Pressemitteilung als pdf - Museum in der "Runden Ecke"

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Pressemitteilung als pdf - Museum in der "Runden Ecke"
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PRESSEMITTEILUNG
Leipzig, den 18.04.2011
Unser Zeichen:pm_312gedenktafel.doc
Einweihung einer Gedenktafel zur Befreiung Leipzigs von der NS-Diktatur
durch die US-Armee am 18. April 1945 an der "Runden Ecke"
Leipzig wurde am 18. April 1945 durch die US-Armee von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft
befreit
Am Abend des 18. April 1945 erreichten amerikanische Truppen der 2. und der 69. Infanteriedivision Leipzig und befreiten die Stadt
kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft. Die Amerikaner bezogen in der „Runden
Ecke“ am Innenstadtring Quartier und richteten hier die Alliierte Militärregierung sowie das Hauptquartier des VII. US-Armee-Korps
ein.
Am 19. April 1945 veröffentlichte die Alliierte amerikanische Militärregierung von Leipzig die Proklamation Nr. 1 des alliierten
Oberbefehlshabers und späteren US-Präsidenten, Dwight D. Eisenhower, mit der unter anderem die Nürnberger Rassegesetze außer
Kraft gesetzt wurden. In der Proklamation Nr. 1 hieß es „Wir kommen als siegreiches Heer, jedoch nicht als Unterdrücker. In dem
deutschen Gebiet, das von Streitkräften unter meinem Oberbefehl besetzt ist, werden wir den Nationalsozialismus und den deutschen
Militarismus vernichten, die Herrschaft der NSDAP beseitigen, die NSDAP auflösen sowie die grausamen und ungerechten Rechtsätze
und Einrichtungen, die von der NSDAP geschaffen worden sind, aufheben. Den deutschen Militarismus, der so oft den Frieden der
Welt gestört hat, werden wir endgültig beseitigen.“
Die Amerikaner begannen in Leipzig sofort mit dem Neuaufbau demokratischer Strukturen. Am 23. April 1945 setzten sie den
Leipziger Rechtsanwalt Wilhelm Johannes Vierling als neuen Oberbürgermeister sowie den bis 1933 amtierenden Polizeipräsidenten
Heinrich Fleißner wieder in sein Amt ein.
Am 2. Juli 1945 wurde Leipzig Teil der Sowjetischen Besatzungszone. Damit begann der Aufbau einer
neuen Diktatur
Der demokratische Neuanfang, der ab dem 19. April 1945 in Leipzig durch die amerikanische Besatzungsmacht ermöglicht wurde,
fand jedoch nach wenigen Wochen mit der Übergabe Leipzigs an die Rote Armee am 2. Juli 1945 ein jähes Ende. Nun begann die
Einführung einer kommunistischen Diktatur.
Vor diesem Hintergrund wurden auch die ersten Wochen eines demokratischen Neuanfangs in der SBZ und DDR systematisch
verschwiegen, verdrängt und diffamiert. So stand zum Thema „8. Mai – Tag der Befreiung vom Faschismus“ in den bis 1989 für
Lehrkräfte geltenden „Unterrichtshilfen“ für das Fach Heimatkunde Klasse 3: „Örtliche Beispiele für die Befreiung durch die
Sowjetarmee sind nur östlich der Elbe möglich. Für die Schulen westlich der Elbe ist bei der Einbeziehung örtlichen Materials
herauszuarbeiten, daß die direkte militärische Befreiung durch Armeen anderer Länder erfolgte. Die tatsächliche Befreiung fand erst
durch den Einzug der Sowjetarmee statt. […] Beispiele für die Behinderung der Antifaschisten durch die Befehlshabe der anderen
Armeen sind zu nennen.“
20 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur beschließt die Leipziger Ratsversammlung ein ehrendes
Erinnern an die Befreiung Leipzigs durch die US-Armee
Die Leipziger Ratsversammlung hat am 15. September 2010 folgenden Beschluss gefasst: „An die Befreiung Leipzigs durch die
amerikanischen Truppen soll mit einer angemessener Gedenktafel erinnert werden.“ Dem vorausgegangen war die Initiative von
Gernot Borris (Historiker), Uwe Mietz (Präsident des Freundeskreises Leipzig-Housten) und Rainer Müller (Vorsitzender des Lindenauer
Stadtteilvereins und DDR-Bürgerrechtler), die bereits für den 18. April 2010 an die "Runde Ecke" eingeladen hatten, um in
Anwesenheit der US-Generalkonsulin Katherine Brucker an "die Befreiung Leipzigs und die Chance der demokratischen Entwicklung
1945" zu erinnern. In diesem Zusammenhang entwickelte sich die Idee mit einer Gedenktafel an diesem Ort dauerhaft zu erinnern.
Das Bürgerkomitee Leipzig e.V. begrüßt ausdrücklich die öffentliche Würdigung der Befreiung Leipzigs von der nationalsozialistischen
Terrorherrschaft durch die US-Armee. Auch die Entscheidung für die "Runde Ecke" als Ort für die Gedenktafel findet volle und
nachhaltige Unterstützung.
Am Vormittag des 18. April 2011 wurde die von Harald Alff gestaltete Gedenktafel durch Oberbürgermeister Burkhard Jung und USGeneralkonsulin Katherine Brucker an der „Runden Ecke“ offiziell eingeweiht. Der in deutsch und englisch zu lesende Text lautet: „Zu
Ehren der Truppen der 2. und 69. Infanteriedivision der US-Armee, die Leipzig am 18. April 1945 von der nationalsozialistischen
Diktatur befreiten. In diesem Gebäude befand sich bis Ende Juni 1945 die Militärregierung und das Hauptquartier des VII. US-ArmeeKorps.“
In seiner Rede begrüßte Oberbürgermeister Burkhard Jung ausdrücklich den Stadtratsbeschluss. Mit der Einweihung der Gedenktafel
werde nun endlich dem Tatbestand der Befreiung Leipzigs und dem sofortigen Aufbau demokratischer Strukturen Rechnung
getragen, der in den letzten Jahrzehnten ignoriert wurde. Jung bedauerte, dass mit dem Einzug der Roten Armee Anfang Juli 1945 die
Hoffnungen auf den Aufbau einer Demokratie im Keim erstickt wurden. Gerade das Gebäude der „Runden Ecke“, in dem die Stasi
über Jahrzehnte ihren Sitz hatte, symbolisiere die Zerrissenheit dieser Zeit in besonderem Maße. Es sei fast ein Hohn, dass der
sowjetische Repressionsapparat und später die Staatssicherheit im gleichen Gebäude Quartier bezogen, wie kurz zuvor die Befreier,
so Jung.
Generalkonsulin Katherine Brucker erfüllte es mit Stolz für ihre Landsleute sprechen zu dürfen, die vor 66 Jahren Leipzig von der
nationalsozialistischen Herrschaft befreiten. Die Schnelligkeit und der große Sinn für das Praktische, mit der die Amerikaner innerhalb
weniger Wochen mit dem Aufbau demokratischer Strukturen begannen, sei Ausdruck für deren Optimismus. Die USA haben
Deutschland zudem nie als bezwungenen Feind betrachtet, sondern immer auch als Partner. So habe man Westdeutschland beim
Aufbau der Demokratie unterstützt und sei auch den Menschen in Ostdeutschland verbunden geblieben.
Im Anschluss an die Enthüllung lud die Stadt Leipzig die etwa 70 anwesenden Gäste zu einem kleinen Empfang im Museum in der
„Runden Ecke“ ein. In den Räumen der Gedenkstätte konnte außerdem die Ausstellung „3 Tage im April“, konzipiert von der
Fachstelle für Extremismus und Gewaltprävention der Stadt Leipzig, besichtigt werden, in der die Befreiung Leipzigs und des KZAußenlagers Abtnaundorf durch die Amerikaner eindrücklich dargestellt ist.
Tafeltext verschweigt wichtige Aspekte der Leipziger Stadtgeschichte und muss dringend ergänzt
werden
Der jetzt auf der Tafel stehende Text sagt weder deutlich, dass unter der amerikanischen Besatzung in Leipzig ein demokratischer
Neuanfang begann, noch, dass mit der Übergabe der Stadt an die sowjetische Besatzungsmacht erneut eine Diktatur aufgebaut
wurde. Die jetzige Formulierung des Tafeltextes hat leider Argumentations- und Vermittlungsmuster aus DDR-Zeiten aufgenommen.
Die diesbezüglich vom Bürgerkomitee Leipzig e.V. immer wieder intern vorgebrachte Kritik wurde nicht gehört.
Das Bürgerkomitee geht nach wie vor davon aus, dass gerade an diesem Haus, in dem seit 1952 die Leipziger Bezirksverwaltung für
Staatssicherheit ihren Dienstsitz hatte, auch die Bedeutung des Besatzungswechsels im Juli 1945 im Text der Gedenktafel deutlich
angesprochen werden muss. In der Begründung zum Antrag im Leipziger Stadtrat ist ausdrücklich die Rede von "den amerikanischen
Befreiern, die das Tor zu einem demokratischen Neuanfang öffneten". Mit der Übernahme der Stadt durch die Rote Armee wurde
dieses Tor für weitere fast 45 Jahre wieder geschlossen. Ebenfalls ungenau ist das Datum "Ende Juni". Nach aktuellem Kenntnisstand
wurde der Besatzungswechsel am 1. bzw. 2. Juli 1945 vollzogen. Dies sollte auch so geschrieben werden.
Spätestens zum 2. Juli 2011, dem Jahrestag des Besatzungswechsels muss dieses für die jüngste Geschichte der Stadt Leipzig derart
bedeutsame Ereignis auch öffentlich Erwähnung finden. Es gibt in Leipzig zwar eine Kommandant-Trufanow-Straße, an die Befreiung
von den Nazis durch die Amerikaner aber erinnert bis heute keine einzige Straße.
So ist die heute der Öffentlichkeit übergebene Tafel ein wichtiger Schritt, dem allerdings nun umgehend weitere folgen müssen.

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