Inhaltsanalyse des Spiels "Flucht von Monkey Island"

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Inhaltsanalyse des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Inhaltsanalyse des Spiels "Flucht von Monkey Island" _________________________1
(Nadia Kraam-Aulenbach, Shahieda Ibrahim)
Auswertung der Befragung zum Spiel "Flucht von Monkey Island" ______________7
(Heike Esser)
Beschreibung der Untersuchungsgruppe _________________________________________ 7
Referentielle Aspekte der Inhalte ______________________________________________ 10
Spielinhalt und strukturelle Koppelung _________________________________________ 11
Semantische Aspekte des Inhaltes ______________________________________________ 15
Motivationale Aspekte der Inhalte _____________________________________________ 24
Syntaktische Aspekte der Inhalte ______________________________________________ 26
Pragmatische Aspekte der Inhalte______________________________________________ 29
Präsentative Aspekte der Inhalte_______________________________________________ 31
Temporäre Aspekte der Inhalte________________________________________________ 33
Eintauchen in die virtuelle Welt _______________________________________________ 37
Zusammenhang von Inhalt und Perspektive _____________________________________ 38
Spielinhalt und Gedächtnis ___________________________________________________ 39
Zusammenfassung___________________________________________________________ 42
Inhaltsanalyse des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Semantische Aspekte der Inhalte
"Monkey Island 4" gehört zum Genre der Adventures. Das Gameplay wird durch das
Lösen von Rätseln bestimmt. Der Spieler steuert einen elektronischen Stellvertreter,
welcher einen Piraten darstellt. Der Spielaufbau ist in drei Akte unterteilt, in denen sich
aufeinander aufbauend eine Spielgeschichte entwickelt.
Mit der Lösung von Rätseln nimmt die Geschichte ihren Fortgang. Im Dominoprinzip
entwickelt sich so ein komplexes Abenteuer, welches den Spieler in seinen Bann zieht und
durch Humor und Überraschungen an das Spiel fesselt.
Spielgeschichte: Aufbauend auf die vorangegangenen Monkey-Island-Teile verbrachte die
Hauptfigur Guybrush Threepwood, mächtiger Piratenkapitän, Ehemann der schönen
Gouverneurin Elaine Marley und ruhmreicher Bezwinger des Zombie-Freibeuters Le
Chuck, mehrere Monate die Flitterwochen auf hoher See. Heimgekehrt, erwartet beide
jedoch eine böse Überraschung. Elaine wurde für tot erklärt und ihr Palast liegt unter
Steinschleuderbeschluss. Eine geheimnisvolle Gestalt gibt sich als Nachfolger aus und eine
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Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
noch viel undurchsichtigere Gestalt versucht, die Herrschaft über das Inselreich zu
erlangen, indem sie die Bewohner in Beleidigungswettkämpfen um ihren Besitz bringt.
Während Elaine um jede Stimme für die bevorstehende Gouverneurswahl kämpft, macht
sich Guybrush auf die Suche, um den amtlichen Beweis zu erbringen, dass seine Geliebte
noch nicht dahingeschieden ist und dass die Gouverneurs-Villa sein und Elaines Eigentum
ist.
Spiellandschaft: Die Spiellandschaft ist sehr detail- und abwechslungsreich gestaltet. So
steuert der Spieler die Hauptfigur auf drei verschiedenen Inseln, die mit mehreren
unterschiedlichen
Plätzen
und
Gebäuden
ausgestattet
sind
(z.B.
Hafen, Bars,
Aussichtsturm). Die Landschaft entspricht der Zeit der Seefahrer und Entdecker (ca. 16.
Jh.). Beim Spieler könnten Erinnerungen an Abenteuerfilme und -Romane geweckt
werden.
Spielfiguren: Die Hauptfigur Guybrush ist eine Mischung zwischen Verlierer, Glückspilz
und Querdenker, mit der sich der Spieler gut identifizieren könnte. In seiner Erscheinung
entspricht er der Vorstellung eines Piraten (Piratenkleidung, blonde lange Haare zu einem
Zopf gebunden).
Elaine, sowie die anderen weiblichen Charaktere bedienen im Aussehen gängige
Klischees, in ihrem Verhalten jedoch treten sie sehr selbstbewusst auf.
Im Laufe des Spiels trifft man immer wieder auf alte Bekannte, die man auch schon aus
früheren Teilen kennt. So trifft man z.B. bei der Suche nach einer Crew für sein Schiff auf
Otis und Carla. In "Monkey Island 1" wurde Otis von Guybrush aus dem Gefängnis
befreit. Zum Dank war er damals seiner Crew beigetreten. Carla war die Schwertmeisterin
in Teil 1. Nachdem Guybrush sie in einer Partie Beleidigungsfechten geschlagen hatte, trat
auch sie seiner Truppe bei. Nach der langen Reise hatte Guybrush die beiden aus den
Augen verloren, und nun in Teil 4 sind sie wieder da.
Spielobjekte: Auf seiner Reise durch die Inseln findet der Spieler Gebrauchsgegenstände,
die er für das Lösen der Rätsel benötigt. Im Inventar stapeln sich die gesammelten Schätze:
Im ringförmigen Menü nimmt der Spieler z.B. Briefe, Schlüssel oder Tassen genauer unter
die Lupe oder verknüpft sie mit anderen Utensilien. Die Spielobjekte entsprechen keiner
bestimmten Zeit. Sie sind größtenteils aus der Seefahrerzeit, aber auch Gegenstände der
Neuzeit sind zu finden. In ihrer Funktion hingegen entsprechen sie der Funktion in der
Realität, sonst wäre der Spieler nicht in der Lage, die Rätsel zu lösen.
Die Bilderwelt erinnert zum Teil an Zeichentrickfilme, zum anderen (insbesondere bei den
Dialogen) sind deutliche Bezüge zu Bilderbüchern und Comics vorhanden. So sind die
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Anleihen bei Märchen, Piratengeschichten, entsprechenden Filmen und Comics
überdeutlich.
Starke gefühlsmäßige Reaktionen können kaum ausgelöst werden, da das Spiel einen sehr
humorvollen und gewaltlosen Charakter besitzt. Bei der Lösung eines besonders schweren
Rätsels könnten dagegen sehr positive Erfolgsgefühle beim Spieler auftreten.
Das Spiel vermittelt bestimmte spieldynamische Grundmuster, die Bezug auf die
Lebenshaltungen und Handlungsmuster der Spieler nehmen, wie beispielsweise "Prüfung
und Bewährung". Guybrush muss seinen eigenen Weg alleine suchen und sich im
Alleingang gegen den "Rest der Welt" behaupten. Stets steht die handlungstragende Figur
vor dem Erfordernis, eine Prüfungs- und Bewährungssituation zu bestehen: Wie kann ich
das Katapult manipulieren? Wie bekomme ich ein Schiff und eine Mannschaft?
Insbesondere über diese spieldynamischen Grundmuster verbinden Kinder und Jugendliche
die Spielwelt des Computerspiels mit ihrer Lebenswelt. Bei diesem Spiel kann man in
einer fantastischen Welt leben, sich darin bewähren, Aufgaben erfüllen, Überraschendes
erleben, sich durchsetzen und sein "Leben" - wie im Märchen - zu einem "guten Ende"
bringen; um viele "Lebenserfahrungen", Kenntnisse und Fähigkeiten reicher. Während die
meisten Adventures bei Nichtbestehen von Prüfungs- und Bewährungsaufgaben einen
"Bildschirmtod" verhängen, gibt "Monkey Island 4" dem Spieler immer wieder neu die
Chance, sich in Prüfungssituationen zu bewähren: Keine Fehlentscheidung des Spielers
führt zum Spielabbruch. Dies kommt den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen
entgegen, die sich einen stressfreien Spielraum für vielfältige Experimente wünschen und
den sie für ihre Persönlichkeitsentwicklung dringend benötigen.
Dieses Spiel ist ein "Entwicklungsdrama" für Jugendliche in der Pubertät, in der sie den
Wunsch haben, in die Welt der Erwachsenen zu treten, um sich dort zu bewähren. Dieser
Übergang stellt die Jugendlichen vor eine Menge an Problemen und Rätseln, die nicht
immer einfach und ohne Schmerzen zu lösen sind. "Monkey Island 4" spiegelt diese
pubertäre Situation zwar wider, indem es die Aufgaben stellt, sich in einer völlig neuen
Welt zu bewähren, vermeidet aber den Ernstcharakter, mit dem diese Situation in der
Regel befrachtet ist.
b) Syntaktische Aspekte der Inhalte
Das Spiel ist zum größten Teil selbsterklärend. Die Steuerung erfolgt nicht mehr, wie bei
den Vorgängern des Spiels mit der Maus, sondern mit den Cursortasten oder über einen
Joypad/Stick. Statt „Point&Click“ heißt es jetzt eher „Run&Look“. Da kein interaktiver
Mauszeiger mehr zur Verfügung steht, muss der Spieler auf den blonden Schopf des
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Helden achten. Immer, wenn Guybrush in die Nähe eines für ihn interessanten
Gegenstands kommt, bewegt er seinen Kopf in Richtung des Objekts, und ein kurzer
Kontext erscheint auf dem Bildschirm, über den der Spieler beispielsweise eine Kommode
untersuchen oder, falls erlaubt, auch öffnen kann.
Unabdingbar bei einem Spiel dieses Genres ist es, dass die Regeln über die Funktion der
einzelnen Gegenstände, die der Spieler für die Lösung der Rätsel benötigt, grob den
Regeln in der Realität entsprechen. Der Spieler muss sich aus der realen Welt ableiten
können, wie er einen Gegenstand benutzen kann, z.B. mit einem zerbrochenen Schwert
einen Türspalt aufhebeln oder einen Gulliedeckel öffnen, eine Gummiekunsthaut als
Trampolin verwenden oder in einem Getränkeautomaten Münzen finden. Die Lösungen
gestalten sich oft seltsam, bleiben aber logisch.
Das Spiel ist in seinen Leistungsforderungen typisch für "Grafik-Adventures". Um bei
diesem Spiel voranzukommen, sind u.a. rasche Auffassungsgabe, Sprachvermögen,
Kombinationsfähigkeit, Experimentierfreudigkeit und Stressresistenz gefordert.
c) Pragmatische Aspekte der Inhalte
Einwirkungsmöglichkeiten des Spielers auf seine zentrale Spielfigur: Der Spieler
steuert die Hauptfigur über die drei verschiedenen Inseln, führt Gespräche und sammelt
Gegenstände, die es an der richtigen Stelle einzusetzen gilt. Das Gefundene muss immer
untersucht, benutzt und mitgenommen werden, selbst wenn es auf den ersten Blick nicht
sinnvoll erscheint.
Will der Spieler mit Personen ins Gespräch kommen, kann er mit Hilfe von
anzuklickenden Auswahlantworten unterschiedliche Dialoge führen. Wie von Lucas Arts
gewohnt, ist es nicht möglich, etwas so Falsches zu sagen, dass der Gesprächspartner
beleidigt das Gespräch abbricht. Die Sterbesicherung ist ebenfalls aktiviert.
Die Benutzung der Inventargegenstände kann sich der Spieler aus seinen Kenntnissen über
die Funktion dieser Gegenstände aus der Realität ableiten., z.B. Leim zum Kleben
benutzen.
Eines der wenigen Dinge, die ihre Entsprechung nicht in der realen Welt haben ist das
„Beleidigungsfechten“. Dies funktioniert im Grunde genau so, wie normales Fechten.
Gewinner ist aber nicht der bessere Fechter von beiden, sondern der, der den anderen mit
den gemeineren Beleidigungen so aus dem Konzept bringt, dass der Verlierer sein Schwert
fallen lässt und dem Gewinner jeden Wunsch erfüllt. Dieses Prinzip lässt sich natürlich
auch auf andere Sportarten übertragen, wie z.B. „Beleidigungsscrabble“ oder
„Beleidigungsarmdrücken“.
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d) Motivationale Aspekte der Inhalte
Das Spiel besitzt zweifellos einen hohen primären Aufforderungscharakter. Die Grafik ist
sehr gelungen; die Bilderwelten sind anschaulich, übersichtlich und machen neugierig. Die
Bewegung
der
Figuren
(Animation)
ist
fließend
und
recht
realistisch.
Der
abwechslungsreiche Sound passt gut zur Spielgeschichte. Die Steuerungsmöglichkeiten
sind einfach und wirkungsvoll. Mithin ein Spiel, bei dem man weitermachen will, wenn
man erst einmal damit angefangen hat.
Die Figuren wirken ansprechend. In gewohnt witziger »Monkey Island«-Tradition wird die
haarsträubende Geschichte mit pfiffigen Dialogen und spaßigen Kurzfilmen präsentiert.
Zahlreiche Anspielungen an vorangegangene Abenteuer sprechen den erfahrenen Spieler
an. Für Einsteiger wirken die Dialoge zwischen den Figuren manchmal etwas unlogisch, da
sie sich auf bestimmte Schlüsselpunkte aus den vorherigen Teilen beziehen.
Die Rätsel sind auf Fortgeschrittene zugeschnitten, obwohl manche auch Profis an die
Grenzen treiben, da einfach die Hinweise zur Lösung fehlen. Dies könnte für Anfänger des
Genres abschreckend wirken. Demotivierend könnte ebenfalls sein, dass der Spieler sehr
viele Sachen mitnehmen kann, die er jedoch für die Lösung des Spiels niemals benötigt. So
entstehen frustrierende Momente, wenn sich grandiose Lösungsansätze für die verzwickten
Rätsel nicht in die Tat umsetzen lassen und Trial&Error-Versuche zur zeitlichen Tortur
werden.
Die Lösungswege sind in aller Regel nicht immer "logisch" und entsprechen häufig nicht
den alltäglichen Verhaltensweisen der Spieler. Darin liegt aber gerade der Reiz dieses und
vieler ähnlicher Spiele: Durch spielerisches Experimentieren eine mediale Welt zu
entdecken und sich entfalten zu lassen - scheinbar losgelöst von einer als festgelegt
empfundenen Wirklichkeit. So entsteht ein von der Erwachsenenwelt abgeschirmter
"Spielraum", in dem die Spieler ihre Lebenswelten zum Spielen bringen können.
e) Präsentative Aspekte der Inhalte
Grafisch macht das Spiel einen recht guten Eindruck. Die Figuren sind allerdings "nur" aus
Polygonen zusammengesetzt, wodurch sie etwas kantig und unrealistisch wirken. In
diesem Punkt ist die Grafikengine nicht sehr aktuell. Diesen Mangel heben die
Hintergründe allerdings wieder auf. Sie sind, wie schon aus den anderen Teilen bekannt,
im Comicstil gezeichnet und die 3D-Figuren bewegen sich in dieser 2D-Welt. Die
Grafiken untermalen das Spiel und fangen den Flair der Karibik sehr gut ein.
Die Sprachausgabe rundet das Ganze harmonisch ab. Sie ist gut verständlich und wirkt
nicht überbetont oder erzwungen deutlich. Auch der Sound ist sehr gelungen.
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Eine Übersichtskarte der Insel, verschiedene Perspektiven und Zoomeffekte, machen das
Geschehen abwechslungsreich und übersichtlich.
f) Temporäre Aspekte der Inhalte
Anfangs muss sich der Spieler mit den Regeln, d.h. mit der Steuerung auseinandersetzen,
was aber nach einiger Zeit erfolgt sein müsste. Die Spielgeschichte steht hier, typisch für
das Genre der Adventures, während des gesamten Spielprozesses im Vordergrund und
bestimmt die Handlungen des Spielers. Es gilt für den Spieler, die Geschichte
voranzubringen, indem er die Rätsel löst. Dazu muss er die Landschaft erkunden, um die
Dinge zu finden, die er für die Lösung der Rätsel benötigt.
g) Referentielle Aspekte der Inhalte:
Folgende Kriterien sind mitteilenswert für Außenstehende:
Der Spieler steuert einen Piraten, der sich durch eine Abenteuergeschichte kämpfen muss.
Das Gameplay ist sehr humorvoll gestaltet.
Der Spieler muss verschiedene Aufgaben bewältigen, die ineinander verschachtelt sind.
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Auswertung der Befragung zum Spiel "Flucht von Monkey Island"
Beschreibung der Untersuchungsgruppe
Das Alter der zehn Versuchspersonen variiert zwischen 17 - 34 Jahren, wobei das
Durchschnittsalter bei 24,4 Jahren liegt.
Alter in Jahren
Alter
40
30
21
22
VP
24
VP
28
27
30
28
20
20
18
17
VP
45
VP
48
VP
49
34
27
Alter
10
0
VP
33
VP
42
VP
70
VP
77
VP
78
VP-Nummer
Abbildung 38: Alter der Versuchspersonen
Die beträchtliche Altersspanne macht deutlich, dass “Monkey Island” ein Spiel zu sein
scheint, welches jede Altersgruppe gleichermaßen anspricht. Dies könnte darin begründet
liegen, dass es sich um den vierten Teil einer ganzen Reihe handelt, die 1990 ihren Anfang
gefunden hat. Im Verlauf der Untersuchung wurde immer wieder die Bedeutung der
Monkey Island-Reihe deutlich. Ältere Spieler wurden von dem aktuellen Teil insbesondere
deshalb angesprochen, weil sich für sie die vorangegangenen Teile bereits als besonders
unterhaltsam erwiesen haben.
In Bezug auf das Geschlecht der Versuchspersonen kann eine weithin gleichmäßige
Verteilung festgestellt werden. Bei immerhin vier der Interviewpartner handelt es sich um
Frauen, was im Hinblick auf andere Computerspiele bzw. Computerspielgenres eine
vergleichsweise hohe Quote darstellt.
Die große Altersspanne von 17 Jahren bedingt die Unterschiede bezüglich der
Computerspielerfahrung. Jedoch ist allgemeingültig festzuhalten, dass die Spieler von
“Monkey Island” über eine mindestens siebenjährige und durchschnittlich elfjährige (11,1
Jahre) Spielerfahrung verfügen. Diese relativ hohen Erfahrungswerte mögen darin
begründet liegen, dass Adventures im Allgemeinen als ungefährlich gelten und somit
bereits in jungen Jahren gespielt werden bzw. gespielt werden dürfen. Außerdem sind mehr
als die Hälfte der Interviewpersonen älter als 27 Jahre.
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Spielererfahrung in
Jahren
Spielerfahrung
18
20
15
10
17
14
8
9
10
8
12
7
8
Spielerfahrung
5
0
VP VP VP VP VP VP VP VP VP VP
24 28 33 42 45 48 49 70 77 78
VP-Nummer
Abbildung 39: Spielerfahrung der Versuchspersonen
Hinsichtlich
der
Nationalität
variiert
die
Untersuchungsgruppe
nicht.
Alle
Interviewpersonen verfügen über die deutsche Staatsbürgerschaft.
Relativ homogen gestaltet sich gleichsam der Bildungsstatus der Versuchspersonen. Acht
der interviewten Personen befinden sich entweder derzeit zur schulischen Ausbildung noch
auf dem Gymnasium oder haben dort bereits ihr Abitur abgeschlossen.
Dieser außergewöhnlich hohe Bildungsstatus spiegelt sich auch anhand der Angaben zur
Berufsausbildung bzw. hinsichtlich der Studienaktivitäten der Interviewten wieder.
Lediglich drei Personen konnten eine begonnene oder bereits abgeschlossene
Berufsausbildung vorweisen. Demgegenüber steht die Zahl von acht Interviewpersonen,
die hingegen ein Studium aufgenommen bzw. bereits zu Ende geführt haben. Dies könnte
möglicherweise ursächlich damit zusammenhängen, dass es sich bei den Versuchspersonen
für das Spiel “Monkey Island” überwiegend um Studenten der Fachhochschule Köln sowie
deren Freundes- und Bekanntenkreis handelt. Ein Rückschluss auf einen allgemeingültigen
Zusammenhang von Spielern des Computerspiels “Monkey Island” und deren
Schulbildung ist somit auszuschließen.
Im Hinblick auf das Referenzspiel sind ferner die Angaben zur Spielzeit, zur generellen
Genrevorliebe und zur Spielbewertung des Spiels von Interesse. Die durchschnittliche
Beschäftigungszeit mit dem Spiel beträgt 43,9 Stunden, was in Anbetracht der Tatsache,
dass es sich um ein sehr aufwendig gestaltetes Adventure handelt wenig verwunderlich ist.
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Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Spielzeit in h
Spielzeit in h
120
100
100
80
80
50
60
40
55
30
Spielzeit in h
25
20
30
35
30
48
49
70
4
0
24
28
33
42
45
77
78
VP-Nummer
Abbildung 40: Spielzeit in Stunden
Dabei geht das Spiel in der Regel mit den generellen Genrevorlieben der Computerspieler
konform. Lediglich vier der Befragten äußern, dass “Monkey Island” nur teilweise ihren
Genrevorlieben entspricht, eine Versuchsperson spielt ansonsten keine Adventures.
Entspricht das Spiel "Flucht von Monkey Island"
den generellen Genrevorlieben?
nein
10%
ja
ja
50%
teilweise
40%
teilweise
nein
Abbildung 41: Genrevorliebe
In der Spielbewertung hat “Monkey Island” mit einem durchschnittlichen Wert von 1,6 bei einer Bewertungsskala von 1 (Spiel gefällt sehr gut) bis 4 (Spiel gefällt gar nicht) ausgesprochen gut abgeschnitten.
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Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Wie wird das Spiel "Flucht von Monkey Island" durch
die VP bewertet?
ausgezeichnet
40%
gut
60%
ausgezeichnet
gut
mittelmäßig
lässt zu wünschen übrig
Abbildung 42: Spielbewertung von "Monkey Island"
Die Gründe für diese positive Bewertung werden u.a. aus der nachfolgenden Auswertung
des Spiels hinsichtlich der Bedeutung des Inhaltes für die Computerspieler ersichtlich.
Referentielle Aspekte der Inhalte
Über welche Relevanz verfügt der Spielinhalt von "Monkey Island", wenn das Spiel
außenstehenden Personen gegenüber angemessen beschrieben werden soll? Wie hoch ist in
diesem Zusammenhang beispielsweise der Stellenwert der Spielgeschichte, der einzelnen
Spielelemente, der Regeldynamik oder der Handlungsaufforderungen?
Danach befragt führt die Mehrzahl der Interviewpartner insbesondere den geschichtlichen
Ablauf sowie die spielimmanenten Handlungsmuster an. Die Befragten legen offenkundig
einen gesteigerten Wert darauf, Außenstehenden Hinweise auf die
- nur durch viel
Geschick und Fantasie zu lösenden - Handlungsanforderungen zu erteilen, die wiederum in
eine ansprechende Rahmengeschichte eingebunden sind. Die Angabe von VP 45 liefert
diesbezüglich einen guten Einblick:
"[...] Die Hauptperson heißt Guybrush, ist im Grunde ein ziemlicher Idiot. Das Ganze
spielt in der Zeit von Piraten und Freibeutern und Guybrush möchte gerne ein berühmter
Pirat sein, löst aber im Grunde seine Rätsel mehr oder weniger durch Glück oder durch
Hilfe anderer. Er ist halt ein Versager. Wichtig ist immer die große Liebesgeschichte in
diesem Spiel zur Gouverneurin Elaine. Das ist ein sehr lustiges Spiel, weil man um
ziemlich viele Ecken denken muss, um das Spiel zu lösen. Es ist ganz klar nichts, was
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Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Wirklichkeit ist, es ist mehr Fantasie. Also, ich finds halt lustig. Man muss seine Fantasie
sehr anstrengen, um die Rätsel zu lösen."
Im Rahmen dieses Beispieles wird zugleich der im Spiel enthaltene Humor angesprochen.
Dieser wird von der Hälfte der Interviewpartner als mitteilenswert erachtet. Auf den
Humor und die im Spiel enthaltenen Witze geht auch VP 48 ein:
"Ich finde es sehr witzig, das Spiel. Besonders auch wenn man die ersten drei Teile gespielt
hat. Das sollte man auch eigentlich davor, sonst versteht man so einige Witze davon nicht.
[...]"
Das Beispiel verweist darüber hinaus auf ein weiteres Charakteristikum, das
Außenstehenden nach Meinung von insgesamt sieben Interviewpartnern mitgeteilt werden
sollte: Bei "Flucht von Monkey Island" (so die genaue Bezeichnung des Spiels) handelt es
sich um den vierten Teil eines Mehrteilers. Eine Kenntnis der vorangegangenen Teile wird
zumeist positiv bewertet, gleichwohl muss diese nicht als Voraussetzung erfüllt sein.
Hinweise auf die Beschaffenheit der Grafik werden von lediglich drei Personen gegeben.
Das lässt darauf schließen, dass die grafische Präsentation der Spielinhalte von den
Befragten im Gegensatz zu den zuvor genannten Spielcharakteristika als weniger
mitteilenswert erachtet wird.
Insgesamt betrachtet verdeutlichen die Ausführungen, dass die Spieler im Rahmen ihrer
Spielbeschreibung sowohl Aspekte der Regeldynamik als auch Elemente des Spielinhaltes
berücksichtigen.
Spielinhalt und strukturelle Koppelung
Von besonderem Interesse ist die Frage nach der Relevanz einzelner Elemente des
Spielinhaltes für die Lebenssituation der Computerspieler, beispielsweise im Hinblick auf
eine Anknüpfung an Freizeitinteressen, mediale Präferenzen oder Fantasien. Es ist
denkbar, dass die Bedeutung der Spielinhalte für Computerspieler gesteigert wird, wenn
diese Inhalte eine prägnante Beziehung zu wichtigen Aspekten der Lebenssituation des
Spielers - gegebenenfalls auch auf der metaphorischen Ebene - aufweisen.
Bei der Auswertung der Interviews wird deutlich, dass die Thematik "Piraterie", als
offenbar einzig mögliche Thematik, eher selten auf der Präferenzlinie der Computerspieler
liegt. Sie wird auch nur in Verbindung gebracht mit Vorlieben, die in der Kindheit zu
verorten sind. So erwähnt VP 45 z.B.:
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Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
"Tja, ich weiß.. Also, früher hat mich das also, überhaupt so Abenteuer, Piraten und so hat
mich immer schon fasziniert. Mittlerweile weiß ich nicht, ob das immer noch so ist. Also,
ich weiß z.B. nicht, ob ich “Monkey Island 4”, wenn ich jetzt die ersten vier Teile nicht
kennen würde, ob ich das dann noch spielen würde. Das weiß ich dann halt so nicht. Doch
früher fand ich das doch sehr gut eigentlich in dieser Zeit, Piraten, Abenteuer."
Häufiger wird ein generelles Interesse an den Themenbereichen Fantasy, Mystik und
Science Fiction, welches mit dem Spiel “Monkey Island” bedient werden kann,
angesprochen. So berichtet beispielsweise VP 42:
"Es ist einfach da und es ist generell ein Faible irgendwo n bisschen in Richtung Fantasy
und Mystik. Das habe ich generell, das sieht man auch anhand der Lektüre, äh, Literatur,
die ich lese. Das geht auch immer ein bisschen in die Richtung!"
Gleichwohl stellt auch das eher die Ausnahme dar. Nur drei der Interviewpartner machen
dazu entsprechende Angaben. Möglicherweise könnte dies damit begründet werden, dass
eine eindeutige Thematik in dem Spiel für viele Computerspieler nicht auszumachen ist.
Nur eine Person stellt aufgrund einer Spielsequenz einen starken persönlichen Bezug zum
Spiel her:
VP 33: "Also, was mir besonders gut gefallen hat, wo dann auch wieder ganz stark der
Bezug zu mir selber war, ist das Szenario um das Turmspringen herum. Das ist einfach
eine sehr gute Idee und da ich selber gerne springe, war das ein Highlight in dem Spiel.
[...] Aber das war wohl nur für mich persönlich jetzt, weil der Bezug zu mir da ist."
Die strukturelle Koppelung in Bezug auf das Spiel “Monkey Island” zeigt sich vielmehr in
gleichsam metaphorischen Aspekten. Das Spiel gewinnt für einige Spieler vor allem
deshalb an Bedeutung, weil sie mit Hilfe bestimmter Elemente des Spiels an
psychodynamische Grundmuster anknüpfen können. Rätsel und Vorgehensweisen, die in
dem Computerspiel enthalten sind, implizieren für sieben Interviewpartner eine Parallele
zu generellen Vorgehens- und Verhaltensweisen in der realen Welt. Die Interviewpartner
berichten von einem weitgehenden Interesse an schwierigen realen Situationen und
Aufgaben, die es zu lösen gilt. Dies kann sich auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche
beziehen, wie beispielsweise auf die Schule, die Arbeit oder aber auch den Alltag.
Einheitlich berichten die Spieler, dass derartige Herausforderungen im realen Leben mit
Begeisterung und Ausdauer von ihnen angegangen werden. Entsprechende Anforderungen
werden in gleicher Weise von Seiten des Spiels an sie gestellt. Parallelen bestehen zudem
im Hinblick auf den im Spiel geforderten und im realen Leben ebenfalls existenten
"Sammlertrieb" bzw. Ordnungssinn. Hierzu zwei Bespiele aus den Interviews:
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Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
VP 33: "Ich als Person selber würde mich nicht als Jäger und Sammler bezeichnen, aber
ich sammle viele Kleinigkeiten und bin auch sehr penibel und das baut in dem Spiel ja
auch irgendwo darauf auf, dass man viele Sachen sammelt und versucht, die zu
kombinieren und möglichst effektiv irgendwie zu arbeiten. So bin ich im Prinzip auch. Es
ist ganz einfach. Vielleicht gefällt es mir deshalb. Ich tüftel halt auch generell ganz gern."
VP 77: "Ja, klar, das ist ja auch mein tägliches Brot eigentlich auch so auf der Arbeit,
immer am grübeln und am denken. Diese Denkspiele waren auch schon immer mein Ding,
[...]."
Es wird erkennbar, dass sich im Computerspiel durchaus wesentliche Handlungsmuster aus
dem realen Leben wiederfinden lassen, die die Vorlieben oder die Interessen der Spieler
widerspiegeln.
Das Computerspiel kann jedoch auch im Hinblick auf einen anderen Gesichtspunkt an
Bedeutung für den Spieler gewinnen. Neben der zuvor erörterten parallelen Koppelung,
kann es in dem Spiel gleichwohl zu einer eher kompensatorischen Koppelung kommen.
Möglichkeiten, die im realen Leben nicht gegeben sind, können im Spiel umgesetzt
werden. Zwei Spieler verfügen beispielsweise im realen Leben nicht über eine
hinreichende Ausdauer und Konsequenz zur Lösung der von ihnen übertragenen Aufgaben
und sind froh, diese Fähigkeiten im Spiel unter Beweis stellen zu können:
VP 24: "Ich denke eher, dass es genau umgekehrt ist. [...] Also ich bin überhaupt kein
Mensch, der gerne tüftelt. Ich hab überhaupt keine Geduld, aber es hat mich fasziniert,
dass ich im Spiel aber trotzdem so ne Geduld hatte. Das war eigentlich das, was ich so
überlegt hab: Ich sollte vielleicht öfters son bisschen mehr Ausdauer zeigen einfach!."
IL: "Bist du denn auch real jemand, der versucht, immer alleine ans Ziel zu kommen und
das auch mit einer unglaublichen Ausdauer verfolgt?"
VP 48: "Ja, vielleicht nicht mit so einer Ausdauer. Durchhaltevermögen habe ich meistens
nicht so viel."
IL: "Also das ist eher das Gegenteil? Du kannst das jetzt im Spiel auch beweisen, was du
vielleicht real nicht so machst?"
VP 48: "Ja."
Weitere zwei Personen erklären im Verlauf des Interviews, dass es für sie während des
Spiels von großer Relevanz war, einmal andere Verhaltensweisen ausprobieren zu können.
Beispielsweise ist es möglich, im Computerspiel selbstsicher zu agieren, alles zu wagen
oder aber auch einmal gemein bzw. grob zu sein:
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Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
VP 24: "Das ist auch das, was ich bei “Monkey Island” meinte, dass ich normalerweise
nie so selbstsicher in nen Laden gehen würde, und da irgendwas klauen würde, den
Verkäufer verarschen würde und dann wieder rausgehen würde. Und am Computer kann
ich das halt alles machen. Also ich würd sagen, dass das genau das Gegenteil zu meinem
Leben ist und zu meiner Person."
VP 70: "Ich mache das schon, weil es halt lustig ist, weil ich das normalerweise nicht
machen kann, gegen den Grog-Automaten treten oder dieses Beleidigungsduell. Das ist
schon witzig. Ich könnte mich ja in Wirklichkeit nicht in die Kneipe setzen und sagen:
"Hey, wir machen mal ein Beleidigungsduell, ich schmeiße dir ein paar Sachen an den
Kopf!". [...] Man kann Sachen machen, die man sonst nicht macht und dann macht man es
halt auch."
Lediglich ein Interviewpartner (VP 70) äußert den konkreten Wunsch, angelehnt an den
Inhalt des Spiels einmal auf einem großen Segelschiff durch die Karibik zu fahren.
Diese Wunschvorstellung wird allerdings sogleich mit diversen negativen Gedanken
diesbezüglich verbunden. Gedanken an die permanente Salzluft, die klamme und
möglicherweise stickige und viel zu kleine Kabine lassen das Bedürfnis nach einer solchen
Reise augenblicklich wieder in den Hintergrund rücken.
Ein eher fundamentales, jedoch von über der Hälfte der Befragten erwähntes Interesse an
dem Spiel “Monkey Island” besteht darin, in andere Welten abzutauchen. Die
Computerspieler genießen die Aufenthalte auf den unterschiedlichsten Inseln bzw. den
Südsee-Charakter und somit den Kontrast zur realen Welt:
VP 42: "Das geht so ein bisschen in die Richtung Fantasy, etwas, das es in der Realität
nicht gibt und auch nicht geben könnte in der Art und Weise und das fasziniert mich auf
jeden Fall am meisten an dem Spiel. [...], weil man so wunderbar abtauchen kann darin in diese Welt, was ne schöne Welt ist, ne aufregende Welt, ne Welt in der es Rätsel zu lösen
gibt, ne Welt in der man viel lachen kann ... und äh, weil man einfach abschaltet und
komplett da drin sich bewegt. [...], das es ne Welt, die man so ... die man in dieser Realität
gar nicht wiedergeben kann; diese Fantasy, dass man einfach nur am Computer in dieser
virtuellen Welt darstellen kann, was man so unmöglich erlebt. Das ist das Faszinierende,
weshalb ich halt in solchen Spielen gerne abtauche!"
VP 45: "Und das ist dann schon irgendwo son Gefühl, wenn man halt denkt: "Jetzt mal
alles vergessen, wieder “Monkey Island”!" und halt in dieser bunten, lustigen Welt oder
so."
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Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
In einem gewissen Maße bietet das Spiel “Monkey Island” den Computerspielern
demzufolge die Möglichkeit, an Interessen bzw. Vorlieben anzuknüpfen oder aber auch
Wünsche auszuleben bzw. Verhaltensweisen auszuführen, die in der Realität so nicht
durchführbar wären.
Die Befragung der Interviewpartner liefert hingegen keine Hinweise darauf, dass die
Bedeutung des Spielinhaltes aufgrund deutlicher Beziehungen zu wichtigen Aspekten der
aktuellen Lebenssituation der Computerspieler gesteigert wird.
Semantische Aspekte des Inhaltes
Befragt nach den wesentlichen Elementen des Spiels und deren Bedeutungsgehalt werden
von den Interviewpersonen immer wieder die ungewöhnlichen, z.T. sehr schwierigen
Rätsel genannt. Neun der insgesamt zehn Versuchspersonen beschreiben die Faszination
und Bedeutung der Rätsel genauer. Besonders wichtig ist den meisten Interviewpartnern,
dass die Rätsel von “Monkey Island” keine zu geringen Anforderungen an sie stellen und
darüber hinaus über kein allzu großes Ausmaß an Realismus verfügen. Die Spieler
begrüßen die in den Rätseln enthaltene Absurdität und erfreuen sich an solchen Rätseln,
die unter normalen Gesichtspunkten nicht zu lösen wären. Zwei Beispiele aus den
Interviewtexten sollen dies exemplarisch belegen:
VP 24: "[...], aber man auch sehr, sehr viel nachdenken muss, und man muss vom
normalen Standpunkt seines Lebens runterkommen und ganz, ganz anders denken, als man
normalerweise denkt. Und das ist eigentlich so das Faszinierende am Spiel."
VP 77: "Ja, und knifflige, spaßige Rätsel und vor allen Dingen eine geschlossene
Handlung in sich, das finde ich das Gute daran."
Die unterschiedlichen Gebrauchsgegenstände, die von der Spielfigur Guybrush
Threepwood während des Spielverlaufes gefunden und im Inventar gesammelt werden,
dienen der Lösung der verschiedenartigen Rätsel. Als sehr beruhigend für die
Interviewpartner erweist sich das Wissen darüber, dass diese mitgeführten Objekte stets
durch entsprechende Kombinationen und Anwendungen der Lösung des aktuellen Rätsels
dienlich sind. Ein Interviewpartner stellt dies sehr prägnant heraus:
VP 28: "Und wusste dann auch, dass das, was man zur Erfüllung der Aufgabe braucht, da
sein muss. Von daher - es war für mich klar eingegrenzt! Ich weiß nicht, wie es sonst ist,
aber das fand ich sehr beruhigend dann auch wieder."
15
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Demnach existieren innerhalb des Spiels keine Situationen, in denen die Spieler aufgrund
zuvor liegengelassener Gegenstände nicht mehr weiterkommen. Ein neues Level bzw. ein
neues Rätsel beginnt erst dann, wenn alle dafür notwendigen Objekte vom Spieler bereits
gefunden und eingesammelt wurden. Wie wichtig dies für den Spieler ist, wird in den
Interviewtexten permanent deutlich.1
Oftmals sind jedoch nicht allein die Rätsel von Bedeutung, sondern es ist wichtig,
inwiefern diese Rätsel in eine ansprechende Geschichte verwoben sind. Einzig das Lösen
von Rätseln unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade erscheint uninteressant. Von insgesamt
acht der Befragten wird neben der einfachen Schilderung der Rahmenhandlung fortlaufend
insbesondere deren Bedeutung hervorgehoben. Es besteht ein Interesse an der
Weiterentwicklung des Geschichtsverlaufes und eine gewisse Spannung im Hinblick auf
den Ausgang des Abenteuers. Auch an dieser Stelle erneut einige Beispiele aus den
Interviews:
VP 33: "Die Geschichte ist auch sehr gut. Die ist für mich auch sehr wichtig, denn ich
mein, ich verlier irgendwo das Interesse an einem Adventure, wenn die Story von Anfang
an so durchschaubar ist und ich da so durchgehe und das alles nicht gut in die
Rahmenhandlung eingebettet ist."
VP 48: "Ja, vor allem der Humor da und dass die beim Adventure dann, ... es muss auch
irgendwie, besonders beim Adventure, eine Geschichte da sein, damit das einen auch
interessiert wie das Ende ausgeht, wie man da jetzt weiterkommt."
Dieses Interesse an der Weiterentwicklung der Spielgeschichte steigert sich noch, wenn die
vorangegangenen Teile von “Monkey Island” bereits bekannt sind. Die Geschichte des
vierten Teiles baut teilweise auf den Handlungen und Geschichten der ersten Teile auf und
wird in diesem Rahmen fortgeführt. Zwar wäre es durchaus denkbar, das Spiel auch ohne
dieses Vorwissen zu spielen, jedoch wird es mit dem entsprechenden Wissen als
wesentlich interessanter angesehen. Insgesamt sieben der befragten Personen verweisen im
Rahmen der Untersuchung auf die Bedeutung der vorangegangenen Teile. Ein Beispiel aus
den Interviews:
VP 70: "Ja, mittlerweile ist es zum Großteil schon die Erinnerung, die ich an diesem
“Monkey Island” cool finde, weil ich die alten Spiele schon gespielt habe. Das alte Spiel,
das erste, habe ich mir gekauft, weil ich die anderen Spiele kannte, Mr. Manson und solche
Sachen. [...] Deswegen fand ich das lustig und habe dann die anderen Teile einfach
gekauft, um zu sehen, wie die Geschichte weitergeht."
1
Weitere Ausführungen zu dem Bereich der Gefährdungsaspekte im Spiel s. auch Punkt 23.7 Pragmatische
16
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Allerdings ist es nicht nur die Geschichte an sich, die immer wieder Querverweise zu alten
Teilen enthält, sondern es tauchen auch stets altbekannte Figuren auf, allen voran die
Hauptfiguren Guybrush Threepwood und Elaine Marley. Gerade Guybrush erlangt für die
meisten Spieler eine große Relevanz, da dieser als Spielfigur über das gesamte Spiel vom
Spieler gelenkt wird2. In Verbindung mit den vorherigen Teilen wird seine Bedeutung
noch gesteigert. Über Jahre hinweg hat sich für den entsprechenden Spieler oftmals ein
bestimmter Charakter herausgebildet, der für das Spiel unverzichtbar ist. Immerhin
berichten neun Personen von der großen Bedeutsamkeit der Figuren. Einen Eindruck
dahingehend, wie wichtig diese z.T. immer wieder auftauchenden Nebenfiguren und vor
allem auch die beiden Hauptfiguren sind, können die folgenden Textbeispiele vermitteln:
VP 33: "Ja, und also die Charaktere die sind schon sehr liebevoll gestaltet, find ich. Und
das erhöht natürlich auch den Spielreiz. Und was da auch sehr gut gemacht ist: Es baut
auf die Vorgänger auf und setzt da auch immer so Seitenhiebe bezüglich dieser Vorgänger.
Da tauchen dann immer Figuren aus den Vorgängern auf - meistens völlig unerwartet."
VP 45: "Also, es gibt sicherlich immer wieder neue Charaktere, aber es ist einfach lustig,
vor allem, weil man noch gute Runninggags so was machen kann. Und das wird ja auch
gemacht in den Spielen. Deswegen ist das meistens schon sehr lustig, wenn die dann halt
darüber sprechen, wie die Charaktere jetzt dahin gekommen sind, seit dem letzten Spiel
z.B.. Doch das ist einfach sehr witzig gemacht."
Die Spielfiguren und die Spielgeschichte scheinen demnach Elemente des Spiels zu sein,
die für den Computerspieler eine große Bedeutung besitzen. "Altbekanntes" im aktuellen
Spiel wird so mit Erinnerungen an vorangegangene Teile und mit Gedanken an eine bereits
vertraute, interessante Geschichte verbunden.
Neben diesen wesentlichen Elementen des Spielinhalts (der Spielgeschichte, den
Spielfiguren und den Spielobjekten), existieren jedoch noch weitere Aspekte, die eine
Auswirkung auf die Bedeutungszumessung des Spielers im Hinblick auf das Spiel positiv
begünstigen.
Ein wesentliches Charakteristikum des Spiels “Monkey Island”, das von mehr als der
Hälfte der Interviewten angesprochen wird, ist, dass sich mit dem Spielen sehr viel Spaß
und Freude verbindet. Der Spieler erhält innerhalb des Spiels die Möglichkeit, in eine
andere, "abgedrehte" Fantasie-Welt abzutauchen und sich dem Witz und dem Humor des
Aspekte der Inhalte.
Häufig berichten die interviewten Personen von einer Identifikation mit der Spielfigur. Nähere
Ausführungen zu diesem Bereich s. Punkt 23.9 Temporäre Aspekte der Inhalte.
2
17
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Spiels hinzugeben. Dieser Humor zeigt sich u.a. in den lustigen Dialogen, Rätseln und
Ereignissen.
Ausreichend Potential zur Belustigung bietet bereits der vierte Teil für sich gesehen. Der
humorvolle Effekt wird allerdings wiederum verstärkt, wenn im Rahmen der witzigen
Dialoge, Hinweise und Bemerkungen in Bezug auf die älteren Teile enthalten sind. Einige
Beispiele aus den Interviews:
VP 42: "Das habe ich eben noch gar nicht miterwähnt, warum gerade dieses Spiel so
besonders faszinierend ist .. Auch wegen der Sprüche selbstverständlich! Diese trockene
Art und Weise, wie die Figuren miteinander umgehen, wie der Kerl sich durchs Leben
schlägt, sage ich mal..."
IL: "Glaubst du denn, dass man das auch spielen kann, wenn man die drei Teile vorher
nicht gespielt hat?"
VP 70: "Da würde ich sagen, geht vielleicht ein bisschen von der Atmosphäre verloren,
weil man ja auch bestimmte Gags nicht kennt, zum Beispiel das mit dem dreiköpfigen Affen
und so was - der Gag, der immer wieder auftritt. Oder auch viele Figuren, die da drin
auftauchen, die sind ja vorher schon irgendwo vorhanden gewesen. Man kann es auch
spielen, ohne dass man es kennt, aber man kriegt dann halt viele Gags nicht mit."
Der Humor in dem Spiel wird demnach als ein sehr essentielles Element des Spiels
beschrieben, das für die Befragten eine große Relevanz besitzt.
Ferner kann der Inhalt des Spiels dadurch an Bedeutung gewinnen, indem eine
Anknüpfung an bestimmte Erinnerungen, beispielsweise an solche aus der Kindheit,
stattfindet. Dies wurde jedoch nur von wenigen Personen im Interview erwähnt. Die
Erinnerungen beschränken sich zumeist auf den Bereich des Spielzeugs oder auf Bücher
aus den Kindertagen. Auch ein Vergleich zur Südsee oder zum Urlaub im Allgemeinen
kann gezogen werden. Ein Beispiel aus den Interviews:
VP 77: "Kann ich so nicht sagen. Manchmal muss ich an Urlaub denken, wenn ich da so
ein paar schöne Klippen sehe oder so was - aber sonst eigentlich nicht."
Diese Beschränkung auf wenige Bereiche könnte ursächlich damit zusammenhängen, dass
z.B. in der Kindheit wenige Spiele mit einer vergleichbaren Thematik gespielt wurden oder
aber das Spiel in seiner Darstellung zu abstrakt bzw. zu fern von der Realität ist.
Es existieren allerdings noch weitere gefühlsmäßige Konnotationen, die für die
Wahrnehmung des Inhalts durch den Spieler bedeutsam sind. Im Rahmen des Spiels stellen
erstaunlicherweise alle interviewten Personen eine gefühlsmäßige Reaktion in Bezug auf
bestimmte darin enthaltene Elemente fest. Diese lässt sich in der Regel eher als positiv
18
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
denn als negativ charakterisieren. Positiv hinsichtlich der Gefühlslage erweisen sich
insbesondere der allgemeingültig humorvolle und relativ gewaltlose Charakter des Spiels,
die ungewöhnlichen Lösungswege bei manchen Rätseln bzw. die Auflösung besonders
schwerer Rätsel, außerordentlich schön gestaltete Objekte etc. oder aber auch einzelne
Figuren oder Elemente der Spielgeschichte, die für den Spieler eine Bedeutung über das
Spiel hinaus besitzen. Hierzu einige Beispiele aus den Interviews:
VP 24: "Ich freu mich dann manchmal, wenn dann irgendwelche Sachen, wie das z.B. da
mit der Haut, dass man so ne Haut aus diesem Laden kriegt, die man dann als Trampolin
benutzen muss. Das find ich eigentlich so süß."
VP 33: "Also, was mir besonders gut gefallen hat, wo dann auch wieder ganz stark der
Bezug zu mir selber war, ist das Szenario um das Turmspringen herum. Das ist einfach
eine sehr gute Idee und da ich selber gerne springe, war das ein Highlight in dem Spiel."
VP 42: "Also die Objekte als solche muss ich sagen, wenn sie schön gemacht sind, dann
freue ich mich da drüber. Dann gucke ich halt, was sollen die darstellen und wie ist das
umgesetzt worden. Und wenn das gelungen ist, dann freue ich mich."
VP 77: "Ach, man freut sich immer über jedes Rätsel, das man löst. Je länger man daran
gesessen hat, um so größer ist die Freude, wenn man es dann herausfindet, das ist klar."
Eine positive Reaktion auf die im Spiel auftauchenden Affen - als ein Element des Spiels wird gleich zwei Mal genannt, was in Anbetracht der ansprechenden grafischen
Darstellung und der ständigen Präsens dieser Tiere in allen Monkey-Island-Teilen wenig
verwunderlich ist:
VP 28: "Was ich ganz süß fand, war dieser kleine Affe, der da immer am Ende dann da
rumhüpfte. Den fand ich noch ganz niedlich."
VP 45: "Das wär vielleicht zu dem, was mich gegenständlich besonders freuen würde. Ich
find die Affen immer total witzig in den Spielen, wie die dargestellt werden, find ich total
süß eigentlich."
Einige wenige Elemente können die Stimmung u.a. auch negativ beeinträchtigen. Von
derartigen Erfahrungen berichten jedoch lediglich zwei der insgesamt zehn Spieler:
VP 24: "Ja, ganz oft, ganz, ganz oft. Vielleicht so was, dass ich mich permanent über diese
Elaine aufgeregt hab, dass ich als Guybrush gedacht hab: "Ey, so ne blöde Ziege ist meine
Freundin, also die könnt ich..!" [...]. So richtig gefühlsmäßig mich auch verletzt gefühlt
habe, so, als ob ich wirklich Guybrush wäre [...] Oder dann so Angst natürlich, klar. Da
mit den Affen, das kommt am Ende des Spiels, wo ich da mit den Affen in Kontakt trete und
so was, da war mir auch schon son bisschen mulmig oder dann kämpfen musste. Doch, das
19
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
überträgt sich bei mir immer ganz schnell. [...] Und bei Teil vier war auch so, dass ich
auch teilweise am Schluss geweint hab, weil's so traurig war. Da hat er mir richtig leid
getan."
VP 24: "Aber jetzt in Teil vier diesen Pegnose Pete fand ich so eklig, ohne seine Nase und
dann kriegt der da diese Nasenprothese rauf, also da hab ich auch erst mal gedacht: "Bah,
ist das eklig!". So wo se ihm die da nur raufschrauben, da hab ich auch gedacht: "Das
muss ja auch wehtun!". Also bei so was dann, ja, aber ansonsten nicht."
VP 70: "Eklig finde ich auch zum Beispiel diese Szene mit den künstlichen Organen, wo
ich mit diesem Gummihintern rumlaufe. Das finde ich schon ein bisschen komisch. Dann
denke ich an Gummigeruch und an Krankenhausatmosphäre. Das finde ich schon ein
bisschen ätzend. So was mag ich auch nicht so gerne."
Diese Ausführungen verdeutlichen, dass derartig negative Gefühle lediglich aufgrund von
einzelnen Objekten oder Figuren des Spiels hervorgerufen werden, was aufgrund des
verhältnismäßig friedfertigen und humorvollen Spielcharakters wenig verwunderlich ist.
Spezielle Inhalte, die abstoßend wirken, wie beispielsweise aggressiv-brutale Bildinhalte
finden keine Erwähnung.
Ferner bleibt zu bemerken, dass der Inhalt von “Monkey Island” durchaus Verbindungen
zu der medialen Welt, der Spielwelt und der realen Welt aufweist. Aufgrund dieser
Tatsache wird die Bedeutung des Spielinhaltes für die Computerspieler durchaus
gesteigert.
Neun Interviewpartner beschreiben eine mehr oder minder starke Koppelung zur medialen
Welt, also einen Bezug zu Büchern oder Filmen. Dabei sind die Anknüpfungspunkte sehr
vielfältig. Einige der Versuchspersonen fühlen sich anhand der grafischen Darstellung
insbesondere an Zeichentrickfilme oder aber auch an Comics und Abenteuerfilme erinnert.
Beispiele aus den Interviews:
VP 24: "Ja, Abenteuerfilme sicherlich, klar. Also alle Filme, die mit großen Schiffen auf
dem Wasser spielen." (lacht)
VP 77: "Höchstens im Optischen, dass das an einen Zeichentrickfilm erinnert. Aber..
sonst..."
IL: "So vom Inhalt her weniger?"
VP 77: "Weniger.."
Die Erinnerungen an die diversen Abenteuerfilme könnten damit in Verbindung gebracht
werden, dass die Landschaften und die im Spiel vorhandenen Objekte (Schiffe, Totenköpfe
etc.) angelehnt sind an die Zeit der Entdecker und Seefahrer.
20
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Eine Versuchsperson berichtet, dass sie aufgrund der grafischen Darstellung durchaus
einen Bezug zu eher fotorealistischen Filmen herstellen kann:
VP 24: "Aber ich fand auch immer, wenn er auf dem Wasser war mit diesem Riesenboot,
dann hab ich auch immer gedacht: "Ja, das ist wieder irgendwie wie in nem Film!" oder
so. Das kommt so realistisch rüber."
Wenige der interviewten Personen hingegen knüpfen an den Inhalt des Computerspieles
an. Im Mittelpunkt stehen dann vor allem Filme oder Bücher, die die Thematik "Piraterie"
behandeln, wie dies beispielsweise bei den unterschiedlichsten Abenteuerfilmen der Fall
ist. Nur vier der befragten Personen machen entsprechende Angaben zu diesem Bereich,
u.a. VP 28 und VP 48:
VP 28: "[...] was ich an Piraten gut fand, war Pippi Langstrumpf. Da war ja der Papa
auch Kapitän. Und das fand ich doch immer ganz spannend, muss ich sagen."
VP 48: "Ja, ich habe da schon Einiges aufgefunden, was man allgemein mit Piraten
verbindet. Dieses Seeräubermäßige, Schätze und über die See segeln. Das wird da sehr
stark von Guybrush dann auch verkörpert, der ja Pirat werden will."
Weitere Berührungspunkte zur medialen Welt werden aufgrund der Entwicklungen im
Spiel, der im Spiel vorhandenen Handlungsanforderungen an den Spieler bzw. der
Umgangsweisen der Spielfiguren miteinander gesehen. Dies bezieht sich laut der Aussagen
der Interviewpartner z.B. auf den Bereich der Dokumentarfilme oder auf Filme, die jene
zum Spiel äquivalenten Handlungsmuster beinhalten:
VP 33: "Das Einzige, was mir einfällt, ist im Dokumentarbereich die Entwicklung auch
von verschiedenen Landschaften. Weil das ist ja hier im Spiel auch, dass das Geschehen
irgendwo anfängt und dann eine gewisse Zeit verstreicht und man wieder zu diesem Ort
kommt und sich dann alles verändert hat. Ich denke, so könnte man das auf die heutige Zeit
übersetzen, dass regionale Veränderungen stattfinden. Das ist z.B. hier wie sich die Insel
jetzt zu diesem Kommerzpool gebildet hat, das würde mir jetzt einfallen."
VP 42: "[...]Da hat es damals mal einen Film gegeben, da gings auch um ne Schatzsuche ..
[...] Auf jeden Fall gings ... sind die - warum auch immer - auf einen Hinweis gestoßen,
dass da halt ein Schatz existieren könnten und dann mussten sie Schritt für Schritt
irgendwo - nicht unbedingt Rätsel lösen, wie jetzt “Monkey Island”, aber - Orte finden und
dann den nächsten Hinweis erhalten. Das geht vielleicht ein bisschen in die Richtung."
VP 78: "Ja, schon, klar, auf jeden Fall diese Kämpfe, die da gemacht werden und der
Umgang miteinander und diese .. ja, die Lebenswelt, in der die drinstecken halt. Das ist
schon ähnlich dargestellt beispielsweise in anderen Filmen."
21
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Auch hinsichtlich der Koppelung zur Spielwelt sind die Anknüpfungspunkte
verhältnismäßig vielgestaltig. Nur eine Versuchsperson zieht keine Verbindung zur
Spielwelt. Am ehesten wird eine Gemeinsamkeit zwischen einzelnen Elementen des Spiels
(in der Regel sind dies die Figuren) und der Spielwelt hergestellt. Beispiele aus den
Interviews:
VP 24: "Nee, eigentlich nicht. Mich erinnert das schon irgendwie schon alles an ne
Handpuppe. Das kann aber auch daran liegen, dass man die Puppe ja dirigieren kann,
man kann ja Guybrush so dirigieren wie man möchte und das erinnert son bisschen an
Marionetten. Das hat ich aber auch damals, ich hab als Kind auch Marionettentheater
gemacht, also erst Puppentheater und dann später Marionette und dann später Theater,
also das hat sich so gestaffelt. Und das war die Zeit, wo ich mit Marionetten gerade fertig
war und dann die Spiele “Monkey Island” gespielt hab und dann kam mir das immer so
vor: "Ha, mit dem kann ich auch machen, was ich will!" Aber an so spezielle Geschichten
eigentlich nicht."
VP 45: "Ja, ja, ich hatte mal so einen Stoffaffen, so einen Steifftieraffen. Ich find Affen total
lustig eigentlich und Affen kommen natürlich viel vor bei “Monkey Island”."
Nur vereinzelt werden im Interview Bezüge hinsichtlich der Thematik erwähnt. Lediglich
zwei der Befragten können diesbezüglich in Ansätzen eine Verbindung herstellen. Ein
Beispiel soll dies verdeutlichen:
VP 70: "Ich habe, was auch zumindest einen roten Faden durch mein Leben zieht, früher
als Kind von Playmobil auch Piraten gehabt und wollte früher als Kind immer dieses
Piratenschiff haben, was ich nie gekriegt habe. [...] Vom Spiel würde ich jetzt eher an
Playmobil denken, weil ich da früher auch die Sachen hatte."
Den meisten Computerspielern ist kein Spiel bekannt, das sich mit der gleichen Thematik
wie “Monkey Island” beschäftigt. Auch fällt es vielen Personen mitunter schwer, die
Handlungsanforderungen im Computerspiel, nämlich das Sammeln von Gegenständen und
das Lösen von Rätseln, also die generelle Vorgehensweise im Adventure, mit den
Handlungsanforderungen von anderen Spielen, insbesondere von Brettspielen zueinander
in Beziehung zu setzen. Dies ist wenig verwunderlich in Anbetracht der Tatsache, dass
beim Brettspiel zumeist andere Aspekte vom Spieler gefordert werden.
Bezüge zur realen Welt werden lediglich von zwei Personen gesehen. Hier wird zum einen
angeführt, dass Objekte im Spiel äquivalent zur realen Welt diverse Bedeutungen haben
können. Zum Anderen wird das generelle Verhalten bzw. die Sprache, der Umgangston
angesprochen:
22
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
VP 42: "Man muss also .. so ein Objekt ist für alles da. Das ist nicht irgendwo, dass man
nur zwei verschiedene Richtungen hat, in die dieses Objekt gehen kann. Es ist wie im
tatsächlichen Leben: "Hier ist es, ich kann alles Mögliche damit anstellen!"."
VP 78: "[...] vielleicht so bestimmte Wortwahlen oder der Umgangston, den man dann an
Schulen oder so dann auch schon mal so mitbekommt. Also der Umgangston, einfach die
Verhaltensweise, die kann man in Verbindung bringen."
In der Regel wird ein Bezug zur realen Welt von den Interviewpartnern ausgeschlossen,
weil das Spiel an sich sehr unrealistisch ist. Die Rätsel sind teilweise hochgradig absurd
und mit regulären physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht zu lösen. Die Umgebung im
Spiel ist surrealistisch gestaltet und auch thematisch existieren keinerlei Bezüge zur realen
Welt, da die Thematik "Piraterie" in der heutigen Zeit nicht mehr aktuell ist.
Es bleibt also festzuhalten, dass “Monkey Island” für manche Spieler zwar Bezüge zur
medialen Welt oder aber auch zur Spielwelt aufweist, Bezüge zur realen Welt hingegen nur
auf einer eher abstrakten Ebene hergestellt werden können.
Ferner ist sicherlich die Frage interessant, ob der Inhalt des Spiels “Monkey Island” dem
Spieler etwas über das Spiel hinaus vermittelt: Wird für die Computerspieler eine
moralische Wertorientierung erkennbar oder existiert eine "Message" im Spiel? Erlangt
diese “Message” eine Relevanz für den Spieler im realen Leben?
Für die überwiegende Anzahl der interviewten Personen hat der Inhalt keine tiefere
Bedeutung im Hinblick darauf, dass irgendwelche Wertorientierungen mit Hilfe des Spiels
vermittelt würden. Nur drei Interviewpartner finden in dem Spiel eine erkennbare
“Message”. Inwiefern diese von den Versuchspersonen selber auf die reale Welt
übertragen wird, ist nicht zwangsläufig eindeutig erkennbar:
VP 24: "Ja, dass man einfach offen sein soll für alles, denk ich mal, dass man auch einfach
selbstsicherer sein soll im Umgang mit fremden Leuten. Und gerade jetzt bei Teil vier, den
find ich schon extrem mit ner Message, [...]"
VP 33: "Das Spiel ist ja ganz klar so aufgebaut: Gut gegen Böse und das Gute gewinnt."
VP 42: "[...]einen moralischen Leitgedanken, dann vielleicht den: Es kann Einem noch so
viel passieren! Man kann das Leben trocken nehmen und meistert es trotzdem
erfolgreich!"."
Dass hier von einer gravierenden Bedeutung gesprochen werden könnte, ist gleichwohl
eher auszuschließen.
23
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Motivationale Aspekte der Inhalte
Nicht minder interessant ist die Frage, welchen Stellenwert der Spielinhalt des Spiels
“Monkey Island” für die Motivation der Spieler einnimmt. Wie bedeutsam sind also die
ständig wechselnden Landschaften und Inseln, die unterschiedlichen Spielfiguren mit
ihrem je spezifischen Charakter, die Darstellung, Präsentation im Allgemeinen oder die
Gags und Witze? Fraglich ist auch, ob die Geschichte die Hauptmotivation ausmacht, wie
zunächst bei einem Adventure anzunehmen wäre oder, ob die Handlungsanforderungen,
die Rätsel die alles entscheidenden Motivationsfaktoren sind.3
Erstaunlicherweise erwähnt keine der befragten Personen im Interview, dass die Rätsel
allein die Hauptmotivation ausmachen. Das gleiche Phänomen findet sich annähernd auch
in Bezug auf die Geschichte. Lediglich eine Person erwähnt vor allem die Geschichte als
den Hauptmotivator, das Spiel zu spielen. Die Rätsel werden in diesem Fall als eher
hinderlich in Bezug auf die Weiterentwicklung der Geschichte beschrieben:
VP 70: "Ja, die Rätsel sind manchmal ein witziges Element, aber ich mache das nicht
wegen der Rätsel. [...] Ich finde es, weil ich halt die Geschichte gerne weitersehen möchte,
schon ein bisschen nervig, vor allem wenn es so langwierige Rätsel sind. [...] Insofern sind
die Rätsel eher ein Hindernis. [...] Andererseits wäre es natürlich auch kein Spiel, wenn es
keine Rätsel mehr hätte. [...]"
In der Regel tritt der Fall ein, dass bei der Abwägung der motivationalen Faktoren des
Spiels weder die Inhalte noch die Regeln bzw. die Rätsel im Mittelpunkt des Interesses und
der Spielfreude stehen. Scheinbar entwickelt sich die motivationale Kraft im Spiel primär
aufgrund einer gelungenen Verschränkung des Inhalts mit den Regeln bzw. den
Handlungsanforderungen an den Computerspieler. Zu diesem Bereich treffen fünf der
Befragten eine klare Aussage. Hierzu einige Beispiele aus den Interviews:
VP 33: "Ich denke, beides ist wichtig und es ist ja auch beides logisch verknüpft. Wenn
man die Geschichte nicht verfolgen würde, könnte man die Rätsel nicht lösen und
umgekehrt. Das geht einfach nicht. Für mich ist schon wichtig, dass beides irgendwo von
einander abhängig ist."
VP 45: "Ja klar. Es ist beides sehr wichtig. Im Grunde geht's ja darum, dass man
weiterkommt in dem Spiel, aber halt nicht wirklich auf Biegen und Brechen, dass man
wirklich nur versucht, da schnell durchzukommen, sondern dass man eben wirklich sich
3
Erste Hinweise in Bezug auf die Bedeutung der Rätsel, der Geschichte, den Figuren und des Humors,
finden sich in Ansätzen bereits in Punkt 23.4 Semantische Aspekte des Inhaltes. Im Folgenden sollen die
genannten Elemente hinsichtlich ihres direkten motivationalen Charakters genauer untersucht werden.
24
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
alle Dialoge anhört, weil das einfach lustig ist. Und probier halt auch dann möglichst alles
aus, selbst wenn ich halt, wenn's da jemanden gibt, mit dem ich im Grunde nicht mehr
sprechen müsste, weil ich von der Geschichte her schon weiter bin, dann rede ich trotzdem
mit ihm einfach, weil ich dann den Dialog so mitkriegen will."
VP 48: "Ja, es muss beides sein. Es muss ja auch noch eine Geschichte da sein, damit du
dich da irgendwie, ... wenn das nur so was Hingeklatschtes ist, dann fühlt man sich da
nicht so motiviert. Aber ich würde schon sagen, dass das mehr so die Aufgaben sind, die
man dann da zu machen hat. Aber die Geschichte muss auch trotzdem sein."
Gleichermaßen führt die Präsentationsqualität der Inhalte zu einer Steigerung der
Motivation der Spieler. Sieben Personen gaben an, dass die Darstellung der Landschaften
und der Figuren, sowie der Klang der Musik durchaus zu mehr Spielspaß und -motivation
beitragen. Da die Erkundung der Landschaft zum Spielprinzip eines jeden Adventures
gehört und dies in der Regel über einen längeren Zeitraum hinweg geschieht, ist es den
meisten Computerspielern wichtig, dass die Landschaften und Figuren wechseln und
gleichwohl ansprechend gestaltet sind. Spieler des Spiels “Monkey Island” scheinen
zudem die Erkundung der Spielumgebung zu genießen, wie die folgenden beiden
Textbeispiele verdeutlichen:
IL: "Wie sieht es aus mit diesem Wechsel der Landschaften? Du bist ja immer auf anderen
Inseln. Oder wäre es für dich auch in Ordnung, wenn du die ganze Geschichte im Grunde
in einer Landschaft stattfinden lassen könntest?"
VP 33: "Da hätte ich wahrscheinlich Probleme mit, weil es ist ja doch ein Adventure, was
einem doch von den Stunden her sehr viel abverlangt. Und ich denke, wenn man dann so
50 Stunden gespielt hat und das immer auf der selben Stelle macht, in der gleichen
Umgebung, denk ich, wirkt es schon irgendwann ermüdend. So kommt immer ein neuer
Faktor dazu, man ist ja auch immer gespannt, wenn man in ne neue Ebene kommt. Was
gibt's jetzt hier? Wie sieht das jetzt hier aus? Was gibt es hier alles? Das motiviert
natürlich noch zusätzlich und das ist schon o.k. so. Wenn das anders wäre, würde ich nicht
so lange aushalten."
VP 70: "Nein, das ist schon auch wichtig, weil das so sightseeing-mäßig ist. Ich gucke mir
das schon gerne an. Ich freue mich dann schon auf irgendwelche anderen Landschaften
und gucke mir die dann auch an. Ich finde das schon witzig."
Im Zusammenhang mit den motivationalen Faktoren wird zudem immer wieder auf die
Bedeutung des Humors und auf die Rolle der vorangegangenen Teile von “Monkey Island”
25
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
verwiesen4. Die witzigen Dialoge sowie die Anspielungen auf die Vorgänger erhöhen den
Spaß am Spiel und schaffen somit einen Anreiz, sich auch über längere Zeit hinweg mit
dem Spiel zu befassen.
Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die Spielgeschichte, die Spiellandschaften
und die Spielobjekte von “Monkey Island” zwar über einen relativ hohen Stellenwert
verfügen, die Regeln bzw. Handlungsanforderungen des Spiel und die grafische
Präsentation der Spielinhalte scheinen allerdings gleichsam nicht minder bedeutend für die
Computerspieler zu sein.
Syntaktische Aspekte der Inhalte
Eine wichtige Frage im Hinblick auf die Klärung der Bedeutung des Inhaltes für die
Computerspieler ist ferner, inwieweit der Spielinhalt hilft, die Regeln und die Handhabung
des Spiels besser zu verstehen. Wie wird den Spielern klar, was von ihnen bei dem Spiel
“Monkey Island” verlangt wird? Sind die Spielfiguren des Spiels “Monkey Island” in der
Lage, dem Spieler beispielsweise durch entsprechende Hinweise in den Dialogen
klarzumachen, was von ihm gefordert wird und wie es erreicht werden kann?
Alle befragten Personen weisen in den Interviews darauf hin, dass bestimmte Elemente des
Spielinhaltes durchaus in der Lage sind, das Spiel mitsamt den darin enthaltenen
Anforderungen zu erklären. Das Handbuch wurde von den Interviewpartnern nur zur
Aneignung des Handlings genutzt. Es diente gleichsam nicht der Entnahme von
Informationen, die dem Computerspieler beim Spielverlauf nutzbringend gewesen wären.
In der Regel sprechen die Versuchspersonen von einer sehr guten Einleitung in die
Geschichte mit Hilfe des Intros. Wesentliche Informationen zur aktuellen Situation und zu
den ersten Anforderungen an den Spieler sind dort bereits enthalten. Der Inhalt verliert mit
dem weiteren Verlauf des Spiels nicht an Bedeutung für den Spieler5, da auch im
Folgenden die kurzen Videosequenzen und die Figuren im Spiel (im Rahmen der geführten
Dialoge) Hinweise zum künftigen Spielverlauf enthalten. Wie bedeutend die Spielfiguren
und die Videosequenzen für den Einstieg in das Spiel sind, zeigen die folgenden
Textbeispiele:
4
Angaben zu der Bedeutung der Teile I bis III von Monkey Island finden sich auch in Punkt 23.4
Semantische Aspekte des Inhalts.
5
Weitere Ausführungen zu diesem Themenbereich s. auch Punkt 23.9 Temporäre Aspekte der Inhalte.
26
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
IL: "Erklärt wodurch?"
VP 45: "Ja, durch die Charaktere natürlich, also durch die Geschichte einfach. Bei
“Monkey Island” [...] ist ja meistens n Vorspann dabei [...], wo ja schon die Geschichte
eigentlich eingeleitet wird und wo dann erklärt wird, wo da die Hauptperson jetzt
eigentlich ist und wie man da hingekommen ist und was man als Nächstes vorhat. Und
dadurch ist man eigentlich schon ganz gut in der Geschichte drin. Und dann einfach durch
die Dialoge kriegt man dann heraus, was die Aufgaben sind. Und die Aufgaben selber, die
muss man dann halt selber lösen durch die Gegenstände und was man halt findet."
VP 48: "Meistens wird das ganz klar gesagt. Wenn am Anfang Elaine sagt: "Du musst das
Katapult da zerstören, damit es aufhört!". Du weißt dann natürlich noch nicht, wie du das
machst, ob du das überhaupt zerstören musst, aber irgendwie muss man das machen,
damit man danach nach “Monkey Island” kommt. Also es werden da schon Anweisungen
gegeben, man steht da nicht völlig im Leeren."
IL: "Also durch die einzelnen Spielfiguren und die Unterhaltungen, die man mit denen
führt, weiß man eigentlich recht gut, was dann zu tun ist?"
VP 48: "Ja."
Aber auch in Bezug auf die syntaktische Aspekte des Inhaltes wird die Bedeutung der
zuvor erschienenen Teile von “Monkey Island” erneut deutlich. Alle Interviewpersonen
verweisen darauf, dass sich das Spielen der vorangegangenen Teile für das Verständnis des
aktuellen Spiels als durchaus nützlich erwiesen hat. So ist beispielsweise die generelle
Vorgehensweise, um in dem Spiel voranzukommen, aus den Teilen I bis III bereits
bekannt. Die Computerspieler verfügen über einen Vorrat an Denkschemata, um die ihnen
in ihrer Struktur bereits bekannten Rätsel lösen zu können. Beispiele aus den Interviews:
VP 24: "Und jetzt ist es so, wenn ich irgend nen Rätsel sehe, dann denk ich so: Das kann
nur ganz absurd sein! Das kann nur ganz bescheuert sein!. [...] Mittlerweile bin ich mir
darüber im Klaren, wenn ich irgendwo vor nem Rätsel stehe, dann hab ich die Sachen
entweder bei mir oder die liegen dort rum, also es muss ne Lösung geben."
VP 42: "Ich wusste aufgrund der ersten Teile, klar, es gibt ne Möglichkeit, Objekte zu
nehmen, es gibt ne Möglichkeit, Objekte zu analysieren, zu begutachten, zu verwenden,
miteinander zu verwenden verschiedene Objekt oder auch mit anderen Sachen, die man
jetzt gerade auf dem Bildschirm sieht oder mit Leuten zu sprechen."
Von Interesse ist allerdings nicht nur, ob die Regeln des Spiels mit Hilfe bestimmter
Elemente des Inhaltes verständlich werden, sondern auch, ob Regeln ihrerseits die
Bedeutung des Inhaltes präformieren, bestimmen oder überformen, d.h., ob die Regeln die
27
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Bedeutung einzelner Elemente des Spielinhaltes beeinflussen. Eine generelle Überformung
des Inhaltes wird von den Interviewpartnern nicht erkannt. Zwar handelt es sich um ein
Adventure, wo Vieles zwangsläufig nicht starr an die Realität angelehnt sein muss, jedoch
ist es unabdingbar, dass die Möglichkeiten zur Lösung eines Rätsels wenigstens annähernd
der Logik in der Realität entsprechen und dort abgeleitet werden können. Insofern
verfügen die jeweiligen Elemente des Spiel prinzipiell über die der Realität entsprechenden
Bedeutung.
Es wird erneut deutlich, dass die Regeln und der Spielinhalt von “Monkey Island” in einem
engen Wechselwirkungszusammenhang stehen und gegenseitig aufeinander bezogen sind.
Großes Interesse besteht zudem dahingehend, ob die Regeln einen Einfluss auf die
Wahrnehmung der moralischen Positionen besitzen und ob auf diese Weise
möglicherweise Bewertungen der im Computerspiel enthaltenen Wertentscheidungen
verändert werden. Die Regeln des Spiels verlangen von dem Computerspieler ganz klar,
zeitweise rauer und in gewisser Weise unbarmherzig im Spiel zu agieren. Die
Interviewpersonen stellen einheitlich während des Interviews heraus, dass dies von vorne
herein kein Problem für sie darstellt und dass sie gleich zu Beginn mit einer
entsprechenden Einstellung an dieses Spiel herangehen. Ein Beispiel aus den Interviews:
VP 70: "Man ist ja dann auch Pirat. Also ich habe mir auch keine großen Gedanken
gemacht, dass der arme Abbruchmeister da sein Katapult verloren hat. Das war mir dann
schon relativ wurst. Auch wenn ich diese Gespräche führe.. Ich habe dem Armen da seinen
Happy-Birthday-Luftballon kaputt gemacht, das gehört ja dazu. Ich bin ja der Pirat. Da
kann ich ja auch diese Sachen machen. Das ist genau wie mit dem Flugsimulator."
Diese moralische Einstellung bedingt, dass zudem kein Einfluss auf die moralische
Bewertung der im Spiel enthaltenen Wertentscheidungen festgestellt werden kann. VP 28
bringt dies mit ihrer Aussage sehr klar zum Ausdruck:
VP 28: "Also negativ überhaupt nicht, aber das stimmt schon, dass man am Ende überall
draufgetreten hat, dran gerüttelt hat, solange es irgendwie möglich war. Da denkt man:
Das muss doch gehen! Weil der durfte sich ja alles rausnehmen!"
IL: "Aber dadurch ist für dich das Spiel nicht irgendwie negativer geworden?"
VP 28: "Nö!"
Offenkundig werden also durch den Spielinhalt "unterschwellig" keine Wertvorstellungen
transportiert, die sich bei den Spielern "einnisten" und auf diese Weise eine
Verhaltensänderung bei den Versuchspersonen bedingen.
28
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Pragmatische Aspekte der Inhalte
Inwiefern können die Spielgeschichte, die Spiellandschaft, die Spielfiguren und die
Spielobjekte von “Monkey Island” zum wirkungsvollen spielerischen Handeln beitragen?
Existieren im Spiel ausreichende Einwirkungsmöglichkeiten auf die genannten Elemente?
In Bezug auf die Einwirkungsmöglichkeiten beziehen sich die Interviewpartner einzig auf
die Handlungsmöglichkeiten der Spielfigur Guybrush. Mit Hilfe dieser Figur können
diverse Frage- und Antwortmöglichkeiten im Dialog mit anderen Spielfiguren ausprobiert
oder Gegenstände analysiert, aufgenommen und kombiniert werden. Oftmals wird von den
Befragten angeführt, dass es möglich ist, sich in Ruhe die Landschaften anzuschauen und
diese zu erkunden. Eine sehr treffende Aussage liefert VP 70:
"Ich kann mir da irgendwelche Geschäfte angucken. Ich kann praktisch Sightseeing
machen. Ich kann mich mit den Leuten unterhalten, das ist schon ganz witzig. Insofern ist
das schon ganz schön anzugucken. Aber ja, ich kann mich mit den Leuten unterhalten und
rumlaufen und irgendwelche Sachen ausprobieren, die meistens nicht funktionieren."
Fehlende Einwirkungsmöglichkeiten werden ebenfalls von allen Interviewpartnern
benannt. Hier wird besonders der Aspekt betont, dass der Ablauf von Seiten der
Programmierer klar vorgegeben ist und neben dem einzig gangbaren, eher linearen
Spielverlauf keine weiteren Alternativen existieren. Abgesehen von den vielfältigen
Dialogmöglichkeiten und der Gelegenheit zum verhältnismäßig freien Bewegen auf den
diversen Inseln, ist das weitere Agieren aufgrund des einzig vorhandenen Lösungsweges
begrenzt. Diese Problematik verdeutlicht u.a. die Bemerkung von VP 45:
"[...] Also bei so nem Spiel ist im Grunde, eigentlich, was man machen kann sehr, sehr
begrenzt. Dadurch, dass es eigentlich nur einen richtigen Weg gibt, der einen weiterbringt.
Also im Grunde muss man ja das Richtige, was jetzt zu tun ist, muss man halt finden. Es
gibt im Grunde ja nur einen einzigen Weg, wie man zum Ziel kommt. Also es ist eigentlich
selten, dass man n bestimmtes Ziel auf verschiedenen Wegen erreichen kann bei diesem
Spiel. Was eigentlich ganz gut ist, man kann bei dem Spiel auch .. Dadurch dass es nur
diesen einzigen richtigen Weg gibt, dadurch sind eigentlich viele Gegenstände einfach
überhaupt nicht relevant für das Spielgeschehen selber, aber man kann halt trotzdem im
Grunde alles aus der Landschaft angucken oder so. [...]"
Mokiert
wird
auch
die
Tatsache,
dass
zumindest
z.T.
entsprechende
Einwirkungsmöglichkeiten auf die Figuren, Objekte oder die Spiellandschaft fehlen. Die
Regelstruktur
des
Spiels
verfügt
über
einen
starken
Einfluss
auf
die
29
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Handlungsmöglichkeiten. An welcher Stelle sich der Computerspieler fantasievoll mit
seiner Umwelt auseinandersetzen kann und wo ihm diesbezüglich Grenzen aufgezeigt
werden, bestimmen die Regeln von “Monkey Island”.
Nicht zu steuern sind ferner die einzelnen Zwischensequenzen im Spiel. Dies wird jedoch
von den Interviewpartnern als weniger störend angesehen und als gegeben hingenommen,
wie das folgende Textbeispiel verdeutlicht:
VP 49: "Es gibt ja diese Videosequenzen, die dazwischen laufen. Das ist ja entweder wenn
man etwas geschafft hat, oder wenn man eine neue Aufgabe kriegt, oder so was. Aber ich
denke nicht, also da kann ich keinen Einfluss drauf nehmen, aber das ist halt so."
Welche Handlungsmöglichkeiten der Computerspieler im Spiel besitzt bzw. nicht besitzt
erschließt sich sehr deutlich aus dem Inhalt; genauere Regelkenntnisse sind nicht
unbedingt erforderlich.
Und was ist mit den Gefährdungen im Spiel? Konkrete Gefährdungen existieren in dem
Spiel “Monkey Island” nicht. Die Spielfigur kann nicht sterben und aufgrund des linearen
Spielverlaufes zudem in keine unlösbaren Situationen geraten. Dies wirkt auf die Spieler
sehr beruhigend, denn die meisten lehnen Adventures ab, in deren Spielverlauf der Figur
etwas zustoßen könnte. Beispiele aus den Interviews:
VP 70: "Das schließe ich von vornherein aus, wenn ich “Monkey Island” spiele. [...] Man
kann nicht tot gehen und man kann nichts machen, um hängen zu bleiben. Also es gibt
keine Sackgassen, dass man irgendeinen Gegenstand einmal verwendet und man hat ihn
falsch verwendet und dann kommt er nicht mehr vor und dass man dann hängen bleibt.
Insofern, bei dem Spiel gibt es das schon vornherein gar nicht. Das weiß ich aber vorher
auch schon, wenn ich das Spiel spiele."
VP 42: "[...] Deswegen finde ich das auch so toll, weil's eben hier diese Gefahr nicht gibt.
Man kann [...] nicht sterben, sondern es geht wirklich nur darum, sich Gedanken zu
machen und die Welt zu erleben."
Danach befragt, ob die Einwirkungsmöglichkeiten und die Gefährdungen dem Spiel
angemessen sind, äußerten lediglich zwei Personen geringfügig negative Einschätzungen.
Es wird bemängelt, dass keine weiteren Handlungsalternativen existieren. Zudem werden
die Spielfilmsequenzen teilweise als zu lang empfunden. Die übrigen acht Interviewpartner
befinden die Handlungsmöglichkeiten und die Gefährdungen als durchaus angemessen für
das
Spiel
und
treffen
keine
Einwände.
Schwerwiegende
Disparitäten
und
Unverträglichkeiten, die Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Inhaltes haben könnten,
werden von den Befragten nicht erwähnt.
30
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Präsentative Aspekte der Inhalte
Im Rahmen der Zumessung des Bedeutungsgehalts des Spielinhaltes muss auch die Frage
der Darstellungsform und -qualität, in welcher sich der Spielinhalt präsentiert in Betracht
gezogen werden. Wichtig ist, ob naturalistisch anmutende Abbilder dem Spieler helfen, die
Bedeutung des Spiels zu erschließen oder ob es sich eher um symbolorientierte Abbilder
handelt, die möglicherweise mit sekundären Bedeutungen befrachtet bzw. überformt
werden. Ein weiterer Bereich, der Aufschluss über die Bedeutung des Inhaltes liefern
könnte, ist die Klärung der Frage, welchen Anteil neben den Bildern die Sprache besitzt
(Dialoge mit den Figuren, Kommentare von Guybrush etc.) und über welche Wichtigkeit
sie für die Computerspieler verfügt.
Zur optischen Darstellung des Spielinhaltes lässt sich zunächst sagen, dass bei dem Spiel
keine symbolorientierten Abbilder existieren. Die im Spiel vorhandenen Figuren,
Landschaften und Objekte werden weitestgehend realistisch präsentiert. Gleichwohl
handelt es sich dabei um keine naturalistisch anmutenden Bilder, sondern die Grafik besitzt
laut der Aussagen der meisten Interviewpartner eher einen Comic-Charakter, wie
exemplarisch die Aussage von VP 48 verdeutlicht:
"Bild und Sprache ist eigentlich ziemlich ausgewogen und sehr comichaft. Wenn man da
den Hintergrund sieht, diese Wolken da, so gekringelt. Man hat da schon manchmal den
Eindruck, dass das ein bisschen comic-mässig ist."
Für eine Interviewperson gewinnt die Präsentation im Verlauf des Spiels nach anfänglicher
Comicatmosphäre zunehmend an Realismus:
VP 24: "Nee, sehr comichaft. Aber mittlerweile also doch.. Am Anfang da ist das so Comic
und so, aber um so mehr man da drin ist, um so realistischer ist das. Also wenn ich mir
dann die Stadt angucke und die Touristen, ich denk eigentlich gar nicht an Comic, sondern
schon an richtige Menschen."
Diese Aussage stellt jedoch eine Ausnahme dar. Die Hälfte der Interviewpartner
charakterisiert die grafische Darstellung als unrealistisch, bunt, fantastisch und surreal. VP
42 und VP 70 beschreiben dies z.B. folgendermaßen:
VP 42: "Bunt und 3D - mittlerweile auf jeden Fall 3D, ziemlich bunt und schräg schon
immer, also sehr fantastisch sage ich mal. Häuser sind eher gekrümmt dargestellt, man
sieht auch immer wieder im Hintergrund die verschnörkelten Wolken. Das ganze Spiel
spiegelt irgendwo ne Welt für sich wieder, ne Fantasywelt!"
31
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
VP 70: "Ich finde das schon sehr comic-haft. Ich finde das Design ist auch relativ surreal,
dass die Häuser alle relativ schief sind und dass die Wolken, die da hinten wie
Donauwellen rumkreisen. Das finde ich schon ganz lustig. Das finde ich o.k., dass das so
gemacht worden ist."
Insgesamt gesehen wird die grafische Präsentation als sehr positiv und für die
Wahrnehmung des Spielinhaltes als angemessen beschrieben.
Neben dieser grafischen Präsentation verfügen gleichsam die Sprache und die lesbaren
Dialogtexte über eine große Bedeutung. Die akustisch wahrnehmbaren Dialoge der
Spielfiguren sowie die Zwischenbemerkungen und Erklärungen der Hauptfigur Guybrush
während des Spielverlaufs werden von fast allen Interviewpartnern erwähnt und als sehr
wichtig empfunden. Laut der in den Interviews gemachten Aussagen wird so der Inhalt des
Spiels noch angemessener präsentiert als dies beispielsweise in den Teilen I und II der Fall
gewesen ist, wo der Spieler auf jegliche akustischen Signale oder sprachlichen Äußerungen
verzichten musste. Diese erhöhen den Realismus des Spiels, lassen die Charaktere
deutlicher in Erscheinung treten, da die Figuren beispielsweise über unterschiedliche
Akzente verfügen und steigern so den Spielspaß und das Interesse an “Monkey Island”.
Die folgenden Textpassagen bieten einen guten Einblick:
VP 42: "Ja, ich meine, ohne die Sprache kann man nur sehr schwer die trockenen Sprüche
rüber bringen. Dann lebt das Spiel! Ich meine, das Spiel, das ist ja .. ne Geschichte ... ne
lebendige Geschichte und in ner lebendigen Geschichte, da muss viel gesprochen werden.
[...] Ich meine, es ist schön und realitätsnah, wenn man es noch hört. [...] Und wenn ich
das lese, geht das schneller. Aber weil's eben realitätsnah ist kommt Beides."
VP 45: "Also ich finds schon sehr gut, dass man das hören kann, einfach weil.. [...] Es gibt
eigentlich keine solche langweiligen oder so 0 8 15 Stimmen oder so, sondern im Grunde
ist jede Stimme irgendwas Eigenes, irgendwas Lustiges, irgend ein Sprachfehler oder
Dialekt oder so was z.B.. Das find ich schon sehr, sehr gut. Das war bei Teil eins und zwei
nicht so. Damals ging das ja so noch gar nicht. Bei Eins und Zwei stand das ja wirklich
nur so da. Das find ich schon sehr lustig, wie das jetzt bei “Monkey Island 4” und auch
schon bei 3 gemacht wurde. [...]"
Dennoch behält der Text im Spiel “Monkey Island” seine Bedeutsamkeit. Zumindest zwei
Personen heben die Relevanz des Text vor allem hinsichtlich einer verbesserten
Informationsaufnahme hervor:
VP 28: "Nein, das muss schon zusammen sein. Ich brauche das Schriftliche auch immer
noch mal. Das ist schon so ne Unterstützung. Ich vergesse dann auch wesentlich weniger.
32
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Also wenn ich es noch einmal geschrieben sehe, dann merke ich mir das länger, als wenn
ich es nur einmal gehört hätte."
VP 70: "Ich finde es einfach besser, wenn das da steht. Dann sehe ich das auch gleich.
Dann fallen auch bestimmte Worte mehr auf. Wenn das zum Beispiel ein sehr trockener
Schwamm ist, wenn sie das so erzählt, fällt mir das vielleicht nicht so auf, wie wenn das da
steht. Wenn dann Worte da stehen, die auch bei der Beschreibung von irgendeinem
Gegenstand wieder auftauchen. Insofern ist das eine ganz gute Assoziation, deswegen habe
ich das auch lieber. Oder mit dem lauen Job zum Beispiel. Ich weiß nicht, ob ich auf den
lauen Job gekommen wäre, wenn sie das einfach so nebenher gesagt hätte und ich hätte
das nicht gelesen und würde danach die Beschreibung sehen und da würde stehen: lauer
Job. Dann weiß ich vielleicht nicht: "Hat sie jetzt vorhin lauer Job gesagt?". Insofern ist
das schon ein gutes Element, was ich eigentlich immer eingeschaltet lasse, wenn ich so ein
Adventure spiele."
Dass die Darstellungsweise einen negativen Einfluss auf die Wahrnehmung des
Spielinhaltes hat, wird von keiner Interviewperson bestätigt.
Temporäre Aspekte der Inhalte
Im Mittelpunkt des Interesses steht im Folgenden die Frage, inwieweit die Bedeutung der
Spielgeschichte, der Spielumgebung, der Spielfiguren und der Präsentation im Verlauf des
Computerspiels variiert. Welche Bedeutsamkeit und welche Funktionen hat der Spielinhalt
in den unterschiedlichen Phasen des Spielprozesses vom Vertrautmachen mit dem Spiel bis
hin zum intensiven, zielorientierten Umgang? Es ist anzunehmen, dass in intensiven
Spielphasen, wenn die an den Spieler gestellten Denkanforderungen zur Lösung eines
besonders schweren Rätsels außergewöhnliches Geschick erfordern, die Relevanz der
Inhalte deutlich in den Hintergrund tritt.
Von Interesse ist zunächst die Bedeutung der Grafik während des gesamten Spielprozesses.
Bereits bei der Spielauswahl erlangt die Grafik eine wichtige Position. Die lustige,
farbenfrohe Darstellung der einzelnen Elemente von “Monkey Island” ist zumindest für
sieben der Interviewpartner ein Entscheidungskriterium beim Kauf des Spiels. In der Regel
ist sie nicht ausschlaggebend, gleichwohl trägt sie jedoch zum positiven Gesamteindruck
des Spiels bei. Allein schon aufgrund der technischen Entwicklungen wird eine
entsprechend gute Präsentation mittlerweile vorausgesetzt. Während der folgenden
33
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Spielphasen variieren die Meinungen deutlich. Immerhin beschreiben die besagten sieben
Interviewpartner, dass die Grafik auch in der Phase des Vertrautmachens ein wichtiges
Spielelements sei; es wird z.B. von "Aha-Effekt" gesprochen. Allerdings messen nur vier
Personen der Grafik auch während des gesamten Spielprozesses eine große Bedeutung bei,
wie z.B. VP 77:
"Eigentlich schon die ganze Zeit wichtig. Gerade dann, wenn man sich schon so lange in
einem Teil aufhält, dann will man auch was anderes mal wieder sehen, ne."
Für die beiden anderen Versuchspersonen verliert die Präsentation während des
Spielprozesses an Relevanz. Sie sprechen von der Grafik als "Einstiegsreiz" oder erwähnen
einen "Gewöhnungseffekt".
Zu der Bedeutung der Spielfigur Guybrush Threepwood liegen im Hinblick auf die
Spielauswahl und auf das Vertrautmachen mit dem Spiel nur wenige Angaben vor. Eine
Versuchsperson erwähnt, dass die Charaktere im Allgemeinen schön und witzig gestaltet
sind und so einen primären Aufforderungscharakter gewährleisten. VP 28 bemerkt
während des Interviews hingegen den verhältnismäßig geringen Stellenwert der Spielfigur
Guybrush während des Vertrautmachens mit dem Spiel. Diese Einstellung zur Spielfigur
verändert sich gleichwohl im Verlauf des Spielprozesses. Es entstehen emphatische
Gefühle und eine Identifikation mit der Spielfigur wird vollzogen, wie dies u.a. VP 24 sehr
treffend beschreibt:
"Ja, dass man irgendwie manchmal das Gefühl hat, man hat sich in diesen Guybrush
verliebt und man lebt nur noch für ihn. Also er ist so sympathisch, man hat wahnsinnig
Mitleid mit ihm, weil er auch son bisschen trottlig ist, und kriegt dann auch n Hass, wenn
dann gerade jetzt in Teil 4 seine Ische da, seine Freundin da son bisschen eklig wird, seine
Frau und so. Also man kann sich so mit ihm n bisschen identifizieren. Jetzt nicht in seinem
Leben oder so, sondern allgemein. Man kann das gut nachvollziehen, wie er reagiert und
so. [...] Ja, ganz oft, ganz, ganz oft [...], dass ich mich permanent über diese Elaine
aufgeregt hab, dass ich als Guybrush gedacht hab: "Ey, so ne blöde Ziege ist meine
Freundin, also die könnt ich.. Ich lass mich scheiden oder so, aber na ja, ich brauch ihr
Geld!". Dass ich so richtig schon überlegt hab: "Das ist eine dumme Ziege!" So richtig
gefühlsmäßig mich auch verletzt gefühlt habe. So, als ob ich wirklich Guybrush wäre und
auch gedacht hab: "Nee, die kann mir gestohlen bleiben!"."
Insgesamt vier Interviewpartner stellen im Spielverlauf eine solche empathische
Verbindung zur Spielfigur fest, wenngleich zwei der Befragten deutlich akzentuieren, dass
34
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
die Entstehung solcher Gefühle in einem engen Zusammenhang mit dem zeitlichen
Aufwand stehen. VP 42 verdeutlicht:
"Er ist einem halt einfach nur aufgrund der Zeit ans Herz gewachsen."
Die übrigen sechs Computerspieler äußern, dass Guybrush ihnen als Figur im Spiel zwar
sympathisch ist, sie aber dennoch keine empathischen Gefühle zu ihm aufbauen. Es besteht
z.T. zwar immerhin die Tendenz, den Spielfiguren bestimmte Charaktereigenschaften
zuzuschreiben und diese so zu definieren und “Monkey Island” wäre ohne Guybrush kaum
vorstellbar, ein Verlust der Spielfigur würde hingegen lediglich Ärger bei den Befragten
hervorrufen.
Bei der Betrachtung der Funktion der Spielgeschichte im temporären Verlauf fällt auf, dass
dieser gleich zu Beginn eine wichtige Bedeutung zugemessen wird. “Monkey Island” wird
von den Interviewpartnern u.a. aufgrund der ansprechenden Story auf dem Cover, der
Tatsache, dass das Thema "Piraterie" aufgegriffen wird oder aber aufgrund des Fakts, dass
es sich um einen Seriennachfolger handelt ausgewählt.
Die Relevanz des Inhaltes nimmt während des Spielverlaufes nicht ab. In der Phase des
Vertrautmachens mit dem Spiel verfügt die Geschichte über eine bedeutende Rolle, um
dem Spieler den Einstieg in das Spiel zu erleichtern. Das Intro enthält bereits ein großes
Kontingent an geschichtlichen Informationen der Teile I bis III und an Hinweisen zur sich
aktuell stellenden Situation. Der Spieler taucht umgehend in die Geschichte ein und ist so
in der Lage, das Spiel von Beginn an ohne Probleme zu handhaben bzw. eine erste
Orientierung zu erlangen. VP 48 verdeutlicht dies:
"Ja, am Anfang ist das schon, dass man da erst mal wieder rein kommt. Da war ja auch ein
kleiner Rückblick, was vorher passiert ist, dass man sich an die letzten Teile wieder
erinnert und dann kann ich mich erst mal wieder dran erinnern, dass man da erst mal
wieder rein kommt."
Nur zwei der befragten Personen erwähnen, dass ihr Interesse an der Geschichte eher
zweitrangig ist und während des weiteren Spielverlaufes in den Hintergrund tritt. Alle
übrigen acht Interviewpartner sprechen von einer konstanten Bedeutsamkeit der
Geschichte in allen Spielphasen. Dies kann einher gehen mit einem völligen Eintauchen in
die Geschichte oder einer großen Neugier im Hinblick auf den weiteren Geschichtsverlauf.
In diesem Fall werden die Rätsel gleichsam als Hindernisfaktoren im Spiel betrachtet.
Positiv bewertet wird, dass die Geschichte von “Monkey Island” nicht zu durchschaubar ist
und viele Geheimnisse in sich birgt. Auch, dass die Geschichte von den Spielherstellern im
Rahmen
des
Spielprozesses
zu
keiner Zeit vernachlässigt wird, kommt den
35
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Computerspielern positiv entgegen. Eine Vernachlässigung der Geschichte würde zu einem
deutlichen Interessenverlust bei den Spielern führen. Gleichwohl wird bei den Interviews
Folgendes deutlich: Die Relevanz der Geschichte kann während des Spielprozesses
temporären Schwankungen unterworfen sein. Sechs Interviewpersonen berichten, dass in
der Regel die Ankunft auf einer neuen Insel zunächst mit einer Erkundung derselben
beginnt. Erste Kontakte zu den dort anwesenden Personen werden geknüpft, ausgiebige
und gleichsam unterhaltsame Dialoge geführt bzw. Häuser und Landschaften erkundet
usw.. Zu diesem Zeitpunkt rückt die Geschichte deutlich in den Mittelpunkt des Interesses.
Der Spieler schaut sich in Ruhe alles an und genießt die ihm virtuell angebotene
Umgebung. Dieses Vorgehen ändert sich, alsbald ausreichende Informationen vom Spieler
aufgenommen wurden. An dieser Stelle greift die eingangs gestellte Annahme, dass der
Spielinhalt in solch intensiven Spielphasen deutlich zurücktritt. Das maßgebliche Interesse
der Befragten besteht dann de facto darin, die an sie gestellten Handlungsanforderungen
mit großem denkerischen Geschick zu bewältigen. Einige Beispiele aus den Interviews:
VP 28: "Also ich bin jedes Mal, wenn ich auf einer neuen Insel war, immer erst mal die
Insel so ein bisschen abgegangen. Hatte im Hinterkopf aber, was überhaupt passieren
muss oder warum ich da bin. [...] Und .. aus dem Grund bin ich ja erst mal um die Insel
rumgegangen und habe erst mal so geguckt: Was kann ich hier mitnehmen, was könnte ich
später gebrauchen?. Da habe ich eigentlich erst mal alles eingesammelt, habe mir die
Leute angeguckt, habe ein bisschen mit denen geredet, ob da noch was bei rauskam und
habe mich dann der endgültigen Aufgabe gestellt. [...]"
VP 77: "Ja, erst mal hat man ja jede Menge Geschichte, alleine auch schon den ganzen
Vorfilm, den man da sieht. Und dann, wenn es dann nachher an die Rätsel rangeht, dass
man da dann wirklich tagelang an einem Rätsel dransitzt, dann vergisst man diese
Geschichte auch. Dann geht es wirklich nur noch darum, diese Rätsel da zu lösen, das ist
klar."
IL: "D.h., irgendwann tritt die Geschichte in den Hintergrund?"
VP 77: "Ja, weil die auch nicht vorangeht. Man doktort da einem Rätsel herum und von
der Handlung her tut sich da dann erst mal nichts."
Diese Beispiele beschreiben sehr prägnant, dass der Spielinhalt in derartigen Spielphasen
eher von sekundärem Interesse ist. Das primäre Anliegen der Befragten umfasst vielmehr
die Lösung des sich aktuell stellenden Rätsels.
36
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Eintauchen in die virtuelle Welt
Von großer Wichtigkeit im Hinblick auf die Bedeutung der Inhalte ist auch die Frage, wie
hoch das Ausmaß der Konzentration oder gar der Verschmelzung mit dem Spiel ist, welche
Form der Verschmelzung durch das Spiel möglich wird und von welchen Faktoren diese
abhängt. Es wäre zu vermuten, dass bei der sensumotorischen Synchronisation, die eine
unmittelbare und direkte Einwirkung auf die eigene Spielfigur erfordert, die Bedeutung der
Inhalte differiert. Bei einer sehr filmischen Darstellung oder aber auch einer Identifikation
mit der Spielfigur bzw. einer deutlichen strukturellen Koppelung zwischen dem Spielinhalt
und den Tätigkeiten des Spielers in der realen Welt ist davon auszugehen, dass die
Relevanz des Inhaltes zunimmt.
Bei dem Spiel “Monkey Island” geben immerhin fünf der Befragten an, dass sie sich in
einem normalen Umfang bis hin zu besonders stark konzentrieren müssen, um das Spiel
angemessen bewältigen zu können. Die Umgebung wird während des Spiels nicht mehr
wahrgenommen, z.T. wird das Essen oder das Trinken vergessen und das Gefühl für die
Zeit geht verloren. Diese Faktoren werden auch von den anderen Versuchspersonen
bedingt genannt, wenngleich ein solches Ausmaß an Konzentration eher phasenweise und
nicht über den gesamten Spielzeitraum existiert.
Wesentlich tiefer ist das Eintauchen in das Spielgeschehen, wenn eine Verschmelzung mit
dem Spiel stattfindet. Einen solchen Prozess haben die bereits zu Beginn erwähnten fünf
Personen über die Konzentration hinaus bei sich selbst festgestellt.
Von besonderem Interesse ist natürlich, welchen Aspekten des Spiels im Hinblick auf den
Konzentrations- bzw. Verschmelzungsprozess eine besondere Bedeutung zukommt. Am
häufigsten erwähnt werden von den interviewten Personen gleichermaßen die spannende,
komplexe
Spielgeschichte
und
die
anspruchsvollen
Rätsel.
Eine
interessante
Spielgeschichte sowie logische, ansprechende Rätsel ermöglichen dem Spieler erst ein
Abtauchen in das virtuelle Geschehen. Gleichwohl entfaltet sich das Faszinationsspektrum
zumeist erst in der Kombination der beiden Aspekte. Die kurzen Videosequenzen oder die
zu Beginn geführten Dialoge werden dabei als sehr wichtige Spielphasen angesehen, weil
währenddessen Hinweise auf die Rätsellösungen gegeben werden:
VP 45: "Wobei bei “Monkey Island” z.B., da möchte man andererseits da nicht mehr
unbedingt was verpassen. Wenn ich mich mit jemandem unterhalte da, also in dem Spiel
selber, also Guybrush jetzt mit jemandem, dann will ich das schon noch hören. Also dann
weiß ich nicht, dann könnte ich mich nicht gleichzeitig unterhalten einfach."
37
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Anders stellt sich dies bei der Präsentation dar. Die Interviewpartner sagen einheitlich aus,
dass die Grafik im Hinblick auf den Konzentrations- bzw. Verschmelzungsprozess
keinerlei Bedeutung besitzt.
Gleiches lässt sich auch bei Betrachtung der Relevanz der Spielfigur feststellen. Nur ein
Interviewpartner gibt an, dass sich die Identifikation mit Guybrush als förderlich für den
Verschmelzungsprozess erweist:
VP 24: "Ich glaub einfach, dass das an der Figur und an der Geschichte so drum herum
liegt. [...] Mit dem kann ich mich identifizieren [...]. [...] Guybrush, den mag ich und wenn
dann irgendwas ist, dann tut er mir auch leid. Und dann bin ich auch unglücklich."
Allerdings wird die Form der Einwirkung in diesem Spiel, die über den elektronischen
Stellvertreter geschieht, von vier Interviewpartnern als förderlich hinsichtlich des
Verschmelzungsprozesses betrachtet. Mit Hilfe der Perspektive wird dem Spieler ein
Eintauchen wesentlich erleichtert, da einerseits der Überblick über das Spiel gewahrt
bleibt, andererseits gelingt es dem Spieler jedoch, die Nähe zum Spiel zu erhalten, indem
er beispielsweise in eine direkte Interaktion mit den Spielfiguren treten kann. Ein Beispiel
aus den Interviews:
VP 28: "Ja, ich denke mal, man muss sich da auch konzentrieren, weil man hat ja
irgendwas zu erledigen, irgendwo auf den Inseln immer. Und das ist für mich wie beim
Lesen. Dann mache ich ja eine Sache, dann kann ich nicht noch nebenbei noch irgendwas
Anderes machen. Weil dann würde man auch die wichtigen Sätze vielleicht nicht
mitkriegen usw.."
Prozesse einer strukturellen Koppelung, die möglicherweise den Stellenwert des Inhaltes
für den Spieler erhöht hätten, können nicht festgestellt werden.
Zusammenhang von Inhalt und Perspektive
Eine zentrale Fragestellung im Hinblick auf die Bedeutung der Inhalte von
Computerspielen ist zudem die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Form der
Einwirkung
und
der
Wahrnehmung
des
Inhaltes.
Inwiefern
haben
also
die
unterschiedlichen Formen der Einwirkung einen Einfluss darauf, ob der Inhalt des Spiels
an Bedeutung gewinnt oder nicht? Eine ausführliche Erörterung dieser Frage kann
natürlich erst im Rahmen des Vergleiches unterschiedlicher Spielgenres geschehen.6 An
6
s. auch Gesamtauswertung Punkt 24
38
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
dieser Stelle soll jedoch explizit kurz auf die Äußerungen der Interviewpartner bezüglich
der Vorteile des elektronischen Stellvertreters "Guybrush Threepwood" eingegangen
werden.
Immerhin sechs Personen vertreten die Meinung, dass ein elektronischer Stellvertreter
prinzipiell die für ein Adventure angemessene Perspektivenform darstellt und dass durch
diese Form zudem eher der Inhalt zum Tragen kommt, als dies beispielsweise bei einem
Ego-Shooter der Fall wäre. So wird dem Spieler durch die Figur des Guybrush
Threepwood die Vermittlung der Inhalte wesentlich erleichtert, wie ein Beispiel
verdeutlichen soll:
VP 42: "Von dem Ablauf her - es kann ja sein, dass die Figur verschiedene Bewegungen
macht, verschiedene Umgebungen abtastet oder mit denen irgendetwas anstellt, mit den
Händen, mit den Füßen oder - keine Ahnung - Berg raufklettert oder wer weiß was macht.
Das würde man aus dieser subjektiven Ansicht ja überhaupt gar nicht sehen, wie er das
anstellt. Ob er sich dabei trottelig anstellt zum Beispiel oder besonders geschickt; was er
eigentlich tut mit den Füßen - dass er damit vielleicht irgendetwas damit bewegt oder
berührt oder was abfällt, was man ansonsten gar nicht mitkriegen würde, was aber wichtig
ist für den Spielverlauf. Insofern passt das einfach besser zu dem Spiel als solches - als
Adventure. Und dadurch sind auch die Inhalte viel besser vermittelbar."
Die Spielfigur ist demzufolge nicht nur bedeutsam im Hinblick auf den Konzentrationsoder Verschmelzungsprozess, wie in Punkt 9 bereits erläutert, sondern der Avatar und die
damit verbundene Perspektive ist in Bezug auf die Wahrnehmung des Inhaltes von eben
solcher Relevanz.
Spielinhalt und Gedächtnis
Um Informationen bezüglich der Bedeutung der Inhalte von Computerspielen zu erhalten,
ist abschließend von Interesse, an welche Strukturelemente sich die Computerspieler nach
Beendigung des Spiels noch erinnern können. Wird z.B. die Präsentation des Spiels noch
besonders in Erinnerung behalten? Werden die im Spiel geforderten Handlungsmuster oder
die enthaltene Message erinnert? Bleiben vielleicht einzelne Elemente der Spiellandschaft,
wie die unterschiedlichen Inselbilder oder einzelne Spielfiguren, sprich die Haupt- bzw.
immer wieder auftauchenden Nebenfiguren in Erinnerung? Oder ist es eher die Geschichte
39
Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
von “Monkey Island”, die länger in der Erinnerung verweilt, wie dies bei einem Adventure
anzunehmen wäre?
Zumindest wurde im Verlauf der Auswertung bereits deutlich, dass die Geschichte einen
hohen motivationalen Anreiz für die Computerspieler darstellt.7 Dieser bemerkenswerte
Stellenwert der Geschichte wird auch an dieser Stelle erneut bestätigt. Immerhin die Hälfte
der interviewten Personen erwähnen, dass ihnen die Geschichte noch vergleichsweise
lange in Erinnerung bleibt bzw. geblieben ist. So erwähnt beispielsweise VP 78:
"Ja, also besonders im Kopf geblieben ist mir jetzt auf jeden Fall die Geschichte, also die
Geschichte halt eben um die beiden Hauptfiguren Guybrush und Elaine. [...] Also von der
Geschichte halt, Piraterie und so."
Ebenso viele Versuchspersonen erinnern die im Spiel geforderten Handlungsmuster bzw.
die Rätsel. Überwiegend bezieht sich dies auf besonders schwer zu lösende bzw.
ausgesprochen abstruse Rätsel, die viel Zeit in Anspruch genommen haben. Ein Beispiel
aus den Interviews:
VP 28: "Nee, die bleiben schon in Erinnerung, also die großen Rätsel, nicht diese kleinen.
Aber jetzt wie gesagt, mit dem Katapultist, das fand ich superklasse, dann am Ende auch
mit diesen Affenkämpfen. Da saßen L. und ich ja lange Zeit vor, um da erst mal
hinterzusteigen, was die von uns wollen. War echt lustig! Dann halt noch ein Rätsel, das
hat komischerweise zehn Mal nicht geklappt und beim elften Mal dann doch - keine
Ahnung warums war. Das werde ich auch nicht so schnell vergessen."
Auch das erste Rätsel des Spiels bietet ausreichend Möglichkeit zur Erinnerung. Das mag
damit zusammenhängen, dass der Einstieg in das Spiel von vielen Spielern als besonders
beeindruckend empfunden wird und dem Rätsel insofern eine spezielle Bedeutung
zukommt.
In Verbindung mit den Rätseln werden ferner der eigene Erfolg oder aber auch emotionale
Reaktionen in Erinnerung behalten. Von der Hälfte der Interviewpersonen liegen Angaben
zu diesem Bereich vor. Das Lösen eines besonders schweren Rätsels zieht in der Regel
eine große Freude über die Bewältigung dieser Aufgabe nach sich, wie z.B. das Statement
von VP 49 verdeutlicht:
"Das ist sicher die schwerste Situation, die gelöst worden ist. Also die würde mir dann als
Erstes wieder einfallen. Wenn man mich jetzt nach “Monkey Island” fragt, würde ich mich
an dieses Affenrätsel erinnern, weil das fand ich super lustig und super spaßig und da hab
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Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
ich einfach am längsten dran getüftelt. Da habe ich mir auch ein eigenes Blatt gemacht
und mir alles aufgeschrieben. Das ist dann wirklich die größte Lösung, das größte
Problem, wenn das gelöst ist, das ist das Erste, woran man dann denkt: "Ja, das war das
stärkste, das hast du geschafft, das hast du allein gemacht!"."
Erwartungsgemäß können die Rätsel auch - gesetzt den Fall, sie wurden nicht eigenständig
gelöst - Frust und negative Erinnerungen an das Spiel hervorrufen. Figuren oder einzelne
Elemente des Spiels hinterlassen bei den Computerspielern allem Anschein nach keine
unangenehmen gefühlsmäßigen Spuren. Vielmehr werden diese ausnahmslos in den
Zusammenhang mit unlösbaren Rätseln im Spiel gebracht.
Einblicke dahingehen, inwiefern die Präsentation im Gedächtnis verbleibt, liefern die
Aussagen von sechs der Befragten. Jedoch sind die Aussagen in sich verhältnismäßig
relativierend. Zwar werden nach der Beendigung des Spiels in der Regel einzelne Bilder
erinnert, insbesondere, wenn es sich dabei um die Erkundung einer neuen Insel handelt,
allerdings wird dem keine übermäßig große Bedeutung beigemessen, wie die Angabe von
VP 77 verdeutlicht:
"Ich konnte mich hier an dieses Katapult, was da am Anfang war, da konnte ich mich als
Erstes dran erinnern, so die ersten Szenen, die da so kamen. Wie das Spiel dann so
weitergeht, das könnte ich dir gar nicht mehr so genau sagen, das käme dann beim Spiel
dann wahrscheinlich wieder dann."
Insgesamt wird erkennbar, dass vor allem die Geschichte und die im Spiel geforderten
Handlungsmuster in der Erinnerung der Interviewpartner verweilen. Dies erscheint wenig
verwunderlich, betrachtet man die von den Befragten in Punkt 2 und Punkt 8 bereits
herausgestellte generelle bzw. temporäre Bedeutung der genannten Elemente. Dass gerade
diese Faktoren in Erinnerung behalten werden, unterstreicht nochmals deren Wichtigkeit
für die Computerspieler.
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Genauere Informationen zum Bereich der motivationalen Aspekte der Inhalte s. auch Punkt 23.5
Motivationale Aspekte der Inhalte.
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Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Zusammenfassung
Bereits im Rahmen der Beschreibung der Untersuchungsgruppe fiel auf, dass es sich bei
"Monkey Island" und ein Spiel handelt, das die Interviewpartner über einen längeren
Zeitraum in den Bann zieht. Im weiteren Verlauf der Auswertung wurde heraus gearbeitet,
aus welchen Gründen dieses Spiel so faszinierend wirkt und welchen Faktoren des Inhaltes
oder der Regeldynamik dabei eine besondere Funktion zukommt.
Hinweise auf die große Bedeutsamkeit der im Spiel enthaltenen Handlungsmuster, also die
ungewöhnlichen und z.T. sehr schwierigen Rätsel, die Relevanz einer Einbindung in eine
ansprechende Rahmengeschichte, die wiederum in einigen Aspekten an vorangegangene
Teile anknüpft, sowie die Wichtigkeit des Humors wurden gleich zu Beginn bei der
Betrachtung der referentiellen Aspekte und der semantischen Aspekte des Inhaltes
deutlich.
Die
genannten
Elemente
des
Spiels
verfügen
über
vielfältige
Anknüpfungspunkte, insbesondere in medialer Hinsicht. Sie können darüber hinaus eine
Plattform für strukturelle Koppelungsprozesse darstellen. So spiegelt sich z.B. das
Interesse an der Thematik des Spiels bei einer eher geringen Anzahl der Versuchspersonen
in anderen Lebensbereichen wieder. Wesentlich häufiger ermöglicht das Spiel "Monkey
Island" den Computerspielern eine Anbindung an psychodynamische Grundmuster. Das
virtuelle Agieren stellt eine Parallele zu den Vorgehens- und Verhaltensweisen in der
realen Welt dar. Virtuell wie auch real verfügen die Versuchspersonen u.a. über ein
Interesse an nur schwer lösbaren Aufgaben. Aber auch der andere Fall ist denkbar:
Immerhin die Hälfte der Interviewpartner äußert, dass sie sich mit Hilfe des Spiels
Wünsche erfüllen können bzw. Verhaltensweisen ausführen dürfen, die dergestalt real
nicht durchführbar wären. So lösen die Spieler das aus dem Spiel heraus, was auch real für
sie von Bedeutung ist und an ihre Interessen, Hobbies oder auch aber Wünsche und
Fantasien anknüpft.
Auch im Rahmen der motivationalen Aspekte wird deutlich, dass der Geschichte, den
Landschaften bzw. den Spielobjekten und den Handlungsanforderungen eine besondere
Relevanz zukommt. Vor allem eine gelungene Verschränkung der genannten Faktoren
führt zu einer erhöhten Motivation auf der Seite der Spieler. Zudem verstärkt die
ansprechende Präsentationsqualität der Inhalte von "Monkey Island" einen möglichen
Motivationseffekt. Zugleich wird die grafische Präsentation von den Befragten als sehr
positiv und für die Wahrnehmung des Spielinhaltes als angemessen empfunden. Für die
meisten Interviewpartner unterliegt diese Bedeutsamkeit der Grafik in der Regel keinen
temporären Schwankungen. Gleichermaßen verfügen die akustisch wahrnehmbaren
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Inhaltsanalyse und Auswertung der Befragung des Spiels "Flucht von Monkey Island"
Dialoge der Spielfigur "Guybrush" sowie die der anderen Spielcharaktere über eine
motivierende Wirkung und somit über eine erhöhte Relevanz für die Interviewpartner.
Die Figur "Guybrush" übernimmt ohnehin eine wichtige Funktion. Bei Betrachtung der
temporären Bedeutsamkeit dieser Figur wird deutlich, dass sich die Spieler im Verlauf des
Spielprozesses zunehmend mit dieser identifizieren. Dies mag zum einen darin begründet
liegen, dass mit dem Spiel ein hoher zeitlicher Aufwand verbunden ist. Zum Anderen
erleichtert die Perspektive eine Identifikation mit der Figur und begünstigt so ein
Abtauchen in das Geschehen am Bildschirm. In diesem Zusammenhang beschreiben einige
der Interviewpartner die Entwicklung von gleichsam empathischen Gefühlen gegenüber
der Spielfigur.
Nicht minder bedeutend sind die temporären Aspekte der Geschichte sowie der im Spiel
enthaltenen Handlungsaufforderungen. Es wird erneut deutlich, dass beide Elemente über
eine hohe Relevanz für die Interviewpartner verfügen. Gleichwohl sind die Spielgeschichte
und die Handlungsanforderungen miteinander in Beziehung zu setzen. In bestimmten
Spielphasen beobachten die Versuchspersonen bei sich selbst ein großes Interesse an der
Lösung des aktuellen Rätsels. In solch intensiven Spielphasen tritt der Spielinhalt
zugunsten der Lösung des Rätsels zurück, um im Anschluss an eine erfolgreiche
Bewältigung wieder im Mittelpunkt des Interesses zu stehen.
Erneut ist es die Kombination der genannten Elemente, die zumindest bei der Hälfte der
Interviewpartner eine Verschmelzung mit dem Spielgeschehen bedingt. Diese Relevanz
wird gleichfalls bei der abschließenden Betrachtung der Gedächtnisleistung deutlich.
Sowohl
die
Spielgeschichte
von
"Monkey
Island"
als
auch
die
geforderten
Handlungsmuster bleiben den Befragten besonders lange in Erinnerung.
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