Motosport Schweiz 24.06.09

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Motosport Schweiz 24.06.09
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Menschen
Ein Mann,
der bewegt
Ruedi Steck Gärtner, Customizer, EventOrganisator. Nach und nach hat Ruedi Steck
seine Talente entdeckt. Jetzt treibt ihn wieder
das Salzsee-Fieber an. Text und Bilder: Daniel Riesen
E
s ist ein bunter Haufen, der als
Team antritt, den weltweit wohl
bekanntesten Salzsee (neben
dem Salar de Uyuni in Bolivien) zu
erobern: Bonneville als Ziel haben eine
72-jährige Schweizer Tuning-Legende,
eine 33-jährige amerikanische Töffhändlerin und schnellste Frau der
Welt, ein 53-jähriger Unternehmer
aus Aadorf holländischer Herkunft,
ein 45-jähriger Schweizer CustombikeBauer, ein amerikanischer HighspeedMotorradkonstrukteur und -pilot sowie
ein 26-jähriger Töffmech, einer der
jüngsten Schweizer Motorradhändler
überhaupt.
Im Klartext: Fritz Egli, Leslie Porterfield, Hans Versfeld, Sam Wheeler, Sven
Traber und Nico Pouchon ziehen an
einem Strick. Ein Mann hat sie zusammengebracht: Ruedi Steck. Ausserdem
ist es dem Zürcher gelungen, eine Reihe
von Sponsoren an Bord zu holen, um
die Kosten der Expedition zu decken.
Steck, Egli, Porterfield, Versfeld und
Traber starten als Piloten bei den diesjährigen Speed Trials in Bonneville
bei Salt Lake City (MSS 12/09). Vor
allem zum Spass, doch alle wollen
sie so nebenbei bestehende Rekorde
pulverisieren.
Menschen ins Boot zu holen, sie zu
überzeugen und dazu zu motivieren,
das Portemonnaie zu öffnen, das
scheint nicht das geringste der Talente
von Ruedi Steck zu sein. So staunte
männiglich über die fette Unterstützung durch den Castrol-Konzern, als
er 2007, inspiriert durch den Kinofilm
«The Worlds fastest Indian» erstmals
Richtung Bonneville aufbrach.
Soll solches keine Eintagsfliege
bleiben, müssen auf Worte Taten folgen. Nicht nur «lafere», auch «liefere».
«Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, ist er sehr zielstrebig», sagt
ein guter Bekannter. «Gut vernetzt,
zuverlässig und angenehm bei Verhandlungen», ein anderer.
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Raus in die Natur
Rückblende: In seiner Jugend zeigte er
viel Zug nach draussen. Raus in den
Wald, Baumhütten bauen, basteln allgemein, aber auch Haustiere umsorgen, das war sein Ding. Und wie so viele
wusste der gross gewachsene Teenager
bei der Berufswahl vor allem, was er
nicht wollte: Im Büro wäre ihm die Decke auf den Kopf gefallen. So machte er
eine Lehre als Landschaftsgärtner und
ruinierte sich den Rücken nachhaltig.
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«Das ist bis heute praktisch mein einziges gesundheitliches Problem», sagt
der 48-Jährige, «Holz aalänge!»
Seine Karriere als Gärtner war aber
von kurzer Dauer, ebenso jene als
Schreiner im Berner Oberland. Interessant dann die Etappe als Chauffeur und Hauswart eines Starkochs.
Zwei Jahre spielte er den Allrounder
in Jacky Schläpfers «Stapferstube»,
lernte viel Prominenz kennen. Später
kehrte er zu Schläpfer zurück, diesmal
als Gutsverwalter. Viel draussen, im
Stall viele Tiere, da war er wieder,
Stecks Hang zum Naturburschen.
Heute hat er ein Fischereipatent.
Was fängt er denn? «Äbe nüüt», unkt
Ehefrau Vanessa. «Ein richtig schöner
Hecht wär schon was», sinniert der
Hobbyangler.
In jungen Jahren ein EnduroReiter, fand Steck irgendwann
Gefallen an schweren V2-Eisen. Und am Schrauben und
Veredeln. Auf dem Bauerngut
machte er sich in seiner Freizeit auch schon an fremdem
Metall zu schaffen, als Helfer
und dann als Mech bei «Bambi»
(wer braucht schon bürgerliche
Namen?) lernte er das Handwerk
richtig, und 1994 war dann Zeit, den
13/2009 Moto sport schweiz www.motosport.ch 25
Steckbrief
Ruedi Steck
Geburtsdatum 24. Mai 1961
Wohnort Brüttisellen
Zivilstand Verheiratet mit Vanessa
Kinder Drei Söhne, Robin (6), Nico
(11) und Marc (13)
Internet www.swissperformance.ch
Geschwister 1 Bruder, 2 Schwestern
Lieblingsgetränk Rotwein
Lieblingsessen Alles, was gut ist
Hobbys Töff fahren, Fischen
gelernter Beruf Landschaftsgärtner
erstes Motorrad Aspes Hopi 125
Aktuelles Motorrad Suzuki Hayabusa
Frühere Firma Burn Out AG
Körpergrösse 186 cm
Gewicht 86 kg
Doppelrolle für Ruedi Steck als Teamchef und als Hayabusa-Piloten.
Seine bisherigen Weltrekorde ist er mit der exotischen Feuling gefahren. Viele
Rekorde sind teuer: Jedes Zertifikat kostet rund 250 Franken.
3 Stecks neuer Cruiser: Hayabusa mit verlängerter Schwinge und vielen optischen
Goodies.
4 Familienvater und Ehemann: Ruedi mit Gattin Vanessa.
1 2 «Ich hätte früher nie geglaubt,
dass ich mal Reiskocher fahre.»
Wandel vom Custom-Bike-Bauer zum Hayabusa-Piloten.
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eigenen Laden, die Burn Out AG, zu
eröffnen.
Wir vermuten, dass seine Mitgliedschaft bei den Hells Angels seiner
Bekanntheit in der Szene und damit
den Geschäften nicht schadete. Steck
selber gibt sich diesbezüglich zurückhaltend, zumal er seit rund zwei Jahren
die Club-Kutte abgelegt hat.
Ebenfalls ungewöhnlich still wird
der sonst so fröhlich Schlitzohrige,
wenn man ihn auf Markus Saegesser
anspricht, Partner für die erste Bonneville-Expedition. Als Freunde jedenfalls
sind sie nicht auseinandergegangen,
das spürt man bei aller Diskretion
Stecks. Saegesser verfolgt inzwischen
sein eigenes Bonneville-Projekt mit
Zieldatum 2010.
«Burn-Out-Ruedi» machte sich
mit verwegenen Customs einen
Namen, besonders aber mit dem
Turbo-­Tuning. «Etwa hundert Aerocharger-Kits habe ich in diesen Jahren
verbaut oder verkauft.» Leistung war
für den V2-Liebhaber also schon lange
ein Thema, da passte die Bezeichnung Swissperformance gut, die er
als Label für ­seine Firma und für die
gleichnamige Tuning-Messe (ab 2001,
seit 2005 in die Swiss-Moto integriert)
wählte.
PalmarÈs
2007 Vier Weltrekorde mit Feuling W3
2008 Zwei Weltrekorde mit Feuling
W3, Bestleistung 273,825 km/h
Sponsoren Polo, Castrol, Suzuki,
Dunlop, 3W, Motacc u. a.
Vom Gärtner zum Schreiner, zum
Chauffeur, zum Schrauber, zum EventOrganisator. Stets zeigte sich Ruedi
Steck wandlungsfähig. 2009 beweist
er dies mit der Maschinenwahl. Statt
Stösselstangenmechanik kommt nun
modernes Vierzylindermaterial zum
Einsatz. Er setzt in Bonneville eine
Suzuki Hayabusa. «Hätte ich früher
nie geglaubt, dass ich mal Reiskocher
fahre», lacht der vierfache Weltrekordhalter.
Schnell ohne Turbo
Die Hayabusa tritt ohne Turbo an, wird
aber sonst ordentlich getunt und für
den eingesetzten Treibstoff optimiert.
Der hohe Ethanolanteil des E85 erlaubt
eine höhere Verdichtung als Benzin.
Ein bisschen Leistung muss schon sein,
der Weltrekord in seiner Klasse liegt bei
332 km/h. Schlägt er ihn, gewinnt er
gleich zwei Mal: als «normaler» Weltrekordler und als Erster in einer neuen
Treibstoffklasse.
Mit den Weltrekordversuchen mit
E85-Treibstoff beweist Ruedi Steck
erneut sein Gespür für Trends. Ohne
den Öko-Touch wäre es wohl kaum
gelungen, das Schweizer Fernsehen
(10vor10) erneut für eine Reportage
aus Bonneville zu gewinnen.
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