Wir möchten Ihnen unseren Sohn vorstellen. Er ist ein fröhlicher
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Wir möchten Ihnen unseren Sohn vorstellen. Er ist ein fröhlicher
Wir möchten Ihnen unseren Sohn vorstellen. Er ist ein fröhlicher und kluger Bub von 9 Jahren, geht gerne in seine Volksschule und lernt brav. Er hat besondere Talente bei allem, was Werken betrifft, die Elektronik hat es ihm sehr angetan, und er ist sehr geschickt bei allen Kabeln und Steckverbindungen. Er könnte eine schöne und erfolgreiche Zukunft haben. Aber daraus wird wohl nichts. Er ist nämlich Autist. Als er drei Jahre alt war, wurde eine vorläufige Diagnose gestellt, „tiefgreifende Entwicklungsstörung aus dem autistischen Formenkreis“, vulgo atypischer Autismus, und es begann für uns eine aufwändige und mühevolle Therapie-Geschichte. Mit dem Eintritt in die Volksschule bekamen wir dann endlich die Gewissheit, dass unser Bub das, was man den klassischen frühkindlichen Autismus nennt, hat. Wir wussten zu Beginn noch nicht, was auf uns zukommt. Für uns stand immer im Vordergrund, unserem Kind eine gute und sichere Zukunft zu ermöglichen, soweit das unter diesen Bedingungen möglich ist. Autismus ist ja keine Krankheit, wie sehr viele glauben, sondern eine möglicherweise angeborene neurologische Störung, die auch nicht heilbar ist, mit der man ein Leben lang leben muss. Ursachen sind nach wie vor ungeklärt. Aber unser Sohn leidet nicht am Autismus, er leidet gar nicht in einem körperlichen Sinn, aber wir als Familie leiden an der Ausgrenzung durch eine Gesellschaft, die es noch nicht gelernt hat, mit besonderen Menschen umzugehen. Was heißt es für ihn, Autist zu sein? Zunächst einmal gar nichts Auffälliges. Er sieht aus wie „normale“ Kinder, er bewegt sich wie „normale“ Kinder, aber er hat erst mit 6 Jahren die ersten Wörter zu sprechen begonnen und erlernt nun seine Muttersprache wie eine Fremdsprache. Sein Sozialverhalten wirkt für durchschnittliche Maßstäbe sonderbar. Auf dem Spielplatz spielt er nicht wie andere Kinder und fällt dadurch sofort auf. Er kann nicht mit anderen Kindern plaudern und Kontakt aufnehmen. Er hat daher auch keine Freunde. In der Schule fehlen ihm die sprachlichen Fähigkeiten, aber in Mathe ist er Spitze! Wenn er traurig ist, kann er es nicht zeigen, wenn er wütend ist, spielen ihm die Neuronen einen Streich und er benimmt sich so daneben, dass er alle Betreuer überfordert. Wenn er hungrig ist, neigt er auch regelmäßig dazu, „problematisch“ zu sein. Er braucht alles in allem eine 1:1 Betreuung, um auf seinem Lebensweg weiterzukommen. Auf unserem Weg haben wir viele engagierte Menschen getroffen, die uns geholfen haben. Da ist unser Kinderarzt, der uns immer mit Rat und Tat zur Seite steht, die klinische Psychologin als DIE Expertin für Autismus in Wien, die vielen Therapeutinnen, die alle ihren Anteil daran haben, dass unser Kind in seiner Entwicklung dort ist, wo er ist, die Kindergärtnerinnen, die sich liebevoll um ihn gekümmert haben, die kompetenten Lehrerinnen in der Schule, die ihr Äußerstes geben, um ihn erfolgreich in die Klasse zu integrieren, die Österreichische Autistenhilfe mit ihren Unterstützungen, und nicht zuletzt der Wiener Stadtschulrat, wo engagierte Menschen im Rahmen der begrenzten öffentlichen Möglichkeiten das Unmögliche oft möglich machen. Wer uns aber in Stich lässt, und es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, ist die Politik. Wo immer wir wieder enttäuscht und zurückgeworfen werden und uns die Zukunftsängste einholen, hören wir dasselbe: Es gibt keine Mittel, es gibt keine Ressourcen, es gibt keine Ausbildungsmöglichkeiten für Spezialisten und, vor allem, es gibt kein Interesse der Politik, für eine so kleine Minderheit zu sorgen, dass auch sie zu ihrem Recht kommt. Ich spreche nicht davon, dass wir alle Therapien selbst bezahlen müssen, und erst nach einem umständlichen bürokratischen Verfahren jeweils kleine Teilbeträge erstattet werden. Wir arbeiten beide hart und können es uns leisten. Ich will aber von keinem Politiker keiner Farbe mehr hören, dass Leistung belohnt werde, in unserem Fall wird sie bestenfalls ignoriert, wenn nicht sogar bestraft. Ich spreche nicht davon, dass unser Kind nicht wie alle anderen Kinder seinen Schulplatz frei wählen konnte, sondern vom SPZ nach Maßgabe freier Ressourcen zugeteilt wird. Wir hatten das Glück, eine verständnisvolle SPZ-Leiterin zu haben, die unsere Wünsche berücksichtigte. Ich spreche nicht davon, dass wir fast aus der Schule geflogen wären, aber nur weil das System überlastet war, und wir haben erfahren, dass wir da wirklich kein Einzelfall sind. Ich spreche nicht davon, dass der daraufhin geschmiedete „Plan B“, also eine Unterstützung durch Spezialkräfte des Stadtschulrats, sich nach drei Wochen in Luft aufgelöst hatte, weil es wo anders noch viel schlimmer war und dort die knappe Hilfe benötigt wurde.. Ich spreche auch nicht davon, dass wir gerade mitten in einem jahrelangen Spießrutenlauf nach einem integrativem Hortplatz sind, damit er wenigstens mit seinen Schulkameraden am Nachmittag spielen darf. Die zuständige MA 10 ist sehr engagiert und entgegenkommend, hat aber auch keine Ressourcen (Herr Bürgermeister?) . Ich spreche davon, dass Bildung und Förderung unserer Kinder endlich ernst genommen wird, aber nicht nur für „normale“ Kinder (wenn Sie den Begriff definieren können), sondern für alle, also auch für Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Denn wollen Sie entscheiden, welche Kinder besser sind als die anderen, welche Kinder mehr Rechte auf gute eine Zukunft haben? Wollen Sie entscheiden, wer später einen Beruf erlernen kann, als einmal etwas „leisten“ wird, oder in öffentliche Aufbewahrungsanstalten abgeschoben wird? Sie tun es aber, tagtäglich, in dem Sie, und damit meine ich Sie als Kopf der Stadtverwaltung, die nötigen Ressourcen vorenthalten, indem die Plätze für Integration rar gemacht werden, - von der Inklusion, die die Europäische Union verlangt, gar nicht zu sprechen. Österreich verstößt gegen Konventionen von EU und UN, und kommt damit ungeschoren davon. Die Last tragen wir, die Familien mit Kindern, die Inklusionsbedarf haben. Sie tun es, indem Sie die Ausbildung der Experten für die anerkannten führenden Methoden der Autismustherapie in Wien verweigern. Privatinitiativen sind nötig, um Systeme wie TEACCH, ABA und PECS, in anderen Ländern state of the art, hier bei uns einzuführen. Die Unterstützung durch die Kommune lässt auf sich warten und lässt sich bitten. Sie tun es, indem sie sich nicht um die gesetzlichen Rahmenbedingungen kümmern, die unserem Kind seinen rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft ermöglichen: In der Schule, die er bis zur Matura (für die er sicherlich intellektuell geeignet ist) ohne Mobbing beenden sollte, in einer Lehre vielleicht, wo er sein technisches Talent anwenden kann, in einem technischen Studium oder einem regulären Beruf, der an der Wiener Wirtschaftsleistung beitragen kann. Sie tun es letztendlich auch, indem Sie uns totschweigen, indem Sie eine Bildungsoffensive starten und dabei kluge Kinder mit besonderen Schwierigkeiten, wie es Autisten nun einmal sind, als unwichtig beiseite tun. Unser Kind, und wir mit ihm, haben noch einen schweren Weg vor uns. Mit Ende der Pflichtschulzeit endet auch sein Anspruch auf Integration, das heißt, sein Anspruch auf die ihm rechtmäßig zustehende Unterstützung. Eine Unterstützung, die er aufgrund seiner neurologischen Störung, für die niemand etwas kann, benötigt, um ein normales und menschenwürdiges Leben führen zu können, die er vielleicht lebenslang benötigt. Wir werden uns nicht damit abfinden. Wir haben beschlossen, nach so vielen kleinen Erfolgen und großen Enttäuschungen, an die Öffentlichkeit zu gehen und allen davon zu erzählen, welches Schicksal wir haben und uns noch erwartet. Denn es sind ja nicht nur wir, die davon betroffen sind. Wir stehen täglich in Kontakt mit Eltern, denen es ähnlich, und oft sogar schlimmer ergeht, und die sich nur resignierend zurückziehen können. Aber das wollen wir nicht und werden wir nicht. Wir haben ein Internetforum gegründet, um eine kleine Öffentlichkeit zu haben, und wir werden auch die große Öffentlichkeit suchen und finden. Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt, ich weiß, diesen Satz hören Sie sicher sehr oft. Aber er ist wahr, das wissen Sie auch, und die Verwaltung in Bund und Ländern leistet sich vielerlei Luxus, auf den ich hier keinesfalls eingehen möchte, die Zeitungen sind voll davon. Aber die Integration von Menschen in unsere Gesellschaft ist kein Luxus, denn auch die Gesellschaft braucht Menschen wie unseren Sohn, weil er genau so ein Teil davon ist, wie wir alle anderen. Herr Bürgermeister, wir ersuchen Sie im Namen unseres Kindes, und auch im Namen aller betroffenen Kinder, nein, wir fordern Sie auf: Tun Sie etwas! Sie haben von den Wählern einen Auftrag, und es ist nicht nur der Auftrag, für Ihre Stammwählergruppe etwas zu tun, sondern für alle Wienerinnen und Wiener, für große und kleine, für neurotypische, für Autisten, für Menschen mit Down-Syndrom, für ADHS-Betroffene, - für alle Menschen, die eben nicht gleich sind, aber eine gleiches Menschen-Recht haben.