Wie Oma Obama ins Paradies kam

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Wie Oma Obama ins Paradies kam
Wie Oma Obama ins Paradies kam
Nach acht Jahren republikanischer
Rollen brachte, was später einmal als «Die
Albträume – da ist er wieder: «The
Truthahn-Offenbarung» die Benchmark des
American Dream». Amerika wählt den
investigativen Journalismus schlechthin
ersten kolorierten Präsidenten und hat
werden sollte.
einen neuen Messias: «Black is
«Ich hätte da vielleicht etwas», flüsterte
Beautiful!» Wie die Fernsehbilder
zaghaft das Fräulein Filipendula, seines
eindringlich zeigten, war die US-
Zeichens aufstrebende Journalistikstudentin
Wählerschaft ob ihrer epochalen
und Praktikantin beim Nebelspalter, legte
Entscheidung selbst so ergriffen, dass
vorsichtig ein miniaturisiertes Diktiergerät
ihr schlicht die Worte fehlten.
vor sich auf den Tisch und drückte auf einen
Stattdessen liess man seinen Tränen
Knopf:
freien Lauf, und auch in Europa
«Beinharte Recherche, gnadenlose
herrschte eitel Freude. Der Moskauer
Aufdeckung von Missständen, klare Kante.
Kreml, der schon immer eine ganz
Wir müssen das bringen, was noch keiner
spezielle Art von Humor sein eigen
gebracht hat: den Mega-Hype des Jahres!»
nannte, stellte zur Feier des Tages flugs
«Donnerschlag!», entfuhr es Ratschiller,
zu Stalinorgeln gebündelte Raketen in
«klasse, schreibt das Ding schon für uns?»
Richtung Westen auf, um zu gegebener
Fräulein Filipendula liess sich nichts
Zeit ein zünftiges Höhenfeuerwerk zu
anmerken, sondern steuerte zielstrebig auf
Ehren von Mr. President abbrennen zu
das zu, was ihr besonders am Herzen lag.
können.
«Ich habe hier auf diesem Gerät etwas
Nur zu gern würden wir vom Nebelspalter in
aufgezeichnet, was unsere progressive
diese zu Herzen gehenden Dankeshymnen
Leserschaft interessieren dürfte; eine Art
einstimmen, wäre da nicht…
Backstage-Wahlkampf.» – «Los,
Aber fangen wir besser ganz von vorn an:
abspielen!», in Ratschiller erwachte der
«Beinharte Recherche, gnadenlose
journalistische Killerinstinkt.
Aufdeckung von Missständen, klare Kante.
«Leider», begann Filipendula, «ist die
Wir müssen das bringen, was noch keiner
Tonqualität mässig bis saumässig, was an
gebracht hat: den Mega-Hype des Jahres!»
den ungewöhnlichen
Mit diesen Worten hatte Chief Editor
Aufnahmebedingungen lag. Ich habe
Ratschiller diejenige Redaktionssitzung im
deshalb eine Abschrift gemacht.»
November 2008 eröffnet, die etwas ins
Sprach’s und verteilte einige Blätter.
«Könnte das jemand vorlesen», äusserte
Scarface: Die sizilianischen Stimmen hab’
sich zaudernd Redaktionsadjudant Bölkow
ich zu 100% im Sack, da brennt uns nix
Fürst v. Lüchow-Dannenberg, «ich musste
mehr an.
gestern Abend im Wirtshaus meine Brille als
Dutch: Lower East Side, Bronx, Harlem,
Pfand hinterlegen, weil mir das Kleingeld
alles voll unter Kontrolle.
ausgegangen war.»
Baracke: Wo können wir noch was
Man überhörte diese Blamage
drauflegen?
geflissentlich, und Filipendula begann:
Rahm-Deckel: Bei weissen Mittelstands-
«Dies ist die Abschrift eines Undercover-
Tussis, schätz ich mal.
Meetings, das am 31. September 2008, 8
Baracke: Wie kommen wir an die ran?
pm EST, im Gebäude Wassertor,
Machine-gun: Umnieten, Mann!
Washington D.C., stattgefunden hat und für
Rahm-Deckel: Vollidiot, die sollen Zettel in
dessen Authentizität ich jeden gewünschten
die Urne legen, nicht sich selbst.
honorarpflichtigen Eid ablegen könnte.
Baracke: Wie kommen wir an die ran?
Die Teilnehmer dieses Gesprächs waren:
Rahm-Deckel: Die Mitleidswelle zieht
Baracken-Oklahoma, Stabschef in spe
immer.
Rahm-Deckel, Gamasche Colombo,
Machine-gun: Sag’ ich doch: umnieten!
Machine-gun Kelly, Scarface Corleone und
Rahm-Deckel: Du hast ja echt ’ne
Dutch Schultz. Das Thema war: Black
Vollklatsche, Mann. Baracke, Deine Oma,
Power to the White House.
die ist doch schon ziemlich alt, oder?
Eröffnet wurde das Gespräch von Rahm-
Baracke: Hmmm.
Deckel, der äusserte: Es sieht gar nicht so
Gamasche: Ewig will ja eigentlich keiner
schlecht aus, Mann.
von uns leben, und diese
Gamasche: Hat schon mal schlechter
Altersbeschwerden, sag’ ich mal, echt
ausgesehen, Mann.
lästig, wenn einem ständig das Gebiss aus
Machine-gun: Wen soll ich noch umnieten,
der Schnauze fällt, Inkontinenz und so.
Mann?
Oberpeinlich das alles, da ist das Ende oft
Scarface, Dutch, Gamasche: Alle, Mann!
die reinste Erlösung.
Baracke: Die Alemannen gibt’s doch gar
Baracke: Hmmm.
nicht mehr, die sind von selbst
Scarface: In Sizilien gibt’s die besten
ausgestorben.
Mandeln der Welt. Mag Deine Oma so was?
Machine-gun: Scheisse!
Baracke: Yes, sir.
Rahm-Deckel: Wo stehen wir?
Dutch: Selbst bei strengsten
Qualitätskontrollen ist nicht
Rahm-Deckel: Die Pressemitteilung ist
auszuschliessen, dass 1% der verwendeten
übrigens schon fertig. Überschrift: ‹Barack
Mandeln bitter sind, hab’ ich mal gelesen.
Obama am Tod seiner geliebten
Gamasche: Kann ich subito liefern das eine
Grossmama nahezu zerbrochen.› Macht
Prozent; kenne da ’n Crack-Labor in der
unter Brüdern +10%. Okay, see you in the
Bowery, die haben auf Nachfrage auch
White House, man!»
Zyankali im Sortiment. Zum Abschluss
Betroffenheit machte sich breit in der
umständlicher Erbschaftsangelegenheiten.
Redaktionskanzlei, als Filipendula zu lesen
Barack: Oma, es ist doch alles nur für
aufgehört hatte, bis Ratschiller die Stille
unsere gerechte Sache, das verstehst Du
brach und sie fragte: «Wie haste das denn
doch, oder? Als Sklaven haben sie uns
rausgekriegt, Mann?» – «Das war so
gehalten, entrechtet, erniedrigt, entwürdigt
einfach wie unbequem, hab mich als
und gedemütigt haben sie uns – ich will
Thanksgiving Turkey verkleidet und auf den
endlich aus Onkel Toms Hütte raus und ins
Tisch gelegt. Das Schwierigste war
Weisse Haus umziehen, Oma! Nun iss doch
eigentlich nur, dem Tranchierbesteck
noch eine von diesen leckeren Mandeln,
rechtzeitig auszuweichen.»
Oma.
© Jan Peters