Die versunkene Kathedrale
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Die versunkene Kathedrale
Theaterpädagogisches Begleitmaterial zu Die versunkene Kathedrale Schauspiel von Gert Jonke Ab 14 + Premiere Do, 07. März 2013, 19.30 1 h 45 Min. keine Pause Regie Dominique Schnizer Bühne und Kostüme Christin Treunert Dramaturgie Sylvia Brandl 1 Inhaltsverzeichnis Vorwort 3 1. Figuren & Handlung 4 2. Zum Autor Gert Jonke 5 3. Zur Sprache Gert Jonkes 3.1. Musikalität der Sprache 3.2. "Gedichte sind ja nichts anderes als Zaubersprüche..." 3.3. Ein Stück Wirklichkeit schaffen 3 3 8 11 4. Zur Inszenierung 13 5. Themen im Stück 5.1. Wie wirklich ist die Wirklichkeit? 15 15 5.2. Die Legende von der Entstehung des Wörthersees 16 5.3. Aktuelle Bezüge des Textes zu Kärnten 17 Literaturnachweise 19 Kopiervorlagen M 1 Die Legende vom Wörther-See-Mandl M 2 Szenenfotos M 3 Die Kathedrale von Rouen im Morgennebel (Monet) 20 2 Vorwort Liebe Lehrerinnen und Lehrer, wir glauben, dass das Theater erst dann richtig beginnt, wenn man begreift. Schüler sollten auf den Theaterbesuch vorbereitet werden, damit sie ihn genießen können. Die vorliegende Materialsammlung zur Inszenierung des Schauspiels Die versunkene Kathedrale von Gert Jonke am Stadttheater Klagenfurt möchte Ihnen zur Vor- und Nachbereitung des Theaterbesuchs mit Ihrer Klasse dienen. Neben Hintergrundinformationen zu Autor und Werk, finden Sie einige theaterpädagogische Anregungen, mit denen Sie bestimmte Themenkomplexe der Inszenierung mit ihren Schülern praktisch „anspielen“ können. Alle Arbeitsaufträge sind variabel für Jugendliche ab 14 Jahren gestaltbar. Den einzelnen Arbeitsaufträgen ist jeweils angefügt, ob sie sich für die Vor- oder Nachbereitung, oder aber für beides eignen. Alle Inhalte sind nah an der Inszenierung gehalten. Am Ende des Begleitmaterials finden Sie Kopiervorlagen (M1 – M3) für einige Arbeitsaufträge sowie relevante Literatur. Viel Freude beim Ausprobieren und beim Theaterbesuch wünscht, Elisa Weiß Theaterpädagogin Hinweis: Aus praktischen Gründen wird im vorliegenden Text das maskulinum für "Schüler" verwendet. Gemeint sind auch alle Schülerinnen! Anm. Elisa Weiß 3 1. Figuren & Handlung ER, ein Mann unbestimmten Alters - Dominique Warta SIE, eine Frau unbestimmten Alters - Seraphine Rastl MUTTER von Ihm - Irene Kugler VATER von Ihr - Maximilian Achatz HERR DR. KÖRPER, Oberarzt - Franz Xaver Zach FRAU KROPFITSCH, Pflegerin - Agnes Hausmann Rudi - Eduard Wildner Waltraud - Katharina Schmölzer Joseph , Freund von Mario - Markus Schöttl Leo - Hannes Alois Pendl Prediger - Hannes Flaschberger Seien wir froh; dass wir wieder daheim sind“, sagt zu Beginn ein von der Hochzeitsreise nach Kärnten zurückkehrendes Paar, das in Wahrheit feststellen muss, dass ihm das Glück abhanden gekommen ist. In der Folge bekommt es die seltene Krankheit Morbus ritardando, deren Hauptmerkmal eine extreme Verlangsamung aller Lebensfunktionen ist. In ein Therapiezentrum eingeliefert, begegnen sie im zweiten Bild anderen, die sich einem extrem verlängerten Leben stellen müssen und infolgedessen den Tod als langsames Verschwinden in der Durchsichtigkeit erleben. Eine absurde Erlösungslitanei, die darum bittet, Gott möge doch in welcher Form auch immer, sei es als Zuckerdose oder Amöbe, auf die Erde zurückkehren, bleibt zunächst ungehört. Im dritten Teil dieses Triptychons, das in ironischer Inversion mit der Stufung Paradies, Sündenfall und Erlösung spielt, ist der nahe liegende Wörthersee ausgelaufen. Was auf den ersten Blick wie Katastrophe und Strafgericht anmutet, ist in Wahrheit die Zurücknahme einer älteren Kärntner Miniatur-Sintflut. Die damals in den Fluten des entstehenden Wörthersees versunkene Kathedrale (Debussy) wird wieder sichtbar und das plötzlich geheilte Patientenpaar bricht, die Zeichen der Zeit verstehend, auf, um die Stadt neu zu bevölkern. Joachim Lux. Die versunkene Kathedrale, Entstanden, Uraufführung: 2005, Druck: 2006 4 2. Zum Autor Gert Jonke © Ingrid Ahrer Gert Friedrich Jonke (* 8. Februar 1946 in Klagenfurt; † 4. Jänner 2009 in Wien) war ein österreichischer Lyriker, Dramatiker, Erzähler und Hörspielautor. Gert Jonke besuchte das humanistische Gymnasium und das Kärntner Landeskonservatorium in seiner Heimatstadt Klagenfurt. Nach Ableistung des Wehrdienstes studierte er ab 1966 Germanistik, Geschichte, Philosophie und Musikwissenschaft an der Universität Wien und besuchte die Akademie für Film und Fernsehen. 1970 war er Mitarbeiter in der Hörspielabteilung des Süddeutschen Rundfunks. 1971 ging er mit einem Stipendium nach West-Berlin, wo er fünf Jahre blieb. Es folgten ein einjähriger Aufenthalt in London und ausgedehnte Reisen in den Mittleren Osten und nach Südamerika. Seit 1978 hielt sich Jonke wieder in Österreich auf, er hatte seinen Wohnsitz in Wien, wo er als freier Schriftsteller tätig war. 1977 erhielt er den Ingeborg-Bachmann-Literaturpreis, 1987 den Österreichischen Würdigungspreis für Literatur. Jonkes Stil war – ausgehend von der Sprachskepsis experimenteller Literatur – beeinflusst von Techniken und Schreibweisen konkreter Poesie und gesellschaftskritisch. In seiner ersten Publikation, dem Geometrischen Heimatroman (1969) verband er immanente Sprachkritik und inhaltsorientiertes Schreiben, um zu einer adäquaten Analyse gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge zu gelangen. Die Erzählung Schule der Geläufigkeit (1977) ist im Rahmen des ästhetischen Prinzips stärker inhaltlich ausgerichtet, geht über die Sprachkritik hinaus auch von realen 5 Geschehnissen aus. Jonke griff hier die Idee der Zusammenfügung von Erinnerung und Gegenwart auf: Ein Sommerfest soll identisch mit dem des Vorjahres inszeniert und dadurch die Zeit aufgehoben werden. Die Beziehung zwischen Fiktion und Wirklichkeit wird zum eigentlichen Thema der Erzählung, die immer wieder durch eingeschobene Geschichten unterbrochen wird. Jonke war an der Vienna Poetry Academy/Schule für Dichtung (sfd) als Lehrer tätig und Mitglied verschiedener Interessenverbände, beispielsweise der Grazer Autorenversammlung und der Interessengemeinschaft Österreichischer Autorinnen und Autoren. Sein Werk umfasste Erzählungen, Romane, Essays, Theaterstücke, Drehbücher und Hörspiele. Seit dem Sommer 2008 soll Jonke von seiner schweren Krebserkrankung gewusst haben, dennoch nahm er bis zu seinem Tod Termine wahr. So übernahm er in seiner Wirtschaftsfarce Platzen Plötzlich noch seine erste Schauspielrolle. Er erlag am 4. Jänner 2009 im Alter von 62 Jahren seiner Erkrankung. Am 19. Jänner 2009 wurde er in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 33G, Nr. 41) beigesetzt. In memoriam Gert Jonke haben das Land Kärnten und die Stadt Klagenfurt 2010 einen Gert-Jonke-Literaturpreis gestiftet, der alle zwei Jahre vergeben werden soll. Auszeichnungen 1977 Ingeborg-Bachmann-Preis 1980 Förderpreis des Marburger Literaturpreises 1984 Manuskripte-Preis des Landes Steiermark 1987 Österreichischer Würdigungspreis für Literatur 1988 Preis der Frankfurter Autorenstiftung 1990–1993 Robert-Musil-Stipendium 1991 Internationaler Bodensee-Kulturpreis 1993 Würdigungspreis der Stadt Wien 1993 Anton-Wildgans-Preis 1997 Erich-Fried-Preis 1997 Franz-Kafka-Preis der Stadt Klosterneuburg 1998 Berliner Literaturpreis 2001 Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur 2003 Nestroy-Theaterpreis Bester Autor von Chorphantasie 2005 Kleist-Preis 2006 Arthur-Schnitzler-Preis 2006 Nestroy-Theaterpreis Bester Autor von Die versunkene Kathedrale 2008 Nestroy-Theaterpreis Bester Autor von Freier Fall 6 3. Zur Sprache Gert Jonkes 3.1. Musikalität der Sprache [...] Und ist nicht die Musik auch ein Raum? Immateriell, gespenstisch leblos, wenn man sie Stille nennt, dann wieder, ohne ihrer selbst gewahr zu werden, wie ein Hund, der im Traum winselt und mit den Pfoten zuckt, etwas beinahe tonlos Hustendes, und dann Lärm, doch genau gezügelt und ausgerechnet, ausgerechnet Töne! Hast du sie noch alle? Auch das Schweigen zwischen den sich beinahe endlos dahinschlängelnden Sätzen kann bei diesem Autor sehr laut sein, nach irgendwelchen Ortschaften greifen, die sofort auch wieder gegliedert werden müssen zu einem geometrischen Heimatroman, und das Sprechen ist immer etwas Dazwischen, etwas Hohles, das vom Schweigen zusammengehalten wird, oder ist das Schweigen das Dazwischen und das Sprechen wäre das Drumherum? Es ist eine Zumutung für den Leser, daß er nicht auf die eingefressenen, eingeätzten Satzgänge (auf das Hohle also) achten soll, in denen das Tier, das sie geschaffen hat, und das interessant zum Anschauen sein soll, erwischte man es denn einmal, bereits geduldig auf diese Blicke wartet, sondern daß er, der Leser, auf das Dazwischen, auf den Griesbrei, den essbaren Müllberg aus Gerede glotzen muß, auf diesen Haufen, den er selber gemacht hat, auf das, was Jonke eben gerade ausspart, damit das andere erscheint, damit die Laufgänge auftauchen sollen, in denen das angeleinte Tier, der Sprecher/Autor an der Leine dahinrast, die er sich selber umgelegt hat. Er hat die Gänge gegraben, und er muß jetzt drinnen herumrennen und aufpassen, wer von draußen zu ihm hineinschaut. Und überhaupt: Wer ist drinnen und wer ist draußen? Der Leser außen, der Autor drinnen? Umgekehrt? Es behauptet sich der eine vor dem anderen, und, indem sie sich voneinander abgrenzen, gehen ihre Räume auch schon ineinander über. Daher weiß man bei Gert Jonke nicht, wo die Musik/Sprache aufhört und der Zuhörer anfängt und umgekehrt. Vielleicht besteht, geht man in eines der Theaterstücke des Autors, die Suggestion, die diese Sprache auf den Zuschauer ausübt, gerade darin, daß man, hineingesogen in diesen Bühnenraum, selbst zur Sprache wird, sich nicht mehr vom Gehörten, vom Unerhörten, unterscheidet (Musik erfüllt ja auch immer den ganzen Raum, dringt oft sogar durch Wände!); man selbst also ist der Block Raum, und die Sprachfinger, die sich hineinstrecken und dann, wie Wurzeln, hindurchschlängeln, sind eben diese Gänge aus dem Nichts dazwischen. Die Termitenwege bzw. das Geschehen auf der Bühne, die gewundenen, aus der Leere/dem Raum herausgefressenen Sätze im Buch, sie sind Einblicke in wieder neue Einblicke in wieder ganz neue Einblicke bis in die allerletzte Schachtel, in der das eigentlich Eigentümliche verwahrt ist, das das Eigentum des Autors ist und bleibt und von unseren Blicken niemals abgenutzt werden kann; und, gerade indem das, was da ist, gleichzeitig immateriell und eben nicht da ist, beweist es, daß dieses zum Vorschein Gebrachte nicht auch noch verkörpert werden muß, weil die Sprache, aus der es besteht, ja eigentlich schon der Körper ist und daher nicht mehr dargestellt zu werden braucht. Es ist da und es ist weg, aber indem es weg ist, ist es immer noch da. Wir sehen es nur nicht, weil es überall ist, und 7 nur wir selber sind ausgenommen davon. Doch da wir uns selbst ja nicht sehen können, müssen wir aus der Sprache mit der Laubsäge herausgeschnitten worden sein, und der das gemacht hat und immer wieder weitermachen muß heißt Gert Jonke. Elfriede Jelinek (…). Die versunkene Kathedrale, betitelt nach einem Klavierstück von Claude Debussy, ist eine dreisätzige Sprechsonate, deren Tempobezeichnungen Immer heftiger – Immer schleppender – Nimmt wieder Fahrt auf lauten könnten. Sie ist geprägt von Thema und Gegenthema, Wiederaufnahme und Spiegelung. Auch das Personal prägen Gegensatzpaare. Wechselseitigkeiten, wohin man schaut, und Reziprozitäten, soweit das Auge reicht. Überkreuz heiraten die Eltern einander neu, und einer ist des anderen Freund. Diese Gegensätze trennen und vereinen. Fabjan Hafner Klangteppich aus Worten (zur Nachbereitung) Vorbereitung: Brainstorming zu Worten, Satzfragmenten aus dem Stück (siehe „Erinnerungen an Die versunkene Kathedrale“, S.13) Die Schüler sitzen im Kreis. Geben Sie Worte / Sätze nach links und rechts im Kreis weiter. Die Schüler geben jeweils das Wort an ihren Nachbarn weiter. Nach einer Weile kann auch die Richtung in der die Worte wandern geändert oder Worte aus dem Umlauf gelöscht werden. Möglich ist schließlich auch mit den Worten zu experimentieren, sie in andere Wörter zu verwandeln. Tipp: Augen zu machen und dem Klangteppich lauschen. Welche Bilder tauchen auf? Entsteht eine Geschichte? Was bleibt im Raum, wenn die Stimmen verstummt sind? Die Dichte der Stille ( zur Vor- und Nachbereitung) Dieses Spiel kann erfahrbar machen, wie dicht Stille sein kann... Alle stehen in einem engen Kreis und können sich auch gegenseitig die Arme um die Schultern legen und die Köpfe senken, d.h. kein Augenkontakt. Nun soll die Gruppe bis 21 zählen, aber unter folgender Bedingung: Keine Absprache und keiner sagt mehrere Zahlen hintereinander. Wenn zwei gleichzeitig eine Zahl sagen, beginnt die Gruppe wieder bei Eins. 3.2. "Gedichte sind ja nichts anderes als Zaubersprüche..." Gert Jonke "Wahrscheinlich gab es von Anfang an den Wunsch Zauberer zu werden. Ja, zaubern zu können, das war es. Gedichte sind ja nichts anderes als Zaubersprüche, die bewirken, dass du außer dir bist. Dass du neben dir stehst und dich betrachtest und von dir betrachtet wirst, während etwas, was noch in dir drin ist und von dem du rätselst was das sein kann, aus dir herausgetreten ist, und du stehst neben dir und schaust, wie das 8 heraustritt. Das ist ein Punkt von Erkenntnis glaube ich, ein Punkt, eine Sekunde, in der du begreifst zu verstehen, wie die ganze Welt, wie der ganze Kosmos zusammengesetzt ist. Zehn Sekunden später hast du es wieder vergessen, weil man sich so was ja nicht merken kann, aber diesen Punkt immer wieder zu haben, möglichst oft möglichst viele Punkte dieser Erkenntnis zu haben, das war und ist der Wunsch und zugleich die Gewissheit, dass man das mit Poesie erreichen kann". Gert Jonke "Begonnen hat alles damit, dass ein Deutschlehrer ein Gedicht an die Tafel geschrieben hat, dass sich nicht gereimt war". Gert Jonke Gedichte schreiben Reden Sie mit den Schülern zunächst darüber, was ein Gedicht sein könnte. Worum geht es in Gedichten? Um Gefühle, Dinge die wir uns vorstellen, Träume und Tagträume, um das alltägliche Leben: das Aufwachen am Morgen, der Streit auf dem Pausenhof, einen neuen Freund finden, sich alleine fühlen, krank im Bett liegen. In einem Gedicht geht es darum, wie wir durch unsere Sinne Hören, Riechen, Fühlen, Schmecken, Sehen mit dem Rest der Welt in Austausch kommen. Gedichte sind Magie, denn sie können Etwas in etwas anderes verwandeln: ein Friedhof in ein Theater, eine Zuckerdose in Gott… Das leere Blatt Ermutigen Sie die Schüler dazu, dass leere Blatt Papier als einen Raum zu betrachten, den es zu erkunden gilt. Ein Gedicht kann wie ein Bild gestaltet werden. Beispielsweise kann es um eine einfache Form herum oder auch in ihr geschrieben werden. Ein Gedicht über Wasser kann z.B. in Wellenform geschrieben werden. Ein Gedicht muss auch nicht unbedingt oben links begonnen werden. Indem die Schüler sich entscheiden können, wo auf dem Blatt ihr Gedicht beginnen soll, wird auch die Nähe zwischen den visuellen und verbalen Künsten erlebbar. Die Schüler sollten zum Schreiben von Gedichten also immer ein unliniertes, großes Blatt zur Verfügung haben. Wort- Schüssel (zur Vor- und Nachbereitung) Versammeln Sie möglichst verschiedene Bücher um sich und die Schüler: Geschichtsbücher, Kochbücher, Gedichtbände, Romane etc. Jeder Schüler bekommt einen Bogen Papier und füllt das Blatt mit verschiedenen Wörtern aus den Büchern. Dann werden die Wörter auseinander geschnitten und in eine Schüssel, Backform oder einen ähnlichen Behälter gegeben. Jeder Schüler zieht aus diesem Behälter 10 bis 15 Wörter. Aus diesen Wörtern können nun Sätze geschrieben werden, wobei die Wörter durch eigene Worte ergänzt werden. Die Schüler müssen nicht alle Wörter die sie gezogen 9 haben verwenden, sie können auch Wörter mit anderen Schülern tauschen oder auch weitere Wörter ziehen, wenn sie noch welche brauchen. Anschließend können die Schüler ihre Gedichte laut vorlesen. Machen Sie die Schüler darauf aufmerksam, wie sich die Wörter verändern, je nachdem wie sie betont werden. wichtig: Ermutigen Sie die Schüler dazu, mit den Kombinationsmöglichkeiten der Wörter zu experimentieren. Sie sollten sich nicht darum kümmern, ein Gedicht zu schreiben, zu reimen, in ganzen Sätzen oder zusammenhängenden Gedanken zu schreiben. Wichtig ist die Suche nach überraschenden Bildern, die durch die Kombination von Wörtern entstehen, die normalerweise nicht zusammen erscheinen. Variation: Assoziationen Sagen Sie den Schülern, dass Sie ihnen gleich ein Wort nennen werde und dass sie dann alles aufschreiben sollen, an was sie das Wort denken lässt- egal wie verrückt es erscheinen mag. Sie geben den Schülern also ein Wort wie z.B. „See“. Die Schüler haben eine Min. Zeit, dazu zu assoziieren. Wenn die Zeit um ist und erst dann sagen Sie den Schülern, dass sie aus ihren Assoziationen ein Gedicht schreiben können, wobei sie je nach Wunsch andere Wörter hinzunehmen können. Auch hier geht es wieder nicht darum strukturierte Sätze oder Gedanken zu fassen, sondern darum eine Kollage von Assoziationen zu einem Wort zu finden. Ein Gespräch über Träume (zur Vor- und Nachbereitung) Beginnen Sie mit einem Gespräch um gemeinsam zu erforschen, wie Träume sein können. Welche Träume kommen immer wieder? Ist es Dir schon mal passiert, dass ein Traum war geworden ist, oder Du dich in einer Situation wieder fandest, in der Du dachtest, dass Du sie aus einem Traum kennst? In Träumen werden manchmal Dinge, die sonst klein sind, sehr groß und bedrohlich, und Dinge die groß sind werden winzig wie Ameisen. In Träumen vermischen wir alle möglichen Bilder, die scheinbar in keinem Zusammenhang stehen. Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart können vermischt werden und Personen von denen wir durch Tod oder Distanz getrennt sind, können uns in sehr lebendiger Weise begegnen. Traum- Gedicht schreiben (zur Vor- und Nachbereitung) Sagen Sie den Schülern, dass sie über einen Traum den sie wirklich hatten schreiben können. Möglich ist auch, dass sie ein Gedicht mit einem Traumgefühl schreiben. Helfen Sie den Schülern in den Traum wieder einzusteigen, indem Sie ihnen vorschlagen so zu schreiben, als ob sie an einem bestimmten Ort innerhalb der Landschaft des Traumes wären. Dies hat außerdem den Vorteil, dass die Schüler nicht mit dem Satz enden müssen: “...und dann wachte ich auf und stellte fest, dass es nur ein Traum war“. 10 Wenn ein Schüler sich nicht an seine eigenen Träume erinnern kann, dann laden Sie es dazu ein, Teil eines anderen Bildes zu werden und darüber einen Traum zu erfinden. Sie können verschiedene Bilder von bizzarer, traumähnlicher Qualität mitbringen, wie z.B. das Bild Die Kathedrale von Rouen bei Morgennebel von Monet (M 3). Sie können auch eine Kollage von drei Bildern machen, die normalerweise nichts miteinander zu tun haben, wie z.B. eine Kathedrale, den Wörthersee und ein Baum. Wie jemand der träumt, können die Schüler dann in einem Gedicht, Verbindungen zwischen diesen drei Bildern schaffen. Variation: Tagträume Sprechen Sie mit den Schülern darüber, wo sie hinreisen, wenn sie Tagträume haben. Welche Fantasien haben sie. Ermutigen Sie sie dazu, ihre Tagträume aufzuschreiben, so als ob dieses ihr „anderes“ aber genauso reales Leben wäre. Wenn sie möchten, können sie es auch mit ihrem „wirklichen“ Leben vergleichen. 3.3. Ein Stück Wirklichkeit schaffen (...). Wenn etwas in einem drin ist, ein Gestaltungswille, der Wunsch etwas Schöpferisches zu machen, weil die Umgebung, die Stadt, in der man lebt, so öd ist, weil alles so eintönig ist in einer Form, die alles lähmt... Der absolute Wille, sich die Welt zu gestalten und zu erfinden. (...). Das Verfertigen von Texten ist ja mit Mühen verbunden, kann einem bis zum Wahnsinn treiben, aber wenn man sieht, dass dabei etwas Unverzichtbares entsteht, ein Stück Wirklichkeit, das eine Atmosphäre verbreitet- auch für andere-, die eine neue Dimension erzeugt, dann... Gert Jonke In Die versunkene Kathedrale werden Dinge in ungewohnte Zusammenhänge gestellt- ein See läuft aus, Orte liegen in der Nacht weiter auseinander... Rätsel werden geschaffen, welche die Vorstellungskraft der Zuschauer in Bewegung setzten. Folgende Übungen möchten den Schülern Lust machen, selbst Rätsel zu erfinden, die dadurch entstehen, dass man einfach ungewöhnliche Zusammenhänge herstellt. Verbindungen herstellen Gedichte können eine Möglichkeit sein, anderen etwas davon zu erzählen, wer wir sind und wie wir die Welt sehen. Wir möchten, dass andere Leute unsere Gedichte lesen, damit sie uns und unsere Erfahrungen so klar wie möglich sehen können. Etwas mit etwas anderem zu vergleichen, also Beziehungen herzustellen, ist eine Möglichkeit dies zu tun. 11 a) Gefühle Auf dieselbe Art und Weise können die eigenen Gefühle mit etwas anderem verglichen werden. Wenn ein Schüler sagt: „Ich bin einsam“, dann drückt dies nicht unbedingt die Einzigartigkeit seiner Erfahrung von Einsamkeit aus. Wenn er aber sagt: „Ich bin so einsam wie ein ausgelaufener See“, dann ist dies eine sehr persönliche Beschreibung seiner Einsamkeit. Andere haben dann eher die Möglichkeit, zu verstehen, was das gemeint. Der Schüler seinerseits kann die Erfahrung machen, dass er seine Gefühle mitteilen kann. Die Schüler können eine Szene für eine Figur schreiben, die einsam ist, ohne sie sagen zu lassen „Ich fühle mich einsam“. Wo ist die Figur? Wie viel Uhr ist es? Welche Geräusche/Musik ist hören? Wie ist das Wetter? Wie ist das Licht? Ist die Figur alleine, oder sind andere Menschen/Tiere/Gegenstände bei ihr? b) Gegenstände Stellen Sie den Schülern verschiedene Objekte zur Auswahl von denen sich jeder eins aussuchen kann. Die Schüler sehen sich ihr Objekt ganz genau an: seine Farbe, seine Form. Wem oder was sieht es ähnlich? Lassen Sie die Schüler ihre Augen schließen und den Gegenstand erfühlen- nach was fühlt es sich noch an? Lassen Sie die Schüler den Gegenstand schütteln, riechen, schmecken. Dann lassen Sie die Schüler über ihren Gegenstand schreiben und dabei Vergleiche herstellen wo sie können. Tipp: Sagen Sie den Schülern dass sie so schreiben sollen, dass auch Sie den Gegenstand der Schüler fühlen, riechen, schmecken können, wie sie es tun. Was machst du da? (zur Vor- und Nachbereitung) Worte und Handlungen der Figuren in „Die versunkene Kathedrale“ stehen auf den ersten Blick in keinem direkten Zusammenhang. Folgende Übung eignet sich dazu, aus diesem Durchkreuzen von Erwartungen ein Spiel zu machen und dabei neue, ungewohnte Zusammenhänge zwischen alltäglichen Handlungen zu entdecken. Die Schüler stehen im Kreis. Ein Schüler beginnt eine Handlung pantomimisch darzustellen, wie z.B. Tee trinken. Der Schüler zu seiner linken Seite fragt: „Was machst du da?“ Der erste Schüler antwortet mit einer Handlung, die so wenig wie möglich mit der Handlung die er ausführt zu tun hat, wie z.B. „zum Bus rennen“. Daraufhin beginnt der zweite Schüler die genannte Handlung („zum Bus rennen“) pantomimisch auszuführen. Nun ist der dritte Schüler an der Reihe zu fragen: „Was machst Du da?“ und bekommt als Antwort wieder eine Handlung, die nichts mit der dargestellten Handlung zu tun hat. Auf diese Weise wandert die Runde im Urzeigersinn weiter. 12 4. Zur Inszenierung Zum Bühnenraum Der Bühnenraum in der Inszenierung Die versunkene Kathedrale zitiert unterschiedliche Orte. Da ist beispielsweise das Kreuz über der Tür, dass in Verbindung mit dem grellen Weiß des Raumes mal an den Himmel, mal an eine Anstalt oder ein Krankenhaus erinnert. Die Linien die Leo an die hintere Bühnenwand malt erscheint mal als Silhouette der Alpen, mal als Frequenz eines Herzschlages. Der Pool auf der Bühne erscheint mal als Accessoire eines Bungalow-Heims, mal als Miniatur-See, der den großen See im Zuschauerraum widerspiegelt. Beobachtungsaufgabe (zur Vor- und Nachbereitung) Geben Sie den Schülern vor dem Besuch der Vorstellung die Aufgabe auf den Bühnenraum zu achten. Welche (verschiedenen) Räume sehen sie? Welche Verwandlungen des Raumes können sie beobachten? Durch welche Mittel (z.B. Licht, Verschieben von Bühnenwänden, Technik, Requisiten) werden diese Veränderungen bewirkt? Nach dem Vorstellungsbesuch können die Beobachtungen zusammengetragen werden. Erinnerungen an Die versunkene Kathedrale (zur Nachbereitung) Folgende Übungen eignen sich dazu, Eindrücke aus dem Theaterstück Die versunkene Kathedrale aufzugreifen und in eigenen Geschichten zu verwandeln. Laden Sie die Schüler dazu ein, sich auf den Rücken zu legen und evtl. die Augen zu schließen. Jeder Schüler soll das gesehene Theaterstück Die versunkene Kathedrale bzw. einzelne Bilder oder auch was gesagt wurde, noch mal vor seinem „inneren Auge“ vorüberziehen lassen. Nach ca. einer Min. holen Sie die Schüler wieder sanft aus ihrer Phantasie zurück. Halten Sie ein großes Plakat und einen Stift bereit und bitten Sie die Schüler von ihren Erinnerungen zu erzählen. Wie in einem Brainstorming werden alle Äußerungen, also auch kurze Berichte oder wörtliche Zitate, aufgeschrieben. Diese Sammlung von Erinnerungen können Sie als Grundlage für folgende weiterführende Übungen nutzen. Sie können den Schülern die verschiedenen Möglichkeiten mit der Geschichte weiterzumachen auch zur Auswahl stellen, so dass sich jeder Schüler je nach Neigung für einen Weg entscheiden kann. a) Unterhaltung Zwei Schüler bilden ein Paar. 1. Schritt: Beide Schüler wählen jeweils eine Figur aus dem Stück aus. 2. Schritt: Die Schüler beginnen mit einer „Improvisation auf Papier“, d.h. die Schüler führen in ihren Rollen eine Unterhaltung, wobei sie alles was sie sagen sofort aufschreiben. 13 wichtig: Es gelten die international gültigen Improvisationsregeln: Spielangebote annehmen, nicht aus der Rolle fallen. Nach ca. einer DINA-4 Seite sollte die Improvisation abgeschlossen werden. 3. Schritt: Die Schüler lesen ihre Unterhaltung in verteilten Rollen, um abzugleichen, ob sie dieselbe Version haben. b) Klangbild Die Schüler können eine Szene durch Klang umsetzen. Hierzu können sie entweder Instrumente oder auch Alltagsgegenstände mit denen sich gut Klang erzeugen lässt verwenden. c) Figuren Als Grundlage für diese Übung können Sie Kopien der Szenenfotos (M 2) an die Schüler austeilen. Reden Sie zunächst mit den Schülern über die Figuren aus dem Theaterstück und spinnen Sie die Geschichten um sie herum weiter: wie stellen sich die Schüler die Vergangenheit, wie die Zukunft der Figuren vor? Wenn die Schüler genug über die Figuren erfahren haben, laden Sie sie dazu ein, sich für eine Figur zu entscheiden- eine mit der sie sich identifizieren können, die einen Charakterzug mit ihnen teilt. Wenn die Schüler zum Schreiben bereit sind geben Sie ihnen ein paar Hilfestellungen wie: Sei die Figur über den du schreibst. Wie riechst du, wie fühlst du? Stell dir vor, wo du gelebt und welche Veränderungen du durchgemacht hast. d) Kollage In Kleingruppen von drei bis fünf Personen, können sich die Schüler ca. 10 Sätze und Bilder aus dem Brainstorming aussuchen und zu einer neuen Szene zusammenbasteln. Podiumsdiskussion Veranstalten Sie eine fiktive Podiumsdiskussion zur Inszenierung Die versunkene Kathedrale am Stadttheater Klagenfurt. Wer könnte in dieser Runde etwas Interessantes zu sagen haben? Neben einem Moderator, können folgende Figuren als Gäste geladen werden: Der Autor Gert Jonke, der Regisseur Dominique Schnizer, die Bühnen- und Kostümbildnerin Christin Treunert, ein/e SchauspielerIn, ein Mitglied der Jury des Neytroy-Theaterpreises, der 2006 an Gert Jonke für Die versunkene Kathedrale ging, ein Sprachwissenschaftler, ein Seenforscher... Den Spielern wird der Name ihrer Rolle für das Publikum gut sichtbar angeheftet. Neben dem Moderator, kann die Klasse in der Rolle des Publikums, Fragen an die Gäste auf dem Podium stellen. Wichtig: In der gewählten Rolle antworten! 14 5. Themen im Stück 5.1. Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Obwohl im Alter die Jahrzehnte vergehen wie in der Kindheit die Monate, liegen die bewegenden Erlebnisse – Liebe, Lust und Leid – immer weiter auseinander, ebenso wie im Stück Klagenfurt in der Ostbucht und Velden im Westen des Sees im Dunkel der Nacht mehr und mehr voneinander abrücken. Jonke behauptet die Realität der subjektiven Wahrnehmung und ist damit beileibe nicht allein. Auch das österreichische Bundesheer belehrt seine Rekruten nach wie vor darüber, dass nächtens Distanzen subjektiv länger erscheinen. Einsteins Relativitätstheorie besagt, dass sich die Lichtgeschwindigkeit, wiewohl sie konstant ist, bei Messung je nach Medium als langsamer (unter Wasser) oder schneller (im Vakuum des Weltalls) als in der Luft erweist. Fabjan Hafner "In der Nacht liegt alles viel weiter auseinander" (zur Nachbereitung) Das Stück beginnt mit Frischvermählten, deren Ehe bereits auf der Hochzeitsreise gescheitert ist. Diese zerbrochene Beziehung ist jedoch nur ein weiterer Fehlschlag, dem schon mindestens einer vorausging und auf den wohl noch etliche folgen werden. Am Ende zeichnet sich konsequenterweise ein weiterer Anfang ab. Ganz für sich allein ein „Ja“, wie am Standesamt oder dem Traualtar. Dieses Versprechen ist, ganz im Gegensatz zu Thomas Bernhards Novelle gleichen Titels, eine völlig ironiefreie Beteuerung. Gerade wie sie nur auf Zeit gilt, für einen neuerdings so innig beschworenen Lebensabschnitt. Man erinnert sich vielleicht an die Schlussweisheit aus Woody Allens Meisterstück Manhattan: „Du musst einfach ein bisschen an die Menschen glauben!“ („You’ve got to have a little faith in people.“) Fabjan Hafner Diskutieren Sie das Ende der Inszenierung mit den Schülern. Was für ein Fazit lässt sich daraus ziehen? Gegebenenfalls kann als Ausgangpunkt der Diskussion die Textzeilen hinzugezogen werden, mit denen das Stück schließt: Mutter: Ja. Bei Tag benötigt man für die Strecke Klagenfurt- Velden höchstens zwanzig bis dreißig Minuten. In der Nacht mindestens zwei, drei oder gar vier Stunden. In der Nacht liegt alles viel weiter auseinander. Ja. Spurensuche (zur Vor- und Nachbereitung) Zu Beginn des Stücks lädt der Prediger den Intendanten dazu ein ganz die Fiktion ganz offiziell Einzug in die Wirklichkeit und umgekehrt die Wirklichkeit Einzug in die Fiktion nehmen zu lassen: 15 „Nun habe ich folgende Frage, werter Herr Intendant: Wollen Sie nicht endlich mit ihrem Theaterensemble auch bei mir gastieren? Am Friedhof oder wo auch immer. Dafür dürfte ich dann im Austausch sozusagen: ab und an jemanden hier bei Ihnen im Theater beerdigen, bestatten?“. Prediger Auch das Erleben der Figuren bewegt sich an der Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit: "Es ist eine Lüge, dass ich mich mit Benzin überschüttet und angezündet haben soll, aber als ich den Leuten erklärte, dass ich ein Waldbrand war oder ein brennender Baum, glaubte man mir auch das nicht. Sie konnten nur nicht aushalten, dass mitten auf der Mariahilferstraße plötzlich ein riesiger Baum stand, den sie nicht erklären konnten und über den sie sich ärgerten und ihn deshalb eines Tages einfach anzündeten. Ja, das ist die Wahrheit, die sie nicht vertrugen, und ich habe dafür meinen Kopf herhalten müssen. Ist das nicht typisch?" Waltraud Laden Sie die Schüler nach dem Vorstellungsbesuch dazu ein, in ihrer Erinnerung nach Spuren der Vermischung zwischen Fiktion und Wirklichkeit zu suchen und diese mit möglichst genauen Aussagen der Figuren, Szenen zu belegen. Diese Frage kann auch als Beobachtungsaufgabe vor dem Vorstellungsbesuch an die Schüler gegeben werden. Im Anschluss werden die Beobachtungen zusammengetragen. 5.1. Die Geschichte von der Entstehung des Wörthersees Am Ende des Stücks Die versunkene Kathedrale ist der Wörthersee ausgelaufen. Nach Fabjan Hafner wird damit das bekannte Wörtherseemandl-Desaster zurückgenommen und außer Kraft gesetzt. Das moralisierende Wörtherseemandl lässt die Sünder verschwinden, durch das Auslaufen der Wasserwanne, des Seebeckens werden nach und nach deren Sünden offenbar. Das augenöffnende See-Wasser ist nasses Grab und Ursprung der Schöpfung zugleich. Die Geschichte von der Entstehung des Wörthersees neu erfinden (zur Vor- und Nachbereitung) Vielen Schülern ist die Geschichte von der Entstehung des Wörthersees in verschiedenen Versionen vertraut, anderen nur der Titel der Titel oder auch weder noch. Folgende Übung eignet sich dazu, eigene Phantasien zum Titel „Die Geschichte von der Entstehung des Wörthersees“ zu entwickeln, ganz unabhängig davon, welches Vorwissen die Schüler mitbringen: jene mit Vorwissen, können dieses einbringen, Schüler ohne Vorwissen können eine ganz neue Geschichte erfinden. Im Anschluß können Sie eine der vielen Versionen der Geschichte (M 1) gemeinsam lesen und mit der eigenen vergleichen 16 Beginnen Sie, indem Sie den Schülern sagen, dass Sie jetzt mit ihnen zusammen ein Theaterstück erfinden möchten, das den Titel „Die Entstehung des Wörthersees“ trägt. Wichtigste Regel ist: Alle Personen/Gegenstände werden gespielt, können sprechen, sich bewegen und haben Gefühle. Fahren Sie fort, die Geschichte anhand folgender Fragen zusammen mit den Schülern weiter zu erfinden: 1. Wer? (Name, Geschlecht, Alter) Wer ist der Held der der Geschichte- Mann, Frau, Tier, Gegenstand…? 2. Wann? (Jahreszeit, Tageszeit, Uhrzeit) Welche Jahreszeit, Tageszeit, Uhrzeit ist es gerade? 3. Wo? Bsp.: Wo befindet sich der Held ? Grundsätzlich: Wenn ein sehr kleiner Ort genannt wird (z.B. Klo), nach außen fragen, z.B. in welchem Haus war das Klo, in welcher Stadt? Wird ein sehr großer Ort genannt (z.B. auf der Erde), nach innen fragen, z.B. wo auf der Erde, in welchem Land? 4. Welches Wetter? Schafft Atmosphäre für das, was passiert. 5. Was macht der Held ? Bsp.: Was macht der Held an diesem Frühlingsnachmittag um 15:00 im Garten? 6. Wie geht die Geschichte weiter? Was passiert als nächstes? Hier ist es wichtig, beim Helden als der Hauptfigur zu bleiben. 7. Schluss - Wie endet die Geschichte? Vorgehen beim Spielen der Geschichte: Nennen Sie, bevor die Geschichte gespielt wird, alle Rollen die besetzt werden müssen und fragen Sie dann, wer welche Rolle übernehmen will. Lassen Sie die Schüler ihre Rolle mit der Frage anspielen: „Wie würdest Du... zeigen?“ Wenn alle Rollen besetzt sind, werden Orte, Auf- und Abgänge definiert, soundEffekte werden vom Publikum gemacht Führen Sie die Schüler erzählend durch die Geschichte, führen Sie z.B. die Szene ein, die gespielt werden soll, unterstützen Sie die Spieler, korrigieren Sie, wenn das Skript verlassen wird. 5.2. Aktuelle Bezüge des Stücks zu Kärnten/Klagenfurt Wie Goethes Faust beginnt Die versunkene Kathedrale mit einem ironischen Vorspiel auf dem Theater. Doch bei aller Ironie, die sich durch den Text zieht, ist er nicht halb so absurd, wie er auf einen flüchtigen ersten Blick scheinen mag. Witzig, komisch und heiter ist nur seine Oberfläche. Was sich darunter abspielt, wird weder vorgezeigt noch ausgestellt und schon gar nicht zur Sprache gebracht; umso eindrücklicher teilt es sich mit. An manchen Stellen betreibt Jonke dennoch ganz unverhohlen und konkret 17 Zivilisationskritik: Sein Protagonist ER ist Naturforscher und -schützer, seine Gefährtin SIE Hotelbesitzerstochter; man darf sich die beiden als weltferne Umweltbewegte und betuchte Wörtherseeanrainer vorstellen. Jonke wird sogar noch konkreter – so deutlich verortet wie Die versunkene Kathedrale ist sonst keiner seiner Texte, nicht einmal das frühe Drama Damals vor Graz. Einzelne Abschnitte darf man mit Fug und Recht unter Kärnten aktuell rubrizieren: Etwa ein aus Anlass eines Begräbnisses ausnahmsweise ausverkauftes Stadion, das sonst Jahr und Tag leer steht. Oder das bei seinem Namen genannte Casino Velden, in dem ein betrunkener Landesrat dubiose Versprechungen macht. Fabjan Hafner Forschungsprojekt ( zur Nachbereitung) Lassen Sie die Schüler nach aktuellen Bezügen des Stücks zu Klagenfurt/ Kärnten suchen. Literaturnachweise Die Legende vom Wörther See-Mandl. In: Georg Graber: Sagen aus Kärnten. Klagenfurt 1979. Elisabeth McKim; Judith Steinberg: Beyond Words: Writing Poems With Children. Brookline, 2004. 18 Elfriede Jelinek: Hier ist Dort. In: Die Aufhebung der Schwerkraft. Zu Gert Jonkes Poesie. Hrsg.: Klaus Amann. Wien 1998. Fabjan Hafner: „Wir wollen Sie wirklich nur retten“. Gert Jonkes Die versunkene Kathedrale als Musikstück, Er-schöpfungsdrama und Er-lösungsversuch. Originalbeitrag für das Programmheft zur Inszenierung Die versunkene Kathedrale am Stadttheater Klagenfurt. Klagenfurt 2013. Joachim Lux: Die versunkene Kathedrale. In: Gert Jonke. Alle Stücke. Hrsg.: Joachim Lux. Salzburg und Wien 2008. Jochen Jung: Der Wunsch Zauberer zu sein. In: Programmheft zur Uraufführung Die versunkene Kathedrale. Burgtheater. Wien 2005/2006. Webnachweise http://de.wikipedia.org/wiki/Gert_Jonke http://de.wikipedia.org/wiki/Kathedrale_von_Rouen_%28Monet%29 Musiknachweis Claude Debussy: La cathédrale engloutie. Collection musique francaise. Œuvres pour piano. Piano: Jean-Joël Barbier, 1974. Bildnachweise Probenfotos © Karlheinz Fessl Foto von Gert Jonke © Ingrid Ahrer Kopiervorlagen M 1 Die Legende vom Wörther-See-Mandl Am Südufer des Wörther-Sees, westlich von Maiernigg, fällt die mit dunklem 19 Nadelholz bewachsene Berglehne steil zum Wasser ab und bildet die sogenannte schwarze Wand, unter der in der Geisterstunde die Glocken einer versunkenen Stadt ertönen sollen. Denn an dieser Stelle stand, so erzählt die Sage, vor vielen hundert Jahren eine große Stadt mit prachtvollen Gebäuden. Aber ihre Bewohner waren durch Reichtum übermütig und üppig geworden. Sie vergaßen Gott, Zucht und Sitte und trieben nur ruchlosen Spott mit göttlichen und menschlichen Gesetzen. So kam es, dass sie sich einst am Vorabend des Osterfestes zu Tanz und Gelage versammelten. Schon kündete der Glocken Klang eine späte Stunde, und noch immer frönten sie ihrer wilden Lust. Da öffnete sich die Tür des Festsaales, und ein hageres, eisgraues Männlein blickte verwundert auf das lärmende Treiben in der prunkvollen Halle. Grollend ruft es endlich aus: „O ihr gottlosen Schwelger, wisset ihr nicht, welche Feier wir morgen begehen? Kehret heim, ehe euch strenge Strafe erreicht!“ Aber nur höhnisches Lachen antwortete ihm. Verdrossen entfernte sich der Alte, und wilder wurde der Tanz, noch lauter der trunkenen wüstes Geschrei. So rückte die Mitternacht heran. Abermals betrat der Warner den Saal. er trug ein Fässlein im Arm und mahnte neuerdings, abzulassen von dem frevelhaften Tun. „Wenn ihr mir nicht folgt“, sagte der Zwerg, „öffne ich dieses Fass“, und seine knöchernen Finger zerrten drohend am Spundloch. Dann schlug es Mitternacht… Alle Lichter erloschen, die Mauern erbebten, ein furchtbares Gewitter entlud sich unter wütendem Sturmesgebraus, und in Strömen floss der Regen. Mit offenem Hahn lag das Fässlein des verschwundenen Warners da, und endlose Fluten entströmten ihm. Sie drangen in alle Räume und strömten fort, bis sie die ganze Stadt und Gegend überschwemmten und jedes Werk von Menschenhand bedeckten. So ward die Stadt vernichtet, ihren ruchlosen Bewohnern der Untergang bereitet. Nimmer verloren sich die Wasser, sie bildeten den heutigen See. Städte, Kirchen und Dörfer liegen in seiner unergründlichen Tiefe begraben, und in den alten Palästen hausen Fische von ungeheurer Größe und riesenhafte Wasserschlangen. Und noch jetzt – so geht die Sage – vernehmen die Fischer oft mit Schaudern, wenn sie an gewissen Orten vorüber fahren und an stillen Sommerabenden die Abendglocken über den See tönen, von unten wie aus einer bodenlosen Tiefe ein Getön, gleich den matt verhallenden Glockentönen der versunkenen Kirchen. Kärntner Volkssage M 2 Szenenfotos 20 21 22 23 M 3 Die Kathedrale von Rouen im Morgennebel (Monet) 24