlauben von einer Art der Zwangsarbeit zu
sprechen.
2. Der erzwungene Arbeitseinsatz
Wenn wir vom Begriff der Ideologie als ein komplexes System von Weltanschauungen, Grundeinstellungen und Wertungen ausgehen, so spielt und spielte Ideologie eine herausragende Bedeutung in der Sozialpolitik. Immer dann, wenn es in
Deutschland um grundlegende Versuche einer Krisenbewältigung ging, traten politische und intellektuelle Vorreiter auf den Plan um bestimmte soziale Gruppen in
der Bevölkerung zu identifizieren, zu bewerten und schließlich auszuschließen.
Im intensiven Vergleich der Krisenbewältigungsversuche zwischen Weimar und
Bonn/Berlin finden sich komplexe staatliche Handlungsmaßnahmen die in ihrer
Begründung und schließlichen Ausführung kaum zu unterscheiden sind.
Es sind dies der "Mißbrauchs"vorwurf, die Kürzungen der Lohnersatzleistungen
und der erzwungene Arbeitseinsatz gegenüber Erwerbslosen und Sozialhilfebeziehern. Alle drei Bereiche bilden einen Tatkomplex und bauen aufeinander auf.
Sowohl für die Weimarer Republik wie für Deutschland nach 1945 findet sich kurz
vor oder während des Abbaus von Sozialleistungen die Begleitmusik über angebliche Leistungsmißbräuchler des Sozialstaats.
Vorreiter der Veränderungen des "Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung" Ende der zwanziger Jahre waren Behauptungen in der Presse
286
DOKUMENTATION
und aus Politik und Wirtschaft über angebliche "arbeitsscheue, skrupellose Individuen, die mit Hilfe der Sozialversicherung sich illegal bereicherten", so ein Zitat des
Arbeitgeberzentralorgans 1929. Es folgten Notverordnungen, u.a. mit erheblichen
Kürzungen der Unterstützungssätze. Mit der Behauptung der Vereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände Anfang der dreißiger Jahre, demnach das Arbeitslosenversicherungsgesetz zu einer Lähmung der Arbeitswilligkeit geführt hätte
wurde eine weitere Runde des Leistungsabbaus eingeläutet.
Ähnlich in der Bundesrepublik: den ersten einschneidenden Kürzungen im Sozialbereich 1981/82 ging eine Politiker- und Pressekampagne gegen "Faulenzer,
Nichtstuer und Trittbrettfahrer im Sozialstaat" voraus. Mit einer Kampagne gegen
den "Mißbrauch von Sozialleistungen" bereitete die Bundesanstalt für Arbeit, als
ausführendes Organ politischer Entscheidungen, 1993 den Boden vor für die ab 1.
Januar 1994 vollzogenen Leistungseinschränkungen.
Die Verzahnung von Haushaltskonsolidierung durch Mittelstreichungen bei den
Armen und ideologisch motivierten Theorien, die speziell herangezogen werden um
Stigmatisierungen zu erzeugen und in der Öffentlichkeit Akzeptanz für unpopuläre
Entscheidungen herzustellen, scheint offenkundig (1). Der Zusammenhang von
offensichtlichen Finanzproblemen mit sich anbietenden ideologisch gefärbten "Lösungsstrategien" funktioniert heute in gleicher Weise wie damals.
Was die Jahre 1930, 1934 und 1995 miteinander verbindet ist der Versuch die
Armutsbevölkerung von der Straße zu holen. Die Gefahr das Langzeiterwerbslose
aus den verschiedensten Gründen nicht mehr zu regelmäßiger Arbeit motiviert
werden konnten war für Sozialpolitiker aller Parteien ein Grauen.
Als Ergänzung zum eben beschriebenen ideologischen Angriff und den praktischen Leistungsverschlechterungen ist der Ausbau disziplinarischer Mittel in Form
z.B. des erzwungenen Abeitseinsatzes gegen Arbeitslose und Arme zu sehen. Er
dient zur Überprüfung des Arbeitswillens ebenso, wie zur Einsparung von sozialen
Kosten, durch Ausschluß derjenigen Betroffenen, die sich weigern Zwangstätigkeiten zu verrichten.
Womit wir beim eigentlichen Thema sind.
Ohne näher auf die große Institution der Zwangsarbeit, dem Arbeitshaus, einzugehen, dessen Blüte im 17. und 18. Jahrhundert lag, sei ein Beispiel aus Holland genannt: "Im Amsterdamer Arbeitshaus ... wurden Arme bei Arbeitsverweigerung in
ein Verlies gesperrt, in das man nach und nach Wasser einließ; um sich vor dem
Ertrinken zu retten, mußte der Gefangene ohne Unterlaß eine Pumpe betätigen.
Das hielt man für eine wirksame Methode, die Faulheit zu überwinden und die
Leute an die Arbeit zu gewöhnen." (2)
Was sich Bürokraten, Politiker und Unternehmer in den letzten sechzig Jahren
ausgedacht haben, um Menschen an die Arbeit zu gewöhnen, soll im weiteren beschrieben werden:
Spätestens seit Tyll Necker, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen
Industrie, in einem Interview die Worte gebrauchte: "Wir müssen die Krise jetzt
nutzen, denn jetzt sind die Menschen reif" dürfte klargeworden sein, daß die aktu-
287
DOKUMENTATION
elle ökonomische Krise weitreichendere Auswirkungen auf die allgemeine politische und soziale Gesellschaftsstruktur des "neuen" Deutschlands haben wird. Der
Generalangriff von Kapitalbesitzern und Politikerkaste vollzieht sich taktisch geplant. Für sie muß der "Standort Deutschland" billiger werden, damit die Akkumulation wieder auf höhere Touren fahren kann. Bisher, als unantastbar geltende soziale Standards sind das Ziel. Es wird laut nachgedacht, Vorschläge werden ausgebreitet und wieder zurückgenommen, um schließlich in noch verschärfter Form
verabschiedet zu werden. So geschehen in den Bereichen Sozialhilferecht und Arbeitsförderungsgesetz.
Das 1962 verabschiedete Bundessozialhilfegesetz hat nahtlos, mit einer aktualisierten Sprachfassung, die Zwangsparagraphen der Fürsorgegesetzgebung aus
der Weimarer Republik und den Anfängen des Nationalsozialismus übernommen.
Die §§ 18-25 BSHG regeln die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten und die Gewöhnung an Arbeit bzw. die Überprüfung der Arbeitsbereitschaft und legen zudem
Kriterien fest für den Ausschluß vom Leistungsanspruchs.
Wer Hilfe zum Lebensunterhalt oder ergänzende Sozialhilfe erhält kann zur Ableistung von sogenannter "gemeinnütziger Arbeit" gezwungen werden.
Für Tätigkeiten im Bereich der Gesundheitsversorgung, der Abfallbeseitigung, auf
Sportplätzen, in Schwimmbädern usw. erhalten die Betroffenen zu ihrer Sozialhilfe
eine Aufwandsentschädigung von 1 DM bis 3 DM pro Stunde. Weder sind sie sozialversichert, noch gilt der tarifliche Schutz des Arbeitsrechtes. Unter Drohung
des Entzuges der Sozialhilfe bei Arbeitsverweigerung versuchen die Sozialämter
ein Arbeitsverhältnis zwangsweise zu erreichen. Dies trifft deutsche und ausländische SozialhilfebezieherInnen gleichermaßen, wie Asylsuchende oder Kriegsflüchtlinge mit eingeschränkter Aufenthaltsgenehmigung.
Ähnlich erging es den Fürsorgebeziehern in der Weimarer Republik. Aufgrund der
"Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht" konnte die Unterstützung arbeitsfähiger Wohlfahrtsempfänger von der Ableistung angemessener Arbeit gemeinnütziger
Art abhängig gemacht werden.
Das Fürsorgeverhältnis blieb mit gelegentlicher minimaler Aufwandsentschädigung
bestehen, bei vorgesehener Rückzahlungspflicht. Für die Gemeinden implizierte
die Verhängung von Pflichtarbeit erhebliche Einspareffekte. Potentielle WohlfahrtsempfängerInnen konnten von der Inanspruchnahme der Leistung abgeschreckt
werden. Zwischen 1930 und 1932 stieg die Anzahl der Pflichtarbeiter von 34 000
auf 63 000. Je schärfer sich die Krise auswirkte, desto öfters wurde auf die Arbeitszwangsvariante von den zuständigen Behörden zurückgegriffen.
Für das preußische Wohlfahrtsministerium eine klare Sache: "Von den Erwerbslosen ist in jedem Falle als Gegenleistung für die Unterstützung ... Arbeit zu verlangen. Sofern sie verweigert wird, ist die Unterstützung sofort unweigerlich zu entziehen." (3) Es galt das Prinzip der "Aussiebung" der Arbeitsunwilligen und Arbeitsunfähigen gegenüber den Arbeitsfähigen. Allerdings noch nicht in organisierter Form. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde Arbeit als
grundlegende Aufgabe der Volksgemeinschaft bestimmt. "Zugleich wurde Arbeit
zum Selektionsinstrument: Nur der arbeitende Volksgenosse war wertvolles Mit-
288
DOKUMENTATION
glied der Volksgemeinschaft. Sein radikales Gegenbild war der sog. arbeitsscheue
Asoziale. Er war "gemeinschaftsfremd" und aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen. Er wurde zum Gegenstand eines hierarchisch gestuften Systems ausgrenzender Maßnahmen bis hin zur Vernichtung durch Arbeit." (4)
Sechzig Jahre später will davon kaum noch jemand etwas wissen. Die Demokratie
gibt sich wehrhaft und unternimmt in den achtziger Jahren erste Versuche Hilfe mit
erzwungener Arbeit zu koppeln.
Frankfurt/M 1982: Der 54jährige Ingenieur B. ist seit längerer Zeit erwerbslos und
auf Sozialhilfe angewiesen. Auf dem freien Arbeitsmarkt ist er nicht zu vermitteln,
das Sozialamt verpflichtet ihn zu gemeinnütziger Arbeit. Er soll in einem Altersheim
z.B. verstopfte Toiletten und Waschbecken reinigen für eine Mehraufwandsentschädigung von 1 DM pro Stunde. Als er sich weigert, wird ihm mit folgender Begründung die Sozialhilfe gekürzt: "Die Leistung gemeinnütziger Arbeit dient der Erhaltung des Arbeitswillens. Durch die Kürzung der Sozialhilfe sollen Sie dazu angehalten werden, sich zu einer regelmäßigen Arbeit bereit zu erklären, um nicht ...
den Bezug zur Arbeit zu verlieren."
Auf Sportanlagen, in Schwimmbädern, beim Stadtreinigungsamt oder im Zoologischen Garten sollte die Arbeitsbereitschaft eines Großteils der SozialhilfebezieherInnen Frankfurts überprüft werden. 1983 umfaßte der Zwangsarbeitseinsatz pro
Jahr ca. 5000 Betroffene, bundesweit soll es sich pro Monat um etwa 24 000 SozialhilfebezieherInnen gehandelt haben. Für Frankfurt konnte in den Jahren 1980 bis
1984 ein Stellenabbau in denjenigen städtischen Betrieben nachgewiesen werden,
in denen gemeinnützige Arbeit abgeleistet werden mußte. Offensichtlich bediente
sich die Stadt der billigeren Pflichtarbeiter, um tariflich abgesicherte Arbeitsstellen
zu liquidieren bzw. nicht wiederzubesetzen. Erst der Widerstand vieler zwangsverpflichteter Betroffener durch Widersprüche, Klagen auf tarifgerechter Übernahme,
Bummelei, Sabotage usw. veranlaßte Politiker und Behörden den Zwangsdienst
einzuschränken und arbeitsmarktpolitische Alternativen in Form tarifgemäßer Absicherung anzubieten.
Frankfurt/ 1993: Herr M., 43 Jahre bezieht Hilfe zum Lebensunterhalt. Im März
1993 erhält er die Aufforderung, auf dem Friedhof Höchst Pflichtarbeit abzuleisten.
Er legt Widerspruch ein. Im Mai desselben Jahres wird ihm die Sozialhilfe um 20%
gekürzt, im Juni um 50%, und einige Tage später wurde sie ganz eingestellt. Fast
zur gleichen Zeit schreibt die Rot/Grüne-Stadtregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung: "Von der Anordnung gemeinnütziger Arbeit für Sozialhilfeempfänger werden
wir auch weiterhin absehen." Stark unter öffentlichen Beschuß geraten gab der zuständige Sozialamtsleiter schließlich zu, daß SozialhilfebezieherInnen wieder zu
gemeinnütziger Arbeit verpflichtet würden. Seine Begründung: das "gab es schon
immer, und das wird es immer geben" (5).
Traditionslinien in der Bekämpfung von Armut lassen sich auch in den Sozialstrategien einzelner Städte nachvollziehen.
So etwa in Hannover:
Durch die Erhöhung der Zahl der Wohlfahrtsbezieher, bei gleichzeitiger Senkung
der Reichswohlfahrtshilfe war die Stadt Hannover 1935 "gezwungen" die Zahl der
289
DOKUMENTATION
Wohlfahrtserwerbslosen herabzudrücken. Zu diesem Zwecke wurden alle Wohlfahrtserwerbslosen "einer eingehenden Prüfung auf ihre Arbeitsfähigkeit durch eine Untersuchungskommission unterzogen ... Der Erfolg blieb nicht aus: nur 18,3%
wurden als voll arbeitsfähig befunden, 15,5% die sich der Untersuchung nicht gestellt hatten, wurde die Unterstützung ohne weiteres entzogen, von den übrigen
wurden so viel als möglich in Pflicht- und Fürsorgearbeit gesteckt, so daß auf diese
Weise die Gesamtzahl der Wohlfahrtserwerbslosen von 5896 auf 2806 vermindert
werden" (6) konnte.
1993: Aufgeschreckt durch steigende Sozialhilfekosten entwickelt die Stadtverwaltung Hannover eine Neukonzeption zur Verbesserung der Vermittlungschancen
von Arbeitsuchenden ohne AFG-Leistungsansprüche. Beantragt ein Arbeitsloser
Sozialhilfe wird dieser zu einem Pflichtgespräch mit einem sog. Arbeitsanbahner
gebeten. In diesem Gespräch soll geklärt werden, inwiefern der Arbeitslose vermittlungsfähig und -willig ist. Bei positiver Beurteilung durch den Arbeitsanbahner
wird dem Fachvermittler dieser Arbeitslose besonders zur Vermittlung empfohlen.
Treten Schwierigkeiten bei der Vermittlungsfähigkeit und -willigkeit des Erwerbslosen auf, sollte der Arbeitsanbahner diese Probleme erkennen "und sie einer Lösung zuführen." Desweiteren werden "arbeitsunwillige Arbeitsuchende herausgefiltert, was zu entsprechenden Konsequenzen bei der Bemessung der Sozialhilfeleistungen führen müßte." (7) Eine Erfolgsquote liegt noch nicht vor.
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich das Arbeitsförderungsgesetz zu einem restriktiven Instrumentarium zur Bekämpfung nicht von Arbeitslosigkeit sondern von Arbeitslosen gewandelt. Der Bezug zu den letzten Krisenjahren in der
Weimarer Republik liegt auch hier auf der Hand.
Bereits 1991 hat die von Bundeskanzler Kohl berufene "Deregulierungskommission" in ihrem Abschlußbericht vorgeschlagen Lohnzahlungen unter Tarif zuzulassen. Dem Langzeitarbeitslosen, so das zynische Resümee der Gutachter, "steht
ein Recht zu" befristete untertarifliche Einsteigervergütungen zu vereinbaren. Zwei
Jahre später erfolgte die Umsetzung.
Unter dem Vorwand im Osten Deutschlands den Arbeitsmarkt stabilisieren zu
wollen, wurde 1993 der § 249 h für die Ex-DDR eingeführt. Eine Förderung von
Arbeiten zur Verbesserung der Umwelt, der sozialen Dienste und der Jugendhilfe
tritt dann ein, wenn die Arbeitszeit und entsprechend die Bezahlung 80% der tariflichen nicht übersteigt.
Diese Bezahlung und Beschäftigung unter Tarif kann mit den Notstandsarbeiten
der Weimarer Republik verglichen werden. Die Tätigkeiten dort wurden zu einem
unverzichtbaren Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Als wirtschaftspolitisches
Steuerinstrument war es durchaus brauchbar, da die Entlohnung grundsätzlich
unter den Tariflöhnen lag. Als Kriterium galten die Tariflöhne der Bauarbeiter, die
aber noch um etwa 20% unterschritten wurden. Arbeitsschwerpunkte waren Straßenbau, Wasserschutz und Kanalisationsreparaturen usw. Zwischen 10 und 20%
aller Unterstützungsempfänger wurden so eingesetzt. Für das Reichsarbeitsministerium lag der besondere Wert der Notstandsarbeiten darin, daß sie "die arbeitsscheuen Elemente unter den Erwerbslosen vor die Wahl stellt, diese Arbeit anzu-
290
DOKUMENTATION
nehmen oder die Unterstützung zu verlieren." (8) Nach 1933 stieg die Zahl der
Notstandsarbeiter rapide an, bei gleichzeitiger Absenkung der Tarife. Diese waren
jetzt kaum höher als die Richtsätze der öffentlichen Fürsorge. (9)
Die Funktion der Notstandsarbeit wandelte sich vom arbeitsmarktpolitischen Instrument zu einem Instrument der Arbeitskraftlenkung im Dienste der Aufrüstungspolitik.
Was früher "wertschaffende Arbeitslosenfürsorge" benannt wurde, heißt heute
"produktive Arbeitsförderung". Was in der ehemaligen DDR begann hatte bald
auch im Westen Rechtsgültigkeit (§ 242 s). Zusammen mit dem § 94, der die Höhe des Zuschusses bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf höchstens 90% eines normalen Arbeitsentgeltes begrenzt, zwingt er Erwerbslose ihre Arbeitskraft
unter Wert anzubieten. Äußerst kritikwürdig ist in diesem Zusammenhang die Zustimmung von Einzelgewerkschaften zu Öffnungsklauseln in Tarifverträgen, die die
Einstellung Langzeitarbeitsloser und Berufsanfänger zu 90 - 95% des Tarifs festschreiben (z.B. bei der IG-Chemie und in IG-Metall-Tarifverträgen für Arbeitsbeschäftigungsstrukturgesellschaften im Osten Deutschlands, aber auch in Haustarifen von "Beschäftigungsgesellschaften").
Neu ist auch ein Erlaß der Bundesanstalt für Arbeit über die Zumutbarkeit des Eingehens von Leiharbeitsverhältnissen. Es handelt sich hierbei um externe Flexibilisierungsmaßnahmen, in denen der normale Bestandsschutz wie etwa die individuelle Kündigungspflicht, das Anhörungsverfahren bei Kündigungen, die Pflicht zur
Aufstellung eines Sozialplans etc. nicht mehr gewährleistet sind.
Im September 1992 forderte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in einer öffentlichen Anhörung beim Sozialausschuß des Deutschen
Bundestages die Wiedereinführung von Gemeinschaftsarbeiten für Erwerbslose.
Statt teurer Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, sollten an dessen Stelle "sog. Gemeinschaftsarbeiten, das heißt Beschäftigung von Arbeitslosen mit gewissen Zuzahlungen zum Arbeitslosengeld" treten. Zwei Jahre später schreiben Vertreter von
CDU/CSU und FDP in ihrer Koalitionsvereinbarung: "Bei der Sozialhilfe wie bei der
Arbeitslosenhilfe müssen Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung verstärkt
werden ... Zur Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit sollen jüngeren Beziehern von Arbeitslosenhilfe verstärkt Arbeitsgelegenheiten angeboten werden. Um eine Vermittlung in niedriger entlohnte Beschäftigung, beispielsweise saisonale Beschäftigungen, zu erleichtern, werden die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen,
gezielt und zeitlich befristet Arbeitslosenhilfe in pauschalierter Form für die Zeit
dieser Beschäftigung weiter zu gewähren." Nachdem der erste Versuch Erwerbslose zu saisonalen Tätigkeiten bei der Ernte im letzten Jahr nach breiten Protesten
von Betroffenen bis zu den Bauernverbänden zurückgezogen werden mußte, war
es im Februar 1995 soweit. Die Bildzeitung konstatierte: "Hochwasser: Arbeitslose
müssen ran". In etlichen Städten, die vom Hochwasser betroffen waren, wurden
Erwerbslose für kurzzeitige Aufräumarbeiten verpflichtet, so z.B. in Hattersheim
am Main. Was den Zwangscharakter der Maßnahme betrifft: für den Leiter des zuständigen Arbeitsamtes kein Problem: Niemand werde gezwungen. "Aber wenn mir
ein Jugendlicher sagt, ich hab keinen Bock, dann reicht das natürlich nicht." (10)
Eine Sperre des Arbeitslosengeldes für drei Monate wäre dann die Folge. "Dank"
291
DOKUMENTATION
eines Lohnkostenzuschusses durch die Bundesanstalt für Arbeit muß die Stadt
Hattersheim nur ein Drittel der Lohnkosten zahlen. Ob sich die "Maßnahme" für
den Erwerbslosen lohnt ist mehr als zweifelhaft: möglicherweise sind die Lohnersatzleistungen höher als das Gehalt bei der Stadt, wobei aber eines ganz sicher ist:
nach sechs Monaten steht der Aufräumarbeiter dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung.
Gesetzliche Grundlage dieses Einsatzes ist ein Paragraph aus der ZumutbarkeitsAnordnung von 1982, der noch unter der sozialliberalen Koalition verabschiedet
wurde. Dort wird festgestellt: "Vorübergehende Beschäftigungen, die gegenüber
der früheren beruflichen Tätigkeit nicht nur geringfügig ungünstiger sind und insgesamt nicht länger als hundertachtzig Kalendertage dauern, sind zumutbar ... ".
Mit dem § 134 Abs. 3b wurde in diesem Jahr die Gemeinschaftsarbeit wieder in
das AFG eingefügt. Es entspricht den §§ 142 und 153 des "Arbeitsvermittlungsund Arbeitslosenversicherungsgesetz"(AVAVG) aus den fünfziger Jahren und ist
eine modifizierte Fassung der Pflichtarbeitsparagraphen für Erwerbslose aus den
dreißiger Jahren.
Bereits 1923 wurde der erzwungene Arbeitseinsatz für Erwerbslose eingeführt.
Galt er bis 1927 hauptsächlich für Arbeitslose unter 21 Jahren und Wohlfahrtsempfänger, so traf es 1928 auch Saisonarbeitslose und 1931 alle Arbeitslose die
Unterstützung begehrten oder bezogen.
Die 1994 neu eingefügte Regelung besagt, daß mit Zustimmung des Arbeitsamtes
gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten entsprechend § 19 Abs. 3. Bundessozialhilfegesetz (BSHG) verrichtet werden können. Die gemeinnützige Arbeit kann von
Kommunen, freien Trägern oder Vereinen eingerichtet werden (nicht von der Bundesanstalt für Arbeit). Die Erwerbslosen werden ausgeliehen, die Arbeitslosenhilfe
weitergezahlt; über eine mögliche Aufwandsentschädigung entscheidet der Ausleiher. Für diese Zeit tauchen die Erwerbslosen nicht in der Statistik auf. Erstmals
seit 1969 hält somit das Prinzip "Arbeit ohne Lohn" wieder Einzug in das Arbeitslosenrecht. Zwar wird der Zwang in diesem Zusammenhang nicht eindeutig formuliert, aber er ergibt sich aus folgendem:
* der § 134 beruft sich ausdrücklich auf den § 19 BSHG, der bislang den Zwang
für SozialhilfebezieherInnen durchsetzt,
* die Erwerbslosen gehen gegenüber der Bundesanstalt eine Verpflichtung ein,
die Tätigkeit für eine bestimmte Dauer zu verrichten. Erscheinen sie nicht, oder
brechen sie vorzeitig ab, erhalten auch sie eine Sperrzeit als Strafe.
Wer tatsächlich freiwillig oder nach "intensiver" Beratung gezwungenermaßen eine
gemeinnützige Arbeit aufnimmt ist nicht immer zu unterscheiden.
Grundsätzlich kann eine "Gemeinschaftsarbeit" auch über den § 2 der Zumutbarkeits-Anordnung (vgl. das Beispiel aus Hattersheim) erzwungen werden.
Die seit Jahren politisch und wirtschaftlich exponiertesten VertreterInnen einer
Pflicht zur Arbeit verfolgen mehrere Ziele:
Einerseits sollen die Erwerbstätigen auf Niedriglöhne und dem Ignorieren von Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie weiterer rechtlicher Absicherungen einge-
292
DOKUMENTATION
stimmt werden. Zum anderen wird damit den Erwerbslosen klargemacht, daß es
keine unzumutbaren Arbeitsbedingungen und keinen Qualifikationsschutz mehr zu
geben hat. Niedriglöhne erhalten allmählich eine gesellschaftliche Akzeptanz und
Arbeitszwang etabliert sich.
Was in der Weimarer Republik als rechtlich festgeschriebener erzwungener Arbeitseinsatz Einzug in die Fürsorgepraxis und Arbeitsmarktpolitik hielt, konnte 1933
durch systematischen Ausbau desselben, bei gleichzeitiger behördlicher Kompetenzerweiterung weiterentwickelt werden und landete schließlich in den mörderischen Zwangsarbeitsanstalten.
Auch wenn von einem allgemeinen Arbeitsdienst heute nicht gesprochen werden
kann, sollten aktuelle Entwicklungen uns stutzig machen. Das heute wieder auf
Formen nichtfreiwilligen Arbeitseinsatzes zurückgegriffen wird, müßte Grund genug sein seine Stimme zu erheben und zu protestieren.
3. Der Dienst an der Gemeinschaft
Die Forderung nach einer allgemeinen Dienstpflicht tritt unter verschiedenen Namen an die Öffentlichkeit: angefangen vom Sozialem Pflichtjahr bis zum Ökologischen Dienst.
Die Dienstpflicht wird als pädagogische Wunderwaffe, als "Schule der Nation"
parteienübergreifend eingesetzt. Jeder nimmt sich seinen Teil, mit entsprechender
ideologischer Begründung, um die Wichtigkeit einer Gemeinschaft der Dienstverpflichteten zu begründen.
Bereits 1992 forderte der Politikwissenschaftler Iring Fetscher die Einführung eines
natürlich anderen "Arbeitsdienstes" zwecks Katastrophenschutzes und Abbau von
Altlasten in den neuen Bundesländern. Andere bekannte Wissenschaftler, wie etwa der Darmstädter Hochschulprofessor Helmut Dahmer schreibt ausgerechnet in
der Zeitung des Vereins "Lobby für Wohnsitzlose und Arme": "Für die Zehntausende von Jugendlichen ohne Arbeit und Perspektive, die, von einem PariaSchicksal bedroht, darauf verfallen, sich durch Mord und Totschlag als Deutsche,
als Zugehörige zu qualifizieren, muß eine attraktive Alternative geschaffen werden.
Ich empfehle die Bildung eines freiwilligen Sozialen Dienstes zur produktiven Absorption derer, die jetzt auf der Straße liegen und rechten Agitatoren nachlaufen."
Die gleiche Forderung nach einem freiwilligen Sozialdienst stellt Michael Opielka
auf, seine Begründung fußt allerdings auf dem Bedarf an sozialer Arbeit. Seine
Gedankenspiele basieren noch auf Überzeugungsarbeit, wobei er zusammenfassend feststellt: "Einstweilen brauchen wir keinen Sozialdienst als soziale Grundpflicht." (11)
Auf der gleichen politischen Ebene steht auch Wolfgang Beywl, Wirtschaftswissenschaftler aus Köln. Er will "die nachhaltige Förderung einer sozialpolitisch flankierten Freiwilligkeit". (12)
Das Politiker wie Kohl, Blüm und der früherer Bundespräsident Weizsäcker über
eine allgemeine Dienstpflicht nachdenken, dürfte nicht überraschen. Überraschender ist der inhaltliche Brückenschlag zur sozialpolitischen Debatte über die Institutionalisierung eines dauerhaften zweiten Arbeitsmarktes. Der Phantasie sind dort
293
DOKUMENTATION
keine Grenzen gesetzt, besonders aus linkssozialdemokratischer und gewerkschaftlicher Sicht. So wird ein Öko-Sozial-Kultureller Dienst, speziell für Langzeiterwerbslose gefordert, der durch positive Imagepflege eine größere gesellschaftliche Anerkennung erfahren soll, als manche Beschäftigungsfelder des ersten Arbeitsmarktes. Arbeitsfelder könnten sein: die Modernisierung und der Ausbau der
wirtschaftsnahen Infrastruktur, die Sanierung der Umwelt, die Verbesserung sozialer Dienste und der Ausbau des Bildungs- und Kulturangebotes.
Auch Oskar Lafontaine reiht sich in die Reihen der Dienstpflichtbefürworter ein. Er
schreibt: "Über die Möglichkeit, junge Menschen zu einem sozialen oder ökologischen Dienst zu verpflichten, wird nur ganz zaghaft gesprochen, obwohl durch eine solche Institutionalisierung der gesellschaftlichen Solidarität manches Problem
verringert werden könnte." (13)Er befindet sich mit dieser Aussage auf gleichem
intellektuellen Niveau, wie Warnfried Dettling, der frühere Vordenker der CDU.
Dieser sieht im Sozialen Dienst eine Art Nachsozialisation für junge Menschen.
Lernt man in der Schule Rechnen und Schreiben, so soll der Soziale Dienst "zu einer sozialen Alphabetisierung der jungen Männer führen." (14)
Es handelt sich um eine gefährliche Debatte, weil der historisch geächtete
Zwangsdienst in unterschiedlichen Facetten und in moderner Sprache problematisiert wird. Das, was im Zusammenhang mit Zivildienst und sog. Wehrgerechtigkeit
in die Diskussion geworfen wird, findet in anderen gesellschaftlichen Bereichen,
wie etwa auf dem Arbeitsmarkt, eine scheibchenweise Umsetzung.
Zu kritisieren sind auch all diejenigen Autoren, die die Pflicht für die Gemeinschaft
als freiwillige definieren. Sie heizen eine Auseinandersetzung an, die die Vergangenheit wieder relativiert und die von gesellschaftlichen Problemen ablenkt.
Schließlich war auch der "Freiwillige Arbeitsdienst" keineswegs freiwillig.
Insofern eine inhaltliche Begründung für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht gegeben wird, ist zu sagen:
Weder trägt die Dienstpflicht zur Behebung des Pflegenotstandes, noch zur
Gleichberechtigung der Geschlechter oder gar zur Überwindung der Arbeitslosigkeit bei. Der Pflegenotstand besteht nicht in einem Mangel an Laienhelfern, sondern in einem "Mangel an professionellen Kräften und einem strukturellen Defizit
ihrer Arbeitsbedingungen".(15) Die anvisierte formale Gleichberechtigung von
Männern und Frauen in Form eines gemeinsam abzuleistenden Dienstes ist ein
Hohn, angesichts der Tatsache, daß die "Welt des Helfens" eine durchgängig
weibliche war und ist.
Ähnlich wie in den alten und neuen Zwangskonzeptionen für Erwerbslose und SozialhilfebezieherInnen sollen besonders Jugendliche nacherzogen und angebliche
Defizite aufgearbeitet werden. Ausgetrieben werden soll die Lust auf Freiheit und
Freizeit. Oder wie es ein Autor unter dem Titel: "Sozialpflicht statt Wehrpflicht?"
ausdrückt: "Junge Menschen wachsen heute, ohne daß sie es vielleicht ahnen
oder gar dafür verantwortlich zu machen wären, in einer unvollständigen Lebenswelt auf, die in der Regel ganz und gar aus Fitneß, Aktivität, Lebensfreude, Genuß
und einer schier unermeßlichen Freiheit des einzelnen zu bestehen scheint. Die
"Andere Seite" unserer Lebensrealität ... kommt nicht mehr in den Blick." (16)
294
DOKUMENTATION
In einem "erzieherischen Pflichtprogramm" soll den Jugendlichen genau diese andere Seite verdeutlicht werden.
Neben den Debatten von Sozialpolitikern und sog. Wehrexperten über die Einführung eines wie immer gearteten allgemeinen Pflichtdienstes existiert bereits die gesetzliche Grundlage zur Zwangsrekrutierung in kriegswichtige Betriebe. Im Rahmen der Notstandsgesetze wurde 1968 das Arbeitssicherstellungsgesetz verabschiedet. Es sieht vor das "für Zwecke der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung ... ein Wehrpflichtiger in ein Arbeitsverhältnis verpflichtet
werden" kann. 1989 legte eine Notstandsverordnung fest, daß in 149 Arbeitsämtern der Bundesrepublik "Arbeitskräfteausschüsse" eingerichtet werden, "die bereits im Frieden des Personalbedarf für Krise und Krieg planen und Zwangsrekrutierungen für kriegswichtige Betriebe vorbereiten". Konkret läuft es so ab: Öffentliche und private Arbeitgeber, von der Rüstungsfirma bis zum Wasserwerk, melden
ihren Personalbedarf für den Spannungs- oder Verteidigungsfall den Arbeitsämtern. Diese legen umfangreiche Karteien an, den im Ernstfall, wenn nicht genügend
freiwillige Kräfte vorhanden sind, sollen vorrangig Arbeitslose gemäß dem Arbeitssicherstellungsgesetz zwangsverpflichtet werden. Übrigens sitzen in den Arbeitskräfteausschüssen auch DGB-Vertreter.
--------------------------------------------------------------------------Anmerkungen
(1) Vgl.: Brunner, C. 1993: "Bettler, Schwindler, Psychopathen". Die "Asozialen"Politik des Münchner Wohlfahrtsamtes in den frühen Jahren der NS-Zeit
(1933-1936), München
(2) Geremek, B. 1991: Die Geschichte der Armut, München, S. 260
(3) Zitat aus: Führer, K.C. 1990: Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung in Deutschland: 1902-1927, Berlin, S. 377
(4) Sachße,C./Tennstedt, F. 1992: Der Wohlfahrtsstaat im Nationalsozialismus,
Stuttgart, S.81
(5) "Frankfurter Allgemeine Zeitung" 22.7.1993
(6) Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Dezember 1935, S.1448
(7) Hausmitteilung der Stadtverwaltung Hannover, 27.10.1992
(8) Zitat aus: Lewek, P. 1989: Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung in der
Weimarer Republik 1918-1927, Stuttgart, S. 110
(9) Forderungen die in diese Richtung gehen kommen heute u.a. von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: So forderte ein Sprecher der
Vereinigung auf einer Anhörung der Bundestagsausschüsse für Wirtschaft
und Arbeit in Bonn die Gehaltsstufen bei Arbeitsbeschaffungsmaßnhamen auf
das "Niveau des Arbeitslosengeldes" herabzusetzen. (vgl. "Frankfurter Rundschau" vom 28.4.1995)
(10) "Frankfurter Rundschau" 8.2.1995
295
DOKUMENTATION
(11) Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, Heft 1/1992, S. 36
(12) "Frankfurter Rundschau" 12.8.1994
(13) "Frankfurter Rundschau" 26.2.1994
(14) "Die Zeit" 5.3.1993
(15) Bartjes, H.: Zwang zur Gemeinschaft?, in: Widersprüche Heft 52/1994, S. 97
(16) Zitat in: ders., S. 98
--------------------------------------------------------------------------Zurück zur DFG-VK Homepage
---------------------------------------------------------------------------
(Dokument, Ende)
Dieses nicht gerade kurze und auch nicht einfache Beispiel soll
vor allem belegen, daß im Internet für jedermann auch hochpolitische Themen zu finden sind, die sich zudem mit ungewohnten
Aspekten und Problemen unserer Gesellschaft auseinandersetzen.
Inwieweit diese Informationsschiene (insbesondere auf Dauer)
geeignet ist, das Funktionieren von Demokratie und die Gebräuche im politischen Raum irgendwie nachhaltig zu beeinflussen,
steht aber anscheinend noch völlig dahin.
296
DOKUMENTATION
<6> Protokoll eines „Überfalls“
Darstellung eines (automatischen) Sendeprotokolls:
Mailer aktiviert um 16:10:41
Bearbeite Versand-Auftrag für M.L.Schuermann (0)
Einwahl zum E-Mail Fach :M.L.Schuermann (COM2, 19200)
Modem wird initialisiert
Telefonverbindung wird hergestellt
ATZ
OK
ATE1V1X1M1Q0
OK
ATDP0231-9070105
CONNECT 19200
Geschwindigkeit angepaßt auf 19200
Sende Benutzername
Warte auf Kennwortaufforderung
Sende Kennwort
Kennwort akzeptiert
Online zum System
Network Access SW V1.5 for DS700-08 (BL95-33)
Willkommen zu GEOD! /// GeoNet Mailbox Systems GmbH, 08-04-96
16:11:39 ///
Name? M.L.Schuermann
Password?
16:11:47 08-04-96
Befehl: SENDEN (DN) (EB) INTERNET:[email protected] /Einige Fragen
Bitte Text eingeben:
Bearbeite Versandauftrag an INTERNET:[email protected]
Mögliche Fehlübertragungen werden gelöscht
Übertrage Datei MAILER.TMP
Beginne Zmodem-Transfer
Übertragung ist zu 25% beendet
Übertragung ist zu 50% beendet
Übertragung ist zu 75% beendet
Übertragung ist zu 100% beendet
*****************************************************
Aus dem Versandprotokoll:
Nachricht Nr.:
ID:
Nachricht von:
36
49612427GEOD
GEOD:M.L.Schuermann
297
DOKUMENTATION
Betrifft:
*** BIN:*** EB: Einige Fragen
Abgesandt am:
08-04-96, 16:12:00
Empfänger:
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:Ina.Albowitz@@mdb.bundestag.dbp.de
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
XVII
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
298
DOKUMENTATION
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
INTERNET:[email protected]
Kopien:
INTERNET:[email protected]
INTERNET:M.L.Schuermann GEO9:G.LEUE
*****************************************************
Musterprotokoll späterer Bestätigungen:
Received: from dagobert.piro.net 194.64.31.2
by GEOD.Geonet.De
Date: Mon, 08 Apr 1996 16:16:15
Received: from localhost (localhost) by dagobert.piro.net
(8.6.12/8.6.12) with internal id QAA05108; Mon, 8 Apr 1996
16:17:08 +0200
Date: Mon, 8 Apr 1996 16:17:08 +0200
From: Mail Delivery Subsystem <[email protected]>
Subject: Returned mail: Return receipt
Message-Id: <[email protected]>
To: [email protected]
The original message was received at Mon, 8 Apr 1996 16:16:56
+0200
from GEOV6.GeoNet.de Ä193.96.236.16Ü
----- Transcript of session follows ----lennartz.mdb@pop... Successfully delivered
----- Message header follows ----Return-Path: [email protected]
Received: from GEOD.Geonet.De (GEOV6.GeoNet.de
Ä193.96.236.16Ü) by dagobert.piro.net (8.6.12/8.6.12) with
SMTP id QAA04124 for <[email protected]>; Mon, 8
Apr 1996 16:16:56 +0200
From: [email protected]
Date: Mon, 08 Apr 1996 16:15:48
Subject: Einige Fragen
To:
[email protected],
[email protected],
[email protected],
... usw. bis...
[email protected],
[email protected],
[email protected],
[email protected],
299
DOKUMENTATION
[email protected],
[email protected],
[email protected]
CC: [email protected], [email protected],
[email protected]
Return-Receipt-To: [email protected]
Message-Id: <[email protected]>
Mime-Version: 1.0
Content-Type: multipart/mixed; boundary="============_49612427==_"
X-Attachments: MAILER.TMP;
----- Message body suppressed ----*****************************************************
Während der Übermittlung an das System ausgegebene Meldungen:
[einschließlich später empfangener und hinzugesetzter Rückmeldungen, etwa:
Ihre Nachricht mit dem Betreff 'Einige Fragen'
an '[email protected]' hat den Empfaenger erreicht.
(Your message has arrived at the receiver) oder ähnlich]
[email protected]
The original message was received at Mon, 8 Apr 1996 16:20:12
+0200
from GEOV6.GeoNet.de Ä193.96.236.16Ü
<[email protected]>... Successfully delivered
.ok
[email protected]
The original message was received at Mon, 8 Apr 1996 16:19:06
+0200
from GEOV6.GeoNet.de Ä193.96.236.16Ü
<[email protected]>... Successfully delivered
.ok
Ina.Albowitz@@mdb.bundestag.dbp.de
.ok
[email protected]
.ok
[email protected]
The original message was received at Mon, 8 Apr 1996 16:18:34
+0200
from GEOV6.GeoNet.de Ä193.96.236.16Ü
<[email protected]>... Successfully delivered
.ok
[email protected]
Subject: Empfangsbestaetigung (Acknowledgement of receipt)
Date: Mon, 08 Apr 1996 23:05:32 +0100
.ok
[email protected]
## automatische Empfangsbestaetigung durch CrossPoint v3.1 R
300
DOKUMENTATION
## erhaltene Nachricht:
Message-ID:
<[email protected]>
Datum/Date:
08.04.96, 16:23
Groesse/Size:
7397 Bytes
Pfad/Path:
pdsll.zerberus.de!pdsll.zerberus.de!bionic.zerberus.de!
GEOD.Geonet.De!M.L.Schuermann
autom. Empfangsbestaetigung von R.KOEHNE
Subject: Empfangsbestaetigung (Acknowledgement of receipt)
Date: Mon, 08 Apr 1996 23:05:30 +0100
.ok
[email protected]
Subject: Empfangsbestaetigung (Acknowledgement of receipt)
Date: Mon, 08 Apr 1996 23:05:36 +0100
.ok
[email protected]
Subject: Empfangsbestaetigung (Acknowledgement of receipt)
Date: Mon, 08 Apr 1996 23:05:29 +0100
.ok
... usw. ... bis ...
[email protected]
Subject: Empfangsbestaetigung (Acknowledgement of receipt)
Date: Mon, 08 Apr 1996 23:05:37 +0100
.ok
[email protected]
.ok
[email protected]
[email protected]
The original message was received at Mon, 8 Apr 1996 16:16:56
+0200
from GEOV6.GeoNet.de Ä193.96.236.16Ü
lennartz.mdb@pop... Successfully delivered
[email protected]
The original message was received at Mon, 8 Apr 1996 16:20:44
+0200
from GEOV6.GeoNet.de Ä193.96.236.16Ü
<[email protected]>... Successfully delivered
.ok
[email protected]
.ok
[email protected]
.ok
[email protected]
.ok
[email protected]
.ok
[email protected]
The original message was received at Mon, 8 Apr 1996 16:19:39
+0200
from GEOV6.GeoNet.de Ä193.96.236.16Ü
<[email protected]>... Successfully delivered
.ok
[email protected]
301
DOKUMENTATION
.ok
.CC
.ok
.CC
.ok
.CC
.ok
INTERNET:[email protected]
GEOD:M.L.Schuermann
GEO9:G.LEUE
Eingabe beendet. Bitte ZMODEM starten.
.ZMODEM
............................................................
Warte auf ID
Versandauftrag akzeptiert. ID: 49612427GEOD
Nachrichten abgeschickt.
ID: 49612427GEOD
ARchivieren oder WEiterleiten? (MAILER.TMP)
Dauer: 10
Versand-Auftrag beendet um 16:12:40
Befehl:
Befehl: ENDE JA
Telefonverbindung wird getrennt
+++
OK
ATH
Modemträgersignal nicht mehr aktiv (DCD)
Heute sind keine weiteren Verbindungen geplant
*****************************************************
Auszug, 2. Teil des Mailer-Protokolls:
Empfange Nachricht 65
Dieses war eine Service-Meldung
Empfänger der Nachricht war: INTERNET:[email protected]
Service-Meldung für Nachricht 49612427GEOD
Versandstatus war: Erfolgreich abgesetzt am 08-04-96 16:19:56.
Empfange Nachricht 66
Dieses war eine Service-Meldung
Empfänger der Nachricht war: INTERNET:[email protected]
Service-Meldung für Nachricht 49612427GEOD
Versandstatus war: Erfolgreich abgesetzt am 08-04-96 16:20:29.
Empfange Nachricht 67
Beginne Zmodem-Transfer
Übertragung ist zu 25% beendet
Übertragung ist zu 50% beendet
Übertragung ist zu 75% beendet
Übertragung ist zu 100% beendet
Empfange Nachricht von INTERNET:[email protected]
Dauer: 2
302
DOKUMENTATION
Datei gespeichert bei: M.L.Schuermann
(C:\MSTATION\IN\IN001\EUXNE581.TXT)
Empfange Nachricht 68
Dieses war eine Service-Meldung
Empfänger der Nachricht war: INTERNET:[email protected]
Service-Meldung für Nachricht 49612427GEOD
Versandstatus war: Erfolgreich abgesetzt am 08-04-96 16:21:01.
Empfange Nachricht 69
Beginne Zmodem-Transfer
Übertragung ist zu 25% beendet
Übertragung ist zu 50% beendet
Übertragung ist zu 75% beendet
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Service-Meldung für Nachricht 49612427GEOD
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Modemträgersignal nicht mehr aktiv (DCD)
Onlineverbindung wird abgebaut
Onlineverbindung beendet um 16:40:13
*****************************************************
Received: from bi-node.zerberus.de 194.77.23.10
by GEOD.Geonet.De
Date: Tue, 09 Apr 1996 06:25:42
Received: from bionic.zerberus.de by bi-node.zerberus.de with
zconnect
(Smail3.1.29.1 #9) id m0u6UwQ-0002ANC; Tue, 9 Apr 96
06:22 MET DST
To: [email protected]
Message-Id: <[email protected]>
From: [email protected] (Rolf Koehne)
Path: bionic.zerberus.de!pdsll.zerberus.de
Organization: Gruppe der PDS im Bundestag
Subject: Re: Einige Fragen
Date: Tue, 09 Apr 1996 01:00:00 +0000
X-Mailer: CrossPoint v3.1 R/C4086
References: <[email protected]>
X-Gateway: ZCONNECT . ÄUNIX/Connect v0.74bÜ
X-ZC-Post: 53113 Bonn
X-ZC-Telefon: F+49-228-1686923
X-ZC-PGP-Key-Avail:
Lines: 33
Sehr geehrter,
Sie schrieben
303
DOKUMENTATION
am:
08.04.96
in:
[email protected]
Thema: Einige Fragen
>
>
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>
>
>
--============_49612427==_
Content-Transfer-Encoding: quoted-printable
--============_49612427==_
Content-Type: application/octet-stream; name="MAILER.TMP"
Content-Transfer-Encoding: base64
Content-Disposition: attachment; filename="MAILER.TMP"
Die Nachricht wurde empfangen, aber nicht decodiert - also
auch nicht gelesen.
Ciao,
i.A. Gvtz Renger
-Buero des Abgeordneten im 13. Deutschen Bundestag
ROLF KOeHNE [PDS], Bundeshaus, 53113 Bonn
PGP66 auf Anfrage (## in der Betreffzeile voranstellen)
*****************************************************
Diese Meldungen sind hier wiedergegeben, um insbesondere einem Laien darzulegen, wie je nach System Sende- und Empfangsprotokolle ablaufen (können).
Solche Protokolle sind meistens „verloren“, das heißt sie flackern
über den Bildschirm und erlauben eine gewisse Kontrolle, werden
aber nicht mitgespeichert und verschwinden mit der Beendigung
des Übertragungsprogramms.
Strittig unter Juristen ist auch noch, inwieweit solche Protokolle
einen Beweiswert haben. Selbst beim Faxen gilt die Rückmeldung
der Gegenstation nicht als Beweis dafür, daß ein Faxschreiben
dort auch ordnungsgemäß ausgegeben wurde.
66
304
Verschlüsselungscode
DOKUMENTATION
Online-Systeme erschweren die Situation auch noch dadurch,
daß Protokolle, wenn sie schon abgespeichert wurden, auch gefälscht sein können. Deshalb kommt ihnen eigentlich nur ein
Wert für den Benutzer zu, der auf diese Weise sehen kann, ob und
wie das System wunschgemäß reagiert.
305
DOKUMENTATION
<7> Tauss’sche WEB-Fundstellen
Der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss wurde nicht weiter ausgefragt,
wie er zum Computer gekommen ist, was er damit insgesamt
macht, wie sehr er dessen „Innenleben“ erforscht hat oder was er
in und mit Netzen treibt.
Tauss scheint jedoch kreativ zu sein und
neue Anwendungsfelder für Online-Aktivitäten zu suchen, die nicht nur seinem persönlichen Demokratieverständnis entgegenkommen.
Eines seiner Steckenpferde scheint auch
der „Virtuelle“ Ortsverein zu sein, eine über
das Netz verbundene „Community“ (wie
man es heute gern nennt), die ihre Interessen und Ideen mit anderen abgleichen kann.
Tauss will damit einen schnelleren und aktiveren Kontakt mit einer möglichst großen und nicht nur mit ihrem persönlichen Einzugsbereich verhafteten und engagierten
Gruppe erreichen.
Tauss selbst ist im Netz zu vielfältigen Themen aufzuspüren
und bietet auch Huckepackdienste für andere an. Hier einige
Fundstellen:
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Deutscher Bundestag - Bild von Jörg Tauss
160;Deutscher Bundestag - Abgeordnete.
Leitseite Aktuelles Abgeordnete Gremien Fraktionen/Gruppe Infothek Suche ...
http://www.bundestag.de/mdbjpg/1318011b.htm - size 1K - 13 Feb 96
Biographie Jörg Tauss
Deutscher Bundestag - Abgeordnete. Leitseite Aktuelles Abgeordnete Gremien
Fraktionen/Gruppe Infothek Suche
Jörg Tauss....
http://www.bundestag.de/mdb/1318011.htm - size 5K - 13 Feb 96
Jörg Tauss, MdB - Stromversorgungsunternehmen
306
DOKUMENTATION
Rechtswidrige Vergütungspraxis einzelner Stromversorgungsunternehmen nach dem
Stromeinspeisungsgesetz.
Antwort der Bundesregierung. auf die Kleine Anfrage der...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0007.html - size
13K - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Verglasungsanlage in der WA Karlsruhe
Verglasungsanlage in der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) Antwort der
Bundesregierung. auf die Kleine
Anfrage der Abgeordneten Jörg Tauss, Hermann...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0006.html - size
14K - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Forschung/Umwelt/Industrie
Forschungspolitik für eine zukunftsverträgliche Gestaltung der Industriegesellschaft. Antwort der Bundesregierung. auf
die Große Anfrage der Abgeordneten Ursula...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0005.html - size
82K - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB: "Kryptographie und elektronische Signaturen"
Anmerkung: Durch einen Split sind mir einige Zeilen verlorengegangen, ich entschuldige mich dafür. IRC log started
Wed Dec 6 18:00. *** Value of LOG set to ON....
http://bidnix.bid.fh-hannover.de/~wagner/text/mdb-prj/Disk2_3.0.html - size
42K - 26 Feb 96
Jörg Tauss, MdB - Ausschußarbeit
Aus meiner Arbeit im Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung.
Forschungspolitik für eine...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/ausschuss.html size 1K - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Dokumente
Dokumente zum Thema Informationsgesellschaft, Neue Technologien. Multimedia in
geschäftlichen Anwendungen.
Gutachten des VDI/VDE im Auftrag des Büros für...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/dokumente/ - size 2K - 18
Dec 95
Jörg Tauss, MdB
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer
Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes,...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/index.html - size 2K - 23
Feb 96
Jörg Tauss, MdB - Aus der Arbeit im Bundestag
Aus der Arbeit im Bundestag. Schwerpunktthemen: Die Entwicklung zur Informationsgesellschaft / Neue
Informations- und Kommunikationstechnologien. Ausschuß für...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/ - size 1K - 25
Sep 95
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Jörg Tauss, MdB - Informationen aus dem Wahlkreis (Karlsruhe-Land)
307
DOKUMENTATION
Informationen aus dem Wahlkreis (Karlsruhe-Land) Landkarte Wahlkreis Karlsruhe-Land (131 KB)
Wahlergebnisse Bundestagswahlen. Das Wahlkreisbüro. Aktivitäten im...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/wahlkreis/ - size 1K - 5 Sep
95
Transkript der Online-Diskussion mit Jörg Tauss vom 6.12.1995
Transkript der Online-Diskussion mit Jörg Tauss vom 6.12.1995. Zur Erklärung:
Moderator war Thomas
Sümmerer ([email protected]) Rince ist im realen Leben Hanno...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/bundestag/irc/diskussion2.html size 30K - 10 Dec 95
Jörg Tauss, MdB - Wahlergebnisse im Wahlkreis 176
Wahlergebnisse. 1990-1994. Wahlergebnisse Bundestagswahl 1994. Wahlergebnisse
Bundestagswahl 1990.
Wahlkreiseinteilung und Änderungen. Einige Daten zur Struktur des...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/wahlkreis/wahlen.html - size
8K - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Vorlage zur konstituierenden Sitzung der PG "Informationsgesellschaft"
Erste Anmerkungen zu den Feststellungen und Empfehlungen des Rates für Forschung, Technologie und
Innovation beim Bundeskanzler. Im Hinblick auf den von der...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0013.html - size
22K - 4 Jan 96
Jörg Tauss, MdB - Karte vom Wahlkreis Karlsruhe-Land
Wahlkreis Karlsruhe-Land und Umgebung. | Ihr Kommentar zu diesen Seiten | |
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Jörg Tauss | | Zurück zur Startseite des...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/wahlkreis/karte.html - size
822 bytes - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Informationsgesellschaft/Multimedia
Entwicklung zur Informationsgesellschaft / Neue Informations- und Kommunikationstechnologien. Entwurf
Große Anfrage "Multimedia" Fragen an die Bundesregierung....
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdbprojekt/tauss/bundestag/informationsgesellschaft.html - size 2K - 7 Feb
96
Jörg Tauss, MdB - Große Anfrage: "Multimedia"
Bonn, den 31.03.1995/mö 3. überarbeiteter Entwurf für eine. Große Anfrage der
Fraktion der SPD.
Multimedia - Stand und Perspektive der...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0004.html - size
14K - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Fragen an die Bundesregierung
Zur Einordnung: Bei dem folgenden Papier handelt es sich um ein Diskussionspapier zum Thema
"Informationsgesellschaft", das sich auf das Eckwerte-Papier und teilweise...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0011.html - size
48K - 26 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - VDI-Nachrichten, 8.12.95
Telekom-Vorstand präsentiert neue Tarife für Privatkunden Billigere Telefonrechnung für Online-Surfer? VDI-N,
Düsseldorf, 8.12.95. Am Dienstag dieser Woche hat der...
308
DOKUMENTATION
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/vdin.html - size
2K - 11 Dec 95
Jörg Tauss, MdB - Empfehlung zum geplanten "Telekommunikationsgesetz"
23.11.1995 Empfehlung zum geplanten "Telekommunikationsgesetz" Sozialdemokratische Anforderungen an
einen zukünftigen "Universaldienst" Die Industriegesellschaften...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0014.html - size
8K - 19 Dec 95
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Jörg Tauss, MdB - Empfehlungen des "Technologierates": Einseitig und unausgegoren
Presseerklärung. Jörg Tauss / Wolfgang Thierse. Empfehlungen des "Technologierates" : Einseitig und
unausgegoren. Zum Bericht des "Rates für Forschung, Technologie und...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0015.html - size
10K - 22 Dec 95
CompuServe, Internet und die Münchner Staatsanwaltschaft
Pressemitteilung. CompuServe, Internet und die Münchner Staatsanwaltschaft Durchsetzbarkeit rechtlicher
Normen in der Informationsgesellschaft. Zu der Sperrung von...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0016.html - size
8K - 22 Jan 96
Tarifkorrekturen schnell umsetzen - Telekom-bashing beenden
Pressemitteilung/Bonn, den 17.01.1996. Hans Martin Bury: Tarifkorrekturen
schnell umsetzen
-Telekom-bashing beenden. Anläßlich der öffentlichen Sitzung des Ausschusses...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0020.html - size
5K - 7 Feb 96
CompuServe, Internet und die Münchner Staatsanwaltschaft
Pressemitteilung/Bonn, den 09.01.1996. CompuServe, Internet und die Münchner
Staatsanwaltschaft.
Durchsetzbarkeit rechtlicher Normen in der Informationsgesellschaft. Zu...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0019.html - size
8K - 7 Feb 96
Presseerklärung zur Bundestagspremiere im Internet
Pressemitteilung/Bonn, den 31.01.1996. Bundestagspremiere im Internet: Schritt
in die richtige Richtung.
Der "Mausklick" zum Bundestag ist da. Der Mausklick für die...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0018.html - size
2K - 7 Feb 96
Jörg Tauss, MdB - Zur Person
Zur Person. Jörg Tauss, SPD Gewerkschaftssekretär, Pressesprecher geb.
05.07.1953 in Stuttgart,
verheiratet. Lebenslauf: Grundschule, Realschule, Juso- und...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/biographie.html - size 2K 7 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - VDI-Nachrichten, 8.12.95
Telekom HatePage. Telekom-Vorstand präsentiert neue Tarife für Privatkunden
Billigere Telefonrechnung für
309
DOKUMENTATION
Online-Surfer? VDI-N, Düsseldorf, 8.12.95....
http://www.inx.de/~cliff/tauss.html - size 3K - 21 Jan 96
Eckwerte-Papier Informationsgesellschaft
Vielen Dank an Jörg Tauss ([email protected]), der uns dies Papier
prompt zur Verfügung
gestellt hat. Informationsgesellschaft - Medien und...
http://www-fes.gmd.de/kommunikation/InfoEckwerte.html - size 46K - 15 Dec 95
Jörg Tauss, MdB - Enqête-Kommission "Informationsgesellschaft"
Presseerklärung der SPD-Bundestagsfraktion. Chancen der Informationsgesellschaft muessen genutzt
werden - Bundesregierung verschlaeft wichtiges Zukunftsthema 21....
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0003.html - size
20K - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Eckwertepapier "Informationsgesellschaft"
Informationsgesellschaft - Medien und Informationstechnik. Eckwerte-Papier
(Bonn, 19. Juli 1995) Prof. Dr.
Peter Glotz Doris Barnett Arne Boernsen Edelgard Bulmahn Hans...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0002.html - size
41K - 5 Sep 95
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Jörg Tauss, MdB - Bonn Report / Nr. 1-95
Mitteilungsblatt des SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss für SozialdemokratInnen im Großraum
Karlsruhe. Herbst 1995. Vorwort Kommunale Energiewende...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/wahlkreis/b-report/1-95.html
- size 21K - 13 Nov 95
Jörg Tauss, MdB - Bonn Report / Nr. 0-95
Mitteilungsblatt des SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss für SozialdemokratInnen im Großraum
Karlsruhe. Nullnummer 1995. Vorwort Für den Erhalt...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/wahlkreis/b-report/0-95.html
- size 16K - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Erleichterung der Einbürgerung
Antrag der Abgeordneten Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Hermann Bachmaier, Dr.
Herta Däubler-Gmelin,
Peter Enders, Günter Graf (Friesoythe), Hans-Joachim Hacker,...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0008.html - size
11K - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Aktivitäten im Wahlkreis (
Aktivitäten im Wahlkreis (Karsruhe-Land) Das Tauss-Mobil. Eine Woche Wahlkreisarbeit. Der Bonn Report.
Jörg Tauss, MdB, Bundeshaus, 53113 Bonn. E-Mail:...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/wahlkreis/politik.html - size 703 bytes - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Was tut ein MdB?
Was tut so ein MdB den lieben langen Tag... ? Bonn. Sitzungswochen laufen (in
der Regel) mit Ausnahme
der Haushaltsberatungen immer gleich ab: Montag Anreise, Sitzung...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0001.html - size
6K - 5 Sep 95
310
DOKUMENTATION
Jörg Tauss, MdB - Wahlkreisbüro
Das Wahlkreisbüro. Jörg Tauss, MdB Am Künstlerhaus 30 76131 Karlsruhe. Telefon: 0721/374007 Fax:
0721/374550. Mitarbeiterin: Uschi Schulz. | Ihr Kommentar...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/wahlkreis/kontakt.html - size 899 bytes - 5 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Diäten, Diäten...
Diäten, Diäten... Zur Zeit gibt`s wieder mal eine kräftige Diätendiskussion.
Auch im Netz wird das
"Abkassieren" durch Politiker(innen) zum Thema....
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0012.html - size
6K - 25 Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Fragen an die Bundesregierung
Fragen an die Bundesregierung. Aus: BT 13/643. Schriftliche Fragen mit den in
der Woche vom 20. Februar
1995 eingegangenen Antworten der Bundesregierung. Frage des...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0010.html - size
14K - 6 Sep 95
Ihre Meinung über die Seiten von Jörg Tauss
Ihre Meinung über die WWW-Seiten von Jörg Tauss. Sie wollen sich zu meinen politischen Aktivitäten
äußern? Sie haben Kritik am Inhalt meiner...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/meinung.html - size 2K - 5
Sep 95
Jörg Tauss, MdB - Stichwortsuche
Stichwortsuche. Sie können alle von mir angebotenen Dokumente nach Stichwörtern durchsuchen. Geben
Sie den gewünschten Suchbegriff im Eingabefeld ein....
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/such.html - size 1K - 10 Nov
95
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Documents 41-50 of about 2000 matching some of the query terms, best matches
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Was ist neu?
Was ist neu auf meinen Seiten? 07.02.1996. Bundestagspremiere im Internet:
Schritt in die richtige
Richtung. CompuServe, Internet und die Münchner Staatsanwaltschaft....
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/neu.html - size 3K - 7 Feb
96
SPD-VOV: Personen: Joerg Tauss (2)
Jörg Tauss. Leitseite des Virtuellen Ortsvereins der SPD.
http://vov.xlink.de/vov/personen/jt/bild.html - size 362 bytes - 14 Oct 95
Jörg Tauss, MdB - Kontaktmöglichkeiten
Kontaktmöglichkeiten. Per E-Mail: [email protected] (bevorzugt)
[email protected].
Traditionell per Post, Telefon oder Fax: In Bonn: Jörg Tauss,...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/kontakt.html - size 2K - 8
Sep 95
Jörg Tauss, MdB
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und
311
DOKUMENTATION
geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes,...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss - size 2K - 19 Feb 96
Entschließungsantrag: Deutschlands demokratischer Weg in die Informationsgesellschaft
Deutscher Bundestag Drucksache 13/... 13. Legislaturperiode (Datum) 1. Entwurf
Entschließungsantrag. der
Abgeordneten ..., Jörg Tauss, ... Anregungen,...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/bundestag/jt0017.html - size
54K - 7 Feb 96
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
11. Januar 1996. Jörg Tauss, Mitglied des Deutschen Bundestages. CompuServe,
Internet und die Münchner
Staatsanwaltschaft. - Durchsetzbarkeit rechtlicher...
http://www.spd.de/polifeld/medien/compus.html - size 8K - 31 Jan 96
SPD-VOV: Eckwerte-Papier Informationsgesellschaft
Virtueller Ortsverein. Eckwerte-Papier Informationsgesellschaft. Vielen Dank
an Jörg Tauss
([email protected]), der uns dies Papier prompt zur...
http://www.xlink.net/vov/docs/eckwerte/ - size 46K - 14 Oct 95
Pilotprojekt "Abgeordnete im Internet"
Fachbereich Politische Wissenschaft Freie Universität Berlin. Über das Pilotprojekt. Die am Projekt
teilnehmenden Abgeordneten: Heinz Jürgen Kronberg...
http://www.imn.th-leipzig.de/~wswg/X/bdtg.html - size 4K - 23 Feb 96
Abgeordnete des Bundestages im IRC
Die Logfiles der IRC-Diskussionen. Im HTML-3.0-Format (sehr gut zum lesen) Cem
Özdemir, MdB: Ein
neues Staatsangehörigkeitsrecht für Deutschland....
http://bidnix.bid.fh-hannover.de/~wagner/text/mdb-prj/index.html - size 2K 24 Feb 96
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
21. Dezember 1995. Wolfgang Thierse / Jörg Tauss. Empfehlungen des "Technologierates": Einseitig und
unausgegoren. Zum Bericht des "Rates für...
http://www.spd.de/polifeld/wissen/techno.html - size 10K - 31 Jan 96
[Prev] p. 1 2 3 4 5 6 7 ... etc. ... 19 20 [Next]
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No Title
Medienpolitik. Einladung: Tagung des Wissenschaftsforums der Sozialdemokratie
in Mainz. Peter Glotz:
Informationsgesellschaft - Medien - Demokratie. Jörg Tauss:...
http://www.spd.de/polifeld/medien/index_gr.html - size 2K - 8 Feb 96
SPD-VOV: Spiegelinterview: Ortsverein im Netz
DER SPIEGEL 30/1995. Parteien. Ortsverein im Netz. Der Karlsruher Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss,
42, ist Erfinder des ersten "virtuellen Ortsvereins der SPD"....
http://xlink7.xlink.net/vov/presse/sp30020.html - size 3K - 24 Nov 95
Pilotprojekt "Abgeordnete im Internet"
Fachbereich Politische Wissenschaft Freie Universität Berlin. Über das Pilotprojekt. Die am Projekt
312
DOKUMENTATION
teilnehmenden Abgeordneten: Heinz Jürgen Kronberg...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/index.html - size 4K - 17 Feb 96
SPD-VOV: Joerg Tauss stellt SPIEGEL-Interview richtig!
Jörg Tauss stellt SPIEGEL-Interview richtig! Auf Nachfrage des 1. virtuellen
Ortsverein der SPD schickte Jörg
folgenden Brief: From: Joerg Tauss...
http://xlink7.xlink.net/vov/presse/taussrichtigstellung.html - size 1K - 24
Nov 95
SPD-VOV: Joerg Tauss: Gruendungsaufruf zum virtuellen OV
Jörg Tauss. Gründungsaufruf zum 1. virtuellen Ortsverein. Jörg Tauss, MdB email:
[email protected]. 16.06.1995. Liebe Netzgemeinde, was haltet...
http://vov.xlink.de/vov/VirtOV/gruendungsaufruf.html - size 2K - 16 Sep 95
UStA
Unabhängiger Studierendenausschuß der Uni Karlsruhe. UStA-Magazin #2 vom
13.Juni 1995. Die Nebel
verdichten sich ... Unifest. Sozialisten im UStA. Was ich...
http://rzstud1.rz.uni-karlsruhe.de/~px01/infos/magazin2.html - size 46K - 4
Jul 95
FAQ: Virtueller Ortsverein der SPD
FAQ (frequently asked questions) zum Virtuellen Ortsverein (VOV) der SPD.
Stand: 11.01.96. Wer sind wir?
Was wollen wir? Unser Medium. Wie läuft die Arbeit im VOV?...
http://www.xlink.net/vov/VirtOV/faq/ - size 9K - 21 Jan 96
VDI/VDE - Multimedia in geschäftlichen Anwendungen
8 Offene Fragen und Probleme, Forschungsbedarf. Ein Anliegen der Wirtschaft
bleibt zweifellos die
Gebührenfrage. Hier wartet man auf die vollständige...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/dokumente/011.html - size
19K - 20 Dec 95
VDI/VDE - Multimedia in geschäftlichen Anwendungen
7 Gesamtwirtschaftliche Erwartungen und gesellschaftliche Auswirkungen (im
Lichte geschäftlicher
Anwendungen) Von der Liberalisierung wird eine Freisetzung...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/dokumente/010.html - size
12K - 20 Dec 95
VDI/VDE - Multimedia in geschäftlichen Anwendungen
6 Längerfristige Perspektiven. 6.1 Technische Perspektiven. Angesichts der außerordentlich raschen
technischen Entwicklungen aber auch von ins Stocken...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/dokumente/009.html - size
18K - 20 Dec 95
[Prev] p. 1 2 3 4 5 6 7 ... etc. ... 19 20 [Next]
Documents 61-70 of about 2000 matching some of the query terms, best matches
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VDI/VDE - Multimedia in geschäftlichen Anwendungen
5 Chancen, Erfordernisse und Hemmnisse. Geht man aus ökonomischer Sicht der
Frage nach den Chancen
zur breiten Diffusion der MM-Techniken nach, wird man über...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/dokumente/008.html - size
19K - 20 Dec 95
313
DOKUMENTATION
VDI/VDE - Multimedia in geschäftlichen Anwendungen
4.4 Branchen. 4.4.1 Banken. Banken gelten allgemein als Vorreiter in der Nutzung der Datentechnik und von
Telekommunikationsdiensten. Diese Techniken bieten angesichts...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/dokumente/007.html - size
44K - 20 Dec 95
VDI/VDE - Multimedia in geschäftlichen Anwendungen
4.3 Fallstudien. 4.3.1 Ein Unternehmen der pharmazeutischen Industrie. Das Unternehmen war bereits im
Jahre 1987 im Rahmen einer Bedarfsvorausschätzung zur...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/dokumente/006.html - size
45K - 20 Dec 95
VDI/VDE - Multimedia in geschäftlichen Anwendungen
4.2 Wesentliche Anwendungsfelder. 4.2.1 Telekooperation/Telearbeit. In den Unternehmen vollzieht sich ein
Strukturwandel, der durch den Abbau von Hierarchien und die...
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VDI/VDE - Multimedia in geschäftlichen Anwendungen
4 Anwendungen. 4.1 Telematikdienste in der geschäftlichen Nutzung. Die Bedeutung der
Telekommunikationsdienste hat europaweit mit einer durchschnittlichen...
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VDI/VDE - Multimedia in geschäftlichen Anwendungen
3.2 Unternehmen. 3.2.1 Anforderungen an die Unternehmen. Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich als
lebende Systeme stets in einem dynamischen Wandel. Gleichwohl...
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VDI/VDE - Multimedia in geschäftlichen Anwendungen
3 Status. 3.1 Technik. Die geläufige Beschreibung von Multimedia (MM) als Integration von Informationsbzw. Kommunikationsinhalten verschiedener medialer...
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VDI/VDE - Multimedia in geschäftlichen Anwendungen
Zusammenfassung. Multimedia (MM) ist ein unscharfer Begriff, der gegenwärtig
als Brennpunkt
unterschiedlicher Erwartungen an die Anwendungschancen informations- und...
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Kryptographie: Rechtliche Situation
Kryptographie: Rechtliche Situation. Überblick über KryptographieRegulierungen weltweit. B.-J. Koops:
Crypto Law Survey. Deutschland. Für den Einsatz...
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Auszüge der Plenardebatte/64. Sitzung des Bundestages
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU und F.D.P Einsetzung einer Enquete-Kommission
"Nutzung der neuen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik...
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdb-projekt/tauss/dokumente/debatte.html - size 75K - 17 Dec 95
314
DOKUMENTATION
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Auf "tauss and jörg and arbeitslosigkeit":
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Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Aktuell im Überblick. Arbeit. Herta Däubler-Gmelin: Gegen Arbeitslosigkeit
hilft nur politische Trendwende
1996. Lafontaine und Scharping: Sofortprogramm zur...
http://www.spd.de/polifeld/aktuell/index_gr.html - size 10K - 1 Mar 96
UStA
Unabhängiger Studierendenausschuß der Uni Karlsruhe. UStA-Magazin #2 vom
13.Juni 1995. Die Nebel
verdichten sich ... Unifest. Sozialisten im UStA. Was ich...
http://rzstud1.rz.uni-karlsruhe.de/~px01/infos/magazin2.html - size 46K - 4
Jul 95
Bei den mit „VDI/VDE“ beginnenden Dokumenten ist interessant, daß man auf Internetseiten stößt, die mit „Jörg Tauss, MdB,
Bundeshaus, 53113 Bonn. E-Mail: [email protected]“
gezeichnet sind, für Rückkopplungen auf seine WEB-Adresse
verweisen und als Copyright-Vermerk „(C) 1995 Jörg Tauss/Pilotprojekt "Abgeordnete im Internet".“ tragen, was dann auf dem
Bildschirm zunächst so aussieht:
315
DOKUMENTATION
Was da mit wem vermengt ist und wessen Rechte tangiert, ist
zumindest auf Anhieb und sicherlich ohne umständliche und
zeitraubende (Online-Zeit!) Recherche nicht auszumachen.
Ein andere Seite der Medaille sind Auskünfte aus dem Netz zur
Arbeit im Bundestag. Die Sitzungsprotokolle sind über Internet
abrufbar (DOS-Format als .ZIP- oder .EXE-File).
Es bereitet nicht die geringste Mühe, mit einem Textprozessor
wie WORD das Vorkommen eines Namens im Protokoll aufzuspüren. Die Präsenz von Jörg Tauss während der heftigen Haushaltsdebatte sah vom 26. bis 28.11.1996 insgesamt so aus:
26.11.1996:
Keine Erwähnung von Jörg Tauss im Protokoll
--27.11.1996:
(Jörg Tauss [SPD]: Unverschämt!)
--28.11.1996:
(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)
(Jörg Tauss [SPD]: Unglaublich!)
(Jörg Tauss [SPD]: Nein, Zukunftssicherung!)
316
DOKUMENTATION
(Jörg Tauss [SPD]: Weil es ein schlechtes Gesetz ist!)
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie des Abg. Jörg
Tauss [SPD])
--Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Minister, gestatten Sie
eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?
Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft,
Forschung und Technologie: Nein, ich möchte zuerst einmal
meinen Terminkalender vorstellen. Außerdem brüllt er mir zu
viel.
--Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ich erteile dem Kollegen
Tauss das Wort zu einer Kurzintervention.
(Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Muß das sein?)
Jörg Tauss (SPD): Der erfolgreiche Jugendparteitag der SPD
scheint Sie ja richtig nervös gemacht zu haben.
(Heiterkeit bei der SPD)
Aber unabhängig davon, daß dort nicht die Internationale gesungen wurde, Herr Minister, möchte ich eine gute Zeile daraus
zitieren. Sie heißt: "Wacht auf, Verdammte dieser Erde." Das
wäre ein guter Spruch für den Forschungsminister.
(Beifall bei der PDS)
Herr Minister, Sie haben gesagt, Sie hätten in dieser Woche
einen guten Entwurf für ein Multimediagesetz vorgelegt. Kennen Sie die neue Ausgabe der "Computer Zeitung", in der die
Überschrift zu finden ist: "Internet-Profis schütteln den Kopf
über Rüttgers Gesetz"? Wissen Sie, daß im Wahlkreis des
Herrn Dr. Meyer einer der größten Online-Dienste ankündigt,
wegen Ihres Gesetzentwurfs Arbeitsplätze in Deutschland vernichten und ins Ausland gehen zu wollen? Ist es nicht so, daß
Sie eine Anhörung von Fachleuten anberaumt haben, denen
Sie zwei Tage Zeit gegeben haben, zu diesem Gesetz Stellung
zu nehmen?
Dieses Gesetz ist tatsächlich schlecht, wie alle Fachleute sagen; sie schütteln den Kopf darüber. Sie, Herr Minister, sind ein
Ankündigungs- und ein Sprücheklopfer-Minister, wie wir heute
wieder gelernt haben.
317
DOKUMENTATION
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS -- Widerspruch bei der
CDU/CSU)
--(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])
Nachdem Peter Glotz sich für die SPD nicht mehr so heftig abstrampelte und eher Geschmack am einträglichen privaten Medienbetrieb gefunden zu haben schien, hatte Tauss anscheinend
hinter der Parteigenossin Edelgard Bulmahn zurückzustehen, die
sich in der Debatte am 28.11.1996 mit dem „Zukunftsminister“
Dr. Rüttgers anlegen durfte.
Im Netz war Tauss weiterhin präsent... - Eine spätere Nachlese
zu dieser Abhandlung erbrachte aber nichts, das hier noch nachgetragen werden sollte; mit einer Ausnahme vielleicht:
Es gibt im Netz unter dem Namen JANIS eine Publikation, bei
der man etwa unter „map-help.html“ einen Text wie deisen finden kann: „Hmmm.. - So... das ist endlich mal ne Seite, die 100%
nur von mir ist... Und da kann ich mich jetzt mal auslassen.. doppelgrins - Frau! Mann! Bist Du wahnsinnig?! - Tu kannst toch
nich mit Teiner toofen Maus _tanepen_ gliggen!!!!! - Also... Ich
hab' für Dich hier noch mal die Links zusammen geschrieben... ist
sowieso nur uninteressanter Mist ;-)“
Unter „http://janis.acx.de/net-war/net-war01.html“ - "Krieg im
Netz" wurde ein Interview mit Jörg Tauss angeboten, das hier abschließend referiert wird:
Interview
KRIEG IM NETZ
Der Machtkampf um das Medium der Zukunft
INTERVIEW mit Jörg Tauss, per eMail. Jörg Tauss ist InternetExperte und Bundestagsabgeordneter der SPD.
318
DOKUMENTATION
JANIS: Sehr geehrter Herr Tauss, wenn man sich an verschiedene Ihrer Äußerungen erinnert, stellt sich die Frage, wieso
ausgerechnet Sie Mitglied des Internet Medienrates sind?
TAUSS: Ich habe mir die Sache sehr sorgfältig überlegt. Eine
Mitwirkung im Medienrat habe ich davon abhängig gemacht,
daß dieses Gremium von ICTF unabhängig ist, gleichzeitig
aber ICTF sich an Empfehlungen des Medienrates hält.
JANIS: Haben Sie keine Bedenken mehr, die Informationskontrolle privaten Personen bzw. Organisationen zu überlassen?
TAUSS: Doch. Unverändert. Allerdings läuft die derzeitige politische Entwicklung sehr stark in Richtung Selbstkontrolle der
Provider. Ich halte dies auch für geeigneter, als die schon fast
rührenden, weil völlig inkompetenten, gesetzgeberischen Vorschläge und Bemühungen der Ministerriege Nolte und Rüttgers
zur Netzregulierung. Allerdings erwarte ich, daß der Medienrat
auch die Grenzen dieser Informationskontrolle durch Private
deutlich macht und problematisiert. Zum zweiten halte ich die
Entwicklung bei den Staatsanwaltschaften für problematisch.
Meines Erachtens kommt es darauf an, die Provider aus der
Schußlinie zu nehmen, um tatsächliche Probleme angehen zu
können. Die Kriminialisierung der Provider und Vorgänge wie
bei Compuserve etc. will ich ausschließen. Hierzu bin ich allerdings bereit, einen Beitrag zu leisten.
JANIS: Halten Sie eine detaillierte Vorstellung der einzelnen
Mitglieder für überflüssig, oder weshalb hat der Medienrat darauf bisher verzichtet?
TAUSS: Der Medienrat ist keinesfalls vollständig und endgültig
zusammengesetzt. Es gibt jetzt lediglich eine Startphase.
Selbstverständlich gehe ich davon aus, daß der Medienrat,
wenn er sich konstituiert hat, größtmögliche Transparenz seiner
Arbeit und Empfehlungen gewährleistet. Eine Reihe von Personen haben nach meiner Kenntnis noch nicht zugesagt. Das
erste Treffen in Bonn galt auch dem weiteren Vorgehen bezüglich der Zusammensetzung und keinesfalls der Einrichtung eines "Closed- Shop".
319
DOKUMENTATION
JANIS: Herr Tauss, vielen Dank für Ihre Auskunft.
320
DOKUMENTATION
<8> Falsche Fährten
Search results for "Bundesministerium für Forschung und
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ak-news (17-August-1994) -- http://www.ifm.unihannover.de/NEWS/ak-news.html (Score 75, Size 2K) Neues am
Institut . BMFT (Bundesministerium fur Forschung und Technologie) . Dictionary German-English . Nun kann jeder einen
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Paleontology - Technical University Clausthal . German WWWServer concerning Geosciences . Anmerkung: Dieses Dokument
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Kurt Czurda, Institutsleiter . Prof. Dr. Heinz Hotzl . INSTITUTSDARSTELLUNG . Der Lehrstuhl fur Angewandte Geologie
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14195 Berlin, Germany . Tel: +49 30 8413 4400, Fax: +49 30
321
DOKUMENTATION
8413 4401 . Director of this department is Prof. Dr. Robert
Schlogl: ...(See also Similar Pages)
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Betatigungsfeld -- http://www.ifa.unihannover.de/betat.html (Score 62, Size 9K) Zielsetzung.
Aufgabe des Instituts fur Fabrikanlagen ist die Ausbildung
322
DOKUMENTATION
und Forschung auf dem Gebiet der Modellierung, Simulation
und Organisation von Produktionsstrukturen und -ablaufen. .
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lesen Sie hierzu auch Ein kleiner historischer Streifzug
durch Clausthal-Zellerfeld und seinen Bergbau) . Wenn Sie
nach Clausthal kommen, studieren Sie an einer jungen Universitat, denn die ...(See also Similar Pages)
Routine use of interpretative knowledge based systems in
the interchange ... -- http://www.imbi.unifreiburg.de/chrt/main.htm (Score 62, Size 37K) * . Introduction . To achieve the goal "routine use of knowledge based systems" we started in 1986 with a first system on lipoprotein disorders (1) written in the Pro.M.D.-language
...(See also Similar Pages)
<9> Von jenseits des Teiches
Über einen elektronischen Informationsdienst, in dessen Mailing-Liste ich mich hatte eintragen lassen, erhielt ich unter anderem diese Nachricht:
Received: from periplum.cdinet.com 198.77.80.2 by GEOD.Geonet.De Date: Sat,
13 Apr 1996 05:15:53
Received: (from root@localhost) by periplum.cdinet.com (8.7.3/8.6.9) id
SAA10336
for benton-compolicy-outgoing; Fri, 12 Apr 1996 18:40:50 -0400 (EDT)
Message-Id: <[email protected]>
Date: Fri, 12 Apr 1996 17:31:06 -0500
From: Benton Foundation <[email protected]>
To: [email protected]
Subject: Benton offers FCC Universal Service Principles
Sender: [email protected]
Precedence: bulk
On Friday, April 12 the Benton Foundation filed comments at the
FCC concerning the provision and advancement on universal service.
323
DOKUMENTATION
Benton's remarks, excerpted below, offer additional principles to be
considered when deciding what telecommunications services should
be financed by federal support mechanisms. Your comments are welcome. Full text of Benton's filing will be available on our World Wide
Web site (www.benton.org) early next week.
In considering universal service options for the emerging communications system... usw.
• Externality Costs. The policy should ... usw.
• Usage. For too many of those ... usw.
• To maintain a continuous connection to the network...
• The policy should also discourage or prohibit ... usw.
• Personal Choice. Traditionally, guaranteeing universal service
entailed ensuring ... usw.
• Equipment. Just as our nation's roads ... usw.
• Consumer Education. Users will need expertise to navigate ...
usw.
Dieser Auszug aus der Nachricht von jenseits des Teiches soll
nur belegen, wie einfach es ist, sich über das Internet in Informationsdienstleistungen einzuklinken. Wenn man die richtigen Quellen anzapft (die zu finden, ist das einzige Problem!), erhält man
automatisch und überwiegend kostenlos eine Fülle wissenswerter
Fakten zugespielt, ohne sich selbst weiter bemühen zu müssen.
324
DOKUMENTATION
<10> Liberale (Auszug)
Bei der Suche nach weiteren eMail-Adressen von Abgeordneten
wurde mit den Endungen bekannter Adresen (hier: mit
„@mdb1.bn.eunet.de“) danach gesucht, ob Altavista weitere
Adressen offenbaren würde. Gefunden wurde bei den Liberalen
eine Seite mit vielen eMail-Adressen weltweit, von denen hier die
Adressen der deutschen Teilnehmer aufgelistet sind:
BERLINGEN, Ralf (Junge Liberale, Germany)
[email protected]
BURDINSKI, Jan (International Officer of LHG, German Liberal Students)
[email protected]
DREWES, Achim (Vice-Chairman of Cologne Young Liberals)
[email protected]
GRAMCKOW, Claus (Senior Program Associate, Friedrich Naumann Stiftung, Washington DC)
[email protected]
HAUCAP, Justus (Member of FDP-Board & VicePresident JuLis Saarbrücken)
[email protected]
http://stud.uni-sb.de/~juha/
HEERING, Jörg-Peter (vice-president Junge Liberale
Rheinland-Pfalz)
[email protected]
HERBST, Torsten (Member of board FDP of Saxony,
Germany)
[email protected]
HUTZLER, Alexander (Junge Liberale, Germany)
[email protected]
KOCH, Gerrit (President of Junge Liberale Lübeck)
[email protected]
325
DOKUMENTATION
LUTZKE, Steffen (JuliA Sachsen, Dresden)
[email protected]
MÜLLER, Marcus (president of Liberales Studentinnen
und Studenten Forum, Austria)
[email protected]
PRIESMEYER, Malte (JuLis Nordwestsachsen, Leipzig)
[email protected]
PUERSUEN, Yanki (FDP Frankfurt-OG 5 Board Member,
LTD Board Member)
[email protected]
http://www.rz.unifrankfurt.de/~puersuen/ltd.htm
RENZ, Jonas (International Officer of Junge Liberale, Germany)
[email protected]
SCHEITTERLEIN, Bernd (Representative, Friedrich,
Naumann, Foundation, Washington)
[email protected]
SCHMIDT-JORTZIG, Prof. Dr. Edzard (Member of Deutscher Bundestag)
[email protected]
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/mdbprojekt/schmidt-jortzig/
SCHÖNHERR, Markus (member national board FDP, Germany)
[email protected]
WERNER, Roland (Vice-President of Junge Liberale,
Germany)
[email protected]
http://www.public.Uni-Augsburg.DE/~wernera/
WETEKAM, Rainer F. (FDP/JuLis, Germany)
[email protected]
http://mats.gmd.de/rainer
67
326
Siehe hierzu dessen Antwort ab Seite 379
DOKUMENTATION
<11> Der Zukunftsminister
Für den Minister Dr. Jürgen Rüttgers meldete sich:
Bundesministerium für
Bildung, Wissenschaft,
Forschung und Technologie
Gerd Koslowski
53170 Bonn, 25.04.1996
Telefon (02 28) 57 30 43, Telefax (02 28) 57 36 08Teletex 228
36 28 = BMFTb
53175 Bonn, Heinemannstraße 2
Mitarbeiter des Ministerbüros
Herrn
Manfred L. Schuermann
to: Schuermann, M.L.
X400:C=de; A=d400-gw; P=Geonet; O=GEOD; S=Schuermann; I=ML
Sehr geehrter Herr Schuermann,
Herr Bundesminister Dr. Rüttgers läßt Ihnen für Ihr Schreiben und Ihre Anfrage
recht herzlich danken und hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Bitte haben Sie Verständnis, daß Ihre Fragen im einzelnen nicht in aller Ausführlichkeit hier beantwortet werden können. Das BMBF verfügt jedoch über eine
Homepage im World-Wide-Web, über die Sie Informationsmaterial zu den von Ihnen angesprochenen Themen wie Bildung, Ausbildung und moderne Informationsund Kommunikationstechnologien jederzeit abrufen können. Darüber hinaus werden Presseerklärungen des Ministers und auch wichtige Reden dort abgelegt, so
daß Sie sich ein umfassendes Bild von der Politik und den politischen Grundüberzeugungen von Herrn Bundesminister Dr. Rüttgers in den angesprochenen Fragen
machen können.
Die WWW-Adresse der Homepage lautet: http://www.bmbf.de/.
Bei Ihrem Buchprojekt wünsche ich Ihnen auch weiterhin viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Gerd Koslowski
Die empfohlene HomePage war bekannt und bereits reichlich
genutzt worden. Die Reden und Pressemitteilungen waren gefunden, heruntergeladen und teilweise ausgedruckt worden. Darüber
327
DOKUMENTATION
hinaus waren weitere Verlautbarungen (etwa aus dem EG-Raum)
zur Kenntnis genommen worden. Eine von ihnen (Informationsgesellschaft - Chancen, Innovationen und Herausforderungen)
war abgespeichert und darüber hinaus auch noch per eMail beim
Ministerium ([email protected] ) bestellt worden (kam
aber nie!!!).
Ein individuelles Eingehen auf die gestellten Fragen blieb der
Minister deshalb schuldig.
<12> Der „JuLi“ Malte
Jede Partei ist für ihre Zukunft auf ihre Jugend angewiesen.
Deshalb war es angenehm, mehr oder weniger zufällig auf die
Existenz der Jungen Liberalen im Internet zu stoßen. Einer von
Ihnen, Malte Priesmeyer, war überraschend fix mit seinen Antworten, die hier dokumentiert werden sollen:
Thema:
Datum:
From:
To:
Re: Einige wichtige Fragen
26.04.96 13:25:08
[email protected] (M. Priesmeyer |;-))
[email protected]
_\|/_
(o o)
**oOO*(_)*OOo***********************************************************
M
MPPPP Malte Priesmeyer, Schirmerstrasze 3, 04318 LEIPZIG
MM MMP
P
Wacholderweg 25, 26209 HATTEN-Hatterwuesting 1
M M MPPPP
M
MP
Telefon Leipzig :
01 77 / 25 04 51 2
M
MP #
Telefon Hatten :
0 44 81 /
9 87 29
************************************************************************
************************************************************************
MOIN!
Fragen sind im Text beantwortet. Sorry - aber das war beim beantworten
einfach einfacher ;-|
On Fri, 26 Apr 1996 [email protected] wrote:
> Date: Fri, 26 Apr 1996 05:56:44 -0400
> From: [email protected]
> To: [email protected], [email protected],
>
[email protected], [email protected],
>
[email protected], [email protected],
>
[email protected], [email protected],
328
DOKUMENTATION
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
[email protected], [email protected],
[email protected], [email protected],
[email protected], [email protected],
[email protected], soz94aih@studserv
Cc: [email protected]
Subject: Einige wichtige Fragen
Sehr geehrte Damen und Herren,
(ohne Hervorhebung von Funktion, Amt oder Titel)
bitte gehen Sie davon aus, dass ich alle wesentlichen Aussagen Ihrer Partei
in Programmen oder Themenpapieren, Diskussionen und sonstigen Verlautbarungen
> weitgehend kenne, soweit sie im WEB recherchierbar oder in Pressediensten
> erhaeltlich sind.
>
> Gegenwaertig stelle ich ein Buch fertig (das evtl. bereits in einer
> Vorversion erscheint, ehe die Vollausgabe verlegt wird). Informationen zu
> meiner Person finden Sie in verschiedenen KROLL-Pressetaschenbuechern.
>
> Ein Kernthema meines Buches befasst sich mit dem Schicksal der Menschen im
> naechsten Jahrtausend. Das 21. Jhdt. wird gern unter dem "Multimedia"-,
> "Informations"-, "Dienstleistungs"- oder "Dienstleistungsorientiertes
> Informations"-Zeitalter gehandelt. "Third wave" nach einem "Zukunftsschock"
> (Toffler) sind auch gebraeuchliche Schlagworte. J. Schumpeter waehnt sogar
> "kreative Zerstoerung", ein unvermeidliches Desaster als denkabere
> Voraussetzung fuer einen Durchbruch zu Neuem.
>
> Mich wuerde es freuen, wenn Sie mir (wegen der Deadline in moeglichst kurzer
> Frist !!!) einige Fragen einfach ad hoc - als Ihre persoenliche Auffassung,
> als Ihre individuelle Meinung dazu - beantworten und dabei versuchen, jeweils
> mit ganz wenigen Zeilen auszukommen:
>
> Komplex 1:
>
> 1.1)
> Halten Sie das gegenwaertige Bildungssystem (wie es IST: Grundschule,
> Hauptschule, Oberschulen, Hochschulen) fuer noch irgendwie geeignet, die
> Absolventen in geeigneter Weise auf die Anforderungen der gegenwaertigen und
> erst recht der kuenftigen Berufswelt "ausreichend" vorzubereiten?
- Nein. Ich verweise auf die sich mit meiner Meinung deckenden Beschluesse der
Jungliberalen Aktion Sachsen des 14./15. Landeskongresses.
>
>
>
>
1.2)
Sind "Berufsbilder", wie sie gegenwaertig noch festgeschrieben sind, in
ausreichender Zahl geeignet, Auszubildende auf die Anforderungen der Zukunft
mit der notwendigen Spezifikation vorzubreiten?
- Ja, wenn sie einer rechtzeitigen und fortlaufenden Aktualisierung unterzogen
werden.
>
>
>
>
>
>
-
1.3)
Existieren (im Sinne echter Verfuegbarkeit) bereits ausreichend neue
"Berufsbilder" (oder Ansaetze dazu) zur Abdeckung von Fertigkeiten fuer
kuenftige Anforderungen?
Sorry, da bin ich zu inkompetent.
329
DOKUMENTATION
> 1.4)
> Kommt der gegenwaertig zu zaehlenden Arbeitslosigkeit eine eher quantitative
> oder eine eher qualitative Bedeutung zu?
>
- Diese Frage verstehe ich nicht.
>
>
>
>
>
1.5)
Hat die Mehrzahl aller qualifizierten Arbeitslosen (mit abgeschlossener
Berufsausbildung) ueberhaupt noch eine Chance, in kuenftigen
Taetigkeitsfeldern nach Absolvierung einer weiteren Ausbildung (Umschulung)
einen qualifizierten Arbeitsplatz zu finden?
- Ja, aber die nimmt natuerlich mit andauernder Arbeitslosigkeit/fortlaufender
fehlender Arbeitspraxis ab.
>
> 1.6)
> Besteht fuer die arbeitslosen Jugendlichen (Zahlen werden als bekannt
> vorausgesetzt, ansonsten siehe Fussnote) ohne Ausbildung ueberhaupt noch eine
> Chance, auf Anforderungen des kuenftigen Arbeitsmarktes tauglich vorbereitet
> zu werden?
>
- Nein, sofern sie nicht selbst Qualifizierungsanstrengungen unternehmen.
>
>
>
>
>
>
>
>
>
1.7)
Kann die Behauptung als zutreffend betrachtet werden, dass die gegenwaertige
Arbeitslosigkeit in der BRD abgesehen von den "offiziellen" Zahlen ueber 20%
liegt, wenn man die Menschen mitzaehlt, die aus dem Berufsleben durch andere
"Massnahmen" (z.B. Fruehrenten) ausgeschieden sind oder nach
Arbeitslosmeldung anderweitig abgefedert werden (z.B. Sozialhilfe) oder in
Verhaeltnissen wirken (z.B. ABM), die nicht als normales produktives
Arbeitnehmerverhaeltnis zu betrachten sind? (Die also auf der Seite der
Empfaenger statt auf der der Leistenden stehen.)
- Nein. Diese Menschen stehen dem Arbeitsmarkt auf der Angebotsseite nicht zur
Verfuegung, obwohl Sie natuerlich ueber die Verteilungssysteme an den volkswirtschatflichen Ressourcen partizipieren.
>
>
>
>
>
> 1.8)
Haben Sie konkrete Vorstellungen davon, wie neue und zukunftsorientierte
Arbeitsplaetze in so ausreichender Zahl geschaffen werden koennen, dass auch
die Jugendarbeitslosigkeit und die Substitutionsarbeitslosigkeit dadurch in
ausreichendem Masse abgebaut werden koennen?
- Nein. Wer hat die schon?
>
>
>
>
>
1.9)
Ist das, was im Bereich "Multimedia"/"Information" an neuen Arbeitsplaetzen
geschaffen wird, ueberhaupt ausreichend, weiter entstehende Arbeitslosigkeit
zu kompensieren (Bilanzierung)?
- Zusaetzlich entstehende Arbeitslosigkeit koennte aufgefangen werden (s.
USA). An der Sockelarbeitslosigkeit (grausames Wort) wird sich aber wohl
leider nichts aendern.
>
330
DOKUMENTATION
> 1.10)
> Moechten Sie zu dem angeschnittenen Fragenkomplex sonstige Bemerkungen
> machen, welche den Fragestellungen als hilfreich anderweitig gerecht werden?
- Nein.
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
Sie moegen respektieren, dass ich mit "Leerformeln" oder irgendwelchen
Hinweisen auf irgendwo bereits Ausgefuehrtes wenig anfangen kann. Meine
Fragen moegen Sie bitte als in einem direkten Interview gestellt betrachten.
Mir geht es auch darum, durch moeglichst vielseitige Meinungen meine eigene
Betrachtensweise zu schaerfen und neue Einblicke zu gewinnen.
Fussnote:
Ueber eine halbe Millionen junge Menschen unter 25 Jahre (529.054) waren im
Februar dieses Jahres arbeitslos gemeldet.
. In Westdeutschland sind 391.614 Menschen unter 25 Jahren ohne Arbeit
(Steigerung 12,6 % gegenueber Vorjahresmonat). Davon sind 86.002 unter 20
Jahren (Steigerung 13,5 % gegenueber Vorjahresmonat).
. In Ostdeutschland sind 137.448 Menschen unter 25 Jahren ohne Arbeit
(Steigerung 15,8 % gegenueber Vorjahresmonat). Davon sind 22.124 unter 20
Jahren (Anstieg 24 % gegenueber Vorjahresmonat).
***************************************************
Komplex 2:
2.1)
Wie sollten "virtuelle" Unternehmen gesetzlich verankert sein?
- Genauso wie andere Unternehmen auch.
>
> 2.2)
> Nach welchen Regeln sind sie schon jetzt juristisch "haftende Person"?
- Keine Ahnung - bin kein Jurist.
>
> 2.3)
> Wie sollen sie steuerlich erfasst werden?
>
>
>
>
>
Auch davon habe ich keinen Schimmer.
>
>
>
>
>
???
>
>
>
>
???
2.4)
Wie sollten "virtuell" in verschiedenen Unternehmen nacheinander oder
zugleich "herumgeisternde" Mitarbeiter sozial abgesichert oder gar erst
einmal zu Abgaben verpflichtet sein?
2.5)
Nach welchen Umlageverfahren sollen Abgaben erhoben (erzwungen) werden, und
von welchen Institutionen sollten wann welche Leistungsansprueche befriedigt
werden koennen?
2.6)
Wie sollte/koennte Arbeitnehmer- oder Unternehmereigenschaft bei virtuellen
"Firmen" (Zusammenschluessen) definiert werden?
331
DOKUMENTATION
>
- ??? Was sind denn das fuer Fragen?
> Vorstehende Fragen wurden auch schon per eMail einigen Abgeordneten in
> Parlamenten zugeleitet. Bis auf eine einzige Ausnahme kam von allen nur eine
> maschinelle Empfangsbestaetigung oder eine vorgefertigte hinhaltende Antwort.
> Einige teilten mit, dass sie die Fragen delegiert hatten. Antworten blieben
> bis auf die eine Ausnahme voellig aus.
>
> Insofern wurde dieses neue und lichtschnelle Medium ad absurdum gefuehrt,
> zumal es unter Fanfaren als neues Instrument der Demokratisierung und
> Verbindung mit der Basis gefeiert wurde.
>
> Deshalb lege ich Ihnen als der nachdraengenden Generation im politischen
Raum
> auch die Frage ans Herz, wie Sie mit diesem Medium umzugehen gedenken.
> Natuerlich moechte ich sehen, ob und inwieweit Sie ihren Kopf noch
> individuell benutzen und es wagen, eine eigene Meinung zu diesen doch
> wichtigen Fragen zu haben und zu aeussern.
>
> In der Hoffnung, sehr bald von Ihnen eine ausreichende Antwort zu erhalten,
> verbleibe ich
> mit Dank im Voraus und
> mit herzlichen Gruessen
>
> Manfred L. Schuermann
>
> eMail:
> [email protected]
> [email protected]
>
> WWW:
> http://users.aol.com/bitsnfun/index.html
>
>
Sorry, sehr viel ist mir nicht eingefallen, aber die Fragen sind z.T.
auch fuer mein armes norddeutsches Hirn etwas umstaendlich formuliert.
Trotzdem viel Spasz damit HORRIDO! Malte
----------------------- Headers -------------------------------From [email protected] Fri Apr 26 08:24:52 1996
Return-Path: [email protected]
Received: from server1.rz.uni-leipzig.de (server1.rz.uni-leipzig.de
[139.18.1.1]) by emin33.mail.aol.com (8.6.12/8.6.12) with ESMTP id IAA19704
for <[email protected]>; Fri, 26 Apr 1996 08:24:43 -0400
Received: from studserv.uni-leipzig.de by server1.rz.uni-leipzig.de with SMTP
(1.37.109.16/16.2) id AA021011452; Fri, 26 Apr 1996 14:24:12 +0200
Received: by studserv.uni-leipzig.de (AIX 3.2/UCB 5.64/4.03)
id AA08038; Fri, 26 Apr 1996 14:24:09 +0200
Date: Fri, 26 Apr 1996 14:24:07 +0200 (DFT)
From: "M. Priesmeyer |;-)" <[email protected]>
To: [email protected]
Subject: Re: Einige wichtige Fragen
In-Reply-To: <[email protected]>
Message-Id:
<[email protected]>
Mime-Version: 1.0
Content-Type: TEXT/PLAIN; charset=US-ASCII
332
DOKUMENTATION
Diese Antwort von Malte Priesmeyer weckte die Hoffnung, daß
die Jugend nicht nur für das Netz offener sein würde, sondern
auch für die Kommunikation mit Bürgern. Diese Hoffnung wurde
enttäuscht. In der Summe waren die Jungen keinen Deut ergiebiger als die Alten. Sie stecken bereits in einem System, das an Problemen lieber vorbeigeht, die Eigeninteressen voranstellt und persönliches Engegement für die Gesellschaft weitgehend vermissen
läßt.
333
DOKUMENTATION
<13> Ein Lichtlein der CDU...?
Der Abgeordnete Heinz-Jürgen Kronberg ist für die CDU neben
dem Minister Dr. Jürgen Rüttgers der einzige gegenwärtig direkt
über eMail erreichbare Abgeordnete68. Er ist mit seiner Antwort
der einzige Abgeordnete überhaupt von den 244 Abgeordneten der
CDU, der auf die Fragen einzeln eingegangen ist und sie anscheinend nach bestem Wissen beantwortet hat:
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfänger:
49648650GEOD
INTERNET:Kronberg§mdb4.bn.eunet.de
Re: Nachricht in 7bit ASCII
26-04-96, 11:40:01
GEOD:M.L.SCHUERMANN
Received: from mail.Germany.EU.net 192.76.144.65
by GEOD.Geonet.De; Fri, 26 Apr 1996 11:40:01
Message-Id: <199604260939.LAA13092§mail.Germany.EU.net>
Received: by mail.Germany.EU.net with SMTP (5.59:20/EUnetD-2.5.4.a) via EUnet
id LAA13092; Fri, 26 Apr 1996 11:39:53 +0200
Comments: Authenticated sender is <Kronberg§personalmail.Germany.EU.net>
From: "Heinz-Juergen Kronberg, MdB" <Kronberg§mdb4.bn.eunet.de>
Organization: Deutscher Bundestag
To: M.L.SCHUERMANN§GEOD.Geonet.De
Date:
Fri, 26 Apr 1996 11:47:08 +0000
Subject:
Re: Nachricht in 7bit ASCII
Reply-to: Kronberg§mdb4.bn.eunet.de
Priority: normal
X-mailer: Pegasus Mail for Windows (v2.01DE)
Sehr geehrter Herr Schuermann,
trotz Ihres scharfen Tons moechte ich Ihnen antworten. Eine normale
Bearbeitungszeit einer e-mail Ihren Umfangs bedarf sechs Wochen. Das
liegt an unserer Personalkapazitaet und daran, dass man als
Wahlkreisabgeordneter sich nur in den Parlamentswochen in Bonn
aufhaelt. So viel dazu.
> 1) Halten Sie das gegenwaertige Bildungssystem (wie es IST: Grundschule,
Hauptschule, Oberschulen, Hochschulen) fuer noch irgendwie geeignet, die Absolventen in geeigneter Weise auf die Anforderungen der gegenwaertigen und
erst recht der kuenftigen Berufswelt "ausreichend" vorzubereiten?
Ja
68
334
Neu über „[email protected]“ auch: Anton Pfeifer
DOKUMENTATION
> 2) Sind "Berufsbilder", wie sie gegenwaertig noch festgeschrieben sind, in
ausreichender Zahl geeignet, Auszubildende auf die Anforderungen der Zukunft
mit der notwendigen Spezifikation vorzubreiten?
nur zum Teil
> 3) Existieren (im Sinne echter Verfuegbarkeit) bereits ausreichend neue
"Berufsbilder" (oder Ansaetze dazu) zur Abdeckung von Fertigkeiten fuer
kuenftige Anforderungen?
Ist im BMBF in Arbeit, soll Ende des Jahres fertig sein
> 4) Kommt der gegenwaertig zu zaehlenden Arbeitslosigkeit eine eher quantitative oder eine eher qualitative Bedeutung zu?
Ist nicht genau definierbar. In Bezug auf die neuen Techniken aber eher letzteres, was ehrlicherweise aber auch fuer viele heutige Arbeitnehmer zutrifft
> 5) Hat die Mehrzahl aller qualifizierten Arbeitslosen (mit abgeschlossener
Berufsausbildung) ueberhaupt noch eine Chance, in kuenftigen Taetigkeitsfeldern nach Absolvierung einer weiteren Ausbildung (Umschulung) einen qualifizierten Arbeitsplatz zu finden?
diese Frage sollten Sie der Bundesanstalt fuer Arbeit, Nuernberg,
stellen
> 6) Besteht fuer die arbeitslosen Jugendlichen (Zahlen werden als bekannt
vorausgesetzt, ansonsten siehe Fussnote) ohne Ausbildung ueberhaupt noch eine
Chance, auf Anforderungen des kuenftigen Arbeitsmarktes tauglich vorbereitet
zu werden?
siehe 5
> 7) Kann die Behauptung als zutreffend betrachtet werden, dass die gegenwaertige Arbeitslosigkeit in der BRD abgesehen von den "offiziellen" Zahlen ueber
20% liegt, wenn man die Menschen mitzaehlt, die aus dem Berufsleben durch
andere "Massnahmen" (z.B. Fruehrenten) ausgeschieden sind oder nach Arbeitslosmeldung anderweitig abgefedert werden (z.B. Sozialhilfe) oder in Verhaeltnissen wirken (z.B. ABM), die nicht als normales produktives Arbeitnehmerverhaeltnis zu betrachten sind? (Die also auf der Seite der Empfaenger statt
auf der der Leistenden stehen.)
Frage unklar
> 8a) Haben Sie konkrete Vorstellungen davon, wie neue und zukunftsorientierte
Arbeitsplaetze in so ausreichender Zahl geschaffen werden koennen, dass auch
die Jugendarbeitslosigkeit und die Substitutionsarbeitslosigkeit dadurch in
ausreichendem Masse abgebaut werden koennen?
ja, durch den Druck privater Anbieter und entsprechender Nachfrage
> 8b) Ist das, was im Bereich "Multimedia"/"Information" an neuen Arbeitsplaetzen geschaffen wird, ueberhaupt ausreichend, weiter entstehende Arbeitslosigkeit zu kompensieren (Bilanzierung)?
nein, es werden aber auch nicht alle Arbeitsplaetze in Zukunft von
dia/online-Technik bestimmt sein
Multime-
Mit freundlichen Gruessen
Heinz-Juergen Kronberg MdB
335
DOKUMENTATION
-Heinz-Juergen Kronberg
Deutscher Bundestag
Bundeshaus 53113 Bonn
***** Antworten auf den zweiten Fragenkomplex *****
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfänger:
49648659GEOD
INTERNET:Kronberg§mdb4.bn.eunet.de
Re: Weitere Bitte um Stellungnahmen
26-04-96, 11:47:41
GEOD:M.L.SCHUERMANN
(Header wurde herausgekürzt!)
Sehr geehrter Herr Schuermann,
noch einmal meine persoenliche
Meinung zu Ihren Fragen:
> 1) Wie sollten "virtuelle" Unternehmen gesetzlich verankert sein?
wie jede andere Firma auch
> 2) Nach welchen Regeln sind sie schon jetzt juristisch "haftende Person"?
bin kein Jurist
> 3) Wie sollen sie steuerlich erfaßt werden?
siehe 1.
> 4) Wie werden "virtuell" in verschiedenen Unternehmen nacheinander oder zugleich "herumgeisternde" Mitarbeiter sozial abgesichert oder gar erst einmal
zu Abgaben verpflichtet?
entsprechend ueber Lohnabrechnung
> 5) Nach welchen Umlageverfahren sollen Abgaben erhoben (erzwungen) werden,
und von welchen Institutionen sollten wann welche Leistungsansprüche befriedigt werden können?
siehe 1.
> 6) Wie sollte/könnte Arbeitnehmer- oder Unternehmereigenschaft bei virtuellen "Firmen" (Zusammenschlüssen) definiert werden?
Frage unklar
Mit freundlichen Gruessen
Heinz-Juergen Kronberg
P.S. Noch ein Tip: Umlaute sollten ausgeschrieben und nicht
Tastatur gemaess eingegeben werden, im Internet. Das fuehrt zu
besserer Lesbarkeit.
-Heinz-Juergen Kronberg
Deutscher Bundestag
Bundeshaus
336
DOKUMENTATION
53113 Bonn
Wasser in den Wein schüttete der Abgeordnete mit seinem PS:
Er hat völlig unrecht, wenn er meint: „Umlaute sollten ausgeschrieben und nicht tastaturgemaess eingegeben werden, im Internet.“ Wenn deutsche Texte mit ihren typischen Sonderzeichen
über das Internet an deutschsprachige Empfänger versandt werden, ist es keineswegs zwingend, diese Sonderzeichen auf dem
Altar technischer Unzulänglichkeit opfern zu müssen. Günther
Leue, der sich ja um die Mailbox-Systeme verdient gemacht hat,
bemerkte dazu nur trocken: „Tja - was kann man von solch einem
lausigen Online-Service schon erwarten. Wenn die Welt doch nur
endlich kapieren würde, daß man für Kommunikation professionelle Message Handling System-Betreiber verwenden sollte.“
<14> L.T.D.
Die Angaben „Puersuen, Yanki (FDP Frankfurt-OG 5 Board
Member, LTD Board Member)“ in meiner Liste der Jungdemokraten sagte mir nichts. Yanki Puersuen war aber an erster Stelle
der Antworten, die ich von den „JuLis“ erhielt. Hier der Text (der
besseren Übersicht halber mit verändertem Layout):
Thema:
Datum:
From:
To:
CC:
Re: Einige wichtige Fragen
26.04.96 21:54:01
[email protected] (Yanki Puersuen)
[email protected]
[email protected]
At 05:56 26.04.1996 -0400, [email protected] wrote:
>Mich wuerde es freuen, wenn Sie mir (wegen der Deadline in moeglichst kurzer Frist !!!) einige Fragen einfach ad hoc - als Ihre persoenliche Auffassung, als Ihre individuelle Meinung dazu - beantworten und dabei versuchen, jeweils mit ganz wenigen Zeilen auszukommen:
>Komplex 1:
>1.1) Halten Sie das gegenwaertige Bildungssystem (wie es IST: Grundschule, Hauptschule, Oberschulen, Hochschulen) fuer noch irgendwie
geeignet, die Absolventen in geeigneter Weise auf die Anforderungen
337
DOKUMENTATION
der gegenwaertigen und erst recht der kuenftigen Berufswelt "ausreichend" vorzubereiten?
Im Prinzip ja. Hauptschulen sollten aber abgeschafft, Gesamtschulen
eingeschrünkt werden. Die Ausbildung einer verantwortungsvollen Elite
sollte kein Tabu sein.
>1.2) Sind "Berufsbilder", wie sie gegenwaertig noch festgeschrieben
sind, in ausreichender Zahl geeignet, Auszubildende auf die Anforderungen der Zukunft mit der notwendigen Spezifikation vorzubreiten?
Ja aber... Es zeigt die hohe Bedeutung, die der Bildung zugemessen
wird. Ist aber auch Bürokratie, die unflexibel macht und dafür sorgt,
daß Entwicklungen erst mit Verspätung aufgenommen werden können.
>1.3) Existieren (im Sinne echter Verfuegbarkeit) bereits ausreichend
neue "Berufsbilder" (oder Ansaetze dazu) zur Abdeckung von Fertigkeiten fuer kuenftige Anforderungen?
Siehe 1.2) Die Tarifpartner etc. schlafen natürlich nicht, aber - obwohl einige Ausbildungsbetriebe überfordert wären - Flexibilität wäre
angebracht. Das betrifft vorhandene. Was neue angeht, sind Gewerkschaften leider oftmals konservativ und Neuem gegenüber verschlossen.
>1.4) Kommt der gegenwaertig zu zaehlenden Arbeitslosigkeit eine eher
quantitative oder eine eher qualitative Bedeutung zu?
Qualitativ. Natürlich ist jeder Arbeitsloser ein Schicksal für sich.
Aber die Ansätze dürfen nicht von der Zahl abhängen. Ein großer Teil
der Arbeitslosigkeit erklärt sich mit den heutigen Strukturen.
>1.5) Hat die Mehrzahl aller qualifizierten Arbeitslosen (mit abgeschlossener Berufsausbildung) ueberhaupt noch eine Chance, in kuenftigen Taetigkeitsfeldern nach Absolvierung einer weiteren Ausbildung
(Umschulung) einen qualifizierten Arbeitsplatz zu finden?
Auf jeden Fall. Eine Qualifikation ist mehr und mehr unabkömmlich für
Beschäftigung. Dabei darf die gegenwärtige Konjunktur nicht außer
acht gelassen werden. Aber nur wenn Arbeit bezahlbar bleibt. Die
Nachfrage ist viel höher, jedoch ist das Angebot derzeit zu teuer.
>1.6) Besteht fuer die arbeitslosen Jugendlichen (Zahlen werden als
bekannt vorausgesetzt, ansonsten siehe Fussnote) ohne Ausbildung ueberhaupt noch eine Chance, auf Anforderungen des kuenftigen Arbeitsmarktes tauglich vorbereitet zu werden?
Ohne Ausbildungsmaßnahmen äußert schwierig. Wobei die Ressourcen für
Ausbildungsmaßnahmen auf sinnvolle beschränkt bleiben sollten, um
möglichst vielen weiterhelfen zu können.
>1.7) Kann die Behauptung als zutreffend betrachtet werden, dass die
gegenwaertige Arbeitslosigkeit in der BRD abgesehen von den "offiziellen" Zahlen ueber 20% liegt, wenn man die Menschen mitzaehlt, die
aus dem Berufsleben durch andere "Massnahmen" (z.B. Fruehrenten) ausgeschieden sind oder nach Arbeitslosmeldung anderweitig abgefedert
werden (z.B. Sozialhilfe) oder in Verhaeltnissen wirken (z.B. ABM),
338
DOKUMENTATION
die nicht als normales produktives Arbeitnehmerverhaeltnis zu betrachten sind? (Die also auf der Seite der Empfaenger statt auf der
der Leistenden stehen.)
Richtig. Wobei diese Zahl dann keine Horrormeldung ist, sondern ein
anderer Maßstab. Ich denke, daß unser fixes Rentensystem auch Schuld
daran hat. Jeder sollte frei entscheiden können, wann er in Rente
geht, wieviel Stunden er arbeitet. Die Rente sollte dann auf Grund
der geleisteten Beiträge berechnet werden.
>1.8) Haben Sie konkrete Vorstellungen davon, wie neue und zukunftsorientierte Arbeitsplaetze in so ausreichender Zahl geschaffen werden
koennen, dass auch die Jugendarbeitslosigkeit und die Substitutionsarbeitslosigkeit dadurch in ausreichendem Masse abgebaut werden koennen?
Durch Flexibilisierung und Schaffung eines Abstandes zwischen Arbeit
und Sozialhilfe (z.B. Bürgergeld). Jahresarbeitszeit, Teilzeit, Ladenschluß, Kündigung, Dienstleistungen im Haushalt, Innovationsförderung, etc. Da die Risikobereitschaft wegen der Staatsvollkaskomentalität abgenommen hat, muß hier noch einiges getan werden.
>1.9) Ist das, was im Bereich "Multimedia"/"Information" an neuen Arbeitsplaetzen geschaffen wird, ueberhaupt ausreichend, weiter entstehende Arbeitslosigkeit zu kompensieren (Bilanzierung)?
Ob ja oder nein, es gibt keine Alternative. Das Festhalten an alten
Arbeitsplätzen durch Subventionierung birgt große Gefahren für die
Zukunft. Die Antwort hängt vom Grad der Liberalisierung und Flexibilität ab. Ich denke, daß das Potential enorm ist.
>1.10) Moechten Sie zu dem angeschnittenen Fragenkomplex sonstige Bemerkungen machen, welche den Fragestellungen als hilfreich anderweitig gerecht werden?
>Sie moegen respektieren, dass ich mit "Leerformeln" oder irgendwelchen Hinweisen auf irgendwo bereits Ausgefuehrtes wenig anfangen
kann. Meine Fragen moegen Sie bitte als in einem direkten Interview
gestellt betrachten.
>Mir geht es auch darum, durch moeglichst vielseitige Meinungen meine
eigene Betrachtensweise zu schaerfen und neue Einblicke zu gewinnen.
>Fussnote:
Ueber eine halbe Millionen junge Menschen unter 25 Jahre (529.054)
waren im Februar dieses Jahres arbeitslos gemeldet.
. In Westdeutschland sind 391.614 Menschen unter 25 Jahren ohne Arbeit (Steigerung 12,6% gegenueber Vorjahresmonat). Davon sind 86.002
unter 20 Jahren (Steigerung 13,5% gegenueber Vorjahresmonat).
. In Ostdeutschland sind 137.448 Menschen unter 25 Jahren ohne Arbeit
(Steigerung 15,8% gegenueber Vorjahresmonat). Davon sind 22.124 unter
20 Jahren (Anstieg 24% gegenueber Vorjahresmonat).
>***************************************************
>Komplex 2:
339
DOKUMENTATION
>2.1) Wie sollten "virtuelle" Unternehmen gesetzlich verankert sein?
Das Internet ist noch kein Volksmedium. Deswegen wird dieser Bereich
noch lange im rechtsfreien Raum agieren. Wenn es sich um eine Unternehmung handelt, gibt es genug Gemeinsamkeiten mit herkömmlichen, um
die gleichen Regeln anzuwenden (Ort, Geschäftführer, Anlagevermögen,
Geschäftszweck, Umsatz, Ware, Produktion, etc.).
>2.2) Nach welchen Regeln sind sie schon jetzt juristisch "haftende
Person"?
Hier gibt es noch zu wenig Erfahrung. Mir ist kein Urteil bekannt.
Die Datensicherheit ist noch nicht ausreichend. Ich denke, daß die
Beteiligten auf den guten Willen des anderen hoffen, wie auch z.B.
bei Telefon-Kreditkarten/Reservierungsgeschäften. Noch problematischer ist es bei Auslandsgeschäften. Aber letztendlich wird die Justiz ihre Rechtsprechung entwickeln und die geltende Wirtschaftsgesetzgebung auf das Internet übertragen.
>2.3) Wie sollen sie steuerlich erfasst werden?
Warum sollte es einen Unterschied geben?
>2.4) Wie sollten "virtuell" in verschiedenen Unternehmen nacheinander oder zugleich "herumgeisternde" Mitarbeiter sozial abgesichert
oder gar erst einmal zu Abgaben verpflichtet sein?
?
>2.5) Nach welchen Umlageverfahren sollen Abgaben erhoben (erzwungen)
werden, und von welchen Institutionen sollten wann welche Leistungsansprueche befriedigt werden koennen?
? Es wird doch offiziellen Umsatz geben.
>2.6) Wie sollte/koennte Arbeitnehmer- oder Unternehmereigenschaft
bei virtuellen "Firmen" (Zusammenschluessen) definiert werden?
Abhängig von Zweck und Ernsthaftigkeit, wie im HGB.
>Vorstehende Fragen wurden auch schon per eMail einigen Abgeordneten
in Parlamenten zugeleitet. Bis auf eine einzige Ausnahme kam von allen nur eine maschinelle Empfangsbestaetigung oder eine vorgefertigte
hinhaltende Antwort.
>Einige teilten mit, dass sie die Fragen delegiert hatten. Antworten
blieben bis auf die eine Ausnahme voellig aus.
>Insofern wurde dieses neue und lichtschnelle Medium ad absurdum gefuehrt, zumal es unter Fanfaren als neues Instrument der Demokratisierung und Verbindung mit der Basis gefeiert wurde.
>Deshalb lege ich Ihnen als der nachdraengenden Generation im politischen Raum auch die Frage ans Herz, wie Sie mit diesem Medium umzugehen gedenken. Natuerlich moechte ich sehen, ob und inwieweit Sie ih-
340
DOKUMENTATION
ren Kopf noch individuell benutzen und es wagen, eine eigene Meinung
zu diesen doch wichtigen Fragen zu haben und zu aeussern.
>In der Hoffnung, sehr bald von Ihnen eine ausreichende Antwort zu
erhalten, verbleibe ich
>mit Dank im Voraus und
>mit herzlichen Gruessen
>Manfred L. Schuermann
>eMail:
>[email protected]
>[email protected]
>WWW:
>http://users.aol.com/bitsnfun/index.html
Best regards :-)
Yanki Puersuen - Frankfurt, Germany
Anmerkung d. Verf.:
Yanki Puersuen ist L.T.D.-Bundesvorstandsmitglied in Frankfurt
L.T.D. = Liberale Türkisch-Deutsche Vereinigung e.V.
----------------------- Headers -------------------------------From [email protected] Fri Apr 26 16:53:53 1996
Return-Path: [email protected]
Received: from anna-eth.rz.uni-frankfurt.de (anna-eth.rz.unifrankfurt.de
[141.2.149.2]) by emin18.mail.aol.com (8.6.12/8.6.12) with SMTP id
QAA08892
for <[email protected]>; Fri, 26 Apr 1996 16:53:14 -0400
Message-Id: <[email protected]>
Received: from dialin002.rz.uni-frankfurt.de by anna-eth.rz.unifrankfurt.de
with Local SMTP (PP); Fri, 26 Apr 1996 22:52:04 +0000
X-Sender: [email protected]
X-Mailer: Windows Eudora Version 1.4.4
Mime-Version: 1.0
Content-Type: text/plain; charset="iso-8859-1"
Content-Transfer-Encoding: quoted-printable
Date: Fri, 26 Apr 1996 22:48:56 +0200
To: [email protected]
From: [email protected] (Yanki Puersuen)
Subject: Re: Einige wichtige Fragen
Cc: [email protected]
Da mir der Name des Autors mit den Zusatzangaben und das
Kürzel LTD nichts sagten, grub ich weiter im Netz. Auf einer Informationsseite im Internet gibt die LTD über sich bekannt:
L.T.D. steht für Liberale Türkisch-Deutsche Vereinigung e.V.
341
DOKUMENTATION
Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist die Vertiefung und
Stärkung der Beziehungen zwischen Türken und Deutschen. Dabei sollen nicht nur die Interessen und Belange der türkischen
Bürger besser verdeutlicht werden. Die L.T.D. will sich auch um
die Verbreitung des liberalen Denkens unter ihnen engagieren.
Die L.T.D. ist als ein Forum konzipiert, das den Austausch zwischen türkischen und deutschen Bürgern, die dem Liberalismus
nahestehen, fördert und institutionalisierte Beziehungen zur Politik auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene ermöglicht.
Die L.T.D. ist eine unabhängige Vereinigung. Die L.T.D. finanziert sich ausschließlich durch Mitgliederbeiträge und Spenden.
Motiviationsquelle ist der Liberalismus und die Vision, gemeinsam einen Beitrag für Frieden in unserer Gesellschaft zu leisten.
Verändern bedeutet auch Verantwortung übernehmen.XVIII
<15> Komplott der Hechte
Der hier vorgesehene Teil wurde nachträglich gestrichen. Es ist
nicht sicher, daß diese für kurze Zeit im Netz abrufbar gewesenen
Informationen nicht durch „Hacken“ erlangt worden waren. Es
kann aber nicht Sinn dieser Abhandlung sein, interne Informationen aus Arbeitgeberkreisen weiterzutragen, die möglicherweise
durch illegale Einsicht in Datensysteme ans Licht kamen.
(Für die freundliche Warnung aus „Hackerkreisen“ an dieser
Stelle vielen Dank!)
342
DOKUMENTATION
<16> Kampfgebrüll der Karpfen
Die SPD bringt viel zu Papier, aber wenig ins Bewußtsein - ausgenommen ihre internen Streitigkeiten. Wenn es den Parteien tatsächlich nur um das Wohl des Bürgers ginge, wüßte jedes Parteimitglied vom kleinen Vorortverein bis zur Parteispitze, was zu tun
ist. Das „Wohl des Bürgers“ und die „Interessen des Volkes“ sind
aber wohl eher nur Aushängeschilder für die Existenz der Parteien, keineswegs irgendwelche Gütesiegel.
Die leichte Zugänglichkeit vielfältiger Dokumente im Internet
beweist, daß die Parteien sehr wohl wissen, was eigentlich getan
werden sollte. Dieses Wissen wird jedoch von einem „verborgenen
Wissen“ überschattet, das den vielfältigen Interessen dient, die mit
Gemeinwohl und Verpflichtung gegenüber dem Wähler anscheinend nichts zu tun haben69.
Das nachfolgende Dokument beweist, daß die SPD mehr wußte,
als sie der Öffentlichkeit durch intensive Parteiarbeit bewußt gemacht hat:
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Bonn, den 12. September 1995 - Mitteilung für die Presse
Zur Arbeitsgesellschaft gehören Beschäftigung und
soziale Sicherheit.
Eckpunkte einer innovativen Politik sozialstaatlicher Reformen
Auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz haben der SPD-Parteivorsitzende Rudolf Scharping und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dieter Schulte, heute in Bonn folgendes Positionspapier des Gewerkschaftsrates der SPD vorgestellt:
69
Siehe hierzu insbesondere die Rentendebatte im Mai 1996.
343
DOKUMENTATION
1. Tiefgreifende weltweite wirtschaftliche, politische und kulturelle Umbrüche stellen Wirtschaft und Sozialstaat in der Bundesrepublik
Deutschland vor große Herausforderungen, für die die Wirtschaft modernisiert und der Sozialstaat reformiert werden muß.
Deutschland steht wie alle Industriestaaten in wirtschaftlicher, technologischer, beschäftigungspolitischer und sozialstruktureller Hinsicht
in einem tiefgreifenden Umbruchprozeß mit millionenfacher Arbeitslosigkeit, Armut, Branchenkrisen und regionalen Ungleichgewichten.
Die Folgen - Spaltung der Gesellschaft und zunehmende Ausgrenzung breiter Schichten - drohen sich zu einer Krise des Sozialstaates
zu verfestigen.
Die finanziellen Grundlagen des Sozialstaates sind ungesichert. Die
sinkende Qualität sozialer Leistungen und der hierarchische und bürokratische Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern verlangen dringend
nach Reformen.
Von der Lösung dieser internationalen und nationalen Probleme durch
Modernisierung der Volkswirtschaft und der Reform des Sozialstaates
hängt die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland ab. Ohne zeitgemäße politische Antworten auf Fragen der Ausbildung, Beschäftigung,
Forschung, Technologie, zu Management- und Produktionsstrukturen,
der Reform des sozialen Sektors, wird es in dieser Gesellschaft kein
Mehr an Demokratie, an Gerechtigkeit, an Solidarität und Freiheit geben. Statt dessen werden sich die sozialen Spaltungen weiter vertiefen.
2. Der Sozialstaat ist wesentliche Bedingung für soziale Demokratie.
Wenn das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit neu bestimmt wird,
sind Individualität und Solidarität keine Gegensätze.
Der Sozialstaat ist herausgefordert, er ist jedoch ohne jeden Zweifel
für die Bundesrepublik Deutschland konstitutiv. Er hat als Teil der gesellschaftlichen und ökonomischen Infrastruktur entscheidend zur
Stabilität von Wirtschaft und Gesellschaft und zum Erfolg der bundesdeutschen Volkswirtschaft beigetragen, soziale Integration und sozialen Frieden ermöglicht und gefördert. Über die Sicherung der materiellen Voraussetzungen für allgemeine Beteiligungs-möglichkeiten hat
er einen hervorragenden Beitrag zur Stabilität der Demokratie geleistet: Soziale Demokratie basiert auf einem leistungsfähigen Sozialstaat.
Sozialstaat im Sinne des Art. 20 GG verpflichtet alle staatlichen Organe, eine gerechte Sozialordnung herzustellen, die den Menschen in
344
DOKUMENTATION
den Mittelpunkt staatlicher Aktivitäten stellt. Würde und Freiheit der
Menschen wahren heißt auch, im Verhältnis der Bürgerinnen und
Bürger untereinander für Gerechtigkeit und Menschlichkeit zu sorgen.
Das gilt für staatliches Handeln genauso wie für das Engagement gesellschaftlicher Gruppen. Der Sozialstaat ist institutioneller Garant der
Menschenwürde. Als freiheitsstiftendes Prinzip ermöglicht er allen
Menschen, chancengleich ihre Individualität selbst zu entfalten. Er ist
damit unabdingbare Voraussetzung für gesellschaftliche Partizipation.
Der Sozialstaat kann deshalb kein starres Regulations- und Institutionengefüge sein, er muß den sozialen Wandel aufnehmen.
Die verbesserte materielle Lage, die langfristige Zunahme des durchschnittlichen Bildungsniveaus, größere Vielfalt von Haushalts- und
Familienformen, zunehmende Erwerbswünsche von Frauen haben die
Ansprüche der/des einzelnen an Gesellschaft, an Arbeit, Bildung, Beteiligung und Freizeit und die individuellen Wahlmöglichkeiten in der
Lebensgestaltung verändert und erweitert. Individualisierung ist nicht
mit Egoismus oder Vereinzelung gleichzusetzen. Ebensowenig treffen
die konservativen Alternativen von Freiheit oder Sicherheit, Individualität oder Kollektivität zu. Die meisten Menschen können nur durch
Solidarität und soziale Sicherheit wenigstens Teile ihrer individuellen
Erwartungen, Wünsche und Sehnsüchte verwirklichen. Individualisierung setzt soziale Sicherheit voraus. Individualität, Freiheit, Solidarität
und soziale Sicherheit sind keine Gegensätze.
3. Die große Mehrheit der Bevölkerung will einen aktiven Sozialstaat.
Er sorgt nicht nur für soziale Sicherheit, sondern unterstützt die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Arbeits- und Lebenswelt.
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer
Bundesstaat. Das schließt eine gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung und die Beseitigung ungleicher Startchancen ein. Dazu
gehört vor allem der Abbau von Machtgefälle samt den daraus resultierenden Möglichkeiten der Fremdbestimmung. Die Begrenzung wirtschaftlicher Macht, demokratische Teilhabe und Mitbestimmung sind
sozialstaatliche Handlungsaufträge. Einzelnen und gesellschaftlichen
Gruppen sind Möglichkeiten zu eröffnen, an den Entscheidungen für
die Gesamtheit mitzuwirken. Der Staat hat hierzu Wege zu ebnen.
Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung will einen aktiven Sozialstaat. Die wichtigsten Ziele sozialstaatlicher Politik sind:
Soziale Sicherheit durch kollektiv organisierte, solidarische Systeme
für alltägliche Risiken und Notlagen, Schutz der Schwächeren und
Vermeidung von Armut durch Sicherung des Existenzminimums;
345
DOKUMENTATION
Chancengleichheit und Ausgleich von spezifischen Nachteilen mit
Hilfe öffentlicher Dienste, gleicher Zugang zu Bildungseinrichtungen,
Gleichstellung der Geschlechter und Vereinbarkeit von Beruf und Familie;
Eröffnung von individuellen und kollektiven Handlungsräumen durch
individuelles und kollektives Arbeitsrecht, durch Mitbestimmung,
Selbstverwaltung und Tarifautonomie sowie durch Beteiligung am
Produktivvermögen;
Bereitstellung einer Infrastruktur zur Wahrung des gesellschaftlichen
Zusammenhalts durch vergleichbare Lebensbedingungen in den Regionen, einen modernen Öffentlichen Dienst, ein leistungsfähiges Gesundheitssystem sowie durch soziale und demokratische Gestaltung
der Informationsgesellschaft.
Die marktradikale Strategie einer weltmarktorientierten Modernisierung der Volkswirtschaft und des Rückzugs des Staates aus dieser
Verantwortung gefährdet Wirtschaft und Gesellschaft. Der grundgesetzlich verankerte Sozialstaat ist und bleibt die Voraussetzung für
unsere demokratische und soziale Ordnung und für eine leistungsfähige Wirtschaft.
4. Sozialstaatliche Reformen bedeuten Innovation. Die sozialen Sicherungssysteme haben sich grundsätzlich bewährt. Jetzt kommt es darauf an, mehr Demokratie und Bürgernähe zu erreichen und die Produktivität des Sozialen zu erhöhen.
Der Sozialstaat wird diese Herausforderungen nur bestehen können,
wenn auf seine finanziellen Probleme, auf die Kritik an seiner Leistung
und Organisation und auf seine internen Steuerungsprobleme Antworten gefunden werden. Dies stellt die traditionellen Sicherungssysteme nicht in Frage, sie haben sich grundsätzlich bewährt. Das deutsche Modell der Sozialversicherung (mit seinen Elementen Lohn- und
Beitragsorientierung, Lohnersatz und Leistungsdynamik, sozialer
Ausgleich sowie paritätische Mittelaufbringung und Selbstverwaltung)
kann besser als andere Modelle die Risiken von Invalidität, Alter,
Krankheit oder Arbeitslosigkeit verringern. Es müssen aber neue Reformanstrengungen unternommen werden, um mehr Demokratie,
Bürgernähe und Bedürfnis-orientierung zu erreichen. Innovationen
müssen auch in Zukunft höhere Effektivität und Effizienz mit sozialer
Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Solidarität verbinden.
Notwendig ist also nicht eine Totalrevision oder gar ein Systemwechsel, sondern eine innovative Politik sozialpolitischer Reformen, die soziale Demokratie sichert und die historisch gewachsenen Institutionen
346
DOKUMENTATION
an die veränderte Realität - Massenarbeitslosigkeit und soziale Spaltung, demographische Entwicklung und gesellschaftlichen Wertewandel - anpaßt. Sie muß vier Elemente umfassen:
• Den Abbau der Arbeitslosigkeit durch Schaffung neuer produktiver
Arbeitsplätze in Verbindung mit Strategien zur gerechten Verteilung der Arbeit,
• die Erhöhung der Qualität - Effektivität und Effizienz - und Gerechtigkeit der sozialen Sicherung sowie der öffentlichen Dienste,
• die Erweiterung der Beteiligung der Betroffenen und Beschäftigten
durch den Ausbau von Partizipations-möglichkeiten und
• die Sicherung und den Ausbau des sozialen Fortschritts in Europa
und darüber hinaus.
5. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist das wichtigste Ziel. Um es zu
erreichen, bedarf es einer Innovationsoffensive in Wirtschaft und Gesellschaft.
Das Ziel, Arbeitslosigkeit abzubauen und neue Arbeitsplätze zu schaffen, weist über die klassischen Instrumente der Arbeitsförderung hinaus. Investitionen und Innovationen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze
in der Wirtschaft müssen auf breiter Front gestärkt werden. In Ostdeutschland muß der Modernisierungsprozeß der Betriebe vorangetrieben und durch besondere beschäftigungs- und industriepolitische
Maßnahmen gefördert werden. Um der deutschen Wirtschaft im internationalen Wettbewerb eine führende Stellung zu sichern, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen und den ökologischen Wandel voranzubringen, bedarf es einer Innovationsoffensive in Wirtschaft und Gesellschaft:
• Einführung neuer Arbeitsorganisations- und Managementformen
in Industrie undVerwaltung unter Beteiligung der Beschäftigten
und der Gewerkschaften, verbunden mit einem Um- und Ausbau
der darauf bezogenen Qualifizierungsmaßnahmen,
• qualifizierte berufliche Bildung und Weiterbildung durch Verknüpfung von Arbeit und (Weiter-) Qualifikation,
• Reform der Arbeitsmarktpolitik, ihre Regionalisierung und ein
Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung, vor allem in gesellschaftlich nützlichen Feldern, sowie Ausrichtung auf sozial und
gesellschaftlich benachteiligte Gruppen,
• Fortsetzung von Arbeitszeitverkürzungen und Ausbau der Teilzeitarbeit.
Dies muß ergänzt werden durch
347
DOKUMENTATION
•
einen Umbau der Forschungs- und Technologiepolitik im Sinne einer breiteren
• Innovationsförderung, in Entwicklungen von umweltgerechten
Produkten und Produktionsverfahren,
• eine stärkere Förderung innovativer Unternehmensgründungen
durch Bereitstellen von Risikokapital und Erleichterungen im Patentwesen sowie eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für
Investitionen durch Straffung und Beschleunigung der Verwaltungsabläufe bei Genehmigungen, ohne Verlust an demokratischen Verfahren und Bürgerbeteiligung,
• die Entwicklung der Infrastrukturen in Bereichen der Telekommunikation, die allen Bürgerinnen und Bürgern eine informationelle
Grundversorgung bietet, eine Diskriminierung beim Zugang zu
neuen Systemen und Diensten ausschließt (Universaldienst) und
die auf sozialverträgliche Informations- und Kommunikationstechnologien eine Anstoßwirkung entfaltet;
• Weiterentwicklung der Verkehrspolitik zur Reduktion von Umweltbelastungen und der Sicherung der Mobilität; eine Energiepolitik
zu vordringlichen Energieeinsparungen und damit verbundenen
Investitionen; Ankurbelung des Wohnungsbaus und der Stadterneuerung,
• Forcierung der europäischen Integration, durch eine koordinierte
europäische Wirtschafts- und Strukturpolitik und die Erschließung
neu entstehender Märkte, insbesondere in Asien.
Einhergehen müssen diese Maßnahmen mit einer Ausweitung der
Beteiligung und Mitbestimmung der Beschäftigten und der Gewerkschaften in Betrieb, Verwaltung und Unternehmen, um u. a. die Wirksamkeit der beschäftigungs-politischen Maßnahmen zu garantieren.
Stärker noch als in der Vergangenheit gilt es, die Chancen zu nutzen,
Qualifizierungs- und Bildungspolitik mit tarifpolitischen Vorstellungen
zu einer integrierten Arbeits- und Produktivitätspolitik zu verbinden.
6. Im Mittelpunkt der Modernisierung des Sozialstaates muß die Steigerung von Qualität und Gerechtigkeit des Systems der sozialen Sicherung stehen.
Der Abbau der Arbeitslosigkeit durch Schaffung neuer Arbeitsplätze
leistet einen entscheidenden Beitrag zur Zukunfts- und Finanzierungsfähigkeit des Sozialstaates. Die Modernisierung der Sozialstaates muß sich auf die Grundlinien einer zukunftsorientierten Konzepti-
348
DOKUMENTATION
on, d.h. die Steigerung von Qualität und Gerechtigkeit des Systems
der sozialen Sicherung, konzentrieren. Das heißt:
Präventiv das Eintreten von Risiken (Arbeitslosigkeit, Krankheit, Dequalifizierung, Berufs- und Erwerbsunfähigkeit) verhindern bzw. minimieren. Auch wenn dafür zunächst vermehrt finanzielle Ressourcen
zur Verfügung gestellt werden müssen, ist eine umfassend präventive
Sozialpolitik nicht nur individuell nützlich, sondern gesamtwirtschaftlich sinnvoll.
Ein modernes leistungsfähiges Gesundheitssystem, das eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung sicherstellt, gleiche Zugangs- und
Nutzungsmöglichkeiten garantiert, bedarfsdeckend arbeitet und solidarisch nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen finanziert wird.
Die vorhandenen Ressourcen müssen zielgerichtet und effizient eingesetzt werden. Dazu gehört, die sozialen Sicherungssysteme so umzugestalten, daß sie Armut tatsächlich verhindern, und eine bedarfsorientierte Mindestsicherung zu gewährleisten.
Gesellschaftliche Entwicklungen müssen auch im sozialstaatlichen
Handeln ihren Widerhall finden. So sind rein ehebezogene Leistungen
des Familienleistungsausgleichs auf kindbezogene Anspruchsgrundlagen umzustellen, die unterschiedlichen Versorgungssysteme anzugleichen und staatliche Aufgaben von den Sozialversicherungen auf
eine Steuerfinanzierung umzustellen.
Unübersichtliche Leistungsstrukturen müssen überwunden werden.
Sie stellen für die Bürgerinnen und Bürger nicht nur bürokratische
Hemmnisse dar, sie sind auch ineffizient und verschlingen erhebliche
Finanzmittel. Die soziale Absicherung einzelner Risikokomplexe ist
deshalb durch jeweils eine Institution zu gewährleisten, so daß die
Verwaltung vereinfacht, der Zugang erleichtert und die Transparenz
verbessert wird.
7. Die soziale Demokratie stärken - die Betroffenen zu Beteiligten machen: Das demokratische Prinzip ist wirtschaftlich und sozial vernünftig.
Die Reformfähigkeit unserer sozialen Ordnung beweist sich auch
darin, inwieweit sie in der Lage ist, den gesellschaftlichen Wandel sozialverantwortlich und demokratisch zu gestalten. Soziale Sicherheit
und umfassende Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte sind unverzichtbare Voraussetzung für die Wahrnehmung politischer Bürgerrechte im Arbeitsleben und in der Gesellschaft.
349
DOKUMENTATION
Eines der effektivsten Instrumente, Arbeitnehmerinteressen Geltung
zu verschaffen, ist die Tarifautonomie. Tarifverträge setzen Mindeststandards bei den Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen und mildern
die Konkurrenz der Arbeitnehmer untereinander. Durch Tarifverträge
werden einheitliche soziale Standards ermöglicht. Sie geben den Unternehmen Planungssicherheit und eine verläßliche Grundlage für ihre
Kalkulation, tragen zu einer relativ homogenen Industriestruktur bei
und verhindern im vorwettbewerblichen Raum Unterbietungskonkurrenz. Die Autonomie der Tarifpartner sichert den sozialen Frieden und
den Standort Deutschland. Wer sie abschaffen will, rüttelt an den
Fundamenten unserer Wirtschaftsordnung.
Der Flächentarifvertrag hat sich in den letzten Jahrzehnten als Instrument bewährt. Die Gewerkschaften werden den Flächentarifvertrag sichern, indem sie seine Stärken weiterentwickeln und Tatbestände, die in bisherigen Tarifverträgen nicht aufgegriffen sind, in
neuen Tarifverträgen verabreden. Hier müssen neue Strukturen geschaffen werden, die z.B. die Leistungen erfassen, die Mitgestaltung
der Beschäftigten bei Produktion und Technik sichern und Qualifikationsmöglichkeiten sowie Mitspracherechte eröffnen. Es ist höchste
Zeit, daß sich Arbeitgeber und Gewerkschaften über diese Reformen
verständigen.
Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft sind mit dem Ausbau alter
Formen der mittelbaren Beteiligung (z.B. Selbstverwaltung der sozialen Sicherungssysteme) und mit neuen Verfahren der direkten Mitentscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten durch die Menschen zu
verbinden. Beispielsweise bei der Umsetzung betrieblicher und gesellschaftlicher Reformkonzepte:
• In der Arbeitsmarktpolitik: regionalisierte Arbeitsmarkt- und Qualifizierungsmaßnahmen durch Stärkung der Selbstverwaltung vor
Ort;
• im Gesundheitswesen: ( Betriebliche) Prävention durch Gesundheitszirkel und -arbeitskreise, lokale Sozial- und Gesundheitsnetze
etc.;
• in allen Bereichen, in denen Eigeninitiative gefördert werden kann
(z.B. Kindererziehung oder Pflege von Kranken oder Behinderten).
Die soziale Demokratie will eine Gesellschaft selbständiger Menschen, die für sich und andere Verantwortung übernehmen. Ein sinnvoller Weg zur Stärkung von Eigeninitiativen und Mitbestimmung stellt
die Unterstützung und materielle Förderung von Selbsthilfegruppen
und -organisationen durch den Sozialstaat dar. Durch die Bereitstellung von Sachmitteln, Beratung, institutionelle und materielle Förde-
350
DOKUMENTATION
rung kann private und gesellschaftliche Initiative zur Bewältigung von
Alltagsproblemen gestärkt werden. Hilfe zur Selbsthilfe bedarf der
Unterstützung.
Anzustreben ist darüber hinaus ein neues Mischungsverhältnis staatlicher Leistungen, den Leistungen einzelner und der freien Organisationen wie der Wohlfahrtspflege. Je mehr Menschen an der Produktion sozialer Güter beteiligt sind, um so mehr steigt die soziale Produktivität der Gesellschaft, um so wirtschaftlicher und menschlicher werden die sozialen Dienste und Leistungen erbracht. Die Betroffenen zu
Beteiligten zu machen: Dieses demokratische Prinzip ist auch wirtschaftlich und sozial vernünftig. Dazu müssen die dezentralen Entscheidungskompetenzen der sozialen Sicherungssysteme ausgeweitet sowie freie Wohlfahrtspflege und sozialpolitische Initiativen aufgewertet werden. Die Festigung und Fortentwicklung des Sozialstaates
verlangt vor allem Bürgernähe und aktive Partizipation in den Innovationsprozessen.
8. Die Sozialverwaltungen modernisieren, mehr Beteiligung ermöglichen und die Partizipation als Produktivkraft nutzen
Nur mit einer leistungsfähigen Öffentlichen Verwaltung und einem effizienten Öffentlichen Dienst können der Sozialstaat erhalten und reformiert, die Wirtschaft modernisiert und die Wettbewerbsfähigkeit
durch vorbildliche Infrastruktur verbessert werden. Sozialstaatliche
Einrichtungen müssen als effektive und bürgernahe Dienstleistungseinrichtungen gestaltet werden. Eine Reform der Sozialverwaltungen
darf nicht nur die Senkung der Personalkosten zum Ziel haben, sondern vielmehr effiziente Dienstleistungen, Weiterbildung der Beschäftigten, den Einsatz neuer Techniken sowie die Modernisierung der
Aufbau- und Ablauforganisation. Defizite, die durch völlig veraltete
Aufbau- und Ablauforganisation, produktivitätshemmende Hierarchien, demotivierendes Führungsverhalten und unzeitgemäße Bezahlungsstruktur verursacht werden, müssen gerade in Zeiten knapper
Finanzen beseitigt werden. Voraussetzung dafür sind aktive Partizipation der Beschäftigten sowie erweiterte Beteiligungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten der Gewerkschaften und der Betriebs- und Personalräte.
9. Über Europa hinaus sozialen Fortschritt sichern und ausbauen:
Umwelt-, Sozial- und Währungsdumping bekämpfen
Unsere Verantwortung für soziale Sicherheit und Schutz der Umwelt
überall in der Welt verpflichtet uns, mit internationalen Vereinbarun-
351
DOKUMENTATION
gen gegen soziales und ökologisches Dumping vorzugehen. Auch im
internationalen Wettbewerb müssen Soziales und Demokratie unantastbar bleiben, dürfen Wettbewerbsvorteile nicht durch Zerstörung
der Umwelt erkauft werden.
Auch Europa steht vor der Herausforderung, sich ein neues
Wohlstands- und Sozialmodell als Perspektive zu erarbeiten, das sozialen Fortschritt und ökologische Nachhaltigkeit miteinander verbindet. Der politischen Gestaltung einer Europäischen Sozialunion für die
nächste Entwicklungsphase ist Priorität einzuräumen. Gefordert wird
eine europäische Sozial- und Beschäftigungspolitik, die dem Auftrag
der "Europäischen Sozialcharta" von 1989 entsprechend auf eine Angleichung und Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu
sozialem Fortschritt hinwirkt.
Bei der 1996 anstehenden Revision des "Maastrichter Vertrages" muß
der Ausbau der sozialen Dimension Europas im Vordergrund stehen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Sozialdemokratische Partei
Deutschlands fordern die Aufnahme eines allgemeinen Sozialstaatsauftrages und eines förmlichen sozialen Grundrechtskatalogs in den
Vertrag. Zugleich muß das "Sozialpolitische Protokoll" Teil des EUVertragswerkes werden. Arbeitsschutz, Mitbestimmung, Chancengleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt sowie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit werden dann zu
Aufgaben der Europäischen Union.
Soll Wohlstand und soziale Sicherheit in Deutschland erhalten bleiben, Wirtschaft und Beschäftigung in Europa gestärkt und die ökonomische und soziale Entwicklung der Länder der Dritten Welt gefördert werden, muß der internationale Rahmen für den Handel mit Gütern, Dienstleistungen und Kapital erweitert und gestärkt werden. Auf
dem Weltmarkt darf es nicht durch Umwelt-, Sozial- oder Währungsdumping zu Wettbewerbsverzerrungen kommen.
Hierzu müssen die unveräußerlichen sozialen Grundnormen und Arbeitnehmerschutzrechte der Internationalen Arbeitsorganisation auch
in der Praxis durchgesetzt werden. Darüber hinaus gilt es, innerhalb
des GATT bzw. der Regelungen der Welthandelsorganisation (WTO)
ökologische und soziale Mindeststandards zu entwickeln, zu vereinbaren und dann wirksam in allen Ländern durchzusetzen.
10. Im Konsens den Sozialstaat fortentwickeln, Demokratie und soziale Gerechtigkeit am Lebens- und Wirtschaftsstandort Deutschland
sichern
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DOKUMENTATION
Der Sozialstaat ist von der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft abhängig, die Wirtschaft wiederum von einer gut ausgebauten öffentlichen
Infrastruktur und leistungsfähigen öffentlichen Diensten. Das soziale
System wirkt also als produktiver Faktor positiv auf die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft ein. Es befördert u.a. durch soziale Sicherheit und aktive Reformpolitik den sozial-ökologischen Wandel von
Wirtschaft und Gesellschaft. Sozialstaatliche Politik hat also nicht nur
einen sozialen, sondern auch einen hohen wirtschaftlichen Wert.
In der Debatte um den Sozialstaat steht zumeist die einzelwirtschaftliche Betrachtungsweise von Sozialleistungen im Vordergrund. Außer
acht bleiben dagegen die gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Vorteile, die mit unserem System der sozialen Sicherung
und einem umweltbewußten Wirtschafts- und Sozialstaat verbunden
sind. Deshalb müssen Wirtschaft und Politik einen gemeinsamen
Grundkonsens suchen, um den Sozialstaat am Lebens- und Wirtschaftsstandort Deutschland fortzuentwickeln. Für Gewerkschaften
und Sozialdemokratie ist und bleibt der Sozialstaat die unabdingbare
Voraussetzung für Demokratie und Gerechtigkeit!
Auf ihrem Parteitag 1968 in Nürnberg hat die SPD die Einrichtung eines Gewerkschaftsrates beschlossen. Der derzeitigen Gewerkschaftsrat (Vorsitzende Rudolf Scharping und Dieter Schulte) setzt sich wie
folgt zusammen:
Zusammensetzung des Gewerkschaftsrates der SPD
Für die Gewerkschaften:
Dieter Schulte (Vorsitzender), Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes; Ursula Engelen-Kefer, Stellvertr. Vorsitzende des
DGB; Michael Geuenich, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB; Bruno Köbele, Bundesvorsitzender der IG BauSteine-Erden; Hans Berger, 1. Vorsitzender der IG Bergbau und
Energie; Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der IG Chemie-PapierKeramik; Rudi Schäfer, Vorsitzender der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands; Dieter Wunder, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft; Hans-Joachim Wilms, Vorsitzender der
Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft; Margret MönigRaane, Vorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen; Gisbert Schlemmer, Vorsitzender der Gewerkschaft Holz und
Kunststoff; Werner Dick, 1. Vorsitzender der Gewerkschaft Leder;
Detef Hensche, Vorsitzender der IG Medien Druck und Papier, Publi-
353
DOKUMENTATION
zistik und Kunst; Klaus Zwickel, 1. Vorsitzender der IG Metall; FranzJosef Möllenberg, 1. Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-GenußGasttätten; Herbert Mai, Vorsitzender der Gewerkschaft Öffentliche
Dienste, Transport und Verkehr; Klaus Steffenhagen, Stellvertr. Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei; Kurt van Haaren, Vorsitzender
der Deutschen Postgewerkschaft; Willi Arens, Vorsitzender der Gewerkschaft Textil-Bekleidung; Roland Issen, Vorsitzender der Deutschen Angestellten Gewerkschaft; Karl Klein, Stellvertr. Vorsitzender
des Deutschen Beamtenbundes; Hans Matthöfer, Vorsitzender des
Vorstandes der BGAG.
Für die SPD:
Rudolf Scharping (Vorsitzender), Johannes Rau, Oskar Lafontaine,
Herta Däubler-Gmelin, Wolfgang Thierse, Heidemarie WieczorekZeul, Günter Verheugen, Inge Wettig-Danielmeier, Rudolf Dreßler,
Renate Schmidt, Gerhard Schröder, Gisela Schröter, Christoph Zöpel,
Hans-Ulrich Klose, Anke Fuchs, Ingrid Matthäus-Meier, Hans-Jochen
Vogel, Franz Müntefering, Hans Wiesen.
Für die Friedrich-Ebert-Stiftung:
Holger Börner (Vorsitzender des Vorstandes), Jürgen Burckhardt (geschäftsführendes Vorstandsmitglied).
Wenn es der SPD wirklich darum ginge, nicht nur die Regierungsparteien madig zu machen und bei Wahlen irgendwann besser abzuschneiden, hätte sie längst gegen den schieren Kapitalismus und dessen Vasallen Front gemacht und sich geeignete Verbündete gesucht. Von der Notwendigkeit her hatte sich zwischen
Herbst 1995 und der Aufkündigung des Rentenkonsenses im Mai
1996 nicht viel geändert. So ließ sich die SPD die Schau von den
Gewerkschaften stehlen, die jedoch auch erst der Regierung auf
den Leim gekrochen waren. Tatsächlich wurde das „Bündnis für
Arbeit“ von den maßgebenden Regierungs- und Arbeitgeberkreisen nie ernst genommenXIX. Es diente nur zum Hinhalten. Als
SPD und Gewerkschaften dies merkten und Schulterschluß zu
üben begannen, war ein halbes Jahr verloren und noch nichts getan worden, eine weitere Umverteilung von unten nach oben wirksam zu blockieren.
354
DOKUMENTATION
Wegen des Mißtrauens, daß die Abgeordneten ihre Diätenerhöhung nicht verschieben70 würden, blieb auch der öffentliche Dienst
bei seinen Lohn- und Gehaltsforderungen zunächst hart.
70
Wegen der brodelnden Stimmung im Volk hatten sich die Parteien
Mitte Juni schließlich dazu durchgerungen, die Diätenerhöhungsautomatik für ein Jahr anzuhalten.
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DOKUMENTATION
<17> Querelen der „Schmuddelkinder“
Neben denen, welche sich durch das Prädikat „etablierte Partei“
nahezu geadelt fühlen und so etwas wie einen Alleinvertretungsanspruch vor sich her tragen, gibt es noch so eine Art „Schmuddelkinder“ in der politischen Szene, die nicht so richtig dazu zu gehören scheinen.
Ein Haufen von diesen umbequemen Quänglern stammt aus
dem Osten und mußte als lästiges Unkraut beim Neuerwerb alter
Ländereien in Kauf genommen werden.
Das Inkaufnehmen implizierte später eine Art von Nicht-ernstnehmen-Müssens. Man hatte es halt am Halse, dieses Kraut mit
der ideologisch verdächtigen Kontaminierung. Und nach den Regeln der Unkrautverhütung (auch Wahlgesetz genannt) war ihm
nicht beizukommen gewesen. Schlimmer noch, der Hochadel im
Parlament mußte sich obendrein dem rötlichen Dunst aussetzen,
der durch Vorträge dieser Leute vom Rednerpult ausging. Einer,
den man trotz etlicher Versuche nicht loswerden konnte, ist Gregor Gysi, bei dem es oft schwerfällt, Substanz in seinen Reden zu
leugnen:
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das Wort dem Vorsitzenden der
Gruppe der PDS, Dr. Gregor Gysi.
Dr. Gregor Gysi (PDS):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es nach meiner festen Auffassung nicht mit einer Haushaltskrise zu tun, sondern mit einer Gesellschaftskrise.
(Beifall bei der PDS)
Wir erleben zumindest den versuchten Durchbruch des Neoliberalismus, getragen
von der Koalition, von der Bundesregierung, von Arbeitgeberverbänden und auch
von Banken. Es geht hier nicht um ein Sparprogramm; in Wirklichkeit geht es um
eine Kulturwende.
(Beifall bei der PDS)
Das fängt schon mit der Sprache an. Der Vorsitzende der F.D.P. hat uns gerade
erklärt, daß der Sozialabbau modern sei. Das aber heißt, daß jemand, der für soziale Gerechtigkeit eintritt, unmodern ist. Das heißt, daß die Frage des sozialen
356
DOKUMENTATION
Ausgleichs und der sozialen Gerechtigkeit als eine Frage des letzten Jahrhunderts
betrachtet wird.
Ich finde, wir sollten nicht wie beim Asyl, wie beim Begriff Flüchtling und bei anderen Dingen zulassen, daß die Begriffe "sozial" und "solidarisch" negativ besetzt
werden!
Sie müssen in unserer Gesellschaft einen positiven Klang behalten.
(Beifall bei der PDS)
Ich halte das Programm im übrigen auch für verfassungswidrig. Es gibt nicht wenige Personen, deren Würde durch dieses Programm verletzt wird. Das verstößt
gegen Art. 1 des Grundgesetzes.
Aufgegeben wird die Anforderung des Art. 14, daß Eigentum und Vermögen zugleich dem Gemeinwohl dienen sollen. Davon kann nach diesem Programm überhaupt keine Rede sein.
(Beifall bei der PDS)
Vor allem wird auch die Sozialstaatlichkeit aufgegeben, die im Art. 20 des Grundgesetzes festgeschrieben ist.
Mit diesem Programm wird ein Gründungskonsens der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben.
(Beifall bei der PDS)
Übrigens hat das weitgehende Folgen; nicht nur materielle. Wenn Sie den Sozialabbau so fortsetzen, wie diese Koalition und diese Regierung es tun, dann, behaupte ich, schaffen Sie auch neue Chancen für den Rechtsextremismus, der bekanntlich immer sehr sozialpopulistisch auftritt und dadurch leider an Einfluß in
dieser Gesellschaft gewinnen wird. Auch dafür tragen Sie dann Verantwortung.
(Beifall bei der PDS)
Sie verstoßen auch gegen das Gebot der deutschen Einheit, schon deshalb, weil
Sie den Sozialabbau unter anderem mit den Kosten für den Aufbau in den neuen
Bundesländern begründen. Sie wissen ganz genau, was die Folge davon ist, nämlich eine Ableh-nungsstimmung in der Bevölkerung Westdeutschlands und eine
Demütigung der Bevölkerung Ostdeutschlands, obwohl Ihnen bekannt ist, daß Ihre
Sozialabbaupläne mit der Einheit überhaupt nichts zu tun haben. Das nenne ich
Spaltungspolitik.
(Beifall bei der PDS)
Da hilft es auch nicht, wenn Sie, Herr Bundeskanzler, in Ihrer Rede erklären, daß
Sie es nicht beklagen, daß dafür Kosten entstanden sind. Das ist noch demütigender. Warum erwähnen Sie denn jeden Tag die Kosten für die deutsche Einheit,
wenn Sie sie gar nicht beklagen? Sie erwähnen sie, um unsere Bevölkerung psychologisch zu spalten. Und dabei wissen Sie auch noch, daß die Zahlen falsch
sind.
(Beifall bei der PDS)
Herr Schäuble und auch Sie, Herr Gerhardt, haben eindeutig unrecht, wenn Sie
erklären, daß all das, was jetzt passiert, vor den Landtagswahlen gesagt worden
sei. Zeigen Sie mir doch einmal, wo in Ihrem 50-Punkte-Programm steht, daß das
Kindergeld entgegen den gesetzlichen Festlegungen am 1. Januar 1997 nicht erhöht werden soll! Kein Mensch hat das vorher gesagt.
(Beifall bei der PDS)
357
DOKUMENTATION
Das gilt entsprechend für den Kinderfreibetrag und für andere Regelungen.
Wenn Sie auf die Lohnfortzahlung hinweisen, dann haben Sie auch nur erklärt,
daß die Tarifpartner etwas anderes vereinbaren sollen.
(Beifall bei der PDS)
Sie haben mit keinem Wort gesagt, daß Sie die Gesetze ändern werden, um die
Tarifpartner zu zwingen, die Lohnfortzahlung zu reduzieren. Das ist das, was Sie
jetzt tun. Nein, Sie haben vor den Wahlen nicht die Wahrheit gesagt, so wie Sie
noch vor keiner Wahl die Wahrheit gesagt haben.
(Beifall bei der PDS)
Das einzige, was man den Wählerinnen und Wählern anlasten kann, ist, daß sie
immer wieder darauf hereinfallen, zumindest ein Teil davon. Vielleicht werden es
aber auch weniger.
(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Jetzt schimpft er auf die Wähler!)
-- Wissen Sie, ich gehe auch mit der Bevölkerung kritisch um und halte auch
nichts davon, daß man sich nicht kritisch zu Leuten äußert.
(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sie sollten mit sich selbst kritisch umgehen!)
-- Das machen wir doch. Ich muß mich doch auch dafür rechtfertigen, warum 1990
so viele CDU gewählt haben. Das hat auch etwas mit Schuld und Vergangenheit
zu tun. Sie müssen aber zugeben, es läßt in den neuen Bundesländern nach. Wir
sind lernfähig.
(Beifall bei der PDS)
Sie täuschen auch mit diesem Programm. Denn in einem Brief an alle Bürgerinnen
und Bürger -- das erinnert mich übrigens auch an andere Zeiten -(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)
hat der Herr Bundeskanzler dargelegt, daß es zwar hart sei, was auf die Bürgerinnen und Bürger zukomme, aber dringend notwendig sei, um das Hauptproblem einer Lösung zuzuführen: das Problem der Arbeitsplätze. Jetzt möchte ich gerne von
Ihnen wissen: Wieso soll mit diesem Programm irgendein Arbeitsplatz geschaffen
werden? Das müssen Sie einmal erklären.
Was machen Sie denn in Wirklichkeit? Sie reduzieren die Kaufkraft nach eigenen
Angaben um 25 Milliarden DM. Wenn Sie die Kaufkraft um 25 Milliarden DM reduzieren, weil Sie das sozusagen den sozial Bedürftigen wegnehmen, dann wird die
Folge sein, daß die Binnennachfrage um 25 Milliarden DM zurückgeht. Das Ergebnis ist ein Abbau von Dienstleistungen, ein Abbau von Produktion und damit
selbstverständlich der Abbau von Arbeitsplätzen. 25 Milliarden DM entsprechen
100.000 Arbeitsplätzen, die Sie mit diesem Programm abbauen.
(Beifall bei der PDS -- Kurt J. Rossmanith [CDU/CDU]: Keine Ahnung!)
-- Ach, versuchen Sie sich doch nicht als Sachverständiger der DDR. Sie verstehen doch kaum etwas von der Bundesrepublik, geschweige denn von der DDR.
Ich sage Ihnen: Die Kaufkraftreduzierung wird uns viele Arbeitsplätze kosten.
Sie wollen die Kuren verteuern und kürzen. Schafft das Arbeitsplätze oder beseitigt
das Arbeitsplätze im Kurenbetrieb? Sie wollen die Gesundheitsvorsorge im wesentlichen reduzieren. Schafft das Arbeitsplätze im medizinischen Bereich, oder
baut das Arbeitsplätze im medizinischen Bereich ab? Sie wollen dafür sorgen, daß
358
DOKUMENTATION
Brillen und für die nächste Generation auch Zahnersatz nicht mehr bezahlt werden.
Schafft das Arbeitsplätze, oder baut das nicht Arbeitsplätze ab?
(Beifall bei der PDS)
Sie wollen das Rentenalter erhöhen. Sagen Sie mir doch einmal, wie Sie dadurch
Arbeitsplätze schaffen wollen, wenn Menschen länger arbeiten müssen und die
nächste Generation keine Arbeitsplätze bekommt. Das ist auch ein Abbau von Arbeitsplätzen.
(Beifall bei der PDS)
Sie wollen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kürzen und werden damit auch die
Zahl der Arbeitslosen gerade in den neuen Bundesländern drastisch erhöhen.
(Zuruf des Abg. Uwe Lühr [F.D.P.])
-- Ja, das ist schon so. Sie wissen ganz genau: Wenn überhaupt, brauchen wir eine Arbeitszeitverkürzung, damit die Arbeit auf mehr Schultern verteilt wird; denn in
immer weniger Zeit wird von immer weniger Menschen immer mehr hergestellt.
Statt dessen verlängern Sie die Arbeitszeit mit der gegenteiligen Wirkung. Das
Ganze, was Sie machen, ist auch eine schlimme Solidaritätsverletzung.
Der Kanzler hört zwar nicht mehr zu, obwohl es um seine Erklärung geht, aber
vielleicht lernt er ohnehin nicht mehr dazu. Nur eines will ich sagen: Er hat gesagt,
wir dürfen nicht an Besitzständen kleben. Das sagt übrigens auch Herr Schäuble
laufend. Ich möchte gerne einmal wissen, wessen Besitzstände hier gemeint sind.
Nennen Sie mir doch einmal einen einzigen Punkt aus diesem Programm, der den
Bundeskanzler, mich oder irgendeinen anderen hier im Saal betrifft. Wir haben danach keine einzige Mark weniger. Aber die sozial Schwachen und die Lohnabhängigen haben danach weniger.
(Beifall bei der PDS)
Wessen Besitzstände greifen Sie denn täglich an? Unsere doch nicht. Wir haben
uns doch in dieser Zeit die Diäten gerade erhöht, und die nächste Er-höhung soll
am 1. Juli 1996 folgen. Die Anpassung der Sozialhilfe soll ausfallen. Die Anpassung der Diäten und unserer Kostenpauschale soll stattfinden. Das verstehen Sie
unter sozialer Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft!
(Beifall bei der PDS -- Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Nackter Populismus!)
-- Aber es ist wahr. Nennen Sie mir den Punkt, bei dem wir etwas draufzahlen,
wenn Ihr Programm verwirklicht wird! Nichts! Wir haben danach sogar mehr. Aber
die sozial Schwachen in dieser Gesellschaft müssen draufzahlen. Das ist keine
Schieflage mehr, das ist skandalös, was Sie hier betreiben.
(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Hätten Sie die DDR nicht kaputtgemacht, sähe
vieles besser aus!)
Die wirklich Vermögenden in dieser Gesellschaft müssen Sie ja nicht fürchten. Die
Vermögensteuer soll praktisch abgeschafft werden. Die Erbschaftsteuer soll gesenkt werden, und zwar gerade für große Erbschaften, nicht für die kleinen. Das ist
das eine. Wie gesagt: keine Anpassung bei der Sozialhilfe, keine Erhöhung des
Kindergeldes. Beim Kindergeld ist das Ganze übrigens auch noch verfassungswidrig. Das ist die andere Antwort, die diese Koalition gibt. Das gilt übrigens auch für
das Dienstmädchenprivileg.
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DOKUMENTATION
Bei Herrn Gerhardt ist mir folgendes aufgefallen -- es ist interessant, wie argumentiert wird --: Bei den sozial Schwächeren in unserer Gesellschaft wird immer gesagt, wir brauchen neue Gesetze, um den Sozialmißbrauch in diesem oder in jenem Falle auszuschließen. Da sitzen ganze Expertengruppen und denken darüber
nach, wie man verhindern kann, daß irgendwo in Hamburg oder in Erfurt eine Sozialhilfeempfängerin 10 DM zuviel bekommt. Aber bei den Vermögenden argumentieren Sie immer umgekehrt. Da sagen Sie: Wir können die nicht höher besteuern,
denn dann halten die sich nicht an die Gesetze; dann beschäftigen sie die Dienstmädchen eben schwarz, oder sie begehen Kapitalflucht; und bevor die kriminell
werden, schenken wir es ihnen lieber. Das ist Ihre Argumentation, die Sie hier im
Ernst anbieten.
(Heiterkeit und Beifall bei der PDS -- Dr. Guido Westerwelle [F.D.P.]: Was wissen
Sie schon von Kapitalflucht? Mein Gott!)
Mit diesem Argument können Sie auch den Diebstahlsparagraphen abschaffen,
weil er häufig verletzt wird. Das ist wohl keine sehr günstige Ausgangsposition, die
Sie hier gewählt haben.
Natürlich gibt es Kapitalflucht. Wissen Sie was? Dann besteuern Sie doch endlich
die Kapitalflucht! Steuern heißen Steuern, weil man damit steuern kann. Wenn Sie
nicht wollen, daß das Kapital ins Ausland geht, dann machen Sie den Gang des
Kapitals ins Ausland steuerpflichtig. Dann bricht Ihre ganze Argumentation zusammen, die Sie hier anbieten, wenn es um höhere Steuern für wirklich Reiche
und Vermögende geht.
(Beifall bei der PDS)
Für alle anderen Vorschläge, die Sie unterbreiten, läßt sich dasselbe erklären. All
das ist letztlich eine Verletzung des Solidaritätsprinzips. Auch die Nullrunde im öffentlichen Dienst ist wieder völlig unabhängig von der Höhe der Einkünfte.
Und dann Ihre Argumentation bei der Lohnfortzahlung: Herr Bundeskanzler, wenn
Sie sagen, das betreffe nur 20 Prozent, dann sage ich Ihnen, daß das falsch ist,
weil nämlich in vielen Tarifverträgen auf die gesetzlichen Bestimmungen Bezug
genommen wird. Wenn Sie die gesetzlichen Bestimmungen ändern, dann betrifft
das sehr viele Beschäftigte, die eine Reduzierung bei der Lohnfortzahlung in Kauf
nehmen müssen.
Aber was noch viel schlimmer ist: Wenn es erst einmal einen Teil der Beschäftigten betrifft, dann ist doch klar, daß die Arbeitgeber in den anderen Bereichen sagen werden, daß sie die Konkurrenz nicht aushalten. Wenn A bei der Lohnfortzahlung weniger zahlt, muß auch B weniger zahlen. Das wird das Argument sein,
und das wissen Sie auch. Deshalb wollen Sie das ja einleiten, damit die Lohnfortzahlung doch beachtlich in Frage gestellt wird und damit eine der wesentlichen und
erstreikten Errungenschaften dieser Bundesrepublik Deutschland.
Dasselbe gilt auch für das Kindergeld, -- ich will dar-auf jetzt nicht weiter eingehen,
auch aus zeitlichen Gründen -- und für die Reduzierung der Leistungen für die Arbeitslosen.
Dann sagen Sie immer, die Renten sind sicher, die Rentnerinnen und Rentner betrifft das alles gar nicht. Abgesehen davon, daß ich an diese Versicherung nicht
glaube: Teurere Kuren, betrifft das etwa nicht Rentnerinnen und Rentner? Die
Nichtbezahlung von Brillen: Betrifft das etwa nicht Rentnerinnen und Rentner? Die
360
DOKUMENTATION
Tatsache, daß man für jedes Arzneimittel zukünftig mehr Geld zahlen muß, betrifft
das nicht auch gerade Rentnerinnen und Rentner? Das alles sind Sozialkürzungen
zu Lasten derjenigen, die inzwischen aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind
und die besonders auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind.
Jetzt sage ich Ihnen etwas, was mir wirklich besonders wichtig ist und was ich mit
dem Wort Kulturwende meine. Es ist ein Detailpunkt, aber ein ganz schlimmer.
Herr Schäuble, ich bitte Sie, wirklich noch einmal ernsthaft darüber nachzudenken.
In Ihrem Programm steht, daß in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1. Januar 1997 für Menschen, die bis dahin nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben,
künftig und für immer die Kostenerstattung von Zahnersatz entfällt. Das heißt: Sie
machen für die nächste Generation Armut wieder sichtbar.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS)
Sie wissen, daß man in jedem Dokumentarfilm über die Dritte Welt die Armut unter
anderem sofort daran erkennt, daß ab einem bestimmten Alter ganz viele Menschen zahnlos sind.
(Zurufe von der CDU/CSU: Mein Gott!)
-- Ja, natürlich. Sie wissen sehr wohl -- schauen Sie sich doch einmal alte Filme
und Photographien an! --, daß im vorigen Jahrhundert und in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts Altersarmut unter anderem sofort zu erkennen war, da sie auch
mit Zahnlosigkeit verbunden war. Denn das Geld reichte nie dafür, Zahnersatz
selbst zu bezahlen oder für diesen Zweck über Dauer eine eigene zusätzliche Versicherung abzuschließen.
Sie machen damit schon im äußeren Erscheinungsbild des Menschen Armut wieder kenntlich. Ich sage Ihnen: Das ist eine wirkliche Kulturwende. Das haben diese
Menschen nicht verdient. Demütigen Sie sie nicht auch noch zusätzlich neben der
materiellen Kürzung, die Sie vorbereiten!
(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ihr vorgesehener Abbau des Kündigungsschutzes ist in seiner Begründung abenteuerlich. Natürlich können Sie immer sagen: Jede Art von Kündigungsschutz behindert Einstellungen. Immer wenn ich irgendwelche Pflichten eingehe, ist das natürlich schwerer, als wenn ich gar keine eingehe. Das beste ist, daß man einstellen
und kündigen kann, wann immer man will, und daß es keine Tarifvereinbarungen
gibt. Dann werden Einstellungen gefördert. Wenn Sie gar keinen Lohn zahlen,
dann gibt es natürlich noch mehr Einstellungen. Das ist alles klar. Aber wir haben
ja auch gewisse rechtliche und zivilisatorische Errungenschaften, die es zu verteidigen gilt, auch wenn es einmal etwas schwieriger ist, sie ein- und durchzuhalten.
Statt dessen nichts Positives auf der anderen Seite der Gesellschaft. Was spricht
denn so sehr gegen eine Abgabe für Besserverdienende? Unser Vorschlag lautete:
10 Prozent der bisherigen Steuerschuld bei Menschen draufsatteln, die netto
60.000 DM oder mehr im Jahr verdienen -- nachdem schon Steuern und Versicherungsbeiträge bezahlt wurden! Jeder, der 5.000 DM oder mehr im Monat zur Verfügung hat -- nachdem er seine Steuern und Versicherungen bezahlt hat --, kann
nicht bestreiten, ein Besserverdienender zu sein. Diejenigen sollen auf ihre bisherige Steuerschuld noch einmal 10 Prozent drauflegen. Falls sie also Steuern in Höhe
von 10.000 DM im Jahr gezahlt haben, sollen sie nun 11.000 DM zahlen. Niemanden von uns würde das ruinieren. Niemand von uns würde dadurch zu einem Sozi-
361
DOKUMENTATION
alfall werden. Wir könnten aber fast alle finanziellen Probleme des Haushalts lösen, wenn Sie sich zu einer solchen Maßnahme bereit erklären würden.
(Beifall bei der PDS)
Es ist bekannt, daß wir natürlich eine Erhöhung der Vermögenssteuer vorschlagen.
Entgegen der Meinung von Herrn Fischer bin ich auch nicht dafür, den Einkommensteuerspitzensatz zu senken. Im Gegenteil, er müßte wieder angehoben werden. Natürlich brauchen wir bei großen Erbschaften auch eine höhere Besteuerung.
Wenn Sie Mittel in Höhe von 25 Milliarden DM einsparen wollen, dann wäre dies
doch so einfach. Lassen Sie uns über den Transrapid nachdenken!
(Beifall bei der PDS)
Lassen Sie uns über die in Berlin geplanten Protzbauten für die Regierung neu
diskutieren!
(Beifall bei der PDS)
Lassen Sie uns über das Ehegattensplitting bei kinderlosen Ehen diskutieren! Das
macht im Jahr allein 30 bis 80 Milliarden DM aus. Lassen Sie uns darüber diskutieren, wie wir eine jährliche Steuerhinterziehung von 100 Milliarden DM und mehr
bekämpfen! Dieses Geld würde zusätzlich zur Verfügung stehen.
Deshalb müssen Sie nicht den Kranken, den Arbeitslosen, den Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern so in die Tasche greifen, wie Sie das im Augenblick
tun. Es gibt Alternativen zur Politik des sozialen Kahlschlags, gerade wenn man
Massenarbeitslosigkeit bekämpfen will.
Lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen. Mit diesem Programm hat die Bundesregierung den Lohnabhängigen, den Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern, den Kranken, den Rentnerinnen und Rentnern, den Arbeitslosen und den
Kindern den sozialen Krieg erklärt. Sie haben Wind gesät. Ich hoffe, daß Sie schon
am 1. Mai 1996 den ersten Sturm ernten werden.
(Anhaltender Beifall bei der PDS)
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das Wort dem Bundesfinanzminister
Dr. Theodor Waigel.
Waigel u.a.: „Herr Gysi, es lohnt sich eigentlich nicht, auf Sie einzugehen.“
Neben den Protokollen mit den Reden (http://www.bundestag
.de/aktuell/113.htm) wurde auch eine Internetseite der SEDNachfolgepartei mit einer Begrüßung durch Gregor Gysi gefunden (http://www.bundestag.de/fraktion/pds.htm).
Guten Tag,
ich freue mich, daß Sie uns im "Netz der Netze" gefunden haben.
Ehrlich gesagt: Ich hätte das nicht fertiggebracht, aber vielleicht packe
ich das auch noch mal ;-).
362
DOKUMENTATION
Doch in unserem WWW-Angebot sollen Sie nicht nur das erfahren.
Sie sollen auch sehen, daß und wie wir als moderne sozialistische
Partei die neuen Medien nutzen, um für unsere Politik zu werben. Lesen Sie weiter, und informieren Sie sich authentisch über die PDS und
ihre Abgeordneten. Es wäre schön, wenn Sie uns dazu Ihre Meinung
mitteilen.
Freundliche Grüße
Ihr Gregor Gysi
Einen an ihn gerichteten persönlichen Gruß erwiderte Gysi
nicht. Wahrscheinlich, weil er („ehrlich gesagt“) es nicht fertiggebracht hatte, ihn zu finden...
363
DOKUMENTATION
<18> Daimler-Benz-Stiftung: „Arbeitsmärkte“
Unter der Internet-Adresse
„http://www2.rz.hu-berlin.de/inside/population/lehrstuhl/fovo3.htm“
ist (war zumindest im Mai 1996) der nachfolgende Beitrag zu finden. Er gibt Aufschluß über einige Rahmendaten, die unsere Betrachtung ergänzen. Vor allem aber soll dieser Artikel belegen, daß
das Internet zu ernsthaften Betrachtungen unendlich viel nützliches Material liefern kann und daß es vielerlei Beschäftigung mit
dem Thema gibt. Wer hätte schon gewußt, daß die Daimler-BenzStiftung sich damit befaßt oder es diese Stiftung überhaupt gibt?
3. Kolleg der Daimler-Benz-Stiftung, Durchführung eines Teilprojektes über die Internationalisierung von Arbeitsmärkten und
die Globalisierung von Migrationssystemen
(Rainer Münz, Wolfgang Seifert, Ralf Ulrich)
Das interdisziplinäre Kolleg verfolgt zwei Zielsetzungen: Das Kolleg
soll Ursachen, Interdependenzen und Folgewirkungen von Globalisierungsprozessen analysieren sowie deren Auswirkungen auf die Bundesrepublik Deutschland detailliert untersuchen und Gestaltungsmöglichkeiten auf der Ebene von Nationalstaaten und Regionen ausloten.
Das am Lehrstuhl bearbeitete Teilprojekt befaßt sich mit den Auswirkungen der Globalisierung von Migrationssystemen. Es geht von folgenden Annahmen aus:
In einigen Staaten Westeuropas wurde der zusätzliche Bedarf an
billigen, wenig qualifizierten Arbeitskräften ab den 50er Jahren durch
Zuwanderung aus ehemaligen oder damals noch bestehenden Kolonien und Überseegebieten gedeckt. Andere Länder holten Gastarbeiter aus Südeuropa, aus der Türkei oder aus dem Maghreb. Diese Internationalisierung der europäischen Arbeitsmärkte setzte insgesamt
an die 30 Millionen Menschen in Richtung Westeuropa oder aus peripheren Regionen Westeuropas (z.B. Irland, Portugal, Spanien, Süditalien) in die industriellen Zentren und Großstädte in Bewegung.
Derzeit leben rund 19 Millionen Menschen als Ausländer in den
Staaten Westeuropas, mehrheitlich, aber keineswegs nur am unteren
Ende der sozialen und beruflichen Hierarchien. Die neuen ethnischen
Unterschichten werden von den traditionellen Gewerkschaften
364
DOKUMENTATION
schlecht und von den politischen Parteien in der Regel gar nicht vertreten. Im Gegensatz zu den USA oder Kanada werden Europas Migranten nur zögerlich oder gar nicht eingebürgert. Sie bleiben damit
vom Wahlrecht und von anderen Bürgerrechten ausgeschlossen. In
Ländern wie Deutschland, der Schweiz und Österreich gilt dies sogar
für die "zweite Generation". Auch die im Inland geborenen Kinder von
Zuwanderern erhalten nicht automatisch die Staatsbürgerschaft dieser westeuropäischen Länder, sondern sind "Ausländer". Dies verstärkt die Heterogenität westeuropäischer Gesellschaften jenseits aller
Zuwanderung.
Die wichtigsten Zielländer der westeuropäischen Arbeitsmigration
sind Deutschland (7 Millionen Ausländer), Frankreich (3,8 Millionen),
Großbritannien (2 Millionen), die Schweiz (1,2 Millionen) und die Benelux-Staaten (1,8 Millionen). Die größten Zuwanderer-Gruppen in
Europa stammen aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien, Italien, Marokko, Portugal, Algerien und Spanien. Zwischen etlichen der
genannten Länder bestehen relativ stabile Migrationsmuster. Fast alle
nach Europa ausgewanderten Algerier, 70% der Portugiesen und 50%
der Marokkaner leben in Frankreich. Fast acht von zehn innerhalb Europas emigrierte Griechen, drei Viertel der emigrierten Ex-Jugoslawen
und zwei Drittel der Türken leben in Deutschland. Großbritannien hat
ähnlich "exklusive" Migrationsbeziehungen mit Irland, Indien, Pakistan
und Bangladesch, die Niederlande mit den Antillen und Belgien,
Schweden mit Finnland, Griechenland mit Albanien. Die größte ausländische Zuwanderergruppe in Europa sind heute die 2 Millionen
Türken und türkischen Kurden in Deutschland.
Quantitativ am stärksten fallen Ausländer und Zuwanderer in einigen Zwergstaaten ins Gewicht (Monaco: 60%, Liechtenstein: 38%,
Luxemburg: 29%). Von den Flächenstaaten Europas hat die Schweiz
mit Abstand den größten Ausländeranteil; nämlich 18%, mit Saisonniers und Mitarbeitern internationaler Organisationen sogar 19%. In
Deutschland liegt der Gesamtanteil der Zuwanderer aufgrund früherer
und aktueller Zuwanderung aus dem Osten, zahlreicher Arbeitsmigranten bei ca. 15%, darunter allerdings nur 8,6% Ausländer. Dahinter kommen Österreich (15% Ausländer und zugewanderte Inländer;
Ausländeranteil 8,6%), Frankreich (11% Immigranten; Ausländeranteil
6,6%), Belgien (10%; 9,1%) und Großbritannien (8%; 3,5%). In allen
genannten Ländern liegt der Anteil der Ausländer unter dem Prozentsatz der Zuwanderer, weil etliche Migranten schon als "Inländer" ins
Land kamen oder inzwischen eingebürgert wurden.
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DOKUMENTATION
Für die Zielländer stellt sich die Frage: Welche Auswirkungen hat
gegenwärtige und zukünftige Migration auf die ökonomische und demographische Entwicklung, insbesondere auf die regionale Bevölkerungsentwicklung, auf die ethnische Zusammensetzung und die
räumliche Konzentration der Wohnbevölkerung? Zugleich geht es um
ein erhebliches Konfliktpotential im Spannungsfeld zwischen Assimilation, sozialer Marginalisierung eines Teils der Migranten und der
ethnisch-nationalen Abgrenzung von Teilen der einheimischen Gesellschaft sowie von bestimmten Einwanderungsminderheiten. Zu
diagnostizieren ist aber auch eine Polarisierung zwischen Migrantengruppen in Abhängigkeit von ethnischen und politischen Konflikten in
den jeweiligen Herkunftsländern. Auf jeden Fall kann kein Zweifel daran bestehen, daß - völlig gegen den Trend der seit den 50er Jahren
diagnostizierten "nivellierten Mittelstandsgesellschaft" - heute die ethnische, religiöse und kulturelle Vielfalt westeuropäischer Gesellschaften wächst.
366
DOKUMENTATION
<19> Grün-türkische Kurdenfrage
Der MdB Cem Özdemir, im Internet virtuos und reichlich im
Interesse seiner türkischen Landsleute vertreten, hatte zusammen
mit anderen vor Jahresfrist und noch weit vor den jüngsten Kurdenkrawallen eine „Kleine Anfrage“ an die Bundesregierung gerichtet. Die nachfolgende Dokumentation soll die Reichhaltigkeit
von Informationen im „Netz“ belegen und dabei auch diese
Gruppe zu Wort kommen lassen.
Deutscher Bundestag
Drucksache 13/1344
13. Wahlperiode
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Amke Dietert-Scheuer, Cem
Özdemir und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 13/1153 Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und Abschiebungen von
Angehörigen der kurdischen Minderheit in die Türkei
--------------------------------------------------------------------------1. Welche Erkenntnisse haben den Bundesminister des Innern dazu
veranlaßt, entgegen den Stellungnahmen der Vertreterinnen und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen bei der Anhörung des Innenausschusses des Deutsch en Bundestages vom 15. März 1995
die Aufhebung des kurzfristigen Abschiebestopps für Kurdinnen und
Kurden anzuordnen?
Das Bundesministerium des Innern hat einer Verlängerung des Abschiebestopps für Kurden aus der Türkei über den 15. März 1995 hinaus nicht zugestimmt, weil nach allen der Bundesregierung vorliegenden Erkenntnissen
367
DOKUMENTATION
•
•
niemand in der Türkei einer besonderen Gefährdung ausgesetzt
ist, nur weil er Kurde ist, und
auch die Verurteilung der kurdischen Abgeordneten des türkischen
Parlaments die Lage der Kurden allgemein in der Türkei nicht verändert hat.
Auch die Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 15. März 1995 hat nichts Gegenteiliges ergeben.
2. Wie bewertet die Bundesregierung die Zusagen des türkischen Innenministers zur Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der UN-Antifolterkonvention vor dem Hintergrund der Erkenntnisse über die Anwendung von Folter in der Türkei, wie sie u. a.
von der "Europäischen Kommission zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe" des Europarats in ihrem Bericht vom Dezember 1992 sowie im Bericht des
"UN-Komitees gegen die Folter" vom 19. November 1993 bestätigt
werden?
Die Zusagen des türkischen Innenministers werden von der Bundesregierung gerade im Hinblick auf die gegen türkische Behörden erhobenen Vorwürfe als Bekräftigung für den Willen der türkischen Regierung bewertet, die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der UN-Antifolterkonvention sicherzustellen.
3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusagen des türkischen Innenministers, daß Foltervorwürfen nachgegangen werde, vor dem
Hintergrund des Schicksals des Kurden Riza Askin, der nach seiner
Abschiebung und Festnahme im Februar 1994 während der polizeilichen Vernehmungen unter Folter eine Erklärung unterschreiben
mußte, er habe in Deutschland Kontakt mit PKK-nahen Vereinen gehabt und aufgrund dieses "Geständnisses" nach Auskunft des Auswärtigen Amtes wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im September 1994 zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurde? Trifft weiterhin zu, daß den deutschen Stellen immer
noch keine Untersuchungsergebnisse über die Foltervorwürfe vorliegen?
Werden von seiten der Bundesregierung weitere Untersuchungen angestellt, ob die Basis der Verurteilung ein unter Folter gemachtes "Ge-
368
DOKUMENTATION
ständnis" war, und was beabsichtigt die Bundesregierung weiter zu
unternehmen?
Die Beurteilung der Zusagen erfolgt auch vor dem Hintergrund des
Falles Riza Askin, der der Bundesregierung bekannt ist. Bislang liegen der Bundesregierung keine Untersuchungsergebnisse über die
Foltervorwürfe vor. Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse darüber, ob Basis der Verurteilung von Riza Askin ein unter Folter gemachtes "Geständnis" war.
4. Auf welche Weise wird die Bundesregierung dafür sorgen, daß der
in der "Garantie-Erklärung" des türkischen Innenministers nicht angesprochene Personenkreis, nämlich in die Türkei abgeschobene Personen, die sich nicht "an Straftaten im Zusammenhang mit der PKK
und anderen Terrororganisationen in der Bundesrepublik Deutschland
beteiligt haben", in der Türkei vor menschenrechtswidriger Behandlung geschützt sind?
Die Bundesregierung hat keinen Anlaß, menschenrechtswidrige Behandlung aller in die Türkei abgeschobenen Personen zu befürchten.
Sie sieht daher keine Notwendigkeit, im Sinne der Fragestellung tätig
zu werden. Sie wird aber die Entwicklung in dem angesprochenen Bereich sorgfältig beobachten.
5. Auf welche Weise wird sichergestellt, daß die o. a. "GarantieErklärung" sich nicht nur auf die Zeit der Ankunft der Abgeschobenen
auf dem Flughafen und die unmittelbare Zeit danach beziehen?
Da die in der deutsch-türkischen Absprache vorgesehenen Erklärungen der türkischen Seite nicht nur für einen begrenzten Zeitraum abgegeben werden, besteht kein Anlaß, im Sinne der Fragestellung tätig
zu werden.
6. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor dem Hintergrund der Zusage des türkischen Innenministers, daß die türkischen
Behörden abgeschobene Personen "auf Anweisung der zuständigen
Justizorgane die Möglichkeit einräumen werden, jederzeit mit einem
Anwalt zu sprechen" über die Praxis der zuständigen Justizorgane,
inhaftierten oder festgehaltenen Personen die Gelegenheit zu geben,
jederzeit mit einem Anwalt zu sprechen, vor ?
369
DOKUMENTATION
Da die Bundesregierung in der Vergangenheit derartige Zusagen nicht
erhalten hat, liegen keine Erfahrungen über die Praxis der zuständigen Justizorgane vor.
7. Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um sicherzustellen, daß eine abgeschobene Person "einen oder mehrere ggf. schon
vor der Wiedereinreise beauftragte Anwälte ihrer Wahl" bei Identitätsprüfung en, Befragungen und Vernehmungen tatsächlich hinzuziehen
kann, an welche Anwälte ist gedacht, und wie wird insbesondere für
die Finanzierung dieser Anwälte gesorgt?
Ist vorgesehen, daß die Botschaft bzw. das Konsulat bei der Beauftragung des Rechtsanwalts behilflich ist?
Es obliegt nicht der Bundesregierung, sondern den für die Durchführung der Abschiebung zuständigen Behörden der Länder, den abzuschiebenden Personen Gelegenheit zu geben, bereits vor der Abschiebung einem Anwalt ein entsprechendes Mandat zu erteilen. Die
Wahl des Anwalts und seine Finanzierung ist Angelegenheit des einzelnen. Die deutschen Auslandsvertretungen können den Ländern auf
Anfrage Anwaltslisten zur Verfügung stellen.
Die Bundesregierung hat keinen Anlaß zu der Annahme, daß Rechtsanwälte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gegenüber Mandanten, die
sich an Straftaten im Zusammenhang mit der PKK und anderen Terrororganisationen beteiligt habe n, verfolgt werden, solange sie nicht
selbst der Mittäterschaft oder der Beteiligung an den Delikten schuldig
sind.
8. In welcher Form wird sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund, daß in der Vergangenheit zahlreiche Anwältinnen und Anwälte
wegen ihres Engagements für die Menschenrechte angeklagt bzw.
verurteilt wurden und daß Anwältinnen und Anwälte, die Mandanten in
Polizeihaft aufsuchen wollten, Beleidigungen, Beschimpfungen und
tätlichen Angriffen ausgesetzt werden, gegenüber der türkischen Seite
dafür einsetzen, daß Anwältinnen und Anwälte ungehindert ihrer Tätigkeit nachgehen können und aufgrund ihres Einsatzes für aus der
Bundesrepublik Deutschland Abgeschobene nicht selbst der Strafverfolgung oder menschenrechtswidriger Behandlung ausgesetzt
werden?
370
DOKUMENTATION
Die Bundesregierung wird, sofern im Einzelfall Anlaß dazu besteht,
die ihr im Rahmen des Völkerrechts zu Gebote stehenden Möglichkeiten nutzen.
9. In welcher Form wird die Bundesregierung sicherstellen, daß im
Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.
März 1995 (2 BvR 492/95) im Einzelfall die "Garantie-Erklärungen" der
türkischen Seite Anwendung finden, und in welcher Form wird geprüft,
wie insbesondere die zahlreichen Kann-Erklärungen ins Werk gesetzt
werden?
Die deutsch-türkische Absprache ist von den Behörden des Bundes
und der Länder durchzuführen, die für die Entscheidung über Abschiebungshindernisse und die Durchführung von Abschiebungen zuständig sind. Die Handhabung in der Praxis durch die türkischen
Stellen kann aufgrund von Angaben der Betroffenen und ihrer Anwälte
geprüft werden.
10. Welche Möglichkeiten bestehen für die deutsche Seite, auch nach
Ablauf einer längeren Frist den Verbleib der aus Deutschland abgeschobenen Personen zu kontrollieren?
Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, generell dem Verbleib abgeschobener Ausländer in ihrem Herkunftsland nachzugehen. Die
Bundesregierung ist jedoch nach wie vor bereit, konkreten Vorwürfen
auf Menschenrechtsverletzungen nachzugehen.
11. Trifft es zu, daß abgeschobene Personen in Begleitung von deutschen Beamten von diesen direkt der türkischen Polizei übergeben
werden und wenn ja, beabsichtigt die Bundesregierung, dieses Vorgehen zu ändern?
Die deutschen Begleitbeamten übergeben abgeschobene Personen
den türkischen Behörden nur, soweit es im Einzelfall für den Vollzug
der Abschiebung erforderlich ist.
Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des
Bundesministeriums des Innern vom 8. Mai 1995 übermittelt.
Cem Özdemir, MdB, Bundeshaus 53113 Bonn E-Mail: Oezdemir@
mdb3.bn.eunet.de
Aus: Pilotprojekt "Abgeordnete im Internet"
371
DOKUMENTATION
<20> Auszug aus dem Grundgesetz
Hier sind einige Artikel wiedergegeben, die für das Verständnis
der Darlegungen im Buch hilfreich sein können.
Es muß jedoch davor gewarnt werden, die zum Teil sehr einfach
und leichtverständlich formulierten Artikel wörtlich zu nehmen.
Was Regierung und Gesetzgebung aus dem Wortlaut für die Praxis gemacht haben, steht mit dem, was man „nach Adam Riese“
für selbstverständlich halten könnte, nicht selten in einem eklatanten Widerspruch. Vor dem Wortlaut des Gesetzes scheinen oft
die Interessen bestimmter Gruppen höheren Rang zu haben.
Der Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) scheint dafür ein Paradebeispiel zu sein: Wer vor dem „Gesetz“ gleich ist, muß es noch
lange nicht vor der Rechtsprechung sein. Wenn Männer und Frauen gleichberechtigt sind, bedeutet dieses noch nicht, daß sie gleiche
Chancen haben oder ihnen gegenüber gleiche Verpflichtungen
(etwa Lohnzusagen) eingegangen werden. Wer nicht benachteiligt
oder bevorzugt werden darf, wird deshalb noch längst nicht gleichermaßen akzeptiert.
GG ARTIKEL 3
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und
Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen
Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
GG ARTIKEL 9
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den
Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfas-
372
DOKUMENTATION
sungsmä0ige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und
Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses
Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig,
hierauf gerichtete Maánahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen
nach den Artikeln 12 a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87 a Abs. 4 und
Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die
zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt
werden.
GG ARTIKEL 14
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem
Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.
Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der
Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
GG ARTIKEL 20
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer
und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke
in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe
der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an
Gesetz und Recht gebunden.
373
DOKUMENTATION
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn
andere Abhilfe nicht möglich ist.
GG ARTIKEL 21
(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des
Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß
demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über
die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten
ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder
den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden,
sind verfassungswidrig. über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
(3) Das Nähere regeln Bundesgesetze.
<21> Siegmar Mosdorf (Enquête-Kommission)
In einem Gespräch, das vom n-tv ausgestrahlt wurde, berief sich
Dr. Peter Glotz beiläufig auf seine Kollegen Tauss und Mosdorf
sozusagen als Träger des zukunftsorientierten Faähnleins für
Multimedia- und Internetangelegenheiten.
Jörg Tauss hatte sich als kompetenter und gesprächsbereiter
MdB entpuppt, während Siegmar Mosdorf seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter vorschob, wonach sich nichts mehr tat. Hier eine
seiner Fährten im Netz:
Deutscher Bundestag - Zukunft der Medien
[Bundestagsadler]
374
DOKUMENTATION
Siegmar Mosdorf, MdB
Vorsitzender der Enquete-Kommission
"Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft"
Rede zur konstituierenden Sitzung der Enquete-Kommission
am 31. Januar 1996
Erklärung zu Bedeutung und zu Zielen der Kommissionsarbeit
Mit den Ergebnissen unserer Arbeit wollen wir Perspektiven für
den Weg Deutschlands in die Informationsgesellschaft aufzeigen und damit einen Beitrag zur Gestaltung der Industriegesellschaft leisten. In Anlehnung an das, was ich bei der Begründung unseres Antrags zur Einsetzung der Kommission bereits im Bundestag gesagt habe, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß wir es mit nichts weniger als einem ökonomischen, technologischen und kulturellen Quantensprung im
Zusammenhang mit der Entwicklung der neuen Informationsund Kommunikationstechniken zu tun haben.
Immer mehr Menschen erkennen, daß wir an einer Zeitenwende angekommen sind. Durch die Revolution der Kommunikationstechnologien wird es möglich, Informationen mit Lichtgeschwindigkeit rund um den Globus zu schicken. Die Welt wird
ein elektronisches Dorf, das weltweit versammelte Wissen wird
universell verfügbar.
Unter den vielfältigen ökonomischen, technologischen und
kulturellen Aspekten möchte ich hier hervorheben, daß die
neuen Technologien vor allem das Wirtschaftsleben fundamental verändern werden. Neue Berufe entstehen, die Beschäftigung wird sich in andere Sektoren verlagern. Der Produktionssektor verliert, gemessen an seinem Beschäftigungsanteil, an Bedeutung. Auch in den klassischen Dienstleistungs-
375
DOKUMENTATION
bereichen wird die Beschäftigung eher stagnieren. Dagegen
werden in der Informationswirtschaft in den nächsten Jahren
viele tausend Arbeitsplätze entstehen.
Als wichtige Erkenntnis muß in diesem Zusammenhang für uns
gelten, daß die Deutsche Wirtschaft einen technologischen
Sprung nach vorne braucht. Wir haben ökonomische und technologische Vorsprünge verloren. Nur wenn wir diese aufholen,
können wir unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätze sichern.
Die neuen Informationstechnologien bieten in vielerlei Hinsicht
große Chancen. In den USA und anderen Ländern hat man
dies längst erkannt, und gerade deshalb besitzt das Thema Informationsgesellschaft dort einen herausragenden politischen
Stellenwert. Hier ist man uns schon um Längen voraus. Doch
auch wenn wir Vorsprünge verloren haben, müssen wir uns von
dem Grundsatz leiten lassen: Nicht jede mögliche Entwicklung
ist auch wünschenswert. Eine Situation etwa, in der durch ein
immer größeres Unterhaltungsangebot intellektuelle Fähigkeiten vor allem junger Menschen verkümmern, kann niemand in
dieser Gesellschaft akzeptieren. Diese Schlußfolgerung bedeutet, daß wir vielleicht sogar in der Frage der Wertorientierung eine wichtige neue Debatte führen müssen. Mit anderen
Worten: Wir wollen nicht, daß der technische Fortschritt unsere
kulturellen Werte vernachlässigt oder gar überrollt.
Als Kernaussage muß allerdings gelten, daß Deutschland es
sich nicht leisten kann, auf die Informationstechnologien zu
verzichten. Es geht um die langfristige intelligente Sicherung
des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Es geht um zig Tausende neue Arbeitsplätze. Es geht um die Gestaltung der Gegenwart als Zukunft.
Lassen Sie uns gemeinsam - in einem konstruktiven Dialog die Auswirkungen der neuen Informationstechnologien auf un-
376
DOKUMENTATION
sere Gesellschaft untersuchen und mit dem gewonnenen Wissen die Arbeit des Bundestages unterstützen.
Ich bin mir dabei bewußt, daß die unterschiedlichsten Positionen mitunter aufeinanderprallen werden. Ich bin aber ebenso
sicher, daß wir nur durch eine breite Diskussion auf den verschiedenen politischen und wissenschaftlichen Ebenen die
Chance haben, der uns übertragenen Aufgabe gerecht zu werden. In diesem Sinne möchte ich Sie ermuntern, intensiv an
unserem Diskurs mitzuwirken.
<22> Ein „Pfui Deibel“-Seibel?
MdB-Seibel war durch FOCUS-TV aufgekippt.
Deutscher Bundestag - Abgeordnete
Wilfried Seibel
Verleger
Niedersachsen, Landesliste
Geboren am 28. Juli 1945 in Gellersen; evangelisch-lutherisch; verheiratet, zwei Kinder.
Besuch von Volksschule, Realschule und Wirtschaftsgymnasium.
Studium der Volkswirtschaftslehre in Göttingen, Hannover, Köln und
London.
Verlagsleiter eines wissenschaftlichen Verlages, jetzt selbständiger
Verleger.
Mitglied in Tarifausschüssen für Buchhändler und Verleger und des
Verbandes der Deutschen Zeitschriftenver-leger; Vorstandsmitglied im
Zeitschriftenverlegerverband Niedersachsen/Bremen.
1965 bis 1968 Mitglied des Studentenrates und des Stiftungsrates des
Studentenwerkes, stellvertretender AStA-Vorsitzender und Studenten-
377
DOKUMENTATION
vertreter in der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der
Universität Göttingen; 1968 bis 1974 Kreisvorsitzender der Jungen
Union Hameln-Pyrmont, 1974 bis 1980 Vorsitzender der Jungen Union im Bezirk Hannover, stellvertretender Landesvorsitzender der Jungen Union Niedersachsen, Mit-glied des Niedersachsenrates und des
Deutschlandrates der Jungen Union; 1968 bis 1981 mit verschiedener
Dauer in der CDU Ortsvorsitzender, Gemeindeverbandsvorstand und
Kreisvorstand, seit 1992 Kreisvorsitzender Hameln-Pyrmont, Mitglied
des Bezirksvorstandes Hannover und des Bundesausschusses. 1977
bis 1981 Mitglied des Kreistages Hameln-Pyrmont. Mitglied des Bundestages seit 1990; stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe
Niedersachsen der CDU/CSU- Fraktion.
Mitgliedschaften in Gremien des Bundestages
Ordentliches Mitglied in folgenden Bundestagsgremien:
• Haushaltsausschuß
• Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft
Stellvertretendes Mitglied in folgenden Bundestagsgremien:
• Finanzausschuß
• Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und
Technikfolgenabschätzung
• Ausschuß für die Angelegenheiten der EU
Veröffentlichungspflichtige Angaben:
Beruf (während der Mitgliedschaft):
Geschäftsführender Gesellschafter, Knorr und Hirth Verlag GmbH,
Seelze
Verein; Stiftung:
Stiftung "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland",
Bonn, (Mitglied des Kuratoriums)
Interessant ist, wie sich der Abgeordnete schon seit seinem Studium darum bemühte, in politisch relevante Schlüsselpositionen
zu gelangen und danach offenkundig erfolgreich auf „Vorsitze“
zusteuerte.
378
DOKUMENTATION
Daß Universitäten oft die Wiege für Berufspolitiker sind, die von
der Politik her auch ihre sonstigen zivilen Aktivitäten steuern,
wird durch dieses Beispiel anscheinend deutlich.
<23> Der köstliche „JuLi“-Nachzügler
Nach Abschluß der Aktion und nach Absenden des Dankesbriefes gingen plötzlich noch Reaktionen der Abgeordneten ein,
die hier nicht mehr berücksichtigt werden sollen. Ein Abgeordneter sah sich jetzt genötigt, mich zu beschimpfen und mir noch
schlimmere Methoden anzukreiden als den schlimmen Leuten
von der „BILD dir eine Meinung-Zeitung“.
Meine Befürchtung, die meisten Abgeordneten nur in elektronischen Unterhosen zu erwischen, hatte sich erfüllt, der Fall war abgeschlossen. Das Buch mußte ja auch fertigwerden.
Eine einzige Ausnahme soll für den Jungliberalen Markus
Schoenherr gelten. Seine Antwort kam verspätet, aber aus gutem
Grund...
Oder aus schlechtem Grund?
Elektronische Informations- und eMailsyteme sind weltumspannend! Gerade der jederzeitige Zugriff auf diese Systeme von
allen Punkten der Welt soll ja ermöglichen, daß jeder jederzeit
erreichbar ist, seine Post durchsehen und Kontakte halten kann.
Schoenherr war ausgerechnet in den USA, wo solche Systeme um
ein Vielfaches selbstverständlicher sind als hier im verschlafenen
Old Germany.
Seine Antwort erwies sich jedoch als so herzerfrischend, daß sie
hier eine Chance erhalten soll, auch andere Menschen zu erfreuen:
Thema:
Datum:
From:
Re: Einige wichtige Fragen
13.05.96 15:34:11
[email protected] (Markus
Schoenherr)
379
DOKUMENTATION
Reply-to:
To:
[email protected]
[email protected]
Sehr geehrter Herr Schuermann,
ich bin gerade gestern erst wieder nach 5 Wochen
USA nach Hause, also
derzeit Passau, gekommen, und kann Ihre Mail erst
jetzt beantworten.
Hier die Beantwortung Ihrer Fragen:
> Komplex 1:
>
1.1)
> Halten Sie das gegenwaertige Bildungssystem (wie
es IST: Grundschule, Hauptschule, Oberschulen,
Hochschulen) fuer noch irgendwie geeignet, die Absolventen in geeigneter Weise auf die Anforderungen
der gegenwaertigen und erst recht der kuenftigen
Berufswelt "ausreichend" vorzubereiten?
Nein. Eigentlich gehoert alles privatisiert, um eine viel groessere Vielfalt zu erreichen, die den so
unterschiedlichen Menschen gerechter wird. Die Leute muessen schliesslich ihr ganzes Leben lang lernen. Und sollten deshalb vor allem lernen, wie man
lernt, und auch, woher man Information bekommt. Ein
marktwirtschaftliches Angebot an Bildung wird sich
am besten auf die Anforderungen der Zukunft einstellen, auf keinen Fall aber koennen das Politiker. Ich trau mir das nicht zu.
1.2)
> Sind "Berufsbilder", wie sie gegenwaertig noch
festgeschrieben sind, in ausreichender Zahl geeignet, Auszubildende auf die Anforderungen der Zukunft mit der notwendigen Spezifikation vorzubreiten?
Nein. Mein Beruf wird sich sicher nie richtig beschreiben lassen und sich ueber die Jahre immer
380
DOKUMENTATION
wieder veraendern. Als Unternehmer braeuchte ich
keine Berufsbilder sondern Leute, die was koennen.
1.3)
> Existieren (im Sinne echter Verfuegbarkeit) bereits ausreichend neue "Berufsbilder" (oder Ansaetze dazu) zur Abdeckung von Fertigkeiten fuer kuenftige Anforderungen?
Naja, wenn man nicht ohne sie auskommen will, dann
natuerlich braeuchte man viel mehr Berufsbilder.
Aber eigentlich sind die Institutionen, die Berufsbilder schaffen, viel zu lahmarschig, um mit der
Zeit mithalten zu koennen.
1.4)
> Kommt der gegenwaertig zu zaehlenden Arbeitslosigkeit eine eher quantitative oder eine eher qualitative Bedeutung zu?
Eher qualitativ. Es gibt wohl auch zu viele Leute,
denen ueber Jahre irgendwelche Anrechte eingeredet
wurden, so dass sie sich jetzt gar nicht mehr vorstellen koennen, mal was anderes zu machen als sie
gelernt haben.
1.5)
> Hat die Mehrzahl aller qualifizierten Arbeitslosen (mit abgeschlossener Berufsausbildung) ueberhaupt noch eine Chance, in kuenftigen Taetigkeitsfeldern nach Absolvierung einer weiteren Ausbildung (Umschulung) einen qualifizierten Arbeitsplatz zu finden?
Ja. Sie muessen an sich selber glauben, dann schaffen sie es auch. Die wichtigste Aufgabe ist es, ihnen dieses Selbstvertrauen zu vermitteln.
1.6)
> Besteht fuer die arbeitslosen Jugendlichen (Zahlen werden als bekannt vorausgesetzt, ansonsten
381
DOKUMENTATION
siehe Fussnote) ohne Ausbildung ueberhaupt noch eine Chance, auf Anforderungen des kuenftigen Arbeitsmarktes tauglich vorbereitet zu werden?
S.o.. Aber vielleicht waere es auch hilfreich, wenn
sich gerade Jugendlich mit dem Gedanken anfreunden
wuerden, woanders als in Deutschland auf dieses
schoenen grossen Welt zu arbeiten. Und wenn heute
ein Jugendlicher keine Ausbildung hat, dann soll er
sich verdammt schnell darum kuemmern.
1.7)
> Kann die Behauptung als zutreffend betrachtet
werden, dass die gegenwaertige Arbeitslosigkeit in
der BRD abgesehen von den "offiziellen" Zahlen ueber 20 % liegt, wenn man die Menschen mitzaehlt,
die aus dem Berufsleben durch andere "Massnahmen"
(z.B. Fruehrenten) ausgeschieden sind oder nach Arbeitslosmeldung anderweitig abgefedert werden (z.B.
Sozialhilfe) oder in Verhaeltnissen wirken (z.B.
ABM), die nicht als normales produktives Arbeitnehmerverhaeltnis zu betrachten sind? (Die also auf
der Seite der Empfaenger statt auf der der Leistenden stehen.)
Kann man so sehen. Dabei gehe ich jetzt allerdings
nicht auf die Gruende ein.
1.8)
> Haben Sie konkrete Vorstellungen davon, wie neue
und zukunftsorientierte Arbeitsplaetze in so ausreichender Zahl geschaffen werden koennen, dass
auch die Jugendarbeitslosigkeit und die Substitutionsarbeitslosigkeit dadurch in ausreichendem Masse
abgebaut werden koennen?
Ja, durch Deregulierung, Privatisierung, Steuersenkung, und vor allem eine flexiblere deutsche Mentalitaet. Die Leute muessen bereit sein, und es auch
duerfen, zu arbeiten, was, wann, mit wem und wo sie
wollen.
1.9)
382
DOKUMENTATION
> Ist das, was im Bereich "Multimedia"/"Information" an neuen Arbeitsplaetzen geschaffen wird, ueberhaupt ausreichend, weiter entstehende Arbeitslosigkeit zu kompensieren (Bilanzierung)?
Weiss ich nicht.
1.10)
> Moechten Sie zu dem angeschnittenen Fragenkomplex
sonstige Bemerkungen machen, welche den Fragestellungen als hilfreich anderweitig gerecht werden?
Nein.
> Sie moegen respektieren, dass ich mit "Leerformeln" oder irgendwelchen Hinweisen auf irgendwo bereits Ausgefuehrtes wenig anfangen kann. Meine Fragen moegen Sie bitte als in einem direkten Interview gestellt betrachten.
Wenn es nicht verstaendlich war, bitte nachfragen.
>
***************************************************
>
> Komplex 2:
> 2.1)
> Wie sollten "virtuelle" Unternehmen gesetzlich
verankert sein?
Was sind eigentlich genau "virtuelle" Unternehmen?
Solche ohne richtigen Sitz und Bureau, sondern nur
ein paar Leute daheim am Rechner? Naja, sollen sich
die Juristen halt was praktikables (unterstrichen)
einfallen lassen.
2.2)
> Nach welchen Regeln sind sie schon jetzt juristisch "haftende Person"?
383
DOKUMENTATION
Weiss ich nicht. Koennte man aber auch als Ansammlung von Selbstaendigen sehen. Ist mir als BeinaheAnarchist sehr sympathisch.
2.3)
> Wie sollen sie steuerlich erfasst werden?
Gar nicht, Steuern sind Diebstahl.
2.4)
> Wie sollten "virtuell" in verschiedenen Unternehmen nacheinander oder zugleich "herumgeisternde"
Mitarbeiter sozial abgesichert oder gar erst einmal
zu Abgaben verpflichtet sein?
Diese Mitarbeiter sind wohl zunaechst mal als Selbstaendige zu betrachten, und dann muessen und duerfen sie sich um ihren Sozialkram gluecklicherweise
selber kuemmern.71
2.5)
> Nach welchen Umlageverfahren sollen Abgaben erhoben (erzwungen) werden, und von welchen Institutionen sollten wann welche Leistungsansprueche befriedigt werden koennen?
Erzwungen ist das richtige Wort. Sehen wir die Leute doch als selbstaendige Unternehmer. Jedenfalls
wuerde ich mich so sehen.
2.6)
> Wie sollte/koennte Arbeitnehmer- oder Unternehmereigenschaft bei virtuellen "Firmen" (Zusammenschluessen) definiert werden?
71
384
Auf diese Frage antworteten der JuLi Priesmeyer und der Grüne
Puersuen nur mit Fragezeichen... (siehe Seite 154). Besonders
aufschlußreich scheint die Antwort des CDU-Bundestagsabgeordneten Heinz-Jür-gen Kronberg auf Seite 156).
DOKUMENTATION
s. 2.5)72
> Vorstehende Fragen wurden auch schon per eMail
einigen Abgeordneten in Parlamenten zugeleitet. Bis
auf eine einzige Ausnahme kam von allen nur eine
maschinelle Empfangsbestaetigung oder eine vorgefertigte hinhaltende Antwort. Einige teilten mit,
dass sie die Fragen delegiert hatten. Antworten
blieben bis auf die eine Ausnahme voellig aus.
Dazu sag ich jetzt nix.
> Insofern wurde dieses neue und lichtschnelle Medium ad absurdum gefuehrt, zumal es unter Fanfaren
als neues Instrument der Demokratisierung und Verbindung mit der Basis gefeiert wurde.
> Deshalb lege ich Ihnen als der nachdraengenden
Generation im politischen Raum auch die Frage ans
Herz, wie Sie mit diesem Medium umzugehen gedenken.
Natuerlich moechte ich sehen, ob und inwieweit Sie
ihren Kopf noch individuell benutzen und es wagen,
eine eigene Meinung zu diesen doch wichtigen Fragen
zu haben und zu aeussern.
Dieser Komplex 2 war mir sehr neu, kenn ich mich
fast gar nicht aus. Mir schwant, da will uns der
Staat schon wieder in unser Leben hineinpfuschen,
nur um dann wieder Leute am arbeiten und Geld verdienen zu hindern.
> In der Hoffnung, sehr bald von Ihnen eine ausreichende Antwort zu erhalten, verbleibe ich
War das OK?
Mit li(e)beralen Gruessen,
Markus Schoenherr, F.D.P.-Bundesvorstandsmitglied.
"Servus!" from Passau:
72
Der JuLi Priesmeyer antwortete darauf mit „Was sind denn das fuer
Fragen?“ (siehe Seite 154)
385
DOKUMENTATION
Markus Schoenherr
Danziger Str. 15d, D-94036 Passau
Bavaria, Germany, European Union
Phone + Fax ++49-851-54803
email: [email protected]
or: [email protected]
or: [email protected]
--------------- Headers --------------From [email protected] Mon May 13
10:33:56 1996
Return-Path: [email protected]
Received: from tom.rz.uni-passau.de (tom.rz.unipassau.de [132.231.51.4]) by emin16.mail.aol.com
(8.6.12/8.6.12) with ESMTP id KAA08332 for <[email protected]>; Mon, 13 May 1996 10:33:48 -0400
Received: from charon.rz.uni-passau.de (charon.rz.uni-passau.de [132.231.51.52]) by
tom.rz.uni-passau.de with SMTP id QAA14853
(8.6.12/IDA-1.6 for <[email protected]>); Mon, 13
May 1996 16:33:45 +0200
Received: From RZ/WORKQUEUE by charon.rz.unipassau.de
via Charon-4.0A-VROOM with IPX id
100.960513163310.1248;
13 May 96 16:33:45 +0100
Message-ID: <[email protected]>
From: "Markus Schoenherr" <[email protected]>
To: [email protected]
Date: Mon, 13 May 1996 16:29:53 MEZ-1MESZ
Subject: Re: Einige wichtige Fragen
Reply-to: [email protected]
Priority: normal
X-mailer: Pegasus Mail for Windows (v2.23)
Diese Antwort dürfte für sich sprechen...
386
DOKUMENTATION
<24> PKK und die Justiz
Sogenannte „Schwarze Bretter“ oder auch „Bulletin Boards“
bieten vielfältige Informationen zu verschiedenen Themen. So
auch das „Brett“ BGH-Presse. Hieraus ein Beispiel als Hintergrundinformation zu Seite 187:
ID:
Nachricht von:
Betrifft:
Abgesandt am:
Empfänger:
Kopien:
59661712GEOD
GEOD:BGH-BIBL
Anklage gegen drei PKK-Funktionäre
29-05-96, 14:13:25
BGH-PRESSE
INTERNET:[email protected]
DER GENERALBUNDESANWALT
BEIM BUNDESGERICHTSHOF
- Pressestelle -
PRESSEMITTEILUNG
29.05.1996
Der Generalbundesanwalt hat mit Anklageschrift vom 24. April 1996
beim 3. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts in München gegen
den 28 Jahre alten Erhan S.
den 40 Jahre alten Kemal C. und
den 33 Jahre alten Fevzi A.
387
DOKUMENTATION
wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung innerhalb der Führungsstrukturen der Arbeiterpartei Kurdistans
(PKK) Anklage erhoben. Die Angeschuldigten sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit und hauptamtliche Parteifunktionäre der PKK.
Nach dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen bilden leitende
Funktionäre der PKK in Deutschland mit der "Europäischen Frontzentrale (ACM)" als "auswärtigem Kopf" und Lenkungsapparat an der
Spitze spätestens seit Juni 1993 eine Vereinigung, deren Zielrichtung
die Begehung von Straftaten ist. Hierbei handelt es sich um Sachbeschädigungen, seit November 1993 auch um Brandanschläge gegen
türkische Einrichtungen, die als "aktionistische Aktivitäten" bezeichnet
werden, sowie seit Mai 1994 um sog. Bestrafungsaktionen bis hin
zum vollendeten Mord an "Abweichlern" aus den eigenen Reihen. Diese Taten werden systematisch und gezielt begangen, ideologisch als
revolutionäre Gewalt gerechtfertigt und zur Erreichung der generellen
Zielsetzung der Organisation eingesetzt.
Am 24. Juni 1993 und an den Tagen danach griffen etwa 600 kurdische Extremisten 80 türkische Objekte in Deutschland an, 55 dieser
Angriffe erfolgten am 24. Juni 1993 nahezu gleichzeitig. Die Täter verwüsteten größtenteils die Geschäftsräume türkischer Banken und
Fluggesellschaften.
Am 4. November 1993 verübten im Bundesgebiet erneut mehr als 200
Täter zeitgleich Anschläge auf 59 türkische Einrichtungen, bei denen
die Täter überwiegend Brandsätze in Reisebüros, Banken und konsularische Vertretungen schleuderten. Bei einem Anschlag auf eine
türkische Gaststätte in Wiesbaden kam eine Person in den Flammen
ums Leben.
Der Angeschuldigte S. (Deckname "Ali Haydar") leitete von spätestens Mai 1994 bis etwa Anfang Mai 1995 das Parteigebiet Freiburg.
Der Angeschuldigte C. (Deckname "Celal") war von Mai 1994 bis etwa
Mitte März 1995 Leiter des Parteigebiets Nürnberg und der Angeschuldigte A. (Deckname "Yilmaz") hatte spätestens ab Mai 1995 bis
Ende August 1995 die Leitung des Parteigebietes Freiburg und danach, bis zu seiner Festnahme, des Gebietes München inne.
388
DOKUMENTATION
Gebietsverantwortliche arbeiten als professionelle Kader für die PKK.
Sie bedienen sich einer hochkonspirativen Arbeitsweise, wechseln
ständig ihre Aufenthaltsorte und schotten sich auch innerparteilich
weitgehend ab. Zu ihren Aufgaben gehört es, die vom Parteiführer
Abdullah Öcalan und der Europäischen Frontzentrale ausgegebenen
Anweisungen und Befehle auszuführen, agitatorisch auf die Anhänger
und die kurdische Bevölkerung Einfluß zu nehmen sowie weisungsgemäß politisch werbende und gegebenenfalls auch militante Aktionen - vergleichbar den vom 24. Juni und 4. November 1993 - organisatorisch umzusetzen und durchzuführen.
Der Angeschuldigten waren am 14. Oktober 1995 anläßlich von Versammlungen der Regionen Bayern und Süd in München und in Pohlheim bei Gießen festgenommen worden. Sie befinden sich seit 15.
Oktober 1995 in Untersuchungshaft (siehe Pressemitteilung vom
16.10.1995).
<25> Schlußlicht
Thema:
Datum:
From:
Sender:
To:
Ihre mail im Internet vom 2.5.1996
22.05.96 15:16:28
[email protected] (Ursula Achenbach)
[email protected] (Ursula Achenbach)
[email protected] (Internet)
Sehr geehrter Herr Schuermann,
im Auftrag der SPD-Bundestagsfraktion danke ich Ihnen
fuer Ihr Schreiben, das ich zur Beantwortung der von
Ihnen gestellten Fragen an die jeweils zustaendigen
Arbeitsgruppen der Fraktion weitergeleitet habe.
Um Ihr Verstaendnis muss ich bitten, dass ich davon
absehen musste, Ihre Fragen an alle Mitglieder unserer Fraktion weiterzuleiten. Bei der Vielzahl der uns
taeglich erreichenden Schreiben zum Teil aehnlichen
Inhalts muss dies leider ausscheiden. Wenn Ihnen daran gelegen ist, die Stellungnahmen von moeglichst
vielen einzelnen MdB's zu erhalten, koennte ich im
uebrigen nur anregen, dass Sie sich unmittelbar mit
ihnen in Verbindung setzen. Nur, "da liegt leider der
Haase im Pfeffer". Die technische Ausstattung der
Bundestagsabgeordneten ist Aufgabe der Bundestagsverwaltung. Soweit mir bekannt ist, werden sukzessive
389
DOKUMENTATION
die MdB's mit einer ISDN-Karte ausgestattet, so dass
dann die Moeglichkeit des e-mail-Anschlusses fuer alle MdB's besteht. Dies sollte m.W. eigentlich schon
geschehen sein. Leider ist es mir nicht gelungen, eine naehrere Information hierueber zu erhalten. Ich
wuerde Sie bitten, sich doch direkt beim Dt.Bundestag
hiernach zu erkundigen.
Mit freundlichen Gruessen
Ursula Achenbach
---------- Headers ---------From [email protected] Wed May 22 10:16:10 1996
Return-Path: [email protected]
Received: from c2smtp.spdfrak.de ([193.17.241.20]) by emin19.mail.aol.com
(8.6.12/8.6.12) with SMTP id KAA21086 for <[email protected]>; Wed, 22 May
1996 10:16:02 -0400
Received: from Connect2 Message Router by c2smtp.spdfrak.de
via Connect2-SMTP 4.00; Wed, 22 May 96 16:12:09 +0100
Message-ID: <[email protected]>
Date: Wed, 22 May 96 17:14:00 +0100
From: Ursula Achenbach <[email protected]>
Sender: Ursula Achenbach <[email protected]>
Organization: spd.frak
To: [email protected] (Internet)
Subject: Ihre mail im Internet vom 2.5.1996
MIME-Version: 1.0
Content-type: text/plain; charset="US-ASCII"
Content-transfer-encoding: 7BIT
X-mailer: Connect2-SMTP 4.00 MHS to SMTP Gateway
390
DOKUMENTATION
<26> Lohnstückkosten und Lohnkosten
Die Lohnstückkosten (hier die im Bayerischen Fernsehen genannten Werte) sollen der maßgebliche Schlüssel zur Schaffung
von Arbeitsplätzen sein.
60
Lohnstückkosten in DM/Stunde
50
40
30
20
Port.
GB
USA
Japan
D (West)
0
Frankr.
10
Die hier gezeigte Grafik übernimmt ungeprüft in der Öffentlichkeit genannte und in einer Fernsehrunde (BRISANT) unwidersprochene Zahlen. Diese Zahlen stellen Deutschland schlicht
als „zu teuer“ dar.
Die Grafik verschweigt dabei jedoch, daß die Anteile der „Arbeitskosten“ nach Deutschland-West und Deutschland-Ost getrennt erfaßt werden und nennt nur die hohen Kosten in Westdeutschland.
Im Mittagsmagazin wurde am 24. July 1996 angezweifelt, daß in
der Bundesrepublik die Lohnkosten wirklich zu hoch liegen. Es
391
DOKUMENTATION
wurde eine grafische Aufstellung der Lohnstückkosten angekündigt, die in Wahrheit die Lohnkosten darstellte und die Bundesrepubublik dabei als durchaus wettbewerbsfähig auswies. Aus den
geannten Werten wurde diese Grafik gefertigt:
70
60
50
40
30
20
Lohnkosten in DM/Stunde
10
0
BRD
F
GB
USA
Japan
Aus den beiden vorstehenden Grafiken läßt sich der Schluß ziehen, der auch von der Wirklichkeit bestätigt wird: daß die Fertigunsprozesse wie auch die Produktlinien in der BRD weitgehend
veraltet sind. Im Ausland, insbesondere in Japan und den USA,
wurden mit neuen Produkten meistens auch neue Fertigungsprozesse mit hohem Automatisierungsgrad eingeführt. Als Folge davon sanken trotz hoher Lohnkosten die Lohnstückkosten dramatisch.
Fehlende Innovation und nicht ausreichende Automatisierung
von Fertigungsprozessen sind aber Versäumnisse der Unternehmen, nicht der Gewerkschaften. Dem gegenüber lassen sich aber
392
DOKUMENTATION
auch andere Zahlen oder die gleichen Zahlen in anderen Zusammenhängen darstellen.
45
Bei Finnland u.
Luxemburg geschätzt.
40
Lohnkosten in DM / Std.
Davon Lohnzusatzkosten
PCs je 100 Einw .
Verh. PC / ZusKost (x 10)
35
30
25
20
15
10
5
D-Ost
Italien
USA
Frankreich
Schweden
Finnland
Luxemburg
Dänemark
Niederlande
Österreich
Japan
Norwegen
Belgien
Schweiz
D-West
0
Lohnkosten, PC’s je Einwohner, Verhältnis PC’s zu Lohnzusatzkosten - (Quellen: 1. und 2. Kurve: Institut
der deutschen Wirtschaft; 3. Kurve: Fachverband Informationstechnik im VDMA und ZVEI)
Nach dieser Grafik liegen in Ostdeutschland die Lohnkosten
unter den Kosten in allen davor genannten Staaten. Nur in den
USA, in Luxemburg und in Dänemark sind die Lohnzusatzkosten
niedriger als in Ostdeutschland. Alle anderen Länder müßten somit teurer produzieren und nicht wettbewerbsfähig sein. Demnach müßte in Ostdeutschland der Wettbewerb und mit ihm der
Export blühen und die Arbeitslosigkeit entsprechend niedriger
sein als im Westen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Im April
199673 betrug die Arbeitslosigkeit 11,5 Prozent, davon im Westen
73
Es lohnt nicht, die Werte für 1997 nachzutragen. Sie sind gleichermaßen dramatisch. Ob das Wasser 95 oder 100 Grad heiß ist: Wer
reinfällt, ist tot...
393
DOKUMENTATION
10,1 und im Osten 17,1 Prozent. Es fehlt also an Innovation, Produktivität und deshalb an Wettbewerbsfähigkeit.
Interessant und noch nirgendwo anders gefunden ist das errechnete und völlig übereinstimmende gegenläufige Verhältnis von
Personal Computern je 100 Einwohner zu den Lohnzusatzkosten
in den einzelnen Ländern (zur Verdeutlichung mit dem Faktor 10
angehoben).
<27> Lobby beim Bundestag
Viele Verbände und sonstige Institutionen legen Wert auf Präsenz nahe den Abgeordneten. Über die WEB-Adresse
http://www.fu-berlin.de/POLWISS/wib/lobby/
stößt man auf eine Seite mit nachfolgenden Informationen, von
denen man zu den Einträgen der jeweiligen Buchstaben in der Liste verzweigen kann. Es empfiehlt ich jedoch dringend, nur während der verkehrsarmen Zeiten im WEB solche Seiten eufzusuchen (am besten nachts zum Billigsttarif der Telekom).
[logo: WiB]
1538 Verbände registriert
Beilage zur Woche im Bundestag - Nr. 20/95
1974 wurde die erste Liste veröffentlicht, in der 635 Organisationen
und Verbände registriert waren. Jährlich werden die Veränderungen
im Bundesanzeiger festgehalten. 1995 wurden 1538 Organisationen
beim Bundestag akkreditiert.
Die Registrierung von Verbänden und deren Vertreter geht auf einen
Beschluß des Bundestages vom 21. September 1972 zurück. Darin ist
unter anderem festgelegt, daß eine Anhörung der Verbandsvertreter
394
DOKUMENTATION
nur stattfindet, "wenn sie sich in diese Liste eingetragen haben". Die
Eintragung begründet jedoch keinen Anspruch auf Anhörung. Körperschaften, Stiftungen, Anstalten des öffentlichen Rechts brauchen sich
nicht registrieren zu lassen. Die folgende Zusammenstellung der Verbände durch die Verwaltung des Deutschen Bundestages (winziger
Auszug) berücksichtigt die Eintragungen bis zum 31. März 1995.
Index:
*A *B
o "Bankenfachverband" - "Bürgerbund"
o "Bund" - "Bundes-Zentralverband"
o "Bundarbeitsgemeinschaft" -"Bundesverband des Deutschen
Güternahverkehrs"
o "Bundesverband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels" - "BVT"
*C *D
o "Dachverband der Jugendpresse" - "Deutscher Imkerbund
e.V."
o "Deutscher Jagdschutz-Verband e.V." - "DVS -Deutscher Versicherungs-Schutzverband e.V."
*E *F *G *H *I *J *K *L *M *N *O *P
*Q *R *S *T *U *V
o "Väter für Kinder e.V." bis "Verband Deutscher Museums- und
Touristikbahnen e.V."
o "Verband deutscher Musikschulen e.V. (VdM)" bis "VSABundesverband der Altöl- und Abfallentsorger e.V."
*W *Z
(C) 1995 wib
Nachdruck mit Quellenangabe kostenlos - Pilotprojekt "Abgeordnete
im Internet", E-Mail: [email protected]
<28> Nobelpreis „gegen Kohl“
Es liest sich wie ein Treppenwitz der Geschichte, ist jedoch keiner:
Während das TV-Magazin „Monitor“ die Greueltaten des indonesischen Regimes in Ost-Timor bloßlegte, war im Internet viel
über den Kampf der Timoresen gegen die Besatzer zu finden;
395
DOKUMENTATION
unter anderem unter „http://www.pegasus.oz.au/~etchrmel/Invitation.htm“.
Auf dieser Internetseite wurde eine Veranstaltung des „East Timor Human Right Centre“ für den 17. Oktober 1996 im australischen Victoria angekündigt. Gastredner auf dieser Veranstaltung
sollten unter anderem der Bischof Hilton Deakin, Präsident des
ETHRC, und José Ramos-Horta sein. Als sich im Fernsehen am
10. Oktober Klaus Bednarz noch mit Kohls bevorstehender Reise
nach Indonesien abgab, ging durch die Nachrichten, daß eine
Hälfte des Friedensnobelpreises an José Ramos-Horta gegangen
war. In der Einladung nach Victoria war José Ramos-Horta als besonderer Repräsentant des CNRM vorgestellt worden.
Das „National Council of the Maubere Resistance“ (im Internet
unter http://www.uc.pt/cnrm.htm) versteht sich als die Spitzenorganisation des timoresischen Widerstandes gegen die indonesischen Okkupanten. Im ersten Absatz des „Ost-Timor Friedensplan“-Dokumentes des CNRM, das auch der UNO vorliegt, wird
als wesentliche Kraft der katholische Ost-Timor-Kirchenführer
Bischof Carlos Filipe Ximenes Belo genannt. Ausgerechnet dieser
Mann Gottes, der auch die FALINTIL, die nationale Ost-TimorBefreiungsarmee unterstützt, bekam den anderen Teil des Friedensnobelpreises.
Von José Ramos-Horta gibt es ein interessantes handschriftliches
Dokument:
396
DOKUMENTATION
„Die Berliner Mauer ist gefallen, Osteuropa wurde befreit, das
große amerikanische Volk hat Armenien zurückerobert, als unser
besonderer Freund ist das Volk von Eritrea frei geworden, und
Ost-Timor wird wieder frei werden mit der Hilfe der freien Bürger
aus allen Ländern der Welt. Mit Grüßen an jedermann,
José Ramos Horta“
Mit dem freien deutschen Bürger Helmut Kohl können die Nobelpreisträger Ramos-Horta und Dejeminez Belo kaum rechnen,
denn Monitor hatte gezeigt, mit welchem Flug-, Transport- und
Schießgerät aus Deutschland die timoresischen Freiheitsliebenden
niedergekämpft wurden.
Kohl will den Handel mit Indonesien, und Waffen sollten angeblich der Bekämpfung des Drogengeschäftes dienen. Handel
mit Indonesien wollen viele. So etwa auch Österreich, dessen
Wirtschaftskammer im Internet zum Partner Indonesien recht
üppig vertreten ist.
Der amerikanische Außenminister Warren Christopher war
1995 bemüht, der langwährenden und brutalen indonesischen
397
DOKUMENTATION
Diktatur 28 Jagdbomber vom Typ F-16A anzudienen, obgleich
seit der Eroberung Timors im Jahre 1975 Suhartos Kohorten ungefähr ein Viertel von dessen 800.000 Einwohnern umgebracht
hatten. Und rund ein Drittel der indonesischen Waffenimporte
wurden im ersten Jahrzehnt nach der Vereinnahmung Ost-Timors
mit 560 Millionen US-$ gefördert.
Im November 1991 wurden in Dili, der Hauptstadt Ost-Timors,
bei einer Friedensdemonstration 271 Timoresen von Suhartos
Truppen mit amerikanischen M 16-Gewehren massakriert. Danach kamen in den USA gegen Waffenlieferungen an Suhartos
Regime Bedenken auf, die sich jedoch schon wenig später allmählich zerstreuten. Wie alle Präsidenten nach Nixon scheint auch
Clinton der Devise zu folgen, daß durch Waffenlieferungen an
Militärs der Dritten Welt der amerikanische Einfluß auf diesem
Globus ausgedehnt werden kann.
Kohl muß also weder Rücksicht auf „Monitor“ noch auf seine
amerikanischen Freunde nehmen, falls er sich um die Menschenrechte in Indonesien nicht weiter kümmert. Um aber selbst einen
Friedensnobelpreis zu bekommen, muß er sich wahrscheinlich
etwas ausdenken, das ihn auf eine Stufe mit Arafat stellt: Er muß
noch Schlimmeres tun, als nur Waffen an Diktatoren zu liefern,
und dann davon ablassen, um über allen Nöten dieser Welt als
Friedenstaube zu kreisen.
398
DOKUMENTATION
<X> Technisches
Nachfolgend wird einmal das komplette Protokoll der Prozedur
einer Mail-Absendung dargestellt. Der Gesamte Vorgand dauerte
weniger als zwei Minuten. In seiner Wirkung war er aber vergleichbar mit dem Schreiben, Kuvertieren, Frankieren und Expedieren von mehr als fünfzig Briefen.
******** Automatischer Ablauf - online - (1) *********
Mailer aktiviert um 23:09:22
Bearbeite Versand-Auftrag für m.l.schuermann (0)
Einwahl zum E-Mail Fach :M.L.SCHUERMANN (COM2, 19200)
Bearbeite Versandauftrag an INTERNET:[email protected]
Übertrage Datei MAILER.TMP
Versandauftrag akzeptiert. ID: 49634330GEOD
Dauer: 5
Versand-Auftrag beendet um 23:11:09
******** Automatischer Ablauf - Protokolle - (2) *********
CONNECT 19200
Network Access SW V1.5 for DS700-08 (BL95-33)
Willkommen zu GEOD!
23:10:23 ///
/// GeoNet Mailbox Systems GmbH, 18-04-96
Befehl: SENDEN (DN) (EB) INTERNET:100743.527§compuserve.com /Weitere
Bitte um Stellungnahmen
Bitte Text eingeben: - (Nachfolgendes Protokoll gekürzt!) [email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
.de
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
399
DOKUMENTATION
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
.CC
.CC
[email protected]
p.de
[email protected]
p.de
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
bp.de
[email protected]
[email protected]
.de
[email protected]
[email protected]
INTERNET:[email protected]
GEOD:M.L.SCHUERMANN
.ZMODEM
Eingabe beendet. Bitte ZMODEM starten.
Nachrichten abgeschickt.
ID: 49634330GEOD
ARchivieren oder WEiterleiten? (MAILER.TMP)
Befehl: Ende
+++
Mit den drei +-Zeichen wird dem Modem signalisiert, den
„Hörer“ aufzulegen, also die Verbindung zu beenden.
Diese Verbindung hätte nur wenige Sekunden länger gedauert,
wenn die Nachricht an beispielsweise 300 weitere Empfänger
hätte gehen sollen. Das sollte man sich merken. Es gibt Rechner,
die anhand von Versandlisten bestimmte Nachrichten (oft Werbung) zu Hundertrtausenden innerhalb von Sekunden um ganze
Welt verbreite!
Jetzt einige technische Einblicke zum Versand von eMails und
zu Rückmeldungen von eMail-Systemen. Sie sollen ein wenig von
400
DOKUMENTATION
dem Kauderwelsch vermitteln, mit dem Computersysteme sich
untereinander verständigen (sogenannte „Protokolle“).
Zur Antwort an G.LEUE:
Mailer aktiviert um 14:13:27
Bearbeite Versand-Auftrag für M.L.Schuermann (0)
Einwahl zum E-Mail Fach :M.L.SCHUERMANN (COM2,
19200)
Bearbeite Versandauftrag an GEO9:G.LEUE
Übertrage Datei c:\mstation\SPOOLER\51207
(f:\~aktuell\960410\g_leue.txt)
Beginne Zmodem-Transfer
Warte auf ID
Versandauftrag akzeptiert. ID: 49616594GEOD
Dauer: 36
Versand-Auftrag beendet um 14:15:10
Telefonverbindung wird getrennt
Modemträgersignal nicht mehr aktiv (DCD)
Received: from mail.Germany.EU.net 192.76.144.65
by GEOD.Geonet.De
Date: Thu, 11 Apr 1996 09:39:51
Message-Id: <[email protected]>
Received: by mail.Germany.EU.net with SMTP (5.59:17/EUnetD2.5.3.f) via EUnet
id JAA05298; Thu, 11 Apr 1996 09:39:40 +0200
Comments: Authenticated sender is <[email protected]>
From: "Dr. Gerhard Friedrich, MdB" <[email protected]>
Organization: Deutscher Bundestag
To: [email protected]
Date:
Thu, 11 Apr 1996 08:36:25 +0100
Subject:
Re: Einige Fragen
Reply-to: [email protected]
Return-receipt-to: [email protected]
Priority: normal
X-mailer: Pegasus Mail for Windows (v2.01)
Sehr geehrter Herr Schuermann,
vielen Dank fuer Ihre e-mail. Leider kam sie in der unten
wiedergegebenen Form an. Unsere technische Ausruestung erlaubt es nicht, die u.a. Zeichen in lesbare Form umzuset-
401
DOKUMENTATION
zen. Wenn Sie an einer Antwort auf Ihre Schreiben interessiert sind, dann senden Sie bitte eine Fassung im Klartext.
Mit freundlichen Gruessen
Dr. C. Stienen
(Referent)
Am 8 Apr 96 schrieb [email protected]
<[email protected]>:
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
>
--============_49612427==_
Content-Transfer-Encoding: quoted-printable
--============_49612427==_
Content-Type: application/octet-stream; name="MAILER.TMP"
Content-Transfer-Encoding: base64
Content-Disposition: attachment; filename="MAILER.TMP"
U2VociBnZWVocnRlIERhbWVuIHVuZCBIZXJyZW4sDQogICAob2huZSBIZXJ2b3JoZWJ1bmcg
dm9uIEZ1bmt0aW9uLCBBbXQgb2RlciBUaXRlbCkNCg0KYml0dGUgZ2VoZW4gU2llIGRhdm9u
IGF1cywgZGHfIGljaCBhbGxlIHdlc2VudGxpY2hlbiBBdXNzYWdlbiBJaHJlciBQYXJ0ZWll
biBpbiBQcm9ncmFtbWVuIG9kZXIgVGhlbWVucGFwaWVyZW4sIERpc2t1c3Npb25lbiB1bmQg
... So ging es insgesamt über 96 Zeilen - bis...
>
>
>
>
>
Ni4wMDIgdW50ZXIgMjAgSmFocmVuIChTdGVpZ2VydW5nIDEzLDUgJSBnZWdlbvxiZXIgVm9y
amFocmVzbW9uYXQpLiANCrcgSW4gT3N0ZGV1dHNjaGxhbmQgc2luZCAxMzcuNDQ4IE1lbnNj
aGVuIHVudGVyIDI1IEphaHJlbiBvaG5lIEFyYmVpdCAoU3RlaWdlcnVuZyAxNSw4ICUgZ2Vn
ZW78YmVyIFZvcmphaHJlc21vbmF0KS4gRGF2b24gc2luZCAyMi4xMjQgdW50ZXIgMjAgSmFo
cmVuIChBbnN0aWVnIDI0ICUgZ2VnZW78YmVyIFZvcmphaHJlc21vbmF0KS4NCg0K
>
> --============_49612427==_->
>
-Dr. Gerhard Friedrich, MdB
CDU/CSU Fraktion
Bundeshaus HT 325
53113 Bonn
Anscheinend - nach der Auskunft eines Fachmanns - ein Armutszeugnis für den technischen Stand eines Abgeordneten und
insbesondere eines Referenten, der ja auch einmal über zeitgemä402
DOKUMENTATION
ße technische Möglichkeiten hätte referieren können. „Business as
usual“ heißt Stillstand, und „Stillstand“, so heißt es sogar im
Volksmund, „ist Rückschritt!“
Für diesen Stand und für den dürftigen Umgang mit dem neuen
Medium lieferte die PDS (die Partei mit der größten und dazu
noch lückenlosen Verfügbarkeit für eMail) ein schlagendes Beispiel. Es wird hier als gesamte Übermittlung dargestellt, die aus
dem Protokoll und einer separat als File übermittelten Nachricht eingefügt am Schluß - bestand:
Thema:
Datum:
From:
To:
Re: Rede im Bundestag
02.07.96 16:49:42
[email protected] (Dr. Gregor Gysi)
[email protected] (Non Receipt Notification Requested)
Datei: redeimbu.dat (299 bps) (Anmerkung: Die eigentliche Nachricht.)
DL Zeit (19200 bps): < 1 Minute
------------------- Headers ---------------------From [email protected]
Tue Jul 2 11:50:46 1996
Return-Path: [email protected]
Received: from ixgate02.dfnrelay.d400.de (ixgate02.dfnrelay.d400.de [193.174.248.2])
by emin08.mail.aol.com (8.6.12/8.6.12) with ESMTP id
LAA13836 for <[email protected]>; Tue, 2 Jul 1996 11:50:42 0400
X400-Received: by mta d400relay in /PRMD=dfnrelay/ADMD=
d400/C=de/; Relayed;
Tue, 2 Jul 1996 16:10:38 +0200
X400-Received: by /PRMD=BUNDESTAG/ADMD=DBP/C=DE/; Relayed;
Tue, 2 Jul 1996 16:09:11 +0200
Date: Tue, 2 Jul 1996 16:09:11 +0200
X400-Originator: [email protected]
X400-Recipients: [email protected]
X400-MTS-Identifier:
[/PRMD=BUNDESTAG/ADMD=DBP/C=DE/;BUNDESTAG
R0000000836316550361]
Original-Encoded-Information-Types: teletex
X400-Content-Type: P2-1984 (2)
Content-Identifier: 2eb0abed.960702
Alternate-Recipient: Allowed
From: "Dr. Gregor Gysi" <[email protected]>
Message-ID:
403
DOKUMENTATION
<2eb0abed.960702161242+0200*/G=gregor/S=gysi/O=mdb/PRMD=bun
destag/ADMD=dbp/C=de/@MHS>
To: [email protected] (Non Receipt Notification Requested)
In-Reply-To: <[email protected]>
Subject: Re: rede im Bundestag
Importance: Low
MIME-version: 1.0
Content-type: application/x400-bp; bp-type="5"
Content-transfer-encoding: base64
¥€1 0€‚
(Beginn des Files; als Text uninterpretierbare Zeichen)
Sehr geehrter Herr Schuermann,
vielen Dank fÈur Ihre Mail. Leider verfÈugen wir Èuber die
Reden von Gregor Gysi noch nicht elektronisch. Wenn Sie
mÈochten, kÈonnen wir sie Ihnen aber gern per Post zukommen
lassen.
Mit freundlichen GrÈuûen
- Mirjam Lassak BÈuro Gregor Gysi
(Ende des separat übertragenen Files.)
Drei Wochen zuvor hatte die Absenderin schon einmal geantwortet: „... die Reden von Gregor Gysi liegen uns leider noch nicht
elektronisch vor. Sie kÈonnen aber gerne die Protokolle der Bundestagsreden erhalten.“ - Welch eine Unkenntnis! Schließlich sind
die kompletten Bundestagsprotokolle bequem unter der InternetAdresse http://www.bundestag.de/aktuell/ zu finden, also auch die
Reden des großen Vorsitzenden Gregor Gysi. Damit liegen sie
auch der PDS elektronisch vor wie jedem Menschen auf der Welt,
der auf das Internet zugreifen kann. Die PDS hätte zumindest
darauf verweisen können...
404
STICHWORTE
Stichwortverzeichnis
@: Zeichen 60
§: oft statt @ 60
Abrißbirne über Standort
Deutschland? 177
ACM, Europäische Frontzentrale
der PKK 388
Aids 194
AMD, Advanced Micro Devices
231
Angst vor zu vielen Ausländern 184
Ängste 184
Antworten und „Antworten“ 74
AOL 85
Appetenz-/Aversionskonflikt 178
Arafat 192
Arbeit: Begriff A. 25
Arbeitsmarkt: Globalisierung 40
Arbeitsplatz 25
Arbeitszeit 25
Aufwandsentschädigung 225
B 90/Grüne 19
Babylonien 217
Barnett, Doris 174
Bayerisches Oberstes
Landesgericht 387
Belo, Carlos Filipe Ximenes,
Nobelpreisträger, Bischof,
Freiheitskämpfer 396
Bestechung 221
Beziehungskisten 221
Biafra 194
Biedenkopf, Kurt, Ministerpräsident
von Sachsen 231
Bildungsminister 131
Bildungsoffensive 38
Billigimporte 241
Billiglohnländer 26, 30, 36, 39
Bläß, Petra, PDS-Abgeordnete 208
BRAINWARe 1
Brandanschläge, gegen türkische
Einrichtungen 388
Brennelementelager Gorleben
GmbH (BLG) 230
BSE 248
BSE, in England 264
BUNDESGERICHTSHOF 387
Bundeskanzler 204
Bundesministerium für Bildung
und Forschung 131
Bundesministerium für Bildung,
Wissenschaft, Forschung und
Technologie 131
Bundespräsident: Roman Herzog
23
Bundesregierung 38
Bündnis 90/Die Grünen 64
Bündnis für Arbeit 39
Bürgerkrieg, von Türken in
Deutschland, angeblicher 187
Business Magazine 85
Castor-Behälter 230
Catch-as-catch-can 248
CDU 64
CDU/CSU 19
CEO = Chief Executive Officer 232
CFO = Chief Finance Officer 232
Chat-Areas 16
China, Handelspartner 235
CompuServe 16, 99
COO = Chief Operating Officer
232
CSU 19, 64
DDR 166
Der Brief an die Abgeordneten 25
Diäten 225
Die da oben und die da unten 219
405
STICHWORTE & ENDNOTEN
DMMV: Deutscher Multimedia
Verband e.V. 15
Dokumentation: Gut oder schlecht
gefunden... 270
dpa/AOL 87
Dreßen, Peter, SPD-MdB 210
Dreßler, Rudolf, zu
Rentenmanipulationen 237
Drogen 192
Dschungelprinzip 249, 257, 259
DSP-Multimedia-Prozessor 29
DTP, Desktop Publishing,
Publikation vom Arbeitstisch aus
7
Eichstädt-Bohlig, Franziska 102
Engelen-Kefer, Ursula: stellv. DGBVors. 213
Entwicklungshilfe 241
ETA 185
EU 248
Europe Online 16
F.D.P. 64
FALZ, Frankfurter
Arbeitslosenzentrum 285
FDP 19
Filz, Parteienfilz und anderer 240
Fischer, Andrea 210
Flexibilisierung: von Verteilung und
Leistung bei der Arbeit 25
FOCUS-TV 224
Fressen oder Gefressenwerden
216
Freud, Sigmund 178
Friedrich: Dr. Gerhard, MdB 275
Friedrich, Gerhard 169
FU Berlin 23
Gage: John, SUN Microsystems 36
Gatt 45
Gebäudeautomatisierung 251
Gedrängel im Straßenverkehr 245
Gefängniszelle 210
Geldvermögen 243
GENERALBUNDESANWALT 387
genetische Veranlagung 245
Gentechnik 194
Gerstner: IBM-Chef Louis V. 37
406
Gewerkschaften 26, 41
Gewinnmitnahmen 242
GG ARTIKEL 03 372
GG ARTIKEL 09 372
GG ARTIKEL 14 373
GG ARTIKEL 20 373
GG ARTIKEL 21 374
Globalisierung des Arbeitsmarktes
40
Glotz 29
Gorleben 196
Gorleben-Gelder 229
Graf, Steffi 199
Gysi, Gregor 152
Hackordnung 216
Hammurabi 217
Hampel, Manfred 140
Haushalte, in Europa 251
Haushaltselektrik 252
Heidegger 178
Heimatliebe 195
Herzog: Bundespräsident Roman
H. 23
Hexe 218
Hilfsorganisationen 194
Hitler: Adolf, harmlose Erwähnung
von H. 28
http://www.fuberlin.de/POLWISS/mdbprojekt/ 24
Informationsdschungel 128
Infoseek Guide 130
Inquisition 218
Interessen der Beschäftigten 244
Interessen des Kapitals 244
Internet 17
INTERNET-Diskussionsforen,
Sperrung von 106
IRA 185
Italiener 184
ITER 128
IWG 166
Jagd nach der imaginären Banane
246
Juden 202
Kahl, Reinhard 38
STICHWORTE & ENDNOTEN
Kalkar 167
Kapitalismus pur 249
Kapitalismus, ungezügelter 244
Kavaliersdelikte 222
Kernkraft-Katastrophen 193
KHD, Klöckner-Humboldt-Deutz
254
Kinkel, Klaus, Außenminister (FDP)
187
Kinkel, von China ausgeladen 235
Kirsch, Gerd, WAZ-Leser 234
Klientel 213
Klose, Hans-Ulrich 236
Kohl, Helmut 242
Köln-Bonner Ausweichflughafen 76
Kommunikations- und
Abstraktionsfähigkeit 217
Kompetenz: der Mitglieder in
Vereinen und Parteien 189
Krause: Kai, „multimedialer
Popstar" 29
Kronberg, Heinz-Jürgen 148
Krone-Schmalz, Gabriele 214
Kurden 185, 186
Lademann, Lutz, MdB-Pilotprojekt
24
LAN: = Local Aerea Network 27
Landtag, bayrischer 255
Lansky: Thomas F.,
Multimediaproduzent 28
Leue, Günther 142, 203
Liberalisierung des Welthandels
241
Links, Verknüpfungen 24
Lobby beim Bundestag 394, 395
Lohnkosten, Grafik 393
Lohnstückkosten 39, 250
Lohnstückkostenanteil 41
Lohnverzicht 26
LTU 79
MAILER.TMP 65
Mailstation-Programm von GeoNet
75
Marquardt, Angela 64
[email protected].
de 21
Maßstäbe, zweierlei 229
Mayer: Martin, MdB 21
Mayor, engl. Premierminister 249
MAZ Hamburg: Internet-Provider
16
MdBs, Anzahl der erreichbaren 19
MENSCH & BÜRO: Zeitschrift
203
Merkel 235
Miegel, Meinhard 166
MIME 81
MIME, bei AOL 135
MIME, Multipurpose Internet Mail
Extensions 99
MIT Media Lab 36
Morgenmagazin (WDR) 242
Mosdorf, im "Chat" 172
Mosdorf, Siegmar 168
Müller, Otto 29
Nachkriegsdeutschland 241
Nader, Ralph, US-Anwalt 263
NAFTA 45
Neef, Paulus 15
Negergeld (Schwarzgeld) 158
Negroponte, Nicholas 36
Neumann: Jennifer,
Geschäftsführerin der der
CANTO 29
Neumann, Kurt 227
New York Times 85
Niedersachsen, Steueraffäre 199
Opfer 247
Opposition 64
Organismus, Betrachtensweise als
239
Ortsverein, virtueller 111
Özdemir, Cem 146
ozeanisches Gefühl 178
Paragraphendschungel 228
Parteien 189
Parteipropaganda 239
Patriotismus 195
PC’s je Einwohner, Grafik 393
PDS 19, 62, 64, 166
Pilotprojekt 23
PKK 185, 186, 388
407
STICHWORTE & ENDNOTEN
PKK und die Justiz 387
Porsche: Ferdinand 28
Poß, Joachim 72, 263
Postmaster 75
Priesmeyer und Puersuen,
Antworten von... 153
Priesmeyer, Malte 147
Puersuen, Yanki 150
Ramos-Horta, José,
Nobelpreisträger,
Freiheitskämpfer 396
Reemtsma, Entführungsfall 256
Regierungsparteien 64
Reichsarbeitsdienst 34
Rein, Harald 58, 285
Rentendiebstahl 238
Rentenversicherung, als Reservate
für angeblich bankrotte
Haushaltspolitik 238
Rentner(innen) 209
Rentnerbrief, des Kanzlers im März
1996 209
Repnik, Hans-Peter 72
Rhein-Ruhr-Flughafen 76
Robotisierung 26
Rytlewski: Prof. Dr. Ralf 23
Sanders, Jerry, Gründer von AMD
231
Scharping, Rudolf, Rede 204
Schlußlicht 389
Schmidt-Jortzig, FDP-MdB,
Justizminister 119, 143
Schneckenpost 8, 159
Schönherr, Markus 150
Schösser, Fritz, SPD-MdL 255
Securitate 185
Seibel, Wilfried 224
Seilschaften 221
Siemens 232
Sitzverteilung im Bundestag:
Wahlen 1994 64
social cancer 261
Sozialkrebs 261
Sozialneid 261
SPD 64
SPIEGEL-TV 229
408
Staatsgewalt 189, 219
Standort Deutschland 204
Steinbeißer, Georg 124
Steuerhinterziehung 222
Strafzölle, in USA 250
Straßenverkehr 244
Subventionen 242
Süddeutsche Zeitung: „Der
Kanzler...“ 270
Sümmerer, Thomas, MdBPilotprojekt 24
Süssmuth, Rita 225
SVP = Senior Vice President 232
SZ 127
Täuschung 209
Tauss 18, 94, 104, 107, 112, 133,
142, 145, 315; bonn report 110;
Pressemitteilung v. 31.1.96 107;
SPIEGEL-Interview 111
Tauss’sche WEB-Fundstellen 306
Telekom 38
Tibet, Bundestagsdebatte über...
235
Toffler, Alvin 39, 90
T-Online 16, 141
Töpfer 235
Transrapid 167
Triebunterdrückung 220
Türken 184, 187
TV-TODAY 15, 85
Überbevölkerung 194
UNO 241
Unterstöger, Hermann: SZ v.
16.1.96 177
Unwahrheit 209
Urheberrechte 17
UStA 113
UUENCODE 81
Vater: von Steffi Graf 199
Vaterlandsliebe 195
VDI/VDE 145
Vereine 189
Verhältnis PC’s zu
Lohnzusatzkosten, Grafik 393
Verkehrsdschungel 244
Versicherungsbetrug 222
STICHWORTE & ENDNOTEN
Virtuelle Unternehmen 154
Volkswagen 28
von Cube, Alexander 12
Vorweg 7
Wählerinnen und Wähler belogen
207
WAN: = Wide Aerea Network 27
WAZ 201, 234
WDR 2 214
WEB-Seite der PDS 62
Weling: Fredy, von Arthur D. Little
40
WELT 184
Weltmarkt 241
Werberichtlinien 17
Westdeutscher Rundfunk 12
Wettbewerbsgesellschaft 220
Wickert: Ulrich, Fernsehjournalist
und -moderator 30
Wickert, Ulrich 76
Wie es anfing 15
Wissen als ökonomischer Faktor
90
Wohlfahrtsstaat 241
Wolfsburg 28
Wortbruch der Regierung,
angeblicher 209
WTO 45
Xilinx 232
Yuri Momomoto: Pressesprecherin
von Fujitsu in Tokio 36
Ziele des Pilotprojekts 84
Zukunftsschock 39
Zwangsarbeitskonzepte 285
Zweiklassengesellschaft 152
409
STICHWORTE & ENDNOTEN
Endnoten
410
I
Es ist bemerkenswert wie auch bedenklich, womit sich
Menschen heutzutage identifizieren. Teil von Demokratie
mag sein, daß sich jeder seine Idole selbst aussuchen
und dadurch auch ein teilweise grotesker Starkult blühen
kann. Wenn aber in unzähligen Kneipen und Bierkellern
riesige Horden grölend in einen Jubelrausch verfallen,
weil deutsche Fußballer sich ins Halbfinale schießen
konnten, während gleichzeitig englische Fans auf dem
Trafalgar Square aus Enttäuschung über die Niederlage
ihrer Mannschaft große Verwüstungen anrichten, kann
etwas nicht stimmen. Durch „Merchandising“-Produkte
degradieren sich Millionen zu lebendigen Litfaßsäulen für
bekannte Namen oder Produkte, die auch die Medien beherrschen. Dadurch wird zumindest erkennbar, daß Leitbilder (als Person oder Impuls) nur noch im Unterhaltungs- und Konsumbereich aufgebaut und gesucht werden, aber im gesamtgesellschaftlichen Feld und auch parteiübergreifend fehlen. Wo der Orientierungsmangel besonders schmerzt, wo insbesondere von Jugendlichen zu
suchen versucht, aber nicht gefunden wird, machen sich
Sekten über die Menschen her.
II
Zum Begriff der „Wissenschaften“ an sich sollte einmal
festgehalten werden, daß nicht wenige „wissenschaftliche“
Bereiche sozusagen „entführte“ Kompetenzbereiche sind:
Eigentlich recht einfache Sachverhalte wurden in kleinste
Einzelteile aufgesplittert, „determiniert“ (mit besonderen
Fachbegriffen belegt) methodisch aufgegliedert und dadurch für den Durchschnittsbürger unverständlich gestaltet. So entstanden und entstehen „Fachbereiche“, die zu
einem nicht geringen Teil unnötig sind, „Fachleute“ für
„Nichtfachleute“ gemeinhin „notwendig“ machen und „Zuständigkeiten“ einerseits beschneiden und andererseits
„begründen“. Durch „Wissenschaft“ werden die Anwendungen von gesundem Menschenverstand und praktischer Lebenserfahrung oft ausgeschlossen sowie Sach-
ENDNOTEN
verhalte unnötig verkompliziert. Gesetzliche und wissenschaftliche Regelwerke überschneiden sich oft, werden
verzahnt und machen das Leben in vielen Bereichen unnötig schwer. Zudem werden Vorgehensweisen (insbesondere „Genehmigungsverfahren“) dadurch oft verteuert
und unangemessen in die Länge gezogen. Ich will bewußt
keine Beispiele anführen, sondern mit den vorstehenden
Behauptungen das Nachdenken einzelner Leser provozieren.
III
Mitarbeiter des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB) [Reichpietschufer 50, 10785
Berlin Telefon (030) 254 91-0, Fax (030) 254 91-684],
Weert Canzler, Sabine Helmers und Ute Hoffman, hatten
als „Projektgruppe Kulturraum Internet“ einen Beitrag unter dem Titel „Die Datenautobahn - Sinn und Unsinn einer
populären Metapher“ erarbeitet, in dem sie sich mit Begriff, Entstehung, Interpretation und Mythos von „Autobahn“ seitenweise befaßten. Sie stellten (hier durchaus
brauchbar) fest: »Die „Autobahnen des Führers" hatten
zugleich ästhetische, arbeitspolitische, propagandistische
und militärische Implikationen. Ihr Hauptzweck war eine
„Propaganda der Tat" im Kampf gegen Arbeitslosigkeit
und Wirtschaftskrise. (...) Aus diesem Grund begannen
die Bauarbeiten auf der Grundlage der bestehenden
Streckenplanungen aus den 20er Jahren an vielen Orten
gleichzeitig. Dadurch sollte dokumentiert werden, daß an
verschiedenen Orten und in allen Regionen mit dem Bau
von Autobahnen die „Schlacht gegen die Not unserer Arbeitslosigkeit" geführt wurde.« Indem von den Autoren
dann aber vor allen Dingen »der planerisch-konzeptionelle
Tribut an die nationalsozialistische Ideologie der Überwindung des Widerspruchs von Technik und Natur im „Werk
der Volksgemeinschaft"« herausgestellt wurde, versuchten sie den Begriff „Autobahn“ so negativ zu besetzen,
daß er auch im Zusammenhang mit „Datenautobahnen“
als Negativum betrachtet werden mag. Das geht überdies
daraus hervor, daß sie einen Abschnitt überschrieben:
„Datenautobahnen und Autobahnen: Ein Vergleich von
411
ENDNOTEN
Äpfeln und Birnen“. Ihre ganze Arbeit hätte an Substanz
verloren, wenn es den Begriff Datenautobahnen nie gegeben hätte, sondern der Ausdruck Information-Superhighway einfach ins Deutsche übernommen worden wäre.
Auch von den Autoren unbestrittene Tatsache ist, daß
nach dem Kriege das Autobahn-Konzept von den Siegermächten im Wege von Innovationsimport übernommen
wurde. Autobahnen werden (trotz Staus) immer noch als
besonders schnelle Verkehrswege vermutet, weshalb sich
auch der Ausdruck Datenautobahn durchaus als Synonym für besonders schnelle Datenübertragungswege
vertreten läßt. Schließlich bestreiten die Autoren ja nicht
das, worauf es ganz entscheidend ankommt: »Die Autobahn ist ein überaus erfolgreiches Beispiel einer verkehrsinfrastrukturellen Innovation, die das Verkehrswesen
insgesamt tiefgreifend verändert hat. Die Autobahn ist die
Erfolgsstory in der Infrastruktur-Entwicklung des 20.
Jahrhunderts...«
IV
412
Bei der Vorstellung dieses Gedankens in verschiedenen
Gesprächskreisen bin ich auf spontane Zustimmung
ebenso gestoßen wie auf heftigste Kritik. Es dürfte jedoch
feststehen, daß es ohne „neue Produkte und neue
Dienstleistungen“ (Ministerpräsident Erwin Teufel am
8.2.1996 im Bundestag) nicht geht. Die notwendigen
Starthilfen blieben Staat und Banken (Joint VentureKapital; Verhältnis USA/Deutschland in 1994: 100 zu 1)
bis zu diesem Zeitpunkt aber beharrlich schuldig. Der
Bundesforschungsminister Dr. Jürgen Rüttgers hatte in
seinem kurz zuvor vorgelegten Bericht ähnliche Feststellungen getroffen. Dr. Alexander Kanther (Sprecher der
Geschäftsleitung von Stiebel Eltron) beklagte auf dem
Pressetag der Messe AG in Hannover den Unsinn, Kohle
zu verbrennen, statt sie zu Grundstoffen für die Industrie
zu hydrieren; er forderte einen völligen Umbau der heutigen Kraftwerksparks, eine Beseitigung der Energieverschwendung in privaten Haushalten und beklagte den
Rückstand gegenüber Japan, wo die Miniaturisierung entsprechender Geräte in einer Weise gelang, die in
Deutschland als unmöglich abgetan wurde. In der Bun-
ENDNOTEN
destagsdebatte über den Jahreswirtschaftsbericht wurde
deutlich, daß das „Bündnis für Arbeit“ zu nichts führen
würde ohne besondere Anstrengungen (Transformationen) in den Bereichen Struktur, Energie und Umwelt.
Kaum aber wurde (bei einerseits mehr als 4,2 Millionen
"offiziellen" Arbeitslosen und andererseits 2 Milliarden "gemeldeten" Überstunden) irgendwo erwähnt, daß neue Arbeitsplätze - wieviele auch immer - kaum ausreichen würden, die weiterhin durch Robotik und Automation wegfallenden Arbeitsplätze zu kompensieren.
V
Etwaige Mißverständnisse aus den Darstellungen könnten
dadurch entstehen, daß Lohnkosten und Lohnstückkosten
verwechselt werden. Die Lohnkosten sind die Gesamtheit
aller für den Unternehmer anfallenden Kosten pro Zeiteinheit, wogegen die Lohnstückkosten den Anteil der Löhne
an einer jeweiligen Produkteinheit bezeichnen. Bei hoher
Automatisierung und geringem Anteil menschlicher Arbeitskraft an einem Produkt ist zwar der Lohnstückkostenanteil niedriger, dafür aber der Kapitalkostenanteil
entsprechend höher. Was zählt, ist die Gesamtheit der
Produktionskosten je Produkteinheit. Wo Kapital teuer
und die Löhne sehr niedrig sind, können bei geringer Automatisierung die Produktionskosten trotzdem niedriger
sein als dort, wo die Automatisierung ausgedehnt, Kapital
billig, aber die Löhne hoch sind. Wenn aber das Kapital
vergleichsweise nicht zu teuer, die Automatisierungsmöglichkeiten ausgeschöpft und obendrein die Löhne sehr
niedrig ausfallen, sind unschlagbar niedrige Produktionskosten möglich, zu denen allenfalls noch Transportkosten
gerechnet werden müssen, um in kaufkräftige Ländern
hohe Handelsgewinne einzustreichen. (Siehe auch Grafiken ab Seite 391.)
VI
AOL gibt zum MIME-Protokoll für seine Benutzer folgende
Erläuterungen: MIME steht für Multipurpose Internet Mail
Extensions. MIME ist ein Protokoll, das definiert, wie binäre Daten mit Hilfe von eMail zwischen Internet-Rechnern
(Computern) übertragen werden können. - Wenn Sie MI-
413
ENDNOTEN
ME verwenden, können Sie Dateien an normale eMailNachrichten anhängen, um diese über das Internet zu
transportieren. Dabei können der Absender und der
Empfänger unterschiedliche eMail-Programme verwenden. Voraussetzung ist lediglich, daß beide eMailProgramme MIME unterstützen. Das AOL Mail-Programm
unterstützt nun MIME. - Wenn Sie einen Dateianhang an
eine Internet-Adresse versenden, konvertiert AOL ihre
Dateien automatisch in das MIME-Format. Hängen Sie
einfach eine Datei an ihre eMail-Nachricht und klicken Sie
auf den Button Abschicken. - Wenn Sie einen MIMEkodierten Dateianhang von einer Internet-Adresse empfangen, dekodiert AOL diese Datei automatisch für Sie,
wenn Sie AOL für Windows oder AOL für Macintosh verwenden. AOL für DOS-Benutzer müssen das Programm
AOMAC2PC verwenden, um die Datei zu dekodieren. Das
Programm
AOMAC2PC
kann
aus
den
AOLDateibibliotheken heruntergeladen werden, indem das
Kennwort FILESEARCH und das Suchwort "aomac2pc"
verwendet werden.
VII
414
Im Sonntagsblatt Nr. 35/95 formulierte Thomas Bastar:
„In Zukunft wird die Kluft zwischen Arm und Reich weiter
wachsen. Vor 30 Jahren machten die Vermögenserträge
deutlich weniger als drei Prozent des gesamten Volkseinkommens aus, vor 15 Jahren schon 6,6 Prozent, im vergangenen Jahr strichen die Rentiers 208 Milliarden Mark
ein - das ist ein Anteil von 8,3 Prozent am erarbeiteten
und erworbenen Einkommen aller privaten Haushalte.
Den Optimismus des Präsidenten der Gesellschaft für
Erbrechtskunde, Wolfgang Kastner, der prophezeite, im
Jahr 2020 würde die Hälfte aller Deutschen dank einträglicher Erbschaften Vermögensmillionäre sein, teilt DIWExperte Bedau nicht. Er hält den Trend zur Vermögenskonzentration für wesentlich stärker.“ - Und im Sonntagsblatt Nr. 46/95 schrieb Henrik Müller: „Düster dagegen
das Bild im Jahre 1995: Die Grundlage des Vertrages
schwindet. Wer heute Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, kann kaum noch damit rechnen,
seinen derzeitigen Lebensstandard in den Ruhestand hin-
ENDNOTEN
überzuretten. Weil immer weniger Beitragszahler immer
mehr Rentner finanzieren, droht das System auseinanderzubrechen.“
VIII
Nunmehr soll nach einem Beschluß auf dem Parteitag der
NRW-CDU angestrebt werden, die Sparkassen in Aktiengesellschaften umzuwandeln. Das wird im Ergebnis nur
dazu führen, daß die Besitzer der ungeheuren vagabundierenden Geldmassen sich daran machen können, ihr
Geld in entsprechende Aktien umzutauschen und darauf
zu drängen, daß die Sparkassen wie die Großbanken zu
knallharten Profitmaschinen werden. Mit der kleinen Vorortfiliale für die kleinen Leute dürfte es dann bald aus
sein.
IX
Eigentlich kann man sich nur wundern: Im Fernsehen
wurde unbezweifelbar sichtbar, wie die Angeschuldigten
sich in keiner Weise empört zur Wehr setzten. Sie saßen,
wie etwa Bundeskanzler Kohl, nur herum und grinsten
teils unpassend und dümmlich. Wer so massiv der Lüge
und des Betruges bezichtigt wird, müßte doch aufspringen
und sich derartige Vorwürfe aufs Schärfste verbitten oder
gar mit Strafverfolgung drohen - falls entsprechende Vorwürfe nicht zuträfen. Aber nichts davon. Im Gegenzug
bewiesen Redner der betroffenen Parteien auch nicht etwa das Gegenteil zu den erhobenen Vorwürfen, sondern
traten ihrerseits vor allem die Spieler und nicht den Ball.
Ein ewiges Gezerre, Gezeter und Wortgeprügel. Wer die
stenographischen Berichte zu den Plenarsitzungen liest
und erst dadurch auch die vielen Zwischenrufe verfolgt,
könnte annehmen, daß die Bundestagssitzungen nur
stattfinden, damit sich Abgeordnete gegenseitig niedermachen können. Was angeblich „zur Sache“ gesagt wird,
ähnelt dabei eher einem Lesen von Kaffeesatz.
X
Es ist nicht einzusehen, warum etwa der Bundeshaushalt
nicht nach den gleichen Wahrheitsprinzipien beurteilt
werden soll wie die Bilanz eines Wirtschaftsunternehmens. Wenn der Staat die Wirtschaft zur möglichst präzi-
415
ENDNOTEN
sen Offenlegung von Details zwingt, um die Steuerpflicht
beurteilen zu können, ist nicht plausibel, warum er den
Bürgern gegenüber nicht in völlig gleicher Weise seine Finanzen offenbaren soll. Hat der Staat vielleicht Anspruch
auf einen „Verschleierungsbonus“? Was hat den Redner
Dreßen dazu bewogen, die von ihm genannten Politiker
öffentlich mit Verbrechern gleichzusetzen für den Fall,
daß „der Bundeshaushalt mit seinen angeschlossenen
Nebenhaushalten den Bilanzgesetzen für Wirtschaftsunternehmen unterliegen würde“? Wollte er damit sagen,
daß die Genannten bei Maßstäben, die der Staat selbst
bei seinen Bürgern anlegt, Kriminelle sind? Daß auch
demokratisch legitimierte Institutionen selbst vor Mord zur
Justierung politischer Interessen nicht zurückschrecken,
legen etliche Berichte in den Medien nahe (z.B. zum Tod
des Journalisten Danny Casolero in der Inslaw Affäre
(„PROMIS“);
s.
http://www.hotwired.com/wired/1.1/features/inslaw.html u.
a.). Kann politisches Interesse ähnlich dem kriminellen
bei der OK (organisierte Kriminalität) „über Leichen“ gehen? Was aus Belgien erst fünf Jahre nach dem Mord am
sozialistischen Spitzenpolitiker Cools sichtbar wurde und
zur Verhaftung des Ex-Ministers Van der Biest führte, läßt
Schlimmes ahnen.
416
XI
Nichts ist einfacher zu beweisen als das. Immer wieder
können wir nämlich beobachten, wie „die Fäuste sprechen“ dürfen, wenn zwei Streithähnen die Argumente ausgehen und sie nicht nachgeben wollen. Geschieht dieses
in einer Kneipe, gehen schnell andere dazwischen und
belehren, daß das nichts bringt. Man solle sich vertragen.
„Pack schlägt sich - Pack verträgt sich“ soll wohl andeuten, wie unkultiviert ein solches Verhalten ist. - Zwischen
Staaten, die sich nicht einigen oder die Geduld verlieren,
ist dieses Verhalten aber üblich. Dann nennt man es
„Krieg“, in dem ausgesuchtes Menschenmaterial verheizt
werden darf. - Zählen Politiker mithin zum „Pack“?
XII
Das trifft auch auf andere Lebensbereiche zu, in denen
sich zum Teil unsichtbar ein dicht geknüpftes Netz von
ENDNOTEN
Strukturen und Leistungen gebildet hat, denen die Menschen unentrinnbar ausgeliefert sind. Irgendeine Störung
an vielleicht unscheinbarer Stelle kann verheerende Folgen haben. So gab es am 26. Juni 1996 in Hannover einen totalen Stromausfall, weil in einer Hauptversorgungsstelle „ein Kabel wegen Materialermüdung ausgefallen“
war. Ungeheuer: Wie will man alle jemals irgendwo verlegten Kabeln ansehen, ob sie zu „ermüden“ gedenken?
Doch schlimmer noch: Wie konnte es bei einem Kabel, an
dem eine ganze Stadt hängt, ohne Vernachlässigung entsprechender Kontrollen zu einem völligen Ausfall kommen? Es standen nicht nur alle Bahnen und Tausende
von Computern still, sondern beim Reifenhersteller Continental und anderen Fabriken kam es zu Millionenschäden
durch Produktionsstillstände.
XIII
Laut Internet: Manfred Kanther, geboren am 26. Mai 1939
in Schweidnitz/Schlesien, evangelisch, verheiratet, 6 Kinder. Nach Vertreibung aus Schlesien Schulbesuch bis
zum Abitur in Thüringen. 1958 bis 1962 Jurastudium in
Marburg und Bonn. Anschließend Referendarzeit in Lüdenscheid/Westfalen. 1966 Assessorexamen. 1967 bis
1970 Stadtoberrechtsrat in Plettenberg/Westfalen. 1970
bis 1987 Landesgeschäftsführer und Generalsekretär der
CDU Hessen. 1974 bis 1993 Mitglied des Hessischen
Landtags. 1987 bis 1991 Hessischer Minister der Finanzen. 1991 Landesvorsitzender der CDU Hessen und Vorsitzender der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag. 1992
Präsidiumsmitglied der CDU Deutschlands. Seit dem 7.
Juli 1993 Bundesminister des Innern. Seit Oktober 1994
Mitglied des 13. Deutschen Bundestages.
XIV
Es muß auch zu denken geben, daß beim ersten öffentlichen Gelöbnis von Bundeswehr-Rekruten in Berlin die
Öffentlichkeit ausgeschlossen war, obgleich der Bundespräsident in seiner Rede betonte, daß solche Gelöbnisse
in die Öffentlichkeit gehörten. So mußten natürlich die
geladenen Gäste von 2.800 Polizisten besonders „gesichert“ werden (WAZ v. 1.6.1996) und kam auf die wenigen dennoch erschienenen Schaulustigen eine erhebliche
417
ENDNOTEN
Anzahl von Demonstranten. Die WAZ kommentierte unter
„Machtspiele“, es sei weder klug noch sensibel gewesen,
„das Gelöbnis mit Macht nach Berlin zu bringen“, und
sprach von „symbolischen Akten, die von der Polizei geschützt werden müssen“. Sie hielt den „Verdacht auf neu
entflammende Großmannssucht“ für nicht überall widerlegt.
418
XV
In einem amerikanischen Beitrag fand ich per Inernet z.B.
auch diese bemerkenswerten Feststellungen: 1) If we
really want to prevent the antisocial behaviors that result
in social ills such as child and spouse abuse ...drug and
alcohol addiction ...teen sex and pregnancy ...teen violence ...teen suicide..., we must understand and act on the
truths that lead us beyond our often fruitless focus on
symptomatic behaviors to the root causes of these behaviors and resulting ills. 2) To reduce the number of Victims in our society. The victims ... are the CHILDREN and
adults who are suffering from our rapidly growing list of
Physical, Emotional, and Social Ills. This goal is double
important because, these same victims may be creating
more Victims, by their compulsive participation in one or
more of our Social Ills.
XVI
Die Gemeinschaftsprinzipien (original: „Concord Principles") - Handlungsvorschlag für einen demokratischen
Neubeginn: Während eine selbstsüchtige Herrschaftsclique ökonomischen Niedergang, Entwurzelung der Politik,
Ausschluß der Bürger von ihrer demokratischen und politischen Einflußnahme produziert hat; während die Art der
Selbstbedienung Weniger bei nationaler Wirtschaft und
Politik ihnen zu Konzentration von Macht, Geld,
Wohlstand und Korruption weit jenseits bürgerlicher Kontrollmöglichkeiten verholfen hat; während das politische
System, gleich welcher Partei, zu einer Regierung von
Mächtigen, durch die Mächtigen, für die Mächtigen als einer arroganten und losgelösten Karikatur weit jenseits jeder Jefferson-Demokratie verkommen ist; während Präsidentschaftskampagnen engstirnig, frivol, umständlich, zu
wilden Paraden und Kandidatenrennen wurden, bei ein-
ENDNOTEN
seitigen Geldgebern und dubiosen Kontrollen, mit Bürgern
als erhoffte Förderer und gefällige Wähler; während ein
quälendes Gefühl von Ohnmacht, Verweigerung und Abwendung die Bürger der Nation ergreift, weil sie unter
wachsender Ungleichheit, Ungerechtigkeit sowie Verlust
der Kontrolle über ihre und ihrer Kinder Zukunft leiden;
und während uns, den Bürgern der Vereinigten Staaten,
die wir zur Wiedergeltendmachung fundamentaler demokratischer Prinzipien und ihrer praktischen täglichen Anwendung in unserer Nation aufgerufen sind, der Beginn
einer Arbeit zur Nährung der Substanz von Präsidentschaftskampagnen und zur Ermutigung der Kandidaten
anvertraut ist, unseren Bürgerwünschen während des
1992er Wahljahres Aufmerksamkeit zu widmen; - nun,
aus diesen Gründen, legen wir hiermit die folgenden
„Concord Principles" den Päsidentschaftskandidaten für
die 1992er Wahl vor und erhoffen ihr schriftlich festgelegtes, zusammenhängendes und andauerndes Festhalten an diesen Prinzipien während ihrer laufenden Kampagne...
XVII
Zerberus: Cerberus, in der grch. Myth. der Wachhund am
Tor zur Unterwelt; meist mit drei Köpfen dargestellt. [aus:
Bertelsmann Universallexikon 1995]
XVIII
Der „stern“ machte sich mit Foto von Guido Westerwelle
in seiner Nr. 19/96 unter der Überschrift „Ein Türke vom
General“ über die FDP lustig: „So ist’s recht, immer schön
neue Wählergruppen auftun: Die Fünf-Prozent-Klausel im
Nacken, traf sich der FDP-»General-Sekreteri« Guido
Westerwelle in Bonn mit der Liberalen Türkisch-Deutschen Vereinigung, sprach über eine Reform des Staatsbürgerrechts und ließ, stilsicher auf türkisch, eine Presseerklärung ins Land schicken. Die Sprache beherrscht Westerwelle allerdings so gut wie Kanzler Helmut Kohl Englisch oder Lothar Matthäus Deutsch; deshalb ließ er das
Papier vom LTD-Vorstand Mehmet Gürcan Dalmagüler
verfassen. Der ist Jurist, Doppelstaatsbürger und WGPartner des grünen Abgeordneten Cem Özdemir. Nur drei
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ENDNOTEN
Worte soll sich Westerwelle gemerkt haben: »Önemli
seçmen grup«. Zu deutsch: wichtige Wählergruppe.“
XIX
420
Anfang Juni 1996 besiegelten Landesregierung, Arbeitgeber und Gewerkschaften in Bayern ein „Bündnis für Arbeit“ zur Schaffung von ca. 200.000 Arbeitsplätzen. Kaum
war die Tinte trocken, bemühten sich der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der Präsident des Arbeitgeberverbandes in Bayern Hubert Stärker und der bayerische DGB-Vorsitzende Fritz Schösser (siehe auch Seite
255) in der Sendung „BRISANT“ des bayerischen Fernsehens, den Pakt durch „Klarstellungen“ ihrer Positionen zu
zerreden. Insbesondere der Präsident des Arbeitgeberverbandes betonte, der Pakt allein reiche nicht aus, sondern
insbesondere die Regierung in Bonn müsse erst ihre
„Hausaufgaben“ machen, damit die „Wettbewerbsfähigkeit verbessert“ werde. Es ging wieder um die leidigen
Lohnkosten (siehe Seite 391), deren Höhe allerdings auch
bestritten wird (siehe Fußnote Seite 41). Nicht erklärt wird
immer wieder, warum in den neuen Bundesländern mit
wesentlich niedrigeren Arbeitskosten in der Verarbeitenden Industrie (siehe Seite 393) die Arbeitslosigkeit höher
ist als im Westen.

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