Es grünt so grün - Dream Yacht Charter

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Es grünt so grün - Dream Yacht Charter
REVIER • BR ASILIEN
Es grünt so grün
Dschungelcamp. Im Südwesten der quirligen Olympiastadt Rio
de Janeiro liegt die Costa Verde – ein unberührtes Tropenparadies
mit geheimnisvollen Regen- und Mangrovenwäldern, einsamen
Stränden und rauschenden Wasserfällen.
Von Verena Diethelm
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Brasiliens, von Einheimischen auch die „brasilianische
Karibik“ genannt. Grün in allen Schattierungen schillern hier
nicht nur die dicht mit Regenwald bewachsenen Hänge des
Serra do Mar und die rund 400 vorgelagerten Inseln, sondern
auch der Atlantische Ozean, in den unzählige Flüsse münden.
Mit einer Liste voller Highlights in der Tasche verabschieden
wir uns von Marcello, Segellehrer und technischer Leiter der
Dream-Yacht-Charter-Basis in der Marina Verolme. Nicht ohne
zuvor ein Gelübde abgelegt zu haben. „Ihr müsst unbedingt
Austern im Fjord Saco de Mamanguá essen und Cachaça bei
Maria Izabel trinken. Das ist ein Muss. Versprochen?“, insistiert
Marcello. Versprochen. Und los geht’s!
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FOTO: VERENA DIETHELM
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arcello Quintella steht vor einem Dilemma. Unschlüssig fährt er mit seinem Finger auf der großen Wandkarte hin und her, zeigt mal auf eine
Bucht, einen Wasserfall, eine Insel, einen Fjord,
ein Restaurant, eine Stadt. Wir haben ihn nach
den Highlights für einen einwöchigen Törn in der Bahia da Ilha
Grande im brasilianischen Bundesstaat Rio de Janeiro gefragt.
„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich könnte euch leicht ein
Programm für mehrere Monate zusammenstellen“, erklärt Marcello verzweifelt. Die Bahia da Ilha Grande liegt an der Costa
­Verde, einem 500 km langen Küstenabschnitt zwischen Rio de
Janeiro und Santos, und zählt zu den schönsten Landschaften
REVIER • BR ASILIEN
Palmenhaus. Costa Verde
heißt nicht umsonst „grü­
ne Küste“. Die Vegetation
ist dank der häufigen
Regenfälle äußerst üppig,
Orchideen wachsen wie
Unkraut am Wegesrand.
Beim Segeln sollte man
sich von der reizvollen
Umgebung nicht ablen­
ken lassen. Viele ver­
meintliche Durchfahrten,
etwa jene zwischen Ilha
Itanhanga und Ilha
Paqueta, sind wegen
unter Wasser liegender
Steine unpassierbar
Dschungelfieber.
Ballermann statt Osterfriede
Schon von weitem vernehmen wir ein seltsames Wummern, das
so gar nicht zu der idyllischen Kulisse aus Inselchen, Palmen und
Sandstränden passen will. Als wir um die Südspitze der Ilha Gipóia
biegen, bietet sich uns ein außergewöhnlicher Anblick. ­Marcello
hatte uns zwar vorgewarnt, dass es am Osterwochenende, das
gleichzeitig das Saisonende einläutet, in der bei der brasilianischen
High Society beliebten Enseada Dentista etwas voller werden kann,
aber das hätten wir nicht erwartet. Von der malerischen Bucht ist
kaum etwas zu erkennen, Motorboot liegt an Motorboot, dazwischen drängen sich Menschenmassen im seichten Wasser. Es wäre
keine Schwierigkeit, die Bucht trockenen Fußes zu durchqueren.
Inmitten des ganzen Tohuwabohus thront eine Superyacht, die
ihre rund 1,5 Meter hohen Lautsprecherboxen am Bug in Stellung
gebracht hat und die gesamte Bucht beschallt. Ballermann auf brasilianisch! Wir nehmen Reißaus und suchen Zuflucht auf der Ilha
Grande, der – wie es der Name vermuten lässt – größten Insel im
Archipel.
Die zu mehr als 90 Prozent mit Wald bedeckte Ilha Grande war
nicht immer ein Naturparadies, sondern einst Piratennest, Umschlagsplatz für den Sklavenhandel, Cholera- und Leprakolonie
und schließlich Gefängnisinsel für Schwerstverbrecher und politische Gefangene. Heute zeugen von dieser bewegten Vergangenheit nur noch ein paar verfallene Ruinen. Seit der Auflassung der
Gefangenenanlage 1994 wurde die Insel für einen sanften Tourismus entwickelt. Es gibt keine asphaltierten Straßen, ja nicht einmal Autos auf Ilha Grande und auch große Hotelkomplexe sucht
man vergebens.
In der Enseada Sítio Forte, die sich in mehrere Abschnitte unterteilt, legen wir in der westlichsten Bucht namenes Ubatuba an
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FOTOS: VERENA DIETHELM (4), MARKUS HOFPOINTNER (1)
Der Weg durch den
Mangrovenwald ist
beschwerlich, vor allem
bei Ebbe. Immer wieder
bleibt das Dingi im seich­
ten Flussbett stecken. Die
Anstrengung lohnt sich
aber, denn am Ende war­
tet ein Wasserfall (rechts),
der in einem Süßwasser­
pool mitten im Regen­
wald mündet
einer Boje an und machen uns mit dem Dingi in der einfallenden
Dunkelheit auf die Suche nach der kleinen Bar, die sich laut Hafenhandbuch rechts vom Strand befinden soll. Aber welcher Strand
ist gemeint? Und welches Rechts? Einlaufend rechts, auslaufend
rechts? Wir fahren die gesamte Bucht aus, legen an so manchem
Steg an und ernten dort verwunderte Blicke der Hausbesitzer. Dem
darauf folgenden Redeschwall auf Portugiesisch können wir nur
Englisch und ein paar Brocken Spanisch entgegensetzen. Unverrichteter Dinge kehren wir schließlich an Bord zurück und so landet die erste Ration Spaghetti im Kochtopf.
Süß oder salzig
13 Sekunden! Neuer Rekord! So lange dauert es, bis man in der
­Enseada do Pouso vom Salz- ins Süßwasser gelangt. Bis man sich
vom Türkisblau des Meeres getrennt hat, über eine schmale Sandbank gehastet und in die goldgelb schimmernden Fluten des Rio
Itaóca geplumpst ist. Bei einsetzender Flut bilden sich auf der Sandbank mehrere Pools, man badet je nach Wunsch süß oder salzig.
Nach der 22 Seemeilen langen Überfahrt von der Ilha Grande, die
durch wenig Wind, einem Slalom vorbei an unzähligen Frachtern
auf Reede und der langgezogenen Atlantikwelle gekennzeichnet
war, ist so ein Wechselbad genau das Richtige. Hier ließe es sich
länger aushalten, aber die Zeit drängt. Wir haben schließlich ein
Versprechen einzulösen.
In der untergehenden Sonne laufen wir in den Saco de Mamanguá – den einzigen Fjord Brasiliens, der sich vor seinen skandinavischen Pendants nicht verstecken braucht – ein. In dem mehr als
vier Seemeilen tiefen Einschnitt liegt man wie in Abrahams Schoß,
geschützt vor Wellen, Strömung und praktisch allen Winden. Bis
auf Südwestwind und genau der weht uns aus der Schlucht, die
umgeben von 500 Meter hohen Bergen eine Düse bildet, entgegen.
Deshalb wollen wir so schnell wie möglich unseren Liegeplatz für
die Nacht finden. Die einsetzende Dämmerung macht jedoch die
Orientierung schwierig und so hängen wir uns an die erstbeste
Boje, die Marcellos Beschreibung entspricht, und bringen zusätzlich noch einen Anker aus. Das Fischerdorf, das nur über den Seeweg zu erreichen ist und auch ein Restaurant beherbergen soll, befindet sich leider außerhalb der Reichweite unseres Dingis. Also
heißt es wieder: Spaghetti für alle!
Bei Tageslicht entpuppt sich das vermeintliche Ferienhäuschen
von Marcellos Freund als Luxusvilla, die man für 2.500 bis 5.000
US-Dollar pro Nacht mieten kann und in der einer der TwilightFilme gedreht wurde. Uuups.
Ich Tarzan, du Jane
1,6 Meter, 1,5 Meter, 1,4 Meter. Oh-oh. Die Tiefenangabe unseres
Echolots nähert sich rasant dem kritischen Bereich. Vorsorglich
geh ich schon mal vom Gas runter, aber Dadico, der uns mit seinem Motorboot an den Ankerplatz lotst, deutet uns nachzukommen. Am Ende des Fjords, vorbei am Ponta do Bananal wird es richtig seicht. Schließlich werfen wir auf nur 1,3 Meter Wassertiefe den
Anker. Gut, dass wir mit einem Kat unterwegs sind.
In engen Kurven windet sich der Rio Cairucu durch den Mangrovenwald. Knallrote Krabben beobachten, wie wir uns mit dem Dingi durch das seichte Flussbett mühen, immer wieder den Antrieb
nach oben klappen müssen und trotzdem stecken bleiben. Von
Kurve zu Kurve wird das zunächst tiefschwarze Wasser immer klarer, bis man schließlich am Grund jedes goldene Sandkorn erkennt.
Nach einem kurzen Spaziergang durch den Dschungel, vorbei an
Bananenstauden, Ananasfeldern und Mangobäumen, erreichen
wir unser Ziel: In mehreren Kaskaden fällt ein kleiner Wasserfall
in einen Kühle spendenden Naturpool. Vom höchsten Baum­wipfel
baumelt ein Seil. Dadico zeigt uns, dass man darauf wie Tarzan
hin- und herschwingen kann, dann verschwindet er wieder im
Regenwald. Soweit wir ihn verstanden haben, ist er der Besitzer
des kleinen Restaurants, an dem wir ihn am Morgen aufgegabelt
haben.
In der Nebensaison muss er als Chef den Laden fast ganz alleine schupfen, ist Fischer, Reiseführer, Taxifahrer, Kellner und Barmann in Personalunion. Diese Herausforderung meistert Dadico
ganz bravourös. Das Mahl, das er uns später auftischt, entschädigt
für die kulinarischen Entbehrungen der letzten Tage: Palmherzen-Salat, gegrillte Calamari, Oktopus, Wolfsbarsch, frittierte Maniok, Reis mit Bohnen und als Krönung frische Austern. Ich bin
eigentlich kein Fan der schleimigen Meerestiere, aber wären alle
Austern so köstlich wie die von Dadico servierten Exemplare, könnte sich das womöglich ändern. Dazu kredenzt uns der sympathische Hausherr den besten, aber auch stärksten Caipirinha
zwischen Rio und São Paulo. Der prompt einsetzenden Sinnes­­ein­trübung versuchen wir mit einem Sprung ins Wasser entgegenzuwirken, doch statt eines kühlen Kopfes erwartet uns ein grünes
Wunder: Rund um uns lässt Plankton das Meer leuchten, es funkelt und glitzert, dass es eine Freude ist.
Freiluftmuseum
Nach so viel Natur wird es Zeit für Kultur. Die Gelegenheit in die
brasilianische Geschichte einzutauchen bietet das unter Denkmalschutz stehende Städtchen Paraty. Das einst von Guaianá-Indianern bewohnte Gebiet wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts
zu einem wichtigen Handelsplatz für Gold und Edelsteine aus den
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Schlemmerstunde.
Geschichtsstunde. In Paraty kann man auf den Spuren der portugiesischen
Kolonialherren durch die autofreien Gassen wandern
Die Spezialität von
Dadicos Restaurant
sind frische Aus­
tern, die der Chef
persönlich aus dem
Wasser holt (2).
Nicht alle Restau­
rants sind leicht zu
finden. Das Restau­
rante do Hiltinho
ist nur an den bun­
ten Schirmen zu
erkennen. Das Sol
ist zwar kein loka­
les Bier, macht den
Sonnenuntergang
im schwimmenden
Restaurant in der
Bucht Dentista
5 aber noch schöner
MICHAEL BURGSTALLER
V
ielseitig wie die Vegetation ist auch das Klima in
Brasilien. Das liegt einerseits an der enormen Ausdehnung des Landes, welches sich von ca. 5 Grad Nord
bis ca. 35 Grad Süd erstreckt, andererseits an der unterschiedlichen Orographie mit weiten Ebenen, hohen Gebirgen, ausgedehnten Flüssen und Regenwäldern.
An der brasilianischen Atlantikküste treffen so viele Klimazonen aufeinander, wie kaum sonst wo auf diesem Planeten; vier sind es alleine zwischen Rio de Janeiro und São Paulo. Im Norden von Rio dominiert tropisches Regenwaldklima
oder tropisches Monsunalklima, etwas südlicher ist tropisches
Savannenklima vorherrschend. In der Gegend um São Paulo
wird das Klima als subtropisch und ozeanisch eingestuft.
Am häufigsten regnet es an der brasilianischen Atlantikküste im Sommer, also in den Monaten November bis März.
Dann fällt beinahe jeden zweiten Tag Niederschlag, wobei
die Regenschauer immer nur kurz, dafür sehr intensiv, teils
auch gewittrig ausfallen. So kann es in einer Stunde 20 Liter
pro Quadratmeter oder mehr regnen. Die Temperaturen
liegen in der Nacht bei 22 Grad, tagsüber um 32 Grad. In der
Umgebung von Rio de Janeiro können die Tageshöchstwerte auch 40 Grad Celsius erreichen. Abkühlung findet man im
Atlantik, der zu dieser Zeit angenehme 23 bis 26 Grad hat.
Bemerkenswert ist die hohe Luftfeuchtigkeit, die praktisch
immer zwischen 70 und 90 Prozent liegt.
Die Windgeschwindigkeiten sind familientauglich. Da
kaum Frontensysteme diese Gegend erreichen, ist der Wind
zumeist thermisch induziert, durch die teils starke konvektive Bewölkung schwach und in der Richtung drehend. Generell ist in der Bahia da Ilha Grande leichter Ostwind mit 8
bis 14 Knoten vorherrschend. Einzig in Gewittern treten gelegentlich Windspitzen mit Sturmstärke auf. Dieser Spuk dauert aber nur kurz. Im Winter können Kaltfronten, die von
Südwest kommen, stärkeren Wind mit bis zu 25 Knoten mitbringen, der jedoch meist nach einem Tag abflaut.
Wer gemäßigtere Temperaturen bevorzugt, ist in den Monaten April bis Oktober – also im brasilianischen Winter –
an der Atlantikküste sehr gut aufgehoben. In den Nächten
fällt das Quecksilber bis auf 16 Grad, tagsüber erreichen die
Höchstwerte 25 Grad. Die Wassertemperaturen sind mit rund
23 Grad immer noch badetauglich. Die Anzahl der Regen­
tage sinkt auf ein Minimum von 7 Tagen im Monat Juli.
Leider gibt es für die Region keinen verlässlichen Seewetterbericht. Die besten Informationen liefert die Internetseite tempo.cptec.inpe.br bzw. die App CPTEC, die für iOS und
Android zur Verfügung steht.
MICHAEL BURGSTALLER
Der 34-jährige Gmundner ist begeisterter Fahrten- und RegattaSegler, hat in Innsbruck Meteorologie und Geophysik studiert und
sich mit einem Ingenieursbüro für Meteorologie und Energie­wirt­
schaft selbstständig gemacht. Er ist zweifacher oberöster­reichi­
scher Landesmeister (Yardstick), RPC-Sieger 2014, zweifacher
Kornati-Cup-Sieger in der Klasse Cruiser 45 und hat an Rolex
Middle Sea Race und Fastnet teilgenommen. Er hält Seminare
zum Thema Segelwetter und Wetterpro-gnosen für Regatten.
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Minas Gerais. Über den „Caminho do Ouro“ wurden die Reich­
tümer an die Küste transportiert und in Paraty verschifft. Später
mutierte die Stadt zu einem wichtigen Umschlagsplatz für Sklaven, Zuckerrohr oder Kaffee.
Ihre Blütezeit erlebte die Küstenstadt Mitte des 18. Jahrhunderts. Aus dieser Periode stammen Herrenhäuser, barocke Kirchen
und ein Fort. Die guterhaltenen, weißgetünchten Bauten mit
ihren bunten Fensterrahmen und Holztüren, sowie aufwändigen
Stuck- und Schmiedearbeiten beherbergen heute Souvenirshops,
Restaurants und Pousadas genannte Pensionen. Ein architektonisches Juwel stellt die Santa Rita dos Pardos Libertos dar, die älteste Kirche Paratys, die von freigelassenen Sklaven erbaut wurde. Sie
ist vom Wasser aus gut sichtbar und darf auf keiner Postkarte der
37.000-Einwohner-Stadt fehlen. Über die kopfsteingepflasterten
Gassen rollen auch heute noch Pferdekarren, die malerische
Altstadt ist für Autos gesperrt. Kein Wunder, dass Paraty ein beliebter Drehort für Telenovelas ist.
Unser Interesse gilt aber nicht nur den architektonischen
Sehenswürdigkeiten, sondern auch einem besonderen kulinarischen Genuss. Vor 400 Jahren wurde in Paraty der Cachaça erfunden. Bevor die brasilianische Spirituose seinen heute gebräuchlichen Namen bekam, wurde „Paraty“ sogar synonym verwendet.
Von den einst über 300 Brennereien sind zwar nur noch sieben
über, die sollen aber den besten Cachaça Brasiliens produzieren.
Wir halten uns an Marcellos Empfehlung und wollen bei Maria Izabel einkehren, die eine sehr bekannte Destillerie außerhalb
von Paraty betreibt. Ein Besuch bei Maria Izabel sei ein Erlebnis,
schwärmte Marcello, sie sei selbst Seglerin und habe viele interessante Geschichten zu erzählen. Ob wir die wohl verstehen werden? Schon die telefonische Anmeldung gestaltet sich schwierig.
Auf Französisch vereinbaren wir einen Besuchstermin und erfragen die Anfahrt. Wir entscheiden uns für den Seeweg und ankern
vor dem Städtchen Corumbe. Von dort sollte es mit dem Dingi eigentlich nur ein Katzensprung zu Maria Izabel sein. Eigentlich.
2
3
5
Bom apetite!
Kulinarik. Die Küche der Costa Verde hat viel zu bieten: frische Fische und Meeresfrüchte, exotische Früchte und den besten Cachaca von
ganz Brasilien. Besonders stimmungsvoll ist es, wenn man diese Gaumenfreuden in einem schwimmenden Restaurant genießt
Die brasilianische Küche spiegelt den kul­­tu­rellen Schmelztiegel wieder und ist sehr
viel­fältig. Die regionalen Unterschiede sind
enorm, je nachdem ob der Einfluss der Ur­einwohner, der ehemaligen portugiesischen
Kolonial­h erren, der europäischen Einwanderer oder der afrikanischen Sklaven stärker
war. W
­ ährend die Küche Rios sehr fleisch­
lastig ist, dominieren an der Costa Verde
Fisch und Meeresfrüchte aller Art die Speisekarte. ­A llgegenwärtig ist das brasilianische
Nationalgericht Moqueca, ein Fisch- und
Meeres­f rüchteeintopf, der mit Kokosmilch,
Palmöl und Tomaten in einem Tongeschirr
zubereitet wird.
Eine Besonderheit in der Bahia da Ilha
Grande sind die schwimmenden Restaurants,
die auf Holzflößen in den Buchten verankert
sind und einfache, aber gute Küche bieten.
Die meisten können nur mit dem Dingi oder
schwimmend erreicht werden.
Die Preise in den Restaurants sind generell
moderat. Für ein üppiges Abendessen mit Vorspeise und Hauptgang inklusive alkoholischer
Getränke waren durchschnittlich rund 20 Euro
zu bezahlen. An abgelegeneren Orten oder
gehobeneren Lokalen in Paraty und Abrao
muss man mit rund 40 Euro pro Person
­rechnen.
Achtung: In manchen Restaurants werden
die Portionen für zwei Personen berechnet.
Wer das jeweilige Gericht alleine essen will,
zahlt 60 Prozent des Preises in der Karte.
Es empfiehlt sich die Portionengröße vorab
abzuklären, da dies nicht immer aus der
Speisekarte ersichtlich ist.
1. Cafe do Mar
Direkt am Strand unter einem schattenspendenden Mandelbaum, entspannte Atmos­
phäre mit chilliger Musik und Meeresblick,
internationale Küche von Wiener Schnitzel bis
italienischer Pasta, ausgezeichnete Cocktails
und frische Fruchtsäfte.
Praia Canto, Abrao, Ilha Grande, Tel.: +55 24 33619446
E-Mail: [email protected], www.cafedomar.com
2. Restaurante do Dadico
Am Westufer des Fjords ungefähr auf Höhe
der Ilha Pequena gelegen. Ein Besuch bei
Dadico ist ein absolutes Muss. Uriges Ambiente. Frische Austern und die besten Caipirinhas der gesamten Costa Verde. Zehn Austern
kosten nicht mal sieben Euro, ein Caipirinha
€ 5,40. In der Hauptsaison wird eine Reservierung empfohlen, in der Nebensaison hat man
unter der Woche das Lokal für sich allein und
wird wie ein König behandelt.
Saco de Mamangua, Paraty, Tel.: +55 24 9930 1612
3. Restaurante do Hiltinho
An der Westküste der Insel, erkennbar an den
bunten Schirmen und dem kleinen Anlegesteg.
Auf einer Anhöhe gelegen mit herrlichem Ausblick über das Meer. Filiale des gleichnamigen
Restaurants in Paraty. Bietet Fischgerichte
jeder Art, darunter das Nationalgericht
Moqueca. Verhältnismäßig teuer. Täglich
geöffnet von 11 bis 17 Uhr.
Ilha do Algodao, Paraty, Tel.: +55 24 3371 1488
E-Mail: [email protected], www.barcoupe.com/ilha.htm
4. Restaurante e Bar Bom Jardim
Eine Oase der Ruhe. Im kühlen Innenhof eines
wunderschönen, kolonialen Herrenhauses
mitten in der Altstadt von Paraty gelegen.
Die Speisekarte bietet italienische Klassiker
wie Penne arrabiata aber auch exotischere
Fusionsgerichte wie etwa Kassava-Lasagne
oder Bananen-Ingwer-Garnelen-Risotto.
Rua do comércio, Paraty, Tel.: +55 2433712544
5. Casa do Mar
Das Casa do Mar ist ein sogenanntes
­s chwimmendes Restaurant (Restaurante
Flutuante). Das Floß ist im Osten der Dentista
Bucht verankert und bietet einfache Küche mit
viel frischem Fisch, Calamari und Shrimps.
Sehr engagierter Wirt.
Praia do Dentista, Gipóia, Angra, Tel.: +55 24 97403 6440
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FOTOS: VERENA DIETHELM
WIND &
WETTER
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Route (insgesamt rund 117 sm). Marina Verolme –
Ilha Gipoia – Sitio Forte – Enseada do Pouso – Saco
do Mamanguá – Ilha Algodão – Paraty – Corumbe –
Ilha Itanhanga – Bracui – Ilha Gipoia – Marina
Verolme
Marina
Bracuí
Ruhepol. Die
Ilha
Itanhangá
Angra
dos Reis
Marina Verolme
Ilha da Gipoia
Ilha Comprida
de Boqueirão
Dentista
Bahia da
Ilha Grande
Enseada do
Sítio Forte
Ilha Grande
Maria Izabel
Corumbe
Ilha do
Algodão
Paraty
ParatyMirim
Saco do
Mamanguá
Enseada
do Pouso
Lage: Die Costa Verde liegt rund 150 km südwestlich von Rio de Janeiro im gleichnamigen
Bundesstaat. Die Bahia da Ilha Grande
erstreckt sich zwischen den beiden Städten
Angra dos Reis im Osten und Paraty im Westen. Die Zeitverschiebung gegenüber Europa
beträgt 5 Stunden (UTC-3).
Anreise: Gute Flugverbindungen mit Air
France, KLM, Lufthansa, British Airways, Iberia
und TAP Portugal über Paris, Amsterdam,
Frankfurt, London, Madrid und Lissabon nach
Rio de Janeiro. Von dort sind es je nach Verkehr rund 2,5 Stunden Autofahrt nach Angra
dos Reis. Die Charterfirma organisiert einen
Flughafentransfer für 22 Euro pro Person. Es
gibt außerdem eine günstige Busverbindung
vom Bahnhof Rodoviaria in Rio. Für die Einreise wird kein Visum benötigt, nur ein Reisepass, der noch mindestens sechs Monate
­g ültig ist.
Reisezeit: Ganzjahresrevier. In der Hauptsaison (Dezember bis März) sind in der Bahia da
Ilha Grande viele brasilianische Touristen aus
São Paulo und Rio unterwegs. Danach wird
es bis auf Abraão und Paraty schnell ruhiger.
Vor allem auf den kleineren Inseln haben Restaurants dann geschlossen. Es empfiehlt sich
für alle Eventualitäten vorbereitet zu sein und
genug Proviant gebunkert zu haben.
30
Ankerplätze
wie hier vor
der Insel Itan­
hanga sind
in der Neben­
saison einsam
und verlassen.
Auf der
Ilha Grande
(rechts) lohnt
sich eine Wan­
derung durch
den Regen­
wald. Eine Be­
gegnung mit
Weißbüschel­
äffchen ist kei­
ne Seltenheit
FOTOS: VERENA DIETHELM
Revierinfo
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Finanzen: Auf den Inseln in der Bahia da Ilha
Grande gilt „nur Bares ist Wahres“. Es gibt
keine Geldautomaten, die Verwendung von
Kreditkarten ist nur in Angra dos Reis und
Paraty möglich und selbst dort nicht überall.
Es empfiehlt sich zu Beginn des Törns in
Angra dos Reis genug Bargeld abzuheben.
Ein Geldautomat befindet sich im Einkaufszentrum Piratas.
Gesundheit: Es sind keine Impfungen
v­ orgeschrieben. Wegen der von Stechmücken übertragenen Krankheiten wie Zika,
Malaria, Gelb-, Dengue- und Chikungunyafieber sollte ständig auf einen wirksamen
Insektenschutz geachtet werden. Schwangere sollten derzeit wegen des Zika-Virus,
der zu schweren Missbildungen von Ungeborenen führen kann, eine Reise nach Bra­
silien meiden. Der Abschluss einer Zusatzversicherung für den Krankheitsfall und
Krankentransport, auch für Krankentransportflüge, wird dringend angeraten.
Nautische Infos: Die Bahia da Ilha Grande
ist navigatorisch nicht besonders anspruchsvoll. Die Hauptansteuerungen sind gut befeuert. Zu beachten ist, dass das Betonnungssystem B wie in Amerika und der Karibik gilt. Die
Entfernungen zwischen den Inseln sind überschaubar. Die Ilha Grande hält die Atlantik­
dünung ab, so dass das Fahrgebiet mehr an
ein Binnen-, als ein Küstenrevier erinnert. Der
Tidenhub beträgt max. 1,20 Meter.
Das nautische Zentrum der Region befindet
sich in Angra dos Reis, wo es etliche Marinas
und eine gute nautische Infrastruktur gibt.
Marinas gibt es sonst nur noch in Paraty. Insgesamt gibt es in der Bahia da Ilha Grande rund
15 Marinas. Liegeplätze sind recht teuer. Für
einen 40-Fuß-Katamaran waren in Paraty 105
Euro pro Nacht fällig. In den meisten Buchten
wird auf Schlick oder Sand geankert. Bojen
sind nur selten vorhanden.
Das Angebot an nautischer Literatur ist
leider spärlich. Deutschsprachige Hafenhand­
bücher oder Revierführer gibt es gar nicht. Der
englischsprachige Brazil Cruising Guide von
Michael Balette, 2010, der die gesamte brasilianische Küste abdeckt, befasst sich mit dem
Fahrtgebiet nur recht oberflächlich. Die An­gaben sind oft eher verwirrend als hilfreich.
Charter: Als Segelrevier ist Brasilien bei den
europäischen Yachties noch relativ unbekannt.
Zu Unrecht, denn die brasilianische Küste verfügt über alle Zutaten, die einen entspannten
Törn ausmachen. Der Chartertourismus steckt
noch in den Kinderschuhen. Als erstes internationales Charterunternehmen hat sich Dream
Yacht Charter mit seinem bereits seit den
1970er Jahren bestehtenden Partner Brasil
Yacht Charter zusammen getan. Aktuell
stehen in Angra dos Reis vier Yachten, eine
Cyclades 50, Cyclades 39.3, ein Lagoon 400
S2 und eine Oceanis 38.1 zu Verfügung. Der
beschriebene Törn wurde auf einem Lagoon
400 S2 gesegelt, der mit einer überkompletten
Ausstattung inklusive Klimaanlage und Generator aufwarten konnte. Preis: € 8.381,–/
Woche in der Hauptsaison.
Dream Yacht Charter wurde 2001 in den
Seychellen gegründet und betreibt mittlerweile
eine Flotte von rund 800 Yachten in mehr als
40 Stützpunkten weltweit (Mittelmeer, Karibik,
Bahamas, Australien, Südpazifik und USA).
Das französische Unternehmen arbeitet unter
anderem mit den österreichischen Agenturen
Aichfeld Yachting, Alexandra Hofinger, CSI,
Mariteam, Trend Travel & Yachting, Yachtcharter Müller Linz und Yachting 2000 zusammen.
Über eine Stunde irren wir herum. Im dichten Regenwald sind
Häuser kaum zu erkennen und die widersprüchlichen Wegbeschreibungen der Einheimischen helfen auch nicht weiter. Schließlich kapitulieren wir vor einem dichten Mangrovenwald und ziehen uns nicht nur angesichts der aussichtslosen Lage sondern
auch mit Blick auf die sich rundum gefährlich auftürmenden
Gewitterwolken zur Boa Vida zurück.
Fremdkörper
Auf dem Weg zurück in die Bucht der Könige lassen wir es uns nicht
nehmen, bei auffrischendem Südwestwind an einem der umstrittensten und bekanntesten Bauwerke der Region vorbei zu segeln. An
der Praia de Itaora steht direkt an der überschwemmungs- und erd­
rutschgefährdeten Küste schon von weitem sichtbar das einzige kommerzielle Atomkraftwerk Brasiliens. Einen größeren Gegensatz zu
der sonst so unberührten Natur kann man sich nicht vorstellen.
Nach einem Abstecher zur tropisch-schönen Ilha Itanhanga, deren
Restaurant leider dem Verfall preisgegeben wurde, geben wir zum
Abschluss der Enseada Dentista noch eine Chance. Als wir in die
Bucht einlaufen, erkennen wir sie kaum wieder. Vollkommen verlassen, friedlich und ruhig liegt sie vor uns. Nur die Schreie der Affen, Vogelgezwitscher und das sanfte Rauschen der Wellen sind zu
hören. Als einzige Yacht lassen wir unseren Anker in den feinen
Sand fallen, der hier ausnahmsweise weiß und nicht goldgelb ist,
Wir schwimmen zum Restaurante Flutuante, lassen uns mit gegrillten Calamari, Scampi in Limettensaft und Knoblauch, Ceviche,
frittiertem Fisch und kaltem Bier bewirten. Die Sonne versinkt hinter einer über dem spiegelglatten Meer hängenden Palme und taucht
den Himmel in glühendes Rot. Nun verstehen wir Marcellos Dilemma. Jeder Tag in der Bahia da Ilha Grande war ein Highlight, jeder
unvergleichlich auf seine eigene Art und Weise. Trotzdem stehen
auf unserer Liste noch immer genügend nicht abgehakte Punkte
für mehrere Törns. Und ein uneingelöstes Versprechen. Aber wie
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heißt es so schön? Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Info: www.dreamyachtcharter.com
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