Weser-Kurier

Transcrição

Weser-Kurier
DONNERSTAG
17. SEPTEMBER 2009
6 5 . JAHRGANG · NR. 218
EINZELPREIS 1,10 D
€
TAGESZEITUNG FÜR BREMEN UND NIEDERSACHSEN
www.weser-kurier.de
Deutscher Umweltpreis für Bremer Wissenschaftler
Von Jürgen Wendler
Briefkasten gesucht!
Bremen. Der Bremer Professor Bo Barker
Jørgensen erhält den Deutschen Umweltpreis 2009. Bei dem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt vergebenen Preis handelt es sich um die höchstdotierte Umweltauszeichnung Europas. Der Bremer Wissenschaftler teilt sich die mit insgesamt 500 000
Euro dotierte Auszeichnung mit der Ehrenvorsitzenden des Bundes für Umwelt- und
Naturschutz Deutschland (BUND), Angelika Zahrnt, und den Geschäftsführern
zweier Unternehmen, die sich auf dem Gebiet der Energieeinsparung verdient gemacht haben. Der Preis wird am 25. Oktober
von Bundespräsident Horst Köhler in Augsburg überreicht.
Der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Fritz Brickwedde, bezeichnete Jørgensen als einen Wissenschaftler, der sich mit seinen Arbeiten zur Bedeutung von Mikroorganismen für die Stoffkreisläufe im Meer auf dem Gebiet der modernen Umweltforschung verdient gemacht
habe. Internationalität und wissenschaftliche Exzellenz zeichneten den aus Dänemark stammenden Wissenschaftler aus, der
seit 1992 Direktor des Bremer Max-PlanckInstituts für marine Mikrobiologie ist. „In
der Klimadiskussion und der Berechnung
von Klimamodellen spielen die Ergebnisse
der Arbeit dieses intellektuellen Schwergewichtes eine zentrale Rolle“, erklärte Brickwedde.
Bremen. Immer wieder stehen verzweifelt Suchende in der Innenstadt. Wo ist
der nächste Briefkasten? Gerade einmal
16 Postkästen sind im Zentrum verteilt.
Diese zu finden ist eine große Herausforderung. Um einen Brief oder eine Postkarte abschicken zu können, müssen
lange Wege eingeplant
werden. Unsere Volontärin
AnneChristin Klare hat
sich auf die Suche
nach der kürzesten Strecke zum
nächsten Briefkasten gemacht – und
ist auf einigen Umwegen fündig geworden.
Bremen
Seite 9
Das Geheimnis des Alters
Tokio. Was ist das Geheimnis langen Lebens? Diese Frage stellen sich die Menschen seit Jahrtausenden. Japaner scheinen der Antwort einen Schritt näher zu
sein als andere. Hier gibt es die meisten
über Hundertjährigen. Bis 2055 sollen
40,5 Prozent der Japaner über 65 sein.
Vermischtes
Seite 6
Professor Bo Barker Jørgensen an Bord eines Tauchboots im Schwarzen Meer.
Viel Geld fließt in Tümpel
Rehburg-Loccum. Ein fast ausgetrockneter Tümpel in der Nähe des Steinhuder Meeres hat es in sich. Das flache Gewässer ist ein Refugium für seltene Frösche und Kröten. Und deswegen ist es
der Europäischen Union und dem Land
Niedersachsen 1,1 Millionen Euro wert.
Das Geld fließt ins Projekt „Amphikult“.
Niedersachsen
Seite 14
FOTO: JÜRGEN SCHAUER
Mehrwertsteuer:
Neues System nötig
Finanzminister Steinbrück zu Änderungen bereit
Neue CD von Element Of Crime
Bremen. Morgen erscheint das 12. Element Of Crime-Album mit zehn neuen
Songs. Vier Jahre sind seit der Veröffentlichung der vorigen CD vergangen. Am
6. Februar 2010 stellt die Band um den
gebürtigen Bremer Sven Regener ihre
neuen Stücke live im Pier 2 vor.
Kultur
Seite 20
Festival der Sprachen
Bremen. Das internationale Festival der
Sprachen, das heute beginnt, wartet mit
einem bunten Programm aus unterschiedlichen Veranstaltungen, Konferenzen und Workshops auf. Zu den Höhepunkten zählen Schnupperkurse im
Haus der Wissenschaft, bei denen Anfängerwissen vermittelt wird.
Bildung
Seite 28
SPORT AKTUELL
Fußball-Champions League
VfB Stuttgart – Glasgow Rangers
Sport
1:1
Seite 22
LESEN SIE MORGEN
Weltweit jedes fünfte Schiff wurde vom
Bremer Schiffszulieferer RWO ausgestattet. Lesen Sie auf der Schifffahrtsseite,
wie sich die Firma zu einem der wichtigsten Lieferanten von Wasseraufbereitungsanlagen entwickelt hat.
WETTER
Tagsüber
18°
Nachts
8°
Ausführliche Informationen
Regen
0%
Seite 6
INHALT
Familienanzeigen
Fernsehen
Leserforum
Rätsel & Roman
Veranstaltungsanzeigen
Verbraucher
27
25
23
26
24
18
H 7166 • 28189 BREMEN
40038
4 194176 301101
Bremen·Berlin. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hält eine Änderung des Systems der komplizierten und zum Teil als ungerecht empfundenen reduzierten Mehrwertsteuersätze nach der Wahl für nötig.
Eine Überarbeitung darf nach seinen Angaben aber die Staatskassen nicht zusätzlich
belasten. Die Veränderungen müssten „unter dem Strich aufkommensneutral sein:
Wenn es ein Nullsummenspiel gibt, bin ich
dabei“, sagte Steinbrück unserer Zeitung.
Eine Erhöhung des allgemeinen Mehrwertsteuersatzes schloss Steinbrück aus.
Der Minister verwies auf die „Enttäuschungen und Glaubwürdigkeitsverluste“, die
SPD und Union nach der dreiprozentigen Erhöhung 2007 erfahren hätten. Der normale
Mehrwertsteuersatz liegt bei 19 Prozent.
Der ermäßigte Satz von sieben Prozent gilt
für Produkte und Dienstleistungen, die dem
Gemeinwohl dienen. Begünstigt sind etwa
Lebensmittel, Bücher, Zeitungen oder Leistungen im öffentlichen Personennahverkehr. Die seit fast 40 Jahren bestehende
Liste enthält derzeit mehr als 50, teils absurd
erscheinende Ausnahmen.
Eine grundlegende Reform und Vereinfachung des deutschen Steuerrechts hält
Steinbrück dagegen für nahezu unmöglich.
„Jeder Versuch, dieses Gestrüpp zu durchforsten, führt dazu, dass Sie anschließend an
anderer Stelle nachjustieren müssen“, so
der Minister. Man könne das deutsche Steuerrecht nicht „in einem Urknall“ beseitigen,
„ohne dass anschließend alle nach der Wiedereinführung der ihnen nützlichen Begünstigungstatbestände rufen“.
Zudem, so Steinbrück, gebe es kaum zu lösende Widersprüche zwischen einem einfachen und einem gerechten Steuersystem:
„Denn viele dieser Sondertatbestände, die
es im deutschen Steuerrecht gibt, sind dem
Bemühen geschuldet, ein gerechtes Steuersystem zu haben und bestimmte individuelle Lebenslagen – auch Existenzlagen von
Unternehmen – zu berücksichtigen.“
NPD-Hetze gegen
Mesut Özil
Bremen (wk). Erst vor fünf Monaten war
NPD-Funktionär Klaus Beier wegen seiner
rassistischen Ausfälle gegen Patrick Owomoyela zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Gestern nun
sorgte Beier vor laufender Kamera für den
nächsten Eklat. Innerhalb weniger Minuten
beleidigte der brandenburgische NPD-Spitzenkandidat Werders Nationalspieler Mesut Özil in einer RBB-Sondersendung zur
Landtagswahl, indem er ihn als „AusweisDeutschen“ bezeichnete. Auf die Frage, ob
Özil in der deutschen Nationalmannschaft
spielen dürfe, wenn die NPD an der Macht
wäre, sagte Beier: „Wenn die Eltern, ein Elternteil deutsch ist, dann könnte er spielen.“
Mesut Özil ist türkischer Herkunft und in
Deutschland aufgewachsen. Er hat Ende
2007 seinen türkischen Pass abgegeben und
bereits in der deutschen U21-Elf gespielt.
Für Unmut in der SPD-Spitze hat die von
Steinbrück angefachte Debatte über eine
Fortsetzung der Großen Koalition gesorgt.
Der Finanzminister hatte erklärt, für ihn
wäre ein neues Bündnis von Union und SPD
„kein Unglück“. Die Risiken für die SPD in
der Opposition seien viel größer. Nach Irritationen in der SPD relativierte Steinbrück
seine Aussagen und versicherte: „Wir suchen nicht die Große Koalition, schließen sie
aber nicht aus.“ SPD-Parteichef Franz Müntefering warb erneut für eine Ampel-Koalition. „In Sachen Bildungs-, Außen- und Innenpolitik, Menschenrechte und Datenschutz, kleine und mittlere Unternehmen
könnten wir mit der FDP einiges bewegen“,
sagte er. Auch SPD-Kanzlerkandidat FrankWalter Steinmeier wünscht sich die Ampel,
selbst wenn FDP-Chef Guido Westerwelle
unverändert ein Bündnis mit der Union bevorzuge. Westerwelle übersehe, dass es
keine Mehrheit für Schwarz-Gelb geben
werde, sagte Steinmeier. Zwar sehe er auch
Gemeinsamkeiten zwischen SPD und Linkspartei, eine Diskussion über ein Zusammengehen beider Parteien stelle sich aber auf absehbare Zeit nicht.
Unterdessen hat das TV-Duell zwischen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und
SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier beiden
Parteien laut einer Umfrage Auftrieb gegeben. In der gestern veröffentlichten wöchentlichen Forsa-Umfrage im Auftrag des
Fernsehsenders RTL und des Magazins
„Stern“ legte die Union im Vergleich zur
Vorwoche um zwei Punkte auf 37 Prozent
zu. Die SPD verbesserte sich um drei Punkte
auf 24 Prozent. Die Mehrheitsverhältnisse
bleiben aber weiterhin unsicher. Weitere Rededuelle der zwei wird es aber nicht mehr
geben. Nach Merkel hat auch Steinmeier
die Teilnahme an Fernsehdebatten vor der
Bundestagswahl abgesagt.
Bericht
Thema
Seite 2
Seite 3
Bericht
Seite 28
Bremens Abgeordnete
wollen höhere Diäten
2550 Euro monatlich zum Juli 2009 / Reform mit Einkommensindex?
Bremen. Während die Abgeordneten ihre
Bezüge rückwirkend zum 1. Juli 2009 um 40
Euro auf 2550 Euro (steuerpflichtiges Monatseinkommen) erhöhen wollen, gibt es
Überlegungen zu einer Diäten-Reform. Danach würden nicht mehr die Abgeordneten
über ihre Bezüge beschließen; vielmehr sollen sich die Parlamentarier automatisch an
der allgemeinen Einkommensentwicklung
des Jahres orientieren.
Diese Neuregelung würde bedeuten,
dass etwa das Statistische Landesamt aus
der allgemeinen Einkommensentwicklung
einen Index ermittelt, der die durchschnittliche Veränderung spiegelt. Ein Plus von
zwei Prozent hätte somit eine Erhöhung der
Abgeordnetenbezüge um zwei Prozent zur
Folge.
Mit dieser Reform wäre die Arbeit der Diätenkommission überflüssig. Das Gremium,
in dem unter anderem der Bremer Rechnungshof vertreten ist, überreicht jedes Jahr
einen Diätenvorschlag an den Bürgerschaftsvorstand. Der aktuelle Ratschlag:
Vertretbar wäre eine Anhebung von 1,6 Prozent – ein Plus von 40 Euro, von 2510 auf
2550 Euro. Hinzu kommt aber unter anderem auch noch eine steuerfreie Pauschale in
Höhe von 430 Euro.
Angelehnt an die allgemeine Einkommensentwicklung wäre rechnerisch ein Plus
von 2,9 Prozent für die Parlamentarier möglich. Damit aber, so gibt die Diätenkommission zu bedenken, würde Bremen bundesweit beim Vergleich der Gehaltssteigerungen für Abgeordnete an die vierte Stelle
schnellen. Dies wäre jedoch „ein falsches
Signal eines Haushaltsnotlagenlandes“.
Auch um die verhängte Haushaltssperre
„nicht zu konterkarieren“, so die Kommission, sei eine haushaltsneutrale Gegenfinanzierung zu empfehlen. Laut Parlamentsverwaltung sind die Zusatzkosten für eine Diätenerhöhung bereits rechtzeitig in der Haushaltsplanung berücksichtigt worden.
Kommentar
Bericht
Seite 2
Seite 7
Flughafen sucht Sparpotentiale
Bremer Airport rechnet 2009 mit „schwarzer Null“
Von Krischan Förster
Dank eines drastischen Sparprogramms
sei es gelungen, das drohende Minus in der
Bilanz zu verhindern. Die Beteiligung an geplanten Großveranstaltungen wie der „Skater Night“ wurde gestrichen. Investitionen
in die Flughafen-Infrastruktur und in den
Fuhrpark von 3,5 Millionen Euro seien aufs
kommende Jahr verschoben worden. Derzeit werde nach weiteren Möglichkeiten gesucht, die Kosten zu senken und die Erlöse
zu steigern. So sollen sämtliche Lieferantenverträge nachverhandelt sowie eine Büroetage geräumt und vermietet werden. Zusätzliche Flugverbindungen etwa nach Berlin, Kopenhagen, nach Kroatien oder Bulgarien sollen Bremen attraktiver machen.
Bremen. Der Rückgang bei Passagierzahlen
und Frachtaufkommen hat wie auch die Turbulenzen in der weltweiten Luftfahrtbranche den Bremer Flughafen nicht verschont,
doch kommt er bislang vergleichsweise
glimpflich durch die Krise: Im ersten Halbjahr 2009 liegt das Minus bei lediglich 2,8
Prozent – gegenüber meist zweistelligen Einbußen auf fast allen anderen deutschen
Flughäfen. Der neue Airport-Chef Jürgen
Bula geht davon aus, auch den Wirtschaftsplan für das gesamte Jahr 2009 erfüllen zu
können. „Wir schaffen die schwarze Null“,
sagte er unserer Zeitung wenige Tage vor
der Präsentation der Halbjahres-Ergebnisse
Wirtschaft
im Aufsichtsrat.
Seite 15
Die IAA kommt – Flavio Briatore geht
Frankfurt/Main. Die gebeutelte Autoindustrie hofft auf ein Ende der Krise: Die Branche schwankt auf der heute beginnenden Internationalen Automobil-Ausstellung IAA
in Frankfurt zwischen Zukunftshoffnung
und Alltagsfrust. Praktisch alle Hersteller
kündigten Elektrofahrzeuge an, die über
die harte Realität der dramatischen Krise
hinweghelfen sollen. Jedoch bleiben viele
Fragezeichen: Frühestens 2010 werden die
ersten Elektroautos in Serie gehen. Die Bundesregierung will ihnen mit staatlicher Unterstützung zum Durchbruch verhelfen. Der
Kauf solcher Fahrzeuge solle in der ersten
Phase der Markteinführung 2012 bis 2014
mit 3000 bis 5000 Euro pro Wagen gefördert
werden, sagte Staatssekretär Matthias
Machnig gestern. Dazu kämen eine direkte
Umweltprämie beim Kauf oder steuerliche
Vorteile infrage.
Die Formel 1 dagegen kommt erst gar
nicht aus der Krise raus. Als Reaktion auf
den „Singapur-Skandal“ haben Teamchef
Flavio Briatore und sein Chefingenieur Pat
Symonds den Rennstall Renault gestern verlassen. Dieser Schritt ist – zumindest indirekt – als Schuldeingeständnis in der Affäre
um den Unfall beim Großen Preis von Singa-
pur 2008 zu werten. Der ehemalige RenaultFahrer Nelson Piquet Jr. wirft Briatore und
Symonds vor, ihn zu einem absichtlichen Unfall aufgefordert zu haben.
Berichte
Seite 15 und 22
Die Studie eines Citroen „revolt“
auf der Internationalen AutomobilAusstellung (IAA) in Frankfurt am
Main. Vor dem Hintergrund der
schwersten Branchenkrise zeigen
Hersteller aus der ganzen Welt während der Messe vom 17. bis zum
27. September 2009 ihre neuesten
FOTO: DPA
Modelle.