Unser Geschäftsmodell hat sich total gewandelt
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Unser Geschäftsmodell hat sich total gewandelt
Strategie & Innovation → Smudo »Unser Geschäftsmodell hat sich total gewandelt« Autor: Christian Thunig „Die Fantastischen Vier“ sind in zwei Jahrzehnten zu einer Marke und der deutschen Rap-Band Nummer eins avanciert. Aber auch eine solche Marke muss verjüngt und relauncht werden. Und wie in anderen Branchen hat sich auch für die Künstler das Geschäftsmodell komplett verändert. Das R&B macht einen leicht abgewetzten Eindruck. In dem Bistro in Hamburg sitzt ein angenehm normaler Geschäftsmann und Familienvater, Sänger Smudo von den „Fantastischen Vier“, Deutschlands bester Rap-Formation. Taggenau zum 20-jährigen Bühnenjubiläum am 7. Juli 2009 treffen wir dort in der Nähe seiner Wohnung den Frontman. Smudo weiß genau, was den Markenkern von den „Fantas“, wie sie sich selbst gerne nennen, ausmacht, was die Marke aushält und wie sie am besten gesteuert wird. Rap und Celebrity-Werbung klingt komisch zusammen? War die erste Hürde, Werbung zu machen, nicht hoch? Smudo: Das stimmt. Ich persönlich war zunächst auch ein großer Gegner. Und dann auch noch Autofirmen – das ist doch der Teufel! Aber als die Hemmung weg war und wir bei Toyota gesehen haben, dass wir unsere eigene Marke künstlerisch transportieren und unsere eigenen Spots machen können, fanden wir das dann sehr nützlich. Wir haben auch immer schon mit verschiedenen Medien gearbeitet und für Premiere beispielsweise 1993 eine Fernsehsendung gemacht oder daneben eine Radioshow in Stuttgart. Auch die Bühnentechnik und -optik machen wir in Eigenregie. Wir haben auch früher unsere Spots selbst gedreht für unsere Konzerte. Aus Jux haben wir deshalb öfter davon gesprochen, eine eigene Agentur zu gründen mit all den romantischen Vorstellungen vom Werbungmachen … 68 absatzwirtschaft 8/2009 Jetzt ist Fanta 4 auf der ganzen Linie mit VW liiert. Aber sind Musik und Auto grundsätzlich kompatibel? Smudo: Ich finde das schon schwierig, Auto und Musik zusammenzubringen. Aber VW steht von allen Automobilherstellern der Musik noch am nächsten: durch das VWeigene Talentnetzwerk Sound Foundation, die Golf-Serien „Bon Jovi“, „Genesis“ und „Pink Floyd“ in der Vergangenheit, Limousinen-Services im Umfeld von Musikveranstaltungen und Seal, der als Testimonial ja mit Heidi Klum unterwegs ist. Und zu guter Letzt bin ich selber im Rennsport aktiv. Und Ihr Testimonial-Engagement für Word of Warcraft? Wie sehen Sie das vor dem Hintergrund der SpielsuchtDiskussion? Smudo: Ich habe, seitdem ich neun Jahre bin, Videospiele gespielt, als Teenager habe ich sogar selber welche programmiert. Ich finde es eine supergeile Kunstform. Das ist eine der größten Entertainmentbranchen auf der Welt. World of Warcraft ist in erster Linie ein großartiges Spiel und deshalb per Definition suchtgefährdend. Ein spannendes Buch legt man auch nicht einfach beiseite. Sucht in elektronischen Medien wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Erst der Erfolg von WoW hat dieses Thema in eine breite Öffentlichkeit gebracht. Die Testimonial-Kampagne mit William Shatner, Mr. T, Jean Claude van Damme und Ozzy Osbourne war in den USA der Renner, und ich war total stolz darauf, als deutsches Pendant erstmals gefragt worden zu sein. Und Geld gab es auch, aber das spielte nur in zweiter Linie eine Rolle, und es war auch nicht viel. In erster Linie fand ich es einfach cool. Also Geld ist nicht so wichtig? Smudo: Wenn ich ein Angebot nicht so cool finde, dann überlege ich, inwieweit ich mich argumentativ darin zurechtfinde, sodass ich es in Bezug auf mein Image und meine betriebswirtschaftlichen Interessen vereinbaren kann. Denn ich verdiene natürlich auch gerne Geld … Haben Sie Einf lussmöglichkeiten oder Gestaltungsspielräume bei der Konzeption der Werbespots? Breites Interessenspektrum: Smudo ist Flieger, Rennfahrer, Schauspieler und Synchronsprecher. Seit 2003 ist der Sänger und Texter der Fanta 4 im Rateteam der SWR-Show „Sag die Wahrheit“. In jungen Jahren hat er sogar Computerspiele programmiert. Smudo: Das ist der Deal, dass wir viel mit gestalten können. Damals bei Toyota beispielsweise fanden wir die Vorschläge, die die Agentur uns gemacht hatte, nicht gut. Aber man hatte uns gebeten, dass wir uns dennoch mit der Agentur arrangieren. Also haben wir der Agentur 25 Filme, die wir mit unserem Regisseur gemacht hatten, vorgelegt. Die konnten dann auswählen und es Toyota vorstellen. Die haben wir übrigens außerordentlich ausgef lippt gestaltet. Und alle, insbesondere Werber, die ich kenne, haben sich gewundert, dass ein in Werbedingen eher als konventionell positioniert geltender Hersteller so etwas mitmacht. Und beim VW-Spot? Smudo: Beim GTI-Spot bin ich allerdings erst ganz spät angefragt worden, weil zunächst irgendein Schauspieler vorgesehen war. Aber auf höherer Ebene wurde dann entschieden, dass man gerne einen hätte, der für was steht. In diesem Zusammenhang ist dann mein Name gefallen. Den vorgelegten Spot fand ich sehr gut, weil ich das Gefühl hatte, dass ich dabei sehr gut wegkomme. Und da wir sowieso mit VW zusammenarbeiten, war es glaubwürdig. Wie wichtig sind eigentlich Werbeverträge? Smudo: Letztlich hat sich unser Geschäftsmodell total gewandelt. 1997/98 zeichnete sich schon ab, dass mit dem Plattenverkauf einfach nicht mehr nennenswert zu verdienen war. Im Jahre 2003 mussten wir dann schließlich auch unser Plattenlabel „Four Music“ an Sony verkaufen. Heute ist es das Livegeschäft, womit wir unser Geld verdienen. Die Platten bewerben eigentlich nur noch das Livegeschäft und den Künstler selbst. Allerdings müssen wir in der Wahrnehmung live gegen internationale Stars antreten wir Christina Aguilera oder Justin Timberlake mit Bühnen, die ein Schweinegeld kosten, die sie aber über die ganze Welt tragen und sich dadurch besser rechnen können. Wir spielen nur „GAS“, Germany, Austria, Switzerland, daher amortisiert sich die Bühne bei uns nicht in der Weise, müssen aber trotzdem auf dem Top-Level mithalten. Mittlerweile müssen wir etwa das Dreifache dessen ausgeben, was wir vor fünf Jahren ausgegeben haben. Um das abzufedern, und weil man das nicht mehr über Plattenverkäufe hereinbekommt, brauchen Künstler heute notwendigerweise Werbe- und Sponsoringpartner. Gibt es eine Zukunft für die Tonträgerindustrie? Smudo: Es zeichnet sich schon heute deutlich ab, dass nicht mehr der Tonträger die Wertschöpfung ist, sondern der Künstler und seine Aktivitäten und was er sonst an Marketing verkaufen kann. Und das muss nicht nur ein Werbespot sein. Das kann alles Mögliche sein, wie ein Auftritt auf dem Coca-Cola-Festival in Berlin. Das ist eine eiskalte Marketing angelegenheit, es ist aber auch eine kulturelle Veranstaltung am Brandenburger Tor, die mit Musik assoziiert wird und zu der 100 000 Menschen kommen. Und Coca-Cola bezahlt stolze Gagen, weil es auch Werbung ist. Finden das Künstler für ihr Image nicht eher schädlich? Smudo: Ich finde es fürs Image nur mäßig bedenklich. Umgekehrt ist ein Festival, bei dem nicht ersichtlich ist, wer es sponsert, so ungewöhnlich, wie wenn auf dem Rummelplatz keine Lichter leuchten. Alle Aktivitäten hängen irgendwie an ↘ Smudo live beim Radio Day p o w e r e d b y Wer übrigens Smudo live erleben möchte, kann dies auf dem diesjährigen Radio Day am 22. September in Köln tun. Bei dem Branchenevent, das unter dem Motto „Ideas für Ears“ steht, wird das Bandmitglied der Fantastischen Vier im Dialog mit Amir Kassaei, Kreativchef bei DDB und ADC-Vorstandssprecher, das Thema Kreativität beleuchten: einerseits die Perspektive des Künstlers mit den dazugehörigen Freiheiten, andererseits die des originellen Werbers, der nach Kundenwünschen und quasi auf Kommando ideenreich sein muss. ← Mehr unter www.radioday.de absatzwirtschaft 8/2009 69 Strategie & Innovation → Smudo »Vom Plattenverkauf leben wir nicht, sondern von Veranstaltungen und Sponsoring.« Testimonial-Einsatz: GTI-Kampagnen-Vorstellung mit (v. l.) Rennfahrer HansJoachim Stuck, Volkswagen-Markenvorstand Christian Klingler und Smudo. Marken, und das ist heute das Geschäft. Die Plattenfirmen stehen dagegen mit dem Rücken zur Wand. Sie haben nur Tonträger zu verkaufen. Sie haben nicht mal die Rechte, die Musik zu versenden, und sie haben auch die Merchandisingrechte nicht und erst recht nicht die Marketingrechte. Das haben die Verlage. Also haben die Plattenfirmen eigentlich keine Chance … Smudo: Das Buzzword vor zwei Jahren war, 360-GradVerträge zu machen, wo sie alles für die Bands machen, und das auch noch als Dienstleistung für die Künstler verkaufen. Ich halte das zwar aus Plattenfirmensicht für logisch, aber aus Künstlersicht für wenig sinnvoll. Uns wurde 1990 auch Merchandising von unserer Plattenfirma angeboten. Das haben wir abgelehnt. Zum einen wollten wir das selber machen, zum anderen waren wir nicht sicher, ob es in unserem Sinne richtig gemacht wird. Ins Livegeschäft wollen die Plattenfirmen auch, aber das macht eine andere Industrie. Und die lässt sich auch nicht gerne in ihre Karten gucken. Aber ich bin mir auch sicher: Das Tonträgergeschäft wird es immer geben. Es wird online viel verkauft, auch zu einem fairen Preis-Leistungs-Verhältnis, wie ich finde. Für Konsumenten und Künstler geht es, für Plattenfirmen ist es ein hartes und viel kleinteiligeres Geschäft geworden. Die Fantastischen Vier sind eine etablierte Marke im Showgeschäft. In diesen Tagen feiern Sie groß die 20-jährige Bühnenpräsenz. Würden Sie noch mal starten wollen? Smudo: Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich mir nicht mehr als Newcomer die Sorgen machen muss, wo mein Markt von morgen ist. Wir sind bereits eine Marke, und ich bin in einer Zeit groß geworden mit meiner Band, in der so ein Markenauf bau für die umliegende Industrie überhaupt noch finanzierbar war. Wie würden Sie Ihre Marke definieren? Smudo: Nette Herren, die auf dem Boden geblieben sind, die witzige, originelle Musik machen, die eine humoristisch gesellschaftskritische Komponente hat, die man gerne gut finden darf und die einen guten Mix aus Spaß und Geld 70 absatzwirtschaft 8/2009 verdienen in diesen Beruf mischen und denen man abkauft, dass sie das ehrlich meinen, was sie da machen. Dieses ganze Ding ist die Marke Fanta 4. Jetzt sind wir allerdings in einer spannenden Phase, ob wir die Zielgruppe, die mit der Marke groß geworden ist, über die Ränder hinaus ausdehnen können. Oder bleiben wir eingefroren in unserer Zielgruppe und werden einfach nur mit ihr älter? Die Herausforderung ist jetzt, in die jeweils jüngere und ältere Generation hineinzu wachsen. Wir haben mit den letzten Alben auch viele junge Leute mitgenommen, die ja oft automatisch durch entsprechenden Charterfolg rekrutiert werden. Haben Sie über die Jahre die Marke justiert? Smudo: Ab 1995 haben wir so ein Bewusstsein dafür bekommen und gelernt, auch mal eine übergeordnete Perspektive einzunehmen. Seitdem beurteilen wir, bevor wir uns an ein neues Album setzen, rückblickend die letzte Kampagne: Wie sind wir damals auf die Idee gekommen? Was für Themen hatten wir? Auf welche technischen und Stilmittel haben wir zurückgegriffen? Wie sah die Bühne aus? ↘ Die Fantastischen Vier Rap passt nicht nur nicht mehr ganz zum gereiften Musikstil der ursprünglich aus Stuttgart kommenden Formation. Auch das Geschäftsmodell hat sich dramatisch verändert. Werbe- und Sponsoringeinnahmen sorgen mittlerweile für den Cashflow. Die Fantastischen Vier haben einen Zwei-Jahres-Vertrag mit VW, die das Toursponsoring und die Flottendienste übernehmen. Smudo ist darüber hinaus Testimonial für den Golf GTI und World of Warcraft (mit Bandkollege Thomas D.). Im Renngeschäft ist Smudo mit Renault verbandelt, wobei sein Bio-Conceptcar im Juni 2009 sogar den Innovationspreis des renommierten Forward2 Business-Kongresses gewann. ← 20 Jahre gemeinsam und rund sechs Millionen verkaufte Tonträger: Thomas Dürr alias Thomas D., Michael Bernd Schmidt alias Smudo und Michael Beck alias Michi Beck. Als Produzent der Band fungiert das vierte Mitglied Andreas Rieke alias And.Ypsilon (v. l.). Inwiefern hat das geholfen? Smudo: Ab da war es uns auch möglich, strategisch mit unserer Marke zu arbeiten. Bei der U2-Popmart-Tour 1997 hatten wir die Anfrage, als Vorgruppe zu spielen. Wir hatten das erst ref lexartig abgesagt. Unser Manager drängte uns dazu, zu überlegen, wie wir die Menschen, die nicht wegen uns gekommen waren, ansprechen und uns trotzdem treu bleiben können. Nach der Tour haben wir eine neue Zielgruppe hinzugewonnen, nämlich die der interessierten Musikhörer, die nicht auf die Idee gekommen wären, Fanta 4 gut zu finden. Warum ist das Internet überlegen? Smudo: Fans können dort mit uns kommunizieren, und wir können gezielt in Foren von Fans reingehen. Auch können wir Trailer, die wir machen, wiederum ganz breit im Internet streuen. Ich glaube auch, dass der Konsument sich dort gezielt Informationen zu einer Sache holt, und nicht aus der Berieselungsschiene, die im Fernsehen läuft. Ich schaue auch mittlerweile Internet. Was mich interessiert, notiere ich mir, und wenn ich Zeit habe, schaue ich es mir im Netz an. Was waren weitere strategische Schritte? Smudo: Ein anderes Puzzleteil war das Unplugged-Konzert im Jahr 2000. Das hat uns unheimlich geholfen, unsere „Für-junge-Leute-Rap-Musik“ in ein Erwachsenen-Genre zu überführen. Aus diesem Gedanken heraus ist das 20-jährige Jubiläum entstanden. Wir haben uns gefragt: Wie können wir 20 Jahre retrospektiv betrachten? Wir haben mit allen möglichen Stilmitteln gearbeitet und die verschiedensten Techniken benutzt. Wie kann man das machen, ohne albern zu wirken? Also kombinieren wir die Erwachsenenkompo nente „Unplugged“ mit den Superlativen „20 Jahre“ und „Heimvorteil Stuttgart“ und machen einen richtig großen Aufriss mit einem Sinfonieorchester. Kommen Sie dann auch auf neue Ideen? Wie können Sie kreativ sein? Smudo: Dafür muss ich mir Zeit nehmen, und eigentlich müsste ich mir Langeweile dafür verschreiben, damit der Geist ins Rollen kommt und von alleine die Knospen sprießen, romantisch gesprochen. Oft ist es so, dass mir nach einer Stunde Laufen vielleicht etwas einfällt. Die kurze, spontane Idee wird dann notiert, und dann gibt es so etwas wie eine Ideeninsel, und im Zuge der Diskussion mit der Band wird das dann noch mal und noch mal umgebaut – getreu dem Motto: Alles, was man denkt, sofort brechen. Dann kommt der Moment, wo ich mich an den Schreibtisch setze. Wenn es gut läuft, kommen in fünf Stunden vier Zeilen raus, wenn es schlecht läuft keine … Was ist Ihr wichtigster Kanal zu den Fans? Smudo: Ganz klar das Internet. Fernsehen ist unheimlich teuer und rechnet sich nicht, Radio ist sehr schwierig, denn es ist sehr breit gefächert. RTL ist grundsätzlich der Teufel mit DSDS, das können wir als Künstler schon mal gar nicht machen, und bei ProSieben mit „We love to entertain you“ werden die Künstler ja nur so durchgewunken. Das passt auch nicht zu uns als etablierte Popmarke. Sarah Connor und Mark Terenzi und so weiter sind mittlerweile negativ besetzt. Da will man als Musiker nichts mit zu tun haben. Wenn schon Fernsehen, dann kann man eigentlich nur mit den Öffentlich-Rechtlichen arbeiten. Und beim Radio sind Radioeins, Radio Fritz und Radio Eins Live mit die wich tigsten Sender für unsere Marke. Das heißt harte Arbeit … Smudo: Ja, aber um eine Idee zu entwickeln, die man diskutieren kann, braucht man zunächst einen Raum, der mit Abwechslung zu tun hat. Ich muss auf jeden Fall ganz viele verschiedene Sachen machen und neue Erfahrungen sammeln, weil mich das zu etwas Neuem bringt. Es gibt eine Kreativtheorie, wonach man sich später als junger Erwachsener der Erfahrungen, die man als Kind gesammelt und im Gehirn gespeichert hat, wieder bedient. Und oft ist es so, dass die besten und kreativsten Sachen bei Musikern zwischen 25 und 35 Jahren ablaufen. Und wenn die professionell weitermachen wollen, können sie das nur, wenn sie lernen, diesen Brunnen, den sie bis dahin leergefegt haben, immer wieder zu füllen. ← absatzwirtschaft 8/2009 71