und Landschaftspark Erin
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und Landschaftspark Erin
1 Einleitung Die vorliegende Arbeit entstand im des Hauptseminar „Planungsinstrumente und Projektpraxis“ im Wintersemester 2003/04. Thema ist der Dienstleistungs-, Gewerbeund Landschaftspark Erin in Castrop-Rauxel, einer Nachfolgenutzung auf einem brachgefallenen Zechengelände. Die Arbeit untersucht das Projekt Erin im Hinblick auf seine Entstehung und Raumwirksamkeit. Dabei steht das Aufzeigen der Planungs- und Entwicklungsschritte, sowie der Planungsorganisation an ebenso zentraler Stelle, wie die kritische Bewertung ihrer Implementierung und Evaluierung des Projektes. Hierzu bedienten wir uns einer Methodentriangulation. Neben umfangreicher Literaturarbeit führten wir eine Firmenbefragung auf dem Gelände des Erin-Parks und eine Passantenbefragung in der Castroper Innenstadt durch. Des Weiteren befragten wir Schlüsselpersonen der Projektentwicklung, Planer, Wirtschaftsförderer und an der Umsetzung Beteiligte sowie nicht direkt involvierte Personen in neun qualitativen Interviews. Diese wurden digital aufgezeichnet und transkribiert. Die Transkriptionen befinden sich ebenso wie die Fragebögen der quantitativen Erhebungen im Anhang dieser Arbeit. Zur räumlichen Analyse und Dokumentation des Untersuchungsgebietes haben wir zudem Rohdatenmaterial aus der mit Hilfe des geographischen Informationssystems „ArcView“ hergestellten Flächen- nutzungskartierung des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (KVR) für unsere Zwecke aufbereitet. Das Ziel dieser Arbeit liegt in der Erörterung der Fragestellung, ob der Erin-Park endogene Potentiale weckt, innovative Entwicklungsprozesse in Gang setzt oder lediglich die Konkurrenzsituation unter den zahlreichen Gewerbeflächen der Region verschärft. Diese Gegenpositionen im Hinblick auf ihre Validität für das Projekt zu überprüfen, stellt eine besondere Herausforderung dar. Die intensive Beschäftigung mit der Thematik führte im Rahmen unserer Rechercheund Auswertungsarbeiten zu einem komplexen Informationsgebilde. Dieses zu strukturieren und auf die Kernaussagen zuzuspitzen war die Hauptaufgabe unserer Gruppenarbeit. 3 2 Fachwissenschaftliche und thematische Einbettung des Themas 2.1 Das Konzept „Arbeiten im Park“ Der Dienstleistungs-, Gewerbe- und Landschaftspark Erin ist eines von 18 Projekten, welche zwischen 1989 und 1999 im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher-Park unter dem Leitbild „Arbeiten im Park“ im nördlichen Ruhrgebiet auf ehemaligen Industriestandorten entstanden sind. Die IBA Emscher-Park war ein Strukturprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen, welches den Strukturwandel in der Emscher-Region vorantreiben sollte. Durch den Niedergang der traditionellen Industriezweige im Ruhrgebiet, Kohle und Stahl, wurde diese Region aufgrund ihrer monostrukturellen Ausrichtung besonders hart getroffen. Mit schließenden Zechen, Kokereien und Stahlwerken wurde ein wirtschaftlicher und sozialer Abkopplungstrend in Gang gesetzt, der zum Niedergang des ehemals blühenden Industriegürtels entlang der Emscher führte. Die Akteure der IBA sind Ende der 1980er angetreten, dieser benachteiligten Region innovative Impulse zur ökonomischen und ökologischen Erneuerung zu geben und somit ihr negativ besetztes Image umzukehren, hin zu einem positiven Innovations- und Investitionsklima. (Blase 1997, S. 11) Das von der IBA adaptierte Leitbild „Arbeiten im Park“ wurde 1988 von der Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen (LEG) und dem Ministerium für Stadtentwicklung und Verkehr gemeinsam entwickelt (Heyer 2001, S. 162) und sollte mit der bis dahin im Ruhrgebiet üblichen Strukturpolitik, die sich auf das Ausschreiben immer neuer Gewerbeflächen auf der „grünen Wiese“ konzentrierte, brechen, um die ohnehin geringen Freiraumqualitäten in der Region nicht weiter herabzusetzen (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 46). Besonders aus wirtschaftlicher Sicht wurde die klassische Strukturpolitik von den IBA-Verantwortlichen kritisiert: „Das inflationäre Ausschreiben von Gewerbeflächen und deren Befreiung von Auflagen bedeutet aus Sicht des Geschäftsführenden Direktors der IBA (Karl Ganser; Anm. d. Verf.) eine Selektion, bei der über eine lange Zeit systematisch die schwächsten und krisenanfälligsten Betriebe ins Ruhrgebiet geholt wurden. Die Strukturprobleme des Ruhrgebiets haben sich durch die 4 dominante Strategie zu ihrer Überwindung noch weiter verschärft“ (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 46). Unter dem Leitbild „Arbeiten im Park“ sollte eine zukunftsfähige Strukturpolitik im Ruhrgebiet stattdessen auf die individuelle Revitalisierung ehemaliger Industrieareale setzen, da gerade die innovativen und zukunftsträchtigen Unternehmen bei ihrer Standortwahl Qualitäten einforderten, die ein herkömmlicher Gewerbepark nicht zu leisten vermag. Wichtige Anforderungen an die Standorte seien vielmehr die städtebauliche Qualität, die Integration in bestehende Stadtstrukturen, die ökologische Qualität, die Schaffung von sozialen Diensten und Gemeinschaftseinrichtungen sowie eine vorbildliche Infrastruktur. All diese Vorstellungen wurden bei den „Arbeiten im Park“-Projekten versucht, zu verwirklichen. (Heyer 2001, S. 162) 2.2 Der Standort Erin Der Erin-Park entstand auf dem größten und ältesten Zechen- und Kokereistandort der Stadt Castrop-Rauxel, Erin I/ II/ IV/ VII. Die gesamte Stadtentwicklung war nach Abteufung der ersten beiden Schächte im Jahre 1866 eng an den Bergbau gekoppelt. Gegründet wurde die Zeche mit dem keltischen Namen (Erin = die grüne Insel) durch den irischen Geschäftsmann William Thomas Mulvany, der dadurch großen Anteil am Wandel Castrop-Rauxels vom Ackerbürgerstädtchen zur modernen Industriestadt hatte. Am 23. Dezember 1983 wurde auf der Zeche Erin die letzte Schicht gefahren. Im darauf folgenden Jahr schlossen auch die Tore der Kokerei. Vor der Schließung waren in der Zeche, der Kokerei und ihren Neben- gewinnungsanlagen 3800 Menschen beschäftigt. Schlagartig wurde das Gelände zu einer Industriebrache und Tausende Arbeitsplätze gingen verloren. (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 35) Das 41ha große Areal der ehemaligen Zechenbrache liegt im Stadtteil Behringhausen und grenzt im Osten unmittelbar an die Castroper Innenstadt, getrennt lediglich durch den zur Schnellstraße ausgebauten Altstadtring (s. Abb. 1). 5 Abb. 1: Räumliche Einordnung des Erin-Parks; Quelle: Heyer 2001, Maßstab ~ 1 : 15000 Im Norden geht das Gelände in ein Gewerbegebiet, im Westen in landwirtschaftliche Flächen bzw. den regionalen Grünzug E des Emscher-Landschaftsparks über. Hier schließt sich auch die Grenze zur Stadt Herne an. Die Stadtgrenzen von Bochum und Dortmund liegen südlich des Erin-Parks in etwa zwei Kilometern Entfernung. Östlich und südlich wird die Castroper Innenstadt flankiert von drei kommunalen Grünanlagen, dem Park Goldschmieding, der Freizeitanlage Schellenberg und dem Stadtgarten. Nachdem das Zechengelände brach fiel, stand die Stadt vor dem Problem, eine ungenutzte und von den Nebengewinnungsanlagen der Kokerei hochgradig kontaminierte Fläche auf einem „Filetgrundstück“ in unmittelbarer Nachbarschaft zur Innenstadt zu haben, die ihr weder gehörte (Das Gelände war zu diesem Zeitpunkt noch immer im Besitz des Eschweiler Bergwerksvereins und stand unter Bergrecht), noch irgendeinen Nutzen einbrachte. Aus dieser Problematik heraus entstanden Mitte der 1980er Jahre die Planungen für die spätere Revitalisierung der Fläche. 6 3 Das Projekt Dienstleistungs-, Gewerbe- und Landschaftspark Erin 3.1 Ausgangsbedingungen und Impulse des Projekts Mehrfach wechselte der Eigentümer der Zeche und des Grundstücks, bis am 01.01.1967 Erin an die Bergbau AG Lothringen, dessen Muttergesellschaft der Eschweiler Bergwerksverein (EBV) war, überging. Der EBV war der letzte Eigentümer vor Schließung der Zeche. Es stellte sich die Frage, was mit dem Gelände geschehen sollte? War es überhaupt möglich, dass die Stadt es erwerben konnte? Was sollte mit den kontaminierten Flächen geschehen? Existierte überhaupt ein Interesse zur Ansiedlung neuer Industrien? Das Gelände war bereits zum Zeitpunkt der Zechenschließung verkehrsgünstig gelegen. Es liegt direkt am Altstadtring der Stadt Castrop-Rauxel, wodurch der Anschluss zur BAB 42 binnen drei Minuten gesichert ist. Von dort aus sind es nach Osten Richtung Dortmund fünf Minuten zur BAB 45 Richtung Frankfurt, bzw. Richtung Hannover auf der BAB 2 und nach Westen Richtung Duisburg sind es zehn Minuten zum Autobahnkreuz Herne. Hier wiederum existiert ein Anschluss zur BAB 43 Richtung Münster, bzw. Wuppertal. Ebenfalls verkehrgünstig gelegen ist der Flughafen Dortmund, der in einer halben Stunde erreicht werden kann, sowie der Internationale Flughafen in Düsseldorf, der eine dreiviertel Stunde entfernt liegt. Aufgrund der innenstadtnahen Lage ist die Anbindung durch den ÖPNV ebenfalls gewährleistet. Von Beginn an war es unstrittig, dass sich auf dem Gebiet keinerlei emittierendes Gewerbe ansiedeln sollte. Dies war zu Zeiten des Zechenbetriebes, forciert durch die vorherrschende Windrichtung, der Fall (Interview Oldengott, S. XXVII). Die Stadt leitete die ersten Schritte zum Erwerb der Fläche ein. Aufgrund einer Richtlinie des Grundstücksfonds Ruhr muss eine Gemeinde eine Fläche über die Bezirksregierung zum Ankauf anmelden. Dazu gehört ein Grundkonzept einer Planungsvorstellung, welches die Stadt Castrop-Rauxel Mitte der 1980er Jahre entwickelte. Dieses Konzept wurde dann von der Landesentwicklungsgesellschaft im städtebaulichen 7 Rahmenplan weiterentwickelt, nach diesem der Erin-Park nachher auch umgesetzt wurde. (Interview Heyer, S. LXXIV) Zu diesem Zeitpunkt waren die Abbruchmaßnahmen bereits im vollen Gange, wobei industriegeschichtlich wertvolle Gebäude zum größten Teil abgerissen wurden. Lediglich das damalige Pförtnerhaus, sowie der Förderturm, dieser unter größten Anstrengungen des Vereines „Verein Rettet den Förderturm e.V.“ konnte vor der Zerstörung gerettet werden. Hinsichtlich des Förderturmes ist dies besonders bemerkenswert, da dieser bereits verkauft war (Nordrhein-Westfalen-Stiftung, o.J., S. 48). Während der Abbruchphase stand die Altlastenproblematik an zentraler Stelle. Ein Betriebsabschlussplan erfordert Festlegungen, welcher Nutzung eine Fläche zugeführt werden soll. Auf die Nachfolgenutzung wird der Sanierungsbedarf der Altlasten ausgerichtet. Je sensibler die Nutzung, bzw. je hochwertiger die Qualität, desto umfangreicher muss die Sanierung erfolgen. Für die Feststellung, welche Altlasten in welcher Konzentration und Lage sich auf dem Gelände befanden, wurde die Firma Dr. Ebel BSR beauftragt. Diese betrieb das externe Altlastenmanagement für die LEG und handelte dann gemeinsam in Abstimmung mit der Stadt (Interview Oldengott, S. XX). Im weiteren Verlauf des sich entwickelnden Erin-Projekts trat der Grundstücksfond Ruhr auf. Jener ist ein Instrument des Landes zum Aufkauf solcher Flächen. Gemeinsam mit der Stadt Castrop-Rauxel schlossen sie einen Vertrag ab der besagte, dass die LEG als Bevollmächtigter der Stadt, mit den Mitteln des Grundstücksfonds Ruhr diese Fläche erwerben und für die Stadt erschließen und entwickeln solle (Interview Oldengott, S. XXI). Der Erwerb wurde im November 1985 vollzogen, als die LEG das gesamte Gelände des heutigen Dienstleistungs-, Landschafts- und Gewerbeparks Erin von vier verschiedenen Grundstückseigentümern aufkaufte. Der Hauptteil des 41 ha großen Grundstücks befand sich im Besitz des Eschweiler Bergwerksvereins. Die restlichen Flächen hatte der EBV von drei weiteren Eigentümern, der VEBA sowie zwei privaten Besitzern angepachtet (Interview Heyer, S. LXXIII). Durch den 8 Ankauf der Flächen durch die LEG (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 36) verstärkte sich die Ablehnung des EBV, Geld zur Erfüllung der Auflagen des Abschlussbetriebsplans zu investieren. Dies wiederum deckte sich nicht mit den Interessen des Landes bzw. der Stadt Castrop-Rauxel, woraufhin eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen der LEG und dem EBV getroffen wurde. Sie sah vor, dass die „Veranlassung und Durchführung des Abschlussbetriebsplans und die damit verbundenen Kosten durch die LEG getragen werden und dass der EBV gegen Zahlung einer einmaligen Entschädigung von seinen bergrechtlichen Pflichten“ entbunden wurde. Somit gingen auch die bergrechtlichen Verpflichtungen in den Planungen für die zukünftige Nutzung auf und gelangten damit in den Aufgabenbereich von Stadt und LEG. (Ibert, Mayer, Siebel, 1999, S.36) Die Zukunftsvision der Planer war es, einen Dienstleistungs-, Gewerbe-, und Landschaftspark zu entwerfen, der sich städtebaulich einfügt, Investoren ein hochwertiges Profil, aber auch der Bevölkerung einen innerstädtischen Naherholungsraum bietet (Schmidt, 2002, S. 75). 1987 wurde dem Bergamt, welchem aufgrund der bergrechtlichen Verpflichtungen die Aufsicht des Geländes zukam, seitens der Stadt bereits der Entwurf eines Nutzungskonzeptes vorgelegt, in der diese ihre Vorstellungen hinsichtlich der Nutzung des Areals als Dienstleistungs-, Gewerbe-, und Landschaftsparks konkretisierte. Ein Jahr darauf wurde die Grundform des städtebaulichen Konzeptes vorgestellt. Diese wurde unter dem LEG-Konzept „Arbeiten im Park“ in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Castrop-Rauxel entworfen. Dies hatte zur Folge, dass, als das Projekt am 19.01.1990 unter dem Titel „Dienstleistungs-, Gewerbe-, und Landschaftspark Erin“ in die IBA aufgenommen wurde, die Realisierungspläne bereits sehr weit fortgeschritten waren (Ibert, Mayer, Siebel, 1999, S. 36). Hinsichtlich einer SWOT-Analyse ist zu sagen, dass im Rahmen der Planungsverfahren lediglich verschiedene städtebauliche Konzeptentwicklungen gegeneinander abgewogen wurden, insbesondere aufgrund der besonderen Lage des Gebietes (Interview Heyer, S. LXXV). 9 3.2 Beschreibung des Parks Der Dienstleistungs-, Gewerbe- und Landschaftspark Erin ist innerhalb der weitläufigen Grünflächen gekennzeichnet durch eine lockere, dezentrale Bebauung (siehe Abb. 2). Abb. 2: Abgrenzung des Erin-Parks; Quelle: KVR 2003, eigene Bearbeitung, Maßstab ~ 1 : 15000 Auf eine kompaktere Anordnung der Gewerbeflächen wurde bewusst verzichtet, um den Eindruck einer räumlichen Sektorenbildung von Landschafts- und Gewerbeflächen gar nicht erst entstehen zu lassen. Der Park sollte vielmehr eine räumliche Einheit bilden, jedoch mit lokalen Differenzierungen und Gegensätzen – ganz nach dem Vorbild irischer Landschaften und Bauweisen. Ziel war es nämlich, dem Park durch irische Landschaftselemente und Farben ein Profil bzw. ein besonderes Ambiente (Interview Oldengott, S. XXIII) zu geben, passend zu seinem keltischen Namen (Erin für Irland) und in Erinnerung an Zechengründer William Thomas Mulvany (Stadt Castrop-Rauxel o.J., S. 2). 10 Auf der einen Seite sollten karge, nüchterne und weite Landschaften, wie sie für weite Teile Irlands typisch sind, entstehen, auf der anderen Seite sollte die subtropische Fülle aus dem Süden Irlands dargestellt werden, wild und farbenprächtig (siehe Abb. 3 und 4) (Pridik 1997, S. 20). Die bunte Farbgebung einiger Gebäude auf dem Erin-Gelände wurde ebenfalls irischen Eindrücken nachempfunden (s. Abb. 5) (Interview Oldengott S. XXIII). Abb. 3: karge Landschaften; Quelle: Horz 2003 Abb. 4: subtropische Fülle; Quelle: Goldhahn 2003 Abb. 5: bunte Farben; Quelle: Goldhahn 2003 In Bezug auf die Nutzungsstruktur der Gewerbeflächen ist eine funktionale Differenzierung angestrebt worden. Am östlichen Rand des Parks, in unmittelbarer Altstadtnähe, befinden sich öffentliche Einrichtungen wie die Polizei, die Bundesknappschaft und das Dienstleistungszentrum Erin (DIEZE) mit dem „Zentrum Frau in Beruf und Technik“ und einer Dependance der Fern-Universität Hagen. Der gesamte Bereich östlich der beiden großen Landschaftsbauwerke, welche im Rahmen der Altlastensanierung entstanden sind, sollte für höhere Dienstleistungen frei gehalten werden. Daher liegen auch hier, in unmittelbarer Nähe des weithin sichtbaren Förderturms, die Starterhöfe des Mulvany-Centers (s. Abb. 6). Westlich der Landschaftsbauwerke finden sich dagegen nur handwerklich- und technologieorientierte Betriebe. Dies ist im Bebauungsplan deshalb so vorgesehen (der östlichste Teil ist nicht als GE, d.h. Gewerbegebiet sondern als MK, Kerngebiet, bezeichnet), weil die Stadt ihre zukunftsweisenden unternehmerischen „Aushängeschilder“ vermutlich in den weithin sichtbaren „1a-Lagen“ in der Nähe der City platzieren will. Auch setzen diese Unternehmen der höheren Dienstleistungsbranche wohl am ehesten architektonische Zeichen (s. Abb. 7). Um dieses zu gewährleisten, gibt es Gestaltungsrichtlinien, welche jedoch nicht starr sein sollen, sondern im Dialog zwischen Stadt und Investor auf die wesentlichen Bedürfnisse hin optimiert werden sollen (Freudenthal 1997, S. 14). 11 An diesem funktionalen Gradienten orientieren sich im Erin-Park auch die Bodenpreise, sie sind nach Lagegunst gestaffelt. Im Westteil sind sie nicht zuletzt auch wegen des größeren Flächenbedarfs handwerklich orientierter Betriebe niedriger. Hier liegen die Quadratmeterpreise für ein Grundstück bei ca. 40 €, während man im Ostteil des Parks unterschiedliche Preise zwischen etwa 60 und 100 € vorfindet (Stadt Castrop-Rauxel 2004). Die Mietpreise in den Starterhöfen liegen ungefähr bei 10 € pro Quadratmeter inklusive Nebenkosten (Interview Friedrichs, S. XIII). Abb. 6: Starterhof 2 vor dem Förderturm; Quelle: Goldhahn 2003 Abb. 7: Blue Box; Quelle Goldhahn 2003 Die Flächennutzungskartierung aus Abbildung 8 zeigt die Verteilung von Gewerbeund Grünflächen im Erin-Park. Mit jeweils rund 20 ha wird beiden Nutzungen in gleicher Weise Rechnung getragen. Dass, im Luftbild erkennbar, der Grünflächenanteil dennoch größere Räume einnimmt, liegt daran, dass weite Teile der Gewerbeflächen noch nicht bebaut sind (s. weiße Flächen in Abb. 8). 12 Abb. 8: Flächennutzungskartierung des Erin-Parks und Umgebung; Quelle: KVR 2003, Maßstab ~ 1 : 12000, eig. Bearbeitung Auch wenn einige von ihnen schon verkauft worden sind, lässt eine Bebauung schon seit längerem auf sich warten. Dafür wird von den beteiligten Akteuren, ähnlich wie für den erstmalig größeren Leerstand in den Starterhöfen, in erster Linie die gegenwärtig schwierige gesamtwirtschaftliche Lage verantwortlich gemacht (Interviews Werth von Kampen, S. XLIV; Ramme, S. LXI; Friedrichs, S. XVI). Im übrigen wird bei der Vermarktung von Erin (s. Kapitel 4.4) eine den Qualitätsansprüchen des Parks entsprechende Selektion vorgenommen. Andernfalls wäre der Park zwar sehr schnell voll belegt, unterschiede sich in seiner funktionalen Struktur aber auch nicht mehr grundlegend von gewöhnlichen Gewerbeparks. Dennoch sind auf dem Erin-Gelände heute rund 700 Menschen beschäftigt (Interview Oldengott, S. XXXV). Bei Vollbelegung ist eine Beschäftigtenzahl von 1000 angestrebt (Media Design, S. 10). Aus der Luft betrachtet, ist das auffälligste Erkennungsmerkmal des Erin-Parks wohl das Achsenkreuz, welches die Verkehrserschließung der Grundstücke auf der ehemaligen Zechenbrache sicherstellt. Es ist sowohl über den Altstadtring im Osten, als auch über den Westring und die Behringhauser Straße im Westen des Geländes 13 an das Hauptstraßennetz der Stadt angeschlossen und damit auch bedingt zur Durchfahrt geeignet (s. Abb. 1). Die Zweckmäßigkeit dieses, aufgrund der geringen Straßenbreite, flächensparenden Erschließungssystems wird jedoch besonders von den im Westteil ansässigen Unternehmen als unzureichend angesehen (s. Kapitel 5.2) Durch Aufnahme in die Reihe der IBA-Projekte konnte der Erin-Park auch in ökologischer Hinsicht zum Vorzeigeprojekt heranwachsen. Neben der aufwendigen und nach damaligen Maßstäben innovativen Altlastensanierung in Form des Aufbaus zweier Landschaftsbauwerke ist besonders der – typisch für IBA-Projekte – schonende Umgang mit der Ressource Wasser herauszuheben. Das auf versiegelten Flächen und Dächern anfallende Regenwasser wird in einem teilweise offenen Netzsystem aufgefangen und aufbereitet. Anschließend wird es gereinigt in den Wasserlauf in der Mitte der Ost-West-Achse und in zwei Rückhalteteiche geleitet, welche dem Landschaftspark Attraktivität verleihen und zugleich als Reservoir für niederschlagsarme Zeiten dienen können. (Heyer, Diel 1997a, S. 6; Interview Werth von Kampen, S. XLIV) 3.3 Entwicklungsphasen des Projekts Die Entwicklung des Erin-Geländes hin zu seinem heutigen Profil begann gewissermaßen im Jahre 1984, unmittelbar nach Schließung der Zeche. Zu dieser Zeit begannen durch den damaligen Zechen- und Grundstücksbesitzer, den Eschweiler Bergwerksverein, welcher später in der RAG aufging, die ersten Abbrucharbeiten. Ziel des EBV war es, dem Zeitgeist entsprechend, das Gelände komplett zu planieren, mit der montanindustriellen Geschichte aufzuräumen, um letztlich möglichst preiswert aus den Verpflichtungen des bergrechtlich vorgeschriebenen Betriebsabschlussplans herauszukommen (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 35). Lediglich das relativ unscheinbar erscheinende Pförtnerhäuschen, welches heute den Starterhof 1 beherbergt, sowie das Fördergerüst des Schachtes VII konnten vor dem Abriss bzw. dem Verkauf „gerettet“ werden. Hinter dem Erhalt des 70 Meter hohen Förderturms, der heute von der Stadt als schillerndes Wahrzeichen vermarktet wird, steht ein jahrelanger Kampf einer Bürgerinitiative 14 bestehend aus ca. 30 Leuten. Ihnen allein ist die Erhaltung dieses identitätsstiftenden Symbols zu verdanken, nachdem dessen Verkauf eigentlich schon vollzogen war. 1986 wurde der Turm von der oberen Denkmalschutzbehörde unter Denkmalschutz gestellt und mit Geldern der Nordrhein-Westfalen-Stiftung saniert. Bereits am 14.11.1985 erwarb die LEG auf Initiative der Stadt Castrop-Rauxel das Gelände und nahm es in den Grundstücksfond Ruhr auf. In dieser Zeit wurden von Seiten der Stadt auch die ersten Ideen und Pläne entwickelt, welcher Nutzung die Brachfläche zugeführt werden könnte. In den folgenden zwei Jahren wurde für Erin eine Gefährdungsabschätzung durchgeführt, um sich der Risiken, die von einer solchen Industriebrache für Mensch und Umwelt ausgehen, im Detail bewusst zu werden. Dies bedurfte unter anderem einer exakten Rekonstruktion der gesamten Industriegeschichte, da die Zeche ihr Antlitz über die Jahrzehnte häufiger verändert hatte. Die Kokerei wurde beispielsweise immer wieder an anderer Stelle errichtet. Besonders problematisch waren in diesem Zusammenhang die kohlechemischen Nebengewinnungsanlagen der Kokerei. An deren Standorten waren die Böden hochgradig kontaminiert, nicht zuletzt auch durch Einwirkungen des zweiten Weltkriegs. (Interview Werth von Kampen, S. LIII) 1989 kam es dann im Rahmen der Altlastenproblematik zu einer Sanierungsuntersuchung auf Erin, bei der die Gestaltungsideen für den Park auf ihre technische und rechtliche Realisierbarkeit hin überprüft wurden. Je sensibler die angestrebte Nutzung, desto höher ist auch der Sanierungsaufwand. Das bedeutet, dass eine Wohnbebauung für das Gelände von vorne herein ausgeschlossen war. Zum einen, da eine derart aufwendige Aufbereitung weder aus ökologischen, noch aus ökonomischen Gesichtspunkten Sinn gemacht hätte, zum anderen, weil aus Sicherheitsbedenken die gesellschaftliche Akzeptanz auf einem solchen Standort wohl nur gering gewesen wäre. (Interview Oldengott, S. XX) Im Jahr 1991, ein Jahr nachdem das Projekt in die Reihe „Arbeiten im Park“ der Internationalen Bauausstellung aufgenommen wurde, begannen schließlich die 15 Sanierungsarbeiten, während im ehemaligen Pförtnerhäuschen bereits der Starterhof 1 eröffnet werden konnte. Durch das vehemente Engagement der IBA-Beteiligten etwas Besonderes zu kreieren, entwickelte sich schließlich die Idee, den Park nach irischen Gesichtspunkten zu gestalten (Interview Oldengott, S. XXI). 1994 wurde der östliche Teil des Bebauungsplans Erin rechtskräftig. Sanierungs-, Erschließungsaber auch Bauarbeiten schritten derweil voran. Drei Jahre später konnte auch der zweite Teil des verbindlichen Bauleitplans Rechtskraft entfalten. Zu diesem Zeitpunkt waren auf Erin bereits 300 Arbeitsplätze angesiedelt (Chronik Erin 1997, S. 19). Ferner wurden die Arbeiten am südlichen Landschaftsbauwerk abgeschlossen (Chronik Erin 1997, S. 19). Die beiden Bauwerke bildeten das Kernstück der Altlastensanierung, denn innerhalb dieser eindrucksvollen Hügel konnte, durch Folien und stellenweise Beton abgedeckt, der am stärksten kontaminierte Bodenaushub untergebracht werden, nachdem ein geringfügiger Teil in den Niederlanden thermisch behandelt wurde (Werth von Kampen XLI). 1999 fand schließlich die Präsentation des Erin-Parks im Rahmen des IBA-Finales statt. Pünktlich waren zu diesem Zeitpunkt sämtliche Sanierungs-, Erschließungsund Bauarbeiten abgeschlossen. Die Entwicklung des Dienstleistungs- und Gewerbeparks reichte selbstverständlich über dieses Datum hinaus und dauert bis heute an. Hier zeigt sich, dass die Entwicklung eines solchen Projektes auch stark an externe Faktoren wie zum Beispiel die gesamtwirtschaftliche Lage gekoppelt ist. 4 Projektorganisation 4.1 Planungsinstrumente, Planungsorganisation und Projektmanagement Eine Kombination aus formellen und informellen Elementen bestimmte die maßgebliche Planung des Dienstleistungs-, Gewerbe- und Landschaftsparks Erin. Als zentrales Planungsinstrument wurde von der Stadt Castrop-Rauxel ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan aufgestellt. Dieser wurde auf Grundlage der Sanierungs- und Nutzungskonzepte der Landesentwicklungsgesellschaft und der Stadt erarbeitet. Innerhalb dieses formellen bzw. konventionellen Verfahrens konnten 16 Maßstäbe dahingehend gesetzt werden, dass erstmalig in Nordrhein-Westfalen die Altlastensanierung in einen rechtskräftigen Bebauungsplan integriert wurde. (Heyer 2001, S. 163) Bei der Aufnahme des Projekts in die IBA im Jahr 1990 war die konkrete Planung für die Zechenbrache durch das Engagement von Stadt und LEG schon weit fortgeschritten. „Bereits 1987/88 lagen relativ konkrete Entwürfe vor, die im Wesentlichen alle konzeptionellen Elemente (...) enthalten haben“ (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 43). Doch mit der Zugehörigkeit zur Projektgruppe „Arbeiten im Park“ der Internationalen Bauausstellung wandelte sich die lineare Planungsorganisation in ein informelles Projektmanagement, welches jedoch das eingeleitete Bebauungsplanverfahren nicht abzulösen vermochte, sondern quasi parallel zu demselben laufen musste. Auf informeller Ebene entstanden eine Kerngruppe mit je einem Vertreter aus den verantwortlichen Institutionen (IBA, Stadt, LEG) und eine Lenkungsgruppe („Patenkreis“), die sich aus den wesentlichen Vertretern mit tatsächlicher Machtbefugnis zusammensetzte. Sie gab grundsätzliche Entscheidungen, sowie die inhaltliche Richtung des Projekts vor und sicherte den eigentlichen Projektentwicklern den notwendigen Rückhalt zu. Die inhaltliche Koordination fand an einem zentralen runden Tisch („Jour Fixe“) statt. (s. Kapitel 4.2) Einen weiteren Baustein des Projektmanagements bildete der sogenannte „Arbeitskreis Altlasten“, der für die Umsetzung des aufwendigen Sanierungskonzeptes verantwortlich war und in dem Fachleute aus diversen Institutionen zusammengeführt wurden (Blase 1997, S.12). Nur auf diese Weise war es wohl möglich, die hohe Qualität zu erreichen, welche Erin für die spätere Sanierungsgesetzgebung des Bundes hat Maßstäbe setzen lassen (Interview Ramme, S. LV). Die hier zum Einsatz gekommene Konstellation aus formellen und informellen Elementen kann nicht als unproblematisch bezeichnet werden, da die innovativen 17 methodischen Herangehensweisen der um Qualitätssicherung bemühten IBA das Ziel verfolgten, gerade die klassischen Verfahren in ihren starren und daher oftmals suboptimalen Strukturen aufzubrechen. Eine geradezu „hermeneutische“, weil auch von Workshops und Kooperationen flankierte, stand somit einer linearen Planungsorganisation gegenüber. „Auf der einen Seite die projektorientierte Planung, die sich noch bemühte, Standards zu definieren und Prioritäten zu setzen, und auf der anderen Seite ein lineares Bebauungsplanverfahren, das sich anschickte, die frühen Entwürfe in einen rechtskräftigen Bebauungsplan zu gießen“ (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 44). Der Entwicklung des im Jahr 1994 fertig gestellten Teil 1 des Bebauungsplans (Teil 2 1997) gab dem Projektmanagement ein Tempo vor, welches für die Qualitätskriterien der IBA bisweilen ein wenig zu hoch sein musste. Wenngleich sich niemand der befragten Akteure dahingehend äußerte, geht aus der Studie von Ibert, Mayer, Siebel hervor, dass zum einen das „Achsenkreuz“ auf Erin nicht auf ungeteiltes Echo bei den Beteiligten stieß, es aber zu diesem Zeitpunkt schon planerisch festgeschrieben war. Zum anderen seien auch die Gedanken zur späteren Vermarktung des Geländes zu spät in die Festsetzungen eingeflossen, so dass einige Gewerbeflächen heute unattraktive Zuschnitte bezüglich der Verkehrserschließung aufweisen. Ferner sei die attraktive Architektur im Ostteil des Parks nur durch aufwendige Ausnahmeregelungen der Geschossvorgaben ermöglicht worden. (vgl. Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 44) 4.2 Akteure und Akteursnetzwerkanalyse Die Organisationsstruktur von Flächenentwicklungsprojekten, an denen die IBA beteiligt war, weist häufig, so auch im Falle des Erin-Parks eine Dreiecksstruktur auf. Neben der Stadtverwaltung partizipieren Entwickler und externe Innovationsagenturen an dem Projekt. In dieser Dreiecksstruktur dominieren die so genannten Alliierten der IBA (Ibert, Mayer, Siebel, S. 13). Zu den IBA-Sympathisanten kann 18 auch der Castroper Bürgermeister Hans Ettrich gerechnet werden, der seit 1977 sogar „Ordentliches Mitglied der Lenkungsgruppe der IBA“ war (Kreis Recklinghausen 2001). Zu Beginn des Projekts bestand das Akteursnetzwerk in seinen Einzelteilen. Die Stadtverwaltung auf der einen, die LEG auf der anderen Seite. Auf Seiten der Stadt existierten Arbeitsbeziehungen zu den Bezirks- und Landesbehörden. Der erste Kontakt zur LEG fand bereits vor der IBA statt. Zu diesem Zeitpunkt war eine Entscheidung für einen Gewerbepark schon gefallen. Die LEG sollte für die Stadt die inhaltliche Koordination der Projektentwicklung übernehmen, da sie personell dafür ausgestattet war (Interview Ramme, S. XLIX). Im Falle des Gewerbe- und Landschaftsparks Erin stießen wir immer wieder auf eine Lenkungsgruppe, die den Namen „Patenkreis“ trug. In diesem Netzwerk sind Vertreter der Stadt Castrop-Rauxel, unter ihnen der Bürgermeister, der Stadtdirektor und die Ressortleiter der Stadtplanung, Wirtschaftsförderung und des Umweltamtes vertreten gewesen. Die LEG war mit einem Projektleiter und mindestens fünf weiteren Fachleuten aus den Bereichen Architektur, Qualitätssicherung und Erschließung präsent. Des Weiteren waren die Herren Ganser und Blase von der IBA, Herr Arning, zur damaligen Zeit Gruppenleiter im Städtebauministerium, je ein Vertreter der Emscher-Lippe Agentur und der Industrie und Handelskammer, sowie Herr Wirtz, in die Gruppe integriert. Letztgenannter war zur damaligen Zeit VizePräsident der Bezirksregierung und mit der Gruppenleitung betraut. (Interviews Ramme, S. LIII; Heyer S. LXXVI) Zudem werden weitere Ressortleiter aus der Bezirksregierung und dem Wirtschaftsministerium erwähnt, deren Name und Funktion allerdings unklar bleibt (Interview Ramme, S. LII). Neben dieser Lenkungsgruppe, wurde durch Herrn Heyer ein „Jour Fixe“ (runder Tisch) installiert, der alle sechs bis acht Wochen tagte. Hier trafen sich die Fachverantwortlichen des Projekts (Interview Ramme, S. LIX). In diesem Netzwerk sind auch die externen Ingenieurbüros vertreten. Dies waren Pridik & Martin (heute Pridik & Freese), die sich unter Leitung von Professor Pridik um die Landschaftsplanung kümmerten, Schlegel & Spieckermann, die die Erschließung fachlich begleiteten (Heyer, S. LXXVI), der BSR mit Herrn Ebel und Herrn Fahrner 19 und Prof. Dr. Ing. Jessberger & Partner GmbH, die mit den Ingenieuren Birkner und Laßl die Bauaufsicht ausübten und das Verfahren protokollierten. (Jessberger und Partner 1999, S. 396 u. 453) Hinzu kommen die Ressortleiter aus Castrop-Rauxel, sowie die Fachkräfte der LEG. Eine in Eigenarbeit erstellte Graphik mit den wichtigsten Akteuren ist im Anhang auf Seite C zu finden. Während der Projektentwicklung bildeten sich parallel immer wieder kurzfristige, themenorientierte Sub-Netzwerke heraus, beispielsweise zur Baustellenabnahme oder Entlassung einer Fläche aus der Bergaufsicht. Zu nennen wären zudem der „Arbeitskreis Altlasten“ sowie kurzfristige Konstellationen, die entstanden, wenn ein neuer Mieter gesucht wurde oder der Verein „Rettet den Förderturm“ aktiv wurde. Eine Behandlung aller temporär auftreten Konstellationen erscheint im Rahmen dieser Studie nicht realisierbar. Während der Patenkreis 1999 aufgelöst wurde (Interview Ramme, S. LII) und auch der „Jour Fixe“ seine Arbeit einstellte, hat einzig eine „Kerngruppe“ um Heyer und Diel seine Zusammenarbeit aufrechterhalten. Zu diese Gruppe kann heute auch unser Interviewpartner Herr Ramme gezählt werden, da bei der Vermarktung der Flächen die Stadt Castrop-Rauxel weiterhin mit der LEG zusammenarbeitet, die auch gegenwärtig noch Eigentümer der Gewerbegrundstücke ist. Abschließend kann davon ausgegangen werden, dass die Akteure in Castrop-Rauxel aus dem Planungsprozess gelernt haben. Heute bietet das Service Center Wirtschaft bauwilligen Interessenten einen Behördentermin mit allen Beteiligten an, um einen schnellen Baubeginn zu ermöglichen und eventuell auch von den festgelegten Bebauungsvorschriften abzusehen. (Interview Ramme, S. LXV) Weitere Akteure waren am Umweltschutz interessierte Bürger, sowie der Rat der Stadt Castrop-Rauxel. Auf keinen Fall darf die Rolle des Bürgermeisters Hans Ettrich unterschätzt werden. Lenkungsgruppe der Der studierte Ingenieur ist IBA, sondern auch Aufsichtsrat im nicht nur der Mitglied der VEW und stellvertretender Vorsitzender des kommunalen Beirats der Fernuniversität Hagen. Dass sich sowohl die VEW, als auch die Polizei und die Fernuniversität Hagen mit Niederlassungen im Kernbereich von Erin angesiedelt haben, ist sicherlich auch auf 20 seine Kontakte zurückzuführen. Herr Ramme lobt ausdrücklich den Einsatz des Bürgermeisters für den Umzug der Bundesknappschaftsniederlassung von Dortmund nach Castrop. (Interview Ramme, S. LXI) 4.3 Bürgerbeteiligung Eine Bürgerbeteiligung fand in erster Linie im Rahmen baurechtlicher Vorschriften (§ 3 BauGB) statt. Eine Bürgerbeteiligung im Sinne von partizipatorischen Elementen kam, wie es bei Projekten der IBA üblich war, nicht zum Tragen (Interview Spitzner, S. XCIV). Jedoch fanden regelmäßig Tage der offenen Tür, Bürger- und Informationsfeste auf dem Erin-Gelände statt. „Immer dann, wenn wir irgendwas zu feiern hatten, haben wir das auch relativ öffentlichkeitswirksam gemacht“ (Interview Heyer, S. LXXVIII). Festivalisierung war demnach das Prinzip, welches die Bürger am ehesten in die Projektentwicklung involvierte. Die Recherche in Zeitungen ergab, dass allein im Jahr 1999 die Öffentlichkeit zu sechs verschiedenen Festen geladen war. (Stadtanzeiger Castrop-Rauxel 28.04.1999). 4.4 Projektmarketing Die Marketingstrategie für den Gewerbe- und Landschaftspark Erin wird maßgeblich von seinen Standorteigenschaften beeinflusst. Obgleich die Stadt Castrop-Rauxel, insbesondere für die Ansiedlung Unternehmen, oftmals mit einem negativen Image behaftet ist, entwickelten die Beteiligten von Beginn an den Anspruch, nicht lediglich Standort für „einfache“ verarbeitende Betriebe zu sein (Interview Spitzner, S. XCIII). Der Erhalt des historischen Förderturmes der Zeche, der neben dem Hammerkopfturm mittlerweile zum Wahrzeichen der Stadt avanciert ist, sowie die Idee eine irische Landschaft bezogen auf den Begründer Thomas Mulvany zu entwickeln, führten zu einer immensen Aufwertung des Standortes (Interview Oldengott, S. XX). Die Entwicklung des Grünflächenanteils wurde unter 21 weitreichenden ökologischen Prinzipien vor dem Hintergrund durchgeführt, dass sie später für jedermann nutzbar ist. Die direkte Korrespondenz zum Stadtzentrum ist aus der Sicht interessierter Unternehmer sicherlich ebenfalls als Pull-Faktor zu betrachten. In den Anfängen hatte das weltweit tätige Büro Angerfeld aus Düsseldorf die Vermarktung der Flächen übernommen. Vor allem durch mangelnde Identifikation mit der Stadt Castrop-Rauxel und der Region Ruhrgebiet, verstand es der Makler aber nicht, Interessenten für den Erin-Park zu gewinnen. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Qualitätsmerkmale des „Arbeiten im Park“-Standortes, wie der hochwertigen landschaftlichen Gestaltung, seiner städtebaulichen Integration und der hohen Reputation bei der Landesregierung, hatte man schließlich von Beginn an die Maxime ausgegeben, einen Standort zu schaffen, der sich selbst bewirbt. Somit wurde der Entschluss gefasst, die Zusammenarbeit zu beenden und die Fläche über die Landesentwicklungsgesellschaft NRW vermarkten zu lassen. (Interview Oldengott, S. XXXIV) Die LEG kauft dabei die Gewerbeflächen von den Städten in einen regionalen Fond und verkauft diese, ohne Umwege über externe Projektentwickler, direkt an die Investoren. Da der Erin-Park jedoch ein städtisches Gewerbegebiet ist, tritt zumeist die Stadt an die LEG heran, wenn sich ein Interessent bei ihr gemeldet hat. Die LEG verschickt daraufhin einen Vertrag an den Interessenten, der bestimmte Konditionen hinsichtlich Grundstücksgröße und Kaufpreis enthält. Sie ist jedoch in keinem Falle befugt, Gewerbeflächen ohne die Einwilligung der Stadt zu veräußern. (Interview Spitzner, S. XCI) Ferner wurde in Zusammenarbeit mit dem Kreis Recklinghausen und der EmscherLippe-Agentur ein digitales Informationssystem entwickelt. Der so genannte „Flächenatlas Emscher-Lippe“ beinhaltet sämtliche akquisitionsfähigen Flächen in der Region, so auch die des Erin-Parks. Darüber hinaus werden dem potentiellen Interessenten Detailinformationen zu Verkehrsinfrastruktur, bzw. ~anbindung, sowie Grundstückspreise zur Verfügung gestellt (Emscher-Lippe-Agentur 2003). Die eigene Internetpräsenz des Erin-Parkes wird momentan überarbeitet und steht daher nicht zur Verfügung. Diese Abstinenz gilt es sicherlich möglichst schnell zu beheben, um potentiellen Interessen eine zusätzliche multimediale Informationsquelle zu bieten. 22 Das Projekt Erin wurde im Rahmen der Marketinginstrumente der LEG mit Hilfe des Gewerbeflächenjournals und des LEG-Magazins vorgestellt und auch auf einigen Messen präsentiert (Interview Heyer, S. LXXXII). Vor Durchsetzung der ersten Gesundheitsstrukturreform war die Marketingstrategie von Seiten der LEG auf den Bereich Medizintechnik ausgerichtet. Eine Kooperation mit dem Technologiezentrum am Europaplatz in Castrop-Rauxel war angedacht, erwies sich jedoch als uneffektiv. Aus dieser Zeit stammen auch die Ansiedlungen der Firmen Neuromed und Fedradt, die nach Ansicht von Herrn Heyer noch heute zu den erfolgreichsten Ansiedlungen im Gewerbepark zählen. (Interview Heyer, S. LXXXI) Zur Marketingstrategie gehörte ebenso das Gründerzentren, das von Beginn an als so genannter „Durchlauferhitzer“ dient, um auch kleineren und mittleren Unternehmen aus der Region eine Chance zum Einstieg in ihre unternehmerische Tätigkeit zu bieten (Interview Heyer, S. LXXXII). Im Rahmen der von uns durchgeführten Betriebsbefragung bemerkten wie einen auffallend hohen Anteil von Leerständen in diesen Gebäuden. Die Gründe für diesen Zustand sind in der aktuell schlechten wirtschaftlichen Lage (Interviews Werth von Kampen, S. XLIV; Ramme, S. LXI; Friedrichs, S. XVI) und den damit verbundenen Ängsten, das eigene Risiko nicht beherrschbar halten zu können (Interview Oldengott, S. XXXVII) zu sehen. Während Herr Ramme von Seiten der Wirtschaftsförderung trotz dieser Umstände positiv in die Zukunft blickt und eine Vollbelegung im März 2004 prognostiziert (Interview Ramme, S. LXI), äußert sich Herr Oldengott besorgt über die zukünftige Entwicklung in diesem Bereich und sieht keine baldige Verbesserung der Situation (Interview Oldengott, S. XXXV). Nach Aussage des Leiters vom Büro für Regionalanalyse haben die Gewerbeflächen bislang trotzdem eine gute Vermarktung erfahren, die es allerdings mit der Zeit noch zu steigern gilt. „Bezogen auf die Fläche, ist dieser Dienstleistungspark durchaus im Rahmen des Erfolgs. Da muss natürlich noch ein bisschen was passieren. Aber man darf nicht vergessen, dass er erst seit ca. acht Jahren am Markt ist. Was einige Flächen angeht, sogar noch etwas weniger“ (Interview Weiand, S. LXVIII). 23 Die angesiedelten Betriebe kommen zumeist aus einem Einzugsgebiet von maximal 50km, die meisten sogar aus dem Umkreis unter 30km. Demzufolge resultieren viele der Arbeitsplätze zum einem großen Teil aus Betriebsverlagerungen, in einigen Fällen auch verbunden mit einer betrieblichen Expansion. Die entstandenen Arbeitsplätze sind jedoch zumeist von Pendlern und Neueinsteigern besetzt worden, da die Arbeitslosen in der Region im Allgemeinen nicht über die nötigen Qualifikationen verfügen. Dies erklärt, warum die Zahl der Arbeitslosen trotz der Beschäftigtenzunahme kaum gesunken ist. (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 8) 4.5 Finanzierung des Projekts Das Gesamtfinanzierungsvolumen durch die öffentliche Hand beträgt ungefähr 89 Mio. DM (Interview Heyer, S. LXXXIII). Diese Summe setzt sich aus mehreren Teilinvestitionen zusammen, die im Folgenden näher erläutert werden: Als erster Schritt nach der Stilllegung erwarb die LEG das Gelände vom Eschweiler Bergwerksverein mit Geldern aus dem „Grundstücksfond Ruhr“. Der Kaufpreis lag bei ca. 9 Mio. DM (Interview Heyer, S. LXXXIII). In der Phase von 1989-1993 fielen hauptsächlich Sanierungs- und Erschließungskosten an. Gelder hierzu kamen einerseits aus dem ZIM-Programm (Zukunftsinitiative Montanregionen) und aus der Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftsförderung (Interview Heyer, S.II). Das Gesamtinvestitionsvolumen in diesen Jahren betrug etwa 29 Mio. DM, wovon etwa 6 Mio. DM aus der ZIM kamen und 23 Mio. DM aus der Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Wirtschaftsförderung“. Die restlichen 51 Mio. DM kommen aus Landesmitteln, die für das Projekt über die IBA Emscher Park akquiriert werden konnten (s. Abb. 9). 24 Grundstücksfond Ruhr Zukunftsinitiative Montanregionen 9 6 Gemeinschaftsaufgabe "Regionale Wirtschaftsförderung" sonstige Landesmittel 23 51 Abb. 9: Investitionen des Landes NRW in das Projekt (in Mio. DM); Quelle: Interview Heyer, S. LXXIV, eigene Darstellung Durch Grundstücksverkäufe belaufen sich allerdings die Einnahmen auf ca.15 Mio. DM, so dass die geschätzte Nettoinvestition ca. 73 Mio. DM beträgt (Interview Heyer, S. LXXXIII). Die Verkehrs- und Grünflächen kauft die Stadt zu den Konditionen zurück, die vom Grundstücksfond Ruhr festgelegt sind (Interview Ramme, S. LIV). Die Gewerbeflächen werden von der LEG direkt vermarktet. In Prospekten und wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit der Finanzierung des Projektes befassen, ist zumeist die Rede von ca. 70 Mio. DM Bruttoinvestment (Heyer, 2001, S.163; Interview Ramme, S. LV). Diese Zahl ergibt sich, wenn man in die Kalkulation mit einbezieht, dass rund 15% der Investitionssumme durch Mehrwertsteuereinnahmen direkt wieder an den Staat zurückfließen. Von den 80 Mio. DM Bruttoinvestitionen (ohne Grundstückserwerb) fließen also ca. 12 Mio. DM direkt zurück, so dass von einer tatsächlichen Bruttoinvestition von ca. 68 Mio. DM auszugehen ist. (Interview Heyer, S. LXXXIII) Dies sind allerdings nicht die einzigen Gelder, die in dieses Projekt von öffentlicher Seite investiert wurden. Durch eine eindrucksvolle Dienstreise mit einer 20-köpfigen Delegation nach Irland inspiriert, entschied sich die damalige Ministerin für Städtebau 25 Brusis dafür, einen Städtebaulichen Wettbewerb „Wohnen um Erin“, auszuschreiben Laut Verteilungsschlüssel erhält eine Stadt wie Castrop-Rauxel ungefähr 50 Wohneinheiten pro Jahr. Durch das Wohnbauprojekt erhielt die Stadt das vierfache. (Interview Oldengott, S. XXIV). Weitere Investitionen aus öffentlicher Hand ergaben sich durch den Erhalt des Förderturms. Finanziert wurde der Erhalt des Förderturms auf dem Erin-Park und zweier weiterer Türme in Castrop-Rauxel mittels der Investition von 4,5 Mio. DM durch die „Nordrhein-Westfahlen-Stiftung für Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege“ (Interview Lehmann, S. III). Auch eine Reihe von Gebäuden auf dem Gelände ist durch öffentliche Investitionen finanziert. Während die Starterhöfe schon in der Gesamtinvestitionssumme Investitionen in das enthalten waren, Dienstleistungszentrum flossen und zusätzliche das öffentliche Knappschaftsgebäude (Interview Friedrichs, S. XII). Zusätzlich zu diesen Investitionen stieß das Projekt selbstverständlich auch eine Reihe privater Investitionen an, welche durch Firmengründungen und ~verlagerungen auf den Erin-Park realisiert wurden. Die Schätzungen über diese Summe gehen allerdings weit auseinander. Herr Heyer geht davon aus, dass pro investierter, öffentlicher DM, zwei DM privat investiert werden. Abzüglich der Steuern, wurden bis heute schon ca. 73 Mio. DM privat investiert (Interview Heyer, S. LXXXIII). Herr Heyer gab allerdings in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 2001 an, dass das öffentliche Investitionsvolumen von ca. 70 Mio. DM, private Investitionen von über 250 Mio. DM angestoßen habe (Heyer, 2001, S.163). Herr Ramme geht dagegen von privaten Investitionen von lediglich ca. 40 Mio. (ohne Grundstückserwerb) aus. Klare Aussagen lassen sich in diesem Bereich demnach nicht ohne weiteres treffen. 26 5 Auswirkungen des Projekts 5.1 Räumliche Mehrebenenanalyse In diesem Kapitel wird untersucht, wie das Projekt in folgende Ebenen eingebunden ist: Quartierebene, Stadtteilebene, Stadt und Region. Erin, die Grüne Insel, ist im Hinblick auf ihre landschaftliche Gestaltung und Funktionalität auch im städtischen und regionalen Bild eher eine Insel. Durch seine Gestalt und Vorgaben für die gewerbliche Nutzung setzt sich der Erin-Park klar von seiner Umgebung ab. Trotzdem passt er in seiner Nutzung gut in seine Umgebung ein. Von Castroper Bürgern wird das Gelände vor allem als Naherholungsgebiet genutzt. Auf Quartierebene ist der Erin-Park vor allem durch seine Ausstrahlungseffekte eingebunden. Es gibt „Indizien für eine Aufwertung der umliegenden Gebiete durch gewerbliche Investitionen, privat finanzierten Wohnungsbau oder Modernisierung im Bestand“ (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 9). „Allerdings handelt es sich hierbei um Nebeneffekte de[s] Projekt[s], denn es gab keine systematische Verknüpfung mit langfristigen Planungen oder mit den umgebenden Stadtstrukturen“ (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 9). Ausnahme ist hier das Projekt „Wohnen um Erin“, das vom Ministerium für Städtebau ausgeschrieben wurde (Interview Oldengott, S. XXIV), und ebenfalls zu einer Integration auf Quartiersebene beiträgt. Zu diesem Projekt gehören der „Wohnpark Viktoria“, das „ökologische Wohnen auf dem alten Schlachthof“ sowie das GeWoProjekt an der Karlstrasse (WAZ 06.07.1999). Auf der Stadtteilebene ist Erin nach Osten durch eine Fußgängerbrücke mit der Innenstadt verbunden, die auch intensiv genutzt wird. (Interview Oldengott, S.XXI, Z.2; S.XI, Z.7) Nach Westen geht das Gelände in den regionalen Grünzug über. Eine Umfrage in der Castroper Innenstadt ergab, dass der Gewerbe- und Landschaftspark in der Bevölkerung sehr bekannt ist. 89% der Befragten gaben an den Erin-Park zu 27 kennen. Von denen die angaben, den Erin-Park nicht zu kennen, wohnten 90% nicht in Castrop-Rauxel und keiner in der Castroper Innenstadt. 65% der Befragten, die angaben den Erin-Park zu kennen, nutzen ihn ebenso. Die Nutzung für Freizeitaktivitäten steht hierbei im Vordergrund (s. Abb. 10). Freizeit Arbeiten Durchfahrt 10% 3% 2% 8% Parken Besuch des Arbeitsamtes 77% Abb.10: Nutzungsformen des Erin-Parks; Quelle: eigene Erhebung Auf Stadtteilebene ist der Park stark in das tägliche Leben der Bewohner integriert. Unter unseren Befragten wird kein Naherholungsgebiet so häufig genutzt wie der Erin-Park. So gaben 29% der Befragten an, der Erin-Park wäre ihr meist genutztes Naherholungsgebiet, nur 24% gaben dies in Bezug auf den Stadtgarten an. Auch die Freilegung des Obercastroper Baches trägt zur Einbindung auf Stadtteilebene bei. Auf Stadtebene ist der Erin-Park vor allem durch die Starterhöfe eingebunden. Eine Umfrage unter den Betrieben ergab, dass ein Großteil dieser Unternehmer auch in Castrop-Rauxel wohnt und dies auch der ausschlaggebende Grund für eine Ansiedlung in den Grünzentren war. Auf regionaler Ebene profitiert der Erin-Park vor allem durch seine „Nachbarschaft zu größeren Städten wie Bochum, Herne und Dortmund“ (Ibert, Mayer, Siebel, 1999, S.12). Castrop-Rauxel selber hat ein „gravierendes Imageproblem, (…) welches im 28 Erin-Park aber kaum spürbar wird. Akteure aus Castrop-Rauxel hoffen sogar, das positive Image Erins könne auch auf die Stadt ausstrahlen (Ibert, Mayer, Siebel, 1999, S. 9). Noch bevor sich auf dem Gelände erste Betriebe niedergelassen haben, erbrachten öffentliche Akteure erhebliche Vorleistungen. Zusätzlich wurden strenge Bauvorschriften für Gewerbeansiedlungen den hochwertigen Charakter des Projekts unterstreichen. Das Projekt Erin-Park soll demnach nicht zur Ansiedlung jedes beliebigen Unternehmens dienen (Interview Ramme, S. LXIII), und ist auch nicht als Modell für jeden Gewerbepark gedacht. Die „Arbeiten im Park“ - Projekte der IBA stehen in einem Gesamtkonzept und sind „Teil einer (regionalen) Differenzierungsstrategie“ (Ibert, Mayer, Siebel, 1999, S.9). Anfragen, die nicht in das Konzept des Erin-Parks passen, müssen daher an andere Standorte verwiesen werden und vor allem Unternehmungen, die Synergieeffekte auf Erin nutzen können, sollten zu einer Ansiedlung bewegt werden. Die Umsetzung unterscheidet sich punktuell allerdings von der Konzeption. Für die Entscheidung zur Ansiedlung war für viele Betriebe nicht etwa die hohe Qualität des Parks entscheidend, sondern eher die Ortsansässigkeit ihrer Mitarbeiter. Auch Firmen, die schon vorher existierten, also in den Erin-Park umsiedelten, kommen zu einem großen Teil aus Castrop-Rauxel selber oder aus benachbarten Städten (s. Abb. 11). 1 1 Castrop (Stadtgebiet) 1 6 Herne Bochum Dortmund Recklinghausen 2 Duisburg ja, aber keine A ngabe 2 1 Abb.11: Herkunft der Betriebe, die nicht auf dem Erin-Gelände gegründet worden sind; Quelle: eigene Erhebung 29 Die regionale Ausstrahlung des Erin-Parks ist also als geringer einzuschätzen, als es das Konzept vorsieht und eine überregionale Ausstrahlung ist nicht vorhanden. Aus diesem Grunde allerdings das Projekt in seiner Sinnhaftigkeit in Frage zu stellen, wie es Ibert, Mayer und Siebel in ihrer Studie tun, indem sie dem Projekt vorwerfen, qualitativ hochwertige Betriebe aus der Region abzuwerben („creaming“) (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 64), ist unserer Ansicht nach nicht angebracht. Auch das Infragestellen der Übertragbarkeit aufgrund der intraregionalen Konkurrenzsituation des Projekts können wir nur bedingt teilen, da gerade durch eine Vielzahl hochwertiger Standorte das überregionale Image gestärkt werden könnte. Die erwünschte Wirkung der „Propaganda der guten Tat“ (Selbstverständnis des IBAPlanungsansatzes) ist somit nicht wirtschaftsschädigend sondern ~fördernd. 5.2 Evaluierung des Projekts Von Beginn an stand fest, dass auf dem Gelände ein Gewerbepark entstehen sollte. Klar war allerdings auch, dass nie wieder so viele Arbeitsplätze wie zu Zeiten des Zechenbetriebs geschaffen werden konnten. Die Leitvorstellungen für den Erin-Park waren mehr qualitativer als quantitativer Natur. Ziel war es, Gewerbefläche zu schaffen, auf der sich qualitativ hochwertige Unternehmen ansiedeln und somit nachhaltig zur wirtschaftlichen Entwicklung und Beschäftigungssituation der Stadt beitragen. Die Branchenstruktur sollte sich auf Medizintechnik und höhere Dienstleistungen spezialisieren, die Gewerbearchitektur hochwertig sein, historische Bezüge erhalten und für jedermann zugängliche Grünflächen geschaffen werden, (Ibert, Mayer, Siebel, 1999, S.5). Eine Kosten-Nutzen-Analyse wurde allerdings weder vor noch während des Projekts durchgeführt (Interview Heyer, S. LXXVIII). Die Ziele wurden im Wesentlichen erreicht. Die aufwendig gestalteten Grünflächen werden von der Bevölkerung häufig als Naherholungsgebiet genutzt und locken jährlich 70-80 Tausend Besucher (Ruhr-Nachrichten 01.05.1999) an. Fraglich ist allerdings, ob die Sanierung der kontaminierten Flächen bzw. die Landschaftsbauwerke auch nachhaltig den eigenen Ansprüchen gerecht werden. Die Bauwerke sind zwar mit 80cm Mutterboden bedeckt, aber da sie intensiv genutzt werden, 30 unterliegen sie verstärkt erosiven Einflüssen. Was demnach in ein paar Jahrzehnten über die Folgekosten der Sanierung gesagt wird, ist heute ungewiss. Zu den Erfolgsgeschichten des Parks gehören vor allem Firmen der Medizintechnologie, wie die Firma Neuromed (Interview Oldengott, S. XXXVI), und hochwertige Dienstleister, wie die Medienagentur „Blue Box“ (s. Abb. 7, S. 9). Diese beiden Unternehmen sind in den Starterhöfen gegründet worden und realisierten den Bau eigener Gebäude auf dem Erin-Park. Sie stellen daher innovatives Potenzial für die Stadt dar. Ein qualitativ hochwertiges Angebot an Dienstleistungsunternehmen konnte demnach in einigen Fällen realisiert werden. Architektonisch sind die meisten Gebäude relativ aufwendig gestaltet. Abgesehen von der Knappschaft und der Polizei, fügen sich durch ihre Farben und Formen in das Ambiente des Parks, und durch ihre Bauhöhe in das Gesamtbild der Stadt ein (siehe Abb. 5 u.6, S. 8 u.9). Auch historische Gebäudesubstanz wie der Förderturm konnte zu einem identitätsstiftenden Symbol für den Gewerbepark und die Stadt entwickelt werden. Städtebauliche Probleme ergeben sich allerdings durch die geringe Verkehrsfläche, präziser gesagt, dessen Nutzung. Falschparker (häufig Besucher des Arbeitsamtes oder der Innenstadt) erschweren nicht selten das Durchkommen für größere Fahrzeuge (Interview Friedrichs, S. XVI). Es wurde bisher auch noch kein Weg gefunden, dieses Problem zu lösen (Interview Friedrichs, S.XVII). Noch etwas kritischer ist die Belegungssituation zu betrachten. Ein großer Anteil der Flächen ist noch nicht bebaut, obgleich inzwischen fast alle Flächen verkauft sind. Auch die Belegungssituation in den Gründerzentren ist bedenklich, da diese im Moment zu großen Teilen leer stehen. Zur Lösung dieses Problems schlägt Herr Oldengott gezielte Werbung vor (Interview Oldengott, S.XXXVIII), wobei Herr Ramme der Ansicht ist, dass die Starterhöfe im Frühjahr 2004 wieder voll belegt seien (Interview Ramme, S. LXI). Aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage ist die schlechte Auslastung allerdings nachvollziehbar. Doch schon heute ist eine relativ hohe Arbeitsplatzdichte von 112qm/Arbeitsplatz (bei einem Landesdurchschnitt von etwa 220qm/Arbeitsplatz auf Gewerbeflächen) (Interview Oldengott, S. XXXV) gegeben. Auch die Gesamtzahl der geschaffenen Arbeitsplätze von ca. 700 lässt sich als Erfolg ansehen. Allerdings sind 31 nur ca. 350 dieser 700 Arbeitsplätze wirklich neu, der Rest sind Umsiedlungen (Interview Oldengott, S. XXXVI). Insofern könnte man zwar von „back-wash“-Effekten sprechen, jedoch wird bei dieser Argumentation vernachlässigt, dass, wie unsere Firmenbefragung ergab, ein Teil der Umsiedlungen aus Betriebserweiterungen resultiert, durch welche wiederum Arbeitsplätze entstehen konnten. „Trickling-down“-Effekte können in verschiedenen Bereichen nachgewiesen werden. Im Süden entstanden vor allem Wohnungen an der Karlstrasse, die auch von Beschäftigten des Erin-Parks genutzt werden. Außerdem gibt es Indizien für eine Aufwertung der umliegenden Gebiete durch gewerbliche Investitionen. Allerdings handelt es sich hierbei um Nebeneffekte. Eine systematische Verknüpfung mit langfristigen Planungen oder den umgebenden Stadtstrukturen (Ibert, Mayer, Siebel 1999, S. 62) 6 New Urban Governance / Wandel des Planungsverständnisses In der Phase der Projektentwicklung war das Projektmanagement durch Kerngruppe, Patenkreis und Jour Fixe von einer starken Informalisierung geprägt (s. Kapitel 4.1 u. 4.2). Dieses entsprach dem im Wesentlichen von der IBA implementierten Planungsverständnis. Es generierte aufgrund der Arbeit an runden Tischen von hoher Effizienz geprägte Planungsabläufe. Auch führten diese an gegebenen Strukturen nagende Verfahren zu einer enormen Steigerung der Arbeitsmotivation, aber auch des Arbeitspensums. Hierin liegt eine Problematik, die die Möglichkeit einer solchen Arbeitsweise dauerhaft in Frage stellt. Die kurzzeitige Motivationssteigerung kann langfristig zu einem Motivationsverlust und somit zu einem Produktivitätsverlust führen. Im übrigen würden den herkömmlichen Verfahrensweisen über einen langen Zeitraum Ressourcen entzogen, wodurch es zu einem Prioritätengefälle in der kommunalen Planung kommen könnte. Auf diese Weise würden die „einfachen“ zu Gunsten herausragender Einzelplanungen vernachlässigt. Ein weiteres Problem könnte darin bestehen, dass derartige Strukturen außerhalb von demokratischer Kontrolle und Legitimation handeln. Zwar sind die klassischen 32 Strukturen oft unbeweglich und wenig effizient, dennoch fügen sie sich in unser demokratisches System ein und erhalten dadurch ihre verfassungsrechtliche Legitimation. Daher sollten New Urban Governance-Strukturen in dieser Form eher ein punktuelles und temporäres Instrument sein. 7 Qualifikationen im Arbeitsalltag der Planer 7.1 Ausbildungsprofil Während unserer Erhebung zum Erin-Park führten wir mit neun Personen qualitative Interviews. Ein Interviewpartner war freiberuflicher Fotograf, fünf waren bei der Stadt Castrop-Rauxel beschäftigt, einer leitete die LEG Stadtentwicklung GmbH & Co. KG, zwei weitere waren Geografen, zu denen sich durch unser Studium ein Kontakt ergeben hatte. Die Letztgenannten wurden zum Zwecke einer unabhängigen Einschätzung des Erin-Projekts hinzugezogen und sind daher für obige Fragestellung nicht relevant. Ebenso Herr Lehmann, der Vorsitzende des Vereines „Rettet den Förderturm e.V.“, sowie unser erster Gesprächspartner in Castrop-Rauxel, Herr Wagner vom Jugendamt. Es bleiben Herr Heyer von der LEG, der, wie Thorsten Werth von Kampen (Ressortleiter Umweltschutz), in Bochum Geographie studiert hat (Interviews Heyer, S. LXXXII; Oldengott, S. XVIII). Herr Karlheinz Friedrichs ist Bereichsleiter der Stadtplanung und hat Raumplanung in Dortmund studiert. Herr Oldengott ist studierter Landschaftsarchitekt von der TU in Berlin (Interview Oldengott, S. XXXIX). Heute leitet er das Grünflächenamt. Die beteiligten externen Büros bestehen fast ausschließlich aus Ingenieuren. Hier dominieren Landschaftsplaner, Geotechniker und Bauingenieure. 33 7.2 Was sind Schlüsselqualifikationen im Planungsalltag? Sowohl für die Einzelperson, aber gerade auch für die beteiligten Organisationen ist Flexibilität, eine notwendige Voraussetzung. Viele der Fachleute im Projekt Dienstleistungs-, Gewerbe- und Landschaftspark Erin waren nicht in der Stadtverwaltung, sondern in externen Organisationen beheimatet, wie z. B. der LEG selbst, die ein solches Projekt einige Jahre begleitet, dann aber ein neues Projekt bearbeitet. Die externen Ingenieurbüros sind finanziell im hohen Maße von solchen Aufträgen abhängig. Sie stehen nur für die unmittelbare Dauer ihres Projektabschnitts im Geschäftverhältnis mit der Kommune, danach wird eine Einarbeitung in ein neues Projekt, an einem anderen Standort (auch räumliche Flexibilität wird vorausgesetzt), erwartet. 8 Fazit Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass der Dienstleistungs-, Gewerbe- und Landschaftspark Erin ein außergewöhnliches Projekt in der gängigen Planungspraxis darstellt. Durch das Projektmanagement, welches sich, das Ergebnis betrachtend, erfolgreich in die bestehenden Organisationsstrukturen einzubetten vermochte, konnte eine vermutlich selten vorzufindende Qualitätssicherung betrieben werden. Einmalig deshalb, weil das Projekt von den visionären Ideen der Internationalen Bauausstellung inspiriert und von den Projektentwicklern angenommen wurde. Auch wenn die Pläne für die künftige Nutzung schon formuliert waren, so ist doch davon auszugehen, dass die beschriebenen Qualitäten, die heute das Profil des Parks ausmachen, kaum hätten erreicht werden können. Natürlich spielen in diesem Zusammenhang auch die finanziellen Ressourcen des Landes eine Rolle, die durch die IBA „angezapft“ werden konnten. Insgesamt kamen wir mit unserer Arbeit zu dem Schluss, dass der Erin-Park ein im Großen und Ganzen ein erfolgreiches Projekt ist. Das bestätigen unsere Erhebungen unter den ansässigen Firmen, der Bevölkerung der Stadt Castrop-Rauxel und auch die Befragungen von unabhängigen „Experten“ der Region. 34 Den Kritikpunkt, dass ein solcher Park im Rahmen der Konkurrenzsituation unter den Gewerbeflächen im Ruhrgebiet nur die „Sahnehäubchen“ abschöpfe, konnten wir zumindest zum Teil widerlegen und können wir daher nur bedingt teilen. Zumal man bei einem Überangebot wohl am wenigsten die Schuld bei den Flächen suchen sollte, die durch Hochwertigkeit gekennzeichnet sind. Eine Verknappung muss im Gegenteil von der Seite ausgehen, die die geringste Attraktivität bietet, um den Strukturwandel in der Region voranzutreiben. Die These der regionalen Differenzierungsstrategie dürfte darüber selbstverständlich auch nicht vernachlässigt werden. Die gegenwärtige Mangelbelegung der Starterhöfe ist nach diversen Expertengesprächen unseres Erachtens wohl auch am ehesten mit der gesamtwirtschaftlichen Lage zu erklären und bietet zumindest noch keinen Grund das Projekt an sich in Frage zu stellen. Die beschriebene Problematik der Verkehrsflächen in Erin ist auf der einen Seite natürlich bedenklich, auf der anderen Seite muss man aber hier die innovativen Strategien der IBA berücksichtigen, die schließlich auch dazu dienten, Zeichen zu setzen, im Hinblick auf eine weniger automobilfixierte Gesellschaft. Eine Nachahmung der Erin-Konzeption wäre unserer Ansicht nach aufgrund der zur Verfügung stehenden Mittel nur bedingt möglich, aber dennoch wünschenswert: insbesondere um den innovativen Strategien der hier angewandten Planungsorganisation die Chance zu geben, optimiert zu werden. 35