Portugiesischer Jakobsweg 2014 - St. Jakobus

Transcrição

Portugiesischer Jakobsweg 2014 - St. Jakobus
"Es wird dir niemals ein Wunsch gegeben,
ohne die Kraft, diesen zu verwirklichen.
Es könnte allerdings sein,
dass du dich dafür anstrengen musst!"
(Richard Bach)
Oh ja, das passt genau! Er gefällt mir, dieser Spruch.
Dennoch:
Und wieder geht es
auf den Jakobsweg
dieses Mal auf den portugiesischen Weg, den
'Caminho Portugues'
von Porto nach Santiago de Compostela
vom 19. Juli bis 2. August 2014
-2Wie es dazu kommt?
Irgendwie haben wir die Sache sozusagen von hinten angefangen und sind in der Gruppe im Jahre 2010 von
Astorga bis zum großartigen Ziel Santiago gepilgert. Grundgedanke war damals, einfach mal einen Teil des viel
gerühmten Jakobusweges zu laufen und eben als besonderes Highlight auch gleich am Ziel anzukommen, und gut
ist es bzw. sollte es sein. Da aber war die Faszination, und auch für die Neuen die beginnende Sucht des Pilgerns nicht mit berücksichtigt! So werden schon bei dieser Tour reichlich Pläne geschmiedet für ein weiteres
Pilgern im Jahre 2012, bei dem wir dann, wie es eigentlich üblich ist, am Anfang des Weges beginnen. Heißt der
Anfang des Weges kann daheim vor der Haustüre liegen, aber ich meine den 'Camino Frances', und der führt
mit ca. 800 km durch Nordspanien von Saint Jean Pied de Port in den Pyrenäen bis Santiago. So sind wir 2010
mit 23 und 2012 mit 22 Pilgern unterwegs, das Schöne daran ist, dass immer wieder ein Großteil der Gruppe
mit dabei ist, und das spricht absolut für sich.
Auch beim zweiten Pilgern 2012 wird unterwegs schnell klar, das ist noch nicht unser letzter gemeinsamer
Weg! Will man den ganzen Camino gelaufen sein, fehlt uns noch der Mittelteil von Burgos bis Astorga, doch da
gibt es bei den Planungen ein bisschen Probleme. Zum einen gibt es kein Ankommen an der Kathedrale des Jakobus, zum anderen ist es auch von der Strecke nicht immer ganz so reizvoll. Loslaufen in Burgos bedeutet Großstadt, Industriegebiete und bald geht es durch die vielberüchtigte, baumlose, heiße Meseta. Hinzu kommt die
Frage, kann man Neulinge begeistern irgendwo mittendrin anzufangen und auch mittendrin aufzuhören? Wohl
eher nicht.
So kommt es, dass unser Hans-Valentin, Leiter und Organisator des Ganzen, spontan umdisponiert, indem er
Pilgern auf dem portugiesischen Weg vorschlägt, und schon hat er einen Großteil, um nicht zu sagen alle
Interessierten auf seiner Seite und die Planung nimmt konkrete Formen an. Bald ist klar, unsere Gruppe wird
wieder aus 22/23 Pilgern bestehen, besonders erfreulich: 17 davon sind aus dem Stamm der vorgenannten Touren, wie schön.
Es sind noch einige wenige Plätze frei, als ich eine diesbezügliche e-mail an meinen großen Wallfahrtsverteiler
losschicke und besonders überrascht und erfreut bin, dass sich ausgerechnet Sigi spontan und total happy bei
mir meldet und mir froh verkündet - ich höre noch genau ihre begeisterte Stimme und ihren Tonfall: "Margit,
stell dir vor, ich geh' mit euch auf den Jakobsweg und bringe noch meine Freundin Elfi aus Nürnberg mit!"
Da bin natürlich auch ich begeistert, bei Sigi und Richard in Ebern finde ich seit vielen Jahren fürsorgliche und
vertrauensvolle Herberge bei meinen alljährlichen fränkischen Vierzehnheiligen-Wallfahrten. Na sowas, die
Welt ist eben doch klein bzw. was absolut stimmt: Pilgern verbindet.
Die Planungen sind am Laufen, Hans-Valentin fliegt Ende Januar für eine Woche nach Portugal um sich
Teiletappen des Weges und vor allem die Unterkünfte am Weg anzugucken. Man muss wissen, dass der
portugiesische Weg noch nicht so entdeckt ist wie eben der nordspanische und es somit teilweise auch noch an
entsprechender Infrastruktur fehlt. Nach seiner Rückkehr werden Details geklärt, etliche Telefongespräche
und Rundmails fällig, auch treffen wir uns alle zu einer persönlichen Vorbesprechung.
Am 28. Juni gibt es ein weiteres Treffen, verbunden mit einer Besonderheit: Unser Pilgerfreund Jürgen Beck
hat die Idee, nahe seinem Weingut in der Gemarkung Stadecken-Elsheim einen Pilgerweinberg anzulegen. Gedacht - getan werden im Herbst 2012 ca. 200 Weinstöcke gepflanzt, die in diesem Jahr den ersten Ertrag
bringen, Jürgen spricht von ca. 100 Liter edlen Pilgerwein! (Siehe hierzu Ende des Berichtes). Zudem ziert diesen Weinberg inzwischen ein großer Naturstein, an dem vom Steinmetzbetrieb Weisenborn, Nieder-Olm, eine
wunderschöne schwarze Pilgermuschel angebracht worden ist. Der muss nicht nur eingeweiht sondern auch
gesegnet werden. In einer kleinen Meditation erfolgt die Segnung des Steines und des Weinbergs, drei Tage
später können wir einen großen Bericht darüber in der Mainzer Allgemeinen Zeitung lesen. Daran anschließend
geht es zu einem Holzpavillon, und bei einem guten 'Hedesheimer-Hof-Beck-Wein' und super leckerem GrillGut samt Salaten lassen wir es uns gutgehen und stoßen in fröhlicher Runde auf den Weinberg und noch mehr
auf unsere wirklich wunderbare Pilgergemeinschaft und die bevorstehende Reise an.
Was vielleicht auch noch interessant und erwähnenswert ist: Wir, d.h. "alle Neune" des letzten Pilgerns, genannt Pilgermädels oder mittlerweile auch etwas spaßig "Dienstagsfrauen" **) haben uns seit unserer Rückkehr
2012 reihum, also neunmal getroffen. Wir waren fast immer vollzählig, haben uns allesamt jedes Mal riesig auf
die Treffen gefreut, es uns gutgehen lassen, viel Gesprächsstoff gehabt, uns amüsiert, und das Allerschönste
ist, dass wir auch dieses Mal alle Neune wieder dabei sind, sehr erfreulich, das soll uns mal einer nachmachen!?
-3**) Unsere Treffen finden immer an einem Dienstag statt. Und zufällig gibt es das Buch oder den inzwischen bekannten Film der "Dienstagsfrauen", das/der von fünf etwas verrückten Girls auf dem Jakobsweg handelt. Wenn das mal
nicht auch auf uns passen könnte?
So findet das letzte Treffen am 8. Juli statt, und jetzt ist es nicht mehr weit und bald steht der von allen
erwartete Tag bevor:
Samstag, 19. Juli
Von Frankfurt am Main via Madrid nach Santiago de Compostela
und von dort mit dem Bus nach Porto - Hotel America (2 Übernachtungen)
Am Vorabend gegen 18.00 Uhr hole ich Sigi und
Elfi vom Bahnhof ab, selbstverständlich habe
ich den Beiden angeboten, bei uns zu übernachten, da wir uns am Samstag in aller Frühe am
Frankfurter Flughafen einfinden müssen. Doch
davor machen wir uns bei gutem Essen und
einem Glas Wein einen ganz gemütlichen Abend.
Da es für die Zwei das erste Pilgern ist und sie
zudem ganz neu in der Gruppe sind, kann ich
ihnen schon so einiges erzählen und sie so
richtig darauf einstimmen.
Roland hat bereits am Freitagmorgen mit Siria, unserem
jungen Hündchen, im wahrsten Sinne des Wortes "das Weite
gesucht". Die Beiden sind für die nächsten zwei Wochen mit
unserem Wohnmobil "on tour".
Die Nacht ist kurz, erfahrungsgemäß schläft man meist
schlecht: Mit Taxi und S-Bahn geht’s zum Frankfurter
Flughafen und pünktlich um 6.00 Uhr treffen wir uns vor dem
Iberia-Schalter mit der Gruppe, wo es herzliche Begrüßungszeremonien gibt. Schön, dass alle 23 da sind, es kann immer
noch etwas dazwischen kommen bzw. Roswitha ist ganz kurzfristig erst diese Woche dazu gestoßen.
Die Flüge verlaufen gut, Umsteigen in Madrid erfordert immer wieder Aufenthalt, dieses Mal aber auch ein
größeres Problem: Am Gepäckband in Santiago warten wir vergeblich auf Beates und Bettinas Koffer.
Nach längerem Hin und Her, Suchen auf anderen Gepäckbändern und schließlich Verlustmeldung mit allerhand
Formalitäten geht es endlich in den Bus, der uns nach Porto bringt und für die komplette Reisezeit sowohl als
praktischer Gepäcktransport wie auch als Notfallbus zur Verfügung steht.
Es ist ein großer Bus für 46 Personen, so haben wir gleich sieben
Pilger-Mitfahrer an Bord. Dies sind zwei junge Lehrer/innen mit
fünf Schülern, die sich den Jakobsweg als Projekt ausgesucht
haben. Schon zuhause haben sie hierfür Ausarbeitungen gemacht
und jetzt wird dies in die Tat umgesetzt. Sie wollen nach Tui, der
portugiesisch-spanischen Grenzstadt um von dort in fünf Tagen
nach Santiago zu pilgern. Einer von unserer Gruppe sitzt im
Flugzeug zufällig bei ihnen, so hat sich das ergeben - na, wenn das
keine gute Tat ist? Für sie bequem und kostenlos, mit
öffentlichen Verkehrsmitteln wären sie ewig unterwegs gewesen.
-4Hans-Valentin begrüßt uns als Pilgergruppe und spricht dazu das
GEBET DER PILGER
"Sei für uns:
Weggefährte auf der Pilgerfahrt,
Wegweiser an Kreuzwegen,
Kraftquelle bei Erschöpfung,
Schutz in der Gefahr,
Herberge auf dem Weg,
Schatten in der Hitze,
Licht in der Dunkelheit,
Trost in der Mutlosigkeit,
und die Kraft für die Durchsetzung
unserer guten Vorsätze.
Wir bitten dich, dass du uns, deine Diener, behütest,
die um deines Namens willen nach Santiago de Compostela pilgern.
Damit wir dank deiner Hilfe wohlbehalten das Ziel unseres Weges erreichen.
Und dass wir, bereichert an Gnade und Tugend,
unbeschadet nach Hause zurück kehren voll immerwährender Freude.
Heiliger Jakobus bitte für uns!"
Was uns total überrascht hier und heute, das ist das Wetter, es ist recht kühl, man kann sagen nur die Hälfte
der Temperaturen wie daheim, noch dazu regnet es! Na sowas, wenn ich alles erwartet hätte nur das nicht.
Dicke grau-schwarze Wolken hängen am Himmel und es schüttet als wir Santiago de Compostela in Richtung
Süden nach Portugal verlassen. Wie sagt man so schön: "Es ist noch nicht aller Tage Abend" und irgendwann
kommt schließlich die Sonne durch.
Wir sehen grün-grün-grün, die ganze Umgebung erscheint in sattem Grün und ist so faszinierend: Viel
Wald, kleine Weinberge und Maisfelder, Gärten,
zwischendurch mächtig große Palmen und immer wieder
Eukalyptuswälder. Alles sehr schön anzusehen, sehr
hügelig. Die Fahrt zieht sich, es sind ca. 250 km. Da
kommen zwangsläufig die Gedanken: Oh je, dies alles
müssen bzw. wollen wir zurück laufen? Michael macht
mich darauf aufmerksam, dass die Straßen sehr viel
besser sind als bei uns. Das kann man wohl sagen, ja,
da fließen überall kräftig EU-Gelder, noch dazu sind
sie ganz wenig befahren. (Von solchen Autobahnen
können wir doch wirklich nur träumen, oder?)
Gegen 18.00 Uhr sind wir in Porto in unserem Hotel, da kommt es uns gelegen, dass Portugal eine andere
Zeitzone hat, wir die Uhren somit um eine Stunde zurück stellen können. Es ist also 17.00 Uhr, wie schön, Zeit,
um noch ein bisschen zu entspannen, schließlich sind wir alle sehr früh aufgestanden. Bevor wir uns um 19.15
Uhr zum gemeinsamen Abendessen auf den Weg machen, kümmern wir uns erst noch um unsere beiden "KofferGeschädigten". Die Hilfsbereitschaft unter uns Mädels ist groß, reihum wird alles zusammen geliehen und
probiert, dass es nur irgendwie passt und geht. In einem kleinen Supermarkt kaufen sie sich Zahnbürsten und
das Nötigste. Zum Glück haben sie beide ihre Wanderschuhe an bzw. im Rucksack, schließlich werden diese
unser wichtigstes Utensil in den nächsten Tagen sein. Bis zum Restaurant 'Abadya' ist es ein Stück zu laufen,
so bekommen wir gleich einen Eindruck von Porto. An der herrlichen Kirche 'Capela das Almas' (Foto siehe
oben) kommen wir vorbei, sie ist mit wunderschönen blauen Kachelbildern - Azulejos genannt - von oben bis
unten geschmückt. Auf solche werden wir noch öfter stoßen, sie sind eine typische Tradition Portugals, die im
18. Jahrhundert begründet noch bis heute fortlebt.
Das Restaurant ist nicht nur schön und sehr gut mit Einheimischen besetzt, es schmeckt vorzüglich, die Kellner
überschlagen sich förmlich für uns. Nach einer Super-Vorspeise, die fast schon ausreichend wäre, gibt es als
Hauptgang Zicklein oder Fisch. Die Wahl fällt auf 19 x Fisch, 4 x Zicklein, ich entscheide mich für Zicklein,
eine absolut gute Wahl. Alles wird auf großen Platten angereicht und vorgelegt, Nachschlag inbegriffen. Mit
Nachtisch, Espresso und Grappa ist wirklich alles bestens und wir feiern somit regelrecht die Einstimmung für
unser gemeinsames Vorhaben.
-5-
Sonntag, 20. Juli
Ganztägiger Aufenthalt in Porto mit Stadt-Rundfahrt, Stadt-Führung, Besichtigung der
Sandeman-Kellerei und Flussfahrt auf dem Douro
Nach dem gestrigen langen Anreisetag und dem gelungenen Einstimmungsabend hat glaube ich jeder gut geschlafen, trotzdem, dass unser Zimmer zur Straße rausgeht und es schon in den Morgenstunden des heutigen
Sonntag laut zugeht. Hinzu kommt ein ganz ungewohntes Geräusch: Möwen. Möwen, die ein Geschrei verbringen,
als ob es um ihr Leben geht, aber das haben sie so an sich. Dies besagt, dass das Meer nicht weit sein kann, da
kommen wir bald hin. Das Frühstücksbüffet ist sonntagsmäßig, einladend und vorzüglich. Besonders gefällt mir
der Frühstücksraum, der mit viel Stil und Geschmack eingerichtet eine tolle Atmosphäre bietet.
Um 9.30 Uhr steht unser Bus zum Einsteigen bereit, die nette Portugiesin Catarina begrüßt uns herzlich, sie
steht eigens für uns heute den ganzen Tag als gut deutschsprechende Reiseleiterin zur Verfügung, u.a. fahren
wir auch durch die 'Rua de Santa Catarina'. Viel Interessantes erzählt sie und beantwortet gerne all unsere
Fragen. Dabei kommt schnell rüber, dass sie dies mit Begeisterung für ihre Stadt Porto tut, die wahrlich eine
tolle, eine ganz bezaubernde Stadt ist, von der man sich gleichermaßen verzaubern lassen kann. Nicht umsonst
hat man die Altstadt 1996 zum Weltkulturerbe ernannt. Besonderes Merkmal sind die mannigfachen blauen,
meist mit großen Mustern versehenen Fliesenbilder, wie schon bekannt Azulejos genannt, sowie ganz
ausgefallen geziertes Eisenwerk an Balkonen.
Da kann man durchaus mal wieder herkommen bzw. ich kann einen Besuch nur Jedermann empfehlen.
Ich versuche, mal ein bisschen davon zu vermitteln:
Portugal hat insgesamt ca. 10,5 Millionen Einwohner, davon leben ca. 237.000 Einwohner in Porto, allerdings
ohne die 15 verschiedenen Vorstädte, Groß-Porto hat somit ca. 1,5 Millionen Einwohner, es liegt 315 km nördlich
von Lissabon und ist bereits seit 1911 Universitätsstadt mit ca. 31.000 Studenten mit den Schwerpunkten
Medizin, Wissenschaft, Architektur. Eine deutsche Schule gibt es mit ca. 500 Schülern. Weiter ist es eine
Bürostadt und früher gab es viel Textilindustrie, nach Italien die größte Schuh- und Lederwarenfabrikation
der gehobenen Qualität. Drei deutsche Firmen sind hier angesiedelt, nämlich Bosch, Continental und
Windräder. Ca. ein Viertel der Energie kommt daher, es gibt kein Atom. Ein großer Fischerhafen darf in solch
einer Stadt nicht fehlen.
Die mit 5 km längste Straße 'Boa Vista' führt zur Küste, ein überdimensional
großes Fischernetz, das quer über die Straße gespannt ist, fasziniert uns.
Begeistert steigen wir aus dem Bus, um uns zum ersten Mal mit dem herrlichen
Meer vertraut zu machen, frische Salzluft zu schnuppern, manch' eine/r nimmt
zumindest ein Fußbad. Weiter geht es an der 12 km langen Uferpromenade 'Cais
de Ribeira' entlang. Überall sehen wir herrliche Wege für Jogger und Walker,
die in großer Zahl am heutigen Sonntagmorgen unterwegs sind, gleichermaßen
ideale Bedingungen mit öffentlichen Strandanlagen in den Felsen. Durch Nordwinde und den Atlantik ist das Wasser allerdings recht kühl. Die verträumte
historische Straßenbahn Eléctrico, die es seit 1895 gibt, begegnet uns auf der
anderen Straßenseite.
Nachdem wir bei der Stadtrundfahrt bereits viele
Sehenswürdigkeiten gesehen haben, steigen wir aus und
begeben uns auf einen Stadtrundgang. Da kommen wir zu
einem Wahrzeichen, es ist die aus allen Teilen der Stadt
sichtbaren Kirche 'Igreja e Torre dos Clérigos', 250 Jahre
alt, mit einem 76 m hohenTurm, von dem man sicher den
allerschönsten Blick über Porto und auf das weite Meer
hinaus hat, aber diese Zeit haben oder nehmen wir uns
nicht.
(Auf diesem interessanten Gemälde sieht man einige
markante Sehenswürdigkeiten Portos).
-6Ebenfalls auf einem Hügel besuchen wir die Marien-Kathedrale aus
dem 12. Jahrhundert, mit dem vergoldeten Altar aus Kastanienholz.
Überhaupt sind alle Kathedralen Portugals der Mutter Gottes
geweiht. Kirchen gibt es hier mehr als genug, ca. 70, heißt, nach allen
Seiten, wohin wir uns auch drehen und wenden.
Neben dem Heiligen Antonius hat man hier Persönlichkeiten wie
Heinrich der Seefahrer, Vasco da Gamo und auch Magellan ist Portugiese, diese bekannt für Seefahrerschule und Sternenforschung, was
in früheren Zeiten mehr als wichtig war.
Weiterer Programmpunkt ist der 1916
erbaute Sack-Bahnhof 'Estacão des
Sao
Bento',
also
nach dem Heiligen
Benedikt
benannt.
Die riesig große, vor allem hohe Halle, ist über und über mit
blauen Azulejos aber auch mit handbemalten bunten Kachelbildern verziert. Ein wahrhaftes Meisterwerk, zum einen
herrlich anzusehen, zum anderen haben natürlich alle Bilder
eine Bedeutung, man meint, man wäre in einem kleinen Museum.
Zusammen mit der ebenso bekannten Stahlbrücke, zu der wir
bald kommen werden, sind dies die zwei monumentalen Bauwerke, die ich von unserem ersten Portugalurlaub im Jahre
1990, also vor langen 24 Jahren, noch gut in Erinnerung habe.
Um
die
Mittagszeit
treffen wir am Flussufer mit vielen gemütlichen Restaurants, Bars
und Cafés ein, wo wir
viel Zeit zum Einkehren
haben, mit phantastischem Blick auf die bunten Häuserfassaden der
Altstadt sowie auf die
historische 1886 mit ca.
3.000 Tonnen Eisen erbaute Brücke 'Ponte de
D.Luis, konstruiert nach
dem Vorbild des Eiffelturms und diesem in
gewisser Weise ähnlich.
Mit 270 m Spannweite, 70 m Höhe und 500 m Länge ist sie für die damalige Zeit ein gigantisches Bauwerk,
noch dazu zweistöckig für Auto und Bahnverkehr. Auf der unteren Ebene fahren Autos und wir als Fußgänger
queren den Fluss hin zum gegenüberliegenden Ufer wo wir wiederum auf Bars und Weinkellereien treffen, die
sich hier aneinander reihen. Da darf eine Portweinprobe natürlich nicht fehlen, zu der wir auf Vorbestellung um
15.00 Uhr in der bekannten Portwein-Kellerei begrüßt werden. Das Logo von 'Sandeman' ist der 'Don von
Sandeman' im weiten schwarzen Umhang und Sombrero, und genau so empfängt uns "Frau Sandemann".
Portwein ist eine weltbekannte Spezialität, die aus einer besonderen Traubenart gekeltert wird. Ca. 250
Rebsorten gedeihen hierzu in der nahen Region des Flusses Douro bei ganz viel Sonne auf Schieferböden. Die
ältesten Sorten reifen lange 12 Jahre in Eichenfässern, die in unzähliger Anzahl vor uns liegend einen Duft
verströmen, von dem alleine man beschwipst werden könnte.
-7Etwas Negatives muss es natürlich auch geben, das sind die
vielen Wohnhäuser in der Altstadt, die inzwischen mehr
als marode sind, man sieht es an den Fassaden. Wie man
sich denken kann, fehlt für eine Renovierung oder
Sanierung das nötige Geld. Nicht zuletzt deswegen, da
mehrstöckige Häuser keine Aufzüge haben und entsprechender Parkraum gänzlich fehlt. Deswegen wollen
oder können junge Leute nicht dahin ziehen. Die
Wohnungen sind schon immer sehr billig, da es von 1960 bis
1999 einen Mieterschutz gab, der Mieterhöhungen
unmöglich machte usw. usw. Schade drum.
Zu guter Letzt machen wir noch eine Bootsfahrt auf dem
Douro, die sogenannte Sechs-Brücken-Fahrt. Der Douro ist
übrigens 900 km lang, davon fließen 700 km quer durch
Nordspanien und 200 km hier in Portugal,
Douro bedeutet Goldfluss.
Alles geht einmal zu Ende und nach abschließender Einkehr in einem mondänen Café endet somit dieses wirklich vielfältige Ganztagsprogramm. Da fällt es uns
schwer, uns von Catarina zu verabschieden, die glaube
ich inzwischen viele mögen. Ich hätte dieser kleinen
zierlichen, doch recht quirligen Person nicht gleich vier
Kinder zugetraut: Jedoch sie erzählt mir von Lorenzo,
Bernardo, Barbara und Miguel.
Im Hotel zurück bleibt uns noch Zeit, etwas auszuruhen,
ehe wir am Abend wiederum zu Fuß unterwegs sind. Zum
Abendessen geht's in das Restaurant 'Sentido'.
Catarina hat mir heute Mittag gesagt, das heißt so viel
wie "Gefühl für Porto", ein schöner Name. Doch dafür
hinterlässt die Lokalität nicht nur eine eher kühle
Atmosphäre, auch das Essen ist nicht berühmt. Naja,
wir sind halt auch schon wieder verwöhnt vom tollen
Essen und Restaurant von gestern!
Für uns Mädels gibt es zu später Stunde
einen Absacker direkt neben unserem
Hotel, wie man sieht, sind wir sieben aus
unserer
erwähnten
'Neun-Dienstagsfrauen-Runde'. Thema sind u.a. mal wieder
die Koffer, wir ärgern uns nicht nur mit
Beate und Bettina bzw. bedauern sie, wir
freuen uns auch, sie inzwischen für
Morgen ausgestattet zu haben.
-8-
Montag, 21. Juli
Von Porto nach Vilar do Conde - Hotel Brazao
(Laut Gunthers Zahlen, Daten, Fakten (nachstehend abgekürzt und wie von uns praktiziert nur noch Z D F genannt)
sind es 17,88 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,04 km/pro Stunde und 272,17 Höhenmetern)
Es war richtig schön gestern in Porto, eine supertolle, faszinierende, zauberhafte Stadt.
Aber: Heute soll es endlich losgehen, ich denke, darauf wartet und freut sich jede/r. Ich summe schon die
ganze Zeit das kecke alte Liedchen vor mich hin "Mich brennt's in meinen Reiseschuh'n" **), das ich bis vor
unserem Jakobsweg-Pilgern 2012 nicht gekannt habe. Zum einen hat es eine Melodie, die ins Ohr geht, zum
anderen aber der Text: Man kann ihn mal so, mal so auslegen! Noch "brennt's in den Reiseschuh'n" vor
Sehnsucht, später vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes, wenn einfach die Füße oder Sohlen brennen, alles
schon da gewesen!
**) Es ist wahrlich ein uraltes Lied, der Text stammt von Joseph von Eichendorff, der von 1788–1857 gelebt hat.
Gestärkt durch das supergute Frühstücksbüffet steigen wir in unseren Bus, um ca. 10 km aus Porto raus zu
fahren. Wenn wir schon den Luxus eines Begleitbusses haben, warum nicht. Da kann man sich
Innenstadtstraßen und vor allem Vorstadtgebiete mit Industriegebiet und einer großen Raffinerie wahrhaftig
sparen. Gut gelaunt, gleich ein paar Wanderliedchen, u.a. natürlich oben Genanntes anstimmend, verbringen wir
so die kurze Busfahrt bis ans Meer.
Und dann ist es endlich soweit:
"Glaub dem Traum,
trau dem Wort,
wag den Weg - geh los!"
(Andrea Schwarz)
Durch eine prächtige Dünenlandschaft, die ganz viele Blumen und Pflanzen
aller Art beheimatet, führen Holzstege, auf denen es sich wunderbar gehen
lässt. Jedoch bevor wir losmarschieren, sammeln wir uns zum Beginn unserer
Pilgertour zu einem Morgen-Impuls für einen guten Start hin zu unserem
Wallfahrtsapostel nach Santiago de Compostela. Übrigens: Wer es noch nicht
weiß: Santiago ist der spanische Name für Jakobus, so einfach ist das! Mit
einem herzlichen 'buen camino' bzw. hier in Portugal 'bom caminho' allerseits
laufen wir los. Diese Worte, die so viel heißen wie 'guter Weg' stehen am
Anfang des Steges in mehreren Sprachen geschrieben, eine schöne Geste,
schließlich kommt die inzwischen große Pilgerschar aus allen Teilen der Welt.
Ebenfalls gibt es Kilometerangaben für beide Richtungen.
Neben dem Malheur der fehlenden Koffer vom Samstag gibt es heute Morgen
eine neuerliche Unannehmlichkeit: Sigi, meine langjährige Wallfahrtsbekannte
aus dem fränkischen Ebern, die sich lange schon Pilgern auf dem Jakobsweg
gewünscht und erträumt hat, und das durch mich jetzt für sie endlich
wahrgeworden ist, fährt es beim Bücken zum Zubinden ihrer Schnürsenkel
ordentlich ins Kreuz!
-9Ein Hexenschuss, der ihr neben einem gehörigen Schrecken auch Schmerzen bereitet. Oh Gott, muss das denn
sein? Kann sie jetzt mitlaufen oder nicht? Ganz klar, da muss sofort eine Ibu 600 eingeworfen werden, noch
hat diese ein wenig Zeit zum Wirken und siehe da, Sigi zeigt sich später hartnäckig und probiert es einfach.
Klar, es geht nicht so, wie ohne diese "Aktion", aber irgendwie macht sie es möglich, lenkt sich durch die tollen
Umstände des Pilgerns, die herrliche Meereslandschaft, aber wohl hauptsächlich ihrem ganz persönlichen
Adrenalin total ab und schafft irgendwie den Weg! Ich meine es gut mit ihr, indem ich sie warne, sie solle es
nicht übertreiben, schließlich ist das unser erster Pilgertag von insgesamt zehn, heißt, wir haben noch viele
Kilometer vor uns!
Die Stimmung ist gut, alle sind nicht nur zufrieden, sondern glücklich. Meine Augen hängen ständig am blauen
Meer mit Wellen, die sanft an den Strand rollen. Herrlich, man hat es nicht nur im Blick, sondern auch im Ohr
und in der Nase, gesunde Meeres-Salzluft ist inbegriffen. Aber auch an der vielfältigen Vegetation bleibt mein
Blick hängen, Fotografieren ist angesagt. Blaue Disteln, weiße kleine Amaryllis-Blüten, neben unzähligen gelben
Blumen in verschiedenen Größen und Arten, sowie lila Blümchenteppiche, alles wächst zauberhaft aus dem Sand.
Es gibt auch Strandleben, aber es ist nicht übertrieben voll, das Wasser des Atlantik ist recht kühl, dadurch
gibt es hier keinen Massentourismus. Mehrere Busse sehen wir auf den Parkplätzen, die ganze Schulklassen
bzw. Kindergartenkinder hierher karren. Man kann sie an ihren jeweils gleichfarbigen Kopfbedeckungen oder
Rucksäcken erkennen, viel Freude haben sie am Meer, ob am oder im Wasser. Sie laufen diszipliniert und halten
sich dabei an den Händen. Andere Pilger sehen wir heute nur vier, zum einen ist der portugiesische Weg noch
nicht so sehr bekannt und überlaufen, zum anderen läuft man ja in die gleiche Richtung, so dass andere Pilger
entweder schon voraus, oder auch noch hinterher kommen, also nicht ständig Begegnungen stattfinden.
Ab und zu laufen wir durch hübsche Stranddörfer, eine größere Pause können wir mittlerweile gebrauchen und
finden uns dazu in großer Runde in einem Lokal mit herrlicher Sicht aufs weite Meer ein. Jeder kann auf seine
Weise und nach seinem Geschmack zufrieden gestellt werden. Neben einem reichhaltigen Tagesmenü gibt es
kleine Gerichte aus Fisch und Meeresfrüchten, die allseits bekannten Bocadillos sowie eine große Auswahl an
herrlichen Kuchen.
- 10 Gut gestärkt geht es auf schmalen Pfaden dahin, rechts und links von
hohem Schilf umsäumt. Wir haben heute ca. 20 km und sind gegen 16.00
Uhr im Hotel. Wie schön, da bleibt noch Zeit zur Entspannung, ich lege
mich dazu immer gerne mal in die Badewanne. Später geht es zu einem
Bummel durch den Ort Vilar do Conde, zunächst in die Kirche und dann an
den Fluss. Gucken bei dieser Gelegenheit schon mal nach dem Lokal
'Doca', im dem wir uns um 20.00 Uhr zum gemeinsamen Abendessen
treffen. Die absolute Attraktion bietet uns hier der Chef oder Kellner,
indem er Wein aus einer Karaffe einschenkt, die er ca. 1/2 Meter hoch
hält und trotzdem zielgerade unsere Gläser trifft. Unsere Aufmerksamkeit und Begeisterung dafür lässt sich nicht verbergen, worauf er
sichtlich stolz ist. Die Vorspeise ist nicht nur gut, die bekannte ChorizoWurst wird angezündet, man könnte sagen flambiert, eine weitere
Attraktion des Lokals. Dazu gibt es Schafskäse und Oliven, eben die für
südliche Regionen typischen leckeren Köstlichkeiten. Mit Weißbrot und
einem guten Wein hätte man sich daran festhalten können.
Jedoch als Hauptgericht gibt es ganz leckeren Fisch. Mit süßen Kuchen und Espresso als Nachtisch wird nicht
nur dieses herrliche Mahl, sondern auch unser erster richtiger Pilgertag abgerundet. Müde sind wir nämlich
inzwischen alle und freuen uns auf unser wohlverdientes Pilger-Bett.
Anmerkung: Bei Ankunft war nicht nur bei Beate und Bettina die Enttäuschung groß, dass auch heute am
dritten Tage nach X die Koffer immer noch nicht da sind, berechtigterweise sind die Beiden sauer und
enttäuscht! Dafür erscheinen sie heute in gleichen T-Shirts nur mit unterschiedlichen Farben, die sie sich
gekauft haben und die sie mit Sicherheit noch lange an dieses Übel erinnern werden!
Dienstag, 22. Juli
Von Vilar do Conde nach Barcelos - Hotel Bagoeira
(Z D F: 30,69 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,18 km/pro Stunde und 659 Höhenmetern)
Vilar do Conde ist ein hübsches kleines Städtchen, durch dessen Gassen wir unseren Weg raus in die Weite
suchen. Hauptattraktion des Ortes ist zweifellos ein Viadukt aus römischer Zeit für die Wasserversorgung,
mit sage und schreibe 99 Bögen, die von vielen Punkten des Ortes wahrlich nicht zu übersehen sind. Die
Gesamtstrecke beträgt 7,4 km, wir kommen unmittelbar daran vorbei, der Pilgerweg führt drunter durch.
Unser Weg führt uns in eine ebenfalls sehr alte und bedeutende Kirche, sie sind nicht nur große Kulturgüter
und wunderschön anzusehen, irgendwie kann man sich in den dicken Mauern wohl und geborgen fühlen, sich
Schutz und Segen für den Tag auf unserer Pilgerstrecke bzw. unserem Lebensweg überhaupt holen.
- 11 So singen wir gemeinsam und lautstark das immer wieder schöne, uns allen bekannte Lied
"Großer Gott wir loben dich,
Herr wir preisen deine Stärke.
Vor dir neigt die Erde sich,
und bewundert deine Werke.
Wie du warst vor aller Zeit,
so bleibst du in Ewigkeit"!
Nicht nur eine grandiose Melodie, auch der Text passt in die herrliche Schöpfung rundum, vieles währt lange
Zeit, um nicht zu sagen ewig, z.B. die zauberhafte Natur. Nur wir großen und wichtigen und letztlich doch so
kleinen Menschenkinder nicht ........ Vielleicht sollte uns dies in Verbindung mit dem Text einmal ein bisschen zu
denken geben??
Doch weiter geht's! Nur schade, der Pilgerweg führt uns ständig der Hauptstraße entlang. Irgendwie wartet
man unwillkürlich auf einen Abzweig, der endlich ins Feld, endlich ins Weite, endlich in die idyllische Landschaft
Nordportugals führt. Jedoch weit gefehlt, wir müssen uns noch längere Zeit mit der Straße zufrieden geben.
Schade drum, wir laufen im Gänsemarsch hintereinander her, die Autos fahren schnell, um nicht zu sagen
rücksichtslos, es ist nicht ganz ungefährlich. Noch dazu ist es gut heiß, und das schon heute Morgen.
In einem kleinen Ort steht unser Bus mit dem netten jungen spanischen Oscar Barreiro, dem Busfahrer. Da
machen wir kurze Pause, können immer mal Sachen rausholen oder ablegen und nicht zuletzt unsere
Trinkflaschen auffüllen. Das ist übrigens ein Superservice: Oscar besorgt ständig 6erPacks mit 1½ Literflaschen, die in seiner Kühlbox deponiert sind. Bei Bedarf können wir vorbeigehen und auffüllen, ich nenne dies
unseren "Blech-Brunnen". Das kann man doch Luxus und Bequemlichkeit nennen, zudem ist der Bus für Viele von
uns einfach eine Sicherheit. Zum Beispiel für unsere Sigi mit ihrem (von einer Hexe??) "angeschossenen"
Kreuz, sie sitzt heute drinnen, im Bus.
Die gestrige Tour war anstrengend für sie, und Wege bzw. Straßen, wie ich sie eben beschrieben habe, gehen
dafür gar nicht. Schade darum, sie bzw. ich und sicher viele der anderen Mitpilger hoffen, dass es ihr bald
besser geht, die Tagesration von Ibu 600 ausreichend ist und somit noch mehr Wirkung entfaltet?
Bei einer kurzen Rast treffe ich auf einen "echten Pilger", nicht
zu vergleichen mit uns, die wir sozusagen "Edel-Pilger" sind, wie
ich es immer wieder gerne bezeichne. Nein, er sieht aus wie ein
richtiger Pilger, ein Rucksackpilger, der nicht nur wochenlang,
sondern auch kilometerweit unterwegs ist. Schnell stellt sich
heraus, dass er Deutscher ist, alle Zeit der Welt hat, eben ein
Pilger mit viel Leidenschaft und Sehnsucht ist. So wie ich es
auch bin, nur kann ich nicht wochen- oder gar monatelang unterwegs sein …..
Er erzählt mir, dass er aus Bayern, Nähe Memmingen, kommt,
und im letzten Jahr ganze 2.711 km von seiner Haustüre weg bis
nach Finisterre gepilgert ist. Diese, ich kann es nur mit eigenen
Worten ausdrücken "Pilger(sehn)sucht", setzt er in diesem Jahr
fort, indem er zurzeit auf dem 'Caminho Portugues', aber nicht
wie wir von Porto, sondern schon von Lissabon kommend,
unterwegs ist. Das wäre meines, ich bin ihm allerdings nicht
neidisch, sondern bewundere ihn und freue mich für und mit ihm!
"Tu was du kannst, mit dem was du hast, wo immer du bist."
(Theodore Roosevelt)
Und: "Diejenigen, die sagen es ist unmöglich, sollen diejenigen nicht dabei stören,
die es möglich machen."
- 12 Endlich kommen auch für uns bessere Wege, wir sind in Rates angekommen und gehen in eine uralte romanische
Kirche, herrlich geschmückt mit weißem Agapanthus. Und noch etwas gibt es hier: Eine längst überfällige Pause
in der Bar 'Macedos'. Lange vor dem Ort sehen wir mit Pilgermuscheln gekennzeichnete Werbung dafür - jetzt
aber nix wie hin und rein! Wir sitzen in großer Runde und es ist nur schööööön - alles passt, wir sind eine Einheit! Zur körperlichen Stärkung bestellen wir Radler, von unseren letzten beiden Jakobsweg-Etappen in 2010
und 2012 noch gut als spanische 'Clara' bekannt. Dies ist nicht nur durstlöschend sondern durch die Mischung
aus Bier mit Limo auch sehr wohltuend und aufbauend!
Die Lacherei ist groß, als genanntes favorisierte Getränk nicht nur in sonderbaren, eigentlich
unbeschreiblichen Kelchen serviert wird, sondern uns mit dem ebenfalls sonderbaren Namen
'Pana(s)ché' verkauft wird! Weiter wird gelacht, als Günter schlagfertig sagt 'Panaché' kommt
sicherlich vom Panschen, was sich zunächst lustig anhört, jedoch offensichtlich gar nicht dumm ist,
schließlich kennen wir das Wort Panaschieren von Wahlen und das heißt Mischen! Gegessen werden
die üblichen Bocadillos mit herzhafter Chorizo-Wurst, Schinken, Käse oder eine Gemüsesuppe, die
genauso schmeckt, wie sie meine Oma vor nahezu 50 Jahren für uns Kinder gekocht hat. Ich meine,
ich schmecke Einbrenne raus, was gleichermaßen von den anderen bestätigt wird. So ist nicht nur
unser momentanes Wohlbefinden gut, nein, die verlorenen Lebensgeister werden zurück erobert,
wir haben viel zu lachen, und sind nicht zuletzt ordentlich gestärkt für den Weitermarsch, der
heute heftig ist oder noch werden soll, wir haben noch 15,7 km vor uns, das ist viel Zeug.
Als der nette Wirt uns
einen knallroten Stempel
in
unseren
Pilgerpass
drückt singen wir ihm
dafür ein Lied, was ihn
wiederum so beeindruckt,
dass er sogleich mit dem Foto
ankommt und ein Gruppenbild von uns
fröhlicher Pilgerschar macht! Als er
uns am Hofausgang alle einzeln mit
Handschlag und einem herzlichen
'bom caminho' verabschiedet, ist
schließlich alles perfekt.
Und die Wege werden noch schöner, endlich "pilgerig" schön, alte Schiefermäuerchen, die uns viel erzählen
könnten, wenn sie nur könnten. Wir kommen durch Eukalyptuswald und als dann noch große Farne beidseitig des
Weges ranken, meine ich mich schlagartig ans wahrliche Ende der Welt, nämlich nach Australien und Neuseeland versetzt, was wunderbare Urlaubserinnerungen hervor ruft. Dazu ist es oft herrlich bunt, große Dolden
der blaublühenden Agapanthus-Blüten, gelber Stechginster, rosa-lilafarbenes (Erika)-Heidekraut! Hier blüht
wohl eigens für uns alles gleichzeitig? Als ausgesprochenes Blumenkind wie ich es nun mal bin, stelle ich fest,
bei uns daheim blüht schließlich Ginster im Mai und Heidekraut im Herbst? Bei dieser Blütenpracht fällt mir
ein, ich könnte doch unserer Sigi, die heute den ganzen Tag mühevoll im Bus zubringt, ein Blumensträußchen
pflücken, über das sie sich später sehr freut.
Ja, die Welt ist groß und überall schön, wie kann Leben nur so schön sein, wenn man es mit den richtigen Augen
sieht, es zu schätzen weiß, sich an Kleinigkeiten erfreuen und dadurch vieles genießen kann.
"Jeder Mensch trägt all das in sich, was er für ein glückliches Leben braucht.
Viele wissen es nur nicht,
haben es vergessen oder gar verlernt?"
Und:
"Wenn du immer nur siehst, was das Leben dir verweigert, wirst
du nie sehen, was es dir schenkt."
- 13 Ich bin jedenfalls nur happy, denke nicht ans Laufen, nicht an den Alltag und die Arbeit, nicht an Sorgen,
Probleme, oder was auch immer, man ist einfach unterwegs. Unterwegs mit sich selbst, und so läuft es sich
auch fast wie von selbst. Es fasziniert mich, dass dieses Gefühl schon heute, erst an unserem zweiten Pilgertag
eintritt, das ist gut so. Noch dazu an diesem, unserem heute wohl längsten und anstrengendsten Tag mit
insgesamt 33 km.
Da passt für mich: "Du bist König und Bettler, du bist Alles und Nichts."
Oder:
"Es sind deine Gedanken, die dich glücklich oder traurig, reich oder arm machen."
Gleichermaßen: "Urteile nicht über Menschen, du kennst ihren Weg nicht .
Kümmere dich um deinen eigenen."
(allesamt von Christian Brandstetter)
Wir warten immer wiedermal bis auch die Letzten da sind, um für ein Stück gemeinsam weiter zu gehen.
Lichtblicke und Ziele gibt es schließlich immer wieder, und das soll in Kürze die Bar 'San Antonio' in Pedra
Furada sein, wo auch unser Bus steht. Heißt also, Sigi und Hans-Valentin sitzen nicht im Bus sondern in der Bar
bzw. Sigi kommt uns freudestrahlend ein ganzes Stück entgegen, sie kann es nicht abwarten bzw. will auch die
Schönheit der Natur und die herrlichen Wege genießen, wenigstens ein bisschen. Da freut sie sich natürlich
umso mehr, als ich ihr mein buntes Blumensträußchen überreiche.
Alle freuen sich auf den
wohlverdienten Stopp in der Bar,
hier trifft man auf "alte" Bekannte, so den Memminger Pilger,
mit dem wir wiederum interessante Gespräche führen. Pilger
verstehen sich einfach, alle sind
aus ähnlichen Gründen aufgebrochen, und was nicht schon vorher
war, das bringt unsere Gemeinschaft und eben beschriebene
Begeisterung und Leidenschaft
mit sich. Ich kann es einfach nur
immer wieder auch Sehnsucht
nennen!
Die beiden Schnellläufer Jürgen und Klaus haben wir auch heute den ganzen Tag nicht gesehen. Modern, wie
sich jedoch inzwischen selbst Pilgern gestaltet, geben sie aber an Katrin oder Hans-Valentin des Öfteren
nützliche Informationen über Bars und sonstiges Wissenswerte weiter.
Wir brechen zum Endspurt auf, in der Bar sind wir noch 14 von vorher 19 Pilgern, man kann einfach nicht davon
ausgehen, dass jeder über 30 km laufen will, geschweige denn kann. Das muss einfach jeder selbst wissen, bzw.
mit sich und seinem Inneren ausmachen.
Für mich steht das Gott sei Dank nicht zur Debatte, und das meine ich so, wie diese drei kleinen Wörtchen
lauten, ich danke Gott häufig dafür. Nicht mehr ganz flott, aber dennoch froh und munter geht es weiter. Man
muss wissen, es ist bereits 17.30 Uhr, und wir haben immer noch 9 km vor uns!! Noch dazu sind die Wege zwar
schön, jedoch anstrengend, einfach total anstrengend, nämlich steil und noch dazu steinig! Man muss jeden
Schritt bedenken, genau gucken, wo man seinen Fuß hinsetzt.
Der Bus wartet noch einmal im nächsten Ort, "dann waren's nur noch acht"! "Acht kleine
Pilgerlein ......", die nicht aufgeben, um auch noch die letzte ca. 1 1/4 Stunde bis zum dann
doch sehr ersehnten Hotel in Barcelos hinter sich zu bringen.
So wird es sage und schreibe 19.15 Uhr, als wir abgekämpft aber zufrieden im Hotel
'Bagoeira' ankommen. Dann muss alles schnell gehen, und das nach einem so langen
anstrengenden aber doch frohen und ereignisreichen Tag mit Temperaturen von nicht zu
unterschätzenden +/- 30°! Mit Ausruhen ist da nicht viel bzw. gar nix! Duschen ist angesagt,
und das ist nicht nur "mit Wasser-Drüberlaufen" getan, das ist richtig Arbeit, weil man nicht
nur verschwitzt und "verpappt", sondern auch echt mal richtig dreckig, respektive staubig ist.
- 14 Zum gemeinsamen Abendessen treffen wir uns um 20.30 Uhr im nebenan liegenden Hotel-Restaurant. Als
Vorspeise gibt es Suppe und frittierte Bällchen mit verschiedenen Füllungen, als Hauptgang zarte Fleischscheiben mit frischen Champignons, knusprige Kartoffeln und Reis, viel Salat und zum Nachtisch eine Süßspeise
im Steinguttöpfchen.
Spätestens danach hängen aber doch alle ganz schön rum, einige gehen früh ins Bett. Besagte viele Kilometer
hängen nämlich nicht in den Kleidern, sondern ordentlich in Muskeln und Knochen!
Ach ja, Besonderheit des heutigen Tages, vor lauter Ereignissen unterwegs hat man es fast schon vergessen:
Die Koffer, ja, Beates und Bettinas abhanden gekommene Koffer sind endlich eingetroffen! Grund, uns nicht
nur für und mit den Beiden zu freuen, sondern wir witzeln ein bisschen, wie sie doch heute Abend glänzen, und
wie gut sie doch in ihren eigenen Anzieh-Sachen nur aussehen!
Anmerkung: Es heißt, sie bekommen von der Fluggesellschaft 50 € pro Tag Entschädigung, also 200 €. Das ist
sicherlich nicht schlecht, ich möchte jedoch von Anfang an trotzdem nicht mit ihnen tauschen wollen .............
Da wir heute einen langen ausgefüllten Pilgertag hinter uns haben mit allem was so dazu gehört, möchte ich auf
der nächsten Seite ein sehr nettes Gedicht anfügen, das ich im "Sternenweg" **) gefunden habe.
Ich verspreche euch: Ein jeder von euch / uns findet sich garantiert in fast allen Absätzen wieder!?
**) Der "Sternenweg" ist übrigens eine Broschüre der Deutschen St. Jakobsgesellschaft e.V. in Aachen
(www.deutsche-jakobus-gesellschaft.de), wo ich für 30 €/jährlich seit vielen Jahren Mitglied bin.
Ebenso in der St. Jakobusgesellschaft Rheinland-Pfalz Saarland e.V. (www.jakobubsgesellschaft.eu).
Hierunter sind übrigens meine beiden Berichte über Pilgern auf dem Jakobsweg 2010 und 2012 sowie über meine
alljährliche Wallfahrt in Franken nach Vierzehnheiligen veröffentlicht, und über kurz oder lang auch dieser Bericht.
Dafür herzlichen Dank.
In diesen Vereinen wird zum einen sehr viel bewegt, zum anderen gibt es interessante und nützliche Informationen,
und ich denke, als eifrige Pilgerin möchte ich so etwas unterstützen!
- 15 Und nun das Gedicht:
"ÜBER UNS PILGER:
Ein Mensch,
der grad am Pilgern ist,
mit völlig neuem Maßstab misst!
Ein Tag bedeutet für uns Treter
so zwanzig / dreißig Kilometer,
und eine Pause währt seit je
so lang wie zwei/drei Panaché.
**)siehe Erklärung
Seinen Weg man findet unverhohlen,
eben durch Muscheln und gelben Pfeilen,
den dafür bekannten Symbolen.
Oder auch mit dem Vertrauen,
mal ganz bewusst auf Gott zu schauen,
freut sich, wenn er uns tut herzlich grüßen,
vergisst sogar die Blasen an den Füßen,
und was Pilgern vielleicht sonst noch erschwert:
Jakobus hilft, den man verehrt.
Den Tagesablauf unterteilt man
nach Pilgerrhythmus,
morgens eilt man.
Spricht vorher erst noch ein Gebet,
weil Pilgern dann viel leichter geht.
Kehrt öfter ein in Kirchen und Kapellen,
jedoch Hunger und Durst treibt uns hin zu anderen Quellen.
Mittags man sucht einen Schattenplatz,
und findet schon mal als Ersatz,
um eine Pause / Siesta abzuhalten,
und dabei vom Laufen und Schwitzen abzuschalten,
an Häusern und Höfen, oder auch einem Garten:
Gastfreundschaft dankt man mit guten Worten.
Setzt man den Weg danach bald fort,
gelangt man zeitig an den Ort,
wo man verweilt für eine Nacht,
dort erst mal kräftig Körperpflege macht.
Ist man ein Freund von Kunst, Kultur,
ruht man ein Viertelstündchen nur,
und macht sogleich sich auf die Socken,
weil Sehenswürdigkeiten locken.
Im anderen Fall man zieht es vor,
und legt sich mal auf's Pilgerohr.
Freut sich auf fürstlich gutes Essen,
das schnell unsre Mühsal lässt vergessen.
Das gute Essen, Trinken, und - und - und,
machen unseren Pilgerabend rund!
Und seltenst wird danach die Nacht
vor Übermut zum Tag gemacht.
Das Nachtquartier, egal wie viel Sterne,
vergleicht und bewertet man mit Muscheln gerne.
Ein Pilger, so denkt man, fromm und brav,
kennt nur die Andacht, sucht den Schlaf,
die Einsamkeit, hält sich zurück?
Nein nein, wir können auch anders, welch' ein Glück!
Können lachen, singen, aber auch mal schweigen,
mal brüsk sich hier, dort sanft uns zeigen.
Können einen trinken und feiern, ganz ausgelassen,
um so das Pilgerglück beim Schopfe zu fassen.
Und uns schließlich nach der Devise richten:
Man braucht beim Pilgern auf nichts zu verzichten!"
(von Balthasar, abgewandelt von Margit)
- 16 -
Mittwoch, 23. Juli
Von Barcelos nach Ponte de Lima - Hotel Inlima
(Z D F: 24,6 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,06 km/pro Stunde und 449 Höhenmetern)
Die heutige eigentliche Tagesetappe steht den gestrigen vielen Kilometern nicht hinterher, heißt wieder über
30 km, das erscheint nach den Strapazen von gestern, der Hitze wegen, und nicht zuletzt einfach der kostbaren Zeit wegen einfach zu viel.
Mal abgesehen von unseren zwei Schnellläufern, würden das nur ganz wenige wirklich schaffen. So wird hinund her überlegt, wie machen wir es bloß? Nicht zuletzt deswegen, da unser heutiges Ziel, das Städtchen Ponte
de Lima, sehr idyllisch ist und viel Atmosphäre bietet. Noch dazu wohnen wir im ****-Hotel 'Inlima' mit Blick
auf den Fluss Lima, das in seiner besonderen Schlichtheit sehr edel wirkt, und sich im Nachhinein gesehen als
eines der besten Hotels unserer Tour herausstellt. Aber bis dahin ist es noch ein wahrhaft weiter Weg!
Bettina und ich, nicht nur gleichaltrig und voller gegenseitiger
Sympathien, sondern noch dazu zwei hartnäckige und besonders
ehrgeizige Pilgerinnen, wir würden schon gerne den ganzen Weg
laufen, heißt hier und jetzt ab Hotel loslaufen wollen!! Aber
irgendwie "reitet" mich heute scheinbar mal die Vernunft und ich
überzeuge Bettina, dass auch wir und somit wirklich alle, selbst
Jürgen und Klaus, in den Bus steigen. Dieser bringt uns nicht nur
durch die Stadt, sondern ganze 9 km durch Vororte hinaus nach
'Portela de Tamel'. Dort geht’s dann auf einen Abzweig zum
Jakobsweg, der inmitten phantastischer Natur beginnen kann!
Bevor wir loslaufen gibt es in einer modernen Pilgerherberge
einen Stempel, Stempel sind schließlich bei allen sehr begehrt.
So stellt man sich Pilgern vor:Die Wege, und vor allem die Vegetation, einfach alles ist bilderbuchmäßig, so ganz
anders, wie wir es von daheim gewohnt sind. Ich versuche mal aufzuzählen, was es so nach und nach ringsum
alles gibt: Weinberge, Orangen- und Zitronenbäume, Olivenhaine, Kiwi-Plantagen, Pfirsiche, Feigen, Esskastanien und zwischendrin mächtige Dattelpalmen. Und Blumen, immer wieder Blumen, nicht nur in den schmucken
Bauerngärten sondern am Wegesrand. Kräftig blaue Schlingpflanzen, ähnlich der Ackerwinde, ranken sich
schmarotzerhaft an hohen Bäumen der Sonne und dem Licht entgegen. Dazu unzählige gelbe Blümchen, und obwohl alle gelb, doch jede Art ein anderer zarter oder leuchtender Gelbton. Abertausende von Blütchen, jedes
anders schön und faszinierend. "Hand aufs Herz", wer hat sie alle gesehen, bestaunt und bewundert, sich so
innig daran erfreut wie ich??
Dazu möchte/muss ich unbedingt dieses wunderbare Gedicht anbringen:
"Ein Sommertag im Garten
Wie wenig braucht die Natur um zu strahlen:
Zartes junges Grün, sehr viele verschiedene Grüntöne,
ein Reigen bunter Sommerblumen und ihr betörender Duft.
Ein vom Wind bewegter See, das Plätschern eines Brunnens.
Das Summen der Bienen und der wunderbare Gesang der Vögel.
Schmetterlinge, die von Blüte zu Blüte flattern.
Ein kühler Windhauch und das zauberhafte Licht der Sonne,
das dem Ganzen erst den Glanz verleiht.
Ein heller lichter Tag, den man gern verbringen möchte.
Wenn wir unser Leben damit vergleichen, werden wir erkennen:
Mit ein wenig Licht kann es auch für uns viele leuchtende Tage geben.
Wer für uns Licht ist, wird uns gegeben.
Aber auch wir können für Manche ein Licht sein.
Selbst in eisigen Tagen können Eisblumen glitzernde Lichtpunkte zaubern.
Darum:
Auch in kalten und dunklen Zeiten unseres Lebens,
nicht nur an den sonnigen Tagen, gibt es Lichtpunkte,
die uns auf unserem Weg begleiten und uns immer wieder Orientierung geben."
- 17 Ist es nicht so?? Wenn wir uns Zeile für Zeile genau durchlesen, dies alles bewusst wahrnehmen, dann finden,
ja haben wir all dies auf unserem Weg. Die zauberhafte Natur in allen Formen, Farben und Facetten, mit viel
Sommersonne und hellem Licht und dazu WIR ALLE in der Pilgergemeinschaft, die wir uns gegenseitig Licht
sind und zum Licht werden können! Leuchtende, helle Tage sind es, aber nicht nur während unseres Unterwegsseins. Nein, schöpfen wir dadurch viel Mut und Kraft, Zuversicht und Energie, Freude und Frohsinn, damit wir
dieses Leuchten einfangen und mitnehmen und damit vielleicht daheim viele glitzernde Lichtpunkte zaubern
können? Gebrauchen können wir diese jedenfalls!
Weiter geht’s, im Text und vor allem auf dem Weg: Ich entdecke die für Portugal bekannten Korkeichen, für
die meisten aus unserer Gruppe wohl neu und somit unbekannt? Für mich eine gute Erinnerung an unseren
ersten Wohnmobilurlaub im Jahre 1990, der uns ins landschaftlich, und insbesondere was den netten Umgang
mit den Menschen dort angeht, faszinierende Portugal am Rande Europas geführt hat. In der heutigen Zeit
werden die mächtigen knorrigen Korkeichen immer unbequemer und schließlich uninteressant, da es ganze neun
Jahre dauert, ehe die Korkrinde der Eichen die notwendige Stärke aufweist und geschält werden kann, um danach wiederum neun lange Jahre zu brauchen, ehe der nächste Ertrag kommt. In unserer heutigen schnelllebigen, wirtschafts- und machtbetonten Welt wahrlich keine Alternative. So schafft man auch den guten alten
Korken als Flaschenverschluss nach und nach immer mehr ab.
In die Bar 'Viana' kommen wir zur Mittagspause, die Preise hier sind sehr günstig, Salat und Gemüse, das sieht
und schmeckt man, wachsen in den umliegenden Gärten und nicht wie bei uns immer und ewig in den Regalen der
Supermärkte und Discounter! Weiter ist unschwer zu erkennen, dass die ganze Familie zusammen arbeitet, so
viele Pilger auf einmal haben sie wohl selten zu bewirten, was auch sie dazu bewegt Fotos von uns zu machen,
um diese als willkommene Werbung, man staune, in facebook zu stellen. Soll noch mal einer sagen, auf dem
portugiesischen Weg gäbe es noch nicht so gute oder ausreichende Pilger-Infrastruktur!?
Einen Stempel gibt es natürlich auch, was mich zu der etwas witzigen Bemerkung veranlasst, wenn wir so weiter
machen, stellt man später in Santiago fest, dass wir dreimal am Tag in einer Bar waren. Mal ganz abgesehen davon, dass wir uns das bei diesen hochsommerlichen Hitzetemperaturen und körperlichen Extrem-Anstrengungen
doch wohl redlich verdient haben!! Sigi läuft heute größere Teiletappen mit, es klappt ganz prima, was ihr viel
Auftrieb und Mut für den weiteren Weg und die nächsten Tage gibt.
Beim Weiterlaufen finden wir uns plötzlich mit 10 Pilgermädels, -frauen, zusammen. Als wir einen Jakobus an
einer Hausmauer entdecken, wollen wir allesamt unbedingt mit IHM fotografiert werden. Dafür muss Gunther,
der uns gerade über den Weg läuft, herhalten. Mit jedem Fotoapparat der Einzelnen von uns wollen wir Bilder,
was nicht nur langwierig und zeitaufwändig erscheint, sondern uns einiges an Spaß und Gelächter einbringt!
- 18 -
Später stoßen wir am Wegrand bei Facha auf einen weiteren uralten Jakobus-Bildstock aus
dem Jahre 1840, der endlich besagt, dass es hier gottlob schon sehr lange den altbekannten Jakobusweg gibt, und es sich nicht nur um etwa in neuerer Zeit angelegte oder initiierte
Wege handelt, um auch hier in Portugal dem Trend und dem auf dem bekannten spanischen
'Camino Frances' schon fast Massen-Tourismus hin zum Grab des Apostels nach Santiago de
Compostela frönen zu können! Für mich wirklich eine richtige Freude.
An einem privaten Anwesen sehen wir an der Mauer einen selbstgebauten Brunnen in Form
einer großen Muschel mit Wasserhahn, zum Trinken für durstige und müde Pilger und
schließlich zum Füllen der Flaschen, eine wahrlich schöne Geste. Auch das beweist mal wieder, dass die Leute nicht nur herzlich und freundlich, sondern uns Pilgern gegenüber
wohlgesonnen sind.
Auch unser Busfahrer zeigt sich freundlich und wohlgesonnen, in dem er heute mal wieder Pilgertransport mit
unterwegs "aufgelesenen" Pilgerinnen macht, denen die Wege zu weit, zu anstrengend oder zu unwegsam sind.
Es handelt sich dabei zweimal um ein Mutter/Tochter-Gespann, wobei die Mütter nicht mehr die Jüngsten sind,
eine ist 78 Jahre alt. So lohnt sich unser Bus: Wenn das mal kein gutes Werk bzw. eben pilgermäßig ist!
Um 17.30 Uhr sind wir endlich da, man erinnere sich, wir wären nicht vernünftigerweise die ersten Kilometer
heute Morgen mit dem Bus gefahren, nicht auszudenken. Wäschewaschen ist angesagt, auch das gehört schließlich zum Pilgern, und da wir einen Balkon haben, klappt es mit dem Trocknen optimal.
Vor dem Essen starten wir einen Rundgang durch Ponte de Lima. Dabei werden immer mal Apotheken für alle
möglichen brauchbaren Sachen wie Blasenpflaster, Salben, Cremes usw. aufgesucht, Erika kauft sich eine
schicke Lesebrille!
Zum Abendessen finden wir uns wie gehabt an einer langen Tafel zusammen, heute finden wir reichhaltige Büffet-Auswahl vor, offensichtlich vom Partyservice angeliefert. Neben einem tollen Salatbüffet gibt es immer
wieder Kartoffeln, dazu Kasseler. Frischer Obstsalat und zwei Nachtische runden zwar das Büffet, noch nicht
aber diesen schönen Abend ab.
Denn heute muss endlich gesungen werden, die große Terrasse mit Blick zum Fluss ist dafür wie geschaffen.
Schnell holt Katrin ihre Gitarre herbei, wir unsere Liederheftchen und bald schon klingt unser Gesang durch
halb Ponte de Lima! Wir sind nur Mädels, fast vollzählig versammelt, einzig Jürgen hält sich als stiller Zuhörer
im Hintergrund, Genießer würde ich mal sagen!?
Katrin hat ein neues Liedchen für uns parat, und damit das künftig klappt und sitzt, üben wir es immer wieder.
Der kurze Text ist ansprechend und passend, die Melodie eines Kinderliedchens ist ein Ohrwurm und geht sogleich ins Gehör. ("Auf der Mauer, auf der Lauer, sitzt 'ne kleine Wanze"........................)
"Wege gehen, Wege gehen,
wir tagaus, tagein.
Bleibe bei uns lieber Gott,
lass und nicht allein.
Geh mit uns auf Schritt und Tritt,
und bei Tag und Nacht,
segne und behüte uns
und gib' auf uns acht!"
Nach 23.00 Uhr lösen wir die Runde auf, damit Ruhe einkehrt und wir das schöne Hotelbett wenigstens ein
bisschen nutzen können, nicht zuletzt, weil wir eigentlich viel viel mehr Schlaf gebrauchen können.
- 19 -
Donnerstag, 24. Juli
Von Ponte de Lima nach Valenca - Hotel Val Flores
(Z D F: 33 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,6 km/pro Stunde und 422,5 Höhenmetern)
So edel das Hotel, so super ist heute Morgen das Frühstück.
Danach gehen wir die paar Schritte bis zum Flussufer, um dort den Morgen-Impuls zu hören, den ich heute
gebe. Es geht nicht um die 10 Gebote sondern um 10 Geh-Bote, was gut zum Pilgern passt. Nachfolgenden Text
habe ich in ein kleines Format gebracht und ausgedruckt, so dass ich anschließend allen ein Exemplar überreichen kann, denn vieles davon kann oder sollte man auch im täglichen Leben anwenden. Er lautet:
Die zehn GEHbote des Pilgerns
1. Geh
Es gibt fürs Pilgern kein besseres Fortbewegungsmittel als das Gehen.
Nur Gehen! Darum geht es.
2. Geh langsam
Setz dich nicht unter unnötigen sportlichen Leistungsdruck.
Du kommst doch immer nur bei dir selber an.
3. Geh leicht
Reduziere dein Gepäck auf das Nötigste.
Es ist ein gutes Gefühl, mit wenig auszukommen.
4. Geh einfach
Einfachheit begünstigt spirituelle Erfahrungen, ja sie ist sogar die Voraussetzung dafür.
5. Geh alleine
Dann kannst du besser in dich gehen und offener auf andere zugehen.
6. Geh lange
Auf die Schnelle wirst du nicht viel sehen und kapieren.
Du musst tage-, wochenlang unterwegs sein, bis du dem Pilger-Weg allmählich auf die Spur kommst.
7. Geh achtsam
Wenn du bewusst gehst, lernst du den Weg so anzunehmen, wie er ist.
Dies zu begreifen, ist ein wichtiger Lernprozess und braucht seine Zeit.
8. Geh dankbar
Alles - auch das Mühsame - hat seinen tiefen Sinn.
Manchmal erkennt man diesen erst später.
9. Geh weiter
Auch wenn Krisen dich an deinem wunden Punkt treffen, geh weiter!
Vertraue darauf: Es geht, wenn man geht.
10. Geh mit Gott
Es pilgert sich leichter, wenn du im Namen Gottes gehst.
Wenn Gott für dich in weite Ferne gerückt ist, könnten dir die GEHbote 1-9 helfen,
das Göttliche in dir wieder zu entdecken.
(Quelle: Verfasser unbekannt)
- 20 Anschließend präsentieren wir stolz das neue Pilgerliedchen, das wir gestern
Abend auf der Terrasse kräftig geübt haben, um uns dann endlich in Bewegung zu
setzen. Laufen die wunderbare Allee aus alten mächtigen Bäumen am Ufer des Rio
Lima entlang. Toll, irgendwo unsichtbar in den Ästen sind Lautsprecher angebracht, aus denen einfühlsame meditative Musik erklingt. Noch dazu ist es ein
wunderbarer neuer Morgen - einfach schön. Umrahmt wird dies mit malerischen
Eindrücken und tollen Spiegelungen im Fluss, der ruhig vor uns liegt. Ponte de
Lima gehört zu den ältesten Ortschaften Portugals, es hat seinen Namen eben
vom Fluss und der alten römischen Fußgängerbrücke, über die uns der Weg raus
führt. Erste Ansiedlungen gehen auf das Jahr 150 v.Chr. zurück. Man kann oder muss ständig fotografieren,
die gegenüberliegende Schutzengel-Kirche tut ihr übriges dazu. Sie ist sogar mal offen, wir versammeln uns im
Innenraum und singen mal wieder mit vollem Lobpreis 'Großer Gott wir loben dich', auch das ist nur schön. Ich
gebe einen kurzen Hinweis auf den Heiligen Christopherus, der heute seinen Gedenktag hat. Er ist u.a. "zuständig" für Autofahrer, Reisende usw., heißt, seinen Schutz kann man nur allzu oft und allzu gut gebrauchen.
Bald kommen wir in die Natur, die Wege sind sowas von idyllisch heute, da ist die Pilger-Freude und Begeisterung groß. Ringsum gibt es Weinberge, andersartige Weinberge als bei uns, herrliche Lauben, unter denen wir durchlaufen. Als Wegbegrenzung
uralte Mäuerchen, dick mit Moos bewachsen. Eine Besonderheit Portugals in dieser
ländlichen Gegend sind die vielen Hórreos, das sind alte Korn oder Maisspeicher.
Ebenso sehen wir in fast allen Orten große steinerne Waschtröge, wo die Frauen früher Wäsche gewaschen haben. Heute wird das wohl auch hier Vergangenheit sein,
1990 haben wir es ab und zu jedenfalls noch gesehen.
Irgendwann stellen wir fest, wir haben einen neuen Pilgerfreund, es ist ein Hund, der uns ohne groß
auf sich aufmerksam zu machen, ständig begleitet, treu eben wie nur Hunde sein können! Ana Maria
füttert ihn mit Wurstbrötchen und reicht ihm Wasser, und wir fragen uns langsam wem er wohl gehört und möchten, dass er hier in diesem Ort verbleibt?
Der Reiseführer zeigt, bald gibt
es einen heftigen Aufstieg zum
'Alto da Portela Grande', wohl die
härteste Etappe des 'Caminho
Portugues'. Leider gibt es immer
wieder Asphaltstraßen, dann auch
wieder wunderbar samtig-weiche
Waldwege, rechts und links von
hohen Eukalypten gesäumt, die
entsprechenden Duft verströmen.
Zusammen mit den großen Farnen, die ebenfalls hier wachsen, fühle ich mich mal wieder original nach Australien versetzt. Wir machen immer mal einen Stopp, warten auf die Langsameren, um dann gemeinsam weiter zu
gehen. Jetzt wird der Aufstieg heftig - heftigst, wir laufen nicht mehr sondern klettern regelrecht über große
Steinblöcke um an ein bedeutendes altes Pilgerkreuz, das 'Cruz
dos Franceses', zu gelangen. Man kann sagen, dies ist die
portugiesische Version des 'Cruz de Ferro' in Spanien, auch hier
legen Pilger Steine, Bilder oder ihnen sonst bedeutungsvolle
Gegenstände ab.
Wir verweilen am Kreuz, ganz klar, hier muss es wie bei
Gipfelkreuzen üblich, Fotoshooting geben und wir merken, dass wir
gerade mit allen neun Mädels vom letzten Pilgern, die wir durch
unsere neun Treffen seit dem Camino 2012, inzwischen sehr
zusammen gewachsen sind, versammelt sind.
- 21 Oh weh, zwei Fahrradpilger haben auch diesen beschwerlichen Aufstieg gewagt, die
Betonung liegt auf "Aufstieg", an Radfahren ist nicht zu denken. Ihre Fahrräder über
dem Kopf gehievt kommen sie schließlich keuchend an, sehen aber noch ganz munter aus.
Es sind zwei total durchtrainierte Portugiesen, die ganz sicher wissen, auf was sie sich da
einlassen! Auch Sigi kommt hochgekraxelt, darüber freue ich mich, hat sie doch gestern
den ganzen Tag im Bus zubringen müssen.
Langsam, Schritt für Schritt, geht’s weiter, eigentlich sind wir der Meinung, am Kreuz sind wir oben, das haben
Gipfelkreuze doch meist so an sich? Doch weit gefehlt, der Berg steigt weiter an, das Schwitzen geht weiter,
und auch das Kraxeln geht weiter (siehe Fotos Vorseite), eine absolut anstrengende Etappe des portugiesischen Weges. Und nachdem wir irgendwann oben sind, geht es bekanntermaßen auf der anderen Seite bergab.
Regelrecht über Stock und Stein schlängelt sich ein breiter Weg brutal steil nach unten bis unser Bus in Sicht
kommt mit dem Hinweis, in ca. einem Kilometer gibt es eine Bar - welch' Wonne. Bar ist ja ein dehnbarer Begriff, man nennt sie halt so. Diese hier ist ein mit Weinreben bewachsener kleiner Hof inmitten fruchtbarer
Landschaft. Es ist Selbstbedienung, von einem Getränkewagen aus passiert alles, der Wirt hat alle Hände voll
zu tun mit Einschenken, Bocadillos herrichten, größere Bestellungen in die Küche weiterleiten und
selbstverständlich Stempel in Pilgerpässe zu machen. Das Sonderbare hier ist wohl, dass man die hauseigene
Toilette im privaten Badezimmer nutzen darf, indem man einen Schlüssel ausgehändigt bekommt. Geht alles,
bei uns kaum denkbar, nicht von den Leuten und nicht von irgendwelchen Behörden.
Als wir weitergehen schläft "unser Hund", doch siehe da, schon bald ist er hintendran, begleitet
uns weiterhin, scheinbar ist er sozusagen herrenlos. Da er gar so ein treuer Geselle ist, wird es
Zeit, dass wir ihm einen Namen geben, der schnell gefunden ist: 'JAKOB' !! Ich stelle fest, jetzt
haben wir nicht nur einen Pilger-Weinberg, sondern auch noch einen Pilger-Hund!
Dass Hunde treu sind, weiß man eigentlich, und Jakob beweist es heute einmal mehr. Kurz vor unserer Schlussrast hinkt Georg ein bisschen hinterher. Da lässt es sich unser treuer Pilgerfreund
nicht nehmen, auf ihn zu warten und als Letzter neben ihm her trottend in der Bar in Rubiães
einzulaufen, an der auch der Bus zum letzten heutigen Stopp auf uns wartet.
Im Restaurant 'Bom Retiro' ist man voll und ganz auf Pilger eingerichtet, dies
zeigt sich besonders durch die Satellitenschüssel auf dem Dach, die auf dunkelblauem Grund die gelbe Jakobs-Muschel zeigt, wie originell. Da gibt es noch einmal
eine ganz gemütliche Rast mit Kaffee und natürlich mit Claras, die müssen sein.
Dann ist es ganz passiert, als Jakob seinen Kopf auf meine Wanderschuhe legt und friedlich schlummert, schließlich hat er uns auf der
gesamten heutigen Etappe begleitet. Einmal mehr muss ich an unser
16monatiges Hundemädchen 'Siria' daheim denken, die auch so eine
ganz liebe und treue Seele ist. Nicht nur ich, einige von uns haben
'Jakob' mittlerweile ins Herz geschlossen, so dass der Abschied bei
Abfahrt des Busses ein wenig schwer fällt. 'Jakob' jedoch scheint es
gelassen hinzunehmen, kommen doch morgen wieder andere Pilger, die es vielleicht oder hoffentlich auch gut mit ihm meinen. Katrin sagt, und dem kann ich mich anschließen, hier geht es ihm
wohl besser, als wenn er mit nach Deutschland genommen wird, und sich dort allen möglichen Zwängen und
Einschränkungen unterziehen muss. Hier kann er sich Frauchen oder Herrchen aussuchen, Pilgern solange es
ihm gefällt! Der Heilige Jakobus wird ihn dabei begleiten und auf ihn aufpassen, da bin ich mir sicher. Ganz und
gar, nachdem er jetzt sogar seinen Namen trägt ……..
Da es in diesem kleinen Ort keine entsprechende Unterkunft für uns gibt, fahren wir mit dem Bus nach Valenca
ins Hotel 'Val Flores', ein in die Jahre gekommenes nur *-Hotel. Jedoch bei Pilgern ist es gut bekannt und
reicht vor allem auch uns vollkommen aus. Bei weitem nicht alle Pilger haben weiße Bettwäsche und einen Satz
weißer Handtücher, geschweige denn ein eigenes Badezimmer!?!
(Dies heute Morgen fotografiert am Rio da Lima!)
(Etwas Lustiges unterwegs!)
- 22 Viel Zeit bleibt dafür meist eh' nicht. Die
Altstadt von Valenca ist eine Festung
(Fortaleza), ringsum von historischen
Mauern
umschlossen,
bereits
im
13. Jahrhundert errichtet. Diese gilt es
zu besichtigen, so dass wir schon bald
wieder "on tour" sind. Valenca ist ein umtriebiges, geschäftiges Städtchen mit
besonders
bunten
Geschäftsstraßen,
Schaufenster an Schaufenster, viele nette Sachen, die Preise sind sehr annehmbar, einladend zum Shoppen.
Wir beschränken uns aufs Bummeln, denn zum einen braucht man eigentlich nichts, zum anderen müsste im Koffer für den Rückflug noch viel Platz sein? Über die Straßenzüge sind Bänder gespannt, die mit vielen
unterschiedlichen Hüten oder andersartigen Utensilien geschmückt sind, wie man es nur selten sieht.
Sammeln uns an mehreren Tischen, um noch etwas zu trinken und dabei die quirlige Atmosphäre rundum zu
beobachten und zu genießen, bevor es zum Abendessen in den Wintergarten eines Hotels geht. Außer, dass wir
hier ziemlich eng sitzen ist alles bestens, das Essen mal wieder spitzenmäßig, und mit einigen Gläschen Wein
lassen wir erneut einen wie immer ereignisreichen Pilgertag ausklingen.
Freitag, 25. Juli
Von Valenca bzw. Rubiães nach Purrino - Hotel Azul
(Z D F: 34,4 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,61km/pro Stunde und 405 Höhenmetern)
Ja, und heute Morgen geht es mit dem Bus zurück an den Endpunkt von gestern, damit es direkt im Anschluss
weitergehen kann und wir ja kein Stück des Weges auslassen oder aber verpassen. Da stellt sich während der
Busfahrt natürlich bei der/dem einen oder anderen schnell die Frage, ob denn unser 'Jakob' noch da ist? Am
Bus haben wir ihn gestern zurück lassen müssen, unseren treuen Pilger-Freund. Nein, er ist nicht mehr da. Nehmen wir einfach mal an, er hat andere nette Pilger gefunden oder aber er legt heute erst mal einen Ruhetag
ein? Schließlich hat er gestern die gesamte Strecke mit uns zurück gelegt.
Der Weg ist mühsam, Berg rauf, Berg runter, unwegsam, Geröll ohne Ende.
Dafür gibt es schon bald eine besonders nette Aufmerksamkeit unterwegs. Mit einem zweisprachigen Schild
am Gartenzaun werden vorbeikommende Pilger in den Garten gebeten, und mit Getränken, frischem Obst und
sogar Obstsalat verwöhnt. Dazu gibt es den obligatorischen Stempel, alles in allem eine nette Geste! Grund
hierfür ist der heutige Jakobus-Tag. Er sollte vielleicht auch für uns ein besonderer Tag sein, sind wir doch
nicht nur auf "seinem Weg" sondern auch auf seinen Spuren unterwegs. Für Spanier ist dies ein hoher Feiertag
und wie wir auch immer wieder feststellen, sind wohl gerade deswegen viele Pilger, hauptsächlich Jugendliche
und Gruppen, unterwegs.
Irgendwann kommen wir wahrlich "geplagt" im Restaurant 'Lido' an. Zunächst meint man, im Restaurant noch
mehr geplagt zu werden?? Hans-Valentin hat entsprechend Mühe, für unsere große Schar Tische frei zu halten. Das Restaurant ist nicht nur proppenvoll, die Lautstärke ist nicht mehr zu überbieten! Zu allem Übel
bekommen wir ein Mittagsmenü in Form von Pollo, Pork oder Fish förmlich aufgedrängt, mit der Maßgabe, bei
diesem Ansturm von Gästen haben sie es nicht nötig, müde Pilger mit nur einem kleinen Imbiss abzuspeisen.
Gefällt uns nicht gerade, aber was macht man nicht alles. Eigentlich sei das gegenüberliegende Restaurant für
uns vorgesehen, die jedoch haben sich geweigert, unseren großen Bus auf ihrem Parkplatz stehen zu lassen!
Tja, scheinbar können sie sich das alles erlauben, ist aber wohl besonders des heutigen Feiertags unseres Heiligen geschuldet?!
- 23 -
Wir schlagen raus, dass wenigstens wir Mädels jeweils zu
zweit ein Menü essen können, schließlich liegt unser Essensschwerpunkt auf der allabendlich guten Pilger-Kost. Claras
serviert man in großen Krügen, da sie keine passenden Gläser
mehr haben. Nach diesem Mahl werden wir wiederum in den
Bus verfrachtet, um an dem sich ca. 9 km in die Länge ziehenden Industriegebiet vorbeigekarrt zu werden. Gute Idee, das
brauchen wir jetzt nicht auch noch. Steigen direkt an unserem Hotel 'Val Flores' aus, um von hier weiter zu laufen. Der
Jakobsweg führt mitten durch die große Festungsanlage und
die schon beschriebenen sonderlich bunten Altstadtgassen,
wo wir gestern Abend waren. Die Geschäfte sind geöffnet,
entsprechend viel ist los in den schmalen Gassen, man hört,
Spanier kommen zum Einkaufen hierher ins Grenzstädtchen.
Über den Fluss hinweg haben wir einen tollen Blick zur mächtigen Kathedrale von Tui, da wollen bzw. da müssen
wir hin.
Attraktion: Der Fluss 'Minho' ist Grenzfluss zwischen Portugal und Spanien. Entsprechende Hinweisschilder
samt der 'Internationalen Brücke' aus einer gigantischen Eisenkonstruktion werden beguckt und fotografiert.
Ein junger spanischer Architekt hat sich durch den Eiffelturm zu diesem interessanten Bauwerk inspirieren
lassen, bereits 1886 ist die Brücke fertiggestellt. In ihrer Mitte bei einem Schild E / P betreten unsere weit
gelaufenen Pilgerfüße spanischen Boden. Besonderheit: In Spanien herrscht eine andere Uhrzeit, wir müssen
unsere Uhren eine Stunde vorstellen, das ist gerade heute nicht ideal, da es schon recht spät ist, und wir noch
einige Kilometer vor uns haben. Dazu ist es heiß, heiß, heiß, einfach nur heiß, jemand hat etwas von 36° gesagt,
kommt schon fast nicht mehr darauf an, man schwitzt nur einmal, und das den ganzen Tag!
Kirchen und Kathedralen haben es an sich, dass sie meist Hunderte von Jahren alt sind, jedoch sehr beeindruckend aussehen, egal ob außen oder innen. Neben vielen schönen Altären gibt es hier auch einen Jakobusaltar, der Matamoros zeigt, den Heiligen Jakobus als Maurentöter. Mir gefällt mal wieder der Blumenschmuck,
der aber auch zu überreich und phantastisch ist, Grund ist eine große Hochzeit, die am morgigen Samstag gefeiert wird.
- 24 Anschließend besteht die Möglichkeit, die restliche Tagesstrecke von ca. acht Kilometern mit dem Bus zu fahren, das ist gut so, manche brauchen oder aber mögen das.
Jedoch Hartgesottene, zu denen ich zum Glück immer gehöre, oder aber gesundheitlich gehören kann oder darf, was ja nicht selbstverständlich ist, wir laufen, da gibt
es gar nix!
Dabei ist es aber mal wieder wie im richtigen Leben, der Weg/die Wege sind
beschwerlich. Laufen auf einem roten, aber nicht eigens für uns ausgerollten Teppich, sondern auf einem roten Fahrradweg, der boah, kilometerweit an der Hauptstraße entlang führt. Das ist doppelt beschwerlich, diese Hitze, noch dazu die harten
Straßen für Knochen und Muskeln und auch für die Fußsohlen, die dann wahrhaftig
brennen. So einige stöhnen da mehr oder weniger!!! Und irgendwann geht's rechts ab,
endlich weiche Waldwege, Eukalyptuswald, aber immer noch sind es gefühlte zig Kilometer! Trost ist eine supertolle Jakobusstatue, an der wir kurze Rast machen. Aus
einem überdimensionalen Stein ist eine schlichte und gerade dadurch edel wirkende
Jakobus- bzw. Pilgerfigur rausgehauen. Sie muss einem einfach gefallen und somit
gibt's auch hier Fotoshooting. Gegenüber steht ein Pilgerbrunnen, optisch schön, jedoch noch schöner seine Wirkung, spendet er doch immer zu und immer wieder frisches klares Wasser.
Da fällt mir der so wahre passende Spruch dazu ein:
"Der alte Brunnen spendet leise,
sein Wasser täglich gleicherweise.
Wie segensreich ist doch solch Leben:
Nur immer geben, immer geben.
Mein Leben sollt dem Brunnen gleichen,
ich leb, um andern darzureichen.
Doch geben, geben, alle Tage?
"Sag, Brunnen, wird dir's nie zur Plage?"
Da sagt er mir als Jochgeselle:
"Ich bin ja Brunnen nur, nicht Quelle!
Mir fließt es zu, ich geb nur weiter,
drum klingt mein Plätschern froh und heiter.
Nun leb ich nach des Brunnens Weise,
zieh stille meine Segenskreise.
Was mir von Christus fließt ins Leben,
das kann ich mühelos weitergeben!“
Autor: Artur Kleemann
Textrechte: Schäfer-Verlag Plauen i.V.
Ist das nicht schön? Ich denke, auch dies sollte uns zum Nachdenken anregen!
Es muss weitergehen, wir wollen endlich ankommen! Laute Kirmesmusik dringt an uns heran, es ist immer noch
der 25. Juli, immer noch Jakobustag, er wird immer noch gefeiert, der gute Heilige. Viele von uns sitzen im
Bus, müssen zwangsläufig warten, bis auch die Letzten aus der Laufgruppe ankommen, das nennt man Solidarität und Gruppengemeinschaft, ich muss hier mal erwähnen, es klappt wunderbar. Jede(r) mag Jede(n) irgendwie
auf besondere Weise, und das ist gut so.
Alle sind da, der Bus fährt los zu unserem heutigen Tagesziel, das Hotel 'Azul' in Purrino, mitten in der Stadt
gelegen, die Gegend ringsum nicht vielversprechend. Das Hotel von außen sicher auch nicht, und oh Schreck, damit hat jetzt wahrlich keiner gerechnet, "das hättest du vielleicht mal erwähnen sollen, lieber Hans-Valentin",
das *-Hotel 'Azul' hat keinen Aufzug! Au weia, wir wohnen im 3. Stock!! Aber auch das geht irgendwie, entweder man schleppt selbst, oder irgendeiner unsrer Männer hilft und unterstützt, und unser guter Oscar, der
Busfahrer ist ja auch noch da, er schleppt unentwegt. Die Zimmer sind einfach und spartanisch, aber was
braucht man mehr? Die Betten sind in Ordnung, um irgendwann viel später unsre müden Körper für nur ein paar
wenige Stunden darin zu betten, und fließendes Wasser kommt auch aus der Dusche!
- 25 Die Zeit ist eh' schon wieder knapp, es ist kurz vor 19.00 Uhr, um 20.30 Uhr ist Treffpunkt, wir gehen außerhalb essen. Und dieses Lokal nennt sich nicht nur Bar, es sieht aus wie eine Bar, und ich denke beim Reingehen
noch, hier geht nix oder aber nicht viel!?! Doch weit gefehlt. Hans-Valentin bestellt Albarino, wie wir mittlerweile wissen, ein guter Weißwein der Region. In unserer Gruppe hat sich übrigens herausgestellt, dass es nur
zwei Rotweintrinker gibt, das ist ansonsten eher ungewöhnlich.
Ganz einfache Speisekarten liegen auf dem Tisch, ca. sieben bis acht Vorspeisen und ebenso viele Hauptgerichte, und von beiden können wir frei auswählen!?! Einziges Problem, das allen zu verklickern, die Karte ist
ausschließlich spanisch verfasst. Das "kommt uns erst mal recht spanisch vor", aber zum Glück haben wir ja unsere gute Ana Maria, die jetzt nicht nur gefragt sondern dazu verdammt ist, und dazu schließlich und endlich
gute Nerven braucht. Übersetze und erkläre doch mal einer wild durcheinander redenden und aufgedrehten
Pilgermeute ("bande" - wie sich später herausstellt), was das für meist landestypische galizische Gerichte sind,
und wie sie möglicherweise noch schmecken!?! Aber keine Sorge, unsere Ana kann sich schon durchsetzen, muss
dabei etwas resolut und lautstark vorgehen und mit Geduld schafft sie es. Und was soll ich sagen, man soll
wahrlich keine Vorurteile haben, sich nicht vom ersten Eindruck leiten lassen, das Essen, alle Essen, sind einfach super. Egal ob Vorspeise oder Hauptgericht, alles ganz prima. Bald herrscht Ruhe am Tisch, alle sind mit
ihren Tellern bzw. dem was darauf ist, beschäftigt. Beate lernt beim Rauchen die Köchin kennen, der sie ein
dickes Lob ausspricht, der Chef ist überaus nett und spendiert uns ein Kräuter-Schnäpschen. Die Stimmung ist
so super gut, alle sind total begeistert und zufrieden, und das nicht nur des leckeren Essens wegen. Wir feiern
uns selbst, feiern unsere oft anstrengende und doch so schöne und gute Tagesleistung, feiern unseren fünften
gut gelungenen Pilgertag, und vielleicht oder aber warum feiern nicht auch wir heute unseren Heiligen Jakobus?
Wenigstens ein bisschen???
Mehrere schweifen in Grüppchen noch aus, auch Erika und ich nehmen ganz in der Nähe des Hotels einen
Absacker. Dieses Mal zusammen mit Gunther, Harald, Olga und Roswitha, dem überaus lustigen Vierer-Gespann
mit den drei Neuen, die sich auf der Pilgertour erst kennengelernt, aber wie soll es eigentlich anders sein,
super zusammengefunden haben, und viel Spaß und Blödsinn im Kopf haben? Dann wird es längst Zeit für unser
Pilgerbett, die Nacht ist bekanntlich kurz.
Samstag, 26. Juli
Von Purrino nach Rendondela - Übernachtung in Pontevedra, Hotel Rias Bajas
(Z D F: 22,8 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,2 km/pro Stunde und 516 Höhenmetern)
Heute ist Anna-Tag, nach Christophorus und Jakobus gleich drei große
Heilige hintereinander und Grund, unserer Ana zum Namenstag zu
gratulieren.
Für das *-Hotel ist das Frühstück üppig, alles liegt portioniert auf den
Tellern, viel zu reichlich. Unterwegs treffen wir auch heute auf sehr viele
Pilger, weiterhin viele Jugendliche und große Gruppen, all dies und immer
noch auf den gestrigen Jakobustag zurück zu führen. Da Santiago nicht
allzu fern ist, nehmen das Viele zum Anlass, dorthin zu pilgern. Der galizische/spanische Teil des Weges ist 114 km lang.
Auf einem freien Platz sehen wir eine große Musikergruppe mit Dudelsäcken, Schlaginstrumenten usw. Bei dieser wirklich "Affenhitze" üben sie
Marschieren in voller Montur, heißt in schweren Uniformen, leider noch
ohne Musik. Es geht sehr diszipliniert und akkurat zu, sicher haben sie
bald einen großen Auftritt und machen tolle Musik. Nach langem Warten
gelingt es uns dennoch nicht, sie zu hören. Überall in der Region sind
große Feste an diesem Wochenende, wie mehrfach gehört, eben alles zu
Ehren von Jakobus.
Weiter auf dem Weg: Schon wieder geht es bergauf und bergab, schöne
Wege, beschwerliche Wege. Am höchsten Punkt steht eine alte Statue,
die unbedingt aufs Foto muss und ein Stück weiter ein ganz uralter
Grenzstein der Römer. Man höre bzw. lese und staune, er ist schon aus
dem 2. Jahrhundert v.Chr.!
- 26 Vor einer Bäckerei/Konditorei/Patisserie stehen Tische und Stühle, die unbedingt zur Verschnaufpause einladen, zumal das Sortiment spitzenmäßig ist, vorwiegend süß, aber auch herzhaft, wer daran vorbeigeht, hat
wahrlich Pech gehabt.
Von nun an geht’s bergab, und weiterhin bleibt es anstrengend, mit immer wieder zauberhaften Ausblicken.
Schön anzusehen immer wieder die prachtvollen Gärten, deren Blütenpracht die unendliche Fülle des Sommers
zeigen.
Auf dem kleinen Marktplatz in Redondela gibt es "Tages-Etappen-Abschluss-Claras", wie gut. Dazu reicht man
kostenlos kleine Platten mit Aufmerksamkeits-Tapas, eine wahrlich tolle Geste. Wenn man bedenkt, dass eine
'Clara grande' (1/2 Liter) meist 2,00 bis 2,50 € kostet, ist das schon fast Luxus, auf jeden Fall sehr großzügig.
Die Bar ist neu gestaltet mit total schickem Design bis in die Toiletten, man muss es gesehen haben. So sitzen
wir recht lange, froh, die heutige Etappe ob der frühen Uhrzeit schon hinter uns gebracht zu haben. Toll und
erfreulich, Sigi läuft wieder "wie ein Lottchen" (so sagt man in Mainz), ist ganz die Alte, dafür bewegt sich
Harald erst mal nicht mehr. Schlimme Blasen und Blessuren plagen ihn, er drückt aber offensichtlich alle Augen
zu, schlägt sich total tapfer und ist zumeist mit dabei. Seine tägliche Hauptaufgabe besteht darin, alles
ordentlich zu versorgen, zu verpflastern oder zu tapen, was erfahrungsgemäß ganz schön viel Zeit in Anspruch
nimmt.
Die Hotelreservierung in Redondela wurde kurzfristig abgesagt, irgendwie haben sie an diesem Wochenende
wohl nicht auf uns Deutsche gewartet, da wie erwähnt, sehr viele Pilger unterwegs sind. Das hätte auch schiefgehen können, jedoch kurzerhand und clever hat Hans-Valentin unser Hotel von Morgen auch schon für heute
gebucht, so dass wir mal zwei Tage Aufenthalt haben und nicht jeden Tag mit allem Krims-Krams in Form von
vollen Koffern umziehen müssen. Man sieht, Negatives kann immer wieder auch Positives nach sich ziehen. So
fahren wir um 14.30 Uhr in die 25 km entfernte Großstadt Pontevedra mit ca. 300.000 Einwohnern. Im Hotel
'Rias Bajaz' wohnen wir sehr zentral in der ansprechenden Altstadt, wie wir bald erleben werden. Nachteil
hier, die Straßen sind eng, die Anfahrt gestaltet sich zunächst schwierig, jedoch Oscar telefoniert mit der
Polizei und meistert auch das ganz prima.
Unser Zimmer 807 liegt im 8. Stock mit Aussicht in die hügelige Bergwelt, jedoch vornedran
schauen wir auf die Dächer von Hochhäusern aus den 60/70er Jahren, also entsprechend in die
Jahre gekommen. Wir haben große Zimmer mit schickem Bad, wie passend, zumal heute wiedermal gewaschen werden muss. Wer es noch nicht weiß, Pilgerwäsche geht u.a. so: Man legt sich
zur Entspannung gemütlich in das wohlig warme Badewasser und kann dabei gleichzeitig Wäsche
einweichen, bzw. anschließend bequem im Sitzen waschen. Selbstverständlich wird danach geduscht. Weiter sind Erika und ich es gewohnt, unsere Schuhe auf die Fensterbank zu stellen,
nicht jedoch, ohne sie heute des 8. Stockwerks wegen besonders zu sichern. Kurzerhand werden
sie mit den langen Schnürsenkeln an die Fensterrahmen geknotet. Runterfallen wäre doppelt
fatal: Im Sturzflug aus dieser Höhe könnten sie unten jemanden erschlagen, andererseits brauchen wir sie noch ein paar Tage! Unbeschadet sollen sie uns bis Santiago bringen und sind somit
zurzeit fast unser größtes Hab und Gut, meine jedenfalls.
Gegen 18.00 Uhr treibt es uns endlich raus ins Großstadtleben, teilweise haben die
Geschäfte noch geöffnet, somit macht der GEOX-Laden direkt neben unserem Hotel
soeben das Geschäft des Lebens, es gibt eine 50%-Rabatt-Aktion! Das spricht sich in
unserer Gruppe schnell herum, so trudeln nach und nach immer mehr bekannte Gesichter
ein, einige machen Großeinkauf. Ich kaufe mir eine federleichte Daunen-Jacke - nach dem
Motto: Der nächste Winter kommt bestimmt! Mit Freude und Geschick fungiert Roswitha
als gut beratende Fachverkäuferin, hat sie doch in Mainz in einem Sport-Outdoor-Fachgeschäft gearbeitet. Für den Umsatz hätte man ihr glatt ein Paar Schuhe schenken sollen!!
Um 19.30 Uhr finden wir uns in der nahegelegenen Pilgerkirche 'Sanktuarium de Virxe
Peregrina' zum Gottesdienst ein, dies ist nach einer Woche Unterwegssein nötig, schließlich soll auch der spirituelle Teil nicht zu kurz kommen. Die Predigt dauert Ewigkeiten,
doch obwohl alles in spanischer Sprache gehalten und wir somit den Inhalt nicht verstehen, merkt man doch, dass es wohl interessant ist, da der Pfarrer ständig in höheren Tonlagen spricht und dabei lebhaft und ausdrucksstark gestikuliert.
- 27 Doch auch für uns gibt es erfreuliche Eindrücke: Zum einen werden wir begeistert als 'Peregrinos de
Allemanha' begrüßt, zum anderen beten wir das 'Vater Unser' gemeinsam, jeder in eigener Sprache, und lassen
uns dabei nicht durcheinander bringen. Weiter spielt Katrin während der Kommunion auf ihrer Gitarre und
singt das wunderbare Lied 'Meine Zeit liegt in Gottes Händen'. Zum Abschluss gibt es als Zugabe von uns allen
stimmgewaltig 'Laudato si' und wiederum 'Großer Gott wir loben dich', so dass die Einheimischen, die größtenteils alte Spanier/innen sind, aufmerksam auf uns schauen, uns neugierig fragen, ob wir ein Chor sind und uns
schließlich 'buen camino', einen guten Weg, wünschen. Man merkt, sie freuen sich mit uns, sind vielleicht auch
ein wenig stolz, so eine große Pilgergruppe um sich zu haben. Das kommt nicht nur gut an, auch für uns ist es
wohltuend. Wir machen Fotos und endlich gibt es in der Sakristei mal einen Stempel von einer Kirche, damit wir
nicht nur Hotel- und Barstempel in unseren Pilgerpässen vorzuweisen haben.
Gestärkt und frohgelaunt sitzen wir anschließend vor einem Altstadtlokal, bekannt für Caipirinha, was die
meisten - wie man sieht - auch trinken, ehe es zum Abendessen zurück ins Hotel geht. Heute gibt es als Vorspeise eine leckere Fisch-Meeresfrüchte-Suppe, zarte Pfeffer-Schweinefilets, Gemüse aus Artischocken,
Champignons und Paprika, die immer wieder leckeren Kartöffelchen und als Nachtisch Kaffe und Flan. Auch
wenn die Altstadt noch so lockt, bringt uns heute Abend keiner mehr vor die Türe, Erika und ich entscheiden
uns nur noch für unser Bett.
Sonntag, 27. Juli
Von Rendondela nach Pontevedra - Hotel Rias Bajas (zwei Übernachtungen)
(Z D F: ?
Hier fehlen leider die Angaben)
9.00 Uhr ist eigentlich zu spät, zumal wir noch einmal mit dem Bus an unseren Endpunkt von gestern verbracht
werden, um eben bis genau hierher zu pilgern. Es soll ja nichts oder nicht viel des Weges ausgelassen werden.
Bevor wir schließlich loslaufen gestaltet Beate heute den Impuls mit dem Thema: "Vielleicht". Wir merken:
Viele "Vielleichts" gibt es in unserem Leben, man legt sich nicht fest, ein "Vielleicht" kann so oder auch so
ausfallen.
Dabei zitiert sie Bert Brecht mit dem Ausspruch:
"Ich habe Angst vor felsenfest überzeugten Menschen, dass sie mich erschlagen könnten".
Zum Nachdenken gibt sie uns dieses kleine Wörtchen "vielleicht" mit auf den Weg und es wird tagsüber oft
angesprochen und viel diskutiert.
Der Weg ist wiederholt steil und besagt: "Vielleicht" sollte man sich stets nur auf sich selbst verlassen, vor
allem aber auf Markierungen und gelbe Pfeile achten, sind wir doch tatsächlich zweimal Anderen hinterher
gelaufen und es war falsch. Ein fremder Pilger hat uns förmlich zurück gepfiffen, wie gut. An anderer Stelle
haben wir einen Pilger zurück beordert, man meint es stets nur gut miteinander unterwegs auf Wegen!
Übrigens muss ich hier mal zu den Beschilderungen, zum immer wieder wunderbaren gelben Pfeil **), dem
flecha amarilla
, etwas anmerken. Der 'Caminho Portugues' ++) steht inzwischen dem spanischen Weg, man
kann sagen, in fast nichts mehr hinterher. Die Beschilderung ist so toll, immer und überall sehen und finden wir
den treuen Wegbegleiter, besonders an Abzweigen, Weggabelungen, Überquerungen usw. Wie sage ich, da wird
viel gelbe Farbe verwandt, denn es gibt nicht nur Pfeile, sondern die Richtung, in die man eben nicht gehen soll,
ist oft mit einem großen gelben X gekennzeichnet, das lob' ich mir, da sind die Portugiesen den Spaniern sogar
voraus!
- 28 **) Es war übrigens Elías Valiña Sampedro, ein Pfarrer aus Galizien, der Mitte der 1980er Jahre begann, den spanischen Teil des Jakobsweges auf weiten Strecken mit gelben Pfeilen neu zu kennzeichnen.
Damit hat er sehr wesentlich zur Wiederbelebung beigetragen. Schon seit dieser Zeit ist also der
treuer Begleiter der ständig zunehmenden Pilgerschar.
++) Wir sind zwar inzwischen längst in Spanien unterwegs, der Weg heißt allerdings weiterhin 'Caminho Portugues',
eben weil er vom Süden Portugals nach Spanien führt.
Apropos gelbe Pfeile: Unterwegs sehen wir auch blaue Pfeile, die in die andere Richtung, also nach Süden zeigen. Dies ist eine offizielle Beschilderung von Santiago zum ebenfalls sehr bekannten Wallfahrtsort Fatima,
etwas nördlich von Lissabon gelegen.
Dann kommen wir ans Meer bzw. einem
Rias. Rias nennt man einen Meeresarm,
der bis ins Landesinnere reicht.
Schmuckstück des Ortes Arcade ist
zweifellos die uralte Römerbrücke und
direkt dahinter das nach ihr benannte
kleine Lokal 'Romana' mit der Attraktion
für Galizien: Frischer Pulpo, bekannt
auch als Krake oder großer Tintenfisch.
Allein die Zubereitung ist für uns eine
absolute Attraktion:
Das Prachtstück von Pulpo, auf dem Foto unschwer zu erkennen, wird in einem
großen Topf frisch gekocht. Bei Bestellung schneidet der Chef mit einer
Schere die dicken Fangarme in mundgerechte Stücke, bestreut sie mit grobem
Meersalz und viel Paprika, gießt reichlich Olivenöl darüber, fertig ist die
Gaumenfreude, für die die es mögen wohlgemerkt. Es gibt drei verschiedene
Holztellergrößen, entsprechend ist der Preis. Im Moment werden gleichzeitig
so viele Portionen bestellt, dass er mit der Zubereitung fast nicht nachkommt,
er lässt sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Weiter hinten ist eine große
Wiese direkt am Fluss, dort gibt es ebenfalls Bewirtung, wo sich andere aus
unserer Gruppe niederlassen. Auch dort ist entsprechend Betrieb, da heute
Sonntag ist und die Spanier sich zu Picknick und Baden am Fluss einfinden.
Nach verdienter Rast geht es weiter, wieder steil, steil. Soll mal einer
sagen, der portugiesische Weg wäre flach und geht evtl. sogar am Meer
entlang? Nein, mitten durchs Land, Gebirge rundum, und irgendwie geht’s
da wohl ständig mittendurch. Ja und die Sonne? Sie ist heiß, und brennt
vom nachmittäglichen Sonntags-Sommer-Himmel herab. Was soll sie denn
eigentlich auch anderes machen, schließlich ist heute der 27. Juli,
Hochsommer, noch dazu in Spanien. So laufen wir drauflos und schwitzen
drauflos, schließlich haben wir es so gewollt! Dafür sind die Wege aber
wieder so schön und urtümlich, manchmal wirken sie fast mystisch verzaubert, moosbewachsen, idyllisch, samtweich und zart, einfach phantastisch.
Durch Kiefernwald und immer wieder Eukalypten, die ihre guten Düfte um
die Wette verströmen, laufen wir weiter und weiter. Langsam haben wir es eilig "heim" zu kommen. Heim heißt
in unser Hotel, das wir ja heute schon kennen. Aufs Bett, in die Dusche, runter mit dem ganzen Papp! Wir sind
zu fünft und laufen fast wie um unser Leben, danach liege ich auf dem Bett und bin "halber hie". Und wenn ich,
"wallfahrts-erprobt" wie ich nach nunmehr langen 24 Jahren bin, das schon mal sage, dann heißt das was, und
ich kann mir im entferntesten vorstellen, wie es so manchem anderen Pilger wohl ergehen mag?
Bin überaus zufrieden, dass meine Füße vollkommen in Ordnung sind, so keinerlei Blasen oder Blessuren, eine
Wohltat. Komischerweise tut mir seit gestern jedoch der linke Oberarm weh, es gibt ja bekanntlich nichts, was
es nicht gibt? Erika, nun schon zum dritten Male auf Jakobswegen meine liebe Zimmergefährtin, und ich, wir
beide päppeln uns irgendwie immer wieder auf, und nach Baden, Duschen, Wäschewaschen sind wir gegen 18.30
Uhr "uff' de Gass"! Treffen auf einige andere und trinken zusammen etwas, ich einen Sangria, der sehr erfrischend schmeckt.
- 29 Anschließend bummeln wir gemütlich durch die anmutende Stadt Pontevedra, es ist schade, dass heute Sonntag
ist, es gibt viele Geschäfte mit teils ausgefallenen Sachen. Flair und Atmosphäre sind gut, es erinnert uns bzw.
ist so ein bisschen Vorgeschmack schon auf Santiago. Bei dieser Gelegenheit: Kaum zu glauben, noch drei
Tagesetappen und "es" soll soweit sein?
Wir hören recht blechernes Glockengeläut, das sogar von der Basilika 'Santa Maria la Mayor' kommt und finden uns dort ein, eine tolle, eine superschöne Kirche. Haupt- und Seitenaltäre sowie Deckengewölbe sind
äußerst beeindruckend. Und was gleichermaßen beeindruckend ist, soeben um 20.30 Uhr ist Sonntag-AbendGottesdienst angesagt und die Leute kommen nur so herbeigeströmt.
Um rechtzeitig zum Abendessen im 'Rias Bajas' einzutreffen, beenden Erika und ich einen interessanten und
abwechslungsreichen Stadtrundgang.
Hans-Valentin bezeichnet unsere etwas geradlinig und eher starr dreinschauenden Kellner als "Geisterbahnbesetzung", jedoch das Essen ist immer wieder nur gut, man kann es nicht anders sagen. Besonderheit:
Heute gibt es als Vorspeise, wie passend und originell: Jakobsmuscheln (siehe Foto S.27). Als Hauptgericht
Fisch, Gemüse und wiederum Kartoffelscheiben, knusprig und lecker.
Wir beschließen, nach dem Essen als Absacker noch einen 'Caipi' zu trinken und sind schließlich mit sieben
Dienstagsfrauen (immer wieder diese wahrlich hartgesottenen Dienstagsfrauen in größerer Anzahl) und vier
Männern unterwegs. Dabei singen wir Strophen der uns bekannten Lieder und lassen froh und munter die endlosen und unzähligen Eindrücke und Erlebnisse der letzten Tage aufleben. Kühl ist es am heutigen Sonntagabend.
Endlich im Bett, dringen durch unser weit geöffnetes Hotelfenster plötzlich tolle spanische Klänge von
Livemusik bis in den 8. Stock zu uns herauf. Komisch, die haben wir unten gar nicht gehört, da könnte man doch
glatt nochmal losziehen!? Das aber verbietet sich von selbst, zum einen sind es unsere müden Knochen, zum
anderen haben wir beide wie so oft noch genügend Gesprächsstoff.
Montag, 28. Juli
Von Pontevedra nach Caldas de Reis - Hotel Lotus
(Z D F: 23 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,05 km/pro Stunde und 438 Höhenmetern)
Der heutige Impuls handelt von
Stille:. Stille ist Ruhe, Stille ist
Zeit. Von beiden haben wir absolut
zu wenig. Und wenn wir wirklich mal
Zeit haben, dann müssen wir sie
schnell ausfüllen. Besonders schlimm
ist dies durch Handys und Medien
aller Art.
Hans-Valentin schlägt vor, dass wir
die nächsten 10 km in Stille laufen,
um einmal nur über das Gesagte und
unser Verhalten dazu nachzudenken.
Na na, denke ich mir, das wird aber jetzt ein bisschen zu viel oder zu lange sein. Ganz sicher ist, dass das
keine/r durchhält, denn das wäre sogar bis nach unserem Stopp in der nächsten Bar!?
Aber es klappt erstaunlich lange, man sieht, jeder bemüht sich, wahrscheinlich tut es jedem einmal gut. Gerade
durch die Stadt ist es wohltuend, wenn mal nicht so ein schnatternder Haufen daher kommt. Durch diese Stille
zieht sich die Gruppe weit auseinander, viele laufen alleine.
Dabei wird ein hohes Tempo vorgelegt, wir kommen zu einem 5er Schnitt, heißt wir laufen ca. 5 km pro Stunde,
das ist viel! Muss aber auch erwähnen, dass heute idealstes Wander-, sprich Pilgerwetter herrscht, es ist mal
ein bisschen kühler und es weht ein angenehmes frisches Lüftchen dazu.
- 30 In meinem großen Texte-Sammelsurium, das ich aus Anlass meiner vielen Wallfahrten inzwischen angesammelt
habe, gibt es nachfolgendes Gebet aus Südafrika, passend zur Stille, das ich euch gerne mit auf den Weg
geben möchte:
"Lass mich langsamer gehen, Gott,
entlaste das eilige Schlagen meines Herzens
durch das Stillewerden meiner Seele.
Lass meine hastigen Schritte stetiger werden,
mit dem Blick auf die Weite der Zeit , der Ewigkeit.
Gib mir inmitten der Verwirrung des Tages
die Ruhe der ewigen Berge.
Löse die Anspannung meiner Nerven und Muskeln
durch die sanfte Musik der singenden Wasser,
die in meiner Erinnerung lebendig sind.
Lass mich die Zauberkraft des Schlafes erkennen,
die mich erneuert.
Lehre mich die Kunst des freien Augenblicks.
Lass mich langsamer gehen, um eine Blume zu sehen,
ein paar Worte mit einem Mitpilger zu wechseln,
einen Hund zu streicheln,
ein paar Zeilen in einem Buch zu lesen.
Lass mich langsamer gehen, Gott,
und gib' mir den Wunsch,
meine Wurzeln tief in den ewigen Grund zu senken,
damit ich emporwachsen kann
zu meiner wahren Bestimmung."
(Verfasser unbekannt)
Die Wege sind unterschiedlich, jedoch viel zu viele Asphaltstraßen. Da denke ich mir, es ist wie im richtigen
Leben, auch da sind die Wege verschieden, auch da gibt es viele harte Straßen. Kann man doch die anstrengenden, nicht schönen Asphaltstraßen mit dem Alltag vergleichen? Doch dann kommen wir wieder auf zauberhafte,
enge, verschlungene Wege, Bachläufe, total vermoost, immer wieder Abertausende dieser meiner kleinen gelben Blümchen am Wegesrand.
Nach zwei Stunden treffen wir in dem Örtchen Barro in einer romantisch-idyllischen Bar
ein, sitzen schattig unter Weinlauben. Man merkt, sie geben sich viel Mühe für die Pilger,
es gibt selbstgepressten Orangensaft, Bocadillos sind sogar mit Pulpo belegt. Auch innen
ist alles schön gestaltet, die Toiletten neu, modern und ansprechend gemacht.
Laufe mit Sigi los. Nachdem wir am Bus noch unsere Wasserflaschen auffüllen, sind wir die
Allerletzten, wissen es aber nicht. Am Anfang fotografieren wir, trödeln ein bisschen, finden einmal nicht den gelben Pfeil, und sind offenbar weit hinten dran. Neben guter
Unterhaltung singen wir sogar und es macht uns beiden Spaß.
Wo steht der Bus, der müsste doch bald mal kommen, die Wasservorräte sind schon wieder aufgebraucht? Da sehen wir gerade noch das Heck des Busses und auf einem schmalen
Pfad, der gerade abzweigt, sitzen vier unserer Mädels auf einem Mäuerchen.
Ganz erstaunt fragen sie, wo wir denn nun herkommen, das war der letzte Stopp des Busses. Na dann muss es eben auch so gehen.
Nicht verzagen, bald darauf kommt eine willkommene Rast im wunderbaren Garten einer Albergue. Na hier kann
man es aushalten, ideal auch zum Übernachten. Im Garten
stehen viele Stühle um runde Tische, die selbstgemacht
aus Kabeltrommeln in bunten Farben angestrichen sind. Wir
sitzen in guter Gemeinschaft, essen Tortilla, und da Claras
hier in nur 0,2 Liter Gläsern ausgeschenkt werden, werden es ein paar mehr in dieser Runde.
- 31 Schön, dass man immer wieder auf dieselben Pilger trifft, auch die Polen kommen an, und Diejenigen, wo der
junge Mann schon vor Tagen so ganz schlecht gelaufen ist. Hartnäckig und ehrgeizig geht es immer weiter und
auch wir raffen uns auf zum Endspurt zum heutigen Ziel Caldas de Reis. Zum Glück haben wir Katrin dabei, die
mit ihrem Smartphone vieles managt und uns so mit Navi mitten durch die Stadt in unser Hotel 'Lotus' lotst.
Als ich den Balkon betrete, um wie gewohnt die Schuhe rauszustellen, entfährt mir der Satz: "Oh Erika, wie
lange bleiben wir hier?" Mein Blick geht direkt auf ein Flüsschen, das sich durch die Altstadt schlängelt
geradewegs zur alten Römerbrücke. Umgeben von Bäumen und Büschen, viel grün, wohltuend für die Augen,
nach hinten raus totale Ruhe und Stille, wohltuend für die Ohren. Aber es soll noch schöner kommen: Nach
Duschen und Pflegen begeben wir uns ins gegenüberliegende dazugehörige Café, nichtsahnend, dass dahinter
ein Traumgarten verborgen liegt, noch dazu mit Swimmingpool. Naja, nachdem wir fein geduscht und gecremt
sind, gehen wir jetzt nicht mehr in den Pool, aber Bänke und Liegen laden zum Ausruhen und gemeinsamen
Verweilen ein, dazu gibt es viel Sommersonne, mittlerweile haben einige von uns dieses Paradies entdeckt. Der
Garten ist wirklich zauberhaft, eine Oase der Ruhe, herrlich angelegt und gepflegt, ein kleiner Bachlauf mit
Brücke, Palmen, Gräser, bunte Blumen, dies alles auf einem großen weitläufigen Grundstück.
Da fällt mir ein etwas ausgefallenes Gedicht ein, das ich vor vielen Jahren, nämlich 1996, in einem romantischen
Sauna-Garten gelesen habe:
"Zaubergarten
für glückliche Seelen,
grüne Oase im Märchenkleid,
mit stillen Träumen aus versunkener Zeit.
Zaubergarten, den die Ängste verfehlen.
Schattenbunte Erinnerung schwebt überm Teich,
Lichtreflexe streicheln Pflanzenfiligran
und tanzen noch gegen die Dämmerung an,
während Nebelschwaden frühmorgens über
die Baumwipfel schleichen.
Regentropfen flüstern Wolkengeschichten,
der Bambus neigt sich im Wassermenuett
und die Steine murmeln in ihrem feuchten Bett.
Beständigkeit liegt im Rauschen der Fichten.
Von der Farbenvielfalt schweigt das Begehren,
die Zufriedenheit schreitet die Wege entlang
und lauscht dem leisen Blütengesang,
einem fernen Klang aus unendlichen Sphären.
Zaubergarten der versunkenen Gefühle,
eine Spur seines Glanzes wird bleiben,
und am Buch unseres Lebens mitschreiben,
so als gäb's keine Herzenskühle."
(Verfasserin: Regina Speder)
Später eisen wir uns dennoch zu einem Rundgang im Städtchen los. Vor der Kathedrale,
die auch innen sehr ansprechend ist, stehen gigantisch hohe Palmen, ein faszinierender,
ein fesselnder Anblick. Für mich hat das irgendwie den Anschein, als ob Bauwerk und
Natur miteinander konkurrieren - wer gewinnt? Gegenüber gibt es einen wunderschönen
alten Park. Das Alter sieht man ihm wegen der Vielzahl riesiger Bäume, ja Mammutbäumen an, die vor sehr langer Zeit gepflanzt sein müssen. Bäume aus vielen Regionen
der Welt, darunter die zauberhaft blühende 'Magnolia grandiflora'. Wie ihr Name
schon sagt, auch sie ist überdimensional groß, breit und ausladend. Ob das in vergangenen Zeiten für Pilger gemacht wurde? Zumindest sehen wir einen aus Stein gehauenen
Jakobus, der inmitten eines kleinen Teiches seinen Platz gefunden hat.
- 32 Nachdem die Zeit aber nicht läuft, sondern wie immer nur rennt, wird es Zeit zum Abendessen, das wir mit
Blick in den Garten einnehmen. Bevor es losgeht, singen wir vor dem Essen heute mal Beates Liedchen und halten uns dabei an den Händen, auch dies ein Zeichen von Gemeinschaft und Verbundenheit, nicht oft sitzt man
tagtäglich mit 23 Leuten um eine große Tafel. Der Lied-Gebets-Spruch lautet:
„Miteinander Essen, das kann schön sein,
froh zu Tische sitzen, lieben wir.
Gaben lasst uns teilen, und auch noch verweilen,
schön, dass wir zusammen sind, schön, dass wir zusammen sind!"
Als Vorspeise wird aus Suppenschüsseln eine ganz leckere Kohlsuppe gereicht, ein traditionelles Gericht der
Region. Den Kohl haben wir schon in vielen Gärten oder sogar auf Feldern gesehen, man nennt ihn "ewigen Kohl",
da die Blätter von unten nach oben geerntet werden, er somit immer wieder nachwächst, immer höher wird,
manche Pflanzen sind lebensgroß, man sagt alle Portugiesen und Spanier müssen diesen Kohl im Garten haben.
Danach gibt es so zartes Rindfleisch, von dem ich behaupten möchte, das war schon lange im Ofen, als wir noch
auf unserem Pilgerweg unterwegs waren! Dazu gibt es Pommes, na mit den Kartoffeln haben sie es aber hier,
man kann davon ausgehen, es gibt sie täglich. Attraktion heute: Es gibt Pimientos, das sind kleine grüne gegrillte Paprika, mit Meersalz bestreut, die viele von uns besonders gerne mögen. Es gibt nicht nur Nachschlag
von allem, auf unseren Wunsch bringt der Kellner eine große Platte Pimientos als Zugabe.
Die geplante und von vielen gewünschte Singstunde am heutigen Abend passt auf der Terrasse in diesem
phantastischen Garten geradezu ideal. Katrin hat ein galizisches Lied für uns eingeübt, das sie als Überraschung in galizischer Sprache singt. Es heißt 'Maria Solinha' und geht direkt ins Ohr. Danke, liebe Katrin,
dass du dich immer wieder um uns bemühst. Ansonsten singen wir wie zumeist Wunschlieder, größtenteils
flotte und fetzige Wanderlieder, die an Kindertage und Jugendzeit erinnern, für mich immer wieder begeisternd. Manche Sätze passen inhaltlich auf uns Pilger, so z.B. " ……weiter uns wirbelnd auf staubiger Straß'
immer nur hurtig und munter". Ja, staubige Straßen haben wir schließlich mehr als genug, und hurtig und munter sind wir wahrlich auch, man kann es nicht anders sagen.
Nach vielen Jahren ist für mich dieses alte Lied mit nachfolgendem Text wieder einmal aufgetaucht, auch er
passt zurzeit gut auf uns:
"Wer nur den lieben langen Tag
ohne Plag, ohne Arbeit
vertändelt, wer das mag,
der gehört nicht zu uns!
Wir steh'n des morgens zeitig auf, **)
hurtig, mit der Sonne Lauf
sind wir, wenn der Abend naht,
nach getaner Tat
eine muntere, fürwahr
eine fröhliche Schar!"
**) Dieser Text, insbesondere der Satz "wir steh'n des morgens zeitig auf ……." habe ich nach der Pilgertour tagelang in aller Frühe im Bad gesungen, stehe ich doch an den drei Tagen, an denen ich arbeite wahrlich sehr zeitig auf!
So geht ein wiederum wirklich wunderbarer, für manche mehr, für andere weniger, aber sicher für alle ein
ausgefüllter, ja ein erfüllter Tag zu Ende.
- 33 -
Dienstag, 29. Juli
Von Caldas de Reis nach Padron - Hotel Scala
(Z D F: 18,3 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,08 km/pro Stunde und 365 Höhenmetern)
Es ist kühl heute Morgen. Nach dem Frühstück muss ich unbedingt noch einen Abschiedsrundgang durch den hinreichend beschriebenen Garten machen. Für den Impuls begeben wir uns an
die alte Römerbrücke, über die uns der Weg zur Stadt hinaus
führt. Der heutige Impuls handelt von Jakobus, da wir ihm immer näher kommen. Es gibt eine frühe Rast in einer Bar, in der
in einem kleinen Nebenzimmer an drei Seiten große Leinwände
gespannt sind, die über und über mit Namen, Unterschriften,
guten Gedanken, Muschelzeichnungen usw. bemalt und beschrieben sind. Dies ist selbstverständlich ein Fotoobjekt, meinen
Namen und Datum schreibe ich gerne dazu.
Weiter geht es an einer uralten Kirche vorbei, naturmäßig gibt es die Besonderheit eines Baumes, bei dem auf
der einen Seite des Stammes einer alten Eiche eine Fichte herauswächst? Wie geht das? Die Eiche hat eine
Aushöhlung, in die irgendwann mal Fichtensamen gefallen und weiter gewachsen ist, auch die Beiden scheinen
sich zu vertragen.
Die Wege sind so schön, und was das wichtigste ist, auf wunderbarem zarten weichen Waldboden geht es
dahin, da läuft es sich fast von alleine. Die Vegetation ist ebenfalls prima, wie schon gewohnt viele Eukalypten
und Mimosen, die sich wie ein Blätterdach in Form eines Dreiecks über unseren Weg spannen und viel Schatten
bieten. Die Wege sind schmal und kurvig, es gibt wieder die alten mit Moos bewachsenen Mäuerchen und Brunnen.
In einem Ort angekommen, sitzen die Vorauslaufenden schon an Sitzgruppen, die zu einem Supermarkt gehören, der kleine Pilger-Verpflegungen anbietet. Hans-Valentin sagt, laut Reiseführer gibt es in ca. einem Kilometer eine schönere und bessere Rastmöglichkeit. Ein Teil lässt sich nieder, ein Teil läuft weiter, aber oh weh, ein
Kilometer? Wie lang soll oder wird der wieder sein? Wohl etwas viel viel länger - irgendwann kommt endlich die
ersehnte Rast, es ist ein kleiner Hof, alles ist total zusammengestoppelt, man meint, man wäre mitten auf dem
Trödler- oder Krempelmarkt, also etwas gewöhnungsbedürftig. Es ist schon abstrus und wir bezeichnen dies
hier als "sehr originelles" Pilgerlokal. Manuel Vazques, der Wirt, erscheint ebenfalls als ein etwas uriger Typ.
Weiter schmeißt er diesen Laden allein und bringt so nach und nach Essen herbei. Wir sind zu sechst und haben
vier verschiedene Gerichte bestellt, die allesamt lecker schmecken, man soll oder darf halt wirklich nicht überall hingucken!! Dazu trinken wir Claras, die in großen Krügen auf den Tisch kommen. Dies alles wird von gewaltigen Klängen der Verdi-Oper Nabucco umrahmt, seltsam, seltsam - und doch einfach nur schön - man kann es
sehen und fast schmecken?!
Bei dem vielen Krimskrams entdecke ich ein Schild mit der Aufschrift:
"All our visitors bring Happiness.
Some by coming, others by going!"
An dem Spruch ist etwas Wahres dran!
- 34 Gemütlich und lange sitzen wir, ehe es für eine kurze Wegstrecke in den Bus geht, unser heutiges Hotel 'Scala'
liegt etwas außerhalb von Padron. Wir sind früh da, ca. 16.00 Uhr, das ist schön. Wäschewaschen ist nicht mehr
nötig, und auf dem Hotelprospekt sehe ich einen Pool. Nach dem Duschen zieht es uns dorthin, wir liegen in
Bikini und Badeanzug in der warmen spanischen Abendsonne, dazu weht ein laues Lüftchen, wie herrlich und
entspannend.
Um 20.30 Uhr gibt es im Speisesaal des sehr gut besuchten Hotels Abendessen. Es muss Zufall und kann nicht
abgesprochen sein, aber es wird exakt das gleiche Essen serviert wie gestern Abend? Original die gleiche
galizische Kohlsuppe, als Hauptgericht Rindfleisch mit Kartoffeln und Gemüse. Na sowas? Es ist zwar
geschmacklich gut, da aber im Prospekt zu lesen ist, dass das Hotel auf Fisch und Meeresfrüchte spezialisiert
ist, haben wir uns entsprechend darauf eingerichtet bzw. gefreut.
Freuen wir uns übers Singen, wir können wieder draußen sitzen und heute kommen mal ganz andere Lieder dran.
Außerdem singt Katrin erneut das galizische Lied 'Maria Solinha', so dass sogar Spanier stehen bleiben und
aufmerksam zuhören. Sie gucken überhaupt begeistert, wenn sie uns in so großer Runde lautstark und vor allem
so fröhlich singen hören. Um 23.00 Uhr geht's aufs Zimmer, die Beine sind unendlich müde und insgesamt kann
man eine große Portion Schlaf gebrauchen. In Gedanken könnte man sich eigentlich auch schon ein bisschen auf
unser morgiges Ankommen in Santiago einstimmen, aber auf dem Jakobsweg lebt man wirklich nur im Jetzt, im
Hier und Heute, und gerade das ist es, was ich so sehr genieße, was trotz der enormen Anstrengungen so
entspannend und erholsam ist.
"Das GESTERN schwindet,
wer kennt das MORGEN?
Das JETZT zu nutzen,
dafür müssen wir sorgen!
Darum denke immer daran,
dass es nur eine ganz wichtige
Z E I T gibt,
nämlich JETZT und HEUTE!"
Mittwoch, 30. Juli
Von Padron nach Santiago - Hotel Universal (drei Übernachtungen)
(Z D F: 29 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,1 km/pro Stunde und 426 Höhenmetern)
Ein aufregender Tag, schließlich ist es schon der 10., noch dazu unser letzter Pilgertag, was so viel heißt: Wir
kommen noch heute ans Ziel!
Zunächst fahren wir mit dem Bus zum Franziskaner-Kloster Herbón, enge Sträßchen verlangen unsrem Oscar
enorme Fahrkünste ab. Leider ist es jedoch geschlossen, nebenan gibt es eine Pilgerherberge, die von freiwilligen galizischen Hospitaleros betrieben wird, und ganz bestimmt viel Ruhe und Erholung verspricht, aber alles
wirkt heute Morgen komischerweise wie ausgestorben, was so viel heißt wie der Weg war umsonst - das hätten
wir uns sparen können! Gelegenheit für Beate, uns hier in dieser Oase der Ruhe einen Impuls mit auf den Weg
zu geben.
Dann geht es zurück nach Padron, dem bedeutenden Städtchen, von dem die Legende erzählt, dass der Leichnam des Heiligen Jakobus hier mit einem Schiff angelandet sein soll. Wir haben eine halbe Stunde Zeit, um uns
in der Altstadt umzusehen, auf einer Anhöhe steht mächtig und erhaben eine große Kirche. Klar führt uns der
Weg auf den Berg, wir möchten diese Kirche gerne von innen sehen, aber auch sie ist mal wieder verschlossen.
"Open only afternoon", man muss oder kann es einfach nicht verstehen, im kleinen Büro bekommen wir
wenigstens einen Stempel.
Letztlich bringt uns der Bus an einen Abzweig 500 m nach unserem Hotel 'Scala', wo wir endlich nach links in
den Jakobsweg einbiegen, die Uhrzeit ist mittlerweile ganz schön voran geschritten.
- 35 Es geht durch viele altertümliche kleine Orte, manchmal meint man, die Zeit ist hier stehen geblieben. Von unserer allseits gewohnten Hektik und von Stress keine Spur, diese
beiden Ausdrücke müssen hier Fremdworte sein! Die Leute leben sehr einfach, es gibt
wieder herrliche Bauerngärten mit vielen bunten Blumen, vor allem Dahlien in allen Farben und Formen - nur schön. Und noch mehr Gemüse und Obst gibt es, hier wachsen
Lebensmittel zu Hauf in Gärten und nicht wie schon gesagt bei Rewe oder Aldi in den
Regalen??!! Frauen laufen einfach gekleidet mit Schubkarren durch die Gegend, um ein
wenig Grünfutter für ihr Kleingetier nach Hause zu holen. Bei uns ist dies alles nicht
mehr denkbar. Wir möchten zwar nicht mit denen tauschen, sie aber ganz sicher auch
nicht mit uns?! Sie leben einfach, wohl aber zufrieden?
Kirchen und Kapellen am Wegesrand müssen allesamt viele hunderte Jahre alt
sein, der Stein ist verwittert und stark vermoost, aber keineswegs unansehnlich.
Auch dies strahlt irgendwie Ruhe und Atmosphäre, sozusagen Beständigkeit aus!
Im nächsten Ort machen wir eine kurze Wartepause, um mal wieder auf
Nachkommende zu warten, da zieht es uns in einen 'Tante-Emma-Laden', so
alt, wie es bei uns seit den 60er Jahren keinen mehr gibt. Man findet jedoch ein
großes Sortiment an Waren und für uns Pilger gibt's selbstverständlich den
begehrten Stempel. Da kaufen wir wenigstens Kleinigkeiten wie Nüsschen und
dergleichen, Salziges tut beim Laufen gut.
Die Wege sind größtenteils pilgermäßig, wunderschön. Die Gruppe zieht sich weit auseinander, es ist sehr
anstrengend heute, auch für mich. Gegen Mittag sehen wir am Wegesrand den 10,0 km-Stein. Jetzt wird es
ernst, mit jedem Schritt kommen wir dem begehrten Ziel näher. Danach kommt alle paar hundert Meter solch
ein Km-Stein, es nimmt ab, und dennoch zieht es sich. Hans-Valentin ruft an, dass sich in ca. drei km eine gute
Rastmöglichkeit befindet. Jedoch auch das sind wahrscheinlich wieder "spanische drei Kilometer"??
Es dauert und dauert und wir laufen und laufen. Es fällt wirklich schwer, da es wieder sehr
heiß ist heute, kein Wölkchen trübt den Himmel, kein Lüftchen, kein Windhauch. Endlich,
endlich kommt die versprochene Bar, und sie ist supergut - welch' Lichtblick! Die inzwischen
zum Standardgetränk gewordene 'Clara grande' tut so unendlich gut, und die Bocadillos hier,
sie sind einfach unschlagbar, doppelt und dreifach belegt, mit allem, was man sich nur
vorstellen oder wünschen kann, von Schinken, Käse, über panierte Schnitzel, Spiegelei,
Tomaten, Salat, Zwiebeln und und und. So nach und nach werden alle zufrieden gestellt.
Naja, zufrieden sind wir eh', ist doch nicht nur unser großartiges Ziel,
die Stadt Santiago, sondern auch der Santiago, unser WallfahrtsApostel Jakobus, in Reichweite.
Die Sonne brezelt weiterhin vom hohen Himmel, Schritt für Schritt
schaffen wir uns voran. Es ist ausgemacht, dass wir uns alle - aber
auch wirklich alle - ca. 2 km vor der Kathedrale in einer Bar treffen,
um von hier gemeinsam einzulaufen, das funktioniert auch. Doch vorher
gibt es weitere Claras, oh, die tun gut, man hört sie förmlich zischen.
Bin heute irgendwie total down, da fällt mir
ein, in meinem Rucksack habe ich Traubenzucker. Dieser soll mir, zusammen mit
der Clara, meine offenbar abhanden gekommenen Lebensgeister zurück bringen,
es gelingt.
- 36 Wir erreichen die Innenstadt, es wird immer lauter, lebhafter,
bunter und turbulenter. Der Weg, unser Weg, der lange Pilgerweg wird immer kürzer, wir sehen zum ersten Mal die Turmspitzen der Kathedrale, leider sind sie eingerüstet.
Überall Leben, viele Pilger, viel Spannung und Vorfreude, da beneide ich ein bisschen die Neuen in unserer
Gruppe, bzw. diejenigen, die noch nicht in Santiago waren. Nach 2007 und 2010 komme ich heute zum dritten
Male hierher. In den Altstadtgassen gibt es Geschäfte, Souvenirläden, Essen, Trinken, vor allem aber fröhliche
und glückliche Pilger, die bereits ihre Ankunft feiern. Noch ein paar Schritte, die letzten paar Meter, dann
sind auch wir da!
Wir fallen uns in die Arme und beglückwünschen uns, betrachten die Kathedrale
und vor allem ganz weit oben unseren großartigen Jakobus, wie er auf uns herab
blickt mit dem Gedanken: "Schön, dass Ihr da seid, Ihr habt es geschafft".
Wer vertraut?
DER VERTRAUT
Wer einen Weg geht, den er vorher nie begangen,
der ihn wegführt aus gewohntem Raum,
wer sich ganz einlässt auf solch ein Unterfangen:
DER VERTRAUT!
Wer täglich aufbricht darf nicht lang verweilen,
muss Abschied nehmen, kaum ist er am Ort.
Wer stets bereit ist, der Gewöhnung zu enteilen:
DER VERTRAUT!
Wer viel und lange pilgert, wird sich manchmal fragen,
ob er ans Ziel kommt, und ist nie gewiss,
wer vorwärts schreitet ohne Furcht und Zagen:
DER VERTRAUT!
Wer frei umherzieht und mit wachen Sinnen,
das Fremde wahrnimmt, kennenlernt und schätzt,
wer wagt, auch neue Freunde zu gewinnen:
DER VERTRAUT!
Wer unterwegs ist auf Sankt Jakobus Wegen,
trifft auf offene Türen, Hilfe, die er braucht,
wer sich geführt weiß, Schritt für Schritt dem Ziel entgegen:
DER VERTRAUT!
(Verfasser unbekannt)
Es ist ergreifend, man ist in einer ganz eigenen Stimmung.
- 37 Ich schlage vor, die erste Strophe des nachfolgenden Liedes zu singen:
"Ein Haus voll Glorie schauet, weit über alle Land,
aus edlem Stein erbauet - von Gottes Meisterhand.
Gott wir loben dich, Gott wir preisen dich,
oh' lass im Hause dein, uns all geborgen sein!"
Wie wahr, wie wahr, der Text ist beinahe wie für hier gemacht.
Da die Welt bekanntlich klein ist, kommen soeben glücklich und strahlend unsere beiden Polen, die wir unterwegs mehrfach getroffen haben, begeistert auf uns zu. Über so etwas freut man sich besonders.
Nach längerem Verweilen und Staunen ist es an der Zeit, in die großartige Kathedrale zu gehen. Wir machen
einen Rundgang, man kniet dankbar in den Bänken nieder, bewundert die ganze Herrlichkeit. Wir werden noch
viel Zeit haben, alleine zurück zu kommen, um dann dem Pilgerheiligen Jakobus gebührend nahe zu sein, um dann
richtig auch bei ihm anzukommen, um in Ruhe alles anzugucken und zu genießen.
Für 18.30 Uhr ist Treffpunkt an der großen Aufgangstreppe vereinbart, es gibt ein Gruppenfoto, einige
Informationen für den weiteren Ablauf, um dann gemeinsam zum zentral gelegenen Hotel 'Imperial' zu
marschieren, um endlich aus den Wanderklamotten und -schuhen zu kommen. Der Ablauf ist wie gehabt, sich
aufs Bett hauen und am liebsten liegen bleiben, Aufraffen zum Duschen, ehe es schon wieder weitergeht.
Schließlich sind wir nicht nach Santiago gekommen, um uns am frühen Abend ins Bett zu legen, dafür ist die
Stadt zu überwältigend und zu aufregend. So treffen wir uns an der Rezeption, um gemeinsam aufzubrechen.
Das gelingt jedoch nicht lange, die Gruppe zerstreut sich schnell, viele gehen in die Tapas-Bar, die einigen von
uns von 2010 noch in guter Erinnerung ist, es sieht nicht nur alles bestens aus, es schmeckt auch so,
Danach wollen wir zu den Arkaden gegenüber der Kathedrale, da spielt 'Tuna',
das ist eine ehemalige Studentenkapelle, die es schon jahrelang in gleicher
Besetzung gibt, heißt inzwischen sind offensichtlich auch sie in die Jahre
gekommen, jedoch ihre Musik ist einzigartig, andersartig, die Stimmung in unserer Gruppe steigt. Heute ganz besonders, da sich eine Schulklasse mit vielen
Jugendlichen eingefunden hat, die super drauf sind und uns mitreißen.
In einer ruhigen Seitenstraße trinken wir später noch einen Wein, und wie
schön, da kommen die drei Pilger daher, die wir unterwegs immer mal wieder gesehen haben. Der eine von ihnen
scheint sehr lädiert zu sein, humpelnd und bandagiert schleppt er sich mit Knieproblemen dahin. Zum ersten
Mal haben wir ihn bereits am vierten Tag beim Pilgerkreuz 'Cruzo des Frances' gesehen, und da sah er schon
aus, als ob er keine drei Kilometer mehr schaffen könnte, so schlecht ist er gelaufen. Doch siehe da, auch sie
sind da, irgendwie schaffen sie es alle, mit mehr oder weniger Blessuren oder aber Schmerzen?
Vielleicht passt dazu dieser Ausspruch?
"Die Vernunft ist des Herzens größter Feind."
(von Giacomo Girolamo Casanova)
Es ist Mitternacht, als wir schließlich unserem müden Pilgerkörper endlich Ruhe gönnen.
- 38 -
Donnerstag, 31. Juli
Fahrt mit dem Bus nach Finisterre
Die erste von drei Nächten in Santiago, ich habe super gut geschlafen. Wir sind DA und bleiben auch noch da.
Heißt noch 2 1/2 Tage mit entsprechendem Feeling, ehe es zurück in den Alltag geht, der uns ganz bestimmt
schnell einholt. Für heute ist Finisterre angesagt, mit unserem Bus, wie schön.
Zunächst gibt es Überlegungen und Diskussionen, wer fährt bis ganz raus zum Kap mit dem Bus, wer
mag/will/kann unterwegs noch laufen? Es soll möglichst alles realisiert werden, jeder hat andere Wünsche und
Vorstellungen, eine andere körperliche Verfassung. So gibt es zwei Varianten: Die Schnellläufer, bzw. Diejenigen, die es sich zutrauen, können 9,8 km laufen, eine weitere Gruppe ca. 6 km. Ich bin hin- und hergerissen wie
so oft, Laufen würde mir schon noch gefallen, doch heute mache ich den Rückzieher. Ich habe zwar Ausdauer
und den nötigen Ehrgeiz, aber dazu braucht es für mich auch Zeit und nicht nur Tempo. Außerdem sagen die
meisten wir sind angekommen, in Santiago ist Pilgern abgeschlossen, ab jetzt ist Tourismus angesagt - auch
dies keine schlechte Idee, wie ich meine, und der ich mich dann vernünftigerweise anschließe.
Bei der ersten, heißt längeren Etappe steigen selbstverständlich Jürgen und Klaus aus sowie Gerd und Franziska, und sogar Bettina schließt sich an. Sie will es nochmal wissen, ich freue mich für sie und alle. Beim zweiten Stopp steigen Katrin, Renate, Elfi und Günter aus. Wir sind schon sehr überrascht, dass sich gerade Günter
mit seinen 78 Jahren diese letzte Etappe auch noch zutraut oder aber zumutet? Ist eh' ganz toll, dass er die
gesamte Pilgerstrecke gut gemeistert hat und dabei war.
Der Bus bringt uns in den kleinen Hafen von Fisterra, das viel größer
ist, als ich es mir vorgestellt habe. Hans-Valentin war vor ca. 10 Jahren
mal hier und ist überrascht, wie viel sich seit dieser Zeit getan hat.
Damals gab es im Hafen zwei/drei Lokale, heute ist eines am anderen.
Naja, jeder weiß, wie stark der Jakobsweg in den letzten Jahren
frequentiert wird, und so lässt sich der Tourismus auch hier nicht
aufhalten. Nach Auskunft des stolzen Bürgermeisters werden in
Fisterra im Jahre 2012 ca. 20.000 Pilger zu Fuß oder mit dem Rad registriert. Hinzu kommen weitere ca. 5.000 Pilger, die sich nicht
registrieren lassen, obwohl man sehr rührig ist und sich hat einfallen lassen, dass hier nochmal eine Urkunde, nämlich die 'Fisterrana' ausgehändigt werden kann, eine Erfindung der örtlichen "Pilgertourismus-Industrie"! Regionale Busunternehmen beziffern die Zahl der Buspilger, zu
denen wir mangels Zeitgründen leider auch gehören, auf weitere ca.
20.000.
Wir laufen ein bisschen im Ort herum, schön, dass die wiederum uralte hübsche Kirche offen ist. Zu einem stillen Gebet und vor allem zum Dank finden sich einige von uns ein. Ergreifend und rührend ist es, als wir gemeinsam 'Maria breit den Mantel aus' singen.
Auch dieser Text passend:
"Maria breit den Mantel aus,
mach' Schirm und Schild für uns daraus.
Lass' uns darunter sicher stehn,
bis alle Stürm' vorüber gehn.
Patronin voller Güte, uns allezeit behüte!"
Andere besuchen die Burg am Ende des Hafens und das darin befindliche Fischer-Museum. Ein überaus netter
und rühriger Spanier versorgt sie begeistert mit vielerlei Informationen und Wissenswertem und will sie gar
nicht mehr gehen lassen.
Nach und nach finden wir uns in einem dieser Hafenlokale mit Meerblick ein, hier gibt es
Fischspezialitäten, die man sich wahrlich nicht entgehen lassen darf. Über Fischsuppe, Tortilla, die verschiedensten Muscheln und Meeresfrüchte bis hin zu Ensalada 'Marisco',
einem riesengroßen Thunfisch-Tomaten-Oliven-Salat für 6 €, werden alle zufrieden gestellt.
Hans-Valentin hat ein neues Buch mit dem treffenden Titel 'Du bist unser Weg' mit
einfühlsamen Texten und Gedichten, daraus wird ein Wortgottesdienst ausgearbeitet, den
wir später am Kap feiern wollen.
- 39 So langsam müssten die Läufer eintreffen, als erstes kommen Katrin und Renate.
Man braucht nicht zu fragen, wie es war, man sieht es an ihren strahlenden Gesichtern.
Der Weg geht größtenteils am Meer entlang, teilweise sind sie sogar barfuß im Wasser
gelaufen, haben dabei Muscheln gesammelt. Einige Zeit später kommt Bettina, patschnass
geschwitzt, schließlich ist sie die große Etappe gelaufen. Auch sie ist nur glücklich, tolle
Wegstrecke, tolle Selbstbestätigung, tolles Gefühl. Hhmm, wäre ich vielleicht doch besser mitgegangen? Es ist eben wie im richtigen Leben!
Jetzt warten wir noch vergeblich auf Elfi und Günter, es wird doch nichts passiert sein?
Dass Jürgen und Klaus gleich bis zum Kap laufen, hat keiner angezweifelt, als wir dann
aber erfahren, dass die Beiden auch fast oben sind, ist die Verwunderung schon groß.
Dies liegt teilweise einem Missverständnis zugrunde, denn das war dann doch sehr
anstrengend für die Beiden, sie sind aber nicht weniger froh und vor allem stolz, es geschafft zu haben.
Somit können endlich auch wir mit dem Bus zum Kap hochfahren, der eigentlichen Attraktion.
Leider kommen wir durch die langen Wartezeiten erst um 14.30 Uhr oben an, haben somit nur
wenig Zeit bis 15.00 Uhr, das ist definitiv zu kurz, schade darum. Man kann es halt doch nicht
immer allen und jedem recht machen!?
Wer wie ich schon viele Bücher über den Jakobsweg samt Finisterre, dem damals vermeintlichen Ende der
Welt, gelesen hat, der hat auch schon davon gehört, dass es guter alter Brauch ist, hier den Sonnenuntergang
zu betrachten, und dann die von der langen Pilgerreise zerschlissenen Kleidungsstücke und Schuhe zu verbrennen. Auch war es Brauch, dass man sich im Meer gereinigt hat.
Dies alles trifft auf uns nicht zu! Für den Sonnenuntergang ist es nicht die richtige Uhrzeit und eine Reinigung
im Meer haben wir in unserer heutigen wahrlich Wohlstandsgesellschaft und -zeit auch nicht nötig. Tolle
Unterkünfte und tägliches Duschen sind selbstverständlich, die Kleidung bei weitem nicht zerschlissen und der
Preisgestaltung wegen auch absolut nicht verbrennenswert!
Jedoch ist mir schon vor Tagen während des Pilgerns klar geworden, dass ich meine Wanderschuhe hier lassen werde. Ganz sicher nicht des obigen Brauches wegen, oder weil viele das eben
so machen, sondern ganz allein deswegen, weil sie fertig sind, und zwar fix und fertig. Gleichzeitig
bedeutet das für mich, sie haben mir in der zurückliegenden Zeit unendlich gute Dienste getan,
mich auf ungezählten Kilometern bei vielen Wanderungen, hauptsächlich aber auf meinen geliebten Wallfahrts- und Pilgerwegen stets treu begleitet und mich ganz ohne Blasen, Druckstellen
oder sonstigen Blessuren überall hingebracht. Das muss, so denke ich, ganz besonders belohnt und
gewürdigt werden, in dem sie an einem so markanten Ort wie hier "ihr seliges Ende" nehmen,
anstelle daheim in den Müll zu wandern, denn das würde mir sicher schwerfallen. Nach einem letzten Foto suche ich mir eine entsprechende Stelle, hole kräftig aus, um den ersten Schuh weitab
in die Felsen zu werfen, was aber nicht so ohne weiteres gelingen mag. In hohem Bogen fliegt er
über meinen Kopf hinweg geradewegs in die andere Richtung. Na
sowas denke ich noch, und oh peinlich, beim zweiten Schuh genau
dasselbe Spielchen, was bei meinen Mitpilger-Zuschauern rundum
natürlich zu Gelächter führt.
Soll es erst mal einer selber machen, Günter ergeht es nämlich genauso, das beruhigt mich. Er lässt neben seinen Schuhen tatsächlich sein ganzes "Pilger-Outfit",
nämlich T-Shirt, kurze Hose, samt Unterwäsche hier in den Felsen zurück.
Sicherlich mit viel Dankbarkeit darüber, dass er mit seinen 78 Jahren den Pilgerweg noch so gut geschafft hat, nicht nur bis Santiago, sondern sogar bis hierher
"ans Ende der Welt".
Am Felsen weiter unten hat auch Bettina ihre Wanderschuhe sozusagen "gehimmelt". Sie sehen noch sehr gut aus, worauf ich sie entsetzt frage, was, diese
Schuhe willst du schon wegwerfen? Ja, sagt sie mit Entschlossenheit, bei mir hat
das einen anderen Grund als bei dir. Egal wo ich auch unterwegs war damit, sie
haben mir so viele Blasen und dadurch entsprechende Schwierigkeiten zugeführt,
ich will sie einfach nicht mehr sehen. Naja, das ist auch ein Argument!
- 40 Über all diese unsere Aktivitäten, und ein bisschen Wehmut darüber, dass unsere zehn
Pilgertage rum sind, somit schon wieder fast alles vorbei ist, samt dem herrlichen
Meeresblick rundum läuft die Zeit uns natürlich auch hier schon wieder davon. Schnell
in den Bus, um kurz darauf im Schatten der alten romanischen Kirche 'Santa Maria das
Áreas' unseren gemeinsamen Wortgottesdienst zu feiern, der schon lange fällig ist.
Der spirituelle Teil ist dieses Mal aus verschiedenen Gründen leider etwas zu kurz
gekommen. Rundum sitzen wir auf uralten Steinbänken und Beate und Hans-Valentin
finden die richtigen Worte und Texte, um unserer Pilgerreise einen guten Abschluss zu
geben, es ist nur schön und so andachtsvoll. Katrin spielt auf der Gitarre ausgesuchte, passende Lieder und wir
singen begeistert mit. Am Ende sind Viele sehr gerührt und es fließen Tränen, dazu fallen wir uns gegenseitig in
die Arme, um uns auch ohne Worte zu verstehen! Ein deutscher Pilger, der von daheim losgelaufen und nunmehr
seit vier Monaten unterwegs ist, hat sich zu uns gesellt. So ein erfrischender, vor allem tiefgehende
Pilgergottesdienst geht auch ihm sicher nah, es ist ein Glücksfall für ihn, gerade in dieser Stunde zu uns zu
stoßen. Danach aber schnell in den Bus, um wieder an der Küstenstraße zurück zu fahren. Das Meer ist tiefblau,
es gibt viele Strände, und auch wenn das Wasser des Atlantik mit ca. 18° recht kalt ist, sind sie dennoch sehr
gut besucht - mehr Sommer wie jetzt gibt es eben hier nicht, das muss genutzt werden.
Mein Blick geht ständig zurück zum Kap Finisterre. Irgendwie ist das für mich nicht abgeschlossen, es war und
soll nicht der Endpunkt meines Pilgerdaseins, nicht das Ende der Welt für mich sein; ich merke und meine, ich
muss oder möchte gerne noch einmal wieder kommen. Möchte das mir noch fehlende Mittel-Teilstück des
'Camino Frances' in Spanien von Burgos bis Astorga alleine pilgern, danach ein/zwei Tage beim Apostel verbringen, um schließlich von Santiago nach Finisterre zu laufen. Das möchte ich in einen längeren Jahresurlaub
einbinden, wiederum als Edel-Pilgerin, dann vielleicht mit unserem Wohnmobil als Begleitfahrzeug! Möglichkeiten dazu gibt es hier, zwei Campingplätze, Stellplätze und nette Lokale mehr als genug, wie gesagt, der PilgerTourismus boomt.
In Santiago zurück verbringen Erika und ich einen gemütlichen Abend, essen leckere Sachen in der Tapas-Bar,
die Auswahl ist wie erwähnt riesig, da sind die Spanier uns wirklich voraus. Dann gehen wir zum Platz an der
Kathedrale, das ist und bleibt einfach immer wieder Anlaufstelle und Anziehungspunkt. Dort ist heute allerdings eine überdimensionale Bühne aufgebaut mit lautstarker Musik, ein entsprechendes Konzert beginnt erst
um 23.00 Uhr!? Wir schlendern durch die Altstadtgassen, gucken nach den Anderen, treffen aber niemanden
mehr. In einem ebenso riesigen Vergnügungspark gibt es verschiedene Fahrwerke, Buden aller Art, ein toll
beleuchtetes Riesenrad. Als wir gerade davor stehen, kommt der erste Kracher, und ein lang andauerndes,
strahlend-buntes Feuerwerk wird in den Himmel geschossen, gerade wie für uns beide ganz persönlich gemacht?
Nein, natürlich nicht für uns, wir erinnern uns, am 25. Juli ist Jakobustag, und der wird in jedem Jahr groß gefeiert, ganz besonders natürlich hier in Santiago. Allerdings, wie wir meinen, nicht gerade stil- oder aber
pilgergerecht. Überall ist es total überfüllt, Rummel, Menschenmengen, und dazu eine brutale Lautstärke.
Ich stelle mir gerade vor, wenn man nach wochenlangem Unterwegssein, noch dazu ziemlich geschafft ankommt,
nach all der Stille und den endlos vielen Eindrücken, Erlebnissen und vor allem Gefühlen und Emotionen
unterwegs, ist dies hier ganz sicher etwas, was keiner braucht! Ebenso wenig braucht man die unästhetischen
Nacktfiguren, die rund um die Kathedrale auf vielen Balkonen vollkommen deplatziert rumstehen!!??
Da fallen mir meine drei Sätze ein, die so oft im Leben passen:
"Man muss nicht alles verstehen",
"es gibt nichts, was es nicht gibt" und schließlich
"es gibt für alles noch eine Steigerung"!
- 41 Ansonsten ist die 'Plaza del Obradoiro' schon sehr beeindruckend und sehenswert. Stunden könnte man hier
verbringen und faszinierend auf die zu jeder Tageszeit ankommenden Pilger aus aller Welt schauen, da sind
schon tolle, teilweise ergreifende Szenarien dabei.
Freitag, 1. August
Ganztägiger Aufenthalt in Santiago mit Besuch der Pilgermesse um 12.00 Uhr
Erika und ich sind bereits um 8.45 Uhr am Pilgerbüro für die Ausstellung unserer Pilgerurkunde. Wir
haben gehört bzw. wissen es noch vom letzten Mal, dass es teilweise recht lange Warteschlangen gibt.
Inzwischen ist alles ganz modern eingerichtet, es gibt sieben !! Schalter und mit einem Gong zeigt
eine Digitalanzeige den jeweiligen gerade freien Platz an. (Dies ist fast wie bei der Zulassungsstelle
oder in manchen Supermärkten bei großen Bedienungstheken). Sieben Leute sind vor uns. Für mich ist
es einfach immer wieder beeindruckend, die "richtigen Rucksackpilger" zu sehen. Unter den "Richtigen" verstehe ich diejenigen, die tatsächlich über Wochen oder gar Monate unterwegs sind, teils von
zu Hause oder aber auf einem der vielen alten europäischen Pilgerwege unterwegs, in Herbergen
übernachten, ohne Begleitbus und Koffer, nicht "Edelpilger" wie wir also! Auch wären dazu die Beweggründe manchmal ganz interessant? Wie, wo, was, wie lange, was steckt da wohl manchmal alles dahinter oder auch nicht? Auch die letzten drei Wörtchen in der heutigen Zeit zutreffend.
Schnell komme ich dran, meine Gedankengänge werden unterbrochen, ein junger Spanier stellt mir die
Urkunde aus und ist recht freundlich. Auf einem Fragebogen ist zumindest anzukreuzen aus welchen
Motiven heraus man unterwegs ist, wie lange und von wo ab man gelaufen ist. Die Pilgerurkunde, genannt 'Compostelana', bekommt man, wenn man mindestens die letzten 100 km zu Fuß oder aber 200
km mit dem Fahrrad oder mit einem Pferd zurück gelegt hat. Mit den vielen Stempeln im 'Credencial
del peregrino', dem gut gehegten Pilgerpass, wird dies dokumentiert und nachgewiesen.
Danach gehen wir in die Kathedrale, und jetzt auch endlich zu Jakobus, der hoch über dem Altar
thront. Man kann ihm ganz nahe kommen, indem man von der rechten Seite über einen Treppenaufgang bis hoch hinter den Altar steigt und so direkt hinter ihm steht. Es heißt, man soll ihn umarmen,
viele tun das auch, jeder reagiert da anders.
Auch hier gibt es tagsüber lange Schlangen zum Anstehen, Viele wollen
schließlich zu ihm. Heute Morgen ist es noch ruhig, das ist schön. Vertrauensvoll lege ich meinen Kopf an seine Schulter, um ihm ganz nahe zu
sein, um ihm für meinen neuerlichen Weg zu danken. Ganz besonders
aber auch für die vielen vielen Wallfahrten und Pilgerwege, die ich in
den letzten 24 Jahren schon gemacht habe und hoffentlich auch noch
lange machen kann. Und um irgendwann wieder zu kommen nach Santiago, wieder zu kommen zu ihm, meinem Wallfahrtsapostel.
Beim Runtergehen über die schmalen Treppenstufen fällt mir wieder der
total abgetretene Stein auf. Wie nur kann Stein so ausgetreten sein,
man kann sich das nicht vorstellen. Wie viele Pilger sind hier schon runter gegangen, werden auch künftig und immer wieder noch runtergehen?
Im unteren Gewölbe befindet sich der Schrein, auch da geht man hin.
- 42 Anschließend treffen wir uns in der Gruppe und Hans-Valentin erklärt so einiges über die Kathedrale und Jakobus selbst. Die Zeit wird eng, wir laufen zur Franziskuskirche, gestern haben wir von einer jungen deutschen
Pilgerin erfahren, dass es gerade in diesem Jahr auch dort eine Pilger-Urkunde gibt, das kommt nur alle 100
Jahre vor, da ist selbstverständlich jeder scharf drauf.
Dann müssen wir schnell-schnell in die Kathedrale, die wird zum Pilgergottesdienst, der täglich um 12.00 Uhr
stattfindet, ganz sicher voll werden. Wir finden noch einen Platz in den vorderen Bänken, Erwartung und Spannung sind groß.
Für uns sind zwei Dinge besonders spannend: Wird das berühmte Weihrauchfass, der 'Botafumeiro', geschwungen, und ebenso spannend, darf unsere Katrin im Pilgergottesdienst singen?
Der erste große Wunsch, ganz sicher nicht nur von unserer Pilgergruppe, geht in Erfüllung. 'Botafumeiro', das
riesige Weihrauchfass sorgt für ein spektakuläres Schauspiel, wenn es mit seinen 1,60 m Höhe, 54 kg Gewicht
und einer Geschwindigkeit von ca. 65 km/h durch das Querschiff rauscht. Dem großen Weihrauchfass "das
Fliegen beizubringen", ist Aufgabe von acht professionellen 'Tiraboleiros', die mit Übung und viel Geschick an
den Seilen ziehen, um es zum Schwingen und eben zum Fliegen zu bringen. Seine Größe wird neben der feierlich-liturgischen Funktion in früheren Jahrhunderten auch der notwendigen Verbreitung angenehmen Geruches
zugeschrieben, was ganz sicher nötig war, wenn Pilger nach monate-, ja manchmal jahrelangem Unterwegssein
irgendwann hier angekommen sind und teilweise sogar in der Kathedrale gegessen und geschlafen haben.......
Nachfolgende nette Zeilen habe ich übrigens irgendwo gelesen:
•
•
•
Wege werden zu Irrwegen,
Landschaften zu Seelenlandschaften,
Träume zu Albträumen!
Ehe man unter dem schwingenden Rauchfass in Santiago sitzt
muss man einigen Staub schlucken und
vieles an Seelenballast loswerden …...
Ich kann es nur so bestätigen, da ist Wahres dran!!
Es ist Tradition, dass zum Beginn des Gottesdienstes neu angekommene Pilger begrüßt werden, dies sind mehrere Gruppen und wie gewohnt Pilger aus aller Welt. Auch hier ein wunderbares Gefühl dazu zu gehören, dabei
zu sein, angekommen zu sein. Der Gottesdienst ist sehr feierlich, viele Priester zelebrieren mit, u.a. auch ein
deutscher Pfarrer. Schade für uns, dass alles in spanischer Sprache stattfindet, man nicht viel versteht. Es
scheint eine lebhafte und wohl ergreifende Predigt zu sein, diesen Eindruck bekommt man wiederum durch das
lebhafte Gestikulieren des Pfarrers, und schließlich laufen vielen Pilgern Tränen die Wangen runter, auch das
ist gut so. Wir verstehen nur immerfort 'Peregrino' und 'Camino', aber das sind genau die beiden Worte, die in
den letzten zwei Wochen so wichtig und bedeutungsvoll für uns waren und uns auch hoffentlich noch lange in
Erinnerung bleiben werden.
Schade, auf Katrins musikalischen Einsatz während des Gottesdienstes warten wir vergeblich. Wegen eines
unwilligen Organisten kommt sie nicht zum Zuge, ihr Gesang wäre mit Sicherheit nicht nur für uns, ihre getreuen Mitpilger/ innen eine Bereicherung und ein Highlight gewesen.
- 43 -
So singt sie am Ende 'O pastor animarum' ('O Hirte der Seelen') das, man staune, von Hildegard von Bingen,
die von 1098-1179 gelebt hat, komponiert wurde. Aufmerksam hören wir zu, sind stolz auf sie und freuen uns
nicht zuletzt mit ihr und für sie! Nach getaner Tat gibt es einen großen Applaus und wir drücken sie herzlich,
und auch da bleibt es nicht aus, dass Tränen fließen, die aber ganz schnell trocknen, als wir uns in der großartigen Stadt Santiago de Compostela auf den Weg machen. Mit Ana Maria gehen wir zu den Markthallen um
Mitbringsel zu kaufen. Es gibt eine besondere Blutwurst, die einige von uns kaufen, ich nehme noch pikante
Chorizo mit.
Danach essen wir zu Mittag in einem Lokal wo nur Spanier hingehen und weiter geht es durch unzählige
Souvenirläden, Schmuckgeschäfte usw. Einige von uns kaufen sich wunderbare Anhänger und passende Ohrringe in Muschelform. Zum einen sind sie sehr schön, zum anderen werden wir beim Tragen immer wieder an
die herrliche Pilgertour und an Santiago erinnert. Nach einer Kaffeepause werfen wir uns, im Hotel angekommen, aufs Bett, die Füße hoch, um wenigstens noch ein bisschen auszuruhen. Die vielen Kilometer in den letzten
Tagen stecken uns schon in den Knochen, außerdem steht uns heute ganz sicher noch ein langer Abend/Nacht
bevor, unsere letzte spanische Pilgernacht.
Zum Abendessen finden wir uns um 21.00 Uhr im gegenüberliegenden Lokal 'Forno' ein. 'Forno' heißt Ofen, und
unser Abend soll oder wird heiß werden. Unsere Gott sei Dank uruguay-spanische liebenswerte Ana Maria übernimmt wieder die wichtige und oft schwierige Aufgabe, die gesamte Pilgerschar mit Informationen über ein 4Gang-Menü mit jeweils fünf Sachen zur Auswahl zu versorgen. Unter dem kritischen und strengen Blick unseres Hans-Valentin beeilen sich wirklich alle, schnell und vor allem treffend auszuwählen und zu antworten. Das
Essen lässt zu wünschen übrig, wo es doch gerade heute an unserem Abschiedsabend etwas Besonderes sein
sollte? Dafür überraschen uns danach Katrin, Beate und Bettina mit einem lautstarken und wie wir gleich
feststellen, saustarkem Pilger-Song. Das Lied entsteht in pilgergemäßer Zusammenarbeit, die ausgesuchte
Melodie ist ein Ohrwurm, es geht dabei jedoch nicht um die altbekannte „Affenbande", sondern umgetextet
eben um uns als sogenannte „Pilgerbande“!!
Sehr treffend, wie wir freudig und lachend vernehmen, und man braucht
glaube ich nicht mehr viel dazu zu sagen, wenn man den Text auf der
nächsten Seite liest. Alles was so in den letzten Tagen passiert ist findet
sich in elf lustigen Strophen wieder. Katrin spielt auf der Gitarre, und zu
dritt schmettern sie die Strophen runter, während alle anderen gebannt
zu hören und sich biegen vor Lachen.
Hier zwei Eindrücke von unterwegs
- 44 Die Pilger rasen durch den Wald
von einer Stadt zum nächsten Halt
die ganze Pilgerbande brüllt:
//:Wo ist die nächste Bar,
wo ist die nächste Bar,
wir ham' den Bus noch nicht gesehn. //:
Die Gruppe ächzt und stöhnt gar sehr
der Streckenteil fällt ihr so schwer
die ganze Pilgerbande brüllt:
//:Es geht den Berg hinauf,
es geht den Berg hinauf,
und steinig dann wieder hinab. //:
Hans-Valentin winkt voll Genuss
zufrieden aus dem Gruppenbus
die ganze Pilgerbande brüllt:
//:Er kennt die nächste Bar,
er kennt die nächste Bar,
die Clara schmeckt so wunderbar. //:
Der Klaus und Jürgen, das ist klar
das sind die ersten in der Bar
die ganze Pilgerbande brüllt:
//:Lasst und doch auch noch was,
lasst uns doch auch noch was,
wir holen euch doch niemals ein. //:
Zwanzig Claras müssen her
auch Bocadillos und noch mehr
die ganze Pilgerbande brüllt:
//:Das ist 'ne tolle Bar,
das ist 'ne tolle Bar,
wir sind jetzt fit bis fast ins Ziel. //:
Die Kilometer ganz am Schluss
die gehen furchtbar in den Fuß
die ganze Pilgerbande brüllt:
//:Uns tun die Blasen weh,
uns tun die Blasen weh,
wo finden wir nur das Hotel? //:
Bettina heilte kurzerhand
auch Blinde dort am Straßenrand
die ganze Pilgerbande brüllt:
//:Wo sind die Kügelchen,
wo sind die Kügelchen,
gib mir die Rescue-Creme her! //:
Der Gunther kommt am Schluss daher
mit Olga, Harald und noch mehr
die ganze Pilgerbande brüllt:
//:Gib uns die ZDF,
gib uns die ZDF,
die Zahlen, Daten, Fakten stehn. //:
Die Ana spricht so wunderbar
das Spanisch an der Hotelbar
die ganze Pilgerbande brüllt:
//:Jetzt sind wir endlich da,
jetzt sind wir endlich da,
und morgen früh' geht's wieder los. //:
Der Abend klingt musikalisch aus
die Katrin holt die Gitarre raus
die ganze Pilgerbande brüllt:
//:Wo ist das Liederheft,
wo ist das Liederheft,
und wer bestimmt den letzten Song? //:
Nach zehn Etappen wird erreicht
Santiago, alle sind erweicht
die ganze Pilgerbande brüllt:
//:Wir haben es geschafft,
wir haben es geschafft,
jetzt sind wir alle wirklich da! //:
- 45 Das war eine wohlgelungene Überraschung, einfach genial! Hans-Valentin ergreift danach das
Wort und nimmt schon mal die Verabschiedung bzw. einen zusammenfassenden Rückblick unserer Pilgertour vor. Er kündigt an, dass dies seine letzte Gruppen-Pilgerreise war, die er
organisiert und geleitet hat.
Dabei vergleicht er sich mit Elefanten, spricht vom Wasserloch und dem Leittier, das sich zurück zieht, wenn es merkt, dass es beschwerlich wird, dass es, wenn es soweit ist, seinen Weg
alleine geht. Wie schön denke ich, dass Tiere da wohl häufig vernünftiger sind als wir Menschen, heißt Loslassen können, wenn es angebracht erscheint.
Spontan nimmt Beate die Gelegenheit wahr und greift das Wort "Wasserloch" auf, um Hans-Valentin als
Dankeschön von uns allen eine gute Flasche Grappa zu überreichen, mit der schlagfertigen Bemerkung: "Ein
Wasserloch alleine sollte oder dürfte für dich nicht unbedingt ausreichend sein"!? Johlend und klatschend
stimmen wir ihr zu, sind allesamt gleicher Meinung!
Unsere gute Ana Maria, die während der ganzen Reise wirklich sehr viel für die Gruppe
getan hat, indem sie nicht nur ständig gedolmetscht und gemanagt hat, sondern auch
auf unserer aller vielen Fragen gute Antworten wusste, bekommt als Geschenk einen
Bildband von Santiago de Compostela überreicht. Auf der Innenseite haben wir unterschrieben und die/der eine oder andere für sie persönliche nette Zeilen und Widmungen dazu geschrieben. Weiter bekommt sie für ihr 'Pandora'-Armband einen SantiagoPfeil zum Einhängen. Sie hat sich dies absolut verdient, und so steht ihr entsprechend
Freude darüber ins Gesicht geschrieben. Anhaltender Applaus von uns allen bestätigen
dies und tun ihr ebenfalls gut. (Fotos siehe Vorseite)
Nach diesem gelungenen Abschlussabend gehen nur einige ins Bett. Gemeinsam ziehen
wir los und finden uns in einer Bar in der Nähe ein, wo es zu später Stunde noch hoch
her geht. Unter anderem singen wir mal wieder, bis hin zu 'el viva Espana' ist alles dabei, wir haben nicht nur viel Spaß, sondern totale Gemeinschaftsfreude. Kein Wunder,
dass inzwischen Mitternacht und somit unser wirklich letzter Pilgertag längst
angebrochen ist, als wir uns auf den kurzen Heimweg begeben.
Katrin, Erika und ich machen noch einen Bummel durch die engen und dunklen, aber keineswegs verschlafenen
Gässchen Santiagos, um noch fehlende Männer wie Klaus & Co. zu suchen. Wir müssen sie wohl knapp verfehlt
haben, der Rundgang hat sich jedoch allemal gelohnt, um auch die nächtliche, immer noch begeisternde Atmosphäre im bezaubernden Santiago mitzubekommen und einzufangen.
Samstag, 2. August
Heimflug von Santiago de Compostela via Madrid nach Frankfurt am Main
Der gestrige fröhliche Abend und das Ende unseres gemeinsamen Weges beschäftigen mich ohne Ende, so dass
ich einfach keinen Schlaf finden kann. Bis 3.00 Uhr nachts schreibe ich an den Aufzeichnungen für diesen meinen Bericht. Interessante Tatsache: Dazu gibt es ein sehr ungewohntes Geräusch: Regentropfen, dicke Regentropfen plätschern ans Fenster.
Beim Aufstehen ist es grau in grau, Wolken hängen tief am Himmel, es nieselt
vor sich hin. Da kommen unwillkürlich die Gedanken, auch so hätten wir es
antreffen können! Weitere Erkenntnis: Genau so hat heute vor zwei Wochen
alles angefangen. Bei unserer Landung war es ebenfalls grau in grau und es hat
geregnet. Nicht auszudenken, wenn es die ganzen zwei Wochen so gewesen
wäre. Auch dafür nochmal tausend Dank, für die unendlich vielen Sonnenstrahlen, die uns in all den Tagen auf unserem Pilgerweg begleitet haben. Auch wenn
wir des Öfteren nicht Blut, aber ganz viel Wasser geschwitzt haben, das ist
allemal besser als Regen! Denn Regen soll und ist im grünen und fruchtbaren
Galizien keine Ausnahme und gehört auch im Hochsommer immer wieder dazu.
So wird uns unser Abschied in nur wenigen Stunden nicht so schwer fallen.
- 46 Wir frühstücken erst nach 9.00 Uhr, das ist auch mal angenehm. In aller Ruhe
werden die Koffer fertig gepackt, um 11.00 Uhr kommt unser Bus. Plötzlich sind
auch die Polen wieder da, wollen eigentlich mit dem öffentlichen Bus zum
Flughafen fahren, sie fliegen nach Malaga, um dort von ihrer Tour noch etwas
auszuspannen und zu relaxen. Ganz klar, dass wir ihnen anbieten, sie können in
unserem Bus mitfahren, so tun wir auch heute bei unserer letzten Fahrt ein
weiteres gutes Werk mit nochmaligem Pilgertransport.
Am Flughafen gibt es wie gewohnt zwei Stunden zu Überbrücken, ehe unser
Flieger um 13.40 Uhr über Madrid nach Frankfurt startet. Gegen 18.30 Uhr
betreten wir deutschen Boden und nach einer intensiven Abschiedsrunde vor
dem Gepäckband ist es dann endgültig vorbei. Alle gehen wir unseren Weg, den
Weg nach Hause und in den Alltag. Jedem von uns bleibt dabei die Hoffnung,
dass wir dies alles stets in guter Erinnerung behalten. Zudem freuen wir uns, uns
bei einem baldigen Treffen mit viel Gesprächsstoff wieder zu sehen.
(Kleine Aufmerksamkeit für "meine" Erika!)
"Die VERGANGENHEIT ist Geschichte,
die ZUKUNFT eine Vision,
aber JEDER TAG, bewusst, aufmerksam und gut gelebt,
ist ein Geschenk!"
Bleibt zu hoffen, dass die wunderbare gemeinsame Pilgerschaft für euch/uns gut gelebte Tage waren und bleiben werden. Dazu wünsche ich allen ein herzliches 'BOM CAMINHO / BUEN CAMINO / BUON CAMMINO
EINEN GUTEN WEG', denn auch daheim und im Alltag wieder angekommen, gehen die Wege immer weiter.
"Dem Leben auf der Spur:
Auf kleinen Gassen
und großen Prachtstraßen,
auf lichten Waldwegen,
dunklen Nebenstraßen,
Einbahnstraßen und
schnellen Autobahnen,
im Flugzeug und in der Luft,
und auf dem Jakobsweg.
Innen und außen
führt uns unsere Spur
manchmal aber auch am Leben vorbei."
- 47 Und schließlich und endlich nachfolgend noch einmal ein Gedicht. Gedacht und anzuwenden ist es für das ganze
Leben, es passt aber auch nur zu gut auf unseren eben zurück gelegten Jakobsweg.
Ich wünsche euch allen:
Gott möge geben:
Die GELASSENHEIT
gegenüber dem, was kommt.
Die ZUFRIEDENHEIT
über die zurückgelegte Wegstrecke.
Die FREUDE
über den Reichtum an gewonnener Erfahrung.
Die DANKBARKEIT
für die Menschen, die ein Stück mitgegangen sind.
Das GLÜCKSGEFÜHL
über Erreichtes und Gelungenes.
Die DEMUT
gegenüber dem, was vorbei ist.
Die NEUGIER
auf das, was sich noch auftut.
Die GEWISSHEIT,
dass das Leben sinnvoll ist.
(Christof Warnke)
E N D E
Text und Fotos:
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Zi. 303
Zi. 227
Zi. 306
Zi. 24
Zi. 204
Zi. 201
Zi. 807
Zi. 113
Zi. 114
Zi. 303
"
- 48 -
Wir, das sind:
Dr. Hans-Valentin Kirschner
Busfahrer Oscar Barreiro
Gertie und Mich(a)el Thom
Angelika Krollmann und Georg Koervers
Katrin und Klaus Heubach
Gerd und Franziska Weißschuh
Erika Lukas und Margit Schneider
- 49 -
Ana Maria Schuster und Renate Marchand
Harald Regentrop und Gunther Zengel
Bettina Schellhorn-Straub und Beate Berdel-Mantz
Jürgen Beck und Günter Kapitzke
…… und unsere Neuen
Roswitha Heil und Olga Hefele
Sieglinde Scherbaum und Elfriede Teubner
- 50 -
Das große europäische Wegenetz
Viele Wege führen nach SANTIAGO - wie man sieht -
MEIN PILGERPASS
- 51 -
- 52 -
- 53 -
Der "Camino Francés" - der bekannteste aller Jakobswege
Der "Camino Portugués"
- 54 -
COMPOSTELANA - meine PILGERURKUNDE
- 55 -
FRANZISKUS - Urkunde
- 56 -
Nach der Reise:
Acht Wochen liegen nun schon hinter uns, seit wir von unserer Pilgerreise zurück sind, da ist es an der Zeit,
dass wir uns einmal wieder treffen. Grund hierfür soll die gemeinsame Weinlese im Pilgerweinberg in
Stadecken-Elsheim sein.
Am Samstag, 28. September 2014, um 10.00 Uhr, finden wir uns hierfür mit 17 Leuten am Weinberg ein. Es
ist ein sehr sonniger Tag, die Sonne strahlt, besser könnte das Wetter nicht sein. Gerüstet mit Eimer und
Schere können wir es kaum abwarten, bis es endlich losgeht. Da hat jemand die Idee, dieses Ereignis zuvor mit
einem Secco zu begießen, was natürlich allseits guten Anklang findet. Manche von uns machen dies zum ersten
Mal, so gibt Jürgen entsprechende Anweisungen. Ca. 200 Weinstöcke hat der Pilger-Weinberg, und nachdem
wir da voller Energie und Tatendrang und mit so vielen eifrigen Helfern "dran rennen", ist das Ganze schnell
passiert. Herrlich süße Trauben finden sich in der großen grünen Bütt wieder, die an Jürgens altem EicherTraktor hängt. Da Erika die einzige ist, die Gummistiefel anhat, steigt sie sogleich da rein, um die Trauben
entsprechend zu treten und zu stampfen. Das gefällt auch Bettina, sie meint das geht barfuß auch, zieht
schnell Schuhe und Socken aus und gemeinsam pressen und treten sie viel süßen Saft aus den Trauben. Renate
in ihrer flotten grünen Schürze macht den Eindruck, als sei sie jahrelang Winzerin gewesen, und so finden wir
alle mächtig Spaß!
Peter, von Jürgen inzwischen zum Winzer-Gesellen ernannt, und für uns in bewährter Funktion als Grillmeister
bekannt, hat längst die Kohle zum Glühen gebracht, so dass bald Bratwurst-Duft durch "die Wingert" zieht.
Einige von uns Frauen haben Salate sowie zwei Kuchen mitgebracht, heißt, wir können es uns gut gehen lassen!
Unbemerkt haben Erika und Gertie am Rande des Weinbergs mit dort wachsenden Ringelblumen (Calendula),
etwas Schafgarbe und natürlich Weinreben einen orange-bunten Kranz geflochten. Jürgen verkündet, dass sie
mich damit zur Weinkönigin krönen wollen. Darüber freue ich mich natürlich, da ich immer wieder besonders
bestrebt bin, unsere Pilgergruppe zusammen zu trommeln und zusammen zu halten. Dies wird mit reichlich
Applaus gewürdigt, muss sogleich mit einem Gläschen begossen und auf Fotos festgehalten werden. Nächste
Überraschung: Gertie und Michel "enthüllen" eine Tafel, die neben dem Pilgerstein mit der hübschen schwarzen
Muschel angebracht werden soll, auch dafür gibt es kräftigen Applaus. Viel zu erzählen und zu lachen haben
wir, ehe wir gemeinsam zum Weingut 'Hedesheimer Hof' aufbrechen, wo Jürgen eine weitere Überraschung
bereit hält. Stolz misst er die Oechsle-Grade, die mit 96° sehr hoch sind und für eine gute Qualität sorgen,
bevor er eine alte Kelter herbei holt, die er zusammen mit Peter neu hergerichtet hat. Es gibt ein letztes
Gruppenfoto, ehe wir uns mit allseits guten Wünschen und dem Versprechen, uns hoffentlich bald einmal wieder zu sehen, verabschieden. Dies soll spätestens dann sein, wenn aus dem süßen Traubensaft, dem Ergebnis
unserer heutigen ersten Ernte, herrlicher Pilger-Wein geworden ist. Jürgen verspricht, dass es ein sehr guter
Tropfen wird, er mit ca. 100 Litern rechnet, und dies spätestens im kommenden Frühjahr sein wird.