Die Milch macht`s

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Die Milch macht`s
Blickpunkt Unternehmen
Die Milch macht’s
Die Friedrich Tonscheidt KG blickt auf eine bewegte 75-jährige Unternehmensgeschichte zurück
Die Milch macht’s! Dieses Motto könnte
als originärer Leitstern über der erfolgreichen Geschäftsentwicklung der Friedrich
Tonscheidt KG stehen, die in diesem Monat mit einem kleinen Festakt ihr 75jähriges Firmenjubiläum feiert. Denn die
Erfolgsstory der Supermarkt-Kette Tonscheidt, die heute unter dem Dach der
Edeka-Gruppe sechs Märkte mit einer
Verkaufsfläche von knapp 4 000 Quadratmetern betreibt, entwickelte sich 1928
aus einem ambulanten Milchhandel.
Der 69-jährige Senior-Chef Friedrich
Tonscheidt kann sich noch bestens an die
bescheidenen unternehmerischen Anfänge
seiner Eltern erinnern, die im tiefsten Winter selbst bei Glatteis mit einem klapprigen
Pferdewagen loszogen, um im zwölf Kilometer entfernten Duisburger Vorort Wedau frische Milch vom eigenen Bauernhof
zu verkaufen. Von der entmutigenden Bilanz ihres ersten Tagesumsatzes von nur 69
Pfennig, den der Verkauf von 3,5 Litern
Die Eltern des Senior-Chefs begannen 1928 mit einem ambulanten Milchhandel.
Milch erbrachte, ließen sich die hartgesottenen Eltern nicht entmutigen: Ausgerüstet mit einem Ziehkarren, der fortan als
rollende Filiale den Fuhrpark erweiterte,
fuhren die Eltern nunmehr getrennte Verkaufstouren und hielten buchstäblich an
jeder Milchkanne, um neue Kunden für
ihre Frischmilch zu gewinnen.
Aus dem mageren Tagesumsatz des ersten Geschäftstages am 15. Februar 1928
von 69 Pfennig hat sich 75 Jahre später eine
Supermarkt-Kette entwickelt, die auf einen
beachtlichen Monatsumsatz von mehr als
einer Million Euro verweisen kann. 24
Vollzeitkräfte, davon allein zehn Auszubildende, und 77 Teilzeitkräfte halten die traditionsreiche Handelsflotte, deren Flaggschiff ein 900 Quadratmeter großer Supermarkt im Duisburger Stadtteil Rheinhausen ist, unter Leitung von Falk Tonscheidt
auf Kurs. Seit Beginn des Jahres 1991 ist
Eröffnung des ersten SB-Ladens in Duisburg am 22. August 1955.
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Flaggschiff: Mit rund 900 Quadratmetern hat der Markt in Rheinhausen die größte Verkaufsfläche der Tonscheidt-Filialen.
der 42-jährige Sohn des Senior-Chefs erster
Mann an Bord. Auf Initiative des gelernten
Einzelhandelskaufmanns und Metzgermeisters konnte eine Zentralfleischerei in
das Unternehmen integriert werden, die
die einzelnen Verkaufsstellen mit Frischfleisch aus der eigenen Firmenzentrale beliefert. „Dieses zweite Standbein trägt nicht
nur rund 20 Prozent zu unserem Gesamt-
umsatz bei. Es macht unser Unternehmen
vor allem unabhängig von der Zulieferung
externer Lieferanten“, begründet Firmenchef Falk Tonscheidt seine Doppelstrategie.
Zukunftsorientierte strategische Erwägungen bestimmten auch das unternehmerische Denken des heutigen Senior-Chefs
Friedrich Tonscheidt, als er den kleiden Laden der Eltern zum Verkauf von Lebens-
Auf dem Höhepunkt seines beruflichen Schaffens: Friedrich Tonscheidt (3. v. l.) bei der Verleihung des „goldenen Zuckerhutes“ 1990 in Berlin.
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mitteln und Molkerei-Produkten, der sich
während des Zweiten Weltkriegs aus einer
von seiner Mutter bewirtschafteten stationären Milch-Verkaufsstelle entwickelt
hatte, in den ersten Duisburger SB-Laden
umwandelte. „Das Konzept der Selbstbedienung war in den 50er Jahren aus den
USA über den großen Teich nach Deutschland geschwappt und damals eine echte Revolution, die sich allerdings zunächst nur
zögerlich im Lebensmitteleinzelhandel
durchsetzte“, erinnert sich Friedrich Tonscheidt. Von der Konkurrenz argwöhnisch
beäugt und ausgelacht, eröffnete der dynamische Jung-Unternehmer im Alter von 22
Jahren auf einer Verkaufsfläche von nur 27
Quadratmetern in einem Hinterhof der
Wedauer Straße, der ursprünglich als Spülküche der Milchkannen gedient hatte, den
ersten SB-Laden auf Duisburger Boden.
„Die Ideen für die Umsetzung hatte ich aus
Fachzeitschriften zusammengetragen, die
mir während meiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei der Westdeutschen Kaufhof AG in die Hände gefallen
waren“, berichtet Friedrich Tonscheidt.
Dieses Highlight der Unternehmensgeschichte brachte den jungen Kaufmann
und die Zukunft des Geschäftes entscheidend voran. Von nun an ging es bergauf,
auch wenn immer wieder Rückschläge ver-
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kraftet werden mussten und Bauchlandungen vorprogrammiert waren: „Vom Kaufhof an große Dimensionen gewöhnt,
kaufte ich für unser kleines Geschäft riesige
Mengen ein. Abgesehen davon, dass das
Bankkonto schnell ins Minus geriet,
verdarben viele Waren und wurden somit
unverkäuflich“, blickt Tonscheidt mit einem Schmunzeln zurück.
Trotz dieser Rückschläge lief die Geschäftsentwicklung vielversprechend: Die
Umsätze stiegen, Geschäftsräume wurden
erweitert und zahlreiche Filialen in Stadtteilen des Duisburger Südens aufgebaut.
Aus den höchst bescheidenen Anfängen
des elterlichen Milchhandels war ein kleines Imperium geworden. Ein wichtiger
Markstein auf diesem Weg war die Errichtung einer Filiale in Großenbaum mit einer
Verkaufsfläche von über 300 Quadratmetern im Jahr 1974 – eine für damalige Verhältnisse überdurchschnittliche Dimension. „Für dieses finanziell aufwändige Projekt habe ich damals Kopf und Kragen riskiert“, berichtet Tonscheidt.
Erster Mann an Bord: Falk Tonscheidt, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Niederrhein und Mitglied der Vollversammlung sowie des Handelsausschusses der Niederrheinischen IHK, leitet heute das Unternehmen.
Alle Fotos: Tonscheidt
In der gegenwärtigen – von Konzentration und großbetrieblicher Konkurrenz geprägten – Situation im Lebensmittel-Einzelhandel hätte das Unternehmen keine
Chance, sich mit Läden vergleichbarer
Größe am Markt zu halten. „Supermärkte
mit weniger als 500 Quadratmetern werden im Zeitraum von fünf bis zehn Jahren
nicht mehr existieren können“, ist der Senior-Chef überzeugt. Deshalb geht die
strategische Unternehmensplanung der
Thonscheidt KG auch konsequent in Richtung großflächigerer Standorte von 1 500
bis 2 000 Quadratmetern, die die Zukunft
des Familienbetriebs sichern sollen, ohne
dabei die unbedingt notwendige Nähe zum
Kunden gänzlich aufgeben zu müssen.
Denn Treue und Tradition stehen für Vater
und Sohn nach wie vor ganz oben auf der
Agenda. Eine der Milchkannen, mit der
damals alles anfing, steht deshalb in der
heutigen Firmenzentrale an der Masurenallee im Duisburger Stadtteil Wedau an exponierter Stelle in einer Regalwand direkt
hinter dem Chefsessel.
mavo ■
Landrätin besucht Paradies GmbH
Traditionsunternehmen feiert 100-jähriges Markenjubiläum
Die Paradies GmbH in NeukirchenVluyn feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Markenjubiläum. Das traditionsreiche
mittelständische Familienunternehmen,
das in fünfter Generation hochwertige
Bettwaren herstellt, blickt als ältestes Unternehmen am Standort NeukirchenVluyn auf eine erfolgreiche Unternehmensgeschichte zurück. Bereits 1903
hatte die Firmenleitung „Paradies“ als
Markennamen eintragen lassen. Anlässlich der Feierlichkeiten stattete Landrätin
Birgit Amend-Glantschnig dem Unternehmen einen Besuch ab.
Heute leiten die beiden Geschäftsführer
Rolf und Klaus Kremers gemeinsam das
Unternehmen, dessen Programm neben
Steppbetten, Kissen und Unterbetten in
verschiedenen Gewebe- und Füllvarianten
auch Matratzen und Lattenroste sowie wei-
tere Produkte umfasst, die das Schlafen angenehmer machen. Als wenig komfortabel
bezeichnete Klaus D. Kremers, einer der
beiden geschäftsführenden Gesellschafter,
die gegenwärtige Marktlage. Durch eine
anhaltende Konsumschwäche habe sich die
Situation im gesamten Handel extrem verschärft. „Wir spüren bereits seit knapp zwei
Jahren eine deutliche Zurückhaltung bei
der Kaufbereitschaft unserer Kunden“, beklagte Kremers, der an die Politik appellierte, wirtschaftsfeindliche Bürokratielasten einzuschränken und die Spirale überhöhter Lohnnebenkosten zurückzudrehen.
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten bietet die Paradies GmbH rund 200 Mitarbeitern, davon neun Auszubildenden im Bereich Industriekaufmann/-frau, eine feste
Anstellung. 75 Prozent der Produkte werden in Deutschland, die restlichen 25 Prozent ins Ausland verkauft. Japan ist traditionell der größte Abnehmer von insgesamt
35 Ländern, in die das Unternehmen weltweit exportiert.
Anlässlich des 100-jährigen Markenjubiläums sind Sonderangebote für die
Kundschaft geplant. 2004 gibt es für die
Paradies GmbH einen weiteren Grund zu
feiern: Dann begeht die Firma, die 1854 als
Steppdeckenfabrik Gebr. Kremers gegründet wurde, ihr 150-jähriges Bestehen. ■
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Die Paradies GmbH ist das älteste Unternehmen am Standort Neukirchen-Vluyn.
Foto: Paradies GmbH