Gutachten von Dr. Carlo Gentile - Solidarität mit Sant`Anna di
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Gutachten von Dr. Carlo Gentile - Solidarität mit Sant`Anna di
Universität zu Köln Universität zu Köln • Albertus-Magnus-Platz • 50923 Köln [Bearbeitete Version s. Anmerkung am Ende] Frau Rechtsanwältin Gabriele Heinecke Colonnaden 21 Philosophische Fakultät Martin-Buber Institut für Judaistik 20354 Hamburg Dr. Carlo Gentile Köln, den 27. Februar 2013 Tel. +49 221 470-4435 Fax +49 221 470-5065 [email protected] Historisches Gutachten in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Angehörige der 16. SS-Pz.Gren.Div. "Reichsführer-SS" wegen Mordes in Sant'Anna di Stazzema am 12. August 1944 Gutachtenauftrag und Fragestellung Frau Rechtsanwältin Gabriele Heinecke hat an den Unterzeichner einen Auftrag zur Erstellung eines forensisch-historischen Gutachtens für das bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart unter dem Az. 1 Js 79109/02 geführte Ermittlungsverfahren gegen Angehörige der 16. SSPanzergrenadierdivision "Reichsführer-SS" wegen Mordes im norditalienischen Gebirgsdorf Sant'Anna di Stazzema am 12. August 1944 erteilt. Gegenstand des Gutachtens sind folgende Fragen: 1.) Gibt es im Sommer 1944 in Italien signifikante Unterscheidungsmerkmale bezüglich des sog. „Bandenkampfes“ in dem Vorgehen der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer SS“ gegenüber a) Einheiten der Wehrmacht? b) Einheiten der Gebirgsjäger? 2.) Welche Bedeutung hatte die Erziehung in einer Einheit der WaffenSS und welche Werte wurden in den Jahren 1941 bis zum Sommer 1944 im Hinblick auf a) Auslandseinsätze b) Partisaneneinsätze vermittelt? 3.) Gibt es Hinweise darauf, dass der Befehl „Partisanenbekämpfung“ bzw. „Bandenbekämpfung“ in der Praxis der 16. SS‐Panzergrenadier- Kerpener Straße 4 50923 Köln Germany Zu erreichen mit: KVB-Bahnlinie 9 KVB-Buslinie 130 mailing address: Universität zu Köln Martin-Buber Institut für Judaistik Albertus-Magnus-Platz 50923 Köln Germany division im Sommer 1944 stets sowohl – soweit greifbar ‐ mit dem Verschleppen arbeitsfähiger Männer als auch mit der Vernichtung der zivilen Bevölkerung einherging. Lässt sich eine Systematik in den von dieser Division zu verantwortenden Massakern innerhalb und außerhalb Italiens erkennen? 4.) Wie hoch war die Zahl der freiwillig zur Waffen‐SS gestoßenen Personen in der 16. SS‐Panzergrenadierdivision „Reichsführer SS“ im Sommer 1944? 5.) In welchem Verhältnis standen die am 12.08.1944 zur Absperrung eingesetzten Einheiten der Gebirgsjäger zu der 16. SS‐Panzergrenadierdivision? Wie ist die aufgrund der Aktenlage festzustellende Tatsache zu erklären, dass ein Töten von Zivilpersonen durch Gebirgsjäger nicht stattgefunden hat? 6.) Hätte unter Berücksichtigung der Örtlichkeiten die Vernichtung der Bevölkerung von Sant’Anna di Stazzema mit der Beschießung durch Granatwerfer oder sonstige schwere Waffen erfolgen können? Ist es erforderlich, zu diesem Thema einen Militärhistoriker beizuziehen? 7.) Welche Rolle spielte die Tatsache, dass der Generalstabsoffizier und SS-Obersturmbannführer Helmut Looß das Kommando über die „Bandenbekämpfung“ hatte? Gibt es in der Vergangenheit des Helmut Looß unter seiner Verantwortung weitere Massaker? 8.) Gibt es Erkenntnisse über den Informationsfluss innerhalb der 16. Panzergrenadierdivision im Sommer 1944? 9.) Ist es denkbar, dass ein Massaker des Ausmaßes von Sant’Anna di Stazzema „spontan“ vor Ort beschlossen wird? 10.) Haben bei der 16. SS-Panzergrenadierdivision im Sommer 1944 oder vorher standrechtliche Erschießungen gegen Einheitsangehörige stattgefunden? Wenn ja, warum fanden sie statt? 11.) Lässt sich eine Aussage dazu treffen, ob aus historischer Sicht und unter Zugrundelegung der von Ihnen in dem Gutachten benannten Beweismittel/ Dokumente davon ausgegangen werden muss, dass a) dem Massaker vom 12. August 1944 in Sant’Anna di Stazzema ein Befehl zugrunde gelegen haben muss, der dem Tenor der Aussagen der 1 und L.G. 2 entverstorbenen Beschuldigten H.E. 1 Interview Christiane Kohl Seite 2 spricht. Mit welchen weiteren Erkenntnissen aus der Akte und/ oder Ihren sonstigen Quellen sind diese Aussagen kompatibel bzw. welchen Erkenntnissen widersprechen sie? b) die noch lebenden acht Beschuldigten – oder ggfs. einzelne – in die Befehlskette so eingebunden waren, dass die Order zur Vernichtung an ihnen nicht vorbeigegangen sein konnte, sie vielmehr als Vorgesetzte die Befehle weitergaben, dass sie alle bereits bei dem Aufstieg gewusst haben müssen, dass das Ziel der in den offiziellen Dokumenten als „Bandenbekämpfungs“Unternehmen deklarierte Aktion die Vernichtung von Zivilisten – auch Frauen und Kindern – umfasst? Dazu ist die Funktionen der noch lebenden Beschuldigten K.-H.B. , A.B. , W.B. , A.C. , K.E.G. , I.A.L. , Th.S. , G.S. zum Zeitpunkt der Tat am 12. August 1944 zu benennen und zu erklären, welche Aufgaben und Kompetenzen sie in der militärischen Struktur bekleidet haben. Quellen Grundlage des vorliegenden Gutachtens sind die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Stuttgart sowie ein breites Spektrum an Unterlagen, die dem Verfasser im Zuge seiner mehrjährigen Beschäftigung mit Kriegsverbrechen im von den deutschen Truppen besetzen Italien 1943-1945 zugänglich wurden. Die wichtigsten zur Verfügung stehenden Quellen sind zum einen die zeitgleich mit den behandelten Ereignissen entstandenen Sachakten aus den Archiven der Kriegsteilnehmer, zum anderen das nach 1945 aus der Tätigkeit des Justizapparats hervorgegangene Schriftgut. Es handelt sich um Material aus deutschen, italienischen, amerikanischen und britischen Archiven: 1.) das während der Besatzungszeit aus der Tätigkeit deutscher Militärsowie SS- und Polizeidienststellen hervorgegangene amtliche Schriftgut (Bundesarchiv-Militärarchiv, R 2 Abteilung des Bundesarchivs in Berlin sowie Deutsche Dienststelle (WASt) Berlin); 2.) das zum Teil noch während des Krieges von alliierten militärischen Untersuchungsbehörden zusammengetragene Material, wie zum Beispiel Befragungen von Kriegsgefangenen und Überläufern der 16. SS- 2 Polizeiliche Vernehmung v. 29.01.2004; Beschwerdebegründung S. 4, Ziff. 4. Seite 3 Panzergrenadierdivision durch die Alliierten (National Archives Washington); 3.) das auch noch sehr zeitnah entstandene Aktengut der alliierten sowie der italienischen Polizei- und Justizbehörden (aus den Archiven in Washington, London sowie aus den Akten der ehemaligen Militärstaatsanwaltschaft La Spezia); 4.) das bei den deutschen und italienischen Justizbehörden in den 60er und 70er Jahren sowie nach der späteren Wiederaufnahme von Ermittlungen ab 1995 erwachsene Schriftgut. Der Verfasser hat sich mit dem konkreten Gegenstand des Verfahrens eingehend im Zuge seiner historischen Forschungsarbeit seit der Mitte der 1990er Jahre und als Sachverständiger im Auftrag der Militärstaatsanwaltschaft La Spezia bis zum Abschluss des italienischen Ermittlungsverfahrens im Jahr 2004 beschäftigt. Im Hinblick auf die Beantwortung der Fragestellungen wird folgendermaßen vorgegangen: Zunächst wird die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft kritisch betrachtet. Der zweite Teil orientiert sich an den aufgegebenen Fragestellungen und behandelt sie nacheinander. Auswertung der Einstellungsverfügung der StA Stuttgart (Verfahren 1 Js 79109/02) Im Rahmen des Gutachtenauftrags wurde die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart aus historisch-sachverständiger Sicht kritisch durchgesehen. Diese Auswertung wurde anschließend zur Überprüfung der Quellen auch auf die Ermittlungsakten ausgedehnt. Schon bei der ersten Lektüre fallen deutliche Fehler hinsichtlich der historischen Daten auf. Aus historischer Sicht fehlt es der Arbeit an der notwendigen wissenschaftlichen Sorgfalt bezüglich der Berücksichtigung des historischen Kontextes der untersuchten Ereignisse. Beispiele: Einstellungsverfügung, S. 12f.: 1.) „Geheimvertrag von Lissabon am 3.8.1943“: Tatsächlich unterschrieb am 3. September 1943 die Regierung Badoglio in Cassibile auf Sizilien den Waffenstillstand mit Briten und Amerikanern. In Lissabon hatten im August 1943 Geheimtreffen stattgefunden. Seite 4 2.) „Am 18.9.1943 schloss Italien mit den Alliierten einen Waffenstillstandsvertrag“: Hier liegt ein doppelter Fehler vor. Der Waffenstillstandsvertrag wurde am 3.9.1943 in Cassibile geschlossen (s. o.) und am Abend des 8.9.1943 im Rundfunk bekannt gegeben. Der 18.9.1943 spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. 3.) „Dem italienischen König, den Kronprinzen und Marschall Badoglio gelang die Flucht ins Ausland“: Tatsächlich floh die Königsfamilie mit Teilen des Hofs, dem Regierungschef Badoglio sowie wichtigen Offizieren am 9.9.1943 aus Rom nach Apulien (Süditalien), das bereits von Alliierten Truppen befreit worden war. Die legitime italienische Regierung setzte ihrer Tätigkeit im befreiten Süditalien fort. Es ist daher falsch von einer „Exilregierung“ zu sprechen, die sich „im Ausland“ bildete. 4.) (S. 13) Monte Cassino wurde nicht Ende Mai 1944 erobert, sondern bereits Mitte Mai; Rom wurde nicht am 6. Juni 1944 befreit, sondern am 4. Juni; Befreiung von Florenz „am 4.8.1944“: Am 4. August 1944 erreichten die alliierten Truppen den Südufer des Arno in Florenz; die nördliche Stadthälfte konnte erst 14 Tage später befreit werden; auch Pisa wurde nicht am 26.7.1944 „erobert“, sondern erst Anfang September von den Alliierten befreit. 5.) „Am 20.04.1944 kapitulierten die in Italien stehenden deutschen Truppen und Verbände“: Tatsächlich kapitulierte die deutsche Heeresgruppe C am 2. Mai 1945. Die Häufung der deutlich fehlerhaften Angaben ist irritierend. Die Fehler setzen sich weiter fort, zum Beispiel in dem Abschnitt mit dem Titel „Zur Situation in Sant’Anna di Stazzema Anfang August 1944“ (Einstellungsverfügung, S. 19-22): 1.) S. 19: „Heute existiert Sant’Anna di Stazzema als bewohnte Ortschaft nicht mehr. Bis auf die Kirche und drei Häuser sind alle Gebäude und Gehöfte vollkommen zerstört“. Dies ist unzutreffend. Sant’Anna di Stazzema ist in der Nachkriegszeit wieder aufgebaut worden. Ruinen befinden sich allenfalls in den dem Ortskern am weitesten entfernten Ortsteil Vaccareccia. Etwa 15 Personen leben heute in den Häusern von Sant’Anna di Stazzema. 2.) S. 20: Der auf dieser Seite angeführte Partisanenüberfall vom 20. August 1944 hat nichts mit den Ereignissen von Sant’Anna di Stazzema zu tun. Andere von italienischen Zeugen und in den deutschen Quellen Seite 5 überlieferte Vorfälle in der Umgebung von Sant‘Anna in den Wochen vor dem Massaker werden gar nicht erwähnt, die diesbezüglichen Dokumente nicht angeführt. Hingegen wird aus einem Befehl von Februar 1944 zitiert, der in einem völlig anderen militärischen Kontext entstanden ist und ebenfalls nichts mit Sant‘Anna zu tun hat. Als Beleg für die These, dass Ortsbewohner, die den Partisanen Unterstützung gewährten, „Repressalien und Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt“ waren, gibt es in den Akten der für das Gebiet um Sant’Anna di Stazzema verantwortlichen Armeeoberkommando 14 und LXXV. Armeekorps treffendere Dokumente.3 3.) S. 24 bis 30: Hier erfolgt die wortwörtliche Übernahme meiner Darstellung des Geschehens, die allerdings im Widerspruch zu den Annahmen der Staatsanwaltschaft steht. Diese Widersprüche werden nicht benannt und nicht der notwendigen Auseinandersetzung zugeführt. Dies betrifft in erster Linie die Darstellung des Ablaufs der Tat, die Identifizierung des von dem verstorbenen Beschuldigten Göring benannten Tatorts mit dem Ortsteil „Colletti“, die Zuweisung der Verantwortung für die Gesamtführung der Partisanenbekämpfung im Bereich der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ an SSSturmbannführer Helmut Looß, Ic-Führer und Sicherungskommandant im rückwärtigen Gebiet. Auch hier wird deutlich, dass eine mangelhafte wissenschaftliche Bearbeitung bei der Erhebung der historischen Daten, die sich in dem Aktenmaterial des Bundesarchivs-Militärarchiv, des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde sowie der Deutschen Dienststelle (WASt) in Berlin befinden, stattgefunden hat. Zahlreiche Dokumente, die für das Verständnis der Umstände, die zu dem Kriegsverbrechen von Sant’Anna di Stazzema geführt haben wichtig sind, sind ungenutzt geblieben. 3 So u.a. BA-MA, RH 20-14/140, Stab Oberst Ebner, Evakuierung im Raume der 14. Armee, 24.7.1944; BA-MA, RH 20-14/42, Der OB d. 14. Armee, Armeebefehl für die Bandenbekämpfung, 3.7.1944. Art. 2 des faschistischen Dekret Nr. 145 sah vor, dass jeder, der Partisanen durch Beherbergen, Abgabe von Lebensmitteln oder sonst auf irgendeine Weise begünstigt mit der Todesstrafe durch Erschießen in den Rücken als Verräter bestraft wird. Der Befehl der 14. Armee wurde in der gleichen Form auch vom LXXV. Armeekorps übernommen und am 5. Juli 1944 an die Truppe weitergegeben: BA-MA, RH 24-75/13, Gen.Kdo. LXXV. Armeekorps, Korpsbefehl Nr. 42 (Bandenbekämpfung), 5.7.1944. Zur Bekanntgabe der Befehle an die italienische Bevölkerung, s. BA-MA, RH 26-65/8, 65. Inf.Div., TB der Abt. Ic für Juni 1944; TNA, WO 204/11496, General orders and reports issued by General Kesselring‘s HQ, 1944-1945. Seite 6 Hier sei an die zahlreichen Befehle und Berichte aus den Beständen des Armeeoberkommando 14 sowie des LXXV. Armeekorps sowie an das Kartenmaterial und an die Verlustmeldungen hingewiesen, die genauere Auskünfte über die militärische Lage und über die Dislozierung der deutschen Garnisonen im Raum der Apuanischen Alpen hätten geben können.4 Nicht zutreffend ist die auf S. 128f. aufgestellte Behauptung, dass sich in den britischen –„Public Record Office“ - National Archives keine Funksprüche der deutschen Truppen vom italienischen Kriegsschauplatz befinden. Tatsächlich sind diese zahlreich überliefert. Ob sich darunter Funksprüche der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ befinden, ist bisher nicht bekannt. Auch das umfangreiche amerikanische und britische Material ist überwiegend ungenutzt geblieben. Dazu zählen die durch die War Crimes Commission der 5. US-Armee und die Special Investigation Branch der britischen Polizei angelegten Ermittlungsverfahren. In den britischen National Archives befindet sich eine Dokumentation zum britischen Kriegsverbrecherprozess gegen SS-Gruppenführer Max Simon.5 In den U.S. National Archives werden Akten, die Massaker und Kriegsverbrechen der 16. SS-Division dokumentieren, aufbewahrt.6 Hinzu kommen Befragungen von Gefangenen und Überläufern durch die Alliierten. Sie geben Auskunft über eine Vielzahl von Themen, vom biografischen Hintergrund über die Zustände innerhalb ihrer Einheiten bis zu Kriegsverbrechen.7 4 Gentile: Le stragi nazifasciste in Toscana 1943-45. Guida archivistica alla memoria. Gli archivi tedeschi, Rom 2005. 5 TNA, WO 235/586-588, Trial against Max Simon, sowie WO 204/11494, Atrocities committed by German troops at Bardine San Terenzo, Apuania Alps between the 17th and 27th August 1944. 6 US NARA, RG 153, Judge Advocate General, War Crimes Branch, Cases filed 19441949, Entry 143, Box 527, Case 16-62 (Santa Anna) sowie RG 238, Office of the Chief of Counsel for War Crimes, Location: 190/10/34/25, Entry 2, Box 10, Case 16-62 (Santa Anna); RG 238, Entry 2, Box 10, Case 16-73 (Massaciuccoli); RG 153, Entry 143, Box 529, Case 16-78 (Balbano/Compignano); RG 153, Entry 143, Box 529, Case 16-77 (Farneta/Massa); RG 238, Entry 2, Box 10, Case 16-70 (San Martino/Monzuno); RG 153, Entry 143, Box 528, Case 16-70 (San Martino/Monzuno); RG 153, Entry 143, Box 555, Case 16-476 (Bologna, vicinity). 7 US NARA, RG 407, Fifth Army, G-2, WW II Interrogation Reports 105-2.13, Entry 427, Boxes 2216-2231 sowie ebda., RG 165, AC of S, G-2, Intelligence Division Captured Personnel and Material Branch, Enemy POW Interrogation File (MIS-Y) 1943-1945, Reports, Combined Services Detailed Intelligence Center (CSDIC), Entry 179, Boxes 640-669; RG 338, AC of S, HQ, Fifth Army, G-2, Numbered reports, Entry 42842 F; RG 226: Office of Strategic Services (OSS), versch. Entries. In die- Seite 7 Über solche Details hinaus wird der Mangel der Einstellungsverfügung bei der Berücksichtigung historischer Fakten in folgenden Punkten deutlich: Erstens: Die Ermittlung der Staatsanwaltschaft Stuttgart betrachtet die Ereignisse vom 12. August 1944 losgelöst aus seinen historischen Zusammenhängen, die jedoch kausal miteinander zu verknüpfen sind. Sogar die Zusammenstöße zwischen Partisanen und Soldaten des Bataillons Galler am 8. August 1944 in unmittelbarer Nähe zum späteren Tatort von Sant‘Anna di Stazzema, die ein zentrales Element der Ereignisfolge sind, die zum Massaker führen, finden in den Ermittlungen und in der Abschlussverfügung kaum Beachtung. Aus historisch-sachverständiger Sicht kann das Verbrechen nicht als ein isoliertes Ereignis betrachtet werden, sondern gehört in den allgemeineren Zusammenhang der Aktivitäten der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ in Italien im Sommer und Herbst 1944. Eine genauere Einordnung der Taten von Sant’Anna ist erst durch den Vergleich mit den Ablauf der weiteren Einsätze und dem Vorgehens der SS-Truppen bei anderen Aktionen möglich. Dabei dürfte deutlich werden, 1.) dass bei allen Unternehmen der Division es zur Tötung von Frauen mit Kindern in den Dörfern des „Bandengebiets“ kam; 2.) dass sich Vernichtung und „Erfassung“ von Zwangsarbeitern keinesfalls gegenseitig ausschlossen und 3.) dass das genuin nationalsozialistische Prinzip der Selektion zwischen Arbeitsfähigen und Nicht-Arbeitsfähigen und deren Vernichtung bei der Aktionen der Division in Italien zum Tragen kam.8 sem Zusammenhang ist auf folgenden Sachverhalt hinzuweisen: Auf S. 108, 152f. der Einstellungsverfügung wird die Aussage des Zeugen Theodor Holle zusammengefasst. Holle, ein Angehöriger der 7. Kompanie habe im Beisein seines Kameraden Josef Udvari, einem Ungarn, die Erschießung auf dem Kirchplatz „aus der Entfernung von ungefähr 10 m beobachtet, ohne daran beteiligt gewesen zu sein“. Josef Udvari ist kein Unbekannter. In der Zusammenfassung von Vernehmungen deutschen Gefangener der 5. Armee der USA wird sein Name genannt. In dem Dokument, das ich 2001 in den National Archives in Washington gefunden habe, steht: „2nd Lt. SOMMER, CO, 7th Co, 35th SS Rgt APO # 01011D. NOTE: SOMMER participated in the S. ANNA vic PIETRASANTA massacre of civilians on about 19 August 1944” (National Archives, College Park, Fifth Army G-2 Reports, 105-2.13, Interrogation Reports (407/270/52/8/5-7), Headquarters Fifth Army, G2 Section, Interrogation Center, Report no. 785, IPW, PWs: Helmut KNOEPFLER, Heinz FREI, Willy HALFT, Josef UDVARI, Alois KNOLL, Hans HERZEL, v. 8. Oktober 1944). Dieses Dokument wird in der Einstellungsverfügung nicht erwähnt, befindet sich aber in den Akten (Band LO 12: Akten der Militärstaatsanwaltschaft, Bl. 398 f.). 8 Dazu weiter unten Punkt 3 und 7. Seite 8 Zweitens: Der Staatsanwaltschaft gelingt es nicht, ein tragfähiges Tatmotiv für das Massaker von Sant’Anna di Stazzema herauszuarbeiten (s. Abschnitt: „Beweggründe für die Taten“, S. 68-74). Weder die Verärgerung und die Frustration über eine erfolglose „Zwangsarbeitererfassungsaktion“ noch die versäumte Evakuierung des Dorfes sind als überzeugende Tatmotive zu betrachten. Zum ersten Motiv fehlen die historischen Präzedenzen: Es ist kein Fall bekannt, bei dem einzig die Flucht der arbeitsfähigen Männer die Vernichtung der übrigen Bewohner eines Ortes zur Folge hatte. Außerdem konzentrierten sich die „Erfassungen“ von Zwangsarbeitern auf den unmittelbaren Raum von Valdicastello. Hier wurde auch gezielt nach Unterstützern der Partisanen aus Sant’Anna di Stazzema gefahndet. Diese wurden nach der Festsetzung von den übrigen Gefangenen getrennt und zur DivisionsGefangenen-Sammelstelle nach Nozzano gebracht.9 Am 19.8.1944 wurden sie bei Bardine di San Terenzo als Vergeltung für einen Partisanenüberfall hingerichtet.10 Ebenso wenig stichhaltig ist das Argument, die Weigerung der Bevölkerung, das Dorf zu verlassen hätte das Massaker herbeigeführt. Zwar sind aus Italien Fälle bekannt, in denen Ortsbewohner ermordet wurden, die trotz Räumungsbefehl ihre Häuser nicht verlassen hatten. Der Kontext in dem diese Taten stattfanden, war anders: Die Tatorte befanden sich im „Niemandsland“ zwischen den Fronten in Süditalien im Winter 1943/44.11 In Bezug auf die Evakuierungsmaßnahmen fehlt in der Einstellungsverfügung jeder Versuch zu ermitteln, ob am 12. August 1944 neben Sant’Anna di Stazzema auch andere Dörfer geräumt worden sind. Das nach den Befehlen der Wehrmachtsführung zu räumende Vor- und Hintergelände der „Grün-Linie“ erstreckt sich über viele Kilometer von den Apuanischen Alpen bis zum Adria. Tatsächlich aber sind sogar in der unmittelbaren Umgebung von Sant’Anna di Stazzema Dörfer wie la Culla, Valdicastello, Capriglia, Gallena oder Capezzano sowie andere auch nicht geräumt worden. 9 Aussage von Agostino Bibolotti v. 15.3.1947. 10 Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS, S. 226ff. 11 Bekannt geworden sind folgende Fälle: Ermordung von 112 Einwohner von Pietransieri (31 Kinder, 50 Frauen) am 21.11.1943 im Ort Limmari durch Fallschirmjäger; Ermordung von 42 Personen (15 Kinder, 12 Frauen, 15 Männer) am 28.12.1943 in Collelungo di Cardito durch eine Heereseinheit; Ermordung von 21 Flüchtlingen aus Torricella Peligna am 21.1.1944 in Sant’Agata di Gessopalena durch eine Heereseinheit; Ermordung weiterer Flüchtlingen entlang der „GustavStellung“ in kleinen Gruppen oder einzeln. Seite 9 Auch gibt es in den Quellen der Wehrmacht kein Anzeichen, dass um den 12. August 1944 im Bereich der Verteidigungsanlagen der Apuanischen Alpen und des Apennins („Grün-Linie“) die 14. Armee, das LXXV. Armeekorps, die 16. SS-Panzergrenadierdivision oder andere unter der Führung dieser Kommandobehörden stehenden Truppen und Verbände Evakuierungsmaßnahmen im Gang gesetzt hatten. Die Frage ist daher nicht nur: warum der 12. August 1944 und warum Sant’Anna di Stazzema - sondern auch: warum nur in Sant’Anna und nicht woanders? Auch das Vorgehen der SS-Soldaten in Sant’Anna lässt sich kaum mit dem Auftrag, die Bevölkerung zu evakuieren oder Zivilisten als Zwangsarbeiter festzunehmen, erklären. So gab es bereits während des Anstiegs die ersten Toten. Es handelt sich um zwei ältere Männer, die auf dem Weg angetroffen und erschossen wurden, möglicherweise, weil sie zu schwach waren, um als Träger verwendet zu werden. 12 In der Siedlung Argentiera wurden vor Beginn der eigentlichen Aktion die Häuser in Brand gesteckt und ein Mann aus Pietrasanta blutig zusammengeschlagen.13 Besonders aussagekräftig in diesem Zusammenhang ist die Aussage von Gabriella Pierotti. Sie berichtet, dass die Soldaten, die bereits früh morgens ihre Häuser erreichten, sich ausgesprochen gewalttätig verhielten: Bereits beim Herannahen schossen sie “eine Maschinengewehrgarbe in die Richtung ihres Hauses. Der Vater der Zeugin, „der ein wenig Englisch gesprochen habe, habe versucht, mit den Soldaten zu sprechen, um in Erfahrung zu bringen, was sie vorhätten. Sie hätten ihm mitten ins Gesicht geschossen. Gleich danach habe ein deutscher Soldat, der mit etwas gespreizten Beinen vor der Eingangstür gestanden sei, mit einem Maschinengewehr ununterbrochen auf sie geschossen, ohne darauf zu achten, ob Frauen, Kinder oder ältere Leute getroffen wurden.“14 Dieses Vorgehen lässt sich nicht mit dem Ziel der Gefangennahme von Zivilisten oder Partisanen vereinbaren. Drittens: Die Aussagen wichtiger italienischer Zeugen sind nicht berücksichtigt worden, insbesondere die im Rahmen der Ermittlungen gegen italienische Mittäter im Jahr 1946, sowie im Rahmen der Pro12 Vernehmung v. Ignaz A. L., 23.3.2004. 13 Aussage von Enio Navari, 01.08.2000 (LO 14 Zeugen in Italien, Bl. 158). 14 Aussage von Gabriella Pierotti, 20.11.2003 (LO 14 Zeugen in Italien, Bl. 210f.); Einstellungsverfügung, S. 63. Seite 10 zesse gegen Max Simon im Jahr 1947 und Walter Reder 1950-1951 erhobene Aussagen. Bis auf die Unterlagen aus dem Jahr 1946, die sich zwar in den Ermittlungsakten befinden (Band LO 12, Akten der Militärstaatsanwaltschaft, Bl. 39-70), aber weder übersetzt noch berücksichtigt wurden, scheinen die Aussagen überhaupt nicht bekannt bzw. nicht beigezogen worden zu sein. Es ist davon auszugehen, dass diese Aussagen wegen ihrer zeitlichen Nähe zu den Taten einen hohen Grad an Zuverlässigkeit besitzen und darum in besonderer Weise zu berücksichtigen sind. Im Einzelnen geht es um folgende Aussagen (die Auflistung ist nicht vollständig): Bruno Antonucci, 1951; Lina Antonucci, 1950; Federico Bertelli, 1951; Florinda Bertelli, 1950; Giuseppina Bottari, 1950; Agostino Bibolotti (Funkgerätträger), 15.3.1947, 14.2.1950, 8.1.1951 (enthalten Hinweise zum Einsatz des Funkgeräts auf dem Kirchenplatz, die den Angaben des Zeugen Beckert v. 7.6.2004 entgegen stehen); Nello Bonuccelli, 13.2.1951; Quirino Gamba, 1950; Aleramo Garibaldi (Munitionsträger), 22.8.1996; Adolfo Mancini, 14.2.1950; Renzo Mencaraglia, 1950. Folgende Aussagen enthalten konkretere Angaben zu deutschen Truppen: Giuseppe Ricci (Munitionsträger), 1946, 1950; Guido Buratti (Munitionsträger), 1950; Alderamo Vecoli, 1950; Nello Bonuccelli, 1950; Zelinda Biagi, 1951; Ilia Baldi, 1951; Solimano Orsucci, 1951; Carlo Pilli; Mario Rosi, 1950 (Angaben zu Alfred Schöneberg, 7./SS-PGR 35). Viertens: Es fehlt eine vollständige und nachvollziehbare Darstellung des Ablaufs der Ereignisse von Sant’Anna di Stazzema am 12. August 1944. Die Darstellung unter der Überschrift „Tatgeschehen nach dem Ergebnis der Ermittlungen“ (S. 35 bis 66) wird nach Tatorten gegliedert, ohne jedoch Rücksicht auf die Topografie und auf den zeitlichen Ablauf zu nehmen. Trotz der relativen Übersichtlichkeit des Geschehens von Sant’Anna di Stazzema fehlt in der Einstellungsverfügung jeder Versuch, den Ablauf der Ereignisse auf zusammenhängende Weise zu rekonstruieren. So wird z.B. ein Tatort als „unbekannter Tatort“ qualifiziert, ein bekannter Tatort („il Colle“) wird nicht aufgeführt. 1.) Die Tatorte Kirchvorplatz, Pero und Sennari werden als eine Einheit betrachtet, obwohl Sennari eine der von der Kirche am weitesten entfernten Ortschaften ist und dort niemand getötet wurde. Seite 11 2.) Vaccareccia wird als zweiter Tatort behandelt, obwohl dies der Tatort des ersten Massakers gewesen zu sein dürfte. Hier wurden die unterwegs in Moriconi und Argentiera vor dem Erreichen von Sant‘Anna eingesammelten Frauen mit Kindern und alte Menschen getötet.15 3.) Argentiera ist kein Tatort von Tötungshandlungen; hier wurden die Einwohner festgenommen und entweder als Munitionsträger verwendet (wehrfähige Männer) oder nach Vaccareccia (alte Menschen, Frauen mit Kindern) gebracht, wo sie anschließend getötet wurden. 4.) Coletti war der Tatort eines der letzten Massaker. 5.) Le Case, Einzelgebäude unweit von Vinci und Franchi. Das Massaker der Einwohner fand nach Aussagen von Überlebenden etwa gleichzeitig mit der Räumung der Häuser von il Pero und der Verbringung der Einwohner zu der Piazza statt.16 6.) Franchi, ein größeres Einzelgebäude. Das Massaker fand hier etwa um 8 Uhr morgens unmittelbar nach der Ankunft der deutschen Soldaten statt.17 7.) „Unbekannter Ortsteil“: Bei dem für die Staatsanwaltschaft unbekannten Ort handelt sich um den von dem verstorbenen Beschuldigten Göring benannten Tatort. Da die Angaben dieses deutschen Beschuldigten mit denen der italienischen Überlebenden am stärksten übereinstimmen und dem Ablauf der Taten an anderen Orten nicht entsprechen, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass diese Erschießung in Coletti stattfand. 8.) Es fehlt schließlich jeder Hinweis auf den Tatort il Colle. Diese Ortschaft befindet sich auf der der Kirche gegenüberliegenden Seite in nordöstlicher Richtung zwischen i Bambini und Sennari. Hier wurden etwa 20 Personen festgenommen und abwärts geführt. Kurz danach wurden sie einer anderen Einheit übergeben und in einer Mulde (italienisch fosso = Graben, Flurname Accigli) mit einem Maschinengewehr erschossen. Die Aussagen von italienischen Überlebenden (Ettore 15 Agostino Bibolotti, 08.01.1951 16 Aussage des Alfredo Graziani, 15.3.1947 (Prozess gegen Max Simon). 17 Aussagen der Gabriella Pierotti v. 20.11.2003 (LO 14 Zeugen in Italien, Bl. 210f.); 09.01.1951 (Unterlagen Prozess Reder); Maria Grazia Pierotti v. 23.01.1951 (Unterlagen Prozess Reder). Seite 12 Salvatori, Maria Luisa Ghilardini) aus den Jahren 1944, 1946, 1947, 1950 und 1951 enthalten Übereinstimmungen mit den Aussagen des Beschuldigten Karl Heinz Ba. vom 4.8.2003 (er sagte aus, er habe an der Absperrung anlässlich der Tötung von etwa 30 Zivilisten in einer Mulde teilgenommen) und des Zeugen Walter Blattmann (er sagte aus, dass - als er sich von der gegenüberliegenden Seite dem Kirchplatz näherte - er viele Leichen in einem Hohlweg entdeckte). Fünftens: Nicht alle Hinweise auf die Beteiligung von SS- und Wehrmachtseinheiten sind von den Ermittlern verfolgt worden. Auch den in meinem - der Staatsanwaltschaft vorliegenden - Text erwähnten zweckdienlichen Hinweisen über mögliche Mittätereinheiten wurde nicht nachgegangen. Es geht dabei um die mutmaßliche Beteiligung von Soldaten der SS-Panzer-Abteilung 16, des SS-Feldersatz-Bataillons 16 sowie der 4. Kompanie der SS-Panzer-Aufklärungs-Abteilung 16, die sich zur Tatzeit in der Umgebung von Pietrasanta, Seravezza und Valdicastello aufhielten. Es handelt sich um Aussagen, die die Präsenz von SS-Panzertruppen im Raum Pietrasanta - Valdicastello erwähnen. Darin werden einzelne Namen genannt, die sich möglicherweise auf die SS-Panzer-Abteilung 16 zurückführen lassen.18 Auch Verlustmeldungen aus dem Sommer 1944 belegen, dass sich Teile der SS-Panzer-Abteilung 16 kurz vor dem 12. August 1944 im Raum Valdicastello aufgehalten haben. 19 Militärkarten weisen ferner auf die Präsenz von Truppenteilen (mutmaßlich Trossen und Werkstätten) der schweren Panzer-Abteilung 504 im besagten Raum hin.20 Der wegen Kriegsverbrechen im Raum Bardine, Vinca und Marzabotto 1951 in Italien verurteilte Kommandeur der SS-Panzer18 TNA, WO 204/11494, Aussage von Carlo Pilli; Mil.St.A. La Spezia, Verf. Nr. 498/00, Carabinieri, Stazione di Camaiore, Aussagen v. Stefano Lucchetti, 16.7.1946, sowie v. Lidia Maremmani, 11.5.1946. Nach ihren Aussagen sollen Angehörige dieser Einheit in der Nacht zum 12. August in Richtung Sant’Anna gezogen sein. Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder, Bericht des Commissariato PS di Viareggio, 20.8.1946, Bl. 4; Aussage Lidia Maremmani. 19 DD (WASt), Band Nr. Ws 445, SS-Panzer-Abteilung 16 „RF-SS“, Verlustmeldungen, NVM Nr. 3, Lfn. 49. Am 1.8.1944 wurde in Valdicastello der SSSchütze Heinz W. leicht verwundet. 20 Hinweise auf die schwere Panzerabteilung 504 in: BA-MA, RH 24-75/17 K, Gen.Kdo. LXXV. A.K., Karten und Planskizzen, Juli 1944. Die Panzereinheiten hatten im Raum Pietrasanta keine Panzer mehr. Seite 13 Aufklärungs-Abteilung 16, Walter Reder, hat bei seinem Prozess eingeräumt, sich kurz vor dem 12. August 1944 im Raum Pietrasanta aufgehalten zu haben. Dies ist möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, da nach dem Kartenmaterial der 14. Armee seine Abteilung am 12. August 1944 immer noch in der Macchia westlich von Pisa eingetragen ist, etwa 30 km von Pietrasanta und dem Raum um Sant’Anna entfernt.21 Sicher ist dagegen, dass sich zur Tatzeit die 4. Kompanie der Abteilung im Raum Pietrasanta aufhielt. Sie hatte ihr Standort in Seravezza (Entfernung in Luftlinie von Sant’Anna di Stazzema etwa 4 km in nordwestlicher Richtung).22 Im Raum Seravezza – Ripa (etwa 4 km nordwestlich von Sant’Anna di Stazzema) ist das SS-Feldersatz-Bataillon 16 stationiert gewesen, das dort mit drei Kompanien die Rekruten der SS-Division ausbildete und im Juli verschiedene Verluste hatte.23 Alle diese Einheiten können Truppen für den Einsatz von Sant’Anna di Stazzema bereitgestellt haben. Die Vernehmung von ehemaligen Angehörigen dieser Einheiten hätte wichtige Erkenntnisse über die Ereignisse vom 12. August 1944 ergeben können. Das scheint niemals im Blick der Ermittler gestanden zu haben. Sechstens: Eine Untersuchung des militärischen und ideologischen Hintergrundes des für die Erteilung von Tötungsbefehlen verantwortlichen Führungspersonals auf den verschiedenen Ebenen der in dem Massaker involvierten Truppenteilen und Kommandostellen ist nicht festzustellen. Dies, obwohl der Erfahrungshintergrund dieser Personengruppe von besonderer Bedeutung für das Verständnis der Tat in Sant’Anna di Stazzema sein dürfte. Die Tatsache, dass sich unter ihnen bereits auf der niedrigsten Ebene der Gruppen- und Zugführer, (wie weiter unten unter Punkt 7 ausgeführt wird) SS-Angehörige mit einschlägigen Erfahrungen mit dem Dienst in Konzentrationslagern und bei bekanntermaßen verbrecherischen Truppenteilen, wie dem Kommandostab „Reichsführer-SS“, die nachweislich an Massakern an Ju21 Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder, Befragung Reders v. 7.3.1951. 22 Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder, Aussage Reder, 17.2.1951, Bl. 48. DD (WASt), Ws 438, SS-Pz.Aufkl.Abt. 16 „RF-SS“, Verlustmeldungen, NVM Nr. 41 u. 42, Lfn. 440-442, 445, 446, verm. auch Nr. 444. Die Verluste ereigneten sich zwischen dem 29.7.1944 und dem 16.8.1944 im Raum Seravezza und Vallecchia. Alle Verluste gehörten der 4. Kompanie SS-Pz.Aufkl.Abt. 16 „RF-SS“. 23 DD (WASt), Band Nr. Ws 439, SS-Felders.Btl. 16 „RF-SS“, Verlustmeldungen, NVM Nr. 2, verschiedene Verluste in Ripa zwischen d. 11. und d. 25.7.1944. Seite 14 den und Zivilisten im Osten beteiligt waren, dürfte nicht ohne Einfluss auf das Verhalten dieser SS-Truppen in Italien geblieben sein. Insbesondere stellt sich diese Frage bei den für die Erteilung von Einsatzbefehlen verantwortlichen SS-Führern bei der Division, beim Regiment und an der Spitze des Bataillons. Die meisten der hier angeführten Fehler sind bereits im Ermittlungsbericht des LKA Baden-Württemberg enthalten, der der Staatsanwaltschaft über weite Strecken als Grundlage für die Einstellungsverfügung gedient hat. In diesem Zusammenhang ist besonders auf das als Abbildung auf S. 22 des Ermittlungsberichts gezeigte Foto hinzuweisen. Das ohne Angabe der Quelle verwendete Bild ist dort mit der falschen Bildunterschrift „Getötete deutsche Soldaten und Wrack eines Fahrzeugs der Waffen-SS nach einem Partisanenüberfall bei Bardine“ abgebildet. Tatsächlich zeigt das Foto keine Wehrmacht- oder SS-Soldaten, sondern tote Zivilisten, die am 12. August 1944 im Raum Sant’Anna di Stazzema und Valdicastello festgenommen und nach einige Tage Haft und Misshandlungen am 19. August bei Bardine di San Terenzo ermordet wurden.24 Dass es zu einen solchen Fehler kam, ist erstaunlich, denn das Foto ist recht bekannt und bereits mehrfach veröffentlicht worden.25 Es gehört zu einer Reihe von Bildern, die nach dem Massaker von Bardine von den Rettungstrupps zur Dokumentations- und Identifikationszwecke gemacht wurden.26 Vier dieser Fotos – darunter auch das vom LKA vewendete Bild – befinden sich bereits in einer Akte der britischen Ermittlungsbehörden aus dem Jahr 1944.27 24 Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS, S. 226ff. 25 Mignemi: Storia Fotografica della Resistenza, S. 134 (Hier dem Partisanenführer Umberto Piccioli zugeschrieben). 26 Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder, Bericht Pater Lino Delle Piane, 8.10.1944; TNA, WO 235/586, Exhibit “H”, Statement of Padre Lino Delle Piane, 16.09.1945. Autor der Fotos war ein junger Student namens Almo Baracchini, s. Pezzino: Crimini di guerra nel settore occidentale della linea gotica, in Gianluca Fulvetti und Francesca Pelini (Hg.), La politica del massacro. Per un atlante delle stragi naziste in Toscana, Neapel 2006, S. 89-135, hier S. 117 sowie ebda. Fußnote Nr. 131, S. 394. 27 TNA Kew, WO 204/11471, Appendix F: summary of cases well authenticated. Includes 6 photographs depicting: War crimes: atrocities by German troops against Italian partisans: bodies of victims from Fondotoce, Bardine S Terenzo and Vignola villages, 1944. Seite 15 Dieser Fehler darf aus zwei Gründen nicht unerwähnt bleiben: zum einen, weil auf diese Weise in einem offiziellem Dokument der Ermittlung die Täter zu Opfern gemacht werden – dass es sich bei den auf dem Foto abgebildeten Opfern um Menschen handelt, die am 12. August 1944 in oder um Sant’Anna di Stazzema gefangen genommen worden sind, verschlimmert noch den Fehler. Zum anderen werden durch diesen Fehler die eingangs erwähnten Mängel der Stuttgarter Ermittlungsarbeit hinsichtlich der wissenschaftlichen Sorgfalt im Umgang mit den Fakten erneut besonders eindrücklich vor Augen geführt. 1. Gibt es im Sommer 1944 in Italien signifikante Unterscheidungsmerkmale bezüglich des sog. „Bandenkampfes“ in dem Vorgehen der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer SS“ gegenüber a) Einheiten der Wehrmacht? b) Einheiten der Gebirgsjäger? Bei der Partisanenbekämpfung im besetzten Italien gab es starke Unterschiede im Verhalten von Polizei, Heer, Luftwaffe und Waffen-SS. Mindestens Zehntausend meist wehrlose Zivilisten wurden zwischen Spätsommer 1943 und dem Kriegsende bei Razzien, „Sühnemaßnahmen“ und Massakern in Dörfern durch deutsche Soldaten getötet. Viele dieser Taten waren eindeutige Kriegsverbrechen. Zwar wurden diese sowohl von SS-Verbänden als auch von Truppen der Wehrmacht verübt, allerdings nicht von allen Einheiten gleichermaßen. Obwohl spätestens 1944 der gesamte deutsche militärische und polizeiliche Apparat mit unterschiedlicher Intensität in die Partisanenbekämpfung involviert war, waren es ganz bestimmte Verbände, welche die Partisanenbekämpfung zu einem Vernichtungskrieg gegenüber der Zivilbevölkerung ausweiteten. Mitunter beträchtliche Unterschiede bestanden zwischen dem Verhalten der Verbände der Waffen-SS einerseits und der Wehrmacht andererseits. Zwar haben sich die Verbrechen „qualitativ“ kaum unterschieden: Nicht nur bei den Massakern der SS-Division, sondern auch jenen der Wehrmachtverbände sind u. a. Frauen und Kinder getötet worden. Allerdings gibt es deutliche quantitative Unterschiede: Während ein überwiegend aus „politischen Soldaten“ und jungen SS-Freiwilligen gebildeter Verband wie die 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ etwa 2.200 Zivilisten in drei Monaten bei großen und kleineren Massakern ermordete und eine Seite 16 „Elitedivision“ der Luftwaffe, die Fallschirm-Panzerdivision „Hermann Göring“, etwa 1.000 Zivilisten in zehn Monaten, tötete die 26. Panzerdivision des Heeres „nur“ etwa 200 Zivilisten in zwanzig Monaten hauptsächlich bei einem einzigen großen Kriegsverbrechen im August 1944.28 Gebirgsjäger waren an mehreren Kriegsverbrechen beteiligt oder initiativ tätig. Zu den in den letzten Jahren bekannt gewordenen Kriegsverbrechen der deutschen Gebirgssoldaten in Italien gehört die Ermordung von Zivilisten im Dorf Falzano bei Cortona Ende Juni 1944. Nach einem am Tag zuvor erfolgten Partisanenüberfall wurden willkürlich ausgesuchte zehn Zivilisten von Angehörigen des Gebirgspionier-Bataillons 818 in ein Gebäude eingeschlossen. Das Gebäude wurde mit Dynamit gesprengt, die Menschen in den Trümmern begraben. Das Landgericht München hat mit Urteil vom 11. August 2009 (Az. 1 Ks 115 Js 10394/07) den ehemaligen Gebirgsjäger-Offizier Josef Scheungraber wegen zehnfachen Mordes und versuchten Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Einheiten wie das Lehr-Bataillon der Gebirgsjägerschule Mittenwald und die Hochgebirgsjägerbataillonen 3 und 4 spielten im Kampf gegen Partisanen in Italien eine wichtige Rolle und waren an harten Bekämpfungsunternehmen beteiligt. Gelegentlich sind auch Tötungshandlungen an Zivilisten überliefert. Doch in keinem einzigen Fall waren Ausmaß und Schwere ihrer Taten denen der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ vergleichbar. 2. Welche Bedeutung hatte die Erziehung in einer Einheit der Waffen-SS und welche Werte wurden in den Jahren 1941 bis zum Sommer 1944 im Hinblick auf a) Auslandseinsätze b) Partisaneneinsätze vermittelt? Ideologische Indoktrinierung hatte bei Einheiten der Waffen-SS, wie bei allen Eliteeinheiten des Dritten Reichs, eine große Bedeutung. Ihre Truppen galten als rücksichtslos und fanatisch, bereit bis zum „Äußersten“ zu gehen. Der ungewöhnlich hohe Kampfgeist war das Ergebnis von Selektion und Indoktrination. Im Laufe der Aufbaujahre dieser Truppe entstand eine spezifische Mentalität der Waffen-SS (ähnlich 28 Genauere Angaben: Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS, passim. Seite 17 der der Fallschirmjäger), deren wesentliche Elemente Elitebewusstsein, Überlegenheitsgefühl und Todesverachtung waren. Nach Stalingrad zielte die Indoktrination der jungen Soldaten insbesondere auf die Stärkung des „fanatischen Durchhaltewillens“ und auf die Festigung der „Führer- und Endsieggläubigkeit“.29 Die Gründe für den Eintritt in die Waffen-SS waren vielfältig: Kriegsbegeisterung, Zustimmung zum Nationalsozialismus, Opferbereitschaft und Beeinflussung durch die NS-Propaganda, sowie der Wunsch, in eine gut ausgebildete, gut bewaffnete und gut geführte Einheit aufgenommen zu werden. Hinzu kam das jugendliche Bedürfnis nach Bewährung. Gerade zur Waffen-SS meldeten sich viele junge Männer mit einem Hang zur Abenteuerlust, Rücksichtslosigkeit, Härte und Aggressivität.30 Zu ihrer Fanatisierung trug die mehrjährige Indoktrination bei. Diese reichte von der Schule über die Hitlerjugend, den Arbeitsdienst bis zur Ausbildung in der Waffen-SS. Erziehung zur äußersten Härte gegenüber dem Feind war eines der wichtigsten Elemente der SS-Ideologie.31 Bereits in der Anfangsphase ihrer Ausbildung waren die halbwüchsigen SS-Soldaten mit der Wirklichkeit des „Bandenkampfes“ konfrontiert worden. Viele der jungen SS-Panzergrenadiere und –Kradschützen waren ab Oktober 1943 in Prosetschnitz bei Prag anhand von Vorschriften unterrichtet worden, die ihnen deutlich vor Augen führten, dass „bei der Bandenbekämpfung [...] über allem die Forderung [steht], hart gegen sich selbst und ohne persönliche Gefühlsanwandlungen rücksichtslos hart gegen den Gegner zu sein“.32 Die Erziehung zu Disziplin und zu einer mit absoluter Rücksichtslosigkeit durchgesetzten Härte gegenüber dem (vermeintlichen) Feind, war eines der wichtigsten Elemente der SSIdeologie. „Schneid“ und „Härte“ wurden stets belohnt und als Aufstiegsfaktoren hoch bewertet.33 Mit der „weltanschaulichen Erziehung“ 29 Grundsätzlich zur „weltanschaulichen Erziehung“ der SS verschiedene gut differenzierte Beiträge in Matthäus/Kwiet/Förster, Ausbildungsziel Judenmord?, insbesondere der Beitrag von Jürgen Förster. 30 Allgemein Kümmel/Klein, Gewalt im Militär, S. 224-230. 31 Zur „Härte“ als Wert s. auch Matthäus/Kwiet/Förster, Ausbildungsziel Judenmord?, insbesondere Dok. 14, S. 198-201, hier S. 201; dazu ferner Leleu, La Waffen-SS., S. 488-503. 32 Siehe Kriegshistorischer Archiv Prag (VHA), SS-Panzergrenadierschule Prosetschnitz-Kienschlag, 12/2, Sonstige Ausbildung-Hilfslehrmaterial-Tarnung, Kradschützen, Partisanenbekämpfung, o.D. (aber 1943-45). 33 Matthäus: Die „Judenfrage“ als Schulungsthema von SS und Polizei, in Matthäus/Kwiet/Förster, Ausbildungsziel Judenmord?, S. 84f. Seite 18 sollte den SS-Angehörigen eine besondere „SS-mäßige“ Haltung vermittelt werden. Auf diese Weise wurde das geistige Rüstzeug für das Vorgehen der SS-Truppen gegen die als feindlich angesehene Bevölkerung im Rahmen der „Bandenbekämpfung“ vermittelt. Ein wesentlicher Teil des Personals der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ hatte bei den Einsätzen ab 1941 die in der Ausbildung und in dem Dienst im Konzentrationslager vermittelten SS-Werte verinnerlicht. Als Kommandeure, Kompaniechefs, Zug- und Gruppenführer waren sie zugleich militärische Vorgesetzte und weltanschauliche Erzieher ihrer Männer. Diese für die Waffen-SS typische doppelte Funktion des Führungspersonals äußerte sich in Übergriffen und Kriegsverbrechen bei der Durchführung der „Bandenbekämpfung“ im Hinterland der Front. Vgl. dazu weiter unten die Daten zum militärischen Werdegang Helmut Looß sowie zum Führer- und Unterführerkorps des Bataillons Galler (s. dazu weiter unten Frage Nr. 7). 3. Gibt es Hinweise darauf, dass der Befehl „Partisanenbekämpfung“ bzw. „Bandenbekämpfung“ in der Praxis der 16. SS-Panzergrenadierdivision im Sommer 1944 stets sowohl – soweit greifbar – mit dem Verschleppen arbeitsfähiger Männer als auch mit der Vernichtung der zivilen Bevölkerung einherging. Lässt sich eine Systematik in den von dieser Division zu verantwortenden Massakern innerhalb und außerhalb Italiens erkennen? Bei der Betrachtung der Tätigkeit der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ in Italien im Sommer 1944 ist eine enge Verknüpfung von Partisanenbekämpfung, Vernichtungsaktionen und Verschleppung von Arbeitskräften festzustellen. Es handelt sich um mehrere Handlungen unterschiedlicher Art, die insgesamt etwa 2.200 Opfer unter der Zivilbevölkerung forderten. Die Quellen hierzu sind ausreichend vorhanden, sodass in der Forschung eine weitgehend lückenlose Übersicht besteht.34 In der Folge werden die wichtigsten Tatorte aufgeführt: 34 Genaue Quellenangaben zu allen hier aufgeführten Tötungshandlungen in: Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS, S. 211-254. Seite 19 1) Am 23. und 24. Juli 1944 wurden im Gefechtsstreifen des SSPanzergrenadierregiments 35 fünf Zivilisten im „Niemandsland“ südlich des Arno erschossen. 2) Am 24. Juli 1944 geriet bei Licciana Nardi eine Nachschubkolonne unter Beschuss. Die Soldaten erschossen einige wahllos aufgegriffene Männer und steckten die Häuser von zwei Ortschaften in Brand. 3) In Pisa drangen am 1. August 1944 SS-Männer in das Haus von Giuseppe Pardo Roques, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, ein und töteten zwölf Menschen. 4) Am 2. August 1944 wurden 23 Zivilisten in San Biagio bei Pisa getötet. 5) Am 7. August 1944 wurden in der Gegend von La Romagna in den Pisaner Bergen etwa 200 Zivilisten festgenommen, 69 davon wurden vier Tage später aus bisher ungeklärten Gründen in kleinen Gruppen in der Nähe des Massaciuccoli-Sees erschossen. 6) Am 9. August 1944 wurden zwei in einer Holzbaracke im Pinienwald von San Rossore notdürftig untergekommene Familien von SS-Soldaten aufgegriffen und erschossen. Acht Frauen (vier Erwachsene und vier Mädchen zwischen 10 und 16 Jahren) und ein Mann von 57 Jahren wurden getötet. 7) Das Massaker in Sant’Anna di Stazzema am 12. August 1944 mit mindestens 400 Toten (nach Annahmen der italienischen Gerichte 560 Tote). Hier lassen sich etwa zehn verschiedene Tatorte feststellen, davon zwei mit einer besonders hohen Zahl von Opfern: die Ställe und Keller von Vaccareccia (etwa 100 Tote) und der Kirchplatz (etwa 130 bis 140 Tote). Weitere Tatorte waren die Häuser von Franchi, Le Case, I Coletti, eine Mulde bei Sennari und ein Pfarrhaus in Mulina di Stazzema. Zahlreiche Personen wurden an drei weiteren Tatorten auf den Wegen und in den Straßen zwischen den Weilern von Sant’Anna getötet. 8) Am 14. August 1944 wurden 25 Flüchtlinge getötet. Es waren, alles Männer im Alter zwischen 15 und 74 Jahren, 17 bei Nodica und acht bei Migliarino. Seite 20 9) Am 19. August 1944 wurden fünf Flüchtlinge bei San Giuliano Terme getötet. 10) Am 19. August 1944 wurden in Bardine di San Terenzo bei einer sog. Vergeltungsaktion (Partisanen hatten zuvor sechzehn SSMänner erschossen, für den im Rücken der Front befindlichen Raum eine sehr hohe Zahl) 53 Zivilisten als „Geiseln“ erhängt. Aus gleichem Anlass wurden in Valla 107 Menschen erschossen, auch hier vor allem Frauen und Kinder. 11) Am 24. und 25. August 1944 fielen zwischen 170 und 200 Zivilisten einer groß angelegten Partisanenbekämpfungsaktion in dem Gebiet um den Monte Sagro unter Beteiligung einer italienischen "Schwarzhemd-Brigade" zum Opfer. Hier fanden die Tötungen an zwölf verschiedenen Stellen statt: in, Acquabomba, Balzone di Vinca, Canal d’Arco, Canale, Costa, Foce, Fosso di Giove, Mandrione Orti, Orto di Donna, Pioppi, Prada und Vallo. 12) Mehrere Erschießungen fanden in verschiedenen Ortschaften der Provinz Lucca statt und kosteten über 200 Menschen das Leben. Etwa 10.000 Zivilisten wurden laut Ic-Meldung der 14. Armee im Monat August im Bereich der Division festgenommen und verschleppt. 13) Am 2. September 1944 drang ein Trupp von sechs SS-Männern in Massarosa in die Villa des Grafen Eugenio Minutoli-Tegrimi ein und ermordete den Grafen, seine Schwägerin, seine Schwiegermutter, eine siebenjährige Enkelin und weitere dort lebende Personen. Insgesamt wurden acht Frauen, zwei Kinder - sieben und zehn Jahre alt-, ein 17-Jähriger, eine Frau von 86 Jahren und zwei ältere Männer getötet. 14) In Compignano wurden am 2. September 1944 fünf in der Umgebung festgenommene Personen und sieben Männer aus Pisa, die als Geiseln verschleppt worden waren, erschossen. 15) Am 3. September 1944 wurden im Kartäuserkloster nordwestlich von Lucca Mönche und andere Zivilisten festgenommen. Nachdem ein SS-Arzt bei einem Überfall von Partisanen auf der Straße erschossen worden war, wurde am 4. September ein Teil der festgenommenen Mönche und Zivilisten in Camaiore exekutiert. Insgesamt wurden bei dieser Aktion 35 Männer getötet. Seite 21 16) Am 10. September 1944 wurden 14 weitere Geistliche zusammen mit nicht-arbeitsfähigen Zivilisten in kleinen Gruppen und an unterschiedlichen Orten der Stadt Massa hingerichtet. 17) Am 16. September 1944 wurden etwa 150 nicht-arbeitsfähige Insassen des Gefängnisses von Massa erschossen. 18) Am 16. September 1944 wurden in Bergiola Foscalina, einem kleinen Dorf bei Carrara, 72 Menschen in ein Gebäude eingeschlossen und erschossen. Die Opfer waren vor allem Frauen mit Kindern. 19) Insgesamt 20 Tote gab es im Raum Piteglio zwischen dem 19. und dem 25. September 1944, wo die SS-Aufklärungs-Abteilung 16 und die SS-Flak-Abteilung 16 eingesetzt waren. Mehrere der Opfer waren junge Frauen, die getötet wurden, nachdem sie vergewaltigt worden waren. Am 19. September 1944 verschleppten SS-Männer zwei junge Frauen aus einem Schutzraum und töteten mit Handgranaten drei ältere Frauen. Die Leichen der zwei jüngeren Frauen, die mutmaßlich Opfer eines Sexualverbrechens wurden, fand man Tage später unter einem Misthaufen verscharrt. 20) In Labante, im Vorfeld des Porretta-Passes, töteten am 28. September 1944 SS-Soldaten mehrere Personen. Eine Familie fand den Tod in den Trümmern ihres gesprengten Hauses. 21) Am 29. und 30. September 1944 führte die Division im Bereich Monte Sole, im Raum Vergato-Marzabotto, südwestlich von Bologna, ein Unternehmen gegen eine Partisanengruppe durch, in dessen Verlauf über 770 Zivilisten ermordet wurden. Hier sind etwa dreißig Tatorte bekannt. Viele haben weniger als fünf Opfer, andere dagegen, wie Casaglia (85 Tote), Creda (69), Cadotto und Ravecchia (etwa 65), Pioppe di Salvaro (45 nichtarbeitsfähigen Männer), Cerpiano (43), San Giovanni di Sotto (49), und Caprara (35) zählen zu den größeren Tatorten. 22)Am 10. Oktober 1944 wurden in Casalecchio bei Bologna dreizehn Männer, elf Partisanen und zwei Zivilisten zur „Vergeltung“ an Bäumen und an einem Zaun festgebunden und erschossen. Bereits einen Tag zuvor hatten SS-Soldaten dort fünf Einwohner getötet. Seite 22 23)Am 31. Oktober 1944 wurden in Casteldebole zehn Männer als „Sühnegefangene“ nach der gleichen Methode wie in Casalecchio hingerichtet. 24)Am 17. Dezember 1944 wurden 12 Gefangene (11 Männer und eine Frau) bei San Cesario im ausgetrockneten Flussbett des Panaro erschossen und verscharrt. 25) Die mutmaßlich letzte Massenerschießung von Zivilisten durch die Division fand in Vignola, bei Modena, statt. Das genaue Datum der Erschießung ist nicht bekannt. In zwei Massengräbern wurden nach Abzug der SS die Leichen von siebzehn Personen (Männern und Frauen) gefunden. Einige der Opfer waren Partisanen oder Familienangehörige von Partisanen, die am 23. Dezember 1944 in der Nähe von Guiglia festgenommen worden waren. Die Aktionsmuster der 16. SS-Panzergrenadierdivision „ReichsführerSS“ lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: 1. Massaker und Vernichtung von Dörfern, 2. Hinrichtungen von Geiseln und „Sühnegefangenen“, 3. Tötungshandlungen mit rassistischem oder ideologischem Hintergrund, wie die Erschießung nicht-arbeitsfähiger Zivilisten, Juden und katholischer Priester. Zu bemerken ist, dass nicht alle im Einsatzgebiet der Division erfassten Tötungshandlungen eindeutig einer Kategorie zuzuordnen sind, sondern auch Mischformen bestehen; so etwa bei der Ermordung von nicht-arbeitsfähigen Zivilisten am Rande von Partisanenaktionen (Pioppe di Salvaro) oder der Vernichtung von Dörfern und ihrer Bewohnern im Zuge von „Sühne-“ oder „Sofortmaßnahmen“ nach Partisanenüberfällen (Bergiola di Foscalina, Bardine di San Terenzo) oder die Ermordung von nichtarbeitsfähigen Zivilisten bei „Sühnemaßnahmen“ (Pioppetti di Camaiore, Massa). Die größere Partisanenbekämpfungsaktionen wurden in den Quellen als „Bandenunternehmen“ „Säuberungsunternehmen“ oder gar „Vernichtungsunternehmen“ bezeichnet. Im Zweiten Weltkrieg entwickelten die Deutschen zur Vernichtung der Partisanengruppen vier Kampfmethoden. Sie wurden bezeichnet mit: a) Kesseltreiben, b) Vorstehtreiben, c) Vortreiben starker Stoßkeile, d) Bildung einer Stoßgruppe. Das „Bandengebiet“ wurde üblicherweise durch die Truppen einge- Seite 23 kreist und durch „Sperrgruppen“ abgeriegelt. Während die zur Absperrung eingeteilten Kräften den Einschließungsring verkleinerten, drangen eine oder mehrere „Stoßgruppen“ in das Gebiet ein und führten die Bekämpfung durch.35 An derartigen Operationen waren stets mehrere Einheiten beteiligt. Als „Stoßgruppe“ diente in Sant’Anna di Stazzema das Bataillon Galler, im Raum Vinca/Monte Sagro und Marzabotto/Monte Sole, die SS-Panzer-Aufklärungs-Abteilung 16 von Walter Reder. Weitere Truppen wurden zur Absperrung eingesetzt. Diese konnten, wie das Hochgebirgsjägerbataillon 3 (Sant’Anna und Monte Sagro) und das IV. (russische) Bataillon des GrenadierRegiments 1059 des Heeres (Monte Sole), ein Jägerbataillon sowie Flak-Batterien der Luftwaffe in Vinca bzw. in Monte Sole der Wehrmacht angehören sowie auch der Waffen-SS, wie etwa Teile des SSPanzergrenadier-Regiments 35, die Divisions-Begleit-Kompanie, Teile der SS-Flak-Abteilung 16, des SS-Artillerie-Regiments 16, der SSPanzer-Abteilung 16 und des SS-Feldersatzbataillon 16, die in Vinca und am Monte Sole eingesetzt wurden. Die Aktion von Sant’Anna di Stazzema entsprach diesem Grundmuster. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit müssen wir davon ausgehen, dass neben dem Bataillon Galler und der 1. Kompanie des Hochgebirgsjägerbataillon 3 auch weitere Wehrmachts- bzw. SS-Einheiten zur Absperrung eingesetzt waren, etwa nach Süden in Richtung Valdicastello und nach Osten. Die Ziele der „Säuberungsaktionen“ wurden in den Quellen als „Bandenstützpunkt“ (Sant’Anna di Stazzema)36, „Bandenunterkünfte“ bzw. „Hauptlager“ (Vinca)37 bezeichnet. Nachdem sie im Morgengrauen umstellt worden waren, schwärmten die Angehörige der Stoßgruppe in die Dörfer und Weiler aus und trieben die Bewohner, oft mit Hilfe von Kollaborateuren, aus ihren Häusern und Gehöften, sammelten sie in geschlossenen Arealen (einem Dorfplatz, einem Friedhof, dem Hof eines Bauernhauses oder einer Mulde im Gelände) und hielten sie zunächst unter Waffenandrohung fest. Jüngere Männer wurden oft festgenommen und als Träger verwendet. Wer zu langsam war, zu 35 BA-MA, RH D 6/69/1, Merkblatt 69/1, Kampfanweisung für die Bandenbekämpfung im Osten, 11.11.1942; RH D 6/69/2, Merkblatt 69/2, Bandenbekämpfung v. 6.5.1944; dazu: u.a. Dixon: Partisanen, Strategie und Taktik des Guerillakrieges. 36 BA-MA, RH 20-14/46, Armeeoberkommando 14, Ia-Tagesmeldung v. 13.8.1944. 37 BA-MA, RH 20-14/114, Armeeoberkommando 14, Ic-Meldung v. 26.8.1944. Seite 24 schwach oder sich widersetzte, wurde auf der Stelle erschossen. Die zusammengetriebenen Zivilisten wurden nach mehr oder weniger langen Wartezeiten mit flächendeckenden Feuerwaffen wie Handgranaten, Maschinengewehren und Maschinenpistolen getötet. Die tödlichen Salven wurden meist auf Befehl eines SS-Führers von einzelnen Schützen abgegeben. Eine Variante dieses Vorgehens war jene, die mit dem Wurf von Handgranaten auf eine in Gebäuden zusammengetriebene Menschenmenge durch Türen und Fenster begann. Anschließend wurden die Überlebenden mit Handfeuerwaffen getötet. So geschah es in Sant’Anna di Stazzema (in Vaccareccia, Le Case und Franchi), am Monte Sole (in Cerpiano und Caprara) sowie bei den Massakern in dem Schulgebäude von Bergiola Foscalina und bei Pisa. Häufig wurden die Leichen der Opfer nach der Hinrichtung angezündet bzw. die Gebäude, in denen sie getötet worden waren, in Brand gesetzt oder gesprengt. Damit verfolgten die Täter offenbar ein doppeltes Ziel: zum einen, eventuelle Überlebende des Massakers doch noch zu töten; zum anderen, die Spuren des Geschehenen zu verwischen.38 Getötet wurden vor allem Frauen, Kinder und Alte. Arbeits- und wehrfähige Männer - soweit welche gefunden wurden – wurden als Träger verwendet (Sant’Anna di Stazzema). Zum Teil wurden diese Männer danach erschossen, zum Teil aber wurden sie als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt. In den vernichteten Orten galt die gesamte Bevölkerung als „Bandenangehörige“, „Bandenhelfer“ oder „Bandenverdächtige“. Die Getöteten, selbst kleine Kinder, wurden als „Banditen“ bezeichnet. In Anbetracht des Ausmaßes, der Häufigkeit und der Systematik des verbrecherischen Geschehens kann kein Zweifel bestehen, dass Aktionen wie Sant’Anna oder Vinca auch hinsichtlich der Behandlung ihrer Einwohner geplant waren. Die Tötung der Einwohner fand dann statt, wenn in der Nähe zuvor Zusammenstöße zwischen deutschen Soldaten und Partisanen statt- 38 Es sind aus Russland Befehle bekannt, mit denen die im Partisanenkampf eingesetzten Truppen angewiesen wurden, Erschießungen von Zivilisten so durchzuführen, „dass keine Spuren zurückbleiben“. Daher sollten die Exekutionen in den Häusern stattfinden, die Leichen der Erschossenen mit Stroh oder Heu bedeckt werden und anschließend in den Häusern verbrannt werden. Belege bei Birn, „Zaunkönig“ an „Uhrmacher“. Seite 25 gefunden hatten. In der Umgebung von Sant’Anna di Stazzema gab es zwischen Ende Juli und dem 8. August 1944 mehrere Zusammenstöße zwischen SS und Partisanen, wobei an den Gefechten am 8. August die gleichen Soldaten beteiligt waren, die vier Tage später das Massaker verübten.39 Bei Vinca war kurz vor dem Massaker ein deutscher Stabszahlmeister getötet worden. In der Umgebung von Monte Sole hatte es mehrere Überfälle gegeben, bei denen deutsche Soldaten zu Tode gekommen waren. Das Töten konzentrierte sich auf die „Zielorte“. In der Umgebung dieser Orte wurde hingegen weniger getötet. Dort wurden vor allem Häuser vernichtet und/ oder Zivilisten für den Arbeitseinsatz festgenommen. Einer dieser Orte war Valdicastello, wohin viele Einwohner von Sant’Anna di Stazzema geflüchtet waren bzw. hingeschickt wurden. Auch in den Dörfern in der Umgebung von Vinca und in den vom Epizentrum der Massaker am Monte Sole weiter entfernten Gebieten wurden weniger Menschen getötet, aber es fanden umfangreiche Häusersprengungen und Auskämmungen auf der Suche nach Zwangsarbeitern statt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es aller Unterschiede im Detail zum Trotz überwiegen bei der Betrachtung der Massaker von Sant’Anna di Stazzema, Vinca und Monte Sole die Gemeinsamkeiten: 1) Die Massaker ereigneten sich an Orten im sogenannten „Bandengebiet“ in deren räumlicher Nähe Partisanen deutsche Soldaten angegriffen hatten. Verwundete oder Tote in der eigenen Einheit steigerten das Bedürfnis nach Rache und Vergeltung der Soldaten und schufen eine Rechtfertigung für das eigene Tun. 2) Ein relativ gleichbleibender Modus Operandi: Bei aller Tötungshandlungen gingen die SS-Soldaten einheitlich vor. Die Zivilisten wurden in geschlossenen Räumen oder im Freien getötet, nachdem sie dort versammelt worden waren. 3) Tötung der Mehrheit der angetroffenen Zivilbevölkerung mit wenigen Ausnahmen; gegebenenfalls wurden einzelne arbeitsfähige Männer am Leben gelassen. 39 DD (WASt), DD (WASt), Bd. Ws 451, SS-Pz.Gren.Rgt. 35 „RF-SS“, Stab II. u. Einh., Namentliche Verlustmeldung Nr. 16, Meldung Nr. 273-276, drei Leichtverwundete der 5. Kp., ein Schwerverwundeter der 6 Kp. Seite 26 4) Massive Verschleppung von Zwangsarbeitern außerhalb des eigentlichen Tötungsgebiets. 4. Wie hoch war die Zahl der freiwillig zur Waffen-SS gestoßenen Personen in der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer SS“ im Sommer 1944? Die Zahl der Angehörigen der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“, die sich freiwillig zur SS gemeldet hatten, ist nicht bekannt und kaum genau zu ermitteln. Ursprünglich rekrutierte sich die SS aus Freiwilligen, die auf der Grundlage einer strengen politischen und physischen Auslese aufgenommen wurden. Dies gilt selbstverständlich auch für die Formationen der Waffen-SS. Wir wissen allerdings, dass bereits 1942 und erst recht ab 1943, neben der bis dahin stattfindenden Freiwilligenwerbung auch andere Rekrutierungsmethoden angewendet wurden. Die enormen Verluste seit Sommer 1941 bei gleichzeitigem Rückgang der Freiwilligenmeldungen und der starken Erweiterung der Anzahl der Verbände, brachten die für die Rekrutierungen zuständigen Ergänzungsstellen des SS-Hauptamts dazu, stärker auf Wehrpflichtige zurückzugreifen. Viele Einheiten der Waffen-SS waren keine reinen Freiwilligeneinheiten mehr. Darüber hinaus, versuchte man immer stärker sogenannte „Volksdeutsche“ aus Südosteuropa zu rekrutieren. Eine zusätzliche Ressource waren schließlich aufgelöste Luftwaffeneinheiten (v.a. Flak und Luftnachrichtentruppen), die in die Waffen-SS übernommen wurden. In den Ausbildungslagern des RAD und in den Wehrertüchtigungslagern der Hitlerjugend durften die Werbeoffiziere der Waffen-SS, trotz gelegentlicher Proteste der Wehrmacht, mit allen Mitteln werben.40 So wurden Tausende von jungen Männern im Sommer 1943 zunächst für den RAD gemustert, aber nach wenigen Wochen und vor ihrem Dienstantritt zu einer zweiten Musterung durch die Waffen-SS aufgerufen. Soweit sie physisch den Kriterien für die Aufnahme in die SS entsprachen, wurden sie direkt ausgehoben. Das neue Verfahren wurde in nahezu allen Wehrkreisen angewendet, sodass es bald zu hö- 40 Leleu, La Waffen-SS, S. 131-135. Konkrete Beispiele und Zitate auch in Höhne, Der Orden, S. 438-441. Seite 27 heren Rekrutenzahlen für die Waffen-SS kam.41 Obwohl auch innerhalb der Division zahlreiche Beispiele zu finden sind,42 lässt sich ihre Zahl nicht genau ermitteln. Ebenso wenig lässt sich letztlich sagen, ob die Zahl derer, die auf diese Weise eingezogen wurden, größer war, als die der wirklich Freiwilligen. Was jedoch als sicher angenommen werden kann, ist dass sich im Sommer 1944 das Führungspersonal der 16.SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“, von SS-Unterscharführer bis in die Spitze, mehrheitlich aus SS-Freiwillingen zusammensetzte. Unsicherheit in Bezug auf die Freiwilligkeit des SSPersonals der Division dürfte lediglich in Bezug auf die jüngeren SSMannschaften der Jahrgänge 1925-1927 bestehen. Innerhalb der Einheiten gelang die Integration zwischen „Jungen“ und „Alten“ nicht immer. Die Freiwilligen sahen sich als „richtige SSMänner“ an und ließen ihr Überlegenheitsgefühl diejenigen Kameraden spüren, die sich nicht freiwillig gemeldet hatten. Diese Trennung zwischen Freiwilligen und „unfreiwilligen Freiwilligen“ (so Himmler in einer Rede vor Reichs- und Gauleitern in Posen am 6. Oktober 194343) ist auch bei den Reaktionen der Soldaten nach dem Massaker von Sant’Anna di Stazzema zu erkennen. Während ein Teil der Männer sehr bedrückt und niedergeschlagen wirkte, schienen mehrere „stolz“ auf das gewesen zu sein, was sie getan hatten. Wie der Beschuldigte I.A.L. aussagte, „lachten und scherzten“ sie über das Geschehen. Es habe sich dabei vor allem um Freiwillige gehandelt, „echte SS’ler“, die „nicht genug haben hinmachen können“.44 41 Bereits die 9. SS-Panzerdivision „Hohenstaufen“ und die 10. SS-Panzerdivision „Frundsberg“, die um die Jahreswende 1942/43 aufgestellt wurden, setzten sich zu 60 bis 70 Prozent aus Gezogenen der Jahrgänge 1925-26 zusammen, Klietmann, Die Waffen-SS, S. 165-173. Dazu auch Wegner, Politische Soldaten, S. 276. 42 US NARA, RG 165, Army Chief of Staff, G-2, Intelligence Division (CSDIC), Interrogation Reports, CSDIC/CMF/M 214, Box 652, First Detailed Interrogation of two PW from 1 Coy 16 SS Eng Bn, 2.7.1944 sowie: ebd., RG 407, Entry 427, Box 2223, First detailed interrogation of two PW Div. Escort Coy. from 16 SS PG Div., CSDIC/CMF/M 247, 23.7.1944. 43 Zit. nach Wegner, Politische Soldaten, S. 179. 44 Zeugenvernehmung des Beschuldigten Ignaz A. L., 23.3.2004, LO 21 Tatverdächtige F-L, Bl. 396 ff. Seite 28 5. In welchem Verhältnis standen die am 12.08.1944 zur Absperrung eingesetzten Einheiten der Gebirgsjäger zu der 16. SS-Panzergrenadierdivision? Wie ist die aufgrund der Aktenlage festzustellende Tatsache zu erklären, dass ein Töten von Zivilpersonen durch Gebirgsjäger nicht stattgefunden hat? Über die genauen Umstände des Unternehmens am 12. August 1944 liegen nur wenige Unterlagen vor. Wir wissen aus dem KTB der 14. Armee, dass das Generalkommando LXXV. Armeekorps am Abend des 7. August die 14. Armee um die Freigabe des II. Bataillons des SSPanzergrenadier-Regiments 35 ersuchte, das nach dem Ausfall seines Kommandeurs Ende Juli von SS-Hauptsturmführer Anton Galler geführt wurde. Das II. Bataillon war am 5. August aus der Front herausgezogen und als Armeereserve wenige Kilometer von Sant’Anna di Stazzema entfernt nach Pietrasanta verlegt worden. Durch die Rückkehr eines deutschen Soldaten, der oberhalb von Sant’Anna bei den Partisanen in Gefangenschaft gewesenen war, lagen ausreichend konkrete Informationen vor, um im dortigen Raum ein Unternehmen durchzuführen.45 Nach Auswertung der vorliegenden Unterlagen war an der Aktion am 8. August nur das Bataillon Galler beteiligt.46 Bei Gefechten auf den Hängen des Monte Gabberi gab es Verluste.47 Die im Anschluss daran durchgeführte Aktion am 12. August 1944 wird in den Meldungen der 14. Armee als „Bandenunternehmen der 16. SSPz.Gren.Div.“ bezeichnet.48 45 BA-MA, RH 20-14/41, AOK 14, KTB 4, 7.8.1944: “21.40 Uhr, Chef LXXV. A.K. - Ia 14. Armee: Chef LXXV. A.K. meldet Absicht, im Raum nördl. und nordostw. Camaiore gegen die dortigen Banden, über die ein aus der Gefangenschaft zurückgekehrter Wehrmachtangehöriger genaue Unterlagen mitgebracht hat, sofort ein Unternehmen anzusetzen. Um Freigabe des II./SS 35 wird gebeten. Ia 14. Armee erteilt in Vertretung des Chefs Genehmigung, die anschließend gebilligt wird.” Am 8.8.1944 wird der Einsatz „Säuberungsunternehmen” bezeichnet, BA-MA, RH 2014/114, AOK 14, Ic-TM 8.8.1944. 46 DD (WASt) 47 BA-MA, RH 20-14/114, Armeeoberkommando 14, Ic-TM 9.8.1944. 48 BA-MA, RH 20-14/46, Ia-TM v. 13.8.1944. Dazu wurde von der Ic-Abteilung ergänzt, dass sich eines der „Muni-Lager“, die gesprengt wurden, „in der Kirche“ befunden habe und dass außer der „Großküchenanlage“ auch „Nachrichtenmittel“ vernichtet worden seien. Bei dem sichergestellten „Bekleidungslager“ habe es sich um „Reste“ gehandelt, BA-MA, RH 20-14/114, Armeeoberkommando 14, Ic-M v. 12. u. 13.8.1944 sowie: RH 2/667, Ic-M v. 12. u. 13.8.1944. Seite 29 Zwar sind nicht alle an dem Massaker vom 12. August 1944 beteiligten Truppenteile bekannt. Die offensichtlich vorhandene einheitliche militärische Führung des Unternehmens hingegen kann nur bei dem für die Koordination und Leitung der Partisanenbekämpfung im rückwärtigen Gebiet der Division zuständigen SS-Sturmbannführer, Helmut Looß, angesiedelt gewesen sein. Die Führung der eingesetzten Truppenteile oblag dann dem jeweiligen Einheitskommandeur: im Falle des II./35 SS-Hstf. Anton Galler, beim Hochgebirgsjäger-Bataillon 3, je nach Kräfteeinsatz, beim Bataillonskommandeur Ludwig Eisinger oder beim Führer der in Ruosina stationierten 1. Kompanie, Lt. d. R. Karl Rössler. Der Einsatz weiterer Kräfte ist sehr wahrscheinlich, sie sind aber bisher nicht identifiziert worden. Bei der Untersuchung des Massakers ist besonders auffällig, dass Tötungshandlungen fast ausschließlich im westlichen Bereich von Sant’Anna stattgefunden haben, in Reichweite der Kolonne, die das Dorf aus Pietrasanta über Monte Ornato und Argentiera erreichte. Das ist auch die Richtung, aus der mehrere Zeugen diejenigen Truppen haben kommen sehen, die das Massaker verübt haben. Im nördlichen und östlichen Bereich fand eine einzige Tötungshandlung statt, unter vermutlicher Beteiligung der 5. und der 7. Kompanie des Bataillons Galler. Die Soldaten, die aus der Richtung Ruosina – Foce di Compito kamen, haben hingegen – soweit feststellbar - niemanden getötet. Auf ihrem Weg kamen sie durch Moco, I Bambini, Il Colle und Sennari. Bis auf einige Einwohner von Colle überlebten alle hier angetroffenen Personen. Etwa 20 Einwohner von Il Colle waren zwar zunächst, wie die anderen auch, nach Valdicastello in Marsch gesetzt, aber wenig später an andere Soldaten übergeben und getötet worden.49 Wer die Soldaten waren, die aus der Richtung von Ruosina kamen, wissen wir durch die Aussage des Gebirgsjägers Blattmann. Er gab an, das Geschehen auf dem Kirchplatz von Weitem beobachtet zu haben. Dies war nur von der der Kirche gegenüberliegenden nördlichen Seite möglich. Auch die Tatsache, dass Blattman auf dem Weg zur Kirche etwa 30 tote Zivilisten in einem Hohlweg gesehen haben will, was auf die Tötung der Einwohner von „Il Colle“ unweit von Sennari hindeutet, 49 Auf die Ereignisse in Colle scheint sich die Aussage des Beschuldigten Karl Heinz Ba. zu beziehen. Dazu verschiedene Aussagen durch Ettore Salvatori, Maria Luisa Ghilardini sowie Federico Bertelli. Die Aussagen aus den Jahren 1950 u. 1951 befinden sich nicht in den Akten) Seite 30 bestätigt die These, dass auf der Seite, wo wenige oder keine Zivilisten getötet wurden, sich die Gebirgsjäger bewegten. Dafür, dass die Gebirgsjäger allem Anschein nach keine Zivilisten getötet haben, kann man verschiedene Erklärungen geben. Eine Erklärung für das unterschiedliche Verhalten der verschiedenen Truppenteile könnten die Handlungsspielräume der eingesetzten Einheitskommandeure sein. Mordbefehle wurden selten direkt ausgesprochen, geschweige denn schriftlich fixiert. Es kann auch daran gelegen haben, dass es unterschiedliche Auffassungen von dem gab, was während einer Partisanenbekämpfungsaktion mit der Zivilbevölkerung eines besetzten Gebiets geschehen sollte. Auch fiel mit großer Wahrscheinlichkeit ins Gewicht, dass das Bataillon Galler bei dem ersten Einsatz gegen die Partisanen nördlich von Camaiore und Pietrasanta am 8. August einige Verluste erlitten hatte. Angriffe durch Partisanen und Verluste waren häufig mit ein Grund für harte Partisanenbekämpfungsaktionen und für Vergeltungsmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung. Rache und Frustration spielten dabei meistens auch eine wichtige Rolle.50 Im Bereich der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ können wir sogar eine Art Automatismus zwischen den Angriffen durch Partisanen, Verlusten und blutigen Vergeltungsmaßnahmen feststellen. Allen wichtigen Partisanenbekämpfungsaktionen und ausnahmslos allen Dörfervernichtungsaktionen, wie in Sant’Anna di Stazzema, Vinca, Bergiola Foscalina und Monte Sole/Marzabotto, gingen Zusammenstöße mit oder Überfälle durch Partisanen voraus. Dass das Bataillon Galler am 8. August seine Verluste in unmittelbarer Nähe zu Sant’Anna di Stazzema erlitt (knapp 1,5 km Luftlinie entfernt), kann als Ursache für das emotionale Bedürfnis nach Rache und Vergeltung der Angehörigen des Bataillons und als besonderes Motiv für das außerordentlich brutale Vorgehen der Truppen gedeutet werden.51 Zu der Einstellungsverfügung ist in diesem Zusammenhang kritisch anzumerken, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart in ihren Er50 Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS, S. 37f., 167f., 196-200, 318, 371-374. 51 Angaben von Horst Richter an Chr. Kohl (Abschlussverfügung, S. 87): „Er habe weiter ausgeführt, dass er Gruppenführer gewesen sei und dass Grund für die Aktion gewesen sei, dass vorher Partisanen vier Leute umgebracht hätten.“ Seite 31 mittlungen die Ereignisse des 8. August nicht in den Blick genommen hat. Auf diese Weise entgeht ihr nicht nur ein mögliches und ernst zu nehmendes Tatmotiv, sondern auch die Möglichkeit, die Aussagen der ehemaligen SS-Angehörigen kritisch zu prüfen. Hinter den Berichten vom Beschuss durch Partisanen und von Verwundeten beim Einsatz von Sant’Anna di Stazzema, wo es sich nicht um die vom Militärgericht in La Spezia bereits restlos geklärten Fälle von „friendly fire“ im Zusammenhang mit SS-Untersturmführer Erdmann Herbst und SSSturmmann H.E. handelt, könnte sich sehr wohl die Erinnerung an die zeitlich sehr nah liegenden Gefechte vom 8. August verbergen.52 6. Hätte unter Berücksichtigung der Örtlichkeiten die Vernichtung der Bevölkerung von Sant’Anna di Stazzema mit der Beschießung durch Granatwerfer oder sonstige schwere Waffen erfolgen können? Ist es erforderlich zu diesem Thema einen Militärhistoriker beizuziehen? Die in der Einstellungsverfügung vertretene Auffassung, dass es im Fall einer beabsichtigten Vernichtung für die deutschen Truppen einfacher gewesen wäre, das Dorf und dessen umliegenden Weiler mit schweren Waffen zu beschießen, kann nicht geteilt werden. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft schließen sich „die undifferenzierte Vernichtung der Personen und ihr vorgesehener Arbeitseinsatz in Deutschland [...] aus“. Hier wird eine unklare Vorstellung von Partisanenbekämpfung und eine mangelnde Kenntnis militärischer Entscheidungsprozesse und Sachverhalte offenbar. Bei der Betrachtung der These der Staatsanwaltschaft ergeben sich folgende Probleme: Der Ablauf des Einsatzes von Sant’Anna di Stazzema mit Umzingeln und Abriegeln des Areals, Festnehmen der Einwohner entsprach dem üblichen Vorgehen bei militärischen oder polizeilichen Maßnahmen etwa bei Haus- und Ortsdurchsuchungen oder bei sogenannter „Dorfüberholungen“ im Rahmen der „Bandenbekämpfung“. Die dazugehörende Prozedur ist überall gleich und auch noch in unserer Zeit als 52 Aussage v. Johann Wachendorf (Abschlussverfügung, S. 89f.): W. berichtet von Beschuss durch Partisanen. Das scheint sich auch auf den Einsatz von Farnocchia am 8.8.1944 zu beziehen. Seite 32 durchaus üblich zu bezeichnen.53 Ein Grundmuster solcher Aktionen im Zusammenhang mit der deutschen Partisanenbekämpfung in Frankreich hat der Historiker Peter Lieb erstellt. Dieses theoretische Muster entspricht grosso modo auch dem Vorgehen deutscher Truppen in Italien.54 „In der Praxis deckten die möglichen Folgen einer Ortsdurchsuchung die ganze Palette ab: Friedlicher Abzug der eingesetzten Truppe, Mitnahme von ‚Arbeitsverweigerern‘, Erschießung von tatsächlichen oder vermeintlichen Partisanen und ‚Partisanenhelfern‘, Tötung von Zivilisten als ‚Repressalie‘, Plünderungen, Anzünden von Häusern und letztlich [...] Zerstörung der gesamten Ortschaft und Ermordung aller Einwohner“.55 Ein weiterer Historiker, Christian Gerlach, hat auf der Grundlage von Originaldokumenten und Erkenntnissen der Justiz in Bezug auf die Vernichtungsaktionen im besetzten Osten ebenfalls ein Grundmuster erstellt. Auch hier standen am Anfang meistens Ortsdurchsuchungen bei denen die Bewohner der „überholten“ Dörfer in Gruppen versammelt und festgehalten wurden.56 Wurden die Dorfbewohner „als Sympathisanten der Partisanen“, eingestuft, wurden sie anschließend in „Scheunen, Ställen oder größeren 53 Vgl. als Beispiel die Vorschrift der britischen Streitkräfte: Land Operations, Vol. III: Counter-Revolutionary Operations, Ministry of Defence, 1969, besonders Part 2: Internal Security. 54 Dazu Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS, passim. 55 Lieb, Konventioneller Krieg, S. 297. : War ein Dorf als „Terroristennest" ausgemacht, musste die eingesetzte Truppe den Ort möglichst unauffällig umstellen bzw. besetzen und die Ortsausgänge bewachen. Auf fliehende Leute hatte sie dabei sofort zu schießen, wie in fast allen Befehlen immer wieder betont wurde. Im Ort, vorzugsweise auf dem Markt- oder Kirchplatz, wurde die gesamte Bevölkerung versammelt und Männer von Frauen und Kindern getrennt. Sipo/SD oder Feldgendarmerie überprüften die Papiere der Männer und suchten nach ‚Arbeitsverweigerern‘, Kommunisten, Gaullisten und in seltenen Fällen wohl auch nach Juden; kurzum: nach allen Leuten, von denen man eine aktive oder passive Beteiligung an Widerstandshandlungen erwartet. Als schuldig empfundene Leute wurden verhaftet und mitgenommen oder erschossen“. 56 Es sei hier auf das Vorgehen der SS-Kavallerie-Brigade 1941 im Osten hingewiesen. Chef des Stabes der Brigade war 1941/42 der spätere Kommandeur des SS-Panzergrenadierregiment 35, SS-Obersturmbannführer Karl Gesele. „Die SSKav.Brigade übt zurzeit folgendes Verfahren: Die zur Überprüfung einer Ortschaft angesetzte Abteilung stößt ohne jede Aufklärung im Morgendämmern mit voller Geschwindigkeit überraschend in den Ort hinein und bis zum anderen Ende durch, besetzt nach vorher festgelegter Einteilung im Handumdrehen des Außenrand des Dorfes in seiner ganzen Ausdehnung und holt dann die gesamte Einwohnerschaft, einschl. Frauen und Kinder, zur Überprüfung zusammen. Vielfach wird dann Geschick und Erfahrung des kommandierenden Offiziers und der zugeteilten SD und GFP-Gruppen mit ihren Dolmetschern über die Zusammensetzung der männlichen Einwohner und ihre Betätigung sowie über ihr Schicksal zur Säuberung und Befriedung des Gebietes entscheiden“, Korpsbefehl Nr. 52, Berück Mitte/Ia v. 14.9.1941, BA-MA, RH 22/227, zit. nach Cüppers: Wegbereiter der Shoah, S. 219f. Seite 33 Gebäuden“ eingeschlossen. Dies geschah, um zu verhindern, dass die Opfer „auseinanderliefen und entkamen“. Eine weitere Möglichkeit war, „dass jede einzelne Familie in ihrem Haus unter Arrest gestellt und dort mit Schüssen – besonders aus Maschinenpistolen – und Handgranaten umgebracht wurde. Anschließend wurden die Häuser angezündet.“ Dies verfolgte das Ziel, die nicht tödlich oder gar nicht getroffenen Opfer nachträglich zu töten und so keine Zeugen zu hinterlassen.57 Ein weiteres Ziel des Verbrennens der in den Gebäuden Getöteten war die Vernichtung von Spuren.58 Das von der Staatsanwaltschaft entworfene Szenario einer Vernichtungsaktion durch indirekten Beschuss von schweren Waffen entspricht nicht der Wirklichkeit des Partisanenkriegs und schon gar nicht der NS-Vernichtungsmaßnahmen. Die Staatsanwaltschaft scheint, die Rolle der „schweren Waffen“ völlig zu verkennen. Artillerie und Granatwerfer vernichten nicht den Feind. Ihre Aufgabe ist vielmehr, „mit der Gewalt ihres Feuers rechtzeitig die Kräfte des Feindes zu zerschlagen und hierdurch der eigenen Infanterie zum Sieg zu verhelfen [...] die Feuerüberlegenheit über den Gegner zu erringen und zu brechen, um so seine Entschlussfähigkeit und Widerstandskraft zu brechen.“59 Dörfer wurden im Verlauf der Partisanenbekämpfung durch Artillerie und Granatwerfer beschossen sowie gelegentlich sogar aus der Luft bombardiert. Dies geschah meistens im Rahmen von Kampfhandlungen mit Partisanengruppen. Das Ziel war dann eben nicht die Vernichtung der Einwohner, sondern die Bekämpfung der Partisanen. Bei den Zerstörungen gab es natürlich Opfer auch unter der Bevölkerung, aber Gegenstand der Aktionen mit schweren Waffen war nicht die Vernichtung der Zivilbevölkerung. 57 Gerlach, Kalkulierte Morde, S. 915f. Bei der Operation „Bamberg“ in Weißrussland im Frühjahr 1942 wurden im Ort Chwoineja „1350 Menschen teils in ihren Häusern eingesperrt und durch Handgranaten und Verbrennen getötet, in Rudnja 800 Personen gesammelt und gruppenweise getötet“, ebda., S. 887. Dazu auch Ueberschär: Orte des Grauens, s. v.a. Boll: Chatyn 1943; Begemenn: Distomo 1944; Rondholz: Kalavryta 1943; Steinkamp: Lidice 1942; Meyer: MousiotitsasKommeno-Lyngiades 1943; Meyer: Oradour 1944; Gentile: Vallucciole 1944. 58 Notwendige Exekutionen sind möglichst dem SD zu überlassen, damit Erschießungen so erfolgen, daß keine Spuren zurückbleiben. Falls Erschießungen durch Truppe notwendig, weil SD nicht in nächster Nähe, muß Exekution in Häusern erfolgen. Die Leichen sind mit Stroh oder Heu zu bedecken und in Häusern zu verbrennen“, Oberst Knecht am 18. Februar 1943: zit. nach Birn, „Zaunkönig“ an „Uhrmacher“, S. 111; s. auch Musial, Sowjetische Partisanen, S. 189. 59 H.Dv. 200/5, Ausbildungsvorschrift für die Artillerie, Heft 5, Die Führung der Artillerie, Berlin 1937, S. 9f. Seite 34 Was Sant’Anna di Stazzema betrifft, sind mehrere konkrete Fragen offen. Um welche schweren Waffen soll es sich dabei gehandelt haben? Was wissen wir überhaupt über die Bewaffnung des Bataillons Galler nach den Kämpfen an der Front im Juli 1944? Den Aussagen der befragten ehemaligen SS-Angehörige sind kaum Hinweise auf den Einsatz von „schweren Waffen“ zu entnehmen. Meistens berichten sie über Handfeuerwaffe. Schwere Maschinengewehre gab es nur in den sMG-Gruppen im IV. Zug der 5., 6. und 7. Kompanie. Die anderen Teileinheiten waren mit leichten MGs ausgerüstet. Mittlere Granatwerfer gab es in allen vier Kompanien. Die 8. (schwere) Kompanie gliederte sich in zwei Infanteriegeschützzüge, einen Pak- und einen mittleren Granatwerfer-Zug. Infolge der Ausfälle an der Front verfügte das Bataillon Galler nur noch eingeschränkt über schweren Waffen. Von ursprünglich zwölf schweren Maschinengewehren, 54 leichten Maschinengewehren, sechs mittleren Granatwerfern und sechs Flammenwerfern im Bestand der Panzergrenadierkompanien waren Ende Juli noch sechs schwere Maschinengewehre, 18 leichte Maschinengewehre, fünf mittleren Granatwerfer und die sechs Flammenwerfer vorhanden. Die 8. Kompanie hatte noch zwei mittleren Granatwerfer von ursprünglich sechs, fünf Maschinengewehre (früher neun), von ursprünglich vier leichten Infanteriegeschützen (motZ) waren noch drei im Bestand. Die drei schweren Pak-Geschütze hatte die Kompanie verloren.60 Nach den Angaben eines in amerikanischen Gefangenschaft geratenen Bataillonsangehörigen war die 8. Kompanie aufgelöst worden und das Personal auf die übrigen Panzergrenadierkompanien aufgeteilt.61 Die Hinzuziehung eines weiteren mit der Praxis der deutschen Partisanenbekämpfung im Zweiten Weltkrieg vertrauten Historikers (Militärhistoriker) halte ich zur Klärung dieser Frage für notwendig. 60 Dazu verschiedene Kriegsgliederungen der Division im Bestand Gen.Kdo. LXXV. Armeekorps im Bundesarchiv-Militärarchiv (RH 24-75). 61 US NARA, RG 407, Entry 427, Box 2223, 34th Infantry Division, PW Interrogation Report 137 (on 13 PWs), 24.7.1944. Seite 35 7. Welche Rolle spielte die Tatsache, dass der Generalstabsoffizier und SS-Obersturmbannführer Helmut Looß das Kommando über die „Bandenbekämpfung“ hatte? Gibt es in der Vergangenheit des Helmut Looß unter seiner Verantwortung weitere Massaker? Die Abschlussverfügung der StA Stuttgart vom 26. September 2012 enthält auf Seite 79 folgenden Passus: „Wegen des Zuständigkeitsübergangs für die Partisanenbekämpfung von der für die Feindlage zuständigen Ic-Abteilung auf die Führungsabteilung Ia kann eine Tatbeteiligung des Helmut Looß als damaligem Leiter der Abteilung Ic nicht festgestellt werden“.62 Dies ist nicht zutreffend. Aus der Betrachtung der Quellen ergibt sich vielmehr, folgendes Bild: Der 1910 in Eisenach geborene SD-Führer und damals im Rang eines SS-Sturmbannführers stehende Helmut Looß wurde Mitte Juli 1944 vom Reichssicherheitshauptamt als Leiter der Abteilung Ic zum Stab der 16. SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer-SS“ versetzt.63 Nach seiner Ankunft wurde er vom Divisionskommandeur Max Simon zum Sicherungskommandanten ernannt und somit zum Koordinator der Partisanenbekämpfung im rückwärtigen Gebiet der Division. Diese Rolle erhielt er aufgrund der Erfahrung in der „Bandenbekämpfung“, die er als Sonderkommandoführer während eines 18-Monate langen Einsatzes von Anfang 1943 bis Mitte Juli 1944 im besetzten Osten erworben hatte.64 62 Abschlussverfügung, 26.9.2012, S. 79; dazu auch S. 78. Dies steht jedoch im Widerspruch zu der Aussage auf S. 25, wo die Ergebnisse meiner Forschungen referiert werden. Die Staatsanwaltschaft erwähnt dort, ohne sich freilich von der Aussage zu distanzieren, den „mit der Partisanenbekämpfung im Hinterland der Division beauftragten Leiter der Ic-Abteilung, SS-Obersturmbannführer Helmut Looß“. Der Widerspruch scheint gar nicht bewusst zu sein. 63 BAB, BDC, SSO, Personalakte Looß, O-Karte, am 13.7.1944 zur 16. SS-PGD „Reichsführer-SS“ kommandiert; StA Stuttgart, 16 Js 186/69, Vernehmung Looß v. 15.1.1970, Versetzung „um den 20. Juli 1944“. 64 BAB, BDC, SSO, Personalakte Looß, Beurteilung v. 1.11.1944: „Im Osten im Bandenkampf bewährt (E.K. I und II), zeigte sich auch im italienischen Bandenkampf als umsichtiger Führer und erzielte ausgezeichnete Erfolge“; TNA, WO 32/15510, Max Simon Trial, Sentence for War Crimes, 15.11.1947: Max Simon „admitted that he had appointed one of his officers lately returned from dealing with partisans on the Russian front to be officer in control of all anti-partisan measures within the Divisional area and that he gave this officer Carte Blanche“. Dazu auch Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder, Bl. 29bis, Stellungnahme v. Walter Reder in ital. Sprache: Il comandante di sicurezza della divisione, 3.2.1951, sowie ebda., H.Q. 218 (SEP) Sub-Area, Statement of Max Saalfrank, 27.1.1947. Seite 36 Hier soll gezeigt werden, dass, anders als von der Staatsanwaltschaft Stuttgart angenommen, SS-Sturmbannführer Helmut Looß Hauptverantwortlicher für die Partisanenbekämpfung im Bereich der Division war. Aus diesem Grund ist ihm ein großer Einfluss auf den Radikalisierungsprozess im Bereich der Division im Sommer 1944 zuzuschreiben. Wie im Folgenden noch deutlicher werden wird, sprechen mehrere Faktoren für diese Einschätzung: 1) die Spuren seiner Beteiligung an den Partisanenbekämpfungsaktionen, 2) die zeitliche Übereinstimmung von der Aufnahme seiner Tätigkeit in Italien Ende Juli/Anfang August 1944 und dem Beginn der Massenmorde im Umfeld der Division sowie 3) seine vorherigen Erfahrungen im Osten.65 Da in der Abschlussverfügung unklare Vorstellungen über die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten bei der Partisanenbekämpfung bestehen, ist es im Rahmen der gutachterlichen Stellungnahme zu der Frage nach der Rolle des SS-Sturmbannführers Looß sinnvoll, zunächst kurz auf diesen Aspekt einzugehen. Bis Sommer 1942 lag die Zuständigkeit für die Bekämpfung der sogenannten „Banden“ in den von Deutschland besetzten Gebieten bei dem für die Militärverwaltung im Operationsgebiet verantwortlichen Generalquartiermeister des Heeres. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe waren ihm die Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebiets und die Sicherungstruppen zugeordnet.66 Diese Situation war charakteristisch für die frühe Phase der deutschen Besetzung im Osten, als Partisanen in den rückwärtigen Gebieten noch keine herausragende Rolle spielten. Dies änderte sich aber grundlegend im Verlauf des Jahres 1942, als vor allem im Rücken der Heeresgruppe Mitte eine intensive Partisanentätigkeit entstand, die die Versorgung der Front und die Sicherheit der Truppe bedrohte.67 Mitte August 1942 erging an die Truppen die „Führerweisung“ Nr. 46: Richtlinien für die verstärkte Bekämpfung des Bandenunwesens im Osten, die die Verantwortung für die Partisanenbekämpfung neu ordnete. So wurde darin festgelegt, dass die Verantwortung für die Bandenbekämpfung in den Reichskommissariaten auf den „Reichsführer-SS“ überging, im Operationsgebiet auf die Operationsabteilung im Generalstab des Heeres und an die Führungsabtei65 Für ein ausführliches biografisches Porträt s. Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS, S. 297-303. 66 Pohl, Die Herrschaft der Wehrmacht, S. 95. 67 Musial, Sowjetische Partisanen. Seite 37 lungen der Kommandobehörden und Verbände. Die Bandenbekämpfung sollte nicht mehr von den rückwärtigen Stäben betrieben, sondern eine „Führungsangelegenheit“ werden. So lautet der entsprechende Passus aus der Weisung Hitlers: „Die Bandenbekämpfung ist, wie die Führung gegen den Feind an der Front, eine Führungsangelegenheit. Sie ist durch die hierfür vorgesehenen Führungsstäbe zu organisieren und zu führen“.68 „In der Praxis“ – so der Militärhistoriker Bernd Wegner – „bedeutete dies, dass auf der Ebene des OKH nunmehr die Operationsabteilung [...], bei den Heeresgruppen, Armeeoberkommandos etc. die jeweiligen Führungsabteilungen für alle Fragen der Bandenbekämpfung und den Einsatz der Sicherungskräfte federführend wurden“.69 Zur Führungsabteilung gehörten bekanntlich der Erste Generalstabsoffizier (Ia), der für die operativ-taktische Truppenführung zuständig war, und der für Sicherung und Feindaufklärung verantwortliche Dritte Generalstabsoffizier (Ic) sowie ihre jeweiligen Ordonnanzoffiziere: der O1 (Gehilfe des Ia) und der O3 (dem Ic als Hilfe beigegeben).70 Im Lichte des hier knapp Referierten ist die in der Abschlussverfügung enthaltene Aussage, die Zuständigkeit für die Partisanenbekämpfung sei „von der für die Feindlage zuständigen Ic-Abteilung auf die Führungsabteilung (Ia)“ übergegangen, offensichtlich sachlich falsch. Zwar wird dort auf das Gutachten Radtke/ von Lingen vom 4. Januar 2008 Bezug genommen, das wiederum auf einen Beitrag im 5. Band der vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt herausgegebenen Gesamtdarstellung des Zweiten Weltkriegs (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg) verweist, worin steht: „Operative Bedeutung wurde der Partisanenbekämpfung ab 1942 auch von deutscher Seite beigemessen. Die Koordinierung aller Maßnahmen im Operationsgebiet des Heeres wurde den Ia-Abteilungen übertragen und im August 1942 auch offiziell zur ‚Führungsangelegenheit‘ erklärt“.71 Diese in die68 Weisung Nr. 46, Richtlinien für die verstärkte Bekämpfung des Bandenunwesens im Osten, 18.8.1942, gez. Adolf Hitler, gedruckt in Hubatsch, Hitlers Weisungen für die Kriegführung, S. 202 69 DRZW, Bd. 6, S. 918. (Beitrag Wegner) auch ganz richtig Hesse, Der sowjetrussische Partisanenkrieg, S. 192, 270, so auch Gerlach, Kalkulierte Morde, S. 154. 70 Buchner, Handbuch der deutschen Infanterie, S. 86f. 71 Gutachten Radtke/von Lingen vom 4. Januar 2008, S. 19; DRZW, Bd. 5/2, S. 153 (Beitrag Hubatsch), so auch Hürter, Hitlers Heerführer, S. 438. Seite 38 ser Formulierung leicht missverständliche Passage – es sollte hier „Führungsabteilungen“ heißen statt „Ia-Abteilungen“ - bedeutet jedoch keinesfalls, dass die Verantwortung für den Kampf gegen die Partisanen im Sommer 1942 von den Ic- auf die Ia-Offiziere übergegangen ist. Davon ist weder in den Quellen noch in der zitierten Fachliteratur die Rede. Gemeint ist vielmehr, dass die Verantwortung von den Stäben der Etappe auf die Führungsabteilungen übertragen wurde, also den Ia- und Ic-Offizieren, die sich von diesem Zeitpunkt an, die Aufgabe der Partisanenbekämpfung teilten. Betrachten wir nun die Verhältnisse bei den deutschen Stäben auf dem italienischen Kriegsschauplatz um 1944. Im Führungsstab der Heeresgruppe C (OB Südwest) waren hauptsächlich zwei Offiziere mit der Koordination der Partisanenbekämpfung betraut: der dem Ersten Generalstabsoffizier unterstellte und für Territorialangelegenheiten zuständige Sachbearbeiter (der Ia/T-Offizier) sowie der Ic-Offizier. Analog dazu waren die Zuständigkeiten bei den Armeen angesiedelt. Bei der Armee Ligurien lag die Verantwortung für Bewachungs- und Sicherungsaufgaben sowie für die Partisanenbekämpfung bei dem Ia/T, wobei der Einsatz geschlossener Verbände in Absprache mit weiteren Offizieren des Stabes zu erfolgen hatte. Der Ic-Offizier bzw. sein Gehilfe (der dritte Ordonnanzoffizier oder O3) war für die Ermittlung der „Bandenlage“ zuständig.72 Diese Struktur setzte sich auf der unteren Ebene entsprechend fort, wobei in den wesentlich kleineren Stäben der Divisionen und der Korps die jeweiligen Ic-Abteilungen die tragende Rolle spielten, während die Ia-Offiziere das operative Geschehen an der Front im Blick behielten. In den kämpfenden Divisionen war vielfach der Ic-Offizier oder sein Vertreter für die Bearbeitung der 72 BA-MA, RH 20-28/2, A.O.K. Ligurien, Arbeitseinteilung des Stabes, 1. September 1944. Die für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im rückwärtigen Armeegebiet verantwortlichen Kommandanten des rückwärtigen Gebiets (Korück), deren Hauptaufgabenbereiche der Schutz der Transportwege und die Bekämpfung der Partisanen waren, setzten ihre gesamte Führungsabteilung ein: BA-MA, RH 20-14/50, Armeeoberkommando 14, Arbeitseinteilung des Oberkommandos der 14. Armee, Stand 1.10.1944, Korück 514. Der Ia-Offizier des Korück war für „Belegung des Raumes, Alarmeinheiten und Jagdkommandos; Bandenbekämpfung, Verkehrswege, Straßenkommandanten, Kontrollkommandos“ zuständig, der Ic-Offizier für „Überwachung der Bandenlage, Führung der Bandenlagekarte, innerpolitische Lage, Einsatz von V.-Männern, Feindlage an der Front, Spionageabwehr, Vernehmungen, Ausstellung von Ausweisen“. Seite 39 Feindlage an der Front verantwortlich, während sich der Andere „hinten [...] zur Bandenbekämpfung“ befand.73. Looß‘ Funktion als Sicherungskommandant für das rückwärtige Gebiet der 16. SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer-SS“ stellt daher keine Ausnahme dar. Auch gibt es zahlreiche glaubwürdige Belegstellen, die die These der Führungsrolle Looß’ bei den Partisanenbekämpfungsaktionen im Sommer und Herbst 1944 untermauern. Diese ergeben sich einerseits aus verschiedenen im Rahmen der Prozesse gegen Max Simon und Walter Reder zwischen 1947 und 1951 entstandenen Befragungen, andererseits auch aus Akten der Division74. Dieses sehr aufschlussreiche Material ist von der Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht zu Rate gezogen worden. Der frühere Ia-Offizier Ekkehard Albert äußerte sich zur Organisation der Partisanenbekämpfung folgendermaßen: „Die Durchführung der Unternehmen wurde vom Divisionskommandeur (Generalleutnant Simon) befohlen. Die Gesamtführung der bei diesen Unternehmen eingesetzten Truppenteile war dem Ic der Division (Major Loos [sic! Looß]) übertragen“.75 Nach den glaubhaften Darlegungen Walter Reders soll Helmut Looß bei der Ermordung von Gefangenen aus der Aktion von Sant’Anna zur Vergeltung eines Partisanenattentats in Bardine di San Terenzo am 19. August 1944 nicht nur vor Ort anwesend gewesen sein, sondern auch die Hinrichtung der „Sühnegefangenen“ persönlich geleitet haben.76 Aus den Aussagen der ehemaligen SS-Führer Ekkehard Albert, Walter Reder, Max Paustian und Max Saalfrank ergibt sich ferner die maßgebliche Verantwortung des SS-Sturmbannführers Looß für die von der SS-Division mit Wehrmachtunterstützung im Raum Monte Sagro und Vinca durchgeführte Operation. SS-Sturmbannführer Helmut Looß‘ Rolle als Einsatzkommandeur bei den großen Partisanenbekämpfungsaktionen der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ im Raum Monte Sagro/Vinca sowie im Raum Monte Sole/Marzabotto ist gut belegt. Er leitete in beiden Fällen Einsatzbesprechungen und 73 Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS, S. 63f.; Zitat aus: BA-MA, RH 26-715/17, Notizen v. 5.7.1944 (Leutnant Markus). 74 BAB, BDC, SSO, Personalakte Looß, Beurteilung v. 1.11.1944: „Im Osten im Bandenkampf bewährt (E.K. I und II), zeigte sich auch im italienischen Bandenkampf als umsichtiger Führer und erzielte ausgezeichnete Erfolge“. 75 Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder, Aussage Albert, 28.10.1950. 76 Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder, Vernehmung Reders, 8.3.1949, Bl. 12r.-14r., Aussage Reders v. 14.2.1951, Bl. 30f., Bl. 48v., 49, 49v. Seite 40 Befehlsausgaben und hatte die Gesamtleitung während der Unternehmen. Nach Reders Angaben begleitete er sogar die Einheiten im Gelände und war in Vinca dabei.77 Ebenso nachgewiesen ist seine Führung bei der Aktion am Monte Sole/Marzabotto, wo er im Vorfeld des Einsatzes Besprechungen hielt und Befehle an die Einheitsführer erteilte.78 Auch im Zusammenhang mit der Aktion von Sant’Anna ergeben sich nach sorgfältiger Auswertung der verfügbaren Unterlagen Hinweise auf den Ic-Offizier und Divisionssicherungskommandant Looß. So spricht vieles dafür, dass sich hinter dem „SS-Major“,79 der im Vorfeld der Aktion vom 12. August 1944 eine Besprechung mit einem Gebirgsjägeroffizier in Ruosina abhielt, SS-Sturmbannführer Looß verbirgt.80 Die Staatsanwaltschaft erwähnt zwar die mögliche Personen77 Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder, Aussage v. Ekkehard Albert, 28.10.1950, Bl. 316 (Ic als Divisionssicherungskommandant und Einsatzführer bei Vinca), Aussage Reders, 14.-16.2.1951, Bl. 31r., 35 u. 35v. (Looß als Einsatzführer in Vinca), Bl. 52-54 (Besprechung in Massa um den 20.8.1944, Looß als Einsatzführer bei den Aktionen in Vinca und bei Monte Sole/Marzabotto); ebda., H.Q. 218 (SEP) Sub-Area, Statement of Max Saalfrank, 27.1.1947; Statement of Max Paustian, 17.2.1947 (Besprechung in Massa vor dem Einsatz unter Teilnahme von Looß, Paustian, Hans-Joachim Zientarski, sowie Walter Reder, seine Kompaniechefs und ein Heeresoffizier); Amtsgericht Bad Schwartau, Aussage von Max Paustian, 29.7.1950, Bl. 2 (Besprechung/Befehlsausgabe auf Reders Gefechtsstand in Massa mit Einheitsführer der SS-Division sowie des Heeres und der italienischen faschistischen Miliz unter Vorsitz von Reder oder vom „Ic-Offizier der Division“, der ebenfalls anwesend war). 78 Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder, Aussage Reder, 17.2.1951, Bl. 37v., 38 (Befehlsausgabe an die Kompanieführer nach Besprechung mit Looß am Abend des 28.9.1944), ebda., Bl. 40 (Besprechung mit Looß am Abend des 29.9.1944), ebda. Bl. 42 (weitere Befehle von Looß); über Besprechungen während des Einsatzes s. auch DÖW, Wien, 21189, Übersetzung der Aussage v. Max Saalfrank, 12.3.1947, sowie Aussage v. Rudi Vysek, 13.3.1947. 79 Nachweislich der Einträge in seiner SS-Führerakte wurde Helmut Looß am 1.9.1941 zum SS-Sturmbannführer befördert. Die nächste Stufe (SS-Obersturmbannführer) erreichte er erst am 9.11.1944. Zur Tatzeit war er also SS-Sturmbannführer, was dem militärischen Rang eines Majors beim Heer entspricht; BAB, BDC, SSO 275A, Personalakte Looß, SSO-Karte. 80 Mil.St.A. La Spezia, Verf. Nr. 498/00, Legione Territoriale dei Carabinieri Reali di Livorno, Compagnia di Viareggio, Segnalazione crimini di guerra, 3.9.1945. Der Name des Offiziers soll „Rissle” gewesen sein. Bei ihm handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Leutnant Karl Rössler, den Führer der 1. Kompanie des Hochgebirgsjäger-Bataillons 3, die zur Tatzeit in Ruosina stationiert war. Die Besprechung soll wenige Tage vor dem Einsatz vom 12.8.1944 stattgefunden haben. Die Carabinieri gingen davon aus, dass der Gebirgsjägeroffizier bei diesem Treffen den Einsatz der SS angefordert hatte, was allerdings nicht sehr wahrscheinlich ist, da die Aktionen im Raum Sant’Anna auf vorherigen Planungen des LXXV. Armeekorps zurückgingen, Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS, S. 221f. Dies scheint letztlich auch die Staatsanwaltschaft anzunehmen, ohne dabei den Widerspruch zu ihrer auf S. 78f. aufgestellte These, Looß habe keine Befugnisse in der Partisanenbekämpfung gehabt, zu merken, Abschlussverfügung der StA Stuttgart, S. 25: „In diesem Zusammenhang hat Gentile auch eine Besprechung zwischen dem Leutnant der Gebirgsjäger Rißle aus Wien und einem nicht identifi- Seite 41 identität in ihrer Verfügung, zieht daraus allerdings nicht die logische Schlussfolgerung. Da, wie durch die Aussage des Zeugen Blattmann (Hochgebirgsjäger-Btl. 3) eindeutig geklärt, die Gebirgsjägerkompanie unter Leutnant d.R. „Rissle“/Rössler am 12.8.1944 im nördlichen Bereich von Sant’Anna eingesetzt war, ist die Annahme, dass das Treffen beider Offiziere eine Einsatzbesprechung war, naheliegend. Es war wohl Looß‘ Erfahrung in der Bandenbekämpfung, die dazu geführt hatte, dass SS-Gruppenführer Max Simon ihm die Verantwortung im Bereich der Division übertrug. Um welche Art von Erfahrungen geht es dabei konkret? Es handelte sich um einen 18monatigen Einsatz, der sich überwiegend in Weißrussland abspielte, im Mittelpunkt des nationalsozialistischen Vernichtungskriegs im Osten. Auskunft über die Tätigkeit seines Kommandos geben die gegen ihn von der deutschen Justiz nach dem Krieg angestrengten Verfahren.81 Von Februar bis Mai 1943 war Looß beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Charkow eingesetzt, dann kurz in Dnjepropetrowsk. Im Mai 1943 wurde er nach Smolensk beordert.82 Danach übernahm er bis zum 31. Mai 1944 die Führung des Sonderkommandos 7a der Einsatzgruppe B.83 Das etwa 150 bis 200 Mann starke Kommando operierte im rückwärtigen Gebiet der 9. Armee. Nach dem Scheitern des Unternehmens „Zitadelle“ setzte sich die Armee im Juli 1943 ab und mit ihr das Sonderkommando 7a, das etwa Mitte September die Stadt Roslawl bei Smolensk erreichte. Dort befand sich ein Zivilgefängnis mit etwa 700 russischen Internierten, zierten SS-Sturmbannführer, vermutlich einem Bataillonskommandeur der SSDivision oder sogar eher dem mit der Partisanenbekämpfung im Hinterland der Division beauftragten Leiter der Ic-Abteilung, SS-Obersturmbannführer 96 Helmut Looß, erwähnt.“. 81 BStA, St.A. Bremen 29 Js 177/65, Vernehmung Looß, März 1968. Das Landgericht Bremen setzte Looß 1969 wegen der Verjährung seiner Taten außer Verfolgung. Dass er „an der rechtswidrigen Tötung einer großen Zahl von Menschen in verschiedenen Aktionen beteiligt gewesen sei“ galt dennoch als gewiss, seine Einlassung, „für Tötungshandlungen weder verantwortlich [...] noch bis auf wenige Fälle davon erfahren zu haben“ wurde als „unglaubwürdig“ angesehen, BStA, LG Bremen, IV AR 414/69, Beschluss in der Strafsache gegen Helmut Looß u. Josef St., Bl.18f. sowie auch BStA, St.A. Bremen, II A 1/70, I BA 12/71, Urteil in der Verwaltungsrechtssache des Lehrers Helmut [...] Looß. 82 BAL, Kartei, versch. Eintragungen auf der 2. Karte für Looß. 83 BAB, BDC, SSO 275A, Personalakte Looß, Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, 31.5.1944. Zur Tätigkeit der Einsatzgruppe B bei der „Bandenbekämpfung“ im Osten s. Mallmann, Aufgeräumt und abgebrannt. Sicherheitspolizei und „Bandenkampf“ in der besetzten Sowjetunion, in: Paul/Mallmann, Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg, S. 503-520; Gerlach, Kalkulierte Morde, S. 959-963; Birn, „Zaunkönig“ an „Uhrmacher“. Seite 42 hauptsächlich arbeitsunfähigen Zivilisten, Frauen mit Kindern. Das Kommando beteiligte sich an deren Liquidierung, die durch Personal des Sonderkommandos 7c und russischen Hilfswilligen im September 1943 erfolgte. Auch in Gomel wurden die Gefängnisinsassen auf ähnliche Weise ermordet.84 Im Spätherbst 1943 kam das Sonderkommando 7a nach Bobruisk in Weißrussland. Hier sollte die Partisanenbekämpfung die „Hauptaufgabe“ des Sonderkommandos werden.85 Zu diesem Zweck stellte es ein „Bandenjagdkommando“ auf, das wiederholt Säuberungsaktionen im Rücken der Armee durchführte.86 So wurde das Dorf Bobrowitsche [Bobrovichi], südlich von Bobruisk, vernichtet und die Bewohner, etwa 50 bis 100 Zivilisten, erschossen und in zahlreichen Fällen in ihren Häusern verbrannt. Diese Vorgehensweise diente der Vernichtung von Spuren, wie ein erhaltenes Dokument aus dem Partisanenkrieg im Osten verdeutlicht: Oberst Knecht, der Einsatzführer des Unternehmens „Winterzauber“, instruierte in einem Schreiben vom 18. Februar 1943 seine Truppen: „Notwendige Exekutionen sind möglichst dem SD zu überlassen, damit Erschießungen so erfolgen, daß keine Spuren zurückbleiben. Falls Erschießungen durch Truppe notwendig, weil SD nicht in nächster Nähe, muß Exekution in Häusern erfolgen. Die Leichen sind mit Stroh oder Heu zu bedecken und in Häusern zu verbrennen“.87 Zeugen gaben ferner an, dass das Kommando „laufend“ Juden und Partisanen bei seinen Aktionen erschoss. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bremen soll es sich insgesamt um viele Hun84 LG Bremen, IV AR 414/69, Beschluss in der Strafsache gegen Helmut Looß u. Josef St., Bl. 12-19. 85 BStA, St.A. Bremen, II A 1/70, I BA 12/71, Urteil in der Verwaltungsrechtssache des Lehrers Helmut [...] Looß. 86 Dazu ist ein Befehl des KdS Radom v. 21.7.1944 erhalten in dem es heißt.“Soweit es die Frontlage erforderlich macht, sind rechtzeitig Vorkehrungen für eine Totalräumung der Gefängnisse zu treffen. Bei überraschender Entwicklung der Lage, sind die Gefängnisinsassen zu liquidieren, wobei die Erschossenen nach Möglichkeit beseitigt werden müssen (Verbrennen, Sprengung der Gebäude u.ä.)“, s. LG Bremen, IV AR 414/69, Beschluss in der Strafsache gegen Helmut Looß u. Josef St., Bl. 12f. Auch im Juni 1944 wurden in Weißrussland Gefängnisse und Zwangsarbeitslager durch Vernichtung der Insassen geräumt: Gerlach, Kalkulierte Morde, S. 1101, dort besonders Fußnote 245, wo das Sonderkommando 7a und das Einsatzkommando 8 als Täter angegeben werden; Pohl, Herrschaft der Wehrmacht, S. 329. Dieses Vorgehen war im Osten häufige Praxis: Befehl über „Räumung von Gefängnissen“, 20.7.1944, in: IMT, Dok. 053-L, Bd. 37, S. 487, sowie: BAL, Verf. 518 AR-25/67, Hessisches Landeskriminalamt, Sonderkommission, Zeugenschaftliche Vernehmung Friedrich Ho., 14.6.1967, Bl. 156f. 87 Zit. nach Birn, „Zaunkönig“ an „Uhrmacher“, S. 111; s. auch Musial, Sowjetische Partisanen, S. 189. Seite 43 dert Tote gehandelt haben, Juden wie Nichtjuden, Partisanen, Zivilisten, Frauen und Kinder. Seit März 1944 wurde das Gefängnis des Sonderkommandos 7a in Bobruisk in regelmäßigen Abständen durch Massenerschießungen geleert.88 Im Frühjahr 1944 hatte das Sonderkommando einen wesentlichen Anteil an der Verschleppung von 50.000 Zivilisten, die als „unnütze Esser“ eingestuft wurden, in drei Lager bei Osaritschi in Weißrussland.89 Es ist festzuhalten, dass Looß als Verantwortlicher für die Partisanenbekämpfung im rückwärtigen Gebiet der Division die entscheidende Figur war, die alle wichtigen Fäden in der Hand hielt. Daher muss er als ein wesentlicher Faktor in dem Radikalisierungsprozess im Bereich der Division angesehen werden. Als ehemaliger Sonderkommandoführer übertrug Looß die Handlungsmuster aus dem NS-Vernichtungskrieg im Osten auf die Partisanenbekämpfung in Italien. Man denke an die Ermordung der Frauen, Kinder und Alten im Apennin, deren Leichen in Orten wie Sant’Anna di Stazzema, Vinca, Valla, Monte Sole und Umgebung, analog zu den Vorgängen im Osten, verbrannt wurden; an die Verschleppungen von Tausenden zur Zwangsarbeit; an die Morde an nicht-arbeitsfähigen Gefangenen; an die gezielten Tötungen von Juden in Pisa oder an die Verfolgung von katholischen Geistlichen.90 Gerade hier wird deutlich, wie eng Auskämmungen und Deportationen von Zwangsarbeitern mit Partisanenbekämpfungs- und Vernichtungsaktionen im Bereich der der 16. SSPanzergrenadier-Division „Reichsführer-SS“ miteinander verbunden waren. Die grausame Vorgehensweise der 16. SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer-SS“ gegen die italienische Zivilbevölkerung lässt sich mit den Erfahrungen Helmut Looß‘ aus dem NSWeltanschauungskrieg im Osten gut erklären. Aber war Helmut Looß der einzige Träger solcher Erfahrungen? Wenn wir das Personal der 88 LG Bremen, IV AR 414/69, Beschluss in der Strafsache gegen Helmut Looß u. Josef St., Bl. 12f. Ein Außenkommando des Sonderkommandos 7a erschoss 1943 und 1944 „etwa 20 bis 30 Mal Gruppen von 2 bis 4 Personen“. Bei den Opfern handelte es sich um Inhaftierte, die immer dann getötet wurden, „wenn der Arrestantenraum überfüllt war“; Erschießungen von Juden, Kranken, Frauen und Kinder, Bl. 14-17; Teilnahme des Sonderkommandos an sogenannten „Enterdungsaktionen“, ebda., Bl. 25-28. 89 Pohl, Die Herrschaft der Wehrmacht, S. 328f.; Rass, Ozarichi 1944. 90 Ausführlich hierzu: Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS, S. 211-254. Seite 44 Division näher untersuchen, finden wir mehrere ähnliche „Gewaltkarrieren“. Der Divisionskommandeur, SS-Gruppenführer Max Simon, war lange Jahre Kommandeur von Wachtruppen in Konzentrationslagern und einer der Mitbegründer der SS-Totenkopfverbände sowie der daraus entstandenen SS-Division „Totenkopf“ gewesen. SSObersturmbannführer Karl Gesele, Kommandeur des SSPanzergrenadierregiments 35 im Sommer 1944, war vom September 1941 bis September 1942 Chef des Stabes der SS-Kavalleriebrigade, die seit Sommer 1941 im Rahmen des Kommandostabs „Reichsführer-SS“ an Terroraktionen gegen die Zivilbevölkerung in Weißrussland maßgeblich beteiligt war.91 Der Kommandostab und die ihm unterstellten Truppen gelten als „Wegbereiter der Shoah“, d.h. als eine der Organisationen, die 1941 die Vernichtung der Juden in der Sowjetunion in Gang gesetzt hatten.92 Bei der Aufstellung der 16. SSPanzergrenadierdivision kam dem Kommandostab „Reichsführer-SS“ und der 3. SS-Panzerdivision „Totenkopf“ eine herausragende Bedeutung zu. Aus dem Begleit-Bataillon „Reichsführer-SS“, das ursprünglich als Wacheinheit für Himmlers Feldquartier im Osten 1941 aufgestellt worden war, entstand die SS-Sturmbrigade „Reichsführer-SS“ als Vorläuferverband der 16. SS-Panzergrenadierdivision unter der Führung von Karl Gesele. Dieses Begleit-Bataillon wurde ab 1942 zu Einsätzen gegen Partisanen in der Ukraine und in Weißrussland herangezogen, in deren Verlauf mehrere Dörfer und ihre Einwohner vernichtet wurden.93 Nach der Aufstellung der Sturmbrigade entstand mit neuem Personal ein zweites Begleit-Bataillon „Reichsführer-SS“, das im Frühjahr 1944 zum II. Bataillon des SS-Panzergrenadierregiments 35 wurde, das Bataillon, das am 12. August 1944 das Massaker von Sant’Anna di Stazzema verübte. Mehrere Führer und Unterführer des Bataillons Galler hatten in der SS-Division „Totenkopf“ oder im Kommandostab gedient und teilten diese Erfahrungen,94 etwa der SS-Unterscharführer W.B. (geb. 1920) aus einem Dorf bei Saarlouis, der seit Juli 1940 der SS angehörte. 1942 diente er im SS-Infanterie-Regiment 8 (mot) der SS91 Zur Beteiligung der SS-Kavalleriebrigade an Vernichtungsaktionen zu Beginn von „Barbarossa“ vgl. Cüppers, Wegbereiter, S. 189-192, 194-203, 222-233. 92 Grundsätzlich Cüppers, Wegbereiter der Shoah. 93 Cüppers, Wegbereiter, S. 241 u. 256; Gerlach, Kalkulierte Morde, S. 942. 94 Ausführlicher Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS, S: 272-284. Seite 45 Infanterie-Brigade 1. Über das Breslauer SS-Ersatz-Bataillon „Ost“, die Stamm-Ersatzeinheit des Kommandostabs, kam er nach einer Verwundung zum Begleit-Bataillon „Reichsführer-SS“.95 Der aus Ostfriesland stammende SS-Oberscharführer Martin Janssen (1917-1947) führte im August 1944 die 5. Kompanie des Bataillons Galler. Er trat am 1. April 1936, nach zweijähriger Mitgliedschaft in der Hitlerjugend, in die SS ein, wurde 1936 in München vereidigt und gehörte dem SSTotenkopf-Verband „Brandenburg“ im Konzentrationslager Sachsenhausen an. 1942 war Janssen mit dem SS-Bataillon der Waffen-SS z.b.V. im Einsatz, welches im Osten den Raub von Kulturgütern (Sonderkommando Künsberg) betrieb.96 Viele ehemalige Angehörige der Division „Totenkopf“ kamen über das SS-Totenkopf-Infanterie-Ersatz-Bataillon I im Sommer 1943 zum SS-Begleit-Bataillon und so später zur Division „Reichsführer-SS“. Dieses Bataillon, das Ersatzpersonal für die Division „Totenkopf“ ausbildete, hatte im April und im Mai 1943 auch Truppen für die Niederschlagung des Warschauer Ghettoaufstands bereitgestellt.97 So waren auch mehrere Führer und Unterführer, die 1944 das Massaker von Sant’Anna verübten, seinerzeit dort eingesetzt worden. Einer von ihnen war Friedrich Crüsemann (1915-2001), im Sommer 1944 SSUntersturmführer der Reserve und Führer der 6. Kompanie im Bataillon Galler, der im Frühjahr 1943 dem Warschauer „Totenkopf“Bataillon als Zugführer der 3. Kompanie angehört hatte.98 Der 1921 geborene SS-Untersturmführer Georg R. war im Sommer 1944 Adjutant Anton Gallers. Er kam 1940 als Freiwilliger zur SS-Division „Totenkopf“. Sein erster Kriegseinsatz in Russland dauerte vom 23. Juni bis zum 26. September 1941. Danach absolvierte er eine Führerausbildung an der SS-Junkerschule Braunschweig.99 Am 20.3.1942 wurde er als SS-Unterscharführer und Gruppenführer erneut zu einer Feldeinheit der SS-Division „Totenkopf“ versetzt. Dieser zweite Einsatz dauerte weniger als zwei Monate, denn Anfang April wurde er verwundet. Nach der Genesung kam er zum Warschauer Totenkopf95 BAB, BDC, SSEM B., DD (WASt), Z-Karte B 1841/313. 96 BAB, BDC, SSEM Janssen, DD (WASt), Z-Karte J 148/315. Zum Bataillon Farmer: Die Bewahrer des Erbes, S. 102; . 97 Cüppers, Wegbereiter, S. 292-304. 98 BAB, BDC, RuSHA-Akte, C. Friedrich (Jg. 1915), Lebenslauf. 99 BAB, BDC, SSO-Akte R., Beurteilung, 10.6.1944. Seite 46 Ersatz-Bataillon als Ausbilder. Ein dritter Fronteinsatz erfolgte erst 1944 im Rahmen der SS-Panzergrenadierdivision „ReichsführerSS“.100 Am 13. September 1943 versetzte das Warschauer Bataillon 60 seiner Männer zum SS-Begleit-Bataillon. Unter ihnen mehrere, die sich später im Einsatz in Italien beim Bataillon Galler wiederfanden. Einer von ihnen war Alfred Schöneberg, geboren 1921 in Bendorf.101 Kurz nach Kriegsausbruch eingezogen, war er der 4. Kompanie von Simons Regiment zugeteilt worden. Er nahm an den Kämpfen in Nordfrankreich und 1941 in Nordrussland teil. Im September 1941 wurde er zweimal verwundet. Nach einem längeren Aufenthalt im Lazarett wurde er im März 1942 nach Warschau versetzt.102 Auch Horst Richter, geboren 1921 in Berlin, Zugführer in der 5. Kompanie zur Zeit des Massakers von Sant’Anna, gehörte von 1940 bis 1943 der Division „Totenkopf“ an. Er wurde bei der Wiedereinnahme von Charkow 1943 verwundet, kam nach längerem Lazarettaufenthalt zum „Totenkopf“Ersatz-Bataillon nach Warschau und später zum SS-Begleit-Bataillon. Sowohl Schöneberg als auch Richter – wie die bereits erwähnten R. und Br. – gehören zu den ehemaligen SS-Angehörigen, die im Juni 2005 wegen ihrer Beteiligung an dem Massaker von Sant’Anna in La Spezia verurteilt worden sind. Zu der alten Warschauer Truppe im Bataillon Galler gehörte ebenfalls Eggo Klöver, geboren 1917 in Elisabethfehn bei Oldenburg als zweiter Sohn eines Bauern. Im Mai 1933 war er als Jugendlicher in die Hitlerjugend und im Juni 1936 in die SS-Totenkopfverbände eingetreten. Seinen Dienst versah er in der Dachauer Standarte „Oberbayern“, kam dann in das SS-TotenkopfInfanterie-Regiment 1 und war in den Jahren 1942/1943 SSHauptscharführer im SS-Totenkopf-Infanterie-Ersatz-Bataillon I in Warschau. Auch er kam über das SS-Begleit-Bataillon zur „Reichsführer-SS“.103 Die Mehrzahl dieser Männer war gegen Ende der 30er Jahre freiwillig in die SS-Totenkopfverbände oder in die SS-Verfügungstruppe 100 BAB, BDC, RuSHA-Akte R., Lebenslauf. 101 BAB, BDC, SSEM 4084, SS-Pz.Gren.Ausb.u.Ers.Btl. 3 [vorh. SS-Totenkopf-Infanterie-Ersatz-Btl. I], Btl.-Sonderbefehl Nr. 44/43, Warschau, 13.9.1943. 102 BAB, BDC, SSEM, S. Alfred (Jg. 1921), Truppenstammrolle-Nr. 486/39 sowie: Gebührniskarte; DD (WASt), Z-Karte S 1048/019. Alfred Schöneberg versuchte nach der Gefangennahme seine SS-Zugehörigkeit zu verschleiern und gab an, Angehöriger der 364. Infanterie-Division des Heeres gewesen zu sein. 103 BAB, BDC, RuSHA-Akte, K. Eggo (Jg. 1917); DD (WASt), Z-Karte K 941/129. Seite 47 eingetreten und hatte seit Kriegsbeginn in den Reihen der fünf StammDivisionen der Waffen-SS gekämpft. Analog zum älteren Führungskorps hatte ein gewisser, jedoch nicht genau zu beziffernder Anteil von ihnen seine Kriegserfahrung nicht an der Front gemacht, sondern bei SS- und Polizeieinheiten, die 1941 an Kriegs- und NS-Verbrechen beteiligt gewesen waren, u. a. im Rahmen der SS-Infanterie-Brigaden und der ihnen unterstellten Truppenteile.104 Die meisten waren in den Jahren 1916-1922 geboren, hatten einen Großteil ihrer Jugend bereits im Nationalsozialismus verbracht und waren daher sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich entsprechend stark vom Regime beeinflusst worden. Sie hatten sich meist am Anfang des Krieges als einfache SS-Männer zu einer 12-jährigen Dienstzeit verpflichtet und waren im Verlauf des Krieges zum Unterführer bzw. über einen Reserve-Führer-Lehrgang zu subalternen Führern aufgestiegen. Es handelte sich daher um Aufsteiger, die mit entsprechend großem Ehrgeiz und starkem Willen ausgestattet waren. Als sie 1943-1944 zur Division „Reichsführer-SS“ kamen, hatten sie den Dienstgrad eines SSUnterscharführers oder -Oberscharführers bzw. eines SS-Untersturmführers oder -Obersturmführers erreicht. Sie waren harte Soldaten. Soweit sie der Division „Totenkopf“ angehörten, hatten sie mit großer Wahrscheinlichkeit vom Januar bis Oktober 1942 an der Kesselschlacht von Demjansk, wo die Division rund 80 Prozent ihrer Kampfeinheiten verlor, oder an den schweren Kämpfen bei der Rückeroberung von Charkow im März 1943 teilgenommen. Fast alle waren mindestens einmal verwundet worden und hatten Auszeichnungen wie das Eiserne Kreuz oder das Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern erhalten. Als Unterführer fanden sie Verwendung in den Kompanien als Gruppen- und Zugführer und hatten Befehlsgewalt über ein Dutzend bis höchstens 50 Mannschaftssoldaten. Besaßen sie den Dienstgrad eines Unter- oder Obersturmführers, gehörten sie bereits zur Gruppe der SS-Führer und führten einen Zug oder eine Kompanie mit bis zu 150/180 Mann. Bei der Durchführung der Massaker in Italien spielten sie als „Männer vor Ort“ eine zentrale Rolle. Aus den Aussagen von Tätern und Überlebenden wird deutlich, dass sie die Männer waren, 104 So lässt sich aus den Personaldaten des Bataillons Galler eine Stichprobe von 63 Unterführern und Subalternführern bilden: 23 von ihnen kamen aus der Division „TK“, 15 aus der Division „Das Reich“, 14 aus dem Bereich Kommandostab und Begleit-Bataillon „RF-SS“, sechs aus der „SS-Polizei-Division“, drei aus der Division „Wiking“ und zwei aus der „Leibstandarte“. Seite 48 die die von den Vorgesetzten empfangene Todesbefehle an die Schützen weitergaben und so unmittelbar für den Tod von Hunderten von Zivilisten verantwortlich waren. Typisch für die jüngere Generation von SS-Führern sind die SSUntersturmführer G.S. und Georg R.. Der 1921 geborene G.S. trat nach dem zwölften Geburtstag 1933 in die Hitlerjugend ein und erreichte den Dienstgrad eines Jungzugführers im Deutschen Jungvolk. Am 1. September 1939 trat er der NSDAP bei und am 23. Oktober in die Waffen-SS ein.105. Mit der SS-Division „Leibstandarte Adolf Hitler“ kam er im Westfeldzug, auf dem Balkan und in der Sowjetunion zum Einsatz; dort wurde er zweimal verwundet und erhielt das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Aus der evangelischen Kirche trat er im November 1942 aus, als er als SS-Reserve-Führer-Bewerber angenommen wurde, und bezeichnete sich als „gottgläubig“.106 Nach Abschluss seiner Ausbildung an der SS-Panzergrenadier-Schule Prosetschnitz wurde er am 30. Januar 1944 zum SS-Untersturmführer ernannt.107 8. Gibt es Erkenntnisse über den Informationsfluss innerhalb der 16. Panzergrenadierdivision im Sommer 1944? Wir können davon ausgehen, dass in einer militärischen Struktur Befehle und Berichte zunächst über den normalen hierarchischen Weg der Informationsübermittlung zwischen Vorgesetzten und Untergebenen ausgetauscht worden sind. Dies konnte freilich je nach Situation schriftlich, mündlich, fernmündlich oder über Funk erfolgen. Im Einsatz wurden Funkgeräte, Melder oder Leuchtzeichen verwendet.108 105 BAB, BDC, SSO-Karte Sommer. 106 Zum Begriff der „Gottgläubigkeit“ Steiner, Über das Glaubensbekenntnis der SS, in: Bracher/Funke/Jacobsen, Nationalsozialistische Diktatur, S. 206-223. 107 BAB, BDC, SSO G. Sommer, Gebührniskarte u. Offizierskarte; DD (WASt), POW Form/ Kriegsgefangenen oder kapitulierten Mannschaften Formular, Z-Karte S 2085/279; Mil.St.A. La Spezia, Annotazione di polizia giudiziaria (Kopie b. Verfasser). 108 Nachgewiesen ist die Verwendung von Funkstellen bzw. Tornisterfunktrupps. Üblicherweise kamen Tornister-Funkgeräte zum Einsatz mit einer Reichweite je nach Typ von etwa 5 bis 25 km. Funkgeräte waren allerdings im Gebirge nicht immer zuverlässig bzw. durch Berge, Täler und andere Hindernisse in ihrer maximalen Reichweite reduziert. Dazu auch Buchner, Handbuch der Infanterie, S. 29 (Nachrichtenstaffel des Bataillons), 34 f. (Regimentsnachrichtenzug), 67-70 (Nachrichtenabteilung der Division), hier S. 69. Der Einsatz von Meldeläufer und Kradmelder als Überbringer von Nachrichten und u.U. Tötungsbefehlen ist bei vie- Seite 49 Der Einsatz von Funkgeräten und Leuchtzeichen als Nachrichtenmittel bei dem Einsatz von Sant’Anna ist eindeutig belegt.109 Unklar ist indes, zu welchem Zweck die Funkgeräte verwendet worden sind. Nach dem Zeugen Adolf Beckert110 dienten sie dazu, den Tötungsbefehl auf dem Kirchplatz zu übermitteln. Dies steht allerdings im Widerspruch zu den älteren Aussagen des Agostino Bibolotti, der das Gerät von Vaccareccia zum Kirchplatz getragen hat, wo es von den Funkern in Betrieb genommen worden war. Seiner Aussage zufolge war er Augenzeuge der Morde in Vaccareccia. Als er mit den Funkern den Platz vor der Kirche erreichte, waren die Zivilisten bereits getötet worden.111 Ein Funker nahm das Gerät in Betrieb. Der Zeuge konnte nur das Wort „Valdicastello“ verstehen.112 Diese Aussagen des Zeugen Bibolotti sind in der Einstellungsverfügung nicht berücksichtigt worden. Wie in allen Organisationen gibt es in militärischen Verbänden und Einheiten neben den formalen auch informelle Kommunikationswege. Soldaten unterhielten sich während der Pause der Einsätze, wichtige Informationen wurden von den „älteren“ erfahrenen Soldaten an die len Massakern überliefert: So etwa in Valla, Monte Sole, Civitella Val di Chiana u.a.m. Die Verwendung von Leuchtzeichen war alles anderes als ungewöhnlich. Am Monte Sole begann das Massaker auf dem Gehöft Creda im Morgengrauen, nachdem Leuchtsignale am Himmel gesehen worden waren: Mil.St.A: La Spezia, Verf. 145/95 R, Relation on atrocities committed by jerry [sic] troops; Zanini, Marzabotto, S. 358-364; DÖW, Wien, 21189, Aussage von Attilio Comastri. Beispiele aus den Quellen: 1) „Optische Zeichen und Parole: Leuchtpistole: weiß – eigene Linie, rot – Feind, 2x rot – Feind sehr stark, rot-weiß-rot – kein Vorwärtskommen möglich (immer Richtung schießen)“, BA-MA, RL 20/230, Kommando Flughafenbereich 2/VI Bologna, Jagdkommando-Einsatzbefehl Nr. 10, 27.5.1944, 23.00 Uhr.; 2) „Leuchtzeichen: weiß – ‚Hier sind wir‘, rot – ‚Feindberührung‘, zweimal rot – ‚starker Feind‘, rot-weiß-rot – ‚starker Widerstand‘ Unterstützung notwendig“, BA-MA, RL 20/230, Einsatzbefehl für Unternehmen „Ferrara“, 30./31.5.1944; 3) Leuchtkugel um der Stand der Aktion aus der Ferne erkennbar zu machen, BA-MA, RL 20/230, Einsatzführer im Kommando Flughafenbereich 2/VI Bologna Major Terk, Bericht über den Einsatz zur Bandenbekämpfung im Raume Mte Barbara – Vado - Marzabotto, 4.6.1944; 4) Leuchtzeichen: rot: Angriffsbeginn, weiß: hier sind wir; grün: Zeichen des Abschlusses der Absperrung, in: IFSML, Udine, Bestand III battaglione SS Polizei Regiment 12, 10./SS-PolizeiRegiment 12, Unternehmen Megolo, Einsatzbefehl, 12.2.1944. 109 Aussage Adolf Beckert v. 07.06.2004; Aussage Heinz Bernhard Lechtenböhmer; v. 14.12.2005; Aussagen von Agostino Bibolotti v. 15.3.1947 sowie 14.2.1950 (nicht in den Akten). 110 Zeugenvernehmung v. 07.06.2004, LO 24, Bl. 214 ff. 111 Im Jahr 1947 hat sich Bibolotti dahin gehend geäußert, Augenzeuge des Massakers auf der Piazza gewesen zu sein, bei allen späteren Aussagen dies jedoch verneint und konsequent behauptet, erst nach der Erschießung dort angekommen zu sein. 112 Aussagen des Agostino Bibolotti v. 14.2.1950 sowie 8.1.1951 in Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder. Seite 50 „neuen“ weitergegeben usw. Verbrecherische Befehle wurden in der Regel mündlich bei Besprechungen gegeben. Gerade in der SS wurden solche Befehle nicht immer explizit formuliert, sondern durch Andeutungen oder „Codes“.113 Besprechungen zwischen dem Einsatzkommandeur und den untergeordneten Einheitsführern vor und nach Einsätzen waren, wie aus den folgenden Beispielen ersichtlich wird, die Regel.114 An diesen Besprechungen nahmen meistens die Bataillonskommandeure und die Kompaniechefs teil. Im Anschluss daran sprachen die Kompaniechefs mit ihren Zug- und Gruppenführern, die ihrerseits die übrigen Soldaten informierten. Dadurch erreichten die Informationen alle beteiligten Soldaten. Gelegentlich, wie vor dem Massaker von Marzabotto, gab es Ansprachen durch den Bataillonskommandeur. Solche Besprechungen im Zusammenhang mit den Einsätzen der 16. SS-Panzergrenadierdivision sind bekannt: so auch im Vorfeld der Partisanenbekämpfungsaktionen im Raum Vinca und Marzabotto, aber auch bei Valla und Bardine di San Terenzo.115 Ähnlich war es bei anderen Unternehmen, etwa im Bereich der Luftwaffe bei den Operationen im Raum Marzabotto. Hier wurden die Befehle mündlich gegeben: „Ein schriftlicher Einsatzbefehl des Gesamt- 113 Ähnlich berichtet der Historiker Ludwig Eiber: Dachauer Prozesse NS-Verbrechen vor amerikanischen Militärgerichten in Dachau 1945-1948. Hrsg. von Ludwig Eiber und Robert Sigel, Göttingen 2007, S. 18: „Informelle Anweisungen enthielten meist keinen expliziten Tötungsbefehl, sondern „Codes“. Sie konnten als Befehle verstanden werden, mussten es aber nicht, sie waren deutungsfähig.“ 114 Für Beispiele aus den Einsätzen der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ s. weiter unten, S. ***(Seitenzahl?). Hier einige weitere Beispiele aus den Akten über Partisanenbekämpfungsaktionen in Italien: Einsatzbesprechung vor einer Bekämpfungsaktion der Aufklärungsabteilung der Division „Hermann Göring“ in Bologna am 17.3.1944: BA-MA, RH 24-75/20, Fsch.Pz.Aufkl.Abt. H.G., Gefechtsbericht für den Einsatz der Abt. gegen Banden am 18.3.1944, 19.3.1944. 115 Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder, Aussage Reders, 14.-16.2.1951, Bl. 52-54 (Besprechung in Massa um den 20.8.1944); ebda., H.Q. 218 (SEP) Sub-Area, Statement of Max Saalfrank, 27.1.1947; Statement of Max Paustian, 17.2.1947 (Besprechung in Massa vor dem Einsatz unter Teilnahme von Looß, Paustian, Hans-Joachim Zientarski, sowie Walter Reder, seine Kompaniechefs und ein Heeresoffizier); Amtsgericht Bad Schwartau, Aussage von Max Paustian, 29.7.1950, Bl. 2 (Besprechung/Befehlsausgabe auf Reders Gefechtsstand in Massa mit Einheitsführer der SS-Division sowie des Heeres und der italienischen faschistischen Miliz unter Vorsitz von Reder oder vom „Ic-Offizier der Division“, der ebenfalls anwesend war). Militärgericht La Spezia, Procedimento Reder, Aussage Reder, 17.2.1951, Bl. 37v., 38 (Befehlsausgabe an die Kompanieführer nach Besprechung mit Looß am Abend des 28.9.1944), ebda., Bl. 40 (Besprechung mit Looß am Abend des 29.9.1944), ebda. Bl. 42 (weitere Befehle von Looß); über Besprechungen während des Einsatzes s. auch DÖW, Wien, 21189, Übersetzung der Aussage v. Max Saalfrank, 12.3.1947, sowie Aussage v. Rudi Vysek, 13.3.1947 Seite 51 führers Obstlt. Jaecken wurde nicht gegeben. Die Planung und die Befehle wurden bei der Besprechung am 27.5. von 19.00 bis 20.45 Uhr mündlich gegeben“.116 „Einsatz erfolgt dem gem. am 22.6.44, 19,00 Uhr vom Gesamteinsatz-Führer persönlich an die Führer der genannten Kommandos gegebenen Befehle.117 Regelmäßige Besprechungen über Fragen der Partisanenbekämpfung fanden zwischen dem für Nord-West-Italien zuständigen Flughafenbereichskommandanten Oberst Lucas und dem SS- und Polizeiführer Tensfeld im Sommer 1944 statt. Über den konkreten Inhalt ist im Tagebuch nichts eingetragen worden.118 Bei dem Einsatz der 26. Panzerdivision im Sumpfgebiet bei Fucecchio wurde der Befehl zur Tötung von Zivilpersonen mündlich vom Divisionskommandeur an die Einheitsführer erteilt.119 9. Ist es denkbar, dass ein Massaker des Ausmaßes von Sant’Anna di Stazzema „spontan“ vor Ort beschlossen wird? „Spontane“ Massaker, insbesondere in der Größenordnung von Sant’Anna di Stazzema, sind im Rahmen der Partisanenbekämpfung in Italien nicht nachzuweisen. Unter bestimmten Voraussetzungen breitete sich im Frontgebiet mancher Divisionen „spontan“ Gewalt gegen die Zivilbevölkerung aus. Es kam sogar zu Morden, Vergewaltigungen oder Plünderungen.120 Es gab auch „spontane“ Reaktionen der Soldaten auf Überfälle und Zusammenstöße mit Partisanen. Da wurde ohne genaue Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse mit Erschießungen von unbeteiligten Dorfbewohnern und mit Brandstiftungen reagiert. 116 BA-MA, RL 20/230, Einsatzführer im Kommando Flughafenbereich 2/VI Bologna Major Terk, Bericht über das Unternehmen gegen Banden am 28.5.44 im Raume Marzabotto–Vado–Mte Sole–Casalina, 4.6.1944. 117 BA-MA, RL 20/230, Der Zonenkommandant Schiller Oberstleutnant und Flughafenbereichskommandant 2/VI, Einsatzbefehl Nr. 11, 23.6.1944. 118 BA-MA, RL 20/311, Kdo. Flughafenbereich 18/XI, KTB Nr. 7, 1.4.1944-31.10.1944. 119 Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS, S. 379-388, hier. S. 383. Der damalige Offizier Leopold v. Buch berichtet über den Versuch Strauchs, Crasemanns Tötungsbefehl abändern zu lassen sowie über die ablehnenden Reaktionen der umstehenden Offiziere: BAL, V 518 AR 3231/66, Bll. 164f., Aussage Leopold v. B., 1.7.1969. Der frühere Ia-Offizier der Division v. Bernstorff bestätigte, dass Oberst Crasemann den Tötungsbefehl an Rittmeister Strauch und seinen Offizieren am Tag vor dem Massaker bei der Einweisung gab: Douglas Graf Bernstorff an Claudio Biscarini 27.9.1989. 120 Dazu ausführlich Gentile, Wehrmacht und Waffen-SS, S. 147-163. Seite 52 Der Fall von Sant’Anna di Stazzema ist anders geartet: Es handelte sich, wie die Einsätze in Vinca und bei Monte Sole/Marzabotto, um eine sorgfältig geplante Partisanenbekämpfungsaktion. In den Quellen wird diese Aktion durchgehend als „Bandenunternehmen“ bezeichnet. Außerdem kann die Aktion anders als von der Staatsanwaltschaft angenommen nicht als Einzelereignis betrachtet werden, denn sie hing mit einer vorherigen Operation zusammen, die am 8. August 1944 stattgefunden hatte, in der das Bataillon Galler in außerordentlich geringer Entfernung zu Sant’Anna di Stazzema Verluste durch Partisanen erlitten hatte. Zusammenstöße zwischen deutschen Truppen und Partisanen hatten sich auch in der Zeit davor in der Umgebung von Sant’Anna di Stazzema ereignet, so dass es äußerst nahe liegt, dass das Bedürfnis nach Rache und Vergeltung ein wichtiges Motiv für die Angehörigen des Bataillons war. Wenn man nun nach den Gründen fragt, die für einen „spontanen“ Ausbruch der Gewalt in Sant’Anna di Stazzema maßgebend gewesen sein könnten, scheidet die Hypothese eines unerwarteten Überfalls der Partisanen im Dorf aus. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Überlebenden fanden am 12. August 1944 keine Kämpfe mit Partisanen im Dorf statt. Bei den zwei Verlusten der 8. Kompanie (SSUntersturmführer Erdmann Herbst und SS-Sturmmann H.E. ) am 12. August handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Eigenbeschuss.121 Für ein weiteres mögliches Auslösemoment für das Massaker scheint die Staatsanwaltschaft, Wut oder Frustration über das Nicht-Auffinden von Männern (potenziellen Zwangsarbeitern) zu halten. Diese Ansicht ist, wie bereits erwähnt, aus historischer Sicht nicht zu teilen. 121 DD (WASt), Bd. Ws 451, SS-Pz.Gren.Rgt. 35 „RF-SS“, Stab II. u. Einh., Namentliche Verlustmeldungen; Zeugenvernehmung Adolf Beckert, 7.6.2004. Seite 53 10. Haben bei der 16. SS-Panzergrenadierdivision im Sommer 1944 – oder vorher – standrechtliche Erschießungen gegen Angehörige der SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ stattgefunden? Wenn ja, warum fanden sie statt? In einigen wenigen Fällen sind im Sommer 1944 standrechtliche Erschießungen von Angehörigen der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ vorgekommen. Im Allgemeinen ging es um schwere Disziplinverstöße in Sinne der SS, wie Fahnenflucht und „Feigheit vor dem Feind“. Dies war beispielweise der Fall bei der Tötung eines 19jährigen SS-Manns der SS-Panzer-Aufklärungs-Abteilung 16, der im August 1944 in der Macchia zwischen Arno- und Serchio-Mündung von seinen Kameraden „als Fahnenflüchtiger bei der Festnahme erschossen“ und dort begraben wurde.122 Auch die Exekution eines ebenfalls 19-jährigen Pioniers ist aktenmäßig überliefert. Er wurde am 8. August 1944 von dem Feldgericht der Division zum Tode verurteilt und in Nozzano erschossen.123 Der konkrete Grund für die Verurteilung ist nicht bekannt. Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg hat im Jahr 1969 einen Bericht über die standrechtliche Erschießung eines Soldaten der SS-Panzer-Aufklärungsabteilung 16 untersucht. Das Ludwigsburger Ermittlungsverfahren bezog sich auf den Tatbestand des „Befehlsnotstands“. Der Hintergrund war die Nachricht, ein deutscher Soldat sei während der Partisanenbekämpfungsaktion am Monte Sole/Marzabotto von einer deutschen Formation erschossen worden, weil er sich geweigert habe, auf Geiseln zu schießen. Das Ergebnis der Untersuchung war, dass tatsächlich unweit von Marzabotto ein SSMann wegen „Feigheit vor dem Feind“ oder Fahnenflucht erschossen worden war, allerdings ohne Bezug zu den Verbrechen gegen die dortige Bevölkerung. Der als Zeuge befragte ehemalige SS-Oberscharführer Hans Reith erklärte hierzu: „Eine solche Strafe wäre, falls er sich nur geweigert hätte auf italienische Zivilisten oder Partisanen zu schießen, 122 DD (WASt), Bd. Ws-438, SS-Pz.Aufkl.Abt. 16, Stab u. Einh., Februar-November 1944, NVM, Liste Nr. 39. 123 DD (WASt), Bd. Nr. Ws 446, SS-Pion.Batl. 16 „RF-SS“, Stab u. Einh., MärzOktober 1944, NVM, Liste Nr. 5. Seite 54 niemals ausgesprochen worden.“124 In diesem Zusammenhang sollen noch mehrere in Gefangenschaft der Alliierten geratene SS-Angehörige erwähnt werden, die Angaben über Drohungen und Misshandlungen, zum Teil sogar Tötungen durch das Führungspersonal ihrer Einheiten gemacht haben.125 11. Lässt sich eine Aussage dazu treffen, ob aus historischer Sicht und unter Zugrundelegung der von Ihnen in dem Gutachten benannten Beweismittel/ Dokumente davon ausgegangen werden muss, dass a) dem Massaker vom 12. August 1944 in Sant’Anna di Stazzema ein Befehl zugrunde gelegen haben muss, der dem Tenor der Aussagen der verstorbenen 126 und L.G. 127 entspricht. Beschuldigten H.E. Mit welchen weiteren Erkenntnissen aus der Akte und/ oder Ihren sonstigen Quellen sind diese Aussagen kompatibel bzw. welchen Erkenntnissen widersprechen sie? b) die noch lebenden acht Beschuldigten – oder ggfs. einzelne – in die Befehlskette so eingebunden waren, dass die Order zur Vernichtung an ihnen nicht vorbeigegangen sein konnte, sie vielmehr als Vorgesetzte die Befehle weitergaben, dass sie alle bereits bei dem Aufstieg gewusst haben müssen, dass das Ziel der in den offiziellen Dokumenten als „Bandenbekämpfungs“-Unternehmen deklarierte Aktion die Vernichtung von Zivilisten – auch Frauen und Kindern – umfasst? Dazu ist die Funktionen der noch lebenden Beschuldigten K.H.B. , A.B. , W.B. , A.C. , K.E.G. , I.A.L. , Th.S. , G.S. zum Zeitpunkt der Tat am 12. August 1944 zu benennen und zu erklären, welche Aufgaben und Kompetenzen sie in der militärischen Struktur bekleidet haben. 124 BAL, IV 401 AR 1714/67, Betr.: Befehlsnotstand. Angebliche Erschießung eines unbekannten deutschen Soldaten in Marzabotto/Italien, hier: Bl. 232f., Landeskriminalamt NW, Zeugenvernehmung Hans Reith, Marl, 13.7.1970. 125 US NARA, RG 407, Entry 427, Box 2223, 34th Infantry Division, PW Interrogation Report 115, 12.7.1944; ebda., 34th Infantry Division, PW Interrogation Report 115, 12.7.1944. Über die Tötung eines Soldaten durch ein Offizier berichtet ein ehemaliges Mitglied der faschistischen Brigata Nera aus Lucca, der einige Zeit als Verbindungsführer zu der 16. SS-Panzergrenadierdivision eingesetzt war. Laut seinen Angaben wurde ein „Plünderer“ von seinem Kompaniechef eigenhändig erschossen, s. Sebastiani, La mia guerra, S. 56. 126 Interview Christiane Kohl. 127 Polizeiliche Vernehmung vom 29.01.2004, vgl. dazu Beschwerdebegründung S. 4, Ziff. 4. Seite 55 Zu a) Das Massaker vom 12. August 1944 in Sant’Anna di Stazzema ist im Zusammenhang einer Partisanenbekämpfungsaktion („Bandenunternehmen“) entstanden. Die Aktion selbst ist in den Gesamtrahmen von militärischen Operationen zur Sicherung des rückwärtigen Frontgebiet und zur Vernichtung von Partisanen eingebettet. Sie bestand aus zwei Teilaktionen: 1. die Bekämpfung der „Banden“ am Monte Gabberi am 8. August und die Aktion vom 12. August. Die Leitung oblag dem Ic-Führer und Sicherungskommandant der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ SS-Sturmbannführer Helmut Looß (dazu mehr unten Punkt 3, 7 und 9). Was die Befehlsgebung angeht, so ist zu unterscheiden zwischen allgemeinen Richtlinien etwa durch das OKW und Rahmenbefehle der militärischen Führung in Italien (OB Südwest) einerseits sowie der Befehlslage auf der mittleren und unteren Ebene im Bereich der Division und der eingesetzten Kräften andererseits. Über die Befehlslage auf der oberen Ebene sind wir ausreichend unterrichtet. Zunächst galt die als „Kampfanweisung für die Bandenbekämpfung im Osten“ bekannte OKW-Vorschrift vom November 1942. Darin wurde von den Einheitsführern „äußerste Härte“ im Umgang mit Partisanen und deren mutmaßlichen Sympathisanten verlangt. Das bedeutete, dass „Banditen“ grundsätzlich umstandslos zu töten waren. „Jedes Mittel“ sollte „ohne Einschränkung auch gegen Frauen und Kinder“ angewendet werden.128 Im Mai 1944 hatte das OKW die „Kampfanweisung für die Bandenbekämpfung im Osten“ durch ein neues Merkblatt („Bandenbekämpfung“) ersetzt. Dies stellte eine grundlegende Änderung der deutschen Politik gegenüber Widerstandsbewegungen dar. Dabei wurden die Begriffe „Bandit“, „Bandenhelfer“ und „Bandenverdächtige“ und ihre Behandlung präziser und humaner definiert. Gefangene Partisanen („Banditen“) sollten als Kriegsgefangene behandelt werden. Erschossen werden sollten nur noch Partisanen in deutscher oder faschistischer Uniform. „Bandenhelfer“ sollten zwar „mit aller Härte gefaßt werden“, doch nirgendwo dort war die Rede davon, sie zu erschießen. Die Durchführung von Kollektivmaßnahmen, die in der „Kampfanweisung“ von 1942 von Offizieren im Range eines Haupt- 128 BA-MA, RH D 6/69/1, Kampfanweisung für die Bandenbekämpfung im Osten, 11.11.1942. NStA, KV-Anklage-Dokumenten, NOKW-067. Seite 56 manns angeordnet werden konnten, sollte nun nur noch von Divisionskommandeuren oder SSPF angeordnet werden.129 Diese Vorschrift hatte im Sommer 1944 in Italien keine Gültigkeit. Stattdessen verkündete der OB Südwest GFM Kesselring Mitte Juni und Anfang Juli 1944 neue Befehle bestätigten, die im Wesentlichen die Bestimmungen der „Kampfanweisung“ bestätigten und große Teile der Bevölkerung in den sogenannten „Bandengebieten“ zu „Banditen“ und „Bandenhelfer“ abstempelten und für die Aktivitäten der Widerstandskämpfer haftbar machten. Die Befehlslage in Italien ist bekannt und im Rechtsgutachten von Prof. Radtke und Dr. von Lingen eingehend behandelt worden (Band LO 6 Gutachten). Unklar ist die Lage auf der unteren Ebene, da hier weniger Quellen überlieferten sind, zumal während die obere Führung bis zur Division in der Regel ihre Befehle schriftlich gab, die untere Führung befahl vor allem mündlich.130 Im Bereich der Partisanenbekämpfung wurden Einsatzbefehle (auch Gefechtsbefehle) in schriftlicher Form gegeben. Diese waren in Gliederung und Inhalt in einer weitgehend einheitlichen Form verfasst und enthielten Angaben über die Feindlage (Nachrichten und eigene Aufklärung); über Nachbar- oder sonstige eigenen Truppen; über die Planung und das Ziel der Aktion; die Aufträge an die einzelnen Teile des Btl. und etwa unterstellte oder auf Zusammenarbeit angewiesene Waffen. Sie enthielten ferner Bestimmungen über die Einrichtung von Truppenverbandplätze sowie Gefangene- und Beutesammelstellen, Angaben über den Platz des Führers und über Nach- 129 Oberkommando der Wehrmacht Nr. 03268/44 - WFSt./Op., Merkblatt 69/2 „Bandenbekämpfung“ vom 6.5.1944. 130 Chef der Heeresleitung: H.Dv. 300/1, Truppenführung, I. Teil, Berlin, 1943, S. 2127: „66. Für die Leitung der Truppen durch die oberen Führer bildet der schriftliche Befehl die Grundlage. Der empfangenden Stelle wird er im Umdruck oder Durchschlag, in Maschinenschrift oder handschriftlich oder durch technische Nachrichtenmittel mitgeteilt; häufig wird er durch den Fernsprecher diktiert. In jedem Falle ist die zweckmäßigste und sicherste Art zu wählen. Handelt es sich um einfache Anordnungen oder kurze Aufträge, so kann der obere Führer den Befehl auch mündlich erteilen. Der Wortlaut ist schriftlich festzuhalten. 67. Untere Führer haben gewöhnlich mündlich zu befehlen. Schriftlich befehlen sie, wenn die mündliche sowie die fernmündliche Übermittlung durch technische Nachrichtenmittel nicht möglich ist oder nicht ausreicht oder Abhörgefahr besteht. 68. Je dringender die Lage ist, desto kürzer muß befohlen werden. Mündliche Befehle sind, wo es die Umstände gestatten, nach dem Gelände, nicht nach der Karte zu geben. Dies geht in erster Linie die unteren Führer an.“ Greiner/ Degener: Taktik im Rahmen des verstärkten Infanterie Bataillons, Berlin 1941: Der Btl.Kdr. führt das Bataillon durch Befehle. In der Regel befiehlt er mündlich und nach dem Gelände. Mündliche Befehle gibt der Btl.Kdr. in der Regel persönlich an die betreffenden Unterführer. Seite 57 richtenverbindungen. Angaben zur Behandlung der Bevölkerung und Anwendung von Gewalt sind indes äußerst selten überliefert, denn dieser Bereich gehörte zu den Anweisungen, die bei Einsatzbesprechungen mündlich gegeben wurden. Auf der unteren Ebene begegnen wir ein weiteres Element, das auch im Falle von Sant’Anna di Stazzema eine wichtige Rolle spielt: das Element der Rache. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, verhielten sich im Kampf gegen Partisanen und Zivilbevölkerung nicht alle Truppen gleich (s.o. Frage 1). Spezialkräfte der Luftwaffe, wie Fallschirmjäger und Division „Hermann-Göring“, und vor allem Einheiten der Waffen-SS gingen oft unverhältnismäßig brutal vor. Die 16. SSPanzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ ragt hier besonders stark heraus (s.o. Frage 3). In diesem Bereich spielten verschiedene Führungs- und Kampfstile sowie die Erfahrungen und die Prägungen bestimmter Soldaten- und Führergruppen (s.o. Frage 6) eine wichtige Rolle. Je mehr eine Einheit und ihre Angehörige überzeugt waren, zur einer wie auch immer gearteten nationalsozialistischen oder militärischen Elite anzugehören, umso höher war die Wahrscheinlichkeit, dass bei der „Bandenbekämpfung“ Kriegsverbrechen und Massaker an der Zivilbevölkerung verübt wurden. Das übersteigerte Elitebewusstsein in solchen Einheiten barg in sich „gefährlichen Sprengstoff“ und äußerte sich oft in blutigen Gewaltausbrüchen. Angriffe gegen Kameraden aus der eigenen Einheit sowie insbesondere Verluste, wie im vorliegenden Fall am 8. August 1944 bei Farnocchia, wurden als besonders schwerwiegend betrachtet und führten in aller Regel zu Racheaktionen an Zivilisten. Die Analyse des Ablaufs der verschiedenen Massaker der 16. SSPanzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ zwingt zu der Schlussfolgerung, dass die Aktionen nicht nur in militärisch-operativer Hinsicht sorgfältig geplant waren, sondern auch dass die Ermordung der Einwohner der „gesäuberten Bandengebiete“ als „Banditen“ oder „Bandenhelfer“ bereits vor Beginn des Unternehmens feststand. Die Rekonstruktion des Geschehens zeigt, dass die SS-Truppen bereits unmittelbar nach ihrer Ankunft in den Weilern Vaccareccia, Le Case und Franchi begannen, Zivilisten zu töten. Viele wurden aber auch auf den Wegen zwischen den einzelnen Weilern bzw. Gebäuden getötet. Die Tötungshandlungen begannen etwa um 7:30 -8:00 Uhr und dauerten bis etwa 10:00-11:00 Uhr. Sie fanden an zehn verschiedenen Tator- Seite 58 ten statt und nach einheitlichen Muster. Dass, die SS-Männer, insbesondere die Führer und die Unterführer, nicht von Anfang an über das Tötungsziel der Aktion in Sant’Anna informiert gewesen sein sollen, ist unglaubwürdig. Zivilisten wurden vor allem da, wo das Bataillon Galler eingesetzt war, ermordet. Im nördlichen und nordöstlicher Gebiet, wo mutmaßlich Gebirgsjäger des Heeres eingesetzt waren, gab es wesentlich weniger Morde, in manche Weiler überhaupt keine. Woran lag das? Folgende Vermutung scheint besonders glaubwürdig zu sein: Für die Aktion am 12. August lag ein taktischer Einsatzbefehl vor, der der grobe Rahmen festschrieb. Sonstige Detailbefehle wurden vom Einsatzführer Looß bei der Besprechungen mit den Einheitsführern gegeben. Das Ziel der Aktion war die „Vernichtung der Banden“, insbesondere des „Bandenstützpunkts“ Sant’Anna di Stazzema. Die gesamte Einwohnerschaft galt als Teil der „Banden“ und in den Augen der SS als „todeswürdig“ (dies aber nicht für die Gebirgsjäger). Die wenige verbliebene arbeits- und wehrfähige Männer wurden als Munitionsträger festgenommen, Frauen und Kinder ermordet. Das Bataillon Galler machte auch keine Anstalten, Zivilisten zu evakuieren, sondern begann, sobald sie konzentriert waren, sie zu töten. Dass die Tötungshandlungen direkt nach dem Eintreffen der SS-Truppen begannen und sukzessiv ihre Bewegungen folgten, kann nur so gedeutet werden, dass sie bereits im vorhinein feststanden. Zu b) Die noch lebenden Beschuldigten K.-H.B. , A.B. , W.B. , A.C. , K.E.G. , I.A.L. , Th.S. , G.S. gehörten dem Bataillon Galler an und waren bis auf Sa., der sich zur Tatzeit in ein Militärlazarett befand, in der Struktur der Einheit eingebunden. G.S. war SS-Untersturmführer und Führer der 7. Kompanie; Bau., Br., C. und Gr. waren SS-Unterscharführer und als Gruppen- oder sogar Zugführer eingeteilt. Nur die zwei jüngsten Ba. und L. waren einfache Mannschaftssoldaten. Bis auf Ba. und L., die am unteren Ende der Hierarchie standen, handelt es sich bei den Beschuldigten um Angehörige des Führungspersonals. Wie bereits oben ausgeführt (s.o. Frage 7), gehörten SSUntersturmführer zur Gruppe der SS-Führer und führten einen Zug oder eine Kompanie. SS-Unterführer fanden Verwendung in den Kom- Seite 59 panien als Gruppen- und Zugführer. Im Falle der 5. Kompanie war zur Tatzeit ein SS-Oberscharführer sogar Kompanieführer. Bei den Massakern in Italien spielten sie eine sehr wichtige Rolle da sie die von den Vorgesetzten empfangene Todesbefehle an die Schützen weitergaben und so unmittelbar für den Tod von Hunderten von Zivilisten verantwortlich waren. Entsprechend der im deutschen Heer traditionellen Auftragstaktik (eine große Handlungsfreiheit einräumende Zielvorgabe), die die Selbsttätigkeit der Führer zum Prinzip erhob, hatten subalterne Führer und Unterführer gelernt selbstständig und eigenverantwortlich ihre Aufgaben durchzuführen.131 Wie bereits oben ausführlicher dargelegt(s.o. Frage Nr. 7, gab es unter des Führungspersonals der 16. SS-Panzergrenadierdivision sowie SS-Panzergrenadierregiments 35 und des Bataillons Galler nicht wenige Führer und Unterführer mit mehrjähriger Kriegserfahrung in Truppenteilen, die, wie das Kommandostab „Reichsführer-SS“, die SSTotenkopfverbände sowie Ordnungspolizeiverbände, seit 1941 an Vernichtungsaktionen beteiligt gewesen waren. Hier geht es freilich nicht darum nachzuweisen, ob diese Männer persönlich an Vernichtungsaktionen beteiligt gewesen waren – dies ließe sich allerdings durch entsprechende Ermittlungen und Recherchen zumindest Fallweise feststellen -, sondern lediglich um die Frage, ob Führer und Unterführer der Division im Sommer 1944 Kenntnis der brutalen Praxis der „Bandenbekämpfung“ durch Einheiten der SS und der Polizei im Osten hatten. Der Gutachter ist der Auffassung, dass dies sehr wohl 131 Dazu einige Beispiele aus einer Militärvorschrift der damaligen Zeit. A) Pflichte des Kompanieführers und der Zugführer: „1. Straffe Führung trotz räumlicher Ausdehnung im Gefecht. 2. Einheitliches Handeln der Züge und Gruppen untereinander und ihr Zusammenwirken mit den anderen Waffen sicherstellen [...]. 5. Ihren Platz so wählen, daß a) Einfluß auf Kampfführung und b) Übersicht über Kampfgelände vorhanden. 6. Der Kompanieführer muß Verbindung mit den schweren Infanteriewaffen aufrecht erhalten. Im Brennpunkt des Kampfes nötigenfalls durch rücksichtslosen Einsatz seiner Person eingreifen. 7. Der Zugführer ist Vorkämpfer seines Zuges. Im Angriff, beim Einbruch und Gegenstoß reißt er seine Schützen vorwärts. In der Abwehr ist er die Seele des Widerstandes. Auftrag [:][...] Kompanie- u. Zugführer erhalten einen Auftrag. Wahl der Mittel zur Durchführung sind ihnen überlassen.“ B) Pflichte des Gruppenführers und Truppführers: „1. Er ist der Gehilfe des Zugführers und 2. zugleich der selbständige verantwortliche Führer und Vorkämpfer seiner Gruppe. 3. Er muß die an die Schützen gestellten Forderungen selbst am besten erfüllen. 4. Er handelt entweder nach Auftrag oder im Rahmen des Zuges selbständig (Kampfplan). 5. Er befiehlt den Einsatz der Gruppe und führt in der Regel den Trupp, dem jeweils die wichtigste Aufgabe zufällt. Er ist oft der einzige Führer, der noch unmittelbaren Einfluß auf jeden Kämpfer hat. 6. Meist befiehlt er selbständig den Zeitpunkt der Schützenentwicklung. 7. Er befiehlt i.d.R. die Feuereröffnung [...]. 8. Er leitet soweit möglich das Feuer durch Angabe des Ziels und der Entfernung.“ Siwinna: Das Kommandobuch, Bd. 1, Die Schützenkompanie, 16. Aufl., Berlin 1936, S. 46-48. Seite 60 der Fall war. Durch die mehrjährige Kriegserfahrung – Bau. und Bruß gehörten 1941 Einheiten des Kommandostabs „Reichsführer-SS“ an132, Gr. gehörte seit 1942 der SS-Division „Totenkopf“, Sommer war seit 1940 Angehörige der „Leibstandarte Adolf Hitler“ – dürften Kenntnisse solcher Maßnahmen innerhalb des Führungspersonals des Bataillons als gegeben vorausgesetzt werden. 132 Werner Br. gehörte im Sommer 1941 bis Sommer 1942 dem SS-InfanterieRegiment 8 (mot) der SS-Brigade 1 (mot). Tätigkeit der Brigade und des Regiments 1941/42 nach Cüppers: Wegbereiter der Shoah. SS-Infanteriebrigade 1 (mot): Ende Juli-August 1941 in der Ukraine (S.165-175); Raum Hoscza-Zwiahel, Versprengte, bewaffnete „Banden“, Freischärler, Personen, die dem bolschewistischem System Vorschub leisten; 31 Juli 1941 Starokonstantinow (S. 167); Ukraine, ab September 1941 täglich Massaker: Emilczyn, , Pripjet, Leltschicy, Owrutsch, Tschernobyl, Gajsin westlich Uman, Konotop, Zwiahel, Scholochowo, Kirowograd, Alexsndrija: Arbeitsfähige teilweise vorerst verschont, in den abgelegeneren Gebieten ermordet (S.205); Zeugenaussage eines Angehörigen 1962 bezüglich der Massaker an Juden (S. 205); detaillierter Augenzeugenbericht eines Soldaten, Erschießung von Juden, auch von Kindern in Konotop (S.207); „Ortsfremde“, Personen zwischen zwei Orten, die sich nicht legitimieren konnten, wurden erschossen oder verhaftet (S.229ff.). Ab S. 252 Unternehmen „Sumpffieber“, August/September 1942 in Generalkommissariat Weißruthenien. Aussage eines Angehörigen: keine Vorstellung zur Differenzierung zwischen Zivilisten und Partisanen. S. 258, Anm. 125, ähnlich Anm. 135, S. 259. Rekruten im Frühjahr 1942 als Zeugen der Behandlung der Juden im Lager Debica, Massenerschießungen (S.289f., genaue Beschreibung erste Abschnitt S.290). SS-Infanterie-Regiment 8 (mot): Ermordung von Männern, Frauen und Kindern in Zwiahel (S.166f.), 31 Juli 1941 in Starokonstantinow (S. 167); Zeugenaussage eines Angehörigen der 4. Kompanie über die Einkreisung eines Dorfes, Bewohner in eine Scheune gesperrt, Maschinengewehrfeuer und Scheune angezündet, S. 257, zweiter Abschnitt, Anm. 121, weitere Aussagen Anm. 122 und123. Alfred Bau. seit Winter 1941/42 der Nachrichten-Abteilung der SS-Kavallerie-Division: Insgesamt ermordete die SSKavallerie zwischen Ende Juli und Ende Dezember 1941 auf dem Territorium der Sowjetunion etwa 40.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder (Cüppers, S. 194203); Zur „Partisanenbekämpfung“ und zum „Terror gegen die nichtjüdische Bevölkerung“ ab Herbst 1941, s. ebda., S. 215-233. Seite 61 Anhang 1 Partisanenkrieg im Bereich der 16. SS-Pz.Gren.Div. „RF-SS“ nach Ia- und Ic-Meldungen des Armeeoberkommando 14 Einsatz im ungenannten Ort Sonderstab Gosewisch: Bei Bandenunternehmen des Erk.Stabes der 16. SS-Pz.Gren.Div. im rechten Abschnitt wurden 1 le.M.G. (engl.) mit 20 Magazinen und 2 ital. Gewehre erbeutet. Auf der Feindseite 10 Tote und 15 Verwundete. Eigene Verluste 4 Verwundete. Genaue Meldung steht noch aus. RH 20-14/46, IaTM 02.08.44 01.08.44 Einsatz Raum Farnocchia Bei Aufklärung im Raum 183/46 [bei Farnocchia] drei Zivilisten auf der Flucht erschossen und von umliegenden Höhen mit automatischen Waffen schießende Banditen ohne beobachtetes Ergebnis bekämpft. 1 eigener Verwundeter. RH 20-14/114, IcM 01.08.44 01.08.44 Raum Vallecchia – Monte Ornato Ergebnis Bandenbekämpfung Raum O 183/27 [Vallecchia/Corvaia, N v. Pietrasanta]: Eigene Verluste: 1 Verwundeter. Feindverluste: 4 Banditen erschossen. Beute: 1 engl. lMG, 2 ital. Gewehre, engl. Gewehrgranaten, einige Munition. Banditen, darunter angeblich auch Überläufer (Elsässer) z.T. ostw. entkommen. RH 20-14/114, IcM 01.08.44 02.08.44 Vallecchia?, Monte Altissimo, Monte Cavallo Ergebnis eines Bandenunternehmen des LXXV. AK. im Raum 183/27 171/16 – 35 - 14 am 2.8.44: 15 Banditen niedergemacht, 18 verwundet. Ein Banden-Munitions- und Verpflegungslager gesprengt, 2 MPi, 7 Gewehre, 5 Pistolen, 1 Fernsprecher erbeutet. RH 20-14/114, RH 20-14/46, IaTM 02.08.44 03.08.44 Verlegung des Bataillons Galler in dem Raum PietrasantaCamaiore Armee-Reserven: II./SS-Pz.G.R. 35 in Verlegung aus Raum 128/57 [sic, recte 158: Raum Vecchiano] in Raum 183/31-24-32 [Raum Capezzano Pianore, bei Pietrasanta], III./SS-Pz.G.R. 36 in Verlegung in Raum 183/34-33-44 [Raum Camaiore]. RH 20-14/46, IaTM 03.08.44 Seite 62 04.08.44 Verlegung des Bataillons Galler in dem Raum PietrasantaCamaiore II./35 und III./36 als Armeereserve in den gemeldeten Räumen eingetroffen. RH 20-14/46, IaTM 04.08.44 05.08.44 Verlegung des Bataillons Galler in dem Raum PietrasantaCamaiore Armee-Reserven: II./SS-Pz.G.R. 35 in Raum 183/31-24-32 [Raum Capezzano Pianore, bei Pietrasanta], III./SS-Pz.G.R. 36 in Raum 183/34 183/33. RH 20-14/46, IaTM05.08.44 06.08.44 Camaiore In der Nacht vom 6./7.8. bei 183/44 ein Kfz durch Banditen in deutschen Uniform, bewaffnet mit MPi, angehalten. Bei Eintreffen eines LKW und nach kurzen Feuerkampf flüchteten die Banditen. Keine Verluste. RH 20-14/114, IcM 09.08.44 07.08.44 Einsatz Farnocchia 21.40 Uhr, Chef LXXV. Armeekorps - Ia 14. Armee: Chef LXXV. Armeekorps meldet Absicht, im Raum nördl. und nordostw. Camaiore gegen die dortigen Banden, über die ein aus der Gefangenschaft zurückgekehrter Wehrmachtangehöriger genaue Unterlagen mitgebracht hat, sofort ein Unternehmen anzusetzen. Um Freigabe des II./SS 35 wird gebeten. Ia 14. Armee erteilt in Vertretung des Chefs Genehmigung, die anschließend gebilligt wird. RH 20-14/41, KTB 4, 07.08.44 08.08.44 Einsatz Farnocchia Säuberungsunternehmen im Raum 183/29 [Raum Monte Ornato], 30 [Culla] und 46 seit heute früh im Gange. Stellenweise Feindwiderstand. RH 20-14/114, IcM 08.08.44 Seite 63 08.08.44 Einsatz Farnocchia Ergebnis Bandenbekämpfung Raum 183/30[Culla]-4648[Pomezzana]-45[Vado, Camaiore] vom 8.8.44: 10 Feindtote, fünf weitere wahrscheinlich, zwei Gefangene. Ein seit längerem gefangener Soldat der 19. Luftw. Felddiv. befreit. Eigene Verluste: 5 Verwundete. Bandenstärke etwa 150-200 Mann, ausgerüstet mit Mpi und Karabiner sowie einigen MG, angeblich unter Führung eines amerikanischen Majors z.T. in ausgebauten Stellungen. Ein km S 183/46 ein Abwurfplatz. Banditen nach Osten ausgewichen. RH 20-14/114, IcM 09.08.44 12.08.44 Mommio-Corsanico In der Nacht vom 12./13.8. wurde ein der Spionage verdächtiger Zivilist in der Stellung bei 183/34 [SSW Mommio, SW Corsanico] aufgegriffen und auf der Flucht erschossen. RH 20-14/114, IcM 12.08.44 12.08.44 Einsatz Sant’Anna di Stazzema 1 Bei laufendem Bandenunternehmen N 183/45 [Camaiore] Ortschaft N 183/30 [La Culla] und ein km nördlich [d.h. Sant’Anna] niedergebrannt: 7 Muni-Lager, davon eines in der Kirche, sind gesprengt. 270 Banditen niedergemacht. RH 20-14/114, IcM 12.08.44 12.08.44 Einsatz Sant’Anna di Stazzema 2 Zum Bandenunternehmen der 16. SS-Pz.Gren.Div. am 12.8. im Raum 183/46-30-45-51 wird abschließend gemeldet: 11 Mun.-Lager gesprengt, 1 ortsfeste Großküchenanlage zerstört, Teile eines Bekleidungslagers sichergestellt. 270 Banditen niedergemacht. Bandenstützpunkt 1 km nördl. 183/30 niedergebrannt. Dort 68 Banditen gefangen genommen, davon 5 Angehörige des Stabes. 208 bandenverdächtige Männer der Erfassungsstelle Lucca zum Arbeitseinsatz zugeführt. RH 20-14/46, IaTM 13.08.44 12.08.44 Einsatz Sant’Anna di Stazzema 3 Nach Abschluss des am 12.8. gemeldeten Bandenunternehmen N 183/45 weitere vier Muni-Lager gesprengt, eine Großküchenanlage und Nachrichtenmittel vernichtet. Reste von Bekleidungslager sichergestellt. Weitere 353 bandenverdächtige Zivilisten ergriffen, darunter Seite 64 68 als Bandenmitglieder erkannt (werden noch vernommen), 209 dem Auffanglager Lucca zugeführt. Nach Gefangenenaussage soll sich das Gros dieser Bande in den Raum Lucca-Bagni di Lucca zurückgezogen haben. RH 20-14/114, IcM 13.08.44 17.08.44 „Vergeltungsaktion“ bei Bardine San Terenzo Ein Zug der 2./SS-Pz.Abt. 16 geriet in einen Hinterhalt und kämpfte in 3-stundigem Feuergefecht bis zur letzten Patrone. Verluste: 1 Offz., 4 Uffz. und 11 Mannschaften gefallen, 6 Mannsch. verwundet. Sühnemaßnahme: Ort südl. 143/47 niedergebrannt. Weitere Maßnahmen nach Aufklärung beabsichtigt. RH 20-14/46, IaTM 18.08.44 18.08.44 „Vergeltungsaktion“ bei Bardine San Terenzo Am 18.8. Bandenüberfall mit lMG und sMG aus ausgebauten Stellungen auf eigenen Spähtrupp im Raum Bardine. Eigene Verluste ein Führer, vier Unterführer, 11 Mann tot, 6 Mann Verwundet. Bei Gegenmaßnahmen Teile des Ortes in Brand gesteckt, 53 Bandenmitglieder erschossen. RH 20-14/114, IcM 19.08.44 18.08.44 Einsatz Vinca-Monzone Überfall auf eigenen Erkundungstrupp 2 km S Monzone. 1 Stabszahlmeister gefallen. RH 20-14/114, IcM 19.08.44 18.08.44 Einsatz Vinca-Monzone Erkundungstrupp des Sonderstab Gosewisch hatte an der Straße 117/59-143/67 einen Zusammenstoß mit einer 20-30 Mann starken Bande, bei dem 1 Stabszahlm. gefallen ist. RH 20-14/46, IaTM 18.08.44 20.08.44 Castelpoggio [Carrara, bei] In der Nacht v. 20./21.8. Bandenüberfall auf Nachr.Kfz. 4 km NNW Carrara. Eigene Verluste 3 Tote. RH 20-14/114, IcM 20.08.44 21.08.44 Castelpoggio Seite 65 Bei Bergung der Toten aus Bandenüberfall 1,5 km südl. 143/45 in der Nacht 20./21.8. 3 Banditen erschossen, 7 Gefangene eingebracht. Ortschaft 1,5 km südwestl. 143/45 niedergebrannt. RH 20-14/114, IcTM 22.08.44 24.08.44 Einsatz Vinca 1 Unternehmen im Raum 143/50-51-52-64 stieß auf heftigen Feindwiderstand zwischen 143/50 und 64. Die Kämpfe sind noch im Gange. Bisher wurden 500 Gefangene eingebracht. Eigene Verluste: 25 Verwundete. RH 20-14/46, IaTM 24.08.44 25.08.44 Einsatz Vinca 2 Bei laufendem Bandenunternehmen im Raum 143/50-51-52-64 bisher etwa 200 Feindtoten und über 1000 Gefangene. Mehrere Ortschaften und viele Einzelgehöfte niedergebrannt. Dabei mehrere größere und viele kleinere Muni-Lager vernichtet. Eigene Verluste: 8 Verwundete. RH 20-14/114, IcM 25.08.44 25.08.44 Einsatz Vinca 3 Bandenunternehmen im Raum 143/51-52-64 noch im Gange. Bisher über 1000 Gefangene, in der Masse Bandenangehörige, eingebracht, davon die Mehrzahl aus Höhlen und Tunnels hervorgeholt werden musste. 200 Banditen wurden im Kampf niedergemacht. Zahlreiche Häuser und Munition niedergebrannt. RH 20-14/46, IaTM 25.08.44 26.08.44 Einsatz Vinca 4 Bandenunternehmen im Raum 143/50-51-52-64 abgeschlossen. Bisher 1480 Bandenangehörige, Bandenhelfer und Bandenverdächtige erfaßt. 332 Banditen im Kampf niedergemacht. 5 große, 37 kleine Mun.Lager gesprengt. Eine Anzahl amerik. MPi, Gewehre und Munition erbeutet. 2 Bandenhauptquartiere zerstört, dabei zahlreiches Kartenmaterial mit Unterlagen sichergestellt. 600 Einzelgehöfte und Bandenunterkünfte sowie 17 Ortschaften im Raum Mte. Sagro, dabei Hauptlager Vinca, vernichtet. RH 20-14/114, IcM 26.08.44 28.08.44 Einsatz Vinca 5 Seite 66 Bei Bandenunternehmen der 16. SS-Pz.Gren.Div. 1635 festgenommene Italiener zum Arbeitseinsatz in Deutschland dem Lager bei 78/8275/13 zugeführt. RH 20-14/46, IcM 28.08.44 31.08.44 Arbeitseinsatz Bis zum 31.8. wurden von der 16. SS-Pz.Gren.Div. 10190 männliche Personen dem Arbeitseinsatz zugeführt. RH 20-14/114, IcM 03.09.44 02.09.44 Farneta, Certosa Der Prior des Karthäuser Klosters nordwestl. Lucca wegen Waffenschmuggel und Beihilfe zur Fahnenflucht und Partisanenbegünstigung überführt. Bei Überholung des Klosters in der Nacht vom 1./2.9. über 50 Banditen hineingelaufen. 35 Mönche als Mitwisser verhaftet. RH 20-14/114, IcM 03.09.44 03.09.44 Camaiore, nordöstlich von Erkundungskommando in Zugstärke im Raum 3 km ostw. 78/44 Feuergefecht mit einer Gruppe von 30-40 Italienern und Russen, zum Teil in deutscher Uniform. 2 Offiziere verwundet. RH 20-14/114, IcM 03.09.44 04.09.44 Camaiore, Nocchi 2.9. 3 km SSO 78/43 [Nocchi] ein LKW von Banditen überfallen und in Brand geschossen, ein Mann tot. Am 4.9. abends 3 km SSO 78/43 ein Volkswagen beschossen ein Offizier gefallen. Bei Säuberungsaktion im Zusammenhang mit Bandenunternehmen der 20. Lw.Feld-Division 13 Banditen z.T. in amerikanische Uniform, in unmittelbarer Umgebung des Div.Gef.Standes ergriffen, davon 7 bei Gegenwehr und auf der Flucht erschossen. RH 20-14/114, IcM 04.09.44 Seite 67 05.09.44 Camaiore, Nocchi Bei Säuberungsaktion im Raum des Div.Gef.Standes Imperator 23 Banditen bei Gegenwehr niedergemacht. 170 Bandenhelfer und Bandenverdächtige eingebracht. Aktion noch nicht abgeschlossen. RH 20-14/114, IcM 05.09.44 06.09.44 Camaiore, Nocchi Bei Säuberungsaktion in Umgebung des Div.Gef.St. 16. SSPz.Gren.Div. insgesamt 288 Banditen der Bandengruppen des Bendaloni und Bandenhelfer eingebracht, darunter die Bandenführer Andreini und Angola Cella. Die Banditen hatten sich in den West und Nordwesthängen des Monte Pedone und Monte Riglione festgesetzt und sich mit MPi und MG zur Wehr gesetzt. 36 Banditen hierbei im Kampf und auf der Flucht niedergemacht. RH 20-14/114, IcM 06.09.44 07.09.44 Camaiore, Nocchi Zahl der eingebrachten Bandenmitgliedern und Bandenhelfer im Raum 78/44-43 um weitere 89 erhöht, insgesamt 377. RH 20-14/114, IcM 07.09.44 10.09.44 Massa, nördlich von, [2 km südlich von 31/27= Monte Sagro] 1 Streife der Schwarzen Brigade (ital.) 2 km S 31/27 in Hinterhalt geraten, 6 Tote der Schwarze Brigade. Als Sühnemaßnahmen wurden 43 Bandenmitglieder und Bandenhelfer der Bande Bandolini erschossen. RH 20-14/114, IcM 10.09.44 15.09.44 Canevara ? [2 km nord-östlich von Massa] Überfall von einer etwa 30 Mann starken und mit 3 M.G. bewaffneten Bandengruppe auf ein Kdo. des SS-A.R. 16. 9 Feindtote, 7 eigene Verwundete. RH 20-14/46, IaTM 16.09.44; RH 20-14/114, IcM 16.09.44 15.09.44 Massa ? [2 km westlich von Massa] 05.15 Uhr Bandenüberfall auf 2 Lkw. Bei Gegenmaßnahme 11 Banditen der Bandengruppe Cabisti und 200 Bandenverdächtige sowie Bandenwaffen und Bandenbefehle eingebracht. Bandenführer Hptm. Motrelli und ein ital. Oblt. (Deckname Peppi) erschossen. RH 20-14/114, IcM 15.09.44 Seite 68 15.09.44 Massa ? [2 km westlich von Massa] 00.15 Uhr Bandenüberfall auf Pkw 2 km westl. 31/31. Fahrer tot, SSFührer verwundet. Bei sofortigen Gegenmaßnahmen wurden 11 Angehörige der Bandengruppe Cabisti ergriffen, 200 bandenverdächtige Zivilisten festgenommen, 3 Lager ausgehoben. 3 MPi, 8 Pistolen und Munition sowie Bandenbefehle und sonstige schriftliche Unterlagen erbeutet. Bandenführer Hptm. Motrelli und einen ital. Oberleutnant im Kampf niedergemacht. RH 20-14/46, IaTM 15.09.44. 16.09.44 Carrara [2 km süd-östlich von Carrara] Bandenüberfall in Stärke von 35 Mann, bewaffnet mit M.G. und 3 M.Pi. auf I.G.-Zug der SS-Pz.A.A. 16. Eigene Verluste: 1 Toter. Als Gegenmaßnahmen wurden 12 gefangene Mitglieder der Bandengruppe Falce erschossen. RH 20-14/46, IaTM 16.09.44 ;RH 20-14/114, IcM 16.09.44 16.09.44 Castelnuovo di Garfagnana, Raum, [3 km süd-östlich von 31/34] Bandenüberfall auf Erkundungs-Kfz.; 3 eigene Verwundete. RH 20-14/114, IcM 16.09.44 21.09.44 Piandisetta [1 km nord-westlich von] Bandenüberfall 1 km NW 101/53: 2 Tote RH 20-14/114, IcM, 26.09.44 26.09.44 Rastigliano 23 Banditen bei Muni-Transport in Gegend Rastigliano (südl. Bologna) festgenommen. RH 20-14/114, IcM, 26.09.44 27.09.44 Einsatz Ca Berna-Vidiciatico Bei Unternehmen im Raum 1,6 km S 227/43 [Vidiciatico] von etwa 100 Banditen 23 niedergemacht. Ortschaften 700 m und 1,5 km NO 253/38 [Acerona-Ca Berna] niedergebrannt. Drei vor 12 Tagen gefangene verwundete Soldaten befreit. Eigene Verluste: 1 Verwundeter. RH 20-14/114, IcM, 30.09.44 Seite 69 28.09.44 Einsatz Ca Berna ? Am linken Flügel 362. I.D. Gefechte mit Banditen, wobei bisher 29 Banditen im Kampf niedergemacht wurden. RH 20-14/46, IaTM 28.09.44 28.09.44 Einsatz Castelluccio-Monte Belvedere Feuergefecht mit Banditen (Italiener, Polen, Russen) bei 227/44. RH 20-14/114, IcM, 30.09.44 28.09.44 Gardelletta-Murazze Weitere Bandenüberfälle bei 181/17 und 170/13 [Area Gardelletta-Murazze] RH 20-14/114, IcM, 30.09.44 28.09.44 Savignano Bandenüberfall auf Lkw aus Straße 2 km O 101/28. Sühnemaßnahmen: 2 Häuser gesprengt, 15 Badenverdächtige erschossen. RH 20-14/114, IcM, 30.09.44 29.09.44 Einsatz Monte Sole/Marzabotto Aufbauend auf seit Wochen durchgefuehrte eingehende Erkundung haben Teile der 16. SS-Pz.Gren.Div. „Reichsführer-SS mit unterstellten Teilen des Flak-Regiments 105 und IV./G.R. 1059 (russ.) in 2-tägigen schweren Kämpfen, die in unwegsamen Gebirgsgelände des Apennin in festungsartigausgebauten Ortschaften und Stützpunkten verbissen wehrende kommunistische Bandenbrigade „Stella Rossa“ vernichtet. Folgender Erfolge wurden erzielt: 718 Feindtote (darunter der Brigadeführer Lupo und 15 identifizierte Btl.Kommandeuere und Kp.Chefs), 456 Gefangene, 7 Munitionslager mit großen Beständen an Munition aller Art. Große Mengen von Munition detonierten in den brennenden Stützpunkten. 69 Bunker und eine Drahtseilbahn wurden zerstört. 3 Verbandsplätze (davon 2 in Kirchen) und 3 große Ausrüstungslager wurden ausgehoben. Große Mengen an Waffen aller Art vernichtet bzw. erbeutet. 3 Funkstationen und 350 Stück Großvieh erbeutet. Wichtige Papiere usw. sichergestellt. Eigene Verluste 7 Tote, 29 Verwundete, (davon 8 schwer). RH 20-14/54, IaTM 03.10.44 29.09.44 Einsatz Monte Sole/Marzabotto Seite 70 Aufbauend auf seit Wochen durchgefuehrte eingehende Erkundung haben Teile der 16. SS-Pz.Gren.Div. [...] in zweitaegigen schweren Kaempfen in unwegsamen Stellungssystem des Apennin die sich verbissen wehrende komm. Bandenbrigade „Stella Rossa“ NO Vergato eingeschlossen und vernichtet. Im einzelnen wurden nachstehende Erfolge erzielt: 718 Feindtote, davon 497 Banditen und 221 Bandenhelfer. Brig.Fuehrer Lupo und zumindest 15 Btl.- und Kp.Fuehrer gefallen und identifiziert. 456 maennl. Zivilisten zum Arbeitseinsatz erfasst. 7 Ortschaften und Einzelgehoefte mit 174 Gebaeuden niedergebrannt. 7 Muni.Lager mit Tellerminen und Inf.Munition sowie Handgranaten nach Auswertung gesprengt. [...] 21 zum Teil sehr harte Feuergefechte. Feindwiderstand konnte stellenweise erst nach Einsatz schwerer Waffen gebrochen werden. Eigene Verluste: 7 Tote, 29 Verwundete, davon 8 schwer. Da die Brigade nach uebereinstimmenden Gefangenenaussagen ca. 900 Mann stark war und ein Teil der Gefallenen nicht gezaehlt werden konnte, kann mit der voelligen Vernichtung der Bandenbrigade gerechnet werden. RH 20-14/121, IcM 02.10.44 30.09.44 Gaggio Montano 3 km W und 2 km NNW 227/52 [Area Monte Belvedere-Ronchidoso] 10 Feindtote. RH 20-14/114, IcM 30.09.44 30.09.44 Einsatz Monte Sole/Marzabotto SS-Pz.A.A. 16 und IV./G.R. 1059 (russ.) zum Bandenkampf NO 101/55 [Monte Salvaro] eingesetzt. RH 20-14/46 30.09.44 Einsatz Monte Sole/Marzabotto Vernichtungsunternehmen der 16. SS-Pz.Gren.Div. mit unterstellte Ost-Btl. 1059 und Teilen Flak-Rgt. 105 gegen Bandenbrigade Stella Rossa im Raum 101/38-58-57-170/11 am 29. Sept. nach harten Feuergefechten am Mte. Salvaro, Mte. Termine, Mte. Sole und Mte. Abbelle gegen verbissen kämpfenden Feind abgeschlossen. Erfolge und eigene Verluste werden nachgemeldet. RH 20-14/114, IcM 30.09.44 08.10.44 Rasiglio-Mongardino In 173/51 Partisanengruppe von 40 Mann gestellt. 12 Gefangene, 12 Banditen in Kampf erschossen. Beute 1 ital. LMG, 6 MPi, 4 Karabiner. Seite 71 Sämtliche Banditen Angehörige der 63. Brigade Garibaldi. 200 weitere Banditen in Gruppe zu je 30-40 Mann sollen sich noch in der weiteren Umgebung aufhalten. Eigene Maßnahmen eingeleitet. Tod des Brig.Führers „Stella Rossa“ Lupo durch die Gefangenen bestätigt. Von der Brigade sollen nur 20 Mann davongekommen sein, die versuchten, sich frontwärts zu schlagen. RH 20-14/121, IcM 08.10.44 09.10.44 Monte Cervo-Monte San Pietro Bei Durchkämmaktion im Gebiet Mte. Cervo-Mte. S.Pietro 1131 Bandenverdächtige zum Arbeitseinsatz erfaßt. 76 Banditen im Kampf niedergemacht. Beute: 2 lMG, 13 MPi, 47 Gewehre, Gewehrgranaten, Pistolen usw., 2 Gef.Stände der 63. Brigade Garibaldi Modena mit Beutepapieren ausgehoben. Ein Ausrüstungs- und Verpflegungslager sichergestellt, ein Muni-Lager, Sprengpackungen und ital. Munition ausgehoben. Eigene Verluste: 2 Tote. RH 20-14/121, IcM 09.10.44 17.10.44 Bei Durchkämmung des rückwärtigen Gebietes 16. SS-Pz.Gren.Div. 2 Feindtote, 18 bandenverdächtige Gefangene, 119 männliche Zivilisten für den Arbeitseinsatz erfaßt. RH 20-14/121, IcM 17.10.44 18.10.44 Monte Giovina (Panico) Bei Bandenunternehmen am Mte. Geovina 4 Banditen, darunter 1 Zugführer, im Kampf niedergeschossen. 64 bandenverdächtige Elemente festgenommen. RH 20-14/121, IcM 18.10.44 Seite 72 Anhang 2 II./SS-Panzergrenadier-Bataillon 35 Rekonstruktion der Offizierstellenbesetzung im Sommer 1944 Bataillonsstab: Kommandeur: SS-Sturmbannführer Karl-Heinz CANTOW133 ab Ende Juli 1944 SS-Hauptsturmführer Anton GALLER134 5. Kompanie Kompaniechef: SS-Hauptsturmführer Hans-Werner MARQUARDT135 Zugführer: SS-Untersturmführer Ludwig EHRENWIRTH136 137 Zugführer: SS-Untersturmführer Theodor SASSE Zugführer: SS-Oberscharführer Martin JANSSEN Zugführer: 6. Kompanie Kompaniechef: SS-Obersturmführer Paul GRAMSCH138 Zugführer: SS-Untersturmführer Alfred KLINNERT139 Zugführer: SS-Untersturmführer Friedrich CRÜSEMANN140 Zugführer: unbekannt Zugführer: unbekannt 7. Kompanie Kompaniechef: SS-Hauptsturmführer Adalbert REICH141 Zugführer: SS-Untersturmführer Rudolf BURMEIER142 Zugführer: SS-Untersturmführer Gerhard SOMMER Zugführer: unbekannt Zugführer: unbekannt 133 Gefangen am 19. Juli1944 bei Livorno (+), DD (WASt), NVM. 134 Verwundet am 18. Oktober 1944, DD (WASt), NVM. 135 Versetzt zum III. Btg./35, verwundet am15. Juli 1944, DD (WASt), NVM. 136 Verwundet am 25. Juli 1944, DD (WASt), NVM. 137 Verwundet am 14. Juli1944, DD (WASt), NVM. 138 Verwundet am 25. Juli 1944, DD (WASt), NVM. 139 Gefallen am 8. Juli1944, DD (WASt), NVM. 140 Verwundet am 1. Oktober 1944. 141 Gefallen am 29. Juli 1944, DD (WASt), NVM. 142 Gefallen am 25. Juli 1944, DD (WASt), NVM. Seite 73 8. Kompanie Kompaniechef: SS-Hauptsturmführer Franz FILLEBÖCK143 Zugführer: SS-Untersturmführer Fritz SIEBER144 Zugführer: SS-Untersturmführer Siegfried GRAU145 Zugführer: SS-Untersturmführer Hermann DIETRICH146 Fhr. I.G.-Zug: SS-Untersturmführer Erdmann HERBST147 Zugführer I. u. IV. Zug: SS-Führer Zugführer II. u. III. Zug: SS-Unterführer Kursiv: vor dem 12. August 1944 gefallene, verwundete, gefangene oder versetzte SS-Führer. Fett: SS-Führer bzw. SS-Unterführer, die am 12. August 1944 vermutlich noch im Dienst waren. Anmerkung zur Bearbeitung: Die Namen der Beschuldigten sind abgekürzt (Initialen). Leerstellen sind so eingefügt, dass die Seitenzahlen gegenüber dem Original unverändert sind und entsprechend zitiert werden kann. Im Formular sind die Anschriften unsichtbar gemacht. Verantwortlich: Eberhard Frasch 143 Gefallen am 26. Juli 1944, DD (WASt), NVM. 144 Gefallen am 1. Juli1944, DD (WASt), NVM. 145 Verwundet am 18. Oktober 1944, DD (WASt), NVM. 146 Gefallen am 2. Juli1944, DD (WASt), NVM. 147 Verwundet am12. August 1944, DD (WASt), NVM. Seite 74