Tadeusz Kantor: "Bilder, die man nicht vergisst"

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Tadeusz Kantor: "Bilder, die man nicht vergisst"
Nr. 54 | 2. Juni 2015
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Neues Museum in Nürnberg
Zeichnung heute: Innovatives im Raum
Im Neuen Museum geht der Internationale Faber-Castell Preis für Zeichnung in die zweite Runde
Anastasia Ax arbeitet am Werk The Current, 2012. Am Project Space, Shanghai. Foto: Fan Shisan
Termine
Ausstellungen
Gesichter – Ein Motiv zwischen Figur,
Porträt und Maske
bis 21. 6. 2015
Jeppe Hein: Hexagonal Water Pavilion
Klarissenplatz
2. 7. bis 20. 9. 2015
Internationaler Faber-Castell Preis für
Zeichnung 2015
17. 7. bis 11. 10. 2015
Preisverleihung und Eröffnung
16. 7. 2015, 19 Uhr
100 Beste Plakate 14
Deutschland Österreich Schweiz
23. 7. bis 13. 9. 2015
RINGaggregate
16. 10. bis 6. 12. 2015
Eröffnung 15. 10. 2015, 19 Uhr
Sammlung
Tadeusz Kantor. Zum 100. Geburtstag:
„Das Theater der Automaten geht weiter“
bis 17. 1. 2016
Zeichnen ist nicht nur eine der ältesten Kulturtechniken des Menschen, sondern verbindet auch
die bildende Kunst mit anderen Wissensgebieten.
Die Zeichnung ist künstlerische Gattung, doch
gleichzeitig auch ein Medium des Entwerfens und
der Darstellung in der Technik, der Architektur, der
Wissenschaft und der Mode.
Dem heutigen Einsatz der Zeichnung in der Kunst
auf die Spur zu kommen, hat sich das Neue Museum in seiner Kooperation mit dem Unternehmen
Faber-Castell vorgenommen. 2012 wurde der Internationale Faber-Castell Preis für Zeichnung ins
Leben gerufen, ein hochdotierter Preis, der alle drei
Jahre vergeben wird und der im Bereich der Zeichnung Künstler honoriert, die innovativ arbeiten
und außergewöhnliche Entwicklungen erwarten
In drei Sammlungsräumen werden Designobjekte das Thema „Ost und West“ beleuchten. Den
Auftakt der Reihe East and West – eine Kooperation
des Neuen Museums mit der Neuen Sammlung in
München unter jeweils neuer Leitung – bildet der
Raum DDR / BRD, der sich der Gegenüberstellung
von Alltagsobjekten aus Ost- und Westdeutschland
Sexy-mini-super-flower-pop-op
Deutsche Kunst der 60er Jahre
ab 7. 8. 2015
Zwei Prozent. Kunst-am-Bau-Projekte
aus der Sammlung Rühl
ab 25. 9. 2015
Eröffnung 24. 9. 2015, 18 Uhr
Veranstaltungen
Zeitensprünge
Nürnberger Akkordeon-Ensemble
So 5. 7. 2015, 11.15 Uhr
Pegnitzschäfer-Klangkonzepte
Georg-Elser-Jazz-Oratorium
So 19. 7. 2015, 11.15 Uhr
Kantor ist da
Ein Abend mit zwei Filmen zu
Tadeusz Kantor
Di 29. 9. 2015, 18 Uhr
Alle Termine und weitere Infos unter
www.nmn.de
Internationaler Faber-Castell Preis für
Zeichnung 2015
17. 7. bis 11. 10. 2015, Eröffnung 16. 7. 2015, 19 Uhr
Auftakt 14. 7. 2015, 19 Uhr: Performance von
Anastasia Ax
Ulla von Brandenburg, Kostüm mit Bändern, 2015. Foto: Peter Sander
Design aus Ost und West
East and West: Tschechisches Design
ab 3. 7. 2015
Das Künstlerbildnis als Selbstbildnis
in der Fotografie
Begleitprogramm zur Ausstellung Gesichter
Vortrag von Prof. Dr. Hans Belting, Karlsruhe
Ort: Germanisches Nationalmuseum
Do 11. 6. 2015, 19 Uhr
lassen. Die unterschiedlichen Ansätze von Zeichnung der teilnehmenden Künstler können dabei
bis zu medienübergreifenden Werken reichen und
veranschaulichen die Aktualität und Autonomie des
Mediums. Verbunden mit dem Preis ist eine Ausstellung im Neuen Museum, in der jeweils fünf durch
Fachleute nominierte Künstler ihre Werke vorstellen und aus deren Kreis dann der Preisträger von
einer eigens einberufenen Jury ermittelt wird.
Dieser Preis ist historisch gesehen vortrefflich in
Nürnberg verankert: Am Ort befindet sich die älteste Kunstakademie Deutschlands, in der Zeit der
Renaissance hatte der weltberühmte Künstler Albrecht Dürer, der auch ein begnadeter Zeichner war,
in der Stadt sein Domizil. Auch die Hersteller für
Zeichengeräte sind in dieser Region vielfältig vertreten. Projektpartner Faber-Castell, internationaler
Schreib- und Zeichengerätehersteller aus Stein, feierte gerade sein 250-jähriges Firmenjubiläum.
Nach dem gelungenen Start dieses Kunstpreises
im Jahr 2012 mit der amerikanischen Künstlerin
Trisha Donnelly als Preisträgerin, ist es wieder eine
internationale Künstlerschaft, die in diesem Jahr an
den Start geht: Der englische Künstler Ed Atkins, die
griechisch–schwedische Künstlerin Anastasia Ax, die
bei Paris lebende Deutsche Ulla von Brandenburg,
die in Brüssel lebende Bulgarin Aleksandra Chaushova sowie die in Wien lebende deutsche Künstlerin Julia Haller bewerben sich mit ihren Beiträgen in
der Ausstellung um den Preis. Die Beiträge sind medial vielfältig mit Film, Installation und einer Performance zum Auftakt, die man nicht verpassen sollte.
widmet. Die gegensätzlichen politischen wie wirtschaftlichen Systeme beider deutscher Staaten
spiegeln sich im Zeitraum der Teilung Deutschlands auch im Produktdesign. Zeichneten sich
im Westen Produkte durch Materialvielfalt aus,
so war der Osten u. a. durch seinen Fokus auf die
chemische Industrie und damit auf den Werkstoff
Kunststoff gekennzeichnet. Dennoch existierte in
beiden Teilen Deutschlands das Ideal einer sachlichminimalistischen Formensprache, die die Objekte
ästhetisch annähern. Und die staatlichen Repräsentanten wie der westdeutsche Rat für Formgebung
(heute German Design Council) und das ostdeutsche
Amt für Industrielle Formgestaltung bemühten
sich um ein modernes Erscheinungsbild im
Produktdesign.
Wenig bekannt ist wohl, dass Entwürfe
aus der BRD in der DDR produziert wurden. Auch haben Firmen wie Quelle oder
Neckermann gegen Devisen im Osten Staubsauger, Küchengeräte, Radios oder Kameras eingekauft und auf dem Westmarkt vertrieben, ohne
dass dies für die Kunden ersichtlich wurde. Kuratiert
von Josef Straßer und Xenia Riemann eröffnen technische Geräte und Möbel, Glas und Porzellan oder
Leuchten und Spielzeug viele Perspektiven auf diese
Parallelwelten.
Tschechisches Design aus neun Jahrzehnten wird
im zweiten Raum ab 2. Juli präsentiert. Abgeleitet
aus der Historie des Landes liegen die Schwerpunkte auf dem tschechischen Avantgardedesign der
1920er und 1930er Jahre sowie auf dem jüngeren
Design ab 1990. Vor allem in der Möbelproduktion
und in der Glasherstellung sind in Tschechien herausragende Arbeiten entstanden.
Der letzte Teil der Reihe widmet sich dem Design
der USA (ab 20. November). Organische Formensprache und Funktionalität sind charakteristisch für die
Entwürfe führender Designer; Fragen des Komforts
und der Arbeitserleichterung prägen das Design für
den Alltag.
Das Display für alle drei Räume gestaltet der Berliner Künstler Tilo Schulz (*1972 in Leipzig).
Angelika Nollert
Tadeusz Kantor: „Bilder, die man nicht vergisst“
„Das sind Bilder, die man nicht vergisst, die man
nicht loskriegt“, sagt der Schweizer Regisseur
Christoph Marthaler über einen der größten Erneuerer des europäischen Theaters: Tadeusz Kantor
(1915–1990). Marthaler spricht aus, was vielen so
gegangen sein dürfte, die eine Produktion Kantors
erleben durften. Der polnische Künstler konnte ein
Diktator sein, cholerisch und zu keinen Zugeständnissen bereit, wenn es um seine Kunst ging. Viele
hatten unter seinen Launen zu leiden, allen voran
die Darsteller. Doch für alle, die seinen Weg kreuzten, blieb die Begegnung unvergesslich. Ein Genie,
dem man alles verzieh.
Kantor und sein Theater, das war eins. Davon
zeugte seine persönliche Präsenz im Bühnengeschehen, davon sprachen seine durch und durch
autobiografischen Stücke wie Die tote Klasse (1975)
oder Wielopole, Wielopole (1980). Dennoch waren
sie immer auch Spiegel des großen Weltgeschehens,
das in Kantors Lebenszeit eine Katastrophe auf die
andere folgen ließ. Der verrückten Welt antwortete
Kantors Theater in einer Mischung aus Zirkus, Revue, Aufmarsch, Prozession und Totentanz. Immer
ergriff Kantor Partei für die Opfer der Geschichte.
Das Arme, Schäbige, Abgenutzte und Gebastelte,
das seine Bühnenbilder prägte, schuf Gegenbilder
zu den glänzenden Fassaden der Macht.
Mit zwei Räumen erinnert das Neue Museum an
Tadeusz Kantor, der dieses Jahr 100 Jahre alt geworden wäre. Ein Raum ist dem bildenden Künstler
gewidmet, der mit sogenannten Emballagen einen
eigenständigen Beitrag zur Avantgardekunst seiner
Zeit lieferte, ein zweiter
dem Theatermann. Drei
Produktionen Kantors, darunter das Stück Die Künstler sollen krepieren, das
1985 in Nürnberg Welturaufführung feierte, werden
in Aufnahmen des Nürnberger Fotografen Günther
K. Kühnel vorgestellt.
Einen besonderen Blick auf den Künstler
bietet ein Abend mit Filmen zu Tadeusz Kantor am
29. September 2015 (18 Uhr).
Thomas Heyden
Kantors Schulbank aus Die tote Klasse. Foto: NM
Motorroller Cezeta 175,
Typ 501, 1956/57, Česká
zbrojovka a.s., Uhersky
Brod, Tschechoslowakei
Foto: Die Neue Sammlung (A. Laurenzo)