Haftung - Ennepe-Ruhr
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Haftung - Ennepe-Ruhr
Fortbildung Fachtagung Ennepe – Ruhr - Kreis am 23. November 2010 Thema: Haftungsfragen der Verfahrensbeteiligten bei Stürzen im Heim und häuslichen Umfeld 06.01.2011 Rechtsfragen 2 Herzliche Grüße aus Berlin! 06.01.2011 Rechtsfragen 3 Rechtsanwältin Sybille M. Meier Fachanwältin für Medizinrecht Fachanwältin für Sozialrecht [email protected] 1982 Rechtsanwaltszulassung Berlin 1985 Tätigkeitsschwerpunkte: Betreuungsrecht, Medizinrecht, Sozialrecht 2004 Vorstand - Vormundschaftsgerichtstag 2007 Fachanwältin für Medizinrecht 2009 Zulassungsausschuss Fachanwalt für Medizinrecht bei der RAK Berlin 06.01.2011 Rechtsfragen 4 Übersicht • • • • Literatur Einleitung in das Thema Wichtige Rechtsprechung „Hausaufgaben“ der Akteure“ 06.01.2011 Rechtsfragen 5 Literatur I I. Kommentare: Bauer/Klie/Rink, HK – BUR, Betreuungs- und Unterbringungsrecht Prof. Dr. Jurgeleit (Hrsg.), Betreungsrecht 2. Auflage 2010 II. Bücher: DNQP (Hrsg.), Expertenstandard Sturzprophylaxe Höfert, Von Fall zu Fall – Pflege im Recht, Rechtsfragen in der Pflege von A – Z Böhme, Rechtshandbuch für Pflegeeinrichtungen von A - Z Garms- Homolova/Niehörster, Pflegedokumentation Kreuels, Die Fixierung von A – Z, ein Stationsleitfaden Hoffmann/Klie, Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen in Betreuungsrecht und –praxis 2004 06.01.2011 Rechtsfragen 6 Literatur II III. Aufsätze: Icks/Becker/Kunstmann, Sturzprävention bei Senioren, eine interdisziplinäre Aufgabe, Deutsches Ärzteblatt 2005, A 2150ff Prof. Dr. Rohlfing, Zur Haftung des Pflegeheimträgers bei sturzbedingten Verletzungen von Heimbewohnern, BtPrax 2006, 94 Klie, Mobilität und Sicherheit für Menschen mit Demenz, BtMan 2008, 13ff Großkopf, Die Beweislast im Haftungsprozess gegen Krankenpflegepersonal und Ärzte, PflR 1998, 258 Roßbruch, Die Pflegedokumentation aus haftungsrechtlicher Sicht, PflR 1998, 126 Prof. Dr. Brosey, Psychiatrische Patientenverfügung nach dem 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetz IV. Internetadressen: http://www.justiz.rlp.de/justiz http://www.justiz.nrw.de http://www.vincentz.net/altenheim http: www.uni-duesseldorf.deM/WWIAWMF/II/053-004.htm(Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin, DEGAM, Leitlinie Nr. 4: Ältere Sturzpatienten) 06.01.2011 Rechtsfragen 7 Einleitung • Keine exakten Zahlen zur Häufigkeit von Stürzen vorhanden, nur Schätzungen • 30 Prozent der zuhause lebenden Personen über 65 Jahre stürzen mindestens einmal jährlich; von den über 80Jährigen mehr als 40 Prozent • Pflegeheimbewohner haben ein besonders hohes Sturzrisiko • Sturzrisiko steigt mit wachsendem Alter und Morbidität; Frauen sind häufiger als Männer betroffen • Sturz = allgemeines Lebensrisiko mit wachsendem Alter 06.01.2011 Rechtsfragen 8 Häuslicher Bereich Die Zahl der zuhause versorgten älteren Menschen nimmt zu. Die absolute Zahl der Stürze und Frakturen im häuslichen Bereich liegt höher als in den stationären Pflegebereichen. Gleichwohl konnte auch im häuslichen Bereich durch Präventionsprogramme eine Senkung der Sturzund Frakturraten erreicht werden. (Quelle: Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege, Seite 35) 06.01.2011 Rechtsfragen 9 Sonderfall Hüftfraktur • Krankenhausstatistik 1998: 120 000 Fälle von Hüftfrakturen durch Stürze • Allein dieser Frakturtyp steigt laut Daten des statistischen Bundesamtes jährlich um 4 Prozent • 50 Prozent der Patienten erlangen ursprüngliche Beweglichkeit nicht mehr zurück • Geschätzte Kosten der rein medizinischen Behandlung von Hüftfrakturen jährlich ca. 1 Milliarde Euro, nicht eingerechnet pflegerische Langzeitkosten und Folgekosten (Pflege durch Angehörige) 06.01.2011 Rechtsfragen 10 Statistik zu § 1906 Abs. 4 BGB 06.01.2011 Rechtsfragen 11 Zahlen 2008 • 91.823 Genehmigungen FEM 2008 • 96 092 Genehmigungen FEM 2009 (!!!!) • Mentalität Deutschland/Großbritannien 06.01.2011 Rechtsfragen 12 Ausgangspunkt • Aberglaube: größte Sicherheit für betreute, sturzgefährdete Person wäre eine 24stündige rund-um-die-Uhr Fixierung • Sturzvermeidung ist eine interdisziplinäre Aufgabe! • Freiheitsentziehende Maßnahme letztes Mittel der Wahl 06.01.2011 Rechtsfragen 13 Rechtsquellen • • • • • • • • • • SGB V, XI BGB StGB HeimG HeimPersV Rahmenverträge nach § 75 SGB XI Qualitätsvereinbarung nach § 80 SGB XI GG AltPflG Berufsordnung für die Gesundheitsberufe und Krankenpflege (Landesrecht) • BtMG • InfektionsschutzG 06.01.2011 Rechtsfragen 14 Haftung Strafrechtliche Haftung Zivilrechtliche Haftung Staat Bürger Bürger Bürger Schadensersatz Strafe 06.01.2011 Rechtsfragen 15 Strafrecht Freiheitsberaubung, § 239 StGB (1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter 1. das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder 2. durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht. (4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. (5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen. 06.01.2011 Rechtsfragen 16 Schwedische Gardinen 06.01.2011 Sybille M.Rechtsfragen Meier - Unterbringung 17 Zivilrecht Deliktische Haftung § 823 Abs. 1 BGB: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. §823 Abs. 2 BGB: Verletzung eines Schutzgesetzes § 831 BGB: Haftung für Verrichtungsgehilfen Vertragliche Haftung § 280 BGB:Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. § 278 BGB: Verantwortlichkeit für Dritte 06.01.2011 Rechtsfragen 18 Schadensersatz = Geld zahlen 06.01.2011 Rechtsfragen 19 06.01.2011 Rechtsfragen 20 Spannungsfeld Art. 1, 2 GG • Menschenwürde des Bewohners • Freiheit der Person • Entscheidungsfreiheit • Selbstbestimmung 06.01.2011 § 2 Abs. 1 HeimG • Vertragliche Verpflichtung des Einrichtungsträgers Gesundheit und Unversehrtheit des Bewohners zu schützen • Obhutspflichten • Verkehrssicherungspflicht en Rechtsfragen 21 06.01.2011 Rechtsfragen 22 Legitimation unterbringungsähnlicher Maßnahmen • Nur in den seltensten Fällen wird bei Maßnahmen, die unterbringungsähnliche Maßnahme darstellen, in Pflegeheimen eine richterliche Genehmigung eingeholt. Insofern muss von einer hohen Dunkelziffer nicht genehmigter unterbringungsähnlicher Maßnahmen ausgegangen werden. Zumeist berufen sich Mitarbeiter in Pflegeheimen auf eine angeblich vorliegende Einwilligung oder die Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen. Nach Studien muss davon ausgegangen werden, dass täglich etwa 350.000 - 400.000 Menschen in Pflegeheimen von Unterbringung ähnliche Maßnahme betroffen sind (Klie BtPrax 1998,50-53). 06.01.2011 Rechtsfragen 23 Einwilligungsfähigkeit Einwilligungsfähig ist, wer mit natürlichem Willen eine freiwillige und ernsthafte Zustimmung geben kann. Dazu muss er Wert und Bedeutung des betroffenen Freiheitsrechts sowie die Folgen und Risiken seiner Zustimmung erkennen und bei seiner Entscheidung eventuelle Alternativen einbeziehen und sein Handeln danach bestimmen können. Dies ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung des aktuellen Krankheitsbildes zu entscheiden. Dabei sind strenge Anforderungen zu stellen. Fragwürdige oder fiktive Einwilligungen reichen nicht aus. 06.01.2011 Sybille M.Rechtsfragen Meier - Unterbringung 24 BGH • Pflicht zur Fixierung ? • Drittwirkung von Grundrechten im Haftungsrecht • Sorgfaltsmaßstab: „state of the art“ • Beweislastumkehr bei unterlassener Fixierung • Prüfung von Alternativen zur Fixierung 06.01.2011 Rechtsfragen 25 Haftungskreise Sturz im voll beherrschbaren Gefahrenbereich 06.01.2011 Sturz im Privatbereich (Zimmer des Heimbewohners) Rechtsfragen 26 Wichtige Rechtsprechung I Ein Heimträger ist weder dazu verpflichtet, einen Bewohner auch außerhalb des Heimgeländes lückenlos zu überwachen, noch dazu, den Bewohner notfalls mit Zwangsmaßnahmen am Verlassen des Geländes zu hindern. (LG Paderborn, PflR 2003, 297) Die Entscheidung über eine Fixierung steht dem Betreuer zu. Die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Fixierung verlangt dabei die sorgfältige Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalles und hat die Freiheitsrechte eines alten und kranken Menschen ebenso zu berücksichtigen wie seinen Anspruch auf Schutz des Lebens und seiner körperlichen Unversehrtheit. Pflegeheime haben dabei grundsätzlich die Entscheidung eines gesetzlichen Betreuers zu respektieren. (OLG Koblenz, PflR 2002, 379 = FamRZ 2002, 1359) Bei der Frage, inwieweit ein Heimträger für den Sturz eines Bewohners haftet, ist das Sicherheitsgebot gegen die Freiheitsrechte des Bewohners abzuwägen. (LG Limburg, PflR 2004, 174) 06.01.2011 Rechtsfragen 27 Wichtige Rechtsprechung II Zwar erwachsen dem Heimträger aus dem jeweiligen Heimvertrag besondere Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihr anvertrauten Heimbewohner, diese Pflichten sind allerdings begrenzt auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind (BGH, BtMan 2005, 109 = NJW 2005, 1937) Der Grundsatz, dass die Träger von Pflegeeinrichtungen ihre Leistungen nach dem allgemein anerkannten Stand medizinischpflegerischer Erkenntnisse und nach dem jeweils allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse zu erbringen haben, ist auch bei der Frage zu beachten, wie sie auf eine hervorgetretene Sturzgefährdung von Heimbewohnern zu reagieren haben (BGH, FamRZ 2005, 1560 = NJW 2005, 2613). 06.01.2011 Rechtsfragen 28 OLG Koblenz, Urteil vom 21.3.2002 - 5 U 1648/01 • Ohne konkreten Anhalt für eine Gefährdung ist ein Altenheim nicht verpflichtet, beim Vormundschaftsgericht die Fixierung eines geistig verwirrten und gehbehinderten Heimbewohners in seinem Rollstuhl zu beantragen. Maßgeblich sind insoweit die Erkenntnisse, die vor dem Schadensereignis gewonnen werden konnten. • Hat der Betreuer des Altenheimbewohners in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände einen Antrag auf Fixierung des Betreuten aus vertretbaren Erwägungen abgelehnt, ist die Leitung des Altenheims im Regelfall gehalten, diese Entscheidung zu respektieren. Was sich dem medizinischen Dienst der im Schadensfall eintrittspflichtigen Krankenkasse an Sicherungsmaßnahmen nicht aufdrängt, muss sich bei unverändertem Befund auch der Leitung eines Altenheims nicht aufdrängen. Dass der zuständige Vormundschaftsrichter die Fixierung von Heimbewohnern auf entsprechenden Antrag „immer" anordnet, ist nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich ist allein, wie er nach Auffassung des Regressgerichts im konkreten Fall über einen derartigen Antrag hätte entscheiden müssen. • • 06.01.2011 Rechtsfragen 29 Landgericht Zweibrücken, Beschluss vom 7.6.2006 – 3 S 343/06, BtPrax 2006, 154 Die Pflichten eines Pflegeheims zur Sicherung sturzgefährdeter Heimbewohner sind begrenzt auf die in solchen Heimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Maßstab sind die Erforderlichkeit und die Zumutbarkeit für die Heimbewohner und das Pflegepersonal. Solange keine konkrete Zustimmung des Betreuers zu einer weitergehenden Fixierung vorliegt, muss angesichts der Würde des Patienten (Art. 1 GG) und dessen allgemeinen Freiheitsrechts (Art. 2 GG) die Abwägung mit den Sicherheitserfordernissen dazu führen, die zur Gefahrenabwehr geeignete, den Patienten aber am wenigsten beeinträchtigende Fixierungsmaßnahme anzuwenden (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). 06.01.2011 Rechtsfragen 30 BGH, Urteil vom 14. Juli 2005 - III ZR 391/04 Der Grundsatz, daß die Träger von Pflegeeinrichtungen ihre Leistungen nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse bzw. - soweit Heimverträge betroffen sind, für die das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Heimgesetz i.d.F. vom 5. November 2001 (BGBl. I S. 2970) gilt - nach dem jeweils allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse zu erbringen haben, ist auch bei der Frage zu beachten, wie sie auf eine hervorgetretene Sturzgefährdung von Heimbewohnern zu reagieren haben (im Anschluss an das Senatsurteil vom 28. April 2005 - III ZR 399/04 – NJW 2005, 1937). 06.01.2011 Rechtsfragen 31 Voll beherrschbarer Gefahrenbereich Beweislastumkehr nach § 282 BGB bei der Verletzung eines Bewohners eines Seniorenheims im so genannten „voll beherrschbaren Gefahrenbereich“ z.B. OLG München, Urteil vom 23.2.2006 – 8 U 4897/05, FamRZ 2006, 1676ff: Zur Vermeidung von Unfällen ist ein Heimträger verpflichtet, bei in einer sogenannten geschützten Abteilung untergebrachten Patienten in der Dusche Temparaturregler bzw. Temparaturbegrenzer einzubauen 06.01.2011 Rechtsfragen 32 LG Landau, Urteil vom 27.09.2002, 1 S 85/02 Beweislastumkehr nach § 282 BGB bei der Verletzung eines Bewohners eines Seniorenheims im so genannten „voll beherrschbaren Gefahrenbereich“ 06.01.2011 Rechtsfragen 33 OLG Zweibrücken, Urteil vom 1.6.2006 – 4 U 68/05 Kommt eine Patientin eines Altenpflegeheims, die auf Grund verschiedener Erkrankungen ein „fast maximales Sturzrisiko“ aufweist, am Ende von einer Mobilisierungsmaßnahme in ihrem Zimmer in Gegenwart einer Pflegerin zu Fall, hat die Pflegerin auch dann den Sturz fahrlässig verursacht, wenn sie die Patientin nur für einen „kurzen Moment aus den Augen gelassen“ hat. 06.01.2011 Rechtsfragen 34 Vorgehen des Heimes in Einzelfällen Bei drohenden gesundheitlichen Schäden: • Verweigerung der Nahrungs- und Getränkeaufnahme • Weigerung, lebenswichtige Medikamente einzunehmen • Planloses Umherirren ohne Beachtung des Straßenverkehrs oder ohne notwendige Kleidung • Sturzgefahr durch Alkohol, Medikamente, Gebrechen Verständigung des Betreuers/Bevollmächtigten. Besteht keine Betreuung, Anordnung nach § 1846 BGB ersuchen bzw. Betreuungsanregung • Vorgehen nach PsychKG/Unterbringungsgesetz bei akuten Gefahren • Ggfs. Nothilfe, Notwehr, berechtigt auch zur Fixierung • Polizei nach öffentlichem Recht • Fixierung/UB Genehmigungspflicht bei über drei Tagen Dauer, Art. 104 GG Beachtung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit 06.01.2011 Rechtsfragen 35 Dokumentation als Haftungsprophylaxe Rechtsgrundlage: • Vertragliche Nebenpflicht zum Heimvertrag • § 4 KrPflG • §15 MBO-Ä Drei Funktionen: • Gedächtnisstütze • Qualitätssicherung • Beweissicherung Mangelhafte Dokumentation führt im Einzelfall zu Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten bis hin zur Beweislastumkehr Literaturempfehlung: Musterdokumentation für die ambulante Pflege vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit des Landes Rheinland - Pfalz 06.01.2011 Rechtsfragen 36 Dokumentation Eine Pflegedokumentation muss für einen Dritten (Richter) erkennen lassen, wer, was, wann, wie und warum getan hat! Grundsatz der Vollständigkeit hinsichtlich aller pflegerisch und medizinisch relevanten Wahrnehmungen, insb. atypische Verläufe. Pflegeanamnese, Pflegediagnostik, Pflegetherapie sowie sonstige Behandlungsmaßnahmen unter Angabe der genauen Uhrzeit und des zeitlichen Ablaufs sind zeitnah zu dokumentieren mit dem Ziel eines lückenlosen Bildes über den Gesundheitszustand des Patienten. Bei ärztlichen Anordnungen: Eintragung durch Arzt und Abzeichnung mit seinem Handzeichen! Anordnung nicht mündlich, sondern per Fax vornehmen und beim nächsten Besuch abzeichnen lassen. ACHTUNG: was nicht dokumentiert wurde, fand nicht statt! 06.01.2011 Rechtsfragen 37 Qualität bei der Umsetzung von FeM Abwägen von Bedürfnissen und Bedarfen unter Beteiligung aller wichtigen Akteure durch interdisziplinäre Beratungen (Fallkonferenzen) Externe: RichterInnen, ÄrztInnen, Bezugspersonen Management, MitarbeiterIn BewohnerIn, BetreuerIn 06.01.2011 Rechtsfragen 38 Alternativen zu FeM • • • • • • • • • • • • • Einsatz von Schutzhosen, Hüftprotektoren, Einsatz von geteilten Bettgittern mit der Möglichkeit, das Bett zu verlassen Einsatz von Bettalarmsystemen, Bettsensoren, Einsatz von absenkbaren Betten Neurologische und psychiatrische Untersuchung; Optimierung der (psycho-) pharmakologischen Therapie Gewährleistung ausreichender Flüssigkeitsversorgung Musiktherapie, Bewegungstherapie Verwendung von Personensuchsystemen Physiotherapie, ggf. gezieltes Muskelkraft- und Balancetraining Sturzprophylaxe, Sturzpräventionsprogramme, die zum Teil von den Krankenkassen im Rahmen von Modellprojekten finanziert werden Maßnahmen zur Qualifikation des Pflegepersonals im Umgang mit problematischem Verhalten von Heimbewohnern 06.01.2011 Rechtsfragen 39 Akteur Betreuer • Entscheidung nach § 1906 Abs. 4 BGB unter Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben: Wunschbefolgungspflicht und Beachtung des Wohls der betreuten Person, § 1901 Abs. 2 und 3 BGB • Organisierung einer qualifizierten ärztlichen Betreuung • Umsetzung von Angeboten zur Minimierung von Sturzfolgen (Schuhwerk, Kleidung, Sehhilfen, Antirutschsocken, Hüftprotektoren, Beseitigung von häuslichen Gefahrenquellen: schlechte Beleuchtung, Bodenbelag, fehlende Handläufe bzw. Rutschmatten im Bad, Stolperfallen) • Beratung durch gerontopsychiatrisch erfahrenen Arzt • Wahrnehmung von Beratungsangeboten der Krankenkasse • Hüftprotektoren (LSG NRW, Urteil vom 31.5.2007 – L 16 (5,2) KR 70/00; BSG B 3 KR 11/07 R: Hüftprotektoren unterliegen der Eigenvorsorge der Versicherten 06.01.2011 Rechtsfragen 40 Akteur Betreuer • § 1901aAbs. 1 BGB sieht die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen vor • Der Betreuer hat dem Willen des betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen • Eine Verfügung, die im eigenverantwortlichen Zustand verfasst wurde, besitzt bindende Wirkung für den Betreuer/Bevollmächtigten. Lässt die Verfügung erkennen, dass der Betroffene die für ihn gefährliche Situation erwog, ist der Wunsch des Betreuten zu respektieren. 06.01.2011 Rechtsfragen 41 Akteur Richter • • • • • Beachten der Verfahrensgarantien des Betreuten im Rahmen des anhängigen Genehmigungsverfahrens nach § 1906 Abs. 4 BGB: Amtsermittlungsgrundsatz (Befragung von Heimmitarbeitern, Dritten und Angehörigen Bestellen eines geeigneten Verfahrenspflegers Bestellen eines geeigneten Sachverständigen Anhörung des Betreuten Ggfs. Aufsicht des Betreuers, §§ 1908i, 1837 BGB 06.01.2011 Rechtsfragen 42 Arzt I Pflichten aus dem Behandlungsvertrag: • Anamnese • Untersuchung • Diagnose • Indikation • Aufklärung • nach erteilter Einwilligung des Patienten oder dessen Vertreter Behandlung 06.01.2011 Rechtsfragen 43 Arzt II • Erfassung des Sturzrisikos des Betreuten bei hausärztlicher Betreuung (u.a. Geh- und Zähltest) • Überprüfung der Medikation, Vermeidung der Verordnung von Benzodiazepinen (Beers – Kriterien) • Beratung über Trainingsprogramme zur Erhöhung von Kraft und Balance • Überprüfung der Sehkraft • Verordnung von Hüftprotektoren (Verringerung von Hüftfrakturen um 40 Prozent) • Erörterung des Patientenwillens mit dem Betreuer/Bevollmächtigten, § 1901b Abs. 1 BGB 06.01.2011 Rechtsfragen 44 Angehörige, Dritte • Gelegenheit zur Äußerung nach §§ 315 Abs. 1, 4; 320 FamFG • Einbringen von Beobachtungen • Kenntnis von Wertentscheidungen des Betreuten 06.01.2011 Rechtsfragen 45 Heim • Bei Heimaufnahme: Frage nach Patientenverfügung; Anregung zur Abfassung einer Patientenverfügung • Kenntnis des MDK – Gutachtens • Beobachten des betreuten Heimbewohners • Redufix • Anregung freiheitsentziehender Maßnahmen beim Betreuungsgericht • Äußerungsrecht nach §§ 315 Abs. 4 Nr. 3; 320 FamFG • Beantragen aufsichtlicher Schritte gegen den Betreuer/Bevollmächtigten nach § 1908i, 1837 Abs. 2 BGB 06.01.2011 Rechtsfragen 46 Heimbewohner • Äußerung und Respektierung seiner verbal oder nonverbal geäußerten Wünsche unter Beachtung der Wohlschranke 06.01.2011 Rechtsfragen 47 Es gibt viel zu tun, also packen wir es an! 06.01.2011 Rechtsfragen 48 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 06.01.2011 Rechtsfragen 49 Kontakte Sybille M. Meier Fachanwältin für Medizinrecht, Fachanwältin für Sozialrecht, Rechtsanwältin Neue Grünstr. 18, 10179 Berlin Tel.: 030 – 263 955 - 0, Fax: 030 – 263 955 - 10 Email: [email protected] Homepage: www.legalskills.de 06.01.2011 Rechtsfragen 50