STADT PFORZHEIM

Transcrição

STADT PFORZHEIM
STADT
PFORZHEIM
Hauptamt
Pressereferent
Tel: 07231 39-1425
Fax: 07231 39-2303
E-mail: presse@
stadt-pforzheim.de
23.02.2005 / Ausführungen von Christel Augenstein, Oberbürgermeisterin der
Stadt Pforzheim, anlässlich der Gedenkfeier 23.02.2005, 16 Uhr, auf dem Hauptfriedhof
Liebe Pforzheimer und Pforzheimerinnen,
verehrte Anwesende,
liebe Freunde aus Gernika, St. Maur, Osijek und Coventry,
Den größten Schicksalsschlag seiner Geschichte erlebte Pforzheim am Ende des Zweiten Weltkrieges, als am 23. Februar 1945 bei einem 22 Minuten dauernden Luftangriff
der Stadtkern völlig zerstört wurde und mehr als 17.000 Menschen den Tod fanden.
Es starben Erwachsene wie Kinder, Nationalsozialisten ebenso wie Widerständige und
Gleichgültige, Fremdarbeiter genauso wie deren Aufseher.
Die meisten von ihnen erstickten, andere verbrannten, wurden verschüttet oder ertranken in Enz und Nagold beim Versuch sich vor dem Verbrennungstod zu retten.
Die Anzahl der Menschen, die dieses Inferno erlebten und überlebten wird von Jahr zu
Jahr kleiner.
Umso wichtiger ist es, die Erinnerung wach zu halten und die Geschichte unserer Stadt
um dieses schreckliche Ereignis an die jüngere Generation weiterzugeben.
Um so drängender war es, ein sichtbares Zeichen zu setzen.
Mit den Erinnerungsstelen auf dem Wallberg wird unsere Stadtgeschichte um den 23.
Februar 1945 weit sichtbar im öffentlichen Raum dokumentiert.
Nachdem inzwischen die städtebaulichen Wunden aus dieser Zeit weitestgehend geheilt sind, wird die Vorstellung der damaligen Geschehnisse und deren Folgen immer
ungenauer, immer verschwommener.
Die Zerstörung Pforzheims darf jedoch nicht isoliert betrachtet werden sondern muss
in den Kontext gestellt werden.
Vorausgegangen war ein Regime in Deutschland, das das Gebot der Nächstenliebe
missachtet hat, das andere Menschen erniedrigte, entwürdigte, ausgrenzte und umbrachte.
Das einen Angriffskrieg gegen nahezu ganz Europa angestiftet hat.
Dass dieses Regime so totalitär jeden Lebensbereich durchdringen konnte, erscheint uns
heute unbegreiflich.
Und dennoch oder gerade deshalb heißt es wachsam zu sein.
Auch heute sind wir nicht gefeit vor Fanatikern, Demagogen und Biedermännern mit
ihren oft so einleuchtenden und simplen Thesen für die Erklärung komplizierter gesellschaftlicher Zusammenhänge in einer näher zusammengerückten Welt.
Wir lassen nicht zu, dass unser Gedenken an die Opfer des 23. Februar von irregeleiteten Kräften mit ihren Menschen verachtenden Zielen missbraucht wird.
Wir geben gewaltbereiten, radikalen Ideologien, die dem klaren Bekenntnis zu Frieden,
Gewaltverzicht, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus, Toleranz und Völkerverständigung zuwiderlaufen, keine Chance.
Die Gestaltung unserer Zukunft mit dem Wissen um die Vergangenheit schützt uns vor
jeglichem Extremismus.
Wir befinden uns heute in einem politisch zusammengewachsenen Europa.
Einem Staatenbund in dessen Kern wir seit 60 Jahren in Frieden leben dürfen.
Aus den einstigen Gegnern wurden Interessensgemeinschaften, Partner und Freunde.
Dass dies so ist, beweist die Gästezahl aus unseren Partnerstädten und den Städten, mit
denen wir durch Freundschaftsverträge verbunden sind und erstmals auch die Anwesenheit des Britischen Botschafters und des Generalkonsuls.
„Frieden kannst du nur haben, wenn du ihn gibst!“
Die Worte der Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach zeigen, dass Frieden ein
Bemühen voraussetzt und die Gewissheit, dass man nur dann etwas erhält, wenn man
bereit ist, etwas dafür zu geben.
Die Stadt Pforzheim, die evangelische und katholische Kirche und viele gesellschaftliche Gruppen unserer Stadt haben den heutigen Tag vorbereitet, haben etwas gegeben
und an das Gewesene erinnert, um für den Frieden einzutreten.
Es ist heute unsere Aufgabe nicht Trauer mit Jammer gleichzusetzen, sondern eine aktive vorwärtsgerichtete Friedensarbeit aufzubauen.
Ein Beispiel dafür ist der ehemalige emeritierte Propst der durch deutsche Bomben zerstörten Kathedrale von Coventry Dr. John Petty, der heute zum zweiten Mal bei uns
ist. Dafür sind wir sehr dankbar.
Ebenso gehört Pater Riblet-Buchmann, der als junger Mensch aus seiner französischen
Heimat zur Fremdarbeit nach Pforzheim verschleppt wurde, zu den Menschen, die Friedensarbeit leisten.
Ich bin froh, dass er heute unter uns ist.
Und es ist für uns eine große Ehre und von ganz besonderer Symbolkraft, gemeinsam
mit dem britischen Botschafter, Sir Peter Torry, jenen Menschen zu gedenken, die an
diesem 23. Februar 1945 ihr Leben lassen mussten.
Unser Gedenken gilt aber auch all denjenigen, die an jedem Tag, in jeder Nacht zu Opfern dieses grauenvollen Vernichtungskrieges wurden.
Ihre Anwesenheit, Sir Peter, zeigt wie wichtig es heute ist, mit dem Wissen über die
Geschichte eine Verbundenheit, gegenseitige Achtung und Herzlichkeit zwischen Menschen und Völkern zu pflegen.
„Frieden kannst du nur haben, wenn du ihn gibst!“
Ich wünsche mir, dass unser Beispiel in unserer leider nicht befriedeten Welt Schule
macht, dass ehemalige Kriegsgegner, Verfolgte und Gedemütigte als respektierte Partner und Freunde gemeinsam Frieden geben und Frieden annehmen.
Es gilt das gesprochene Wort!