Motivationsorientierte Ansätze

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Motivationsorientierte Ansätze
Motivationsorientierte Ansätze
created by Lehrstuhl
für Organisation (Prof. Dr. M. Osterloh)
Kapitel 1: 'Entstehung'
1.1 Entstehung
Ausgangspunkt für die motivationsorientierten Ansätze war die
sogenannte Rationalisierungskrise: Das Spannungsverhältnis zwischen der
traditionellen, am Vorbild der Maschine orientierten Organisation und den
Bedürfnissen
der
arbeitenden
Menschen
führte
zu
hohen
Fluktuationsraten, unsachgemässer Maschinenbedienung und sozialen
Auseinandersetzungen. Diese trugen zu den sozialrevolutionären
Bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts erheblich bei.
Vorläufer der motivationsorientierten Ansätze waren der Fordismus , die
Psychotechnik und die Werksgemeinschaftsbewegung. Der Fordismus
versuchte,
das
geschilderte
Spannungsverhältnis
durch
eine
überdurchschnittliche Entlohnung zu lösen, verbunden mit einer strengen
Selektion und Überwachung. Die Psychotechnik hingegen setzte auf eine
psychologische Auswahl der Arbeitenden und ihre Anpassung an den
Arbeitsprozess. Die Werksgemeinschaftsbewegung, die vor allem in
Deutschland nach dem ersten Weltkrieg zahlreiche Anhänger fand, setzte
auf menschlich und sachlich-kooperative Behandlung der Arbeitenden,
verbunden mit einer deutlich völkischen Komponente, die sich gegen
einen „seelenlosen Amerikanismus“ wandte.
Kapitel 2: 'Grundlagen'
2.1 Grundlagen
Hierbei muss zwischen dem Human-Relations Ressourcen-Ansatz unterschieden werden.
und
dem
Human-
2.2 Der Human Relations Ansatz
Der Human Relations Ansatz hatte seinen Ursprung in den sogenannten
Hawthorne - Experimenten, die ab 1924 in den Hawthorne - Werken der
Western Electric Company in USA stattfanden. Diese wollten –
ursprünglich in der Tradition des Taylorismus – einen Zusammenhang
zwischen Arbeitsbedingungen, insbesondere der Beleuchtung, und der
Arbeitsleistung ermitteln. Dieser Zusammenhang konnte nicht erwiesen
werden. Statt dessen wurde das Eingehen auf soziale Bedürfnisse und das
Aufgehobensein in der Gruppe als relevante Faktoren ermittelt. Diese
seien die wichtigsten Quellen der Arbeitszufriedenheit. Grössere
Arbeitszufriedenheit sei ihrerseits die Quelle von höherer Leistung. Diese
Erkenntnisse führten zur Unterscheidung zwischen formaler und
informaler Organisation. Jedoch sah man keinen Änderungsbedarf
hinsichtlich der formalen Organisationsstrukturen.
Wenngleich die Ergebnisse des Human-Relations -Ansatzes heute nicht
mehr unumstritten sind, führten sie in den USA zu einem Aufschwung der
Arbeits- und Organisationspsychologie, der Führungstheorie und der
Motivationstheorie.
2.3 Überblick über den Human Relations Ansatz
Entstehungszeit
1920-1930
Elton Mayo
Hauptvertreter
Fritz Roethlisberger
(beide Harvard-Professoren für Psychologie)
Historischer
Bedingungsrahmen
Menschenbild
•
Steigendes Ausbildungs- und
Einkommensniveau
•
"Rationalisierungskrise" in der Industrie.
•
Motivationsorientiert
•
Mensch als Mitglied einer sozialen Gruppe
Organisationsmetapher Organisation als Beziehungsgruppe
Methodische
Grundsätze
•
Leistung durch Zufriedenheit
•
Arbeitszufriedenheit durch gutes
Arbeitsklima
•
Gutes Betriebsklima durch
personenorientierte Führung
•
Überwindung des mechanistischen bzw.
bürokratischen Menschenbildes
•
Entdeckung der informalen neben der
formalen Organisation
•
Vermenschlichung der Organisation
•
Entdeckung der Gruppe
Positive Auswirkungen
Negative
Auswirkungen
Keine Infragestellung der tayloristischen /
bürokratischen Arbeitsstrukturen
Heutige
Weiterentwicklung
Toyotismus
2.4 Der Human Ressourcen Ansatz
Der Human-Ressourcen-Ansatz basiert auf der Motivationstheorie von
Maslow (1954). Er will - anders als der Human-Relations -Ansatz – die
Organisationsstruktur so verändern, dass sie dem menschlichen Bedürfnis
nach Selbstverwirklichung (und nicht nur seinen sozialen Bedürfnissen)
entgegenkommt. Dies soll die Einhaltung von drei Prinzipien ermöglichen:
Das Prinzip der inhaltlichen Integration zwischen den Zielen des
Individuums und den Zielen der Organisation. Damit ist im Gegensatz zum
monetären Ausgleich des Arbeitsleids (extrinsische Motivation) eine
Angleichung der Bedürfnisse der Arbeitenden mit den Zielen der
Organisation (intrinsische Motivation) gemeint. Die Prinzipien der
Interaktion und der Interdependenz gehen davon aus, dass sich diese
Integration nicht von selbst einstellt, sondern das Resultat eines
partizipativen Prozesses zwischen Vorgesetzter und Untergebenen ist, in
welchem das sog. Kontrollparadoxon umgedreht wird.
Taylorismus: Das Kontrollparadoxon
Verstärkung der
bürokratischen
Kontrolle
Verringerte Effizienz
Geringere
Arbeitszufriedenheit
Nachlassen
der Leistung
Human-Ressourcen-Ansätze: Die Umkehrung des
Kontrollparadoxons
Partizipative
Entscheidungen,
Selbstkontrolle
Höhere Leistung
Verbesserte Effektivität
Höhere
Arbeitszufriedenheit
2.5 Überblick über den Human Ressourcen Ansatz
Entstehungszeit
Hauptvertreter
Historischer
Bedingungsrahmen
Menschenbild
1940-1950
•
Abraham Maslow
•
Douglas McGregor
•
Rensis Likert
•
Chris Argyris
•
Steigendes Ausbildungs- und
Einkommensniveau
•
"Rationalisierungskrise" in der Industrie.
•
motivationsorientiert
•
Mensch als Mitglied einer Leistungsgruppe
Organisationsmetapher Organisation als Leistungsgruppe
•
Zufriedenheit durch Leistung
•
Leistung durch ganzheitliche Arbeit
(Reintegration von Kopf- und Handarbeit)
•
personen- und aufgabenorientierte Führung.
•
Angleichung der formalen und der
informalen Organisation
•
Anerkennung des Bedürfnisses nach
Persönlichkeitsentfaltung (Maslow Pyramide)
•
Überwindung der Theorie X und des
"Kontrollparadoxons"
•
Unterschätzung des Eigeninteresses
negative Auswirkungen
•
Unterschätzung der negativen Eigenschaften
von Gruppen
heutige
Weiterentwicklung
•
Lean - Management, Kaizen, Qualitätszirkel,
Prozessmanagement.
methodische
Grundsätze
positive Auswirkungen
Kapitel 3: 'Ausprägungen I: Management by Objectives'
Im Management by Objectives (Management durch Zielvereinbarung,
MbO) sollen die Ziele in einem ersten Schritt zwischen Vorgesetzten und
Untergebenen bilateral vereinbart werden. Dabei sollen die Ziele möglichst
klar formuliert, mit den vor- und nachgelagerten Zielen kompatibel sein
und sie sollen eine Herausforderung beinhalten.
Zielanforderungen für Management by Objectives sollen:
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
Eine Herausforderung beinhalten
Klar, präzise und eindeutig sein
Zeitlich fixiert sein
Konsistent mit den vor- und nachgelagerten Ziele sein
Umfassend sein
Im Einflussbereich des Mitarbeiterin liegen
Den Fähigkeiten des Mitarbeiters angepasst sein, zugleich aber
Lernprozesse fördern
Möglichst quantifizierbar sein
Im zweiten Schritt sollen Vorgesetzte und Untergebene gemeinsam die
Zielerreichung und die Zielabweichungen einschätzen. Dies soll Basis des
nachfolgenden Beurteilungsgespräches sein. Im dritten Schritt sollen
Verbesserungsmöglichkeiten
erarbeitet
werden,
welche
zu
Zielvereinbarungen für den neuen Leistungszyklus führen sollen.
Management by Objectives kann nur dann zu den Human-RessourcenAnsätzen gezählt werden, wenn ihm tatsächlich eine partizipative
Zielvereinbarung und nicht eine Zielvorgabe zugrunde liegt. Als eine
moderne Variante dieses in der Praxis sehr beliebten Ansatzes kann die
Balanced Scorecard angesehen werden (Kaplan/Norton 1997).
Die Kritik an diesem Ansatz bezieht sich zum einen an der
Vernachlässigung von Gruppenprozessen. Zum zweiten müsste die
Abstimmung von Einzel- und Gesamtzielen als Bestandteil einer integralen
Unternehmensplanung vorgenommen werden, welche nicht bloss bilateral
erfolgen kann. Zum dritten ist der Ansatz nicht geeignet, wenn es sich um
komplexe Aufgaben handelt, deren Zielerreichung vom Vorgesetzten nur
anhand einer Vielzahl von Kriterien beurteilt werden kann. MbO führt hier
zum sog. „Multiple Tasking Problem“, d.h. dass nur die leicht messbaren
Ziele Bestandteil des MbO - Prozesses werden und die schwer messbaren
Ziele (wie z.B. Organization Citizenship Behavior) ausser Acht bleiben.
Zusammengefasst werden in der Literatur folgende Vor- und Nachteile des
MbO genannt:
Vorteile
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
Höhere Leistungsabgabe
Ziele werden geklärt und bekannt gemacht
Es werden Informationen darüber vermittelt, wie die individuellen
Anstrengungen zur Zielerreichung beitragen
Kooperation zwischen hierarchischen Ebenen wird durch die
Zielabstimmung gefördert und vereinfacht
Ergebnisorientierte (objektive) Leistungsbeurteilung werden möglich
Es veranlasst, Prioritäten zu setzen und bewusst zu machen
Ziele werden reflektiert und deshalb wird Zielwandel bewusst
Es erlaubt mehr Autonomie der Stelleninhaber bei gleichzeitig
besserer Kontrolle
Planungsorientierung wird verstärkt
Nachteile
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
Veränderung von Zielsystemen ist wegen der Ziel-Mittel Problematik
kompliziert und braucht viel Zeit.
Klare quantifizierte Ziele erschweren die Anpassung: „Das
Wichtigste ist immer im Fluss“
Unterstützung der Hierarchie, Verstärkung der Vorgesetztenrolle:
„Taylorismus für Manager“
Förderung des Bereichsdenkens, Suboptimierung
Individuelle Ziele und Leistungen werden auf Kosten von Teamarbeit
überbewertet
„People do what they are measured to do”, multiple-task und fuzzytask Problem
Aus der Ziel-Mittel Hierarchie ergibt sich, dass die Mittelwahl umso
eingeschränkter ist, je niedriger die Hierarchieebene ist
Kapitel 4: 'Ausprägungen II: Multiple überlappenden Gruppen'
4.1 Einführung
In Ansatz der multiplen überlappenden Gruppen von Likert (1975) wird die
Integration von Individuen in die Gruppe und die Integration der Gruppen
untereinander angestrebt. Dies soll durch ein ganzes System von vertikal,
horizontal und lateral überlappender Gruppen erreicht werden.
4.2 Linking - Pin und Survey - Verfahren
Die Gruppen sind jeweils durch sogenannte „linking pins“ verknüpft, d.h.
durch einzelne Gruppenmitglieder, welche mehreren Gruppen angehören.
Auf diese Weise werden Abstimmungsprozesse ermöglicht, die
konsensgestützt und partizipativ sind und bei denen zugleich ein
Höchstmass an Übertragung von (implizitem) Wissen innerhalb und
zwischen den Gruppen ermöglicht wird. Sofern aus Gründen des
Zeitdrucks ein Konsens, d.h. eine Integration der Ziele, nicht möglich ist,
müssen die jeweiligen Vorgesetzten in der Gruppe begründen, warum sie
vom Konsensprinzip abweichen.
Likert (1975) schlägt zugleich mit seinem „Survey Feedback“ - Verfahren
eine Methode zum geplanten Wandel von Organisationen vor, welche
Grundlage der Organisationsentwicklung geworden ist. Dazu wird eine
Liste von Organisationsvariablen (Führung, Motivation, Kommunikation,
Entscheidungs- und Zielbildung, Kontrollformen) als Diagnosebogen
verwendet. Mit diesem wird in regelmässigen Abständen bei den
Organisationsmitgliedern eine Selbstbeschreibung der Organisation
durchgeführt („Survey“). Das Ergebnis dieser Selbstbeschreibung wird an
die Organisationsmitglieder rückgekoppelt („Feedback“). Damit sollen sie
in die Lage versetzt werden, die vorhandenen Probleme der Organisation
selbst zu erkennen und partizipativ zu lösen. Ziel ist eine schrittweise
Überführung der alten, tayloristischen Struktur (Likert nennt diese
„Struktur 1“) in die Struktur der multiplen überlappenden Gruppen
(„Struktur 4“).
4.3 Kritische Würdigung
Der Ansatz von Likert ist das gedankliche Modell für viele modernen
Teamorganisationen, obwohl er bisher nur selten in einer umfassenden
Form verwirklicht wurde. Praktische Relevanz hat er im Konzept der sog.
„teilautonomen Arbeitsgruppen“ und der Qualitätszirkel gewonnen, die
nicht nur in der Automobilfertigung mittlerweile eine grosse Bedeutung
haben. Während es sich dort eher um Insellösungen handelt, kommen die
umfassenderen Konzepte des „Total Quality Managements“ und des
Prozessmanagements dem Modell von Likert durchaus nahe. Aus der Sicht
der Theorie ist es der erste Ansatz, der die Aufgabe der Koordination in
erster Linie durch den Mechanismus der Selbstabstimmung (anstelle von
Anweisungen oder internen Märkten) erfüllen will und diese Aufgabe in
beispielhafter Weise mit den Aufgaben der Motivation und der
Orientierung verbindet. Darüber hinaus ist es der erste Ansatz, der
umfangreiche empirische Untersuchungen zur Stützung seiner Aussagen
vorlegt.
Dennoch ist der Ansatz von Likert nicht ohne Kritik geblieben. Aus
wissenschaftlicher Sicht wird eingewendet, dass der Nachweis für eine
langfristige Produktivitätssteigerung empirisch nicht eindeutig erbracht
werden
konnte.
Darüber
hinaus
bezieht
er
–
wie
alle
motivationsorientierten Ansätze – nur die intrinsische Motivation ein. Aus
praktischer
Sicht
wird
eingewendet,
dass
die
partizpative,
konsensgestützte Entscheidungsfindung in vielen Fällen zu viel Zeit kostet
und die Möglichkeit der Integration und Harmonisierung der Interessen zu
optimistisch gesehen werde.
Kapitel 5: 'Ausprägungen III: Der Ansatz von Chris Argyris'
5.1 Einführung
Der Ansatz von Chris Argyris (1975) will Erkenntnisse aus der
Motivationspsychologie (insbesondere dem Ansatz von Maslow 1954) und
der Organisationssoziologie integrieren. Er geht davon aus, dass es ein
universelles Reifestreben vom Kind zum Erwachsenen gibt. Die Reife ist
Ausdruck des wachsenden Bedürfnisses nach Selbstverwirklichung und
lässt sich in 7 Reifedimensionen darstellen.
Grundlagen des Modells von ARGYRIS
A) Merkmale des Individuums
Unreife
Reife
1) Passivität
Aktivität
2) Abhängigkeit
Unabhängigkeit
3) Undifferenziertes Verhalten
Grosses Verhaltensrepertoire
4) Zufällige, vordergründige Interessen
beständige vertiefte Interessen
5) Kurzzeitperspektive
Langzeitperspektive
6) Untergeordneten Position
Gleiche/ übergeordnete Position
7) Mangel an Ich-Bewusstsein
Bewusstsein und Kontrolle des Ich
B) Merkmale der formalen Organisation
1) Aufgabenspezialisierung
2) Befehlskette
3) Einheit der Leitung
4) Enge Kontrollspanne
C) Reaktion der Organisationsmitglieder auf die Inkongruenzen
1) Verlassen der Organisation
2)
Verteidigungsreaktion wie Fehlzeiten,
Ausschussproduktion
3) Apathie und Desinteressse
Drückbergerei
4) Bildung informeller Gruppen
5)
Kompensation der Unzufriedenheit
durch hohe Lohnforderungen
Ersetzen der intrinsischen durch
extrinsisiche Motivation
D) Reaktion des Managements
Verstärkter Druck und verstärkte
Kontrolle
5.2 Das Kontrollparadoxon
Kontrollparadoxon
In einem nächsten Schritt stellt er den Merkmalen des reifen Individuums
die Merkmale der traditionellen, tayloristischen und bürokratischen
Organisationsstruktur gegenüber, gekennzeichnet durch
1.
2.
3.
4.
Hochgradige Arbeitsteilung
Befehlskette
Einheit der Leitung
Enge Kontrollspanne
Diese Gegenüberstellung ergibt, dass die traditionelle, bürokratische
Organisationsstruktur reifehemmend ist. Das menschliche Humanpotential
bleibt entweder unterentwickelt oder reife Personen müssen psychische
Energie aufwenden, um mit den Widersprüchen umzugehen. Sie reagieren
mit
1.
2.
3.
4.
5.
hohen Fluktuationsraten
Fehlzeiten oder Bummeln
Desinteresse oder Apathie
der Herausbildung negativer Gruppennormen (z.B. gegen „Streber“)
Konzentration auf Entlohnung als Ersatz für das Arbeitsleid.
Im Ergebnis führe dies zu einer Verschwendung von Humanressourcen,
denen das Management durch stärkere Kontrollen und Sanktionen
begegnet. Es tritt das Kontrollparadoxon ein.
5.3 Organisationstypen als Ausweg
Als Ausweg schlägt Argyris (1964) vier verschiedene Typen von
Organisationen vor, die je nach Reifegrad der Organisationsmitglieder
sowie Charakteristika der Aufgaben zu einer verbesserten Nutzung der
Humanressourcen und der Effektivität der Organisation führen.
Die
Struktur 1 entspricht
der
tayloristischen, bürokratischen
Organisation. Sie ist unter folgenden Bedingungen anzuwenden
1. Zeitdruck,
2. vorherige Übereinkunft über die hierarchische Zuständigkeit (z.B.
militärischer Einsatz),
3. Abwesenheit von konstitutionellen Entscheidungen z.B. über die
Verteilung von Macht,
4. Nichtinteresse der Organisationsmitglieder an psychologischer Reife.
Die Struktur 2 entspricht in etwa dem Modell der multiplen
überlappenden Gruppen nach Likert. (1975). Sie ist anzuwenden, wenn
1. keine Routineentscheidungen zu treffen sind,
2. es der Zeitdruck nicht erlaubt, alle Organisationsmitglieder in
gleichem Ausmass an Entscheidungen zu beteiligen,
3. die Entscheidungen nicht an die Betroffenen delegiert werden
können.
Die Struktur 3 ist eine flexible flache Projektorganisation (heute würden
wir sagen: eine Netzwerkorganisation), in denen die jeweils
kompetenteste Person die Projektleitung übernimmt. Diese ist effizient,
wenn
1. neue Produkte zu entwickeln bzw. komplexe Probleme zu lösen sind,
2. hohe
Interdependenzen
zwischen
den
dabei
involvierten
Projektgruppen bestehen,
3. strategische Entscheidungen zu treffen sind,
4. die Gruppen hohe Kompetenz besitzen.
In der Struktur 4 haben alle Organisationsmitglieder gleiche Macht und
Verantwortung. Sie ist dann anzuwenden, wenn
1. konstitutionelle Entscheidungen zu treffen sind, z.B. über das
Produkt-Markt-Konzept, oder das Kontroll- und Entlohnungssystem,
zu entscheiden ist, welche der 4 Strukturen anzuwenden ist.
5.4 Organisationales Lernen
Die Einführung der jeweils egalitäreren Struktur ist geknüpft an die
Fähigkeit zum Organisationslernen. Dazu differenzieren Argyris/Schön
(1978) verschiedene Lernniveaus aus:
•
Das Single Loop Learning basiert auf der Vorstellung eines
einfachen Regelkreises. Es geht dabei um ein Lernen durch
Anpassung durch einen Soll-Ist-Vergleich. Die jeweiligen Soll-Werte
werden als gegeben betrachtet, gegebene Prämissen werden nicht
hinterfragt, kognitive Bezugsrahmen werden nicht verändert. Es
geht um das Erlernen von Routinen.
•
Im Double Loop Learning werden hingegen die Soll-Grössen, die
Prämissen und die kognitiven Bezugsrahmen selbst in Frage gestellt.
Es geht also im Unterschied zum Soll-Ist-Vergleich um einen SollSoll-Vergleich in einem doppelten Regelkreis.
Im Deutero Learning geht es um den reflektierten Umgang mit
Single–loop– und Double–loop–Lernprozessen: Wann ist Singe–Loop– und
wann Double–Loop–Lernen angebracht? Es sind Situationen zu
identifizieren, in denen der Einsatz von Routinen aus Gründen der
kognitiven Entlastung sinnvoll ist. Diese sind von solchen zu
unterscheiden, in denen Ziele, Prämissen und kognitive Bezugsrahmen
verändert werden müssen.
5.5 Kritische Würdigung
Die Hauptkritik am Modell von Argyris (1964) besteht zum einen in seiner
oft fehlenden begrifflichen Klarheit. Zum zweiten gibt es nur wenige und in
ihrem
Ergebnis
uneinheitliche
empirische
Untersuchungen
zum
Zusammenhang der situativen Bedingungen, dem Typus der Struktur und
der organisatorischen Effektivität. Jedoch bietet dieses Modell wie kein
anderes eine historische Quelle zum Verständnis der Organisationstheorie
und der Debatte um die „Humanisierung der Arbeitswelt“ in den 60iger
und 70iger Jahren. Es bietet darüber hinaus mit der Differenzierung der
Voraussetzungen für Struktur 1 bis Struktur 4 zum ersten Mal in der
historischen Entwicklung der Organisationstheorie eine situative
Relativierung der Gestaltungsempfehlungen. Das Konzept des Single Loop,
Double Loop und Deutero Lernens von Argyris/Schön (1978) gehört heute
zum festen Bestandteil der Theorie des Organsiationslernens, des
Wissens- und des Change Managements.
Kapitel 6: 'Beurteilung und Grenzen der motivationsorientierten
Ansätze'
6.1 Würdigung der motivationsorientierten Ansätze
Die drei geschilderten Ausprägungen der motivationsorientierten Ansätze
haben eine Reihe von Vorteilen und Kritikpunkten gemeinsam.
Gegenüber den älteren, bürokratischen und tayloristischen Ansätzen
bringen sie eine Reihe von Erkenntnisgewinnen:
1. Die Einbeziehung der Bedürfnisse der Organisationsmitglieder führt
zur Entdeckung, dass Arbeit nicht nur Arbeitsleid verursacht,
sondern
auch
Arbeitsfreude
(intrinsische
Motivation).
Die
Missachtung der Bedürfnisse der Organisationsmitglieder in den
klassischen Ansätzen führte zum einen zum Abweichen der
informalen von der formalen Organisation. Zum zweiten setzt sie ein
Kontrollparadoxon in Gang (Verdrängung der intrinsischen durch die
extrinsische Motivation).
2. Die Identifikation mit der Gruppe (Herausbildung einer hohen
Gruppenkohäsion) ist eine wichtige Quelle intrinsischer Motivation.
Sie fördert die Wissensgenerierung und Übertragung.
3. Anweisungen sind nicht der einzige und nicht immer der effektivste
Koordinationsmechanismus.
6.2 Offene Fragen
Die motivationstheoretischen Ansätze lassen aber auch eine Reihe von
Fragen offen:
1. Die
den
Human
Ressourcen
Ansätzen
zugrundeliegende
Motivationstheorie von Maslow (1954) gilt heute als überholt.
Kritisiert wird die begriffliche Unklarheit des SelbstverwirklichungsAnspruches,
die
fragwürdige
Universalisierbarkeit
der
Bedürfnispyramide und die fehlende empirische Bestätigung dieser
Theorie.
2. Extrinsische Motivation und damit Fragen der Entlohnung und des
Aufstiegs werden kaum thematisiert. Damit wird die Bedeutung von
extrinsischen Anreizen unterschätzt. Hingegen wird die Möglichkeit
einer
Interessenharmonisierung
zwischen
den
Organisationsmitgliedern
oder
zwischen
Arbeitgebern
und
Arbeitnehmern überschätzt. Es muss daher auf modernere und
empirisch besser abgestützte Motivationstheorien zurückgegriffen
werden, die das Verhältnis von intrinsischer und extrinsischer
Motivation erklären können. Eine solche liegt in der Theorie der
kognitiven Selbstbestimmung von Deci/Koestner/Ryan (1999) vor.
3. Der positive Zusammenhang von Arbeitszufriedenheit und Leistung
ist empirisch durchaus nicht immer eindeutig.
4. Die möglichen Probleme der Gruppenarbeit werden unterschätzt.
Diese können kognitiver (group mind, risky shift) oder
motivationaler Art sein (Gefahr des Trittbrettfahrens).
5. Es findet (mit Ausnahme des Ansatzes von Argyris) keine
Relativierung
der
Gestaltungsempfehlungen
in
Bezug
auf
unterschiedliche Bedingungen der Aufgabenstruktur oder der
Umweltbedingungen statt.
Kapitel 7: 'Kommentiertes Literaturverzeichnis'
Eine
Einführung
in
Human-Relations-Bewegung,
ihre
Entstehungsbedingungen und ihre Einschätzung aus heutiger Sicht
geben:
Kieser,
Alfred
(2001).
Human
Relations -Bewegung
und
Organisationspsychologie.
In:
Kieser,
Alfred
(Hrsg.),
Organisationstheorien, Stuttgart/Berlin/Köln, 4. Aufl., S. 101 – 131
Walter-Busch, Emil (1996):
Weick., Amsterdam
Organisationstheorien
von
Weber
bis
Walter-Busch, Emil (1989): Auge der Firma. Mayos Hawthorne
Experimente und die Harvard Business School 1900 – 1960. Stuttgart.
Hinrichs, Peter (1981): Um die Seele des Arbeiters. Arbeitspsychologie,
Industrie- und Betriebssoziologie in Deutschland. Köln.
Einführungen in die verschiedenen
Ressourcen Ansätze finden sich bei:
Schreyögg, Georg (1999): Organisation.
Organisationsgestaltung, 3.Aufl. Wiesbaden.
Spielarten
der
Grundlagen
Human
moderner
Greif, Siegfried (1983) Konzepte der Organisationspsychologie. Eine
Einführung in grundlegende theoretische Ansätze. Bern/Stuttgart/Wien
Aktuelle Anwendungen der Human Ressourcen Ansätze auf die
Arbeitsgestaltung finden sich in:
Ulich, Eberhard (1998): Arbeitspsychologie. Stuttgart
Als Originaltexte seien empfohlen
Maslow, Abraham (1954): Motivation and Personality. New York.
Deutsche Übersetzung: Motivation und Persönlichkeit, Reinbek bei
Hamburg 1981.
Argyris, Chris (1964): Integrating the Individual and the Organization.
New York
Argyris, Chris (1975): Das Individuum und die Organisation. In: Türk, K:
(Hrsg.), Organisationstheorie, Hamburg, S. 215 – 233.
Argyris, Chris/Schön, Donald A. (1978): Organizational Learning. A
Theory of Action Perspective, Reading, Mass.
Das Standardwerk zur Balanced Scorecard ist:
Kaplan, R.S./Norton, D. P. (1997): Balanced Scorecard. Stuttgart.
Eine neuere Zusammenfassungen der empirischen Untersuchungen
zum Verhältnis von intrinsischer und extrinsischer Motivation geben:
Deci, E.L., R. Koestner and R.M. Ryan (1999): ‘Meta-Analytic Review of
Experiments: Examining the Effects of Extrinsic Rewards on Intrinsic
Motivation.’ Psychological Bulletin 125: 627-668.
Frey, Bruno S. and Reto Jegen (forthcoming): ‘Motivation Crowding
Theory: A Survey of Empirical Evidence.’ Journal of Economic Survey.
Die
Anwendung
dieser
Untersuchungen
Organisationsgestaltung werden diskutiert in:
in
der
Frey, Bruno S. / Osterloh, Margit (Hrsg.) (2000): Managing Motivation.
Wie Sie die neue Motivationsforschung für Ihr Unternehmen nutzen
können. Wiesbaden.
Darin ist enthalten eine Darstellung und Einordnung des Modells
von Likert in die Theorie der intrinsischen und extrinsischen Motivation
von:
Frost,
Jetta/Osterloh,
Margit
(2000):
Motivation
und
Organisationsstrukturen. In: Frey, Bruno S. / Osterloh, Margit (Hrsg.)
(2000) Managing Motivation. Wie Sie die neue Motivationsforschung für
Ihr Unternehmen nutzen können. Wiesbaden, S. 163 – 192.
Zum Organizational Citizenship Behavior siehe:
Weibel,
Antoinette/Rota,
Sandra
(2000):
Fairness
als
Motivationsfaktor. In: . In: Frey, Bruno S. / Osterloh, Margit (Hrsg.)
(2000) Managing Motivation. Wie Sie die neue Motivationsforschung für
Ihr Unternehmen nutzen können. Wiesbaden, S. 195 – 206.
Zum empirischen Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit
und Leistung unter Berücksichtigung von Organizational Citizenship
Behavior siehe:
Organ, Dennis W. (1988): A Restatement of the SatisfactionPerformance-Hypothesis. In: Journal of Management, Jg., 14, Heft 4, S.
547 – 557. Wieder abgedruckt in: Steers, R. M./Porter, L.M./Bigley, G.A.
(Hrsg.): Motivation and Leadership at Work. New York u.a. 1996, S. 386 –
395.