Das grosse Halospektakel von Davos

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Das grosse Halospektakel von Davos
Das grosse Halospektakel
von Davos
von Bertram Radelow und Christian Rixen*,
*SLF Davos
er 20. Dezember begann als wunderschöner klarer Wintermorgen und liess nicht
ahnen, mit welchem Schauspiel er Davos
überraschen würde. Im Laufe des Vormittags trie-
D
ben feinste Eiskristalle durch die Luft, und diese
bildeten die Grundlage für das folgende Wunder
am Himmel: Als nämlich die Sonne kurz vor halb
elf ihre Strahlen über das Jakobshorn schickte,
brachen sich diese auf vielfältige Weise in diesen
Kristallen und erzeugten ein so genanntes HaloDisplay, das in diesem Umfang ein Jahrhundertereignis war.
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Das grosse Halospektakel von Davos
Was war nun das Geheimnis hinter diesem
herrlichen Bild? Einfache Halos sind ziemlich
häufig, weitaus häufiger als Regenbogen. Den
weissen Ring um die Sonne, meist kurz vor Aufzug schlechten Wetters, kennt fast jeder. Eiskristalle können sich in der Luft in verschiedener
Form bilden, als Plättchen oder Säulchen beispielsweise. Sie schweben meist purzelnd, also
ohne Vorzugsrichtung, langsam nach unten. In
sehr ruhiger Luft schweben sie jedoch möglichst
waagrecht, die Plättchen flach, die Säulchen liegend. Selten schweben die Säulchen auch so, dass
ihre Unterseiten parallel zur Erdoberfläche sind.
Und noch seltener drehen sie sich während des
langsamen Sinkfluges um ihre eigene Achse. Sie
erzeugen so eine Vielzahl äusserst seltener Himmelsphänomene.
Beim inneren Lichtkreis (siehe Darstellung
gegenüber) handelt es sich um den 22°-Kreis, der
rechts und links der Sonne an den Nebensonnen
besonders hell leuchtet. Über der Sonne bildet
sich am 22°-Kreis muldenförmig der obere
Berührungsbogen, wiederum darüber ist schwach
der Parry-Bogen zu sehen.
Weit darüber befindet sich in Regenbogenfarben quasi als zweiter Ring um die Sonne der
Supralateralbogen. An dessen höchstem Punkt
wiederum strahlt ein weiterer Bogen, der nicht die
Sonne umkreist, sondern dessen Enden quasi
nach oben in den Himmel ragen. Dies ist der Zirkumzenitalbogen, der, wäre er komplett ausgebildet, einen Kreis um den Zenit, also den höchsten
Punkt am Himmel, bilden würde. – Die seltensten
Phänomene sind jedoch der V-förmige Moilanenbogen unmittelbar über der Sonne und die im 45°Winkel von der Sonne nach oben gehenden Sonnenbögen (nur schwach sichtbar): Der Moilanenbogen wurde erst vor wenigen Jahren erstmals in
Mitteleuropa gesehen, der Sonnenbogen noch nie.
In jeder der Kombinationen aus Eiskristallform und Ausrichtung kann das Licht an einer
Fläche gespiegelt werden – das ergibt dann weisse
Phänomene wie die Nebensonnen oder den Horizontalkreis – oder das Licht scheint quer durch
den Kristall und wird dabei wie in einem Prisma
gebrochen: Das ergibt dann «Regenbögen».
Wenn man all die möglichen Lichtwege betrachtet, erstaunt es nicht, dass bisher über 80 verschiedene Einzelphänomene beschrieben worden sind. Diese sind aber nicht alle gleichzeitig
beobachtbar; der «Weltrekord» liegt bei 22 Einzelphänomenen auf einem einzigen Foto. Haloerscheinungen mit fünf verschiedenen Elementen sind schon ziemlich selten und werden offiziell bereits als «Ereignis» bezeichnet. Beim Davoser Ereignis waren immerhin 14 zu erkennen;
die zum Rekord fehlenden 8 andern wären im
Norden zu sehen gewesen, hinter der Parsenn.
Warum aber ist so selten eine solche Pracht
zu sehen? Dazu bedarf es ganz aussergewöhnlicher Wetterbedingungen. An jenem Tag hatten
wir in Davos bei sehr kalten Temperaturen einen
Eisnebel mit besonders vielen verschiedenen und
verschieden orientierten Eiskristallen bei sonst
völlig klarem Wetter, wodurch dieses Halospektakel ermöglicht wurde. Wenige Minuten aber
nachdem die Sonne ins Davoser Tal schien, erwärmte sich die Luft, die Kristalle lösten sich auf,
und das Halospektakel war vorbei.
Kurz nach dem 20. Dezember wurden die
ersten Fotos in den einschlägigen Fachforen im
Internet veröffentlicht, und erst da wurde uns bewusst, welch einmalige Erscheinung wir hatten
beobachten können. Es trafen enthusiastische
Antworten von Halo-Experten aus der ganzen
Welt ein. Für alle, die das Davoser Ereignis
gesehen haben, war es ausserordentlich beeindruckend. Alle waren sich sicher, etwas Einmaliges erlebt zu haben. Hoffen wir, dass sie Unrecht
haben und wir alle das Glück, eine solche Erscheinung noch einmal sehen zu können.
PS: Falls Sie selber gute Aufnahmen gemacht haben, wären wir
Ihnen dankbar, diese kurz einscannen zu dürfen bzw. per EMail ([email protected]) zugesendet zu bekommen. Wir
würden sie dann an die zuständigen Fachgremien weiterleiten,
da doch erhebliches Interesse an diesem Ereignis besteht.
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