Fernsehprogramm zwischen Qualität und Quote
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Fernsehprogramm zwischen Qualität und Quote
B 12335 F Heft 1/ 2008 tendenz M Magazin i fü für F Funk k und dF Fernsehen h d der B Bayerischen i h L Landeszentrale d t l fü für neue M Medien di Fernsehprogramm zwischen Qualität und Quote Der TV-Alltag entscheidet über den Sendererfolg Qualitätskriterien im Unterhaltungsfernsehen Druck auf die Werbedollars Sender, TV-Kritik und Zuschauer Wachhund Meinung, wenn haben unterschiedliche Maßstäbe das Fernsehen zu weit geht In den USA macht ein Medien- D e r T V-A l l t a g e n t s c h e i d e t ü b e r d e n S e n d e r e r f o l g Fernsehprogramm zwis Das TV-Angebot wächst. Die Zuschauer lassen sich nicht mehr so leicht in Zielgruppen einteilen. Filmisch hochwertige Programme sind keine Garantie für den breiten Zuspruch des TV-Publikums. Aber nicht nur Publikumswünsche machen eine Qualitätsdebatte schwierig. »Der Wurm muss dem Fisch schme- hundert ausländische Fernsehmärkte Kinoqualität folgen. Wenige Jahre cken, nicht dem Angler«, hatte Helmut verkauft werden. Um solche interna- später war das Erfolgsprinzip aber be- Thoma 1990 erklärt. »Qualität ist für tionalen Zweitverwertungen sicherzu- reits zum Erzählmuster verkommen: uns Quote«, sagt Guillaume de Posch stellen, muss freilich bereits in der In der Fernsehsaison 2005 / 6 strahlten dieser Tage. Eine Fernsehära, eine Buchentwicklung und beim Casting RTL, Sat.1 und das ZDF kurz hinter- Wirtschaftskrise und eine digitale Re- penibel darauf geachtet werden, dass einander drei Teamworx-Produktionen volution liegen zwischen den beiden das fertige Produkt am Ende nicht allzu aus, bei denen jeweils vor historischer Äußerungen. Und doch meinen der »deutsch« aussieht. Was für die kom- Kulisse kitschige Dreiecksromanzen damalige RTL-Boss und der derzeitige merzielle Kosten-Nutzen-Rechnung inszeniert wurden. Zwar erzielten auch ProSiebenSat.1-Chef letztlich immer gilt, stimmt längst auch für das öffent- »Die Sturmflut«, »Die Luftbrücke« und noch das Gleiche: Eine Qualitätsdebat- lich-rechtliche Fernsehen: Aufwändige »Dresden« Millionenquoten. Zugleich te jenseits von Publikumswünschen Historiendramen wie »Dresden« oder löste der Teamworx-Hattrick aber eine und Shareholder-Interessen kann sich »Die Flucht« wären ohne den Auslands- Diskussion über den adäquaten Um- das Privatfernsehen nicht leisten. Oder markt kaum refinanzierbar. gang mit historischen Stoffen aus. Wie etwa doch? Die Produktionsfirma Teamworx weit, so fragen sich die Historiker, darf machte der Branche 2001 vor, wie sich das Fernsehen um der Einschalt- markt in den letzten Jahren in rasan- man »weltmarktfähig« (Teamworx-Chef quote willen von der historischen Wahr- tem Tempo segmentiert und speziali- Nico Hofmann) produziert und dabei heit entfernen. Als das Produktions- siert hat, macht es sicher nicht leichter, Quote und Qualität selbst für einen unternehmen Spiegel TV im dctp- das Binnenverhältnis von Quote und renditeorientierten Privatsender in Ein- Kiosk nach der Sat.1-Eventproduktion Qualität zu bestimmen. So kann es aus klang bringt. Das von Regisseur Roland »Der geheimnisvolle Schatz von Troja« ökonomischer Sicht durchaus heute Suso Richter inszenierte Sat.1-Mauer- eine Dokumentation über den Archäo- Sinn machen, für das vergleichsweise drama »Der Tunnel« hatte einen für logen Heinrich Schliemann ausstrahlte, überschaubare Zielgruppenpublikum damalige Verhältnisse sensationellen musste dem Publikum zunächst klar von ProSieben hochwertige und also Schauwert. Andere Produzenten ließen gemacht werden, wie wenig die extrem kostenintensive Katastrophen- mit »Das Wunder von Lengede« oder Geschichte des »echten« Schliemann filme wie »Tornado«, »Tsunami« oder »Der Untergang«, der schon beim Dreh »Das Inferno« herzustellen – voraus- für die Großleinwand zur Weiterver- gesetzt diese können dann wie in den wertung im Fernsehen produziert wur- oben genannten Fällen in mehr als de, bald ähnliche Geschichtsstücke in Dass sich der deutsche Fernseh- chen Qualität und Quote mit dem Indiana-Jones-Abenteurer chen. Um der öffentlich-rechtlichen man wieder näher ran ans (weibliche) aus dem Sat.1-Film gemein hatte. Verpflichtung zum gesellschaftlichen Publikum. »Passt dieser Stoff, dieser Diskurs dennoch nachzukommen, imple- Regisseur, diese Hauptdarstellerin wirk- rechtliche wie private – brauchen in mentieren ARD und ZDF die »Problem- lich zu uns?«, will sich Szezinski bei der regelmäßigen Abständen millionen- themen« in aller Regel in einer populä- Durchsicht der neuen Skripte gefragt schwere Leuchtturm-Produktionen, um ren Krimireihe oder einem Genrethriller. haben. Konsequenter denn je setzt der Alle Programmanbieter – öffentlich- auf sich aufmerksam zu machen. Aber über den Sendererfolg entscheidet letztlich der TV-Alltag. »Wir verfügen über Sat.1-Produktionen peilten zu oft Wenigseher an Sender 2008 auf den von Marketingfachleuten ermittelten »Unique Selling Point«, das Alleinstellungsmerkmal: Mit probate Rezepte, um unser Stamm- Das versiert konstruierte Genrestück ist einer klaren auf frauenaffine Stoffe aus- publikum zu erreichen«, gibt ZDF-Fern- allerorten zum gut gepflegten Quoten- gerichteten Strategie und einer Handvoll sehspiel-Chef Hans Janke unumwun- garanten avanciert. So konsequent wie hauseigener »Quoten-Gesichter« wie den zu und nennt mit »Traumschiff«, kein anderer Sender setzt derzeit der Sophie Schütt, Christoph M. Ohrt oder »Rosamunde Pilcher« und »Wilsberg« Berliner Privatsender Sat.1 auf Populä- Alexandra Neldel will man mit dem oder »Stubbe« die entsprechenden res: Um der anhaltenden Senderkrise »Großen Sat.1 Film« die Quotenerfolge Chiffren. Im Dutzend grundversorgt der endlich zu entkommen – Ende 2007 aus der Vergangenheit in die Zukunft Mainzer Sender sein älteres und wenig war der Marktanteil von Sat.1 mit 10,6 fortschreiben. »Im Seichten kann man experimentierfreudiges Publikum mit Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen auf nicht ertrinken«, provozierte Helmut dieser wenig innovativen Programm- einem historischen Tiefstand angekom- Thoma einst seine Kritiker. Heute kann ware. »Wenn man originell und interes- men –, optimierte die Programmdirek- man immerhin mit einem ästhetisch zu sant sein will«, so Janke, »riskiert man tion alle anstehenden TV-Movie-Projek- dürftigen Programm baden gehen: Beim sofort die Reichweite, ohne dabei das te im Hinblick auf ihre Verträglichkeit ZDF weiß man, dass das Publikum in- junge Publikum zu erreichen.« Gesell- mit der Sat.1-Kernzielgruppe: Frauen haltlich viel Schlichtes akzeptiert, wenn schaftsrelevante Themen seien beim zwischen 29 und 49 Jahren. Bisher es nur gut aussieht. »Umgekehrt«, so ZDF gerade noch quotensicher genug, habe der Sender mit seinen Eigenpro- Hans Janke, »funktioniert das nicht.« um sie überhaupt realisieren zu können. duktionen zu oft »Leute anvisiert, die Aber das »ungemütliche«, weil sozial- kaum Fernsehen gucken«, gibt Volker produktion scheint die Kluft, die sich kritische Fernsehspiel ist schnell nicht Szezinski, Leiter der Sat.1-Programm- zwischen dem mehr behaglich genug, um mehr als planung, zu. Künftig will vier Millionen Zuschauer zu errei- Vor allem im Bereich der Serien- Hans Janke, Leiter Fernsehspiel beim ZDF, sagt: »Wenn man originell und interessant sein will, riskiert man sofort die Reichweite, ohne dabei das junge Publikum zu erreichen.« Anspruch der Kreativen und dem auf sein Publikum zugehen, muss Geschmack der Zuschauer aufgetan es sich zwangsläufig von der gesell- hat, inzwischen unüberbrückbar groß. schaftlichen Wirklichkeit entfernen. Mit durchschnittlich 5,6 Millionen Zuschauern in der Gesamtbevölkerung ist die betulich eskapistische Hospital- Help-TV-Formate sind Gratwanderung serie »In aller Freundschaft« im ARD- Interessanterweise hat sich im Bereich Programm in absoluten Zahlen immer der non-fiktionalen Fernsehunterhal- noch erfolgreicher als die sperrige tung zeitgleich der entgegengesetzte US-Kultserie »Dr. House« bei RTL. Im Mechanismus etabliert: Begonnen hat letzten Jahr scheiterten viele deutsche alles vor vier Jahren, als RTL die Mün- Qualitätsserien an mangelndem Publi- chner Produktionsfirma Tresor TV be- kumszuspruch: Die RTL-Serien »Die auftragte, eine deutsche Adaption des Anwälte« und »Herzog« wurden nach britischen Coaching-Formats »Super- nur einer beziehungsweise drei Folgen nanny« zu erarbeiten. Mit der Diplom- abgesetzt. Sat.1 stoppte »Deadline« Pädagogin Katja Saalfrank entwickelte nach neun Sendeterminen, als der RTL binnen kurzem eine televisionäre Marktanteil in der Zielgruppe der 14- Erziehungsberatung, in der »echte« bis 49-Jährigen auf 6,6 Prozent abge- pädagogische Problemfälle vor einem sunken war. Ein Jahr zuvor waren die Millionenpublikum gelöst werden. Für teuer gemachten Prestigeproduktionen die Teilnahme an der Dokutainment- »Bis in die Spitzen« und »Blackout« Show »Die Super Nanny« zahlt die grandios gefloppt. Die ARD stellte Produktionsfirma jeder Familie eine »Elvis und der Kommissar« und »Ein Fall Aufwandsentschädigung von 2000 für die Diskussion, wie viel wir zeigen für Nadja« ein, das Zweite »schenkte« Euro. Dafür lassen sich die Mitwirken- dürfen«, erklärt RTL-Unterhaltungschef den High-End-Serien »KDD – Kriminal- den zwei Wochen lang dabei beobach- Tom Sänger, hält aber mit dem Argu- dauerdienst« und »Dr. Martin« zweite ten, wie Familienhelferin Saalfrank mit ment dagegen, die Verhältnisse vor Ort Staffeln, obwohl die Quoten in beiden ihnen an ihren pädagogischen Defiziten nicht zu zeigen, bedeute letztlich, vor Fällen eher unbefriedigend gewesen arbeitet. Im Kern funktioniert die Super- der Realität die Augen zu verschließen. waren. Lediglich RTL konnte mit der Nanny wie die Vorher-Nachher-Shows Nicht zuletzt weil die familiären Pro- Pathologenserie »Post Mortem« einen »Einsatz in vier Wänden« oder »Woh- bleme nach Sängers Beobachtung in erfolgreichen Neustart verzeichnen. nen nach Wunsch« – nur, dass es hier den letzten Jahren zugenommen haben, Noch mehr Quote macht der Sender nicht um verwahrloste Wohnungen, räumte RTL diesen sozial relevanten aber mit den amerikanischen Origina- sondern um ungezogene Kinder geht. Themen mehr und mehr Sendezeit ein. len »CSI Miami« und »CSI – Den Tätern Wenn Saalfrank »Monster in Muster- auf der Spur«. kinder« verwandelt, wie es die Presse an die Super-Nanny der Berliner Schul- ausdrückt, sehen dabei regelmäßig denberater Peter Zwegat auf Sendung. fünf bis sechs Millionen Menschen zu. Auch dieses, von der Kölner Firma Ob Historienepos oder Serienkrimi, ob frauenaffines Privatfernsehen oder Im letzten Jahr ging im Anschluss bildungsbürgerliches Gebühren-TV – Der unerwartet große Quotenerfolg Probono produzierte Coaching-Format eines zeigt die Branchenentwicklung zog bald diverse Me-Too-Projekte nach »Raus aus den Schulden« ist eine stän- der letzten Jahre überdeutlich: Das sich, rief aber auch die Kritiker auf dige Gratwanderung. Wer sich von Publikum meidet widerständige Pro- den Plan: Bereits nach Ausstrahlung Zwegat helfen lässt, muss anschließend grammangebote längst nicht mehr der zweiten Folge kritisierte der Kinder- damit leben, dass ihm halb Fernseh- nur im Nachmittagsprogramm. Auch schutzbund, die Darstellung hilfloser deutschland ins Portemonnaie geschaut in den filmisch hochwertigen Qualitäts- Eltern und tobender Kinder in der hat. Zudem macht der Schuldenberater programmen der Primetime gilt in- Super-Nanny sei »in besonderer Weise seinen Klienten vor laufender Kamera zwischen: Will das Erzählfernsehen entwürdigend«. Er habe »Verständnis unmissverständlich klar, dass sie sofort 6 TENDENZ 1 2008 T I T E LT H E M A Tom Sänger, Bereichsleiter Unterhaltung ihre Konsumgewohnheiten Show & Daytime bei RTL Television, ändern müssen. Handy- steht hinter seinem TV-Coaching-Konzept: vertrag kündigen, Auto ab- »Hohe Quote heißt in diesem Fall ja auch, melden, Plasmabildschirm dass sich viele Menschen für ein Problem verkaufen: Zwegats Heils- interessieren.« botschaft ist mit dem werbefinanzierten Fernsehen letzt- tung für Straßenkids untergebracht, ohne Folgen für unsere Gesellschaft« sein lich nur schwer vereinbar. wo der Jugendliche den Plan fasste, könne und forderte RTL-Geschäftsführerin Super-Nanny Katja Saalfrank seinen Hauptschulabschluss nachzu- Anke Schäferkordt auf, »mit der Multipli- hatte sich in der Anfangszeit machen. Kurz vor seinem 18. Geburts- katorenrolle ihres Senders verantwor- schon mal darüber beklagt, tag wurde David tot in seiner Woh- tungsvoller umzugehen«. Derart mit öffent- dass keines ihrer Beratungs- nung aufgefunden, die Polizei geht licher Aufmerksamkeit gesegnet, gelang gespräche, in denen sie den von Suizid aus. Nun lebt der »Fernseh- der Castingshow dann ein besonders guter exzessiven Fernsehkonsum star« David im Internet weiter: Die Start: Insgesamt schalteten 6,2 Millionen der Familie kritisierte, je den Homepage, die seine Mutter für ihren Zuschauer ein. In der jungen Zielgruppe Weg in die Sendefassung fand. toten Sohn einrichtete, zählt mehr als (14 bis 29 Jahre) registrierten Bohlen und 13 000 Klicks. seine Kritiker einen Marktanteil von be- Seit RTL mit dem Streetworker Thomas Sonnenburg (»Die Auch die junge Alkoholikerin Jenny Ausreißer«) und der Familien- ist seit »ihrer« Sendung eine lokale Be- therapeutin Annegret Fischer rühmtheit geworden. Wurde sie früher Noble (»Teenager außer Kontrol- von Passanten häufiger getreten, kann le«) noch zwei weitere Einzelfall- sie sich nun »beim Schnorren im Mc- helfer engagiert hat, spricht die Donalds vor Cheeseburgern kaum noch Presse anerkennend vom »Sozial- retten«, wie TV-Streetworker Sonnen- staatsfernsehen allererster Güte« burg die Wirkmacht seiner Sendung (Spiegel). RTL-Unterhaltungschef recht plastisch beschreibt. Was wäre Sänger weist den damit formu- das Sozialstaatsfernsehen ohne Ein- lierten Anspruch zurück: »Soziale schaltquote? »Ich finde es aufrichtig, Relevanz ist eine grundlegende was wir da tun«, verteidigt TV-Manager Kategorie in unserem Programm. Sänger sein TV-Coaching-Konzept. Wir greifen gesellschaftlich relevante »Hohe Quote heißt in diesem Fall ja Themen auf und gehen dabei im Ein- auch, dass sich viele Menschen für ein zelfall sehr nah ran. Wir gehen diesen Problem interessieren.« Weg gemeinsam mit kompetenten merkenswerten 45,1 Prozent. Bevor sich die RTL-Zuschauer für die Experten wie Frau Saalfrank oder Herrn Probleme jugendlicher Ausreißer interes- Sonnenburg. Es irritiert mich ein we- sierten, haben sie sich freilich für die nig, wenn man von uns als Fernseh- vielen Hoffnungsvollen und Unbegabten sender deshalb gleich erwartet, die so- interessiert, die sich vergeblich bei der ziale Verantwortung für gesellschaft- RTL-Castingshow »Deutschland sucht liche Missstände zu schultern.« den Superstar« (DSDS) bewarben. Mehr Zumindest im Einzelfall des 17-jäh- als je zuvor war das Format zum Staffel- rigen Davids könnte da aber schon ein start im letzten Jahr in die Kritik geraten. direkter Zusammenhang bestehen: Der Mit abfälligen Bemerkungen gegenüber Jugendliche war der erste gewesen, den jungen Bewerbern wie »Wisst ihr, was dessen Schicksal der Streetworker Tho- der Unterschied zwischen euch und einem mas Sonnenburg in dem neuen RTL- Eimer Scheiße ist? Der Eimer«, hatte DSDS- Format »Die Ausreißer« vorgestellt hat- Juror Dieter Bohlen den Jugendmedien- te. In 45 Minuten zeigte die Dokusoap schutz auf den Plan gerufen. Der evangeli- eine Entwicklung, die sich in Wahrheit sche Bischof Wolfgang Huber warf dem über Monate hinweg erstreckt hatte: Pop-Produzenten »Verletzung der Menschen- Sonnenburg hatte David in Hamburg würde« vor. Der Deutsche Kulturrat prophe- auf der Straße kennen gelernt und in zeite anlässlich der aktuellen Staffel, dass Berlin in einer pädagogischen Einrich- »diese Form medialer Massenverrohung nicht 7 TENDENZ 1 2008 T I T E LT H E M A Sehdauer von ARD, ZDF, ARD III, RTL, Sat.1 und ProSieben nach Bildung überziehen, ihn lächerlich zu TV« noch ein klar umrissenes machen und dies als gesell- Programmfeld, das in seiner Bereit- schaftlich gewollt darzustellen. schaft zum Tabubruch von der soft- Was bei DSDS gezeigt wird, ist pornografischen Busenshow »Tutti- eine rücksichtslose Selektion Frutti« bis zum jugendgefährdenden von Bewerbern, die im Alltag Konfrotalk reichte und von den Auf- unüblich ist. Es ist also keines- sichtsbehörden auf die Kriterien des wegs so, dass hier übervorsich- Rundfunkstaatsvertrages hin geprüft 30 tige Medienwächter das Fern- werden konnte. 20 sehprogramm beschneiden 10 wollen.« Ausschlaggebend bei angebote sind nun in viele Richtungen der Beurteilung der KJM war, hin deutungsoffen, auch das Millio- 70 dass es bei DSDS nicht nur um nenpublikum, das sie einschaltet, ist 60 singuläre Entgleisungen einer nicht so leicht ausrechenbar wie bisher 50 Einzelperson geht, sondern um gedacht. Die langjährige Annahme, 40 eine bewusste Inszenierung das Privatfernsehen bediene mit seinen 30 durch RTL. Außerdem kritisier- oft geschmacklosen Unterhaltungs- 20 te die KJM, dass der TV-Sender programmen vor allem bildungsferne 10 trotz wiederholter Aufforde- Schichten, während die gut gebildeten 0 rungen das Format nicht vor Mittelschichtzuschauer in die öffentlich- der Ausstrahlung der Freiwilli- rechtliche Röhre gucken, ist seit dem gen Selbstkontrolle Fernsehen letzten Jahr endgültig wissenschaftlich zur Prüfung vorgelegt hatte. widerlegt. In ihrer Langzeituntersu- 40 »Fünf Jahre KJM haben ge- chung kommen die Medienwissenschaf- 30 zeigt, dass sich das Modell der tler Jörg Hagenah und Heiner Meu- 20 Ko-Regulierung zwar bewährt lemann zu einem eindeutigen Ergebnis: 10 hat, die Selbstkontrolle aber nur Das »Unterschichtfernsehen« gibt es dann wirksam ist, wenn ord- nicht. Vielmehr sehen letztlich alle alles nungspolitische Steuerungs- – und sei es nur, um am nächsten Tag instrumente zur Verfügung ste- bei der Arbeit mitreden zu können. Ein- hen«, betont Ring. zige Ausnahme ist ProSieben, dem die von 1988 bis 2007 pro Tag in Minuten 0 1 2 3 4 5 6 7 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 00 00 00 00 00 00 00 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 2 2 2 2 2 2 2 2 Sehdauer in Minuten / Tag 70 60 Personen mit Abitur /Hochschulstudium 50 40 Sehdauer in Minuten / Tag 0 Personen mit mittlerer Reife Sehdauer in Minuten / Tag 70 60 Personen mit Hauptschulabschluss 50 0 0 1 2 3 4 5 6 7 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 00 00 00 00 00 00 00 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 2 2 2 2 2 2 2 2 ARD ZDF ARD III RTL Sat.1 ProSieben Geschmacksfragen sollen Und nicht nur die neuen Fernseh- Forscher aufgrund einer leichten Zunah- seiner Auffassung nach nicht me der Abiturienten im Publikum eine (2007) AGF/ GfK Fernsehforschung, pc#tv, Fernsehpanel (D), unter dem Thema »Senkung »schwache Bewegung vom Unter- BRD gesamt ab 1.1. 2003, Erwachsene ab 14 Jahre, die Jahre von Jugendschutzstandards« schichtsender zum Oberschichtsender« 2005 bis 2007 ergänzt durch BLM behandelt werden: Jugend- bescheinigen. Die meisten Zuschauer medienschutz und Programm- haben sich aber ein »duales Nutzungs- Quelle: Hagenah J. / Meulemann H.: Unterschichtfernsehen ? Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) verhängte gegen RTL ein Bußgeld in Höhe von 100 000 Euro. Begründung: Bei der Ausstrahlung im Tagesprogramm kommt es aufgrund qualität müssten unbedingt differen- verhalten« angewöhnt: Man informiert ziert betrachtet werden. sich bei ARD, ZDF oder den Dritten und Heutiges Fernsehen nicht mehr trennscharf entspannt bei den Privaten. Auch deshalb schalten alle alle Programme ein. Allein die Sehdauer ist tatsächlich über der Inszenierung durch RTL zu einer Ob Familienzwist in der Super-Nanny die Jahre hinweg bildungsspezifisch Entwicklungsbeeinträchtigung von oder Catwalk-Dramen bei »Germany’s messbar unterschiedlich. Ansonsten Kindern unter 12 Jahren. »Antisoziales Next Topmodel«, ob Lebenshelfer Bruce teilen sich die Sender mit nicht weit Verhalten einer vermeintlichen Identifi- Darnell in der ARD oder Dschungel-Dar- auseinander liegenden Anteilen und mit kationsfigur wird als Normalität darge- ling Bata Illic bei RTL – die Grenzen zwi- von Bildungsgruppe zu Bildungsgruppe stellt. Das wirkt Erziehungszielen wie schen U und E, zwischen bitterem Ernst nur leicht variierender Rangfolge den Toleranz und Respekt entgegen und und postmoderner Unterhaltung, sind Markt: Während Zuschauer mit Abitur wirkt desorientierend auf Kinder«, er- im modernen Zielgruppen-Fernsehen oder Hochschulstudium länger öffent- klärt der KJM-Vorsitzende Wolf-Dieter längst nicht mehr so trennscharf auszu- lich-rechtlich fernsehen, liegen bei Ring. »Es ist alles andere als normal, machen wie zu Helmut Thomas Zeiten. den Zuschauern mit mittlerer Reife, bis einen Bewerber mit Schimpfwörtern zu In den neunziger Jahren war das »Pfui- auf eine führende Nutzung von RTL, 8 TENDENZ 1 2008 T I T E LT H E M A Schneider in seinem Inhalte, die RTL nicht aus eigenem FAZ-Papier, passe eine solche Stiftung Medientest viel besser »zu der die Öffentlich-Rechtlichen täglich nur Interesse distribuiert, machen im Netz anschwellenden Mutation von Fern- knapp vor den Privaten. Beim Publikum Quote. So war das Video, auf dem sehinhalten zu Produkten – vor allem mit Hauptschulabschluss haben ins- Dschungelcamp-Kandidat DJ Tomekk dort, wo Fernsehen seine Funktion der gesamt die öffentlich-rechtlichen Pro- zu sehen war, wie er den Hitlergruß Beratung – im guten wie im denkbar gramme einen deutlichen Vorsprung vor zeigt und die erste Strophe der deut- übelsten Sinne – ausübt«. den privaten, ähnlich wie bei den Abitu- schen Nationalhymne singt, bei Bild.de rienten. Das heißt: Bildung ist auch im abrufbar und wurde an dem Tag, an Institut wurde bereits beauftragt, eine Fernsehkonsum nicht alles. Viele andere dem RTL DJ Tomekk aus der Live- erste Machbarkeitsstudie für eine Stif- lebensweltliche Faktoren, so bilanzieren Sendung warf, zum meistgeklickten tung Medientest vorzulegen. Gerne Hagenah und Meulemann, beeinflussen Bewegtbild des Jahres. würde die LfM ein stimmiges Konzept wesentlich deutlicher das Konsumverhalten von TV-Zuschauern. So wird in Ostdeutschland deutlich mehr fern- Ein Lösungsansatz: Stiftung Medientest Das renommierte Adolf-Grimme- zum Kölner Medienforum im Sommer präsentieren. Viele Fragen müssen freilich noch geklärt werden, bevor das gesehen als im Westen, und auch die Aber auch das Fernsehen selbst ist in »hochriskante Unterfangen« (Norbert individuellen Lebensstile der Zuschauer seinen (digitalen) Nischen zum Tum- Schneider) der Öffentlichkeit vorgestellt sind für ihr Medienverhalten von ent- melplatz für allerlei dubiose Anbieter werden kann. Soviel ist für den LfM- scheidender Bedeutung. geworden. Die wachsende Vielfalt stellt Direktor aber schon jetzt klar: »Wir die Aufsichtsbehörden vor immer grö- werden an derjenigen Stelle des Pro- der Zuschauer zu einer Ware gewor- ßere Herausforderungen, zweifelhafte gramms anfangen, wo das Fernsehen den, deren Wert nicht mehr allein auf Waren und Inhalte zu prüfen. Nachdem am meisten ›Produkt‹ ist.« Das heißt dem Fernsehmarkt gehandelt wird. die Frankfurter Allgemeine Zeitung im bei den kommerziellen Lebenshilfean- Auch in diesem Punkt haben sich alte Sommer 2007 eine ausführliche Repor- geboten in den Programmnischen wie Grenzen aufgelöst, seit die TV-Veran- tage über die »Geschäfte mit der Astro- Help-TV oder Astro-TV, wo die Zuschau- stalter ihr Programm als begehrtes »Be- logie im Fernsehen« druckte, regte er die angebotenen guten Ratschläge wegtbild« auf divesen Internetportalen Norbert Schneider, Direktor der Lan- mit Telefon-Hotlines teuer erkaufen wie MyVideo oder YouTube vermarkten. desanstalt für Medien Nordrhein-West- müssen. Mit rund einer Milliarde Videoabrufe ver- falen (LfM) an, über die Einrichtung zeichneten die Plattformen von RTL.de, einer »Stiftung Medientest« nachzu- schenverachtenden Sprüchen Quote Vox.de, Clipfish.de und RTLnow.de denken. Sie solle, so Schneider, »eine macht, ein Historiendrama um der bes- zum Beispiel im letzten Jahr eine Stei- permanente Produktbewertung vor- seren internationalen Verkäuflichkeit gerung von 670 Prozent. Die populären nehmen« und »die Medien mit der ahistorisch erzählt oder ein populäres hauseigenen Fernsehproduktionen wie Frage nach Qualität behelligen«. Be- Verbrauchermagazin wie »Die Abzocker »Deutschland sucht den Superstar« reits 1994 hatte die so genannte Weiz- – Das sind ihre Tricks« sich zum Teil mit oder »Ich bin ein Star – Holt mich hier säcker-Kommission in ihrem Bericht Telefongewinnspielen zu erhöhten Ein- raus!« haben dort selbstverständlich »Zur Lage des Fernsehens« die Grün- wahlgebühren refinanziert, wird daran eigene prominent beworbene Foren, in dung eines hochkarätig besetzten Me- auch eine wie immer ausgestaltete Stif- denen die »Highlights« der Programme dienrates oder einer Stiftung Medien- tung Medientest so bald nichts ändern – vom schimpfenden Dieter Bohlen bis test nach dem Vorbild der »Stiftung können. Denn »mit dem klassischen zur Känguruhoden essenden Barbara Warentest« angeregt. Damals war das Fernsehen«, so Schneider, »wird sich Herzsprung – für jedermann auf Abruf Ansinnen aber von allen Seiten abge- die Stiftung Medientest sicher nur am bereitgehalten werden. Aber auch lehnt worden. Dieser Tage, so Norbert Rande beschäftigen.« Klaudia Wick ● Mit Web 2.0 ist die Aufmerksamkeit 9 TENDENZ 1 2008 T I T E LT H E M A Wenn also Dieter Bohlen mit men- PRO C ONTRA Sinkt die Qualität im Fernsehen ? In regelmäßigen Abständen sorgen (vermeintliche) Tabubrüche im Fernsehen für Aufregung und lösen eine Debatte über den Niedergang des deutschen TV-Programms aus. Mal stehen die öffentlich-rechtlichen, mal die privaten Sender im Kreuzfeuer. »tendenz« fragte nach, wie es um das aktuelle Programmangebot bestellt ist. Renditedruck bei TV-Konzernen Privatfernsehen setzt mit vielen führt zu mutlosen Programmkopien Formaten Trends Ob »Germany’s Next Topmodel« oder Schelte für den privaten Rundfunk we- »Deutschland sucht den Superstar« (DSDS) – gen der vermeintlich sinkenden Pro- Castingshows stehen hoch im Kurs. Neben grammqualität im Fernsehen hat wieder ProSieben und RTL bringen Sat.1, ZDF und einmal Hochkonjunktur. Abgesehen MTV weitere Talentwettbewerbe ins Programm. davon, dass diese Debatte zumeist An Teilnehmern scheint es nicht zu mangeln. verkürzt aus der bildungsbürgerlichen Dietrich Leder, Obgleich sich diejenigen, denen es nicht ge- Jürgen Doetz, Perspektive geführt wird, werden die Publizist, Professor lingt, den wie auch immer gearteten Anforde- Präsident Verband privaten Programme mit schöner Regel- für Fernsehkultur an rungen gerecht zu werden, in Gefahr begeben, Privater Rundfunk und mäßigkeit ebenso pauschal wie unan- der Kunsthochschule sich öffentlich von Juroren wie Dieter Bohlen Telekommunikation gebracht als Hauptursache gesellschaft- für Medien Köln (DSDS) oder Peyman Amin (Topmodel) ab- (VPRT) licher Fehlentwicklungen abqualifiziert. watschen zu lassen. Solche Beleidigungen gehören strukturell zum Erfolg der Castingshows. Mit ihnen wird jene mediale Aufmerksamkeit erzeugt, die den Sendern die notwendigen Zuschauerzahlen Ginge es danach, müsste der Untergang des Abendlandes längst Realität sein. Soweit ist es zum Glück nicht. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei Dank wird viel- verschafft. Durch die Präsenz der unterlegenen Bewerber, leicht mancher denken. Allein ARD und ZDF als Hort höchs- die weder singen noch sicher auftreten können oder den ter Programmqualität zu stilisieren, verkennt die Realität je- herrschenden Schönheitsnormen entsprechen, und durch doch in zweierlei Hinsicht: Zum einen regiert in den immer die Testate eben dieses Versagens durch die Jurys erwächst kommerzieller ausgerichteten öffentlich-rechtlichen Program- dieser mediale Mehrwert. Hingegen sind die Top- und Super- men aufgrund eines falsch verstandenen Wettbewerbsgedan- Karrieren der bisherigen Sieger bescheidener ausgefallen. kens allzu oft die Quote statt des Public Value. Zum anderen Es geht vielmehr darum, hunderte oder gar tausende von halten Vorwürfe gegen das private Fernsehen einer differen- Bewerbern in ihrer Selbstüberschätzung und Eitelkeit vorzu- zierten Betrachtungsweise nicht mehr stand, denn das war führen und gegebenenfalls beleidigen zu lassen. und ist mit vielen Programmformaten Trendsetter und steht Dass sich die Castingshows derzeit so vermehren, hängt zudem knapp 25 Jahre nach seiner Gründung heute für eine mit der Nervosität der Branche zusammen. Die privaten enorme Anbieter- und Angebotsvielfalt. Die reichweitenstar- Senderketten von ProSiebenSat.1 Media und der RTL Group ken privaten Vollprogramme bieten hochwertige, abwechs- stehen seit einiger Zeit unter einem enorm gewachsenen lungsreiche Sendungen. Zudem finden sich unter der Vielzahl Renditedruck ihrer jeweiligen Besitzer. Ängstlich wird folglich von Zielgruppen- und Spartensendern anspruchsvolle Nach- vermieden, was ungewohnt wäre und nicht auf Anhieb beim richten-, Dokumentations-, Spielfilm-, Serien-, Sport- und Publikum ankommt. Mutlos wird kopiert, was bei der Kon- Kindersender ebenso wie Spezialangebote zum Thema Ko- kurrenz erfolgreich zu sein scheint. Als im Zuge des Erfolges chen, Tiere, Literatur oder Religion. von »Wer wird Millionär?« (RTL) das Fernsehquiz in vielen Ein wesentliches Ziel, das die Privatsender allerdings nicht Variationen wieder auferstand, überlebten selbst mittelfristig verfehlen dürfen, ist die Publikumsakzeptanz, denn der ent- nur wenige. Ähnlich wird es den vielen neuen Casting-Sen- scheidende Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichen An- dungen ergehen. Die Zuschauer, die unter der Verflachung stalten und Unternehmen liegt darin, dass Letztere diese An- des Programms aufgrund des blinden Nachmachens leiden, gebote aus eigener Kraft refinanzieren müssen und nicht über haben es in der Hand, diese Imitate durch Abschalten abzu- die Gebührenmilliarden verfügen, die ARD und ZDF mit Blick strafen. Das wäre ihre Rache an einer aus Mutlosigkeit er- auf den Public Value ihrer Angebote eigentlich strengstens zu wachsenden Qualitätsminderung des Fernsehprogramms. ● Legitimation und Glaubwürdigkeit verpflichten müssten. ● 10 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT K o m m e n t a r Dr. Erich Jooß, Direktor des Sankt Michaelsbunds München und Vorsitzender des Medienrats der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, über die Wichtigkeit einer gesellschaftlichen Diskussion, um medienethisches Be wusstsein zu stärken: Tabubrüche können Türen öffnen Die Klage über die nachlassende Programmqualität und die zunehmende Zahl von Tabubrüchen im Fernsehen ist keineswegs neu. Als Begleitmelodie, die manchmal stärker anschwillt, gehört sie auch zu allen anderen Medien. Nach wie vor haben die Massenprogramme im Fernsehen jedoch eine besonders große Attraktivität und Resonanz. Das macht sie auffälliger, gleichzeitig macht es sie anfälliger für Kritik. Dabei gilt zunächst einmal: Tabubrü- Medienethik. Wer eine ungebremste gesellschaftlichen Konsens, der che im Fernsehen führen nicht auto- Freude an Zynismen hat und eine sich aus der streitigen Auseinander- matisch zu einem Werteverfall in der jargonhafte Fertigmacher-Sprache be- setzung herausbilden muss. Gesellschaft. Sie können auch Türen nutzt, kann nämlich bis in die Schul- Ein solcher Konsens kann vor al- öffnen, an ihnen kann sich sogar ein höfe hinein »stilbildend« wirken. Er lem dort entstehen, wo Erwachsene neues Wertebewusstsein schärfen. sät Gewalt, auch wenn er dies nicht und Kinder Programme gemeinsam Ohne Tabubrüche wären die moder- will oder nur verbal mit ihr spielt. anschauen und über ihre unterschied- nen Kunstentwicklungen überhaupt Das ist die eine Seite des Pro- lichen Erfahrungen und Sichtweisen nicht denkbar. Noch deutlicher gesagt: blems, die andere Seite ist das Medien- in aller Offenheit miteinander spre- Erst Tabubrüche lassen uns immer echo. Besonders die Boulevardpresse chen. Kritikfähigkeit und Sprach- wieder bewusst werden, dass wir als profitiert davon, wenn sie konfron- fähigkeit bedingen sich gegenseitig. freie Menschen in einer freien Gesell- tative Formate genüsslich ausschlach- Das ist beileibe keine neue Erkennt- schaft leben und diese Freiheit ihren tet. Hier entstehen ganz neue, un- nis. Aber daran wird deutlich, wie mitunter hohen Preis hat. heilige Allianzen. Oder soll man eher lange der Weg noch ist, bis medie- Warum also die Aufregung? Viel- sagen: scheinheilige Allianzen? Es nethische Fragestellungen mehr sind leicht deshalb, weil wir es bei Pro- stimmt zumindest nachdenklich, dass als nur eine unliebsame Zutat, die grammformaten wie »Deutschland die Entrüstung über bestimmte For- den angerichteten Brei verderben sucht den Superstar« gar nicht mit mate häufig aus den gleichen Federn könnte. Tabubrüchen zu tun haben, sondern fließt wie die Vorausberichterstattung, mit gezielten Geschmacklosigkeiten durch die diese Formate erst interes- Diskurs von Problemformaten führt und Gemeinheiten. Wo Menschen sant geworden sind für ein größeres zu differenzierteren Einschätzungen medial vorgeführt und ihre Schwächen Publikum. und vermag das medienethische Bewusstsein zu stärken. Er kann schonungslos seziert werden, kommen einem so altmodische Worte wie Anstand, Menschlichkeit oder Mitleid in den Sinn. Denn daran fehlt es den Machern dieser Sendung ganz offen- Erst der private wie der öffentliche Streitige Auseinandersetzung für medienethischen Konsens notwendig sichtlich. Sie wissen nur zu genau, auch Denkprozesse bei den Werbetreibenden auslösen und Dellen im Image hinterlassen. Vielleicht irritiert dieser Diskurs sogar die Macher, die nicht immer so unempfindlich sind, welchem Affen sie Zucker geben, und Medienethik lässt sich nicht von wie sie sich geben. Manchmal frage sie verspotten auch noch ihre Opfer, außen verordnen und erst recht nicht ich mich freilich, ob nicht das (Ver-) die ihnen mit Haut und Haaren aus- von oben reglementieren. Wird sie un- Schweigen die bessere Antwort auf geliefert sind. befragt vorausgesetzt, leistet sie bloß bestimmte Reizformate wäre. Die der Selbstgerechtigkeit Vorschub. eine oder andere Sendung würde so Qualitätsdiskussion führen, das gehört Für die Entwicklung medienethischer von selbst im Nirwana der medialen eher in den Bereich der (abwesenden) Maßstäbe braucht es deshalb einen Nichtbeachtung verschwinden. ● Ich meine: Darüber lässt sich keine 11 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT M e d i e n ko m p e t e n z b e d e u t e t lebenslang lernen: Schlüsselqualifikation in einer unendlichen Medienwelt Es bringt nichts, Kinder und Jugendliche von den Medien fernzuhalten, erklärt Dr. Fred Schell, Geschäftsführender Direktor des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in München. Der Experte erklärt, warum es heute mehr denn je darum geht, die gesamte Schulbildung inklusive Medienkompetenz zu fördern. Es ist unbestritten, dass Medienkom- Noch schneller wachsen die Inhalte transportieren. Das Fernsehen bietet petenz in unserer Mediengesellschaft multifunktionaler Medien, insbesondere Informationen und Mitmachangebote heute den Stellenwert einer Schlüssel- des Internet. Es gibt weit über 53 Millio- im Netz, offeriert Lieblingsserien als qualifikation besitzt. Sie beschreibt die nen Websites; die im Internet verfüg- Buch und DVD, beteiligt sich an Kino- Notwendigkeit und Fähigkeit, mediale baren Dokumente werden auf über zwei produktionen, übernimmt deren Zweit- Symbolsysteme zu entschlüsseln, zu Billionen geschätzt. Die Zahlen machen verwertung und so weiter. Zu beliebten verstehen und zu bewerten sowie Me- deutlich, dass wir mit einer unendlichen Medienfiguren gibt es die TV-Serie, dien selbstbestimmt zu handhaben, um Angebotsfülle konfrontiert sind. Der den Kinofilm, das Computerspiel, In- am sozialen, kulturellen und politischen Computerpionier Joseph Weizenbaum ternetseiten und verschiedenste Mer- Leben aktiv teilhaben zu können. Die stellt dem World Wide Web jedoch ein chandising-Produkte. Die Menschen, rasante Medienentwicklung in den letz- schlechtes Zeugnis aus, wenn er es als vor allem Kinder und Jugendliche, ten 30 Jahren und der Einzug der Me- »stinkenden Müllhaufen« bezeichnet, nutzen die medialen Angebote ent- dien in alle Lebensbereiche stellen an in dem gelegentlich Perlen versteckt sprechend konvergenzbezogen: Sie su- die Medienkompetenz der Menschen seien (Süddeutsche Zeitung). chen, um ihre Interessen zu verfolgen, Instrumente zur Auswahl aus der in allen Medien nach Brauchbarem, ist sie kein erreichbarer Zustand, son- Fülle an Inhalten und Aktivitäten sowie wobei sie häufig von den Verweisen dern ein stetig neu zu bestimmendes zu deren Bewertung und Einordnung in einem Medium, etwa im Fernsehen und anzustrebendes Ziel. gibt es nicht. Suchmaschinen sind als und Internet, auf andere Medien gelei- immer höhere Anforderungen. Deshalb Strukturierungshilfe begrenzt geeignet, tet werden. Der Ertrag, den die Fans Entwicklungen begründen: Erstens denn sie erschließen nur einen Bruch- bestimmter »Stars« oder Genres daraus verzeichnen die Programmmedien Fern- teil an Online-Content, und das inte- ziehen, besteht in einer Vervielfachung sehen und Radio eine starke Zunahme ressenbezogen. Nicht nur Heranwach- des Inhalts, medialen Zusatzangeboten an Kanälen und Inhalten. Zudem führt sende tun sich schwer, relevante In- sowie in kommunikativen und produk- der Kampf gegen die Konkurrenz an- formationen zu finden sowie zwischen tiven Möglichkeiten, zum Beispiel im derer Sender, aber auch gegen andere seriösen und fragwürdigen Angeboten Austausch mit Gleichgesinnten. Medien, dazu, dass viele Sender Gren- zu unterscheiden. Dies lässt sich anhand von drei zen ausloten und immer fragwürdigere Die konvergenzbezogene Mediennutzung bietet die Chance, sich in- Orientierungslosigkeit kann sich verschärfen tensiv und in Kommunikation mit auch in denen des öffentlich-rechtli- Zweitens wird die Situation dadurch sie kann aber auch eine vorhandene chen Fernsehens, zugunsten von zum verschärft, dass die Medienanbieter Orientierungslosigkeit in der medialen Teil zweifelhafter Unterhaltung zurück- das gesamte Medienensemble nut- Angebotsfülle verschärfen und dazu gefahren. zen, um ihre Inhalte zu den Nutzern zu führen, sich im Medienensemble Programme offerieren. Information und Bildung werden in den Programmen, 12 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT anderen mit Themen zu beschäftigen, Laut JFF-Direktor und gesellschaftlichen Bedeutungs- organisierten Lern- und Erfahrungs- Fred Schell zeigen losigkeit, wenn möglichst viele Bürge- raumes. Ein Aspekt bei der Förderung Studien, dass rinnen und Bürger sie selbstbestimmt von Medienkompetenz ist jedoch be- Heranwachsende und zielorientiert nutzen (können) sonders zu berücksichtigen: die beste- aus bildungsbe- und ihre Ausgestaltung nicht allein hende Bildungskluft. Alle einschlägigen vorzugten Milieus dem Kommerz überlassen ist. Und sie Studien der letzten Jahre machen deut- im Vergleich zu bereiten dann keine individuellen und lich, dass Kinder und Jugendliche aus benachteiligten gesellschaftlichen Probleme, wenn bildungsbevorzugten und sozial intak- intellektuell orien- die Nutzer rechtzeitig über mögliche ten Milieus eine intellektuell orientierte tierter an Medien negative Folgen ihres Handelns, etwa Herangehensweise an die Medien herangehen kön- über Urheberrechtsprobleme, über die haben. Dies bringt ihnen den Vorteil, nen. Missachtung des Rechts am eigenen Medien zielgerichtet und aktiv nutzen Bild oder über die Verletzung von Per- zu können, um ihr Wissen zu erweitern sönlichkeitsrechten informiert sind. und ihr Leben zu bereichern. Sie er- zu verstricken, wie die Konvergenzstudien des JFF belegen. Diese drei Trends machen deutlich, halten zudem in den Institutionen von dass ein kompetenter Umgang mit Bildung und Erziehung auch die bessere Medien immer wichtiger wird. Medien- Förderung, um beispielsweise ihre wicklungen im Web wie Weblogs, Pod- kompetenz wird gebraucht, Fähigkeit zur Distanzierung von proble- casts und Vodcasts auf einfache Weise ■ um aus dem wachsenden Angebot matischen Medieninhalten, denen die Produktion und den Austausch eige- mediale Inhalte kritisch-reflexsiv, nach auch sie begegnen und die sie teilweise ner Inhalte im Internet möglich. Damit ethischen und ästhetischen Kriterien auch bewusst nutzen, auszubilden. bietet das Web 2.0 die Voraussetzungen vernünftig auswählen zu können, für umfassende Präsentation, Kommu- ■ um in der Informationsfülle rele- und sozial benachteiligten Milieus sind, nikation und Zusammenarbeit im Netz vante Informationen zu erkennen, ihren was (nicht nur) ihre Medienaneignung über beliebige Entfernungen. Wahrheitsgehalt überprüfen und ihre betrifft, von ihrer Herkunft her benach- Bedeutung für die eigenen Interessen teiligt. Ihre Mediensozialisation führt keimten Hoffnungen auf, dass dieses bestimmen zu können, in der Regel dazu, dass sie Medien eher Medium wegen seines leichten Zu- ■ um fragwürdige Weltbilder, Kli- konsumorientiert nutzen und zudem gangs für alle, der Hierarchiefreiheit schees (etwa alte Geschlechterrollen- eher den problematischen Inhalten sowie der Kommunikation über Email, Muster) und Ideologien (etwa Gewalt zugeneigt sind, Jungen beispielsweise Chats und Foren zu einer demokra- als probates Mittel der Problemlösung) action- und gewaltorientierten Ange- tischen Kommunikationskultur beitra- erkennen zu können, boten und Mädchen beziehungsorien- gen könnte. Seine Kommerzialisierung ■ um Realität von inszenierten Reality- tierten Angeboten mit fragwürdigen Drittens machen die jüngsten Ent- Mit der Entstehung des Internet Heranwachsende aus bildungs- hat diese Hoffnung auf eine »elektro- Darbietungen unterscheiden, Informa- Rollenbildern und Heile-Welt-Ideolo- nische Demokratie« aber bald zerstört. tion und Meinungsmache auseinander- gien. Sie werden in den Bildungs- und Der Politologe Bernd Guggenberger halten zu können, sowie Erziehungsstätten weniger gefördert, erklärt: »Die schiere Masse öffentlich ■ um die vielfältigen Möglichkeiten weshalb sie auch weniger Distanz zu verfügbarer Information besagt gar der konvergenten Medienwelt und der den Medien und fragwürdigen Inhalten nichts über ... den Zustand der öffent- interaktiven Medien zur Information, aufbauen können. Die positiven Poten- lichen Urteilskraft. Nicht die Menge, zur Bildung, zur anspruchsvollen Un- ziale der Medien, so die Folge, können sondern die Struktur und die Ordnung terhaltung, zur Selbstpräsentation und sie sich meist nicht hinreichend er- der Informationen, der sie orientieren- Kollaboration sowie zur gesellschaft- schließen. de und plausibilisierende Kontext der lichen Kommunikation und Partizipa- Urteile und Bewertungen, begründen tion möglichst umfassend nutzen zu betroffenen Heranwachsenden von eine qualitative Öffentlichkeit.« (Sarah können. den Medien fernzuhalten, wie dies der- Kramer: Demokratie und Internet, 1999) Medienkompetenz erwerben Heran- Es macht jedoch keinen Sinn, die zeit der Kriminologe Christian Pfeiffer wachsende zum Teil bereits in ihrem propagiert. Vielmehr muss es darum alltäglichen Umgang mit Medien. Aus- gehen, ihre gesamte Bildung und dabei öffentliche Kommunikation, Interaktion genommen ist die Fähigkeit zur kriti- besonders die Medienkompetenz zu und gesellschaftliche Partizipation, die schen Reflexion, denn sie gelingt nicht fördern, und für diesen Prozess die das Web 2.0 jetzt bietet, versanden nur durch Selbsterfahrung, sie bedarf positiven Potenziale, die die Medien dann nicht wieder in der individuellen immer eines (medien-) pädagogisch bieten, zu erschließen. 쎲 Die vielen aktiven Möglichkeiten für 13 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT D a s I n t e r v i e w J o a c h i m Ko s a c k , L e i t e r D e u t s c h e Fi c t i o n v o n S a t . 1 , ü b e r P u b l i k u m s w ü n s c h e b e i T V- S e r i e n und Spielfilmen: »Das deutsche Fernsehangebot ist das beste der Welt« Sat.1 setzt programmstrategisch künftig weiter auf fiktionale Eigenproduktionen. Für Fiction-Chef Joachim Kosack bedeutet Programmqualität, zu einer bestimmten Sendezeit das gegebene Programmversprechen gegen- Deutschland immer noch vergleichs- über dem Fernsehpublikum einzulösen. Seiner Ansicht weise gute Budgets. ProSiebenSat.1 nach machen sich veränderte Sehgewohnheiten in der investiert eine beachtliche Summe in Primetime bisher wenig bemerkbar. Vielmehr werden Eigenproduktionen. Neuentwicklungen aufgrund des steigenden TV-Angebots und größeren Wettbewerbs immer schwieriger. Könnten zu geringe Reichweiten auch darin begründet liegen, dass deutsche Serien für die heu- tendenz: Herr Kosack, das das Gefühl einer hohen Wertigkeit, tigen Sehgewohnheiten zu viel- Thema dieser Ausgabe dreht sich sondern dann empfinde ich das Pro- schichtig erzählt sind? Durch die um Fernsehen im Spannungsfeld gramm als stimmig und damit als Digitalisierung verändert sich ins- zwischen Quote und Qualität. Was qualitätsvoll. besondere bei den jungen Zielgrup- bedeutet für Sie Programmqualität und welche Sendungen im Bereich pen, den Medienkonsumenten von Aufwändig produzierte US-Se- morgen, das Nutzungsverhalten. Fiction betrachten Sie als qualitativ rien haben derzeit in Deutschland Auch wenn die Sehgewohnheiten hochwertig? Konjunktur. Wie können sich deut- sich ändern, gibt es noch immer ein Joachim Kosack: Qualität ist dann sche Serien gegenüber der US-Ware großes Interesse an einer regelmä- vorhanden, wenn es uns gelingt das behaupten? Lautet die Erfolgsformel ßigen Nutzung in der Primetime. Ja, spezifische Programmversprechen weniger, aber dafür hochwertigere tatsächlich darf die Erzählstruktur einzulösen, das wir gegeben haben. Produktionen mit höheren Reich- nicht zu kompliziert sein. Aber es geht Und natürlich müssen die Zuschauer weiten? Welche Konsequenzen er- in erster Linie darum, dass der Zu- das Format annehmen. Dies ist uns geben sich daraus? schauer immer wieder das findet, was aktuell beispielsweise gelungen bei Es wäre völlig falsch zu glauben, der er erwartet und worauf er seine wö- der Serie »GSG 9« und beim Großen- Erfolg der deutschen Serien sei in chentliche beziehungsweise tägliche Sat.1-Film »Die Hitzewelle«, bei »Das erster Linie eine Frage des Geldes. Es Fernsehnutzung einstellt. Wunder von Loch Ness« und »Die geht nicht um Geld, es geht um Con- Treue-Testerin«. In allen Fällen weist tent. Es muss den deutschen Machern schon der Titel den Zuschauer darauf gelingen eigenständige, unverwech- teil bei den 14- bis 49-Jährigen hin, was für ein Programmversprechen selbare Formate zu entwickeln und 2007 unter die Elf-Prozent-Marke hinter dem Angebot steht und welche weder inhaltlich noch finanziell den gerutscht. Mit welcher Programm- Erwartungshaltung wir bedienen wol- Amerikanern zu sehr nachzueifern. ausrichtung soll der Sender wieder len. Wenn zudem wie beispielsweise Darüber hinaus sind deutsche Produ- auf Erfolgskurs gebracht werden? bei der Treue-Testerin die Titelrolle mit ktionen ja keine Billigware. So sind Welchen Anteil am Gesamtpro- Jeanette Biedermann besetzt wird, beispielsweise die meisten deutschen gramm wird Fiction künftig haben? von der man zu Recht immer Filme Telenovelas über dem Standard ame- Fiction wird bei Sat.1 einen wichtigen mit einem hohen emotionalen Unter- rikanischer oder sonstiger internatio- Stellenwert beibehalten. Wir haben haltungswert erwarten kann, dann naler Dailys. Und auch in der Prime- die Produktion der eigenproduzierten entsteht nicht nur beim Zuschauer time hat eigenproduzierte Fiction in Movies von 20 auf 30 für das Jahr 14 T E N D E N Z 1 2008 INTERVIEW Sat.1 ist mit seinem Marktan- Zur Person Joachim Kosack, geboren 1965, arbeitete zwischen 1985 und 1995 an verschiedenen Theatern als Kabarettist, Schauspieler und Regisseur, im Spannungsfeld zwischen Job und scheinbar unmöglichen Liebe, die erst bevor er 1996 in der TV-Branche tätig Privatleben. Teamworx ist die Produk- nach vielen Hindernissen erfüllt wird. wurde. Bis 1998 war er Chefautor tionsfirma. Was braucht eine Serie, um und Regisseur der RTL-Soap »Gute Zeiten, schlechte Zeiten«, anschlie- Im Film-Bereich dominieren der- beim Publikum gut anzukommen? zeit historische Stoffe. Welche Su- Eine Serie benötigt ein klares Profil Weekly »Hinter Gittern«. Von 2001 jets berücksichtigen Sie 2008 noch? und ein deutliches Programmverspre- bis 2006 realisierte er als Produzent Das Genre-Portfolio ist breit gefä- chen. Entscheidend für den Erfolg sind für die Firma Teamworx Projekte chert und umfasst Familienkomödien, ein bis zwei unverwechselbare Haupt- wie »Für immer verloren« (Sat.1), Fantasy-Filme, Romantic Comedies, personen und eine beständige Erzähl- »Stauffenberg« (ARD), »Kein Himmel Krimis und Action-Thriller. Neben Zu- weise. Das heißt, das Angebot, das ich über Afrika« (ARD), »Die Flucht« schauerlieblingen wie Sophie Schütt, dem Zuschauer an einem bestimmten (ARD) und »Bianca – Wege zum René Steinke und Christoph M. Ohrt Abend zu einer bestimmten Uhrzeit Glück« (ZDF). Danach entwickelte gibt es in den neuen Sat.1-Filmen ein mit dieser Serie mache, muss ich und produzierte er für Producers at Wiedersehen mit Stars wie Yvonne – ohne einfallslos zu wirken – Woche Work die Sat.1-Krimiserie »R.I.S. Catterfeld, Alexandra Neldel, Marco für Woche wiederholen. Wieder er- – Die Sprache der Toten«. Im April Girnth und Richy Müller. Im Bereich kennbare Details meiner Erzählweise 2007 wechselte er als Leiter Serie Event-Zweiteiler setzen wir tatsächlich und der Umgang meiner Hauptfiguren und Soap zum Sender, seit November wieder auf historische Stoffe. »Wir mit den Geschichten, sollten nicht nur, 2007 ist er Bereichsleiter Deutsche sind das Volk – Liebe kennt keine sondern müssen etwas Ritualisiertes Fiction bei Sat.1. Grenzen« erzählt die Geschichte über haben. Wenn man sich seine eigene die ganz persönliche Wende einer Lieblingsserie von heute oder aus der getrennten Familie in der DDR. In den Jugend vor Augen führt, kann man Hauptrollen sind Anja Kling, Hans- sehr schnell genau solche seriellen Werner Meyer und Heiner Lauterbach. Rituale definieren. ßend Chefautor und Producer der 2008 erhöht. Dies verdeutlicht klar, Das ist eine großartige Produktion, die dass wir weiter auf eigenproduzierte ebenfalls im Herbst ausgestrahlt wird. Filme setzen. Hier sind wir eine Koproduktion mit TV-Unternehmen so schwierig, Olga Film in Zusammenarbeit mit dem neue Programmideen zu entwickeln ORF eingegangen. und entsprechend umzusetzen? Welche Eigenproduktionen werden wir auf Sat.1 in diesem Jahr Was sich geändert hat – und damit Und im Vorabendprogramm set- denn sehen? Warum scheint es für deutsche neue Entwicklungen immer schwie- Im Serienbereich haben wir zwei Neu- zen Sie auf eine neue Telenovela … riger macht, sind die Rahmenbedin- entwicklungen mit den Arbeitstiteln Im Vorabend planen wir für Ende gungen. Die Konkurrenzsituation »Dr. med. Molly« und »Charité – Berlin August wie angekündigt eine neue hat sich geändert. Es gibt ein deutlich Mitte«. Beides sind Arzt-Serien. Bei Telenovela mit dem Arbeitstitel »In größeres Angebot an frei empfang- Dr. Molly, gespielt von Sabine Orleans, Liebe Lena«, in der Jeanette Bieder- baren Programmen. Und was so oft geht es um eine geniale Medizinerin, mann die Rolle der Heldin spielen vergessen wird ist, dass das Angebot die wegen ihres respektlosen Mund- wird. Lena, eine junge Frau mit vielen eine große Vielfalt und hohe Qualität werks berüchtigt ist. Eine junge Psy- Talenten, ist sehr schüchtern, was es hat. Meine Meinung: Das deutsche chologin (Susanna Simon) soll Molly ihr erschwert, die kleinen und großen Fernsehangebot ist das beste der und ihren rüden Umgangsformen auf Herausforderungen des Lebens zu Welt. Es ist nicht wirklich schwierig den Pelz rücken – eine gute Voraus- bewältigen. Erfolg versprechend ist, eigene Ideen umzusetzen. Es ist eher setzung für beste Unterhaltung. Das dass wir hier wie bei allen deutschen schwierig, dass diese neuen Ideen Unternehmen Producers at Work Telenovela-Erfolgen eine Frau »mitten sich im harten Konkurrenzumfeld produziert diese Serie, die im Herbst aus dem Leben« haben, die ein klares beweisen und für das Format aus- bei uns auf Sendung geht. Ebenfalls Ziel hat und bereit ist, für dieses Ziel reichend Akzeptanz bei den Zuschau- ab dem dritten Quartal geht Charité zu kämpfen – trotz der Hindernisse ern vorhanden ist, so dass man län- auf Sendung. Die Story dreht sich um auf dem Weg dorthin. Gleichzeitig gibt geres Durchhaltevermögen guten eine Gruppe aufstrebender Mediziner es schon in der ersten Folge das ro- Gewissens vertreten kann. unterschiedlicher Herkunft und Kultur mantische Versprechen einer großen Die Fragen stellte Sandra Eschenbach 쎲 15 T E N D E N Z 1 2008 INTERVIEW Sender, TV-Kritik und Zuschauer haben unterschiedliche Maßstäbe Qualitätskriterien im Unterhaltungsfernsehen Fernsehunterhaltung und Qualitätsfernsehen passen nach landläufiger Ansicht schlecht zusammen. Wenn man über Güte in der Unterhaltung nachdenkt, kann man jedoch Interessantes entdecken – nicht zuletzt viele Wege zur Qualität und viele Wege, sie zu verhindern. Wenn in der Öffentlichkeit über die Qualität von TV-Programmen gesprochen wird, geht es fast immer um Fernsehen im Ausnahmezustand. In Die Fernseh-Parodie den meisten Fällen handelt es sich »Fröhliche Weihnachten« dabei um einen alarmierenden Zu- (Sat.1) mit Anke Engelke stand: Der Mangel an Qualität wird und Bastian Pastewka beklagt, wenn einzelne Programme als Anneliese und Geschmacksgrenzen beziehungsweise Wolfgang sahnte 2008 gefühlte oder echte Tabus verletzen. einen Grimme-Preis ab. Vergleichsweise selten, aber in jährlichem Rhythmus kommt der positive Ausnahmezustand in den Blick – nämlich dann, wenn Qualität ausgezeichnet wird, etwa beim Deutschen Fernsehpreis oder dem Adolf-Grimme-Preis. Gütebegriffe, zudem operiert die TV- ste: Geld. Vor einigen Jahren hat LfM- Im Normalbetrieb wird nur selten über Kritik je nach Sendeform mit völlig Direktor Norbert Schneider nachdrück- Programmqualität nachgedacht, nicht anderen Kriterien, deren Gewichtung lich darauf hingewiesen, dass es eine zuletzt weil der programmbegleitenden zudem Ansichtssache ist: Können gute völlig irrige Annahme ist, dass Pro- Fernsehkritik in der Presse immer we- schauspielerische Leistungen einen grammqualität ohne Geld zu haben sei. niger Raum gegönnt wird. Fernsehen schwachen Plot kompensieren? Vor Umgekehrt führen hohe Ausgaben für ist eine Selbstverständlichkeit wie allem für Privatsender ist logischerwei- Produktionen natürlich nicht automa- fließendes Wasser aus der Leitung, se der Marktanteil (respektive daraus tisch zu höherer Qualität, aber ohne über das man sich auch nur Gedanken resultierende Einnahmen) zentrales Geld gibt es keine. Sender, die ihre macht, wenn es eine merkwürdige Qualitätskriterium, für Zuschauer Programmausgaben reduzieren, redu- Färbung aufweist oder ganz ausbleibt. der individuelle Unterhaltungswert. zieren zwangsläufig auch die Qualität Es gibt allerdings einen gravierenden Unterschied. Auch wenn die Feinheiten der Wasserqualität nur von La- ihres Gesamtprogramms. Hinweise Geld, Gewohnheit und Geduld bors ermittelt werden können, sind auf Synergieeffekte oder programmneutrale Einsparmöglichkeiten können hierbei nicht überzeugen, da diese sich Nutzer, Versorger und Untersu- Programmqualität ist nicht nur schwie- schon seit Jahren genutzt werden und chungslabors prinzipiell einig, was gu- rig zu beurteilen und kann mit verschie- sich nicht beliebig vermehren lassen. tes Wasser ist – beim Fernsehen ist die denen Dingen verbunden werden, sie Lage weitaus komplizierter. Sender, Kri- hat außerdem Voraussetzungen, die sehsender (auch Privatsender), die an- tik und Zuschauer verwenden andere häufig übersehen werden. Die wichtig- gemessen in Programme investieren, 16 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT Zum Glück gibt es weiterhin Fern- jüngste Beispiel für extreme Ungeduld erstmals eine separate Preiskategorie lieferte im Januar 2008 RTL, als die »Unterhaltung« eingerichtet wurde, ambitionierte Reihe »Die Anwälte« befassten sich die Diskussionen der nach gerade einer Folge aus dem Pro- Jury konsequenterweise nicht nur mit gramm genommen wurde. Dass sich den nominierten Produktionen, son- Geduld lohnen kann, erlebt seit einiger dern immer wieder auch mit der Frage Zeit ProSieben: Nach schwachen An- der Qualitätskriterien. fängen ist aus »Galileo« doch noch ein Erfolgsformat geworden. Die zweite Voraussetzung: Ange- Originelle Kombination aus Krimi und Comedy: Die ProSieben-Reihe »Dr. Psycho« mit Schauspieler Christian Ulmen wurde ebenfalls mit dem Grimme-Preis in der Kategorie »Unterhaltung« ausgezeichnet. obwohl Qualität scheinbar von den Privatsendern) die Klage, dass man sich durch drei Merkmale aus. Erstens ihre messener Umgang mit Sendungen. handwerkliche Qualität – sie sind ein- Dazu gehören etwa die Wahl von Sen- fach gut gemacht. Zweitens ihre Origi- der und Sendeplatz und passende On- nalität, die aber immer nur relativ sein Air-Promotion. Die wenig erfolgreiche, kann. Wer unterhalten werden will, aber intelligente und aufwändig produ- erwartet vom Fernsehen nichts radikal zierte Comedy-Reihe »Deutschland ist Neues, sondern etwas im Prinzip Be- schön« (Sat.1) beispielsweise hätte kanntes, das sich aber durch irgendet- (auch nach Meinung Beteiligter) weit- was von bisher Gesehenem unterschei- aus besser auf einen späteren Sende- det. Das kann eine neuartige Mischung platz gepasst, möglicherweise sogar von jeweils an sich bekannten Elemen- besser zu einem anderen Sender der ten sein oder das Hinzufügen eines Sendergruppe, nämlich ProSieben. neuen Elements. Ein drittes Merkmal: Wie gesagt, Fernsehen ist Gewöh- Sie bieten unterschiedlichen Zuschau- nungssache: Wenn an Programmaus- ern unterschiedliche Zugänge, so dass gaben gespart wird und vorhandene Zuschauer je nach Medienkompetenz Programmqualität nicht angemessen unterschiedliche Möglichkeiten haben, behandelt wird, gewöhnen sich Zu- individuelle Unterhaltungserlebnisse schauer auch daran. Im schlimmsten herzustellen. Dies trifft übrigens auch Fall ist das Ergebnis, dass sie vom auf die meisten Fernsehklassiker zu, Fernsehen auch kaum noch Qualität so etwa auf die »Simpsons«. Kindern, erwarten – so dass sich Sender nicht Jugendlichen und Erwachsenen bietet wundern müssen, wenn Qualität nicht die Animationsserie je eigene Zugänge honoriert wird. – Kinder können die gleichaltrigen Hauptfiguren amüsant finden, Heran- Zuschauern oft nicht honoriert wird. Immer wieder hört man (nicht nur von Die letztlich ausgezeichneten Produktionen zeichnen sich vor allem Drei Gütekriterien für TV-Unterhaltung wachsende die zahlreichen popkulturellen Anspielungen, Erwachsene etwa die nebenbei eingeführten Fami- zwar durchaus um Programmqualität lienprobleme. bemühe, die Zuschauer aber offensicht- Während sich Fernsehkritiker bei fiktio- lich anderes wollen. Dabei werden aber nalen oder dokumentarischen Produk- Eine vergleichbare Vielseitigkeit zwei weitere wichtige Voraussetzungen tionen zwar nicht immer im Ergebnis, weist auch die mehrfach ausgezeichne- übersehen, die erfüllt sein müssen, aber zumindest bei den Beurteilungs- te ARD-Vorabendreihe »Türkisch für wenn Qualität erfolgreich sein soll. kriterien relativ einig sind, ist die Lage Anfänger« auf, die auf komische Weise bei Unterhaltungssendungen im enge- das Leben einer deutsch-türkischen Gewöhnungssache. Für Fernsehzu- ren Sinne (also Fernsehshows, Sit- Patchwork-Familie zeigt. Anstatt das schauer ist die Nutzung des Mediums coms, Comedy und allen anderen Sen- Naheliegende zu tun, nämlich vertraute Teil ihres Alltags, und Alltagsgewohn- dungen, die vor allem unterhalten wol- Multi-Kulti-Klischees auszuschlachten, heiten ändern sich allenfalls langsam. len) weitaus komplizierter. Hier wurde basiert ihr Humor auf sorgfältig und Neue serielle Produktionen brauchen bislang äußerst selten nach Qualität sehr individuell gestalteten Rollen- Zeit, um ihr Publikum – und manchmal gesucht (eher dem Gegenteil) und logi- figuren, die vor allem eines nachdrück- auch sich selbst zu finden. Geduld – scherweise auch nur vergleichsweise lich veranschaulichen: Es gibt keine und geduldige Entwicklungsarbeit – ist selten Qualität gefunden. Als im Rah- »Begegnung der Kulturen«, was sich heute aber eher die Ausnahme. Das men des Adolf-Grimme-Preises 2007 begegnet, sind immer einzelne Men- Die erste ist Geduld. Fernsehen ist 17 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT schen. Ein Adolf-Grimme-Preis wurde »Neues aus der Anstalt« (ZDF): auch an die Gameshow »Extreme Acti- Das Unterhaltungserlebnis vity« (ProSieben) verliehen, die das ver- ist umso besser, desto mehr traute Muster des Begrifferatens von Welt- und Medienwissen der Prominenten um eine originelle Facette Zuschauer einbringen kann. erweitert, nämlich das Raten unter (physisch) erschwerten Bedingungen. Von Moderator Jürgen von der Lippe als »intellektuelle Krawallshow« bezeichnet, bietet »Extreme Activity« über seine Akteure ebenfalls mehrere Zugänge – und sogar einen gewissen Die mehrfach prämierte ARD- intellektuellen Reiz durch die Möglich- Vorabendreihe »Türkisch für keit des Mitratens. Anfänger« dreht sich um das Die Grimme-Preisträger in der Kate- Leben einer deutsch-türkischen gorie »Unterhaltung« des Jahres 2008 Patchwork-Familie. zeigen, dass auch weiterhin in sehr unterschiedlichen Bereichen Qualität gefunden werden kann. Die ProSiebenReihe »Dr. Psycho« ist nicht nur eine originelle Kombination von Krimi und anderer Fernsehpreise der letzten Jah- dieser Säule des dualen Fernsehsys- Comedy, sie ist auch hervorragend re belegt. So wurden beim Deutschen tems eine ganze Reihe interessanter besetzt, so dass alle Figuren eine ganz Fernsehpreis etwa mit »Genial dane- Innovationen, zunächst vor allem von eigene Kontur gewinnen. Der zweite ben« (2004, Sat.1) und »clever!« (2005, RTL wie zum Beispiel »RTL Samstag Preisträger, »Fröhliche Weihnachten« Sat.1) zwei Produktionen ausgezeich- Nacht« oder mit »Ritas Welt«, »Alles (Sat.1), gehört zum hinlänglich be- net, die auf humorvolle Weise an Zu- Atze« und »Nikola« die ersten gelun- kannten Genre der Fernseh-Parodien. schauerwissen appellieren, ohne als genen Versuche deutscher Sitcoms. Der Rahmen einer fiktiven Volksmusik- klassisches Bildungsfernsehen daher- Sat.1 etablierte mit der »Harald Benefiz-Show wird hier dank der Haupt- zukommen; »Bei Krömers« (2006, RBB) Schmidt Show« nicht nur die erste akteure Anke Engelke und Bastian und »Neues aus der Anstalt« (2007, funktionierende deutsche Late-Night- Pastewka auf bemerkenswert vielfäl- ZDF) erlauben umso bessere Unterhal- Show, Sat.1 und ProSieben haben als tige Weise genutzt, bis in die Nähe des tungserlebnisse, je mehr Welt- und Sendergruppe in den letzten Jahren politischen Kabaretts. Medienwissen die Zuschauer einbrin- auch die RTL-Gruppe als Hauptinno- gen. Originelle und damit qualitativ vatoren im Bereich der Fernsehunter- bemerkenswerte Varianten des Ver- haltung deutscher Herkunft (was trauten repräsentieren etwa »Dittsche – Privatsender betrifft) überholt. Zuschauervergnügen: die eigene Kompetenz genießen »Fröhliche Weihnachten« operiert mit einer Vielzahl von Anspielungen und das wirklich wahre Leben« (2004, Der Hinweis auf die Programm- WDR) oder die Improvisations-Comedy herkunft ist deshalb wichtig, weil jeder »Schillerstraße« (2005, Sat.1). Fernsehsender auf drei Wegen zu Pro- Während Fernsehpreise in den klas- grammqualität gelangen kann. Der ein- verdeutlicht damit ein häufig überse- sischen Kategorien wie Fiktion oder fachste Weg ist der Einkauf von Quali- henes Phänomen: Intensive Unterhal- Dokumentarisches regelmäßig vor tät, die in anderen Ländern produziert tungserlebnisse setzen Medienkompe- allem an öffentlich-rechtliche Sender worden ist, also der Programmimport. tenz und Wissen voraus. Unser jewei- vergeben werden, sind im Bereich Vor allem im fiktionalen Bereich ist liger Lieblingsfilm ist natürlich einer, »Unterhaltung« auch Privatsender dieser Weg üblich – was wäre die deut- den wir in allen Facetten und mit allen oft unter den Preisträgern. Wäre dem sche Fernsehgeschichte ohne »77 Sun- Referenzen verstehen – ein wichtiger nicht so, müsste man sich über den set Strip«, »Mit Schirm, Charme und Teil unseres Vergnügens besteht gera- Zustand des deutschen Privatfernse- Melone«, »Maigret«, »Columbo«, »Dal- de darin, dass er uns erlaubt, unsere hens ernsthaft Sorgen machen, da für las« oder heute »CSI« beziehungsweise eigene Kompetenz zu genießen. Was kommerzielle Sender der Unterhal- »Dr. House«? Der schwierigste Weg ist für den Film gilt, gilt auch für das Fern- tungsbereich natürlich der wichtigste die Eigenentwicklung, da er mit hohen sehen, was ein Blick auf die Gewinner ist. Seit den 90er-Jahren kamen von Risiken verbunden ist. Es gibt jedoch 18 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT der Konkurrenz immer neuer »Geliehene« Qualität bei Adaptionen Wege der Content-Distribu- ausländischer Formate wie »Deutsch- tion und der medialen Kon- land sucht den Superstar«. vergenz? In dieser doppelten Problemlage dominieren Strategien der Risikovermeidung: Lieber Formate adaptieren oder kopieren als Eigenentwicklungen wagen; lieber sich an vorhandene Programmtrends anhängen als versu»RTL Samstag Nacht«: Seit den 90er chen, neue einzuleiten. Das Jahren kommen von kommerziellen Ergebnis ist seit den 90er Jah- Sendern im Unterhaltungsfernsehen ren eine Programmentwick- eine Reihe von Innovationen. lung in Wellen, die mit großer Vorhersehbarkeit die Phasen Einführung – Überangebot – Abflauen aufweisen. Wir hatten bereits unter anderem Game-, noch einen dritten Weg, der heute »Big Brother« oder die »Super-Nanny« Talk-, Quiz- und Courtshow-Wellen, geradezu als Königsweg erscheint: erscheinen den Zuschauern als deut- zur Zeit ist gerade der Höhepunkt der die Adaption. sche Produktionen, tatsächlich handelt Makeover-, Kochshow- und Coaching- es sich aber um angekaufte Formate. Wellen. In Deutschland produzierte Programme, die auf Vorlagen aus anderen Wo Qualität im Unterhaltungsfern- Wenn der Fernsehmarkt von ängst- Ländern basieren, hat es schon immer sehen sichtbar wird, geht es häufig lichen Akteuren beherrscht wird, hat gegeben – auch »Was bin ich?« oder um »geliehene« Qualität, wobei der Programmqualität schlechte Karten. »Hätten Sie’s gewusst?« waren die Umfang der Eigenleistung sehr stark Qualität braucht Mut zum Risiko, und deutschen Versionen amerikanischer schwanken kann. Während bei »Wer diesen Mut bringen öffentlich-recht- TV-Erfolge, nämlich von »What’s My wird Millionär?« vor allem die Modera- liche wie private Sender heute nur Line?« und »Twenty-One«. Seitdem in tion von Günther Jauch der deutschen noch gelegentlich auf – was mit Blick immer mehr Ländern kommerzielles Adaption des Formats eine eigene auf die schwierige Lage des Mediums Fernsehen eine immer größere Rolle Färbung gibt, stellt etwa »Pastewka« Fernsehen insgesamt sogar verständ- spielt, ist aus der eher zufälligen und (Sat.1) eine sehr eigenständige Um- lich ist. Mut allein reicht jedoch nicht, großzügig gehandhabten Programm- setzung der amerikanischen Vorbilder um Programmqualität auch zum Erfolg adaption ein regelmäßiges und klar »Seinfeld« und »Curb Your Enthu- zu verhelfen, dazu gehören zusätzlich geregeltes Phänomen geworden. Unter siasm« dar. Geduld und ein sorgsamer Umgang mit Programmen. Wenn beispielswei- dem Begriff »Formathandel« werden erfolgreiche Produktionen weltweit nachproduziert, wobei – wie bei allen Ängstliche Akteure schlecht für Qualität se »Die Anwälte« (RTL) nach nur einer Folge aus dem Programm genommen werden oder der bemerkenswerte anderen global verbreiteten Markenartikeln – darauf geachtet wird, dass das Deutschland hat einen besonders kom- US-Import »Sopranos« vom ZDF am Erscheinungsbild der Nachproduktion petitiven Fernsehmarkt: Es gibt kaum späten Samstagabend so platziert der Vorlage gleicht. Es ist bekannt, ein anderes Land, in dem der durch- wird, dass aufgrund regelmäßiger dass Fernsehzuschauer in den meisten schnittliche Zuschauer dank der Domi- Überziehungen der vorherigen Sen- Fällen einheimische Produktionen ge- nanz von Kabel- und Satellitenfernse- dungen kein Zuschauer wissen kann, genüber Importen bevorzugen. Format- hen unter so vielen Sendern auswählen wann eine Folge startet, wird diesen adaptionen bieten den großen Vorteil, kann. Zusätzlich haben alle deutschen Produktionen jede Chance genom- dass sie zwar ausländischer Herkunft Sender mit den gleichen Unsicherhei- men, ihr Publikum zu finden. Oder sind, man ihnen ihre Herkunft aber ten umzugehen, wie die meisten Sen- wollte das ZDF mit dieser Program- nicht ansieht. »Wer wird Millionär?«, der anderer Regionen: Was wird aus mierung den Verkauf von DVD-Boxen »Deutschland sucht den Superstar«, dem klassischen Fernsehen angesichts ankurbeln? Dr. Gerd Hallenberger 쎲 19 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT Für die Werbeindustrie zählt die Quote und bei Qualität ein Mindestmaß: Vermarktungsmaschinerie Privatfernsehen Skandale, Schlagzeilen und Sorgen um die Würde von Casting-Kandidaten – wer im Free-TV wirbt, interessiert sich nur am Rande für diese Debatten. Für ihn sind wirtschaftliche Parameter wie Quote und ein gutes Preis-Leistungsverhältnis beim 30-Sekunden-Spot entscheidend. Die Fernsehsender setzen aber nicht mehr ausschließlich auf die Einnahmen aus TV-Spots, sie versuchen extensiver denn je, erfolgreiche Sendungen auf allen Wertschöpfungsebenen zu vermarkten. Groß war die Empörung: »Die Sendung Seher-Profil, Tausend-Kontakt-Preis öffentlich ihre Abneigung gegen die ist in die Peinlichkeit abgedriftet. Die oder Reichweite. Danach erstellen Me- Container-Show auf RTL II. Inzwischen Show passt nicht zum seriösen An- diamanager ihren Plan. »Die wenigsten steht das Format ganz oben auf der Be- spruch unseres Hauses.« Gemeint war Kunden kontrollieren systematisch liebtheitsskala der Planer. Der Grund: die erste Staffel der RTL-Show »Ich bin die einzelnen belegten Programmum- Die Quoten sind seit Jahren stabil, die ein Star – Holt mich hier raus!«, kurz felder und greifen aktiv in die Belegung Zielgruppe ist genauestens berechen- Dschungelshow genannt. Die harsche ein«, erläutert der Vermarktungsprofi. bar, es gibt keine Schwankungen – Kritik äußerte Peter Gartmann, Leiter Ähnlich argumentiert Jens Mer- alles Voraussetzungen, die die zahlen- Media bei der Wüstenrot Bausparkasse, heim, Münchner Geschäftsführer der vor gut vier Jahren in der Fachzeitschrift Media-Agentur pilot. Man sollte bei der Werben & Verkaufen. Wüstenrot wollte Frage, ob sich mediale Aufregung auf als die Frage nach der Qualität des Um- seine Produkte im Umfeld von Kaker- die Werbebuchungen auswirke, erst feldes. »Viele Kunden möchten gerne laken und Känguruhoden nicht präsen- einmal klären, ob die Regel »Bad news Qualität im Mediaplan, haben dann tieren. Auch die Bierbrauerei Veltins are good news« nicht auch für TV- aber Probleme, umsetzbare qualitative entrüstete sich moralisch. Aber hier Quoten gelte. Und: Im Falle von DSDS Platzierungsparameter zu definieren«, endete die Aufregung. Andere Werbung- »bürgt das Format für einen gewissen weiß Mediamanager Kollat. Zwar treibende hatten keine moralische Qualitätsstandard, der zugegebener- nenne ein Kunde hin und wieder mal Bedenken wegen der umstrittenen maßen in der aktuellen TV-Landschaft ein Wunschprogramm, das dann auch Sendung. Es war bisher auch das letzte als hoch einzustufen ist«. Ganz ohne im Einschaltplan für die TV-Spots er- Mal, dass in der werbungtreibenden Schlagzeilen – gleich ob positiv oder scheint. Aber es sei nicht so, dass die Industrie über »buchen oder nicht bu- negativ – könne eine Sendung wie Kunden den Plan systematisch durch- chen« so kontrovers gestritten wurde. DSDS gar nicht die entscheidenden kämmen. Hinzu kommt: Wer im Fern- Quoten bringen. Merheim fasst stell- sehen wirbt, will schnell eine große »Deutschland sucht den Superstar« vertretend für die Branche zusammen: Reichweite aufbauen. Nur so viele (DSDS) spielte für die Mediaplaner, »Solange die Quote stimmt und die Fernseh-Höhepunkte gibt es nicht. die für die Werbekunden die Spotplätze Qualität gegeben ist, wird das Format Und was macht man, wenn die Um- buchen, keine Rolle. »DSDS ist ein gebucht. Über welche Mittel die Quote felder ausgebucht sind? So einfach gutes Beispiel dafür, dass es keine au- beeinflusst wird, ist bei Erhalt des wie es scheint, funktioniert das Medien- tomatische Auswirkung von negativer Mindestmaßes an Qualität und im geschäft eben nicht. Berichterstattung auf das Buchungs- Rahmen der Gesetzgebung egal.« Selbst die aktuelle Diskussion über verhalten gibt«, sagt Jens Kollat, unabhängiger Mediamanager und Geschäftsführer von Kollat Media Team, Berlin. Big Brother auf der Beliebtheitsskala oben fixierte Branche liebt. Zahlen sind dann auch wichtiger Weil die Debatte über Qualitätsfernsehen nicht nachlässt, initiierte der RTL-II-Vermarkter El Cartel Media im vergangenen Jahr die Studie »Phantom Er betreut Werbe-Schwergewichte Wie schnell die öffentliche Erregung Qualitätsfernsehen«. Eine der wesent- wie Danone und Johnson & Johnson. vergessen ist, sobald die Reichweiten lichen Erkenntnisse: Mehr als die Hälf- Bewertet werden, erklärt Kollat, statt- stimmen, zeigte sich auch bei »Big te der befragten Zuschauer will gar dessen die Programmumfelder nach Brother«. Vor acht Jahren äußerten nicht, dass sich Qualität und Angebot quantitativen Gesichtspunkten wie Mediaplaner und Werbekunden noch aller Sender den Öffentlich-Rechtlichen 20 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT Jens Kollat, Geschäftsführer Bei DSDS bürge das Format für Petra Fink, Leiterin Business Plattenverkäufe als Erlösquel- Kollat Media Team, weiß, dass einen Qualitätsstandard, der im Development ProSieben, sagt, le: RTL Enterprises werde zur sich negative Berichterstat- aktuellen TV als hoch einzustufen eine Sendung müsse auf dem Schnittstelle zwischen Sender- tung nicht automatisch auf das sei, bescheinigt Jens Merheim, Bildschirm funktionieren, be- gruppe und Musikindustrie, Buchungsverhalten der Werbe- Münchner Geschäftsführer der vor Diversifikationsstrategien erklärt Geschäftsführerin Birgit kunden auswirkt. Media-Agentur pilot. ausgelotet werden könnten. Hönsch. angleichen, weil sie in alle Richtungen zur Diversifikation hat – das aber natür- Events und IPTV – in das neue Pro- offen bleiben wollen. Bei einem Kanal lich frühzeitig.« Das aktuellste Beispiel gramm eingebunden werden können. holen sie sich die Information, beim ist sicher »Germany’s Next Topmodel«. »Dadurch erreicht die Kreation beim anderen die Unterhaltung. Und knapp Vom Merchandising über Handels- Zuschauer eine höheres Involvement«, 80 Prozent der 1235 Befragten sagten: promotion mit Maybelline Jade und sagt Ingmar Grundmann, Leiter UFA Werbung kann zwar von einem höhe- Sony Ericsson über Mode, CDs, Video- Interactive. ren Niveau der Sendung profitieren, on-Demand bis hin zum Brettspiel ver- umgekehrt stört sie hier auch mehr. längert ProSieben die Marke. Neben der Diversifizierung hat ProSiebenSat.1 seit einiger Zeit eine weitere Einnahmemöglichkeit entdeckt: Die Entscheidung zwischen Qualität Auch bei RTL geht es bei der Aus- und Quote ist also für die TV-Werbe- wertung in erster Linie um die Relevanz Sendungen, an denen die TV-Gruppe branche unerheblich, für sie zählen eines Formats für den Zuschauer, sagt selbst die Rechte besitzt, in andere wirtschaftliche Komponenten. Panisch eine RTL-Sprecherin. Nur dann können Länder zu verkaufen. Die Show »Schlag werden Planer nur, wenn die Reich- sich starke Marken entwickeln, die den Raab« nahmen zum Beispiel Großb- weite sinkt. von der DVD bis zur Mode-Kollektion ritannien, Schweden und Finnland ab. verwertbar sind. Sprich, nur was gute Zudem will die Senderfamilie vermehrt Quote bringt, wird außerhalb des Fern- Formate entwickeln, die sich leicht in sehens vermarktet. So verdient der andere Länder übertragen lassen. »Ein Bei guter Quote Vermarktung außerhalb des Fernsehens Kölner Sender beispielsweise an einer Drehbuch, ein Filmset. Das spart nicht Auch wenn die Qualitätsdiskussion reichen Produktpalette zu DSDS sowie nur Kosten, wir sind auch schneller am keine Auswirkung auf die Werbe- an den Soaps »Gute Zeiten, schlechte Markt«, sagte Guillaume de Posch, Vor- buchungen hat, Faktoren wie eine ver- Zeiten« und »Alles was zählt«. Wich- standsvorsitzender von ProSiebenSat.1, änderte Mediennutzung sorgen dafür, tige Erlösquelle sind die Plattenver- im Oktober 2007 bei einer Veranstal- dass sich die Sender nach neuen Ein- käufe. Dabei agiert das RTL-Tochter- tung in Hamburg. Das jüngste Beispiel: nahmequellen umsehen. Diversifika- unternehmen RTL Enterprises nicht Die Show »The next Uri Geller« wurde tion – also Einnahmen, die nicht aus nur als Lizenzgeber, »sondern auch in Köln in ein und demselben Studio der klassischen TV-Werbung kommen als Schnittstelle zwischen der Medien- sowohl für ProSieben als auch für das – heißt das Zauberwort. Nur: Unter gruppe RTL Deutschland und der niederländische Fernsehen produziert. welchen Gesichtspunkten werden Musikindustrie«, sagt Birgit Hönsch, überhaupt Programme für die Rundum- Geschäftsführerin RTL Enterprises. Die Show war in die Medienkritik geraten – Vermarktung ausgewählt? »Unser Kern- Titelmelodie zur Serie »Prison Break« Uri Geller sei ein Scharlatan, hieß es. geschäft ist natürlich Fernsehen«, sagt wurde nach inhaltlicher Vorgabe von Geschadet hat es ProSieben nicht. Im Petra Fink, Leiterin Business Develop- RTL Enterprises komponiert, die CD Gegenteil: Die Quoten stimmten, die ment bei ProSieben. »Wenn wir eine erreichte sogar Platz eins der Charts Werbungtreibenden waren zufrieden Sendung konzipieren überlegen wir sowie eine Goldene Schallplatte. und das Ausland will die deutsche Übrigens: Auch die Uri-Geller- zuerst: Wie funktioniert das auf dem Bei der Produktionsfirma UFA hin- Schirm? Erst wenn das Konzept steht, gegen überlegt man gleich zu Beginn Australien und die Türkei haben bereits wird mit den einzelnen Abteilungen im der Produktion, wie sämtliche neuen zugegriffen. Ein Vermarktungserfolg Haus geklärt, wer Interesse und Bedarf Plattformen – Online, Mobile, Podcast, made in Germany. Sigrid Eck 쎲 21 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT Show. NBC in den USA sowie Kanada, In USA macht ein Medien-Wachhund Meinung, wenn das Fernsehen zu weit geht: Druck auf die Werbedollars Der Parents Television Council ist eine der einflussreichsten medienkritischen Publikumsorganisationen in den USA. Die Media-Watchdog-Gruppe erzielt durch ihre Lobby-Arbeit erhebliche Erfolge, wenn es darum geht, die »Grenzen des guten Geschmacks« im amerikanischen TV-Programm zu verteidigen. Sendungen, die laut PTC die »Gren- »Deine Vorstellung war wie ein sinken- figer zu hören als Hohn. Offiziell hat der des Schiff«, sagt der Musikmanager Veranstalter der Serie, das TV-Network zen des guten Geschmacks« über- Simon Cowell, Jury-Mitglied in der Fox, das zu Rupert Murdochs News schreiten, sind ferner auch Reality-TV- amerikanischen Castingshow »Ameri- Corporation gehört, keinerlei Richtungs- Reihen wie der Heiratskontest »The can Idol«, hierzulande »Deutschland wechsel angedeutet. Aber die Bot- Bachelor« oder »The Swan«, in der sich sucht den Superstar«. »Wie die Tita- schaft scheint angekommen zu sein. die vorwiegend weiblichen Wettbewerber Schönheitsoperationen unterzie- nic«, fügt sein Kollege Randy Jackson hinzu. Der arme Tropf, der vor ihnen steht, wird unsicher, und schnell verdrückt sich das hoffnungslose Talent Einige Konzerne vermeiden Werbung in umstrittenen Formaten hen, um dem negativen Selbstimage zu entkommen. »Jahrzehntelang kämpften Frauen gegen die von den Medien rigide definierten und schwerlich ein- von der Bühne. Ausdrücke wie »grässlich«, »lächerlich«, »unerträglich«, »Vielleicht haben einige der Werbekun- zuhaltenden Schönheitsideale«, urteilte »traurig« oder »armselig« gehörten den, die während American Idol Wer- das PTC bei der Erstausstrahlung von lange Zeit zum Alltagsjargon der drei beclips schalten, protestiert«, vermutet »The Swan« und warf den Verantwort- Schiedsrichter von American Idol, die Melissa Henson von der konservativen lichen vor, die Unsicherheiten der auf- die Kandidaten begutachteten. Das Media-Watchdog-Organisation Parents tretenden Frauen auszunutzen. »Innere brachte ihnen zahlreiche Vorwürfe sei- Television Council (PTC) in Washing- Probleme können nicht mit Kollagen tens der Presse und von so genannten ton. Henson spielt damit auf eines der behoben werden«, lautete das Fazit. Media-Watchdog-Organisationen ein, wichtigsten Druckmittel an, das eine die die Macher beschuldigten, die vor- Lobby-Gruppe wie das PTC in den USA Serie »Nip/Tuck«, die Dramareihe, in wiegend jungen Talente regelmäßig als Protest mobilisieren kann: die Dro- der es um eine Klinik für Schönheits- zu verunsichern und zu demütigen. hung der großen Werbekunden, ihre chirurgie in Miami geht. Sie wird vom Dollars aus den Werbeblocks zurück- PTC vor allem wegen ihrer Darstellung zuziehen. sexueller Szenen kritisiert. Der Medien- Doch die siebte Staffel im vergangenen Jahr löste eine Kehrtwende aus: Ein Kandidat, der augenscheinlich geis- General Motors und Campbell's Als ähnlich frauenfeindlich gilt die Wachhund listet als besonders absto- tig behindert war, wurde von Cowell Soup etwa weigerten sich, Werbung ßende Beispiele eine Szene, in der der wegen seiner hervorstechenden Augen in einer Ausgabe der Reality-Show Hautpdarsteller Milch von der Brust als »Dschungelkreatur« und »Bushba- »Survivor« zu schalten, nachdem Kritik seiner Freundin trinkt und sie dann an- by« lächerlich gemacht. Einen weiteren an dem als rassistisch beklagten Kon- geekelt wieder ausspuckt, sowie eine Sänger, der autistisch war, verhöhnte zept laut wurde, in dem Angehörige Szene, in der Oralverkehr gezeigt wird, die Jury wegen seines Übergewichts. verschiedener ethnischer Gruppen ge- während dessen sich der Chirurg die Die Sendung rief zahlreiche Medienbe- geneinander antreten sollten. Andere Nase bricht, als seine Partnerin niest. richte hervor, die den Verantwortlichen Sendungen, von denen Werbeunter- Das PTC schließt seine Kritik mit der vorwarfen, zu weit gegangen zu sein. nehmen lieber die Finger lassen, sind Bemerkung: »Ein Dankeschön an Mar- Serien wie »The Sopranos«, »The keter wie Toyota, Vistoria’s Secret und Idol weitaus gutmütiger daher. Ein Kan- Shield« und »NYPD Blue«, die Kritiker Coca Cola, die diesen Müll sponsern.« didat, nach dessen Vorstellung zwei gewaltverherrlichend nennen. Kon- Schiedsrichter in Gelächter ausbrachen, zerne, die sich regelmäßig aus umstrit- servativen, als fanatisch geltenden poli- ging am Ende mit einer Entschuldigung tenen Serien heraushalten, sind Procter tischen Aktivisten Brent Bozell mit dem der beiden von der Bühne. Aufmun- & Gamble, McDonalds, Disney sowie Ziel gegründet, »der Zunahme drasti- ternde Kommentare sind weitaus häu- Johnson & Johnson. scher sexueller Inhalte und Dialoge, der In dieser Saison kommt American 22 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT Das PTC wurde 1995 von dem kon- Darstellung grundloser Gewalt und entwürdigendem und obszönem Sprachgebrauch« entgegenzuwirken. Vor einem Jahr übernahm der Liberale Timothy F. Winter den Vorsitz. Seitdem ist der Ton des PTC weniger fanatisch In USA geriet die Castingshow »American Idol« und diplomatischer. Die Organisation wegen Demütigung von Kandidaten durch publiziert einen laufend aktualisierten die Jury in die Kritik von Media-Watchdogs Programmführer, in dem alle Unterhal- (im Bild: Paula Abdul und Randy Jackson). tungssendungen im amerikanischen Free-TV und einige Serien im Kabelfern- Kampagnen regelmäßig auffordert, sehen bewertet werden. Daran ange- Protest-Emails an die FCC, Kongress- login Pamela Rutledge, Direktorin des lehnt gibt es eine Hitliste der schlimm- abgordnete und die TV-Konzerne zu Media Psychology Research Centers sten und besten TV-Serien. schicken. Die FCC wiederum, deren (MPRC) in Boston, könnte die verstärkte Nach Ansicht der Medienpsycho- Mitglieder vom Präsidenten eingesetzt Zahmheit der Sender damit zu tun liegt darauf, auf so genannte »Inde- werden, will diese Wählergruppe im haben, dass die Zuschauer insgesamt cency«, zu Deutsch Unanständigkeiten Hinblick auf die nächsten Wahlen nicht wohlwollender reagieren, wenn die in den Programmen aufmerksam zu vergraulen. Kandidaten in einer Sendung wie Ame- Das Hauptaugenmerk der Lobby machen. »Indecency«-Vorfälle, also sexuelle, gewaltverherrlichende und Laut Henson wurde die Arbeit des PTC Mitte der 90er Jahre notwendig, rican Idol ermuntert statt lächerlich gemacht werden. »Es gibt ihnen Hoff- weil die Sprache auf den Kanälen zuDie Arbeit des Parents nehmend zu verrohte. »Die Zuschauer Die US-Medienpsycho- Television Council werden Stück für Stück unempfind- login Pamela Rutledge wurde erforderlich, weil licher, also legen die Programmacher ist überzeugt, dass der Sprachgebrauch in den TV-Programmen zu verrohen begann, sagt Melissa Henson von der Publikumsorganisation. noch eins nach«, erklärt sie. Das PTC lege es nicht darauf an, dass eine Sendung abgesetzt werde, sondern dass man sich darin an die Spielregeln und Zuschauer positiver reagieren, wenn CastingKandidaten ermuntert statt lächerlich gemacht werden. die Grenzen des guten Geschmacks halte. Dass die Fernsehveranstalter der nung«, erklärt sie. Ihrer Meinung nach Free-TV in der Primetime aus Jugend- ständigen Kritik allmählich müde sind, ist Reality-TV so attraktiv, weil sich »ge- schutzgründen unzulässig und können mag besonders in der laufenden TV- wöhnliche Menschen, die wenig Ein- von der Medienaufsichtbehörde FCC Saison zum Ausdruck kommen, die fluss haben, mit den Kandidaten identi- geahndet werden. Tatsächlich geht die aufgrund des inzwischen beendeten fizieren, und man ihnen das Gefühl FCC seit dem Skandal um die Pop-Sän- Autorenstreiks von Reality-TV-Serien gibt, dass sich jemand um sie kümmert«. gerin Janet Jackson, die während des dominiert wird. Die Fernsehanbieter Super Bowl im Jahr 2004 in der Haupt- scheinen es nicht mehr auf Schockwir- gemacht, die jugendlichen Medienkon- sendezeit eine nackte Brust zeigte, ver- kung wie bei »Fear Factor« abzuzielen, sumenten in amerikanischen Schulen stärkt gegen solche Verstöße vor, unter in der die Kandidaten Würmer essen. über solche Bedürfnisse der Menschen anderem deshalb, weil die Beschwer- Aktuelle Reality-Formate sind derzeit und wie sie sich in TV-Sendungen wi- den aus der Bevölkerung mit Unter- »Wife Swap« (Frauentausch), »America’s derspiegeln aufzuklären. Ziel sei, so stützung des PTC explosionsartig in die Next Top Model« oder »American Gla- Rutledge, die Medien insgesamt besser Höhe geschossen waren. Das PTC hat diator«, in der glamouröse Athleten in zu verstehen, statt Sendungen wie deshalb so viel Einfluss, weil es seine einer Art Brot-und-Spiele-Wettbewerb Reality-TV wegen ihrer Tabubrüche zu über eine Million Mitglieder in diversen gegeneinander antreten. verdammen. Gerti Schön 쎲 obszöne Inhalte, sind im amerikanischen 23 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT Das MPRC hat sich zur Aufgabe In Großbritannien wurde der Ansatz des Public-Service-Publishers gekippt BBC-Gebühren für Channel 4 ? Über vier Jahre hatte die britische Ofcom darauf gedrängt, einen Public-ServicePublisher zu etablieren, der Inhalte mit gesellschaftlichem Mehrwert produziert, distribuiert oder zumindest finanziert. Nun wird der Ansatz nicht weiter verfolgt — aus verschiedenen Gründen. In Deutschland dürfte die Wende in der delte. Niemand könne heute noch ein anderer Faktor mitspielte. Der Re- britischen Debatte über einen »Public der Vorstellung widersprechen, dass gulator trachtet seit seiner Gründung Service Publisher« (PSP) überrascht »Public Service Broadcasting« sowohl danach, auch die mächtige BBC unter haben. Gerne richtet man hierzulande Inhalt und Distribution der neuen digi- seine Fittiche zu bringen. Bis heute hat in Führungsetagen und Staatskanzleien talen Medien als auch das traditionelle sich dies nicht realisieren lassen – trotz den Blick nach Großbritannien, wenn lineare Fernsehen umarmen müsse. heftigster Bemühungen und trotz der es um mögliche Antworten auf Fragen Das PSP-Konzept habe einzig dazu unbestreitbaren Tatsache, dass sowohl der Medienpolitik geht. Von der briti- gedient, die Debatte dahingehend zu Labour-Regierung wie auch konserva- schen Idee eines Public-Service-Publi- beeinflussen. Das sei gelungen; die tive Opposition der BBC nicht gerade shers hatte man sich einen Lösungs- ursprüngliche Idee von Ofcom habe wohlgesonnen sind. Der öffentliche TV- ansatz erhofft für das Problem, das sich als »gerechtfertigt« erwiesen; mehr Veranstalter gilt der Politik schon seit alle Länder mit Public Broadcasting habe man niemals im Sinne gehabt. geraumer Zeit als allzu selbstbewusst beschäftigt: Wie lässt sich in der neuen Ein Satz, den man mit einer gehörigen und arrogant. Zumal sich in der letzten Medienwelt mit ihren unzähligen digi- Prise Salz zur Kenntnis nehmen sollte. Dekade teilweise wohlbegründete Kla- talen TV-Kanälen und einer Explosion von Online-Angeboten am besten Public Value sicherstellen? Öffentlich-rechtliche Konkurrenz für die BBC gen häuften: Die BBC vernachlässigte zu oft die Pflicht zu unvoreingenommener Information zugunsten eines Vor vier Jahren war Ofcom mit der er- beinah »totalitären Linksliberalismus«, Interesse an der Absicht von Ofcom, klärten Absicht an die Öffentlichkeit der andere Auffassungen nicht zuließ. der Aufsichtsbehörde der britischen gegangen, diese neue Institution eines Medien- und Telekommunikationsindu- PSP zu schaffen; sie sollte öffentlich- zeigten sich, wenn auch nicht immer strie, einen Public-Service-Publisher rechtliche Inhalte produzieren, ver- aus den gleichen Gründen, zutiefst zu schaffen, ein Ansatz, der nun abrupt teilen oder zumindest finanzieren. Be- irritiert über diesen Trend in der BBC. aufgegeben worden ist. Über vier Jah- gründet wurde die Notwendigkeit die- (Der Vollständigkeit sei angemerkt, re hinweg hatte Ofcom auf die Etablie- ser neuen Institution, deren Etat auf dass die BBC das Problem des linksli- rung einer solchen Institution gedrängt zunächst 300 Millionen Pfund veran- beralen »Bias«, der in den vergangenen und damit in der Industrie für Aufre- schlagt wurde, mit der wachsenden Jahren viele Programme immer stärker gung gesorgt. Im März dieses Jahres Schwierigkeit, überhaupt noch Public- prägte, mittlerweile einräumte und dann die erstaunliche Kehrtwendung: Value-Programme auf kommerziellen sich um Besserung bemüht. General- Von Seiten des Regulators heißt es Sendern mit öffentlich-rechtlichen direktor Mark Thompson weiß, dass jetzt nur noch, man habe mit dem Vor- Auflagen unterzubringen; in Großbri- ein Sender nicht länger auf eine Ge- schlag lediglich »einen Stein in den tannien handelt es sich um die kommer- bühr der Allgemeinheit pochen kann, Teich« werfen und eine Diskussion ziellen Free-TV-Anbieter ITV und Five wenn er nicht pluralistisch anglegt ist über die Zukunft von Public Value im sowie den bis dahin allein durch Wer- und alle Auffassungen widerspiegelt.) digitalen Medienzeitalter sicherstellen bung finanzierten öffentlich-rechtlichen wollen. Ed Richards, Chief Executive Sender Channel 4. Deshalb das spürbare deutsche von Ofcom, versuchte in seiner Rede Doch verfolgte Ofcom nebenher Beide, Labour wie Konservative, Doch ist es der BBC, Vorbild für alle öffentlich-rechtlichen Sender der Welt, trotz dieses potenziell gefährlichen vor der »Royal Television Society« klar- noch eine andere Absicht. Man wollte Konfliktes mit der Politik und trotz hef- zumachen, dass es sich nicht wirklich eine öffentlich-rechtliche Konkurrenz tiger Kritik an ihrer linken Schlagseite um eine abrupte Kehrtwendung han- für die BBC schaffen, wobei hier noch bislang gelungen, ihre Position erfolg- 24 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT Mittel. Ofcom denkt als Antwort an »Top-Slicing« – ein bestimmter Anteil der Fernsehgebühr würde abgezweigt und Channel 4 zur Verfügung gestellt. Wenn es 2012 zur Abschaltung des analogen Signals kommt, Ed Richards, Chief Executive Linksliberale Verzerrung in der Officer der Ofcom: Idee des Public- Berichterstattung der BBC: Service-Publishers sollte lediglich Generaldirektor Mark Thompson klarmachen, dass Public-Service- weiß, dass ein Sender nicht auf Broadcasting sowohl neue digitale eine Gebühr der Allgemeinheit Medien als auch klassisches Fern- pochen kann, wenn er nicht plu- sehen umarmen müsse. ralistisch angelegt ist. könnte dies Realität werden. Die BBC allerdings wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um eine solche Entwicklung zu verhindern. Was ihr kaum gelingen dürfte. Die Konservativen haben das TopSlicing der Gebühr in einem Positionspapier jetzt zu einem Ziel ihrer Medienpolitik erklärt. Sie haben gute Chancen, nach der reich zu verteidigen. In den Verhand- dass die Regierung der Ofcom signali- lungen über die neue »Royal Charter«, sierte, diese Idee nicht weiter zu ver- die gesetzliche Grundlage der BBC, folgen. Zumal ein solcher PSP in der überdies die Überzeugung durch, dass gelang es ihr, sowohl die Gebühren- Praxis wohl am Ende wieder auf ein die Idee eines PSP wenig Sinn macht. finanzierung als auch die weitgehende bürokratisiertes Gremium der »Guten Eine öffentliche Einrichtung samt der Selbstregulierung zu verteidigen. Auch und Großen« aus dem Kulturestablish- notwendigen Bürokratie, um Mittel für wurde ihr ausdrücklich das Recht zu- ment hinausgelaufen wäre, das Gelder digitalen und Online-Content zu vertei- gestanden, weiterhin »Quote«, das verteilen würde – eine Einrichtung wie len: Nach welchen Kriterien würde sie heißt Unterhaltung – unter Verzicht auf Großbritanniens »Arts Council«, der handeln? Was wären die Maßstäbe für allzu seichte Angebote – machen zu Finanzmittel an Museen, Theater und Public Value in einer Welt, die sich rapi- dürfen, und kommerzielle Projekte zu andere Projekte verteilt und dessen de wandelt, beherrscht von nutzergene- verfolgen, solange dies nicht mit Kriterien nicht nach jedernmanns Ge- riertem Inhalt und sozialen Netzwerken, dem »Kern des öffentlich-rechtlichen schmack sind. beides notorisch wankelmütige Erzeug- Auftrages« kollidiert. Eine angenehm dehnbare Formulierung. Der tiefere Grund ist simpel: In der Ofcom denkt an »Top-Slicing« nächsten Wahl die Regierung zu bilden. Bei der Labour-Regierung setzte sich nisse der digitalen Individualisierung, schlecht zu fassen, schwer, wenn nicht gar unmöglich, dauerhaft zu definieren? digitalen Ära verändert sich die media- Eine ganz andere Frage ist, ob die BBC Die Zugangswege zu den vielen Platt- le Landschaft in rasantem Tempo. stattdessen ihre »Gebührenexklusivi- formen des Internet seien »enorm und Niemand weiß genau, wohin die Reise tät« verlieren könnte. In ein paar Jah- vielfältig, die Hindernisse klein« heißt geht. In einer solchen Situation wäre ren schon wird Großbritanniens zwei- es dazu in Londoner Regierungskreisen. es töricht, klassisches Fernsehen vor- ter öffentlich-rechtlicher Sender Chan- eilig abzuschreiben und die öffentlich- nel 4 nicht mehr auf eigenen Füßen hatten ohnehin spöttisch ablehnend auf rechtliche Organisationsform zu de- stehen können. Bislang kam er finan- den PSP reagiert. Der Direktor des His- montieren, die sich insgesamt gesehen ziell gut über die Runden, dank indirek- tory Channels, Ian McDonough, nannte bewährt und die besten Resultate ter Subvention, einer kostenlosen Nut- den Public-Service-Publisher »eine Kur hervorgebracht hat. Ungeachtet aller zung analoger Frequenzen, und reich- für eine nicht existierende Krankheit«. Schwächen bietet die BBC immer noch lich sprudelnder Werbeeinnahmen. Generell wird die Auffassung vertreten, deutlich höhere Qualität als das kom- Diese Einnahmen aber sinken stetig, der Markt habe nicht versagt, er be- merzielle Fernsehen. Von dieser Er- allen voran wegen wachsender Online- dürfe keiner Korrektur. Selbst wenn kenntnis ließ sich die Labour-Regie- Konkurrenz. Es ist absehbar, dass der nicht jedermann diese Auffassung teilt, rung Tony Blairs und jetzt auch die sei- Sender, gerne wegen »gewagter, kon- tendiert man in London derzeit dazu, nes Nachfolgers Gordon Brown leiten. troverser Programme« als »ungebär- den Verzicht auf die Schaffung einer diger, wilder Cousin der BBC« bezeich- neuen Medienbürokratie für Online- hätte die BBC als direkte Konkurrenz net, in ein paar Jahren nicht mehr Inhalte für das kleinere Übel zu halten. betrachtet. Das war ein Grund dafür, überlebensfähig sein wird ohne neue Jürgen Krönig 쎲 Einen Public-Service-Publisher aber 25 T E N D E N Z 1 2008 PROGRAMMQUALITÄT Die meisten Vertreter der Industrie DLM Symposium zum Einfluss der Fi n a n z i n v e s t o r e n a u f T V- P r o g r a m m e : Rendite ohne gesellschaftliche Dividende ? Für internationale Private-Equity-Firmen ist der deutsche Fernsehmarkt eines der interessantesten Investitionsfelder. Mit ihrem Engagement bei TV-Unternehmen stellt sich allerdings die Frage nach der Einflussnahme auf Inhalte und notwendige medienpolitische Maßnahmen. Das diesjährige DLM Symposium fand im März in der Landesvertretung BadenWürttemberg in Berlin statt. Hampson riet den TV-Unternehmen Ausländische Investmentgesellschaften lisierung müssten sich auch deutsche sind im deutschen Medienmarkt, etwa Medienunternehmen unbedingt im neue Online-Angebote zu entwickeln, bei Kabelnetzbetreibern und TV-Unter- globalen Wettbewerb positionieren. um so viele Kunden wie möglich zu nehmen, bereits seit einigen Jahren »Das Medienkonzentrationsrecht und binden. Der Wettlauf um Web 2.0 sei aktiv. Der US-Medienunternehmer das Bundeskartellrecht gehören auf in wenigen Jahren entschieden und Haim Saban konnte im Kreis von Finanz- den Prüfstand«, forderte Oettinger es sei weit schwieriger, bestehende investoren 2003 ProSiebenSat.1 für zudem. Die damalige Untersagung der Wettbewerber im Markt anzugreifen. etwa 500 Millionen Euro im Zuge der Übernahme von ProSiebenSat.1 durch Kirch-Insolvenz übernehmen und die Springer sei fraglich, weil sie erst den am Center for Entrepreneurial and Senderfamilie 2006 für drei Milliarden Einstieg der Private Equities ermöglicht Financial Studies der Technischen Uni- an die Private-Equity-Firmen KKR und habe. Der Axel-Springer-Konzern sei versität München, zeige das Beispiel Permira verkaufen. Um eine attraktive zwar im nationalen Maßstab groß, im ProSiebenSat.1, welche Entwicklung Verzinsung ihres Investments zu erhal- internationalen aber nicht. ein Unternehmen unter der Ägide von ten und das Unternehmen mittelfristig gewinnbringend weiterzuverkaufen oder an die Börse bringen zu können, Werbeaufkommen für Investition entscheidend Laut Christoph Kaserer, Professor Finanzinvestoren nehmen könne: Der Konzern habe sich durch den Einstieg von KKR und Permira sowie durch die setzen Finanzinvestoren auf nachhal- Harry Hampson, Managing Director Übernahme der Medienholding SBS tige Wertsteigerung. Als Geldgeber hin- der Investmentbank JP Morgan in Lon- zu einem europäischen Senderverbund ter den Private-Equity-Fonds stehen oft don, bestätigte die große Attraktivität entwickelt. Ferner seien wertsteigernde Pensionsfonds und Lebensversicherer. des deutschen TV-Marktes: Deutsch- Maßnahmen bei strategischen (Bertels- land sei einer der wichtigsten Medien- mann/RTL) und aktiven Investoren glei- der Finanzinvestoren stellt sich die Fra- märkte der Welt und habe im Broad- chermaßen ausgeprägt. ge, inwieweit TV-Programme dann ihre casting-Bereich enorme Wachstums- rundfunkrechtlich vorgeschriebenen chancen. Im Vergleich zu anderen privatwirtschaftlicher TV-Unternehmen, Aufträge erfüllen können. »Es geht um europäischen Märkten verzeichne der bemerkte RTL-Geschäftsführerin Anke die Frage, wie die Balance zwischen deutsche Werbemarkt größere Wachs- Schäferkordt: »Dadurch sind wir über- Wirtschaftsgut und Kulturgut zu finden, tumspotenziale, zumal die Werbeaus- haupt erst in der Lage, Arbeitsplätze zu halten ist«, erklärte LfK-Präsident gaben das Niveau von vor der Werbe- zu schaffen und Programm zu produ- Thomas Langheinrich, Vorsitzender der krise noch nicht wieder erreicht hätten. zieren.« Eine Mindestrenditevorgabe Direktorenkonferenz der Landesmedien- Zudem verschiebe sich das Werbe- für einzelne Sendeplätze sei aber auch anstalten (DLM), anlässlich des DLM volumen weiterhin von Print zu Online. aus ökonomischen Gründen ein Fehler. Symposiums im März in Berlin. Der Profitieren werde laut Hampson davon Auf die Frage nach wirksamen Anrei- baden-württembergische Ministerpräsi- auch das Fernsehen. Spaniens und zen für Privatsender, mehr auf Qualität dent Günther Oettinger, warnte jedoch Italiens Fernsehsender hätten als Folge zu achten, wandte sie ein: »Zunächst davor, Finanzströme als Grundlage aller, in Relation schon deutlich größere müssen wir erst einmal definieren, auch der Medienmärkte zu unterbinden. Anteile am Werbekuchen als deutsche was wir unter Qualität verstehen.« Im Zuge der wachsenden Internationa- Sender. Man müsse weg von der persönlichen Bei den hohen Rendite-Erwartungen 26 T E N D E N Z 1 2008 V E R A N S TA LT U N G E N Gewinne zu erzielen, sei die Basis Hilton im Fernsehen mehr Bedeutung Im Vergleich zu Medien-Tycoons seien erlangen als die Realität der Menschen, Finanzinvestoren verhältnismäßig als unerwähnte Kriege oder Politik, unverdächtig. Otto sieht wie Eumann dann ist der Rundfunk auf dem fal- Reformbedarf für die deutsche Medien- schen Weg.« ordnung. Johanna Haberer, Professorin am Sichtweise. Schäferkordt forderte ein Lehrstuhl für Christliche Publizistik der Koordinatensystem, das darauf abziele, Universität Erlangen-Nürnberg, wies öffentlich-rechtliche und private Pro- außerdem darauf hin: »Wer hier im Lan- gramme mit einem Maßstab zu mes- de Geld verdient mit Programm, sollte sen, um eine Qualitätsdiskussion über- sich der Verantwortung dessen stellen, haupt erst zu ermöglichen. Ein denk- der direkt und indirekt am Diskurs über barer Ansporn aus dem Anreizsystem die Werte in den zwischenmenschlichen der britischen Medienaufsicht Ofcom Netzen prägend teilnimmt.« könnte hierzulande für die Privaten In der Abschlussrunde des Sympo- eine bessere Positionierung in elektro- siums erklärte Götz Mäuser, Partner nischen Programmführern sein. von Permira und Mitglied des Aufsichts- Damian Tambini, Dozent am Depart- rats von ProSiebenSat.1: »Nicht jeder ment of Media and Communications Sendeplatz und auch nicht jeder Sender der London School of Economics, hat- muss sich rechnen.« Bei der Diskussion te zuvor erläutert, dass es für kommer- über Programmqualität bleibe für ihn zielle TV-Sender wie Channel 4 oder unklar, was die Sendergruppe anders ITV in Großbritannien wegen der fast oder besser machen solle: »Ich habe vollkommenen Digitalisierung immer das Gefühl, dass der Privatfunk in schwieriger werde, sich aus Werbung Deutschland zum Sündenbock eines zu finanzieren. Über ein Anreizsystem gesamtgesellschaftlichen Problems wird es im britischen TV-System neben gemacht wird.« Mäuser appellierte der öffentlich-rechtlichen BBC auch daran, die Ökonomisierung und das privaten Anbietern ermöglicht, Public- damit erzielte Innovationstempo positiv Service-Broadcasting (PSB) zu veran- zu sehen. VPRT-Präsident Jürgen Doetz stalten. Die Verpflichtungen, die das fügte hinzu: »Premiere gäbe es ohne Etikett PSB jedoch auferlege, hätten die Private Equities heute nicht mehr.« bereits bei Veranstaltern zu Überlegungen geführt, die Lizenz zurückzugeben. Zu viel Knut und Paris Hilton Marc-Jan Eumann, Vorsitzender der RTL-Chefin Anke Schäferkordt und LfM-Direktor Prof. Dr. Norbert Schneider diskutierten, wie viel Rendite das Fernsehprogramm verträgt. Analysierten medienpolitische Erfordernisse (von links): Marc-Jan Eumann (SPD), Götz Mäuser Medienkommission beim SPD-Partei- (Permira), Moderator Dr. Wolfgang Schulz (Hans- vorstand, unterstrich nochmals die Bredow-Institut), Hans-Joachim Otto (FDP), Jürgen Doppel-Bedeutung des Rundfunks als Doetz (VPRT) und Thomas Langheinrich (LfK). Wirtschafts- und Kulturgut. Er forderte: »Die Dividende, die der private Rund- »Wir brauchen Anregungen für eine funk an uns ausschüttet, ist zu gering«, Qualitätssicherung.« Das sei eine wich- heinrich verwies auf das schweize- kritisierte Martin Stadelmaier, Chef tige Herausforderung für den 13. Rund- rische Rundfunk-Modell als mögliches der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz und funkänderungsstaatsvertrag. Vorbild. Dieses erteilt privaten Regional- Leiter der Rundfunkkommission der Vor einer Vorverurteilung der Finanz- Der DLM-Vorsitzende Thomas Lang- sendern Leistungsaufträge wie bei- Länder. Informationen und Nachrichten investoren warnte der FDP-Politiker spielsweise Programmleistungen und würden zugunsten der Unterhaltung Hans-Joachim Otto, Vorsitzender des beteiligt sie im Gegenzug an Gebühren. aus den Programmen verdrängt. Auch Ausschusses für Kultur und Medien im »Vielleicht ist das auch auf regionale öffentlich-rechtliche Sender seien Deutschen Bundestag. »Man erinnere Anbieter in Deutschland anwendbar«, davon infiziert. »Wenn Knut und Paris sich nur an Berlusconi«, mahnte Otto. lautete sein Fazit. se 쎲 27 T E N D E N Z 1 2008 V E R A N S TA LT U N G E N 6 . Au g s b u r g e r M e d i e n g e s p r ä c h e : Experten betonen Rolle der Eltern beim M e d i e n ko n s u m d e r K i n d e r Wie viel Medien brauchen Kinder? Kinder und Jugendliche sind ihren Eltern im Medien- Zeigten auf, wie viel Medienkonsum Know-how weit voraus. Vielen Eltern fehlt zudem die Ori- für Kinder gut ist (von links): Dr. Paul entierung, wenn es darum geht, wie viel Medienkonsum Wengert, Prof. Dr. Ben Bachmair, für ihre Kinder gut ist. Die Frage diskutierte daher ein Melanie Huml, Harald Hesse, Maybrit Expertenforum aus Politik, Forschung, Medien, Krimino- Illner, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, Prof. logie, Jugendschutz und Pädagogik, das am 29. Januar Dr. Christian Pfeiffer und Klaus Wenzel. im Rahmen der Augsburger Mediengespräche stattfand. Es moderierte ZDF-Moderatorin Maybrit Illner. Rund 400 Besucher interessierten sich Die Experten waren sich jedoch Lehrer und nicht nur, um dem Leis- für die Podiumsdiskussion im Augsbur- einig, dass die Einbeziehung der Eltern tungsanspruch gerecht zu werden. ger Rathaus, die die Bayerische Landes- bei der Mediennutzung von Heran- Als durchschnittlichen Medienkonsum zentrale für neue Medien (BLM) in Ko- wachsenden eine zentrale Rolle spielt. empfahl Wenzel, dass Vorschulkinder operation mit den lokalen Radio- und So sollten Eltern mit ihren Kindern zum beispielsweise nicht mehr als 30 Mi- Fernsehsendern sowie der Stadt Augs- Beispiel gemeinsam eine TV-Sendung nuten am Tag fernsehen sollten. »Es burg veranstaltete. anschauen und mit ihnen darüber kommt mir nicht auf die Zeit an, son- sprechen. Wissenschaftliche Unter- dern auf die Umstände«, fügte er hin- insbesondere Fernsehkonsum angeht, suchungen zeigten ferner, dass insbe- zu. Es sei für ein Kind kritisch, eine die wichtigsten Vorbilder für ihre sondere die Lebenswelt Einfluss darauf halbe Stunde lang allein gewalthaltige Kinder, erklärte BLM-Präsident Wolf- habe, wie viel Medien und welche In- TV-Inhalte anzuschauen, nicht aber Dieter Ring. So beobachteten Fernseh- halte Kinder konsumierten. Der Direktor zwei Stunden einer wertvollen Sen- forscher, dass in den neuen Bundes- des Kriminologischen Forschungsinsti- dung gemeinsam mit den Eltern. ländern die Menschen länger fernsehen tuts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, als in den alten und gleiches für die erläuterte, dass ein Kind, das in der Hesse warnte davor, durch skandali- Kinder gilt. In punkto Kontrolle jugend- Familie Gewalt erfahren habe, nicht so sierende Berichterstattung bei Eltern gefährdender Inhalte in den elektro- gut mit gewalthaltigen Inhalten um- Besorgnis zu erregen: »Vorurteile wer- nischen Medien wies Ring als Vorsit- gehen könne, wie Kinder, die in liebe- den geschürt. Das verhindert, dass sich zender der Kommission für Jugend vollen Familien aufgewachsen seien. wertfrei mit dem Thema auseinander- Eltern seien, was den Medien- und gesetzt wird.« Beispielsweise wüssten medienschutz (KJM) darauf hin: »Ich will nicht sagen, dass Fernsehen ist harmlos, aber es ist bei weitem nicht Gamesmarkt-Chefredakteur Harald Nicht mehr als 30 Minuten TV täglich so problematisch wie Teile des Inter- Eltern nicht, dass es bei dem populären Online-Spiel »World of Warcraft« einen Mechanismus gebe, mit dem net, des Spiele-Sektors oder dessen, Zudem müsste, so forderten die Ex- was Handy-Provider zum Download perten, Medienerziehung Bestandteil anbieten.« der Schulbildung sein. Klaus Wenzel, Bayerischen Staatsministerium für man die Spielzeit einstellen könne. Melanie Huml, Staatssekretärin im Präsident des Bayerischen Lehrer- Arbeit und Sozialordnung, Familie und sor im Fachbereich Erziehungswissen- und Lehrerinnenverbandes, kritisierte, Frauen, erklärte, dass sowohl Gesetze schaft / Humanwissenschaften der dass gesellschaftliche Probleme stets zum Schutz der Jugend notwendig Universität Kassel, betonte: »Kriterium an die Schule delegiert würden. Daher seien als auch die Prävention von ist die Entwicklungsbeeinträchtigung forderte er von der Politik, mit Ganz- Kindesalter an: »Wir fördern Medien- der Kinder. Man darf nicht Lebensstile tagsschulen notwendige Strukturen zu kompetenz schon in den Kindergärten abstrafen.« Es gehe um die Ausein- schaffen. Die Schule bräuchte mehr – nicht nur der Kinder, sondern auch andersetzung, wo die Grenzen liegen. Zeit, sagte er, und zwar für Kinder und der Erzieher und Erzieherinnen.« se 쎲 KJM-Mitglied Ben Bachmair, Profes- 28 T E N D E N Z 1 2008 V E R A N S TA LT U N G E N F ü n f J a h r e Ko m m i s s i o n f ü r Jugendmedienschutz: Wie nimmt die Öffentlichkeit Jugendmedienschutz wahr ? Am 2. April 2008 feierte die Kommission für Jugend- Der bayerische Ministerpräsident Dr. Günther medienschutz in München ihr fünfjähriges Bestehen. Becksein hielt den Festvortrag. Im Bild mit Anlässlich des Jubiläums diskutierten hochkarätige Podi- dem KJM-Vorsitzenden und BLM-Präsidenten umsgäste die Wahrnehmung des Jugendmedienschutzes Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring sowie Verena in der Öffentlichkeit. Weigand, der Leiterin der KJM-Stabsstelle. International tätige Unternehmen und nikverständnis und -interesse – mache in Deutschland unter anderem mit den die Politik sollten das deutsche Jugend- es Eltern schwer, die Mediennutzung Selbstkontrolleinrichtungen, Filtersyste- medienschutzsystem auch in andere ihrer Kinder zu kontrollieren. In einer men und Projekten wie zum Beispiel Länder tragen, forderte Wolf-Dieter Befragung habe das JFF festgestellt, ›Ein Netz für Kinder‹ eine Vorreiterrolle Ring, Vorsitzender der Kommission für dass »viele Eltern in der Lage sind, Kin- beim Jugendschutz innehaben.« Google Jugendmedienschutz (KJM) bei der der in den ersten Jahren ihrer Medien- setze sich als weltweit agierendes Begrüßung. »Das Modell der Ko-Regu- nutzung aufmerksam zu begleiten, Unternehmen ein, künftig einheitliche lierung, das im weltweiten Vergleich allerdings wird diese Aufmerksamkeit internationale Standards zu erreichen. sehr strenge Regelungen beinhaltet, geringer, sobald die Heranwachsenden Der KJM-Vorsitzende Ring wies darf keine Insellage einnehmen. Wir in die digitale Medienwelt eintauchen«. darauf hin, dass sich private Rundfunk- können die Herausforderungen für Der Anreiz für Eltern, sich Medien- anbieter wie Premiere mittlerweile ge- einen effektiven Jugendschutz zukünf- kompetenz im Umgang mit Handys, rade durch Jugendschutzvorkehrungen tig nur bewältigen, wenn internationale Spielekonsolen und dem Internet zu im Wettbewerb positiv positionieren Standards die Aussicht auf Erfolg erarbeiten, fehle meist. Das komplexe konnten. Darüber hinaus fehle trotz gewährleisten«, betonte er. Der KJM- Regulierungssystem sollte deshalb gleicher Rechtsgrundlagen weiterhin Vorsitzende war am Tag zuvor für medienübergreifend transparent ge- eine gemeinsame Jugendmedienschutz- eine zweite Amtszeit wiedergewählt staltet und am Medienalltag von Her- aufsicht, unter die auch die öffentlich- worden. anwachsenden und Eltern ausgerichtet rechtlichen Sender fallen. Auch das sein. Die Funktion selbst bekannter Programm der Öffentlich-Rechtlichen und etablierter Signale des Jugend- sei nicht frei von für den Jugendmedien- Festrede die Bedeutung der KJM: medienschutzes werde nicht immer schutz problematischen Inhalten. »Ohne eine unabhängige Kontrollin- verstanden. Ergänzend sollten Orien- stanz wie die KJM geht es nicht – nicht tierungshilfen angeboten werden, die dienschaffenden sein«, forderte Rainer beim Fernsehen und nicht beim Inter- es Eltern und Kindern leichter mach- Erlinger, Moralkolumnist des SZ-Maga- net.« Das Instrument der regulierten ten, Medienangebote einzuschätzen. zins. Er erinnerte auch an die Eigen- Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein würdigte in seiner Selbstregulierung sei der richtige Weg, erklärte er. Gleichzeitig appellierte Beckstein an die Unternehmen, ihre Kreativität nicht nur in die Entwicklung von verantwortung des Einzelnen, sich zu Google für internationale Standards im Jugendschutz Inhalten, sondern auch in geeignete Jugendschutzmaßnahmen zu stecken. Helga Theunert, Wissenschaftliche »Respekt sollte das Prinzip aller Me- informieren und vor Risiken zu schützen. Auch wenn es immer wieder »Ausreißer« gebe, sei der »Jugendmedienschutz in Deutschland in hohem Maße In der Diskussionsrunde, die Bunte- gewährleistet«, sagte VPRT-Präsident Chefredakteurin Patricia Riekel mode- Jürgen Doetz. Er empfahl, präventive Direktorin des Instituts für Medien- rierte, bekräftigte Philipp Schindler, Maßnahmen, vor allem die medienpäda- pädagogik in Forschung und Praxis in Nordeuropa-Chef von Google, den gogische Unterstützung von Eltern, aus- München (JFF), verdeutlichte die Sicht- Stellenwert des Jugendschutzes für zubauen, um Jugendschutz nicht nur als weise der Eltern: Die Generationenkluft den Suchmaschinen-Konzern: »Es ist »repressiven Verbotsschutz« wahrnehm- – vor allem aber das mangelnde Tech- mit das Verdienst der KJM, dass wir bar zu machen. Cornelia Freund 쎲 29 T E N D E N Z 1 2008 V E R A N S TA LT U N G E N