Die Lymphe in Fluss bringen

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Die Lymphe in Fluss bringen
Gesundheit Lymphdrainage
Die Lymphe in Fluss bringen
Viele Pferde haben Last mit angelaufenen Beinen. Lymphdrainage kann selbst bei chronischen Fällen schnell
dauerhaften Erfolg bringen. Der Südkirchener Pferdephysiotherapeut Christoph Waterhues hat damit bereits
positive Praxisergebnisse erzielt.
Physiotherapeut Christoph
Waterhues bringt die Lymphe in den
Lymphknotenzentren in Schwung.
Fotos: Dr. J. Wiedemann
ge in der Pferdeheilkunde der
Tierärzteschaft
vorgestellt.
Seit 1999 werden auch regelmäßig Weiterbildungskurse
für manuelle Lymphdrainage
am Pferd durch das Europäische Seminar für Equine
Lymphdrainage von Professor von Rautenfeld an der
Tierärztlichen Hochschule in
Hannover angeboten.
M
edizinische Untersuchungen haben gezeigt, dass Pferde eine besondere Funktionsschwäche der
Lymphgefäße im Bereich der unteren
Gliedmaßen haben. Prof Dr. Dirk Berens
von Rautenfeld, Tierarzt und Reiter, und
Dr. Anna Katharina Rötting haben auf
Basis dieser Ergebnisse ein Konzept der
Manuellen Lymphdrainage beim Pferd
entwickelt. Die erfolgreiche Behandlung
von chronischen Phlegmonen war daraufhin 1999 Gegenstand der Dissertation
von Anna Katharina Rötting. Ein Jahr
später wurde die Manuelle Lymphdraina-
In der Praxis erprobt
Glossar
dem Blutkreislauf das wichtigste Transportsystem im Körper. Es ist auf den Transport von Nähr- und Abfallstoffen spezialisiert, entsorgt in den Lymphknoten aber
auch Krankheitserreger wie Bakterien und
Fremdkörper.
Funktion des Lymphsystems: Das Lymphsystem transportiert Stoffe, deren großes
Molekulargewicht den direkten Transport
aus dem Gewebe in die Zirkulation durch
die Kapillarwand nicht zulässt.
Dazu gehören Eiweiße und Lipide aus dem Verdauungstrakt.
Dem Lymphsystem kommt
zudem eine zentrale Rolle im
Immunsystem zu, da sie Fremdkörper und Keime zu den
Lymphknoten
transportiert.
Dort wird die Immunantwort
Lymphologie: Lehre des Lymphsystems.
Manuelle Lymphdrainage: Durch sanfte,
manuelle Gewebsverformungen vor allem
an der Körperoberfläche, wird der Abtransport von Gewebeflüssigkeit gefördert.
Komplexe physikalische Entstauungstherapie: Vierstufige Therapie aus Manueller
Lymphdrainage, Kompressionsverband o.
Kompressionsstrumpf, Bewegungstherapie sowie Haut-,
Wund- und Hufpflege.
Lymphe: Als Lymphe (lat.
lympha, „klares Wasser“) wird
die in den Lymphgefäßen enthaltene, wässrige, hellgelbe
Flüssigkeit bezeichnet, die das
Zwischenglied zwischen der
Gewebsflüssigkeit und dem
Blutplasma bildet. Das Lymphsystem mit den Lymphgefäßen
als Leitungsbahnen ist neben
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Christoph Waterhues, staatlich anerkannter Physiotherapeut und Dipl. Osteopath aus Südkirchen hat nach seiner
Zusatzausbildung in Manueller Lymphdrainage am oben genannten Institut bereits gute Erfahrungen in der praktischen
Anwendung gemacht: „Die klassischen
Patienten für Manuelle Lymphdrainage
(ML) sind Pferde mit angelaufenen Beinen. Angelaufene Beine können zum Beispiel aufgrund von Bewegungsmangel
oder aufgrund von Stoffwechselproble-
Ein Kompressionsverband wird
angelegt.
men durch Fütterungsfehler entstehen.“
Eine Behandlung von angelaufenen Beinen bei Einschuss (Phlegmon), so Christoph Waterhues, muss in Kombination
mit veterinärmedizinischer Behandlung
(Antibiotika) erfolgen. Hier wird auch die
hochakute Erkrankungsphase abgewartet,
bevor die ML zum Einsatz kommen
kann. Allerdings sollte man im Verlauf
der Genesung auch nicht zu lange
mit der unterstützenden Lymph-Therapie
warten, damit die Aussicht besteht, dass
sich die Ödeme nachhaltig rückbilden
können.
Die echte Galle (gefüllte Schleimbeutel
im Gelenk) hingegen muss anders behandelt werden. Christoph Waterhues erläutert: „Erst wenn eine Stauung außerhalb
der Gelenkkapsel besteht, kann die ML bei
Galle zum Einsatz kommen. Ein vielversprechendes Einsatzgebiet für die ML
sind zum Beispiel Pferde mit Stauungen
entlang der Sehnenscheiden. Fälle also,
bei denen sich die Stauungen bereits auf
das umgebende Gewebe ausgedehnt haben.“
Hat dieses Geschehen bei längerer Dauer bereits zu Verhärtungen geführt, besteht eine bindegewebige Veränderung.
Mit Hilfe der ML, so Christoph Waterhues,
kann man zumindest einen Teil des Gewebes wieder weich bekommen. „Diese
eingeleitet, indem sich die für die betreffenden Fremdkörper spezifischen Lymphozyten vermehren. Auch diese werden aufgenommen und der Zirkulation zugeführt.
Dies gewährleistet, dass Fremdkörper überall im Körper bekämpft werden können.
Lymphgefäße: Aufgabe der Lymphgefäße
ist, die im Gewebe aufgenommene Lymphe
wieder dem Blutkreislauf zuzuführen.
Lymphknoten: Lymphknoten gehören zu
den lymphatischen Organen und finden
sich überall im Körper außer im zentralen
Nervensystem. Beim Menschen findet man
sie gehäuft im Hals, der Achsel und in der
Leistengegend, wo sie als Sammelstellen
für die Lymphgefäße aus den Gliedmaßen
und dem Kopf- und Halsbereich dienen. Sie
sind 5 bis 20 mm groß und oval. Im Inneren findet man dichte Ansammlungen von
Lymphozyten und Fresszellen. In den
Lymphknoten wird die Lymphe auf schädliche Stoffe untersucht und gefiltert. Bei einer Infektion im Einzugsgebiet eines
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Verschiedene Griff- und Drucktechniken an definierten Behandlungspunkten (Lymphknotenzentren oder Beschwerdezentrum) helfen den Lymphfluss wieder zu aktivieren.
Bloß nicht bandagieren
Nach der Lymphdrainage gibt es
einen Kompressionsverband, der
höchstens bis zu 24 Stunden an
den Beinen verbleibt.
Prozesse kann ich bei chronischen, älteren Verhärtungen gut durch eine Blutegelbehandlung einleiten. Dies fördert
eine Durchblutung der betroffenen Region. Dadurch kommt es zu einer besseren
‚Ernährung‘ des Gewebes. Außerdem wird
dem Immunsystem ein Anstoß und eine
Information gegeben, sich nicht mehr mit
dem Krankheitszustand zufrieden zu geben, sondern Immunmaßnahmen einzuleiten. Dies kann zunächst zu einer Art
Erstverschlimmerung führen.“
Begleitend zu diesen einleitenden Maßnahmen kann eine Behandlung mit dem
homöopathischen Silicea, mit Traumeel
und mit Hyaluronsäure sinnvoll sein. Dies
sollte man mit seinem Tierarzt bzw. Therapeut besprechen.
Interessierten Pferdefreunden bietet die
Praxis „PhysioPferde Waterhues“ regelmäßig Lymphdrainageseminare an.
Eine deutliche Absage erteilen die
Lymphtherapeuten übrigens dem Bandagieren der Pferdebeine. In Forschungen
haben röntgenologische Untersuchungen
mittels Kontrastmittel zur Darstellung der
Lymphgefäße folgendes gezeigt:
● Ohne angelegte Bandagen waren die
Lymphgefäße mit Kontrastmittel kontinuierlich gefüllt, die Lymphe war in Bewegung.
● Die Röntgenaufnahmen bei angelegter
Bandage zeigen dagegen einen totalen
Kontrastmittelstop im Bereich des Fesselkopfes, die Lymphe war nicht mehr in Bewegung.
● Bei Benutzung eines speziellen in der
Lymphtherapie eingesetzten Kompressionsstrumpfes, unterstützend zur Lymphdrainage, konnte auch oberhalb des Fes-
selkopfes noch der Lymphfluss nachgewiesen werden, die Lymphe war in
Bewegung.
Daraus leitet sich ab: Bandagen sollten
niemals am stehenden Pferd angelegt bleiben, da der Lymphfluss des Hufes vollständig unterbrochen ist! (Quelle: „Manuelle
Lymphdrainage beim Pferd“, v. Dirk Berens von Rautenfeld, Hrsg., S. 153)
Gerade bei Dressurreitern ist es geradezu „Mode“ ihre Pferde in der Box bzw.
über Nacht zu bandagieren, um ihnen etwas Gutes zu tun. Aus den oben aufgeführten Gründen ist dies medizinisch
vollkommen verkehrt und sogar kontraproduktiv.
Bei Pferden mit Neigung zu angelaufenen Beinen dürfen Bandagen niemals angelegt werden, weder in der Bewegung
noch in der Nacht. Diese Pferde besitzen
weniger Lymphsammelgefäße als das
Lymphknotens gelangen mit der Lymphe
Antigene in den Lymphknoten. Hier treffen
sie auf für diese Antigene spezifische Lymphozyten und regen deren Vermehrung an,
was zu einer Schwellung des Lymphknotens führen kann. Die gebildeten Lymphozyten werden im gesamten Körper zur Bekämpfung der Infektion verteilt.
Beschwerden: Bei einer Störung des
Lymphabflusses durch Verstopfung der
Lymphgefäße kommt es zu Lymphödemen,
Flüssigkeitsansammlungen im Interstitium
(Zwischenzellraum).
Eine durch Bakterien verursachte Entzündung der Lymphbahnen wird als
Lymphangitis bezeichnet, die Entzündung
der Lymphknoten als Lymphadenitis.
Ödem: Das Wort Ödem stammt aus dem
griechischen und bedeutet „Schwellung“.
Ein Ödem im medizinischen Sinne ist eine
Einlagerung von Flüssigkeit aus dem Gefäßssystem ins Gewebe. Ödeme beim Menschen sind oft Folge einer vorangegange-
nen Erkrankung z. B. einer Herz- oder Niereninsuffizienz. Die dabei auftretende Störung des Blutkreislaufs führt zu einem
Rückstau im Gefäßsystem und zu einem
Anstieg des Drucks, wodurch Flüssigkeit
ins Gewebe austritt. Häufig treten beim
Mensch Ödeme auch als Begleiterscheinung von Beinvenen-Thrombosen auf, die
den Rückfluss des Blutes zum Herzen behindern. Die dabei auftretenden Schwellungen werden zumeist mit Kompressionsstrümpfen therapiert.
Bewegungstherapie: Zur einer erfolgreichen Behandlung mit Hilfe der Lymphdrainage gehört auch eine pferdegerechte Bewegungstherapie. Hier ist der Pferdebesitzer
gefragt, seinem Vierbeiner ausreichend
freie Bewegung auf der Weide zu ermöglichen, sowie zur Rückbildung von Ödemen
unterstützende Bewegung auf geeignetem
Boden, in geeigneter Gangart. Galopp ist
die Gangart, die den Lymphfluss am stärksten anregt.
Kompressionsverband: Nach sorgfältiger
Hautpflege (Infektionsrisiko!) empfehlen
die Experten die Anlage eines Kompressionsverbandes. Ziel ist die Optimierung des
Drainageerfolgs nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten: Flüssigkeiten lassen sich
nicht komprimieren (Gewebe besteht überwiegend aus Wasser), in den Gefäßen weichen Flüssigkeiten in Richtung niedrigen
Druckes aus. Somit wirkt der Kompressionsverband vor allem einengend auf das
Gefäßsystem und beschleunigt die Strömungsgeschwindigkeit. Zusätzlich übernimmt der Verband eine stützende Funktion der überdehnten Haut. Die verwendeten
Verbandmaterialien sind Polsterwatte aus
Baumwolle/Synthetik und unelastische
Bandagen oder Kurzzugbinden.
Kompressionsstrümpfe: Einfacher in der
Handhabung und langlebig. Auf eine genaue Passform ist hier besonders zu achten,
da Maßanfertigungen wie im Humanbereich noch nicht im Handel sind.
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Gesundheit Lymphdrainage
Grenada hat an allen vier Beinen das,
was Pferdebesitzer landläufig als Gallen
bezeichnen. Als vierjähriges Pferd hat die
Besitzerin die Stute gekauft, bereits damals waren Gallen sichtbar. Nun ist Grenada zehn und das Problem hat sich potenziert. „Es gibt Hochs und Tiefs. Kommt
das Pferd auf die Weide, wird es schlimmer; im Winter sind die Beine nicht so
geschwollen“, erläutert die Besitzerin.
Vor zwei Jahren lahmte die Stute zusätzlich auf dem linken Vorderbein. In der Tierklinik
wurde ein Fesselringbandsyndrom diagnostiziert, was
im Groben bedeutet, dass das
Band zu straff ist. Die Besitzer hatten sich damals gegen
eine Operation entschieden.
Über die Beschlagskorrektur, über die Blutegeltherapie
und die Lymphdrainage ist
ödemfreie Pferd. Dadurch staut sich der
Lymphfluss, insbesondere in der Nachtruhe in der Box, so dass die Beine anlaufen.
Beim Bandagieren bleiben die Beine
unter der Bandage zwar dünn. Über der
Bandage, also im Bereich Unterarm/Oberarm, Unterschenkel/Oberschenkel, schwellen die Beine an. was häufig deshalb unbemerkt bleibt, weil hier ohnehin ein
dickerer „Weichteilmantel“ besteht, als im
unteren Beinbereich. Wird eine nächtliche Bandage abgenommen, ohne das
Pferd tagsüber ausreichend zu bewegen,
schwellen die Beine wieder an, weil das
Lymphödem nun vom oberen Bein in das
untere absackt. Die Neigung zu angelaufenen Beinen verstärkt sich, je häufiger
die Pferde bandagiert werden.
Aus technischen Gründen konnten keine Aufnahmen des Lymphflusse am sich
bewegenden Pferd gemacht werden, daher bleibt die Frage offen, ob trotz Bandagierung der Lymphfluss in der Bewegung
gewährleistet ist. Will man daher aus
Schutzgründen nicht ganz auf Bandagen
verzichten, so empfehlen die Autoren des
oben genannten Buches, wenigstens nur
im Bereich der Röhre zu bandagieren und
nicht über den Fesselkopf, und natürlich
grundsätzlich nur kurz vor dem Reiten
oder Longieren die Bandagen anzulegen.
Nach der Trainingseinheit sollen sie
schnellstmöglich wieder entfernt werden.
Wie funktioniert Lymphdrainage?
Bei der Lymphdrainage werden einzelne Körperregionen des Pferdes in einer
bestimmten Reihenfolge behandelt. Der
Therapeut wendet hierzu spezielle Griff-
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eine deutliche, ca. 50 %ige Umfangsverminderung eingetreten. Die Stute ist nun
lahmfrei und kann ohne Einschränkungen geritten werden.
Fotos: Dr. J. Wiedemann
Fallbeispiel Patient 1
Nina Dorsch hat die Stute Grenada
zur Lymphdrainage gebracht.
Grenada ist ein klassischer Fall für
die Lymphdrainage: Sie hat
umfangreiche Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe.
techniken an. Er setzt langsame, kreisförmige Bewegungen ein, die zu leichten Gewebsverformungen führen. Der Druck
wird nur schwach, aber großflächig ausgeführt. In den Lymphknotenregionen direkt auf der betreffenden Stelle; entlang
der Lymphgefäße fortschreitend und in
Fließrichtung.
Zuerst widmet sich der Lymphtherapeut
den Regionen, die den Lymphgefäßmündungen am rechten und linken Venenwinkel naheliegen. Dann kommen die
weiter entfernt liegenden Körperregionen
an die Reihe. Alle Griffe werden mehrfach
wiederholt. Der leichte Druck von außen
auf das Gewebe fördert die Aufnahme
von Gewebsflüssigkeit über die Initialgefäße in die Lymphbahnen. Ziel der Lymphdrainage ist eine verbesserte Lymphtransportkapazität.
Die Lymphdrainage ist ein Baustein bei
der Entstauung von Gewebe.
Als Komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) wird eine vierstufige
Therapie bezeichnet. Hierzu gehören:
● Manuelle Lymphdrainage
● Kompressionsverband oder Kompressionsstrumpf
● Bewegungstherapie
● Haut-, Wund- und Hufpflege
Wann hilft Lymphdrainage?
Zwei wesentliche Indikationen beim
Pferd sind „angelaufene Beine“ und das
„venöse Stauungsödem“.
Angelaufene Beine: Das Phänomen „angelaufene Beine“ bedeutet beidseitig symmetrisch angeordnete Ödeme im distalen
Bereich der Pferdebeine. Meist nur an den
Hinterbeinen, aber auch an allen vier Beinen gleichzeitig.
Über die Ursachen finden sich in der Literatur wenige Angaben. Da nicht alle
Pferde unter gleichen Bedingungen Ödeme ausbilden, spielen möglicherweise genetische und entwicklungsbedingte Ursachen eine Rolle. Auch die Entwicklung
der Erkrankung ist noch nicht erschöpfend erforscht. Vermutet wird die Beteiligun des Lymph- und Blutgefäßsystems.
Das Erscheinungsbild lässt sich mit dem
Überlastungsödem bzw. Inaktivitätsödem
beim Menschen vergleichen. Die Ödeme
sind kalt und nicht schmerzhaft. Der Fingerdruck bleibt eine Zeitlang sichtbar.
Das Ödem reicht meist vom Fesselkopf
aus weiter aufsteigend. Bewegung der
Pferde bessert; die Ödeme bilden sich
meist schnell vollständig zurück.
Ödeme von in Boxen gehaltenen Pferden mit wenig freier Bewegung sind oft
stärker ausgeprägt. Ob eine Behandlung
notwendig ist, ist umstritten, denn bei Bewegung bilden sich die Ödeme zurück.
Ohne Therapie bzw. Vorbeugung der Neubildung zeigt sich aber, dass im Laufe der
Jahre die Ödeme stärker ausgeprägt sind
und eine zunehmend längere Bewegungsphase erforderlich ist, um die Ödeme zurückzubilden.
Das Allgemeinbefinden der Pferde
bleibt scheinbar ungestört. Allerdings
lässt sich im Zusammenhang mit ödematösem Geschehen ein weitaus häufigeres
Auftreten von Phlegmonen (Einschuss)
beobachten. Mit Hilfe der Manuellen
Lymphdrainage und der Komplexen Physikalischen Entstauungstherapie können
solche Ödeme oft nachhaltig zurückgedrängt werden.
Venöses Stauungsödem: Die Ursache für
dieses Ödem ist ein kompletter oder fast
kompletter Verschluss einer oder mehrerer Beinvenen. Diese Art von Ödem bildet
sich sehr schnell und ist extrem schmerzhaft, vorwiegend an den Hinterbeinen.
Der Druck in den Beinvenen ist krankhaft
erhöht. Das Pferd zeigt plötzliche Schmerzen im Bein. Innerhalb von Minuten
kommt es zum Anschwellen der gesamten
Gliedmaße. Das Ödem ist weder vermehrt
warm noch kalt. Die Haut ist so stark gespannt, dass keine Fingerabdrücke sichtbar bleiben.
Der Tierarzt behandelt mit schmerzlindernden und gerinnungshemmenden Medikamenten. Ein Kompressionsverband
verhindert weiteres Anschwellen. Der Venenverschluss muss ursächlich behandelt
werden. Die Anwendung von Manueller
Lymphdrainage und Komplexer Physikalischer Entstauungstherapie muss mit
dem Tierarzt abgesprochen werden. Sie
kann bessern, unter bestimmten Umständen aber auch kontraindikativ wirken.
J. Wiedemann
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Fallbeispiel Patient 2
Eine 11-jährige Stute, die im Dressursport Klasse M geht, hat Probleme
mit einer alten Verletzung. Das Pferd
hatte eine Griffelbeinfraktur am linken
Hinterbein. Beim Vorbesitzer war die
Erkrankung unerkannt geblieben. Erst
bei der Ankaufsuntersuchung, die die
neue Besitzerin veranlasst hatte, wurde beim Röntgen der alte Bruch festgestellt. Das Pferd war zwar zu dem
Zeitpunkt nicht lahm gegangen, aber
die Stelle war dick. Das Pferd wurde
2003 operiert, das Griffelbein entfernt.
Hinterbein mit
Jedoch blieb das Bein nach wie vor gealter Verletzung
schwollen, es hat sich viel Narbengeund Schwellung.
webe gebildet. Außerdem haben aktuelle Röntgenaufnahmen gezeigt, dass es Kalkanlagerungen
am Röhrbein gibt; möglicherweise eine Reaktion des Organismus, um das fehlende Griffelbein zu ersetzen.
Die Besitzerin, die das Pferd auch in Klasse S starten
will, bemängelt, dass bei einigen Lektionen Probleme
auftauchen, dass trotz keiner sichtbaren Lahmheit, nicht
die 100 %ige Leistung vorhanden ist.
Physiotherapeut Christoph Waterhues erläutert, die Gefahr sei, dass im Training die als Folge von Bruch und OP
vorhandene Schwellung auf Bänder und Sehnen drückt
und sich daraus eine reduzierte Belastbarkeit ergibt. Anfang September wurde das Pferd bei ihm vorgestellt; zur
Behandlung wurden bislang vier Lymphdrainagen durchgeführt. Eine Behandlung dauert inklusiv des Wickelns
der Beine 45 Minuten.
Christoph Waterhues betont, dass Pferde, die mit solchen Problemen zu ihm kommen, keine Dauerkunden
werden sollen. „Das Ziel ist, mit der Lymphdrainage die
glatte Muskulatur in der Unterhaut zu aktivieren; die
Muskulatur sorgt über Kontraktion dafür, dass die Lymphe fließt und das Bein dünn bleibt.“ Keinesfalls soll die
Lymphdrainage zur Dauerbehandlung werden.
Die glatte Muskulatur hat aber in den vergangenen
Jahren bereits gelitten. Das heißt, der Muskel schafft nicht
mehr, über Kontraktion für den Fluss der Lymphe zu sorgen. Es ist viel Narbengewebe vorhanden, das zudem
,verklebt‘ ist. Die Schwellung kommt von diesem Narbengewebe. Außerdem könnte die Kalkanlagerung am Knochen bei einer Gewebeschwellung zu einer Reibebewegung und daher zu einem entzündlichen Prozess führen.
Zwei Faktoren, die unglücklich zusammenwirken.
„Nach sechsmaliger Lymphdrainage ist aber nun keine
ödematöse Gewebeschwellung mehr vorhanden; durch
das Narbengewebe und die Kalkanlagerung ist das Bein
jedoch im Umfang stärker als das andere Hinterbein.“ Das
Pferd bewegt sich aber nun davon unbeeinträchtigt.
Quellen
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Foto: nnnn
● „Manuelle Lymphdrainage beim Pferd“, Indikation,
Prävention, von Dirk Berens von Rautenfeld (Hrsg.) u.
Christina Fedele, 192 S., 144 Abb., 22 Tab., Schlütersche Verlagsgesellschaft
● „Leitfaden Physiotherapie“, von Bernhard Kolster u.
Gisela Ebelt-Paprotny, Gustav Fischer Verlag, 2. bearb.
Aufl., 1999
● www.wikipedia.de
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