Auszug aus dem Ausstellungskatalog „Merowingerzeit – Europa

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Auszug aus dem Ausstellungskatalog „Merowingerzeit – Europa
Auszug aus dem Ausstellungskatalog
„Merowingerzeit – Europa ohne Grenzen.
Archäologie und Geschichte des 5. bis 8. Jahrhunderts“
(S. 20−
−23)
Vorwort der vier Museumsdirektoren
-2-
Die Ausstellung mit dem mehrdeutigen Titel „Merowingerzeit – Europa ohne Grenzen“ ist ein
Novum in der Zusammenarbeit russischer und deutscher Museen. Gezeigt und erläutert
werden Objekte aus einer frühgeschichtlichen Epoche, die im Zusammenhang mit den Ereignissen und den Folgen des Zweiten Weltkrieges ein besonderes Schicksal erfahren
haben und heute auf vier Museen verteilt sind. Da dem Gesamtkomplexes zugehörig, der
unter dem Begriff „kriegsbedingt verlagert“ die Gemüter in Deutschland und Russland bewegt, bedarf ihre Behandlung einer besonderen Sensibilität.
Seit Mitte der 90er Jahre entwickelten sich die Kontakte des Berliner Museums für Vor- und
Frühgeschichte mit dem Staatlichen Puschkin Museum der Schönen Künste in Moskau und
der Staatlichen Eremitage in Sankt Petersburg, die später noch durch die zum Staatlichen
Historischen Museum in Moskau in erfreulicher Weise ergänzt wurden.
1996 eröffnete das Puschkin Museum mit kriegsbedingt verlagerten Beständen aus dem
Museum für Vor- und Frühgeschichte die Ausstellung „Schliemanns Trojanische Schätze“
und 1998 beteiligte sich das Berliner Museum mit Leihgaben an der von der Eremitage in
Sankt Petersburg veranstalteten Ausstellung „Schliemann, Petersburg, Troja“.
Aus der allseitig gewinnbringenden und vertrauensvollen Zusammenarbeit entstand die Idee,
weitere gemeinsame Ausstellungen mit Objekten aus dem sogenannten „Depot der westeuropäischen Sammlung“ der Eremitage, die bis 1945 zum Berliner Bestand gehörten, und
entsprechenden Funden aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin in Sankt Petersburg zu veranstalten. Thema der Ausstellung sollten die
„Merowinger“ sein. Es wurde gewählt, weil die Revision der völkerwanderungs- und merowingerzeitlichen Funde im Museum für Vor- und Frühgeschichte nach der deutschen
Wiedervereinigung weitgehend abgeschlossen und vieles von dem, was nach den Inventarbüchern dort fehlt, in der Eremitage vorhanden ist. Ziel des gemeinsamen Projekts war die
temporäre Zusammenführung der Fundkomplexe aus beiden Museen und die Herausgabe
eines Kataloges nach dem Muster der St. Petersburger Schliemannausstellung.
An diesem Vorhaben beteiligten sich schließlich auch das Puschkin Museum und das Historische Museum in Moskau, in denen die zahlenmäßig und qualitativ bedeutendsten Bestände
der Völkerwanderungs- und Merowingerzeit aus der Berliner Vorkriegssammlung verwahrt
werden. Mit Bezug auf die Funde aus allen vier Museen konnte schließlich ein Konzept entwickelt werden, das eine kulturhistorische Darstellung der archäologischen Verhältnisse von
Merowingerzeit – Europa ohne Grenzen
Vorwort der vier Museumsdirektoren, Ausstellungskatalog S. 20-23
-3Westeuropa bis zum Ural und von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer zwischen dem 5.
und 8. Jahrhundert zum Inhalt hat. Dabei war von Anfang an klar, dass dieses weit gespannte Thema nur unter Einbeziehung von zeitgleichen archäologischen Funden aus Russland
sinnvoll zu bewältigen ist. Es bot sich so die erstmalige Chance. mit jetzigen und ehemaligen
Beständen des Museums für Vor- und Frühgeschichte sowie originären russischen Funden
aus den Museen in Moskau und Sankt Petersburg mit einer großen Ausstellung gemeinsam
ins Licht der Öffentlichkeit zu treten.
Ein erstes deutsch-russisches Kolloquium mit Mitarbeitern aus den vier beteiligten Museen
fand im Januar 2004 in Berlin statt, das nächste zwei Jahre später in Moskau, wo vom Präsidenten der Stiftung preußischer Kulturbesitz und den Direktoren der russischen Museen ein
Protokoll zum Inhalt und zur Durchführung der Ausstellung in Moskau und Sankt Petersburg
verabschiedet und zur Genehmigung an die zuständigen politischen Stellen weitergeleitet
wurde. Im April 2006 schließlich konnten bei einer weiteren Arbeitstagung in Berlin, in gewohnt konstruktiver Atmosphäre, die Details des inhaltlichen Konzepts der Ausstellung und
des Kataloges abschließend besprochen sowie der terminliche Ablauf festgelegt werden, der
trotz des enormen Zeitdrucks bis zur Eröffnung der Ausstellung im Weißen Saal des Puschkin Museums erfolgreich umgesetzt wurde.
Die Bedeutung der Ausstellung in Moskau und Sankt Petersburg sowie des dreisprachigen
Kataloges für Wissenschaft und Forschung und noch mehr für die deutsch-russischen Kulturbeziehungen ist nicht hoch genug einzuschätzen. „Merowingerzeit – Europa ohne
Grenzen“ kann als das Pilotprojekt des „Deutsch-russischen Museumsdialoges“ gelten. Unter Ausklammerung der unterschiedlichen Rechtsstandpunkte arbeiten die Museen auch im
politisch brisanten Umfeld zusammen. Sie erschließen das, was über Jahrzehnte nicht zugänglich war, einer interessierten Öffentlichkeit und führen darüber hinaus die bislang
verborgenen Funde wieder dem Kreislauf der internationalen Wissenschaft und Forschung
zu. Bleibt zu hoffen, dass diese Ausstellung nicht die letzte ihrer Art ist und sich die Zusammenarbeit der deutschen und russischen Museen in dieser Weise positiv weiter entwickelt.
Unser Dank gilt all denen, die am Entstehen dieser Ausstellung beteiligt waren. Insbesondere der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe unter führender Mitarbeit von Yurij Piotrovsky und
Mark Shchukin (Staatliche Eremitage Sankt Petersburg), Vladimir Tolstikov (Staatliches
Puschkin Museum Moskau), Vladimir Kulakov (Archäologisches Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften) und Ilya Akhmedov (Staatliches Historisches Museum Moskau)
sowie Wilfried Menghin und Marion Bertram (Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatli-
Merowingerzeit – Europa ohne Grenzen
Vorwort der vier Museumsdirektoren, Ausstellungskatalog S. 20-23
-4che Museen zu Berlin). Wir danken allen Autoren, Übersetzern, Redakteuren, Fotographen,
Graphikern und Restauratoren sowie den Architekten der Ausstellung und allen technischen
Mitarbeitern, ohne deren engagiertes Mitwirken das ambitionierte Vorhaben nicht hätte umgesetzt werden können.
Moskau, Sankt Petersburg, Berlin
im Dezember 2006
Irina A. Antonova
Direktorin des Staatlichen Puschkin Museums der Schönen Künste Moskau
Mikhail B. Piotrovsky
Direktor der Staatlichen Eremitage Sankt Petersburg
Aleksander I. Schkurko
Direktor des Staatlichen Historischen Museums Moskau
Peter-Klaus Schuster
Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz
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