Knigge ist in

Transcrição

Knigge ist in
Foto: Archiv/Wila
Berichte und rund 300 Stellenanzeigen aus dem Arbeitsmarkt Umweltschutz
sind Woche für Woche im arbeitsmarkt Umweltschutz l Naturwissenschaften.
Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de
n BERUFSALLTAG
Knigge ist in
Wir geben uns lässiger als unsere Eltern und Großeltern. Die sozialen Medien und die modernen Kommunikationsmittel befördern das. Gutes Benehmen kommt
jedoch im Berufsleben weiterhin gut an. | Josefine Janert
F
ast jeder kann Geschichten über
Menschen erzählen, die sich
daneben benommen haben. Besonders beliebt sind Anekdoten über
peinliche Chefs. Da wäre die Vorgesetzte,
die ihre Kolleginnen und Kollegen über
ihre Eheprobleme auf dem Laufenden
hält. Regelmäßig erzählt sie, was wieder
schief gelaufen ist zwischen ihr und ihrem Mann. Für ihre Mitarbeiter gibt es in
dieser Situation fast kein Entkommen. Sie
müssten aufstehen und den Pausenraum
verlassen, in dem sich das Team versammelt hat. Das, so glauben viele, wäre ein
Affront gegenüber der Vorgesetzten. Also
bleiben sie und lauschen den Geschichten, die die meisten von ihnen lächerlich
finden. Im besten Fall haben sie Mitleid
arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN
mit der Frau. Als unhöflich empfinden sie,
dass sie ihnen diese Nähe aufzwingt.
Wenn die Chefin die Fastenkur
nicht durchhält
Auch die Chefin einer kleinen PR-Agentur
ist peinlich. Sie macht eine Diät nach der
anderen und erzählt ihrem Team von ihren Erfolgen. Nur stellen sich diese nicht
oder nur langsam ein. Neulich begann
die Frau eine Fastenkur. Außer einer Gemüsebrühe durfte sie nichts essen. Alle
in der PR-Agentur wurden ungewollt Zeugen, als die Chefin nachmittags die Beherrschung verlor und zum Bäcker eilte.
Auch in diesem Fall scheint die Vertrautheit unangebracht zu sein angesichts der
1
Tatsache, dass die Frau sonst gern die Ellenbogen ausfährt.
Natürlich benehmen sich nicht nur die
Chefs daneben. Aber wenn sie sich freiwillig als Zielscheiben für Spott anbieten,
nimmt man das Angebot an und lästert
über sie. Man lässt Dampf ab und findet
beim Lästern zu einem Gemeinschaftsgefühl. Das wiederum ist auch nicht
höflich. Aber irgendwie menschlich. Man
hat das Bedürfnis, sich vom Verhalten
anderer abzugrenzen und zu zeigen, dass
man es besser weiß.
Jawohl, es gibt die Kollegen (meistens
Männer), die herumschreien oder ausfallend werden, wenn ihnen etwas nicht
passt oder wenn der Stress überhand
nimmt.
Und es gibt auch das junge Pärchen,
das bei der letzten Betriebsfeier zusammengefunden hat. Im Pausenraum legt
die Frau ihren Oberschenkel auf den des
Mannes. Alle müssen ihnen bei dieser
Vertrautheit zugucken, was den Singles
im Team besonders schwer fällt. Aber
darauf nimmt das Pärchen keine Rücksicht. Die beiden bemerken nicht einmal,
welche Gefühle sie auslösen.
Oder der Mann, der oft lautstark auf
Bonbons herumkaut. Und er zieht gern
und häufig die Nase hoch, wenn er erkältet ist oder wenn im Frühjahr die gemeinen Gräserpollen über ihn herfallen.
Ein Platz im Inhouse-Seminar
buchen und nicht kommen
Ist es altmodisch, über das eigene Verhalten und das Verhalten anderer nachzudenken? Offenbar nicht, denn Manieren
sind, auch unter Kollegen, ein beliebtes
Gesprächsthema. Jedes Jahr erscheinen
neue Benimm-Ratgeber. „Höflichkeit bedeutet, dem anderen mit Respekt, also
mit Wertschätzung, zu begegnen“, sagt
eine der Buchautoren, Carolin Lüdemann. Sie ist ausgebildeter BusinessCoach und Mitglied im Deutschen Knigge-Rat. Auf Wertschätzung, so sagt sie,
habe jeder Mensch Anspruch, auch der
Pförtner und die Person am Empfang.
hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Reuterstr. 157, 53113 Bonn,
[email protected], Tel. (02 28) 2 01 61-15
Berichte und rund 300 Stellenanzeigen aus dem Arbeitsmarkt Umweltschutz
sind Woche für Woche im arbeitsmarkt Umweltschutz l Naturwissenschaften.
Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de
Mögen sich die Tipps in den Büchern
im Detail unterscheiden, in einem Punkt
stimmen die Autoren überein: Wir geben
uns lässiger als noch unsere Eltern und
Großeltern. Dennoch legen Unternehmen Wert auf Umgangsformen. Mancher
Bewerber wird abgelehnt, weil er nicht
pünktlich zum Vorstellungsgespräch erschienen ist. Mancher Angestellter erhält
einen Vermerk in seiner Personalakte,
weil er sich zu einem Inhouse-Seminar
angemeldet hat, aber ohne triftigen
Grund nicht erschienen ist. Er hat Kollegen, die das Seminar gerne besucht
hätten, den Platz weggeschnappt. Das
wird nicht gerne gesehen, berichtet Carolin Lüdemann. Ein solches Verhalten
habe auch nichts mit Lässigkeit zu tun.
„Lässigkeit ist eher Entspanntheit, die auf
guter Vorbereitung fußen sollte.“
Wie man sich in der Arbeitswelt zu verhalten hat, hängt auch von dem Milieu ab
und der Position, die man einnimmt. Von
einem Juristen in einer renommierten
Kanzlei wird mehr Förmlichkeit erwartet als von einer Schulpsychologin. Kai
Oppel findet allerdings, dass man mit
kleinen Aufmerksamkeiten gegenüber
anderen Menschen überall einen guten
Eindruck hinterlässt. „Man liegt nie falsch,
wenn man eine Nummer zu freundlich
ist“, sagt der PR-Fachmann und Buchautor: Einem älteren Menschen helfen, im
WEBSITES
carolin-luedemann.de – Webseite
von Carolin Lüdemann, ausgebildeter
Business Coach
futureformat.de – Hamburger Agentur, die Seminare zur Personalentwicklung und zu sozialen Kompetenzen anbietet
knigge-rat.de – Der Deutsche Knigge-Rat macht Vorschläge, wie man
sich im Berufs- und Privatleben verhalten kann.
eetiquette.de – 101 Vorschläge für die
Kommunikation in der digitalen Welt
Zug das Gepäck zu verstauen oder einer
voll bepackten Kollegin die Tür aufhalten.
Kai Oppel orientiert sich dabei am kategorischen Imperativ von Immanuel Kant.
Der besagt sinngemäß, dass man andere
so behandeln soll, wie man selbst behandelt werden will.
Das, so Kai Oppel, sei ein Ausdruck
von Höflichkeit, von Respekt: „Respekt
bedeutet, sich für andere zu interessieren. Das äußert sich unter anderem darin,
dass man ihnen zuhört und sich in sie
hineinversetzt. Dass man versucht, sie zu
verstehen. Respekt äußert sich natürlich
auch in Pünktlichkeit.“
Geschäftsinterna
ins Telefon brüllen
Adolph Freiherr von Knigge veröffentlichte 1788 sein Buch „Über den Umgang
mit Menschen“. Darin skizziert er die Etikette seiner Zeit. Viele andere Autoren
folgten. Karl Smolka brach noch in dem
1957 in Ostberlin erschienenen Band
„Gutes Benehmen von A - Z“ eine Lanze
für den Handkuss. Allerdings sei er niemals unter freiem Himmel, sondern nur
in geschlossenen Räumen zu verabreichen.
Die 68er Generation lief in der
Bundesrepublik Sturm gegen BenimmRegeln dieser Art. Vor allem junge
Menschen empfanden und empfinden
sie als verstaubt. Nichtsdestotrotz wird
bis heute in gewissen Kreisen Damen
die Hand geküsst. Aber die Umgangsformen verändern sich weiter. Seit Ende
der 1990er Jahre werden sie auch durch
das Mobiltelefon und das Internet beeinflusst. Auf Twitter und Facebook duzt man
sich. Und man kann in der Straßenbahn
Geschäftsinterna in sein Telefon brüllen,
ohne dass sich der Sitznachbar darüber
aufregt, dass er gestört wird.
Auch dass die Arbeitswelt internationaler wird, trägt zur Veränderung der Umgangsformen bei. Ausländer wollen gern
wissen, warum wir uns so und so verhalten. Sie benehmen sich nicht schlechter
als wir, aber eben anders. Die Gründe
arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN
2
dafür finden wiederum viele Deutsche
interessant.
Der erhobene Zeigefinger
Es gab und gibt Menschen, die andere
gern auf ihre Fehltritte aufmerksam machen, und zwar vor versammelter Mannschaft. Wenn man im Kollegenkreis mit
einem Glas Sekt auf ein Jubiläum anstößt, sagen sie: „Man schaut sich aber
an, wenn man sich zuprostet!“ Kai Oppel
empfindet solche öffentliche Zurechtweisungen als unangenehm. „Sie zeugen
davon, dass die Person selbst keine Manieren hat“, rügt er. Kritik solle man unter
vier Augen äußern.
Auch Carolin Lüdemann zieht diese
Form des Gespräches vor und plädiert
grundsätzlich für die Ich-Form. Statt
„Du hast weitererzählt, was ich dir im
Vertrauen gesagt habe“, solle man der
Plaudertasche seine Betroffenheit über
den Tratsch lieber unter vier Augen in der
Ich-Form mitteilen. „Mit der Du-Botschaft
kann ich einen Angriff auslösen“, meint
Carolin Lüdemann. „Dann ist es wahr-
LESEEMPFEHLUNGEN
Carolin Lüdemann: Die Kunst, zu
wirken. Wie Sie sympathisch und
authentisch überzeugen. Börsenmedien, Kulmbach, 2011, 19,90 €
Nandine Meyden: Business-Etikette.
Sicher auftreten und Fettnäpfchen
vermeiden. Pocket Business. Cornelsen Scriptor, Bibliographisches Institut
GmbH, Mannheim, 2011, 6,99 €.
Valentin Nowotny: Die neue Schlagfertigkeit: Schnell, überraschend
und sympathisch. Was Sie von Obama, Merkel, Klitschko & Co. lernen
können. 3. Auflage, Businessvillage,
Braunschweig, 2012, 24,80 €
Kai Oppel: Business-Knigge International. Der Schnellkurs. 3., aktualisierte Auflage. Haufe Lexware, Freiburg, 2012, 19,95 €.
hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Reuterstr. 157, 53113 Bonn,
[email protected], Tel. (02 28) 2 01 61-15
Berichte und rund 300 Stellenanzeigen aus dem Arbeitsmarkt Umweltschutz
sind Woche für Woche im arbeitsmarkt Umweltschutz l Naturwissenschaften.
Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de
scheinlich, dass ich Ziel eines Gegenangriffs werde und der Konflikt sich weiter
verschärft. Es sollte aber mein Ziel sein,
den Konflikt zu lösen.“
Die angeblich flachen Hierarchien
Die neue Laxheit führt nicht immer zu
mehr Gelassenheit. Viele Menschen sind
verunsichert, was nun genau von ihnen
erwartet wird (siehe Interview über das
Duzen). Zwar preisen Unternehmen ihre
Fragen wenden sollte. Auf den Schreibtischen, die alle gleich aussehen und
gleich ausgestattet sind, fehlen Schilder
mit dem Namen und dem Aufgabenbereich des Mitarbeiters. Zwar tragen alle
Angestellten Schilder mit ihrem Namen
und ihrer Position. Doch die Buchstaben
sind so klein, dass der Mann sie kaum
entziffern kann. So irrt er herum, manchmal tut er es heute noch. Es kam vor,
dass ihm gleichgestellte Kollegen Anweisungen gaben oder ihn zurechtwiesen,
Was gar nicht geht: Beim Telefonieren Nahrung zu sich nehmen
angeblich flachen Hierarchien an. Doch
spätestens auf den zweiten Blick sind
Unterschiede zwischen einzelnen Mitarbeitern erkennbar. Sie äußern sich etwa
darin, wem bei Besprechungen mehr Zeit
für Redebeiträge eingeräumt wird. Oder
wer mit seinem Verhalten die interne Arbeitsorganisation dominiert. Kommt der
Leithammel zu spät, tun es ihm andere
nach. Der Leithammel muss nicht gleichzeitig Chef sein.
Der Mitarbeiter eines Berliner Unternehmens findet es anstrengend, solche
ungeschriebenen Gesetze herauszufinden. Er fände es besser, wenn Dinge klar
geregelt wären und alle darüber Bescheid
wüssten. Als er im Betrieb anfing, wusste
er nicht genau, an wen er sich mit seinen
arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN
Foto: MS/Wila
obwohl es ihnen gar nicht zustand. „Es
hat eine Weile gedauert, bis ich das herausfand“, sagt er.
Auch die Chefs haben Probleme
mit der Laxheit, die sie selbst verordnet
oder zumindest zugelassen haben. Die
offizielle Regel, dass keine privaten Telefone, Kleidungsstücke, Getränke und
Essen auf den Schreibtischen liegen
dürfen, nehmen viele Mitarbeiter auf
die leichte Schulter. Als eines Tages
ein wichtiger Kunde das Unternehmen
besuchte, machte ein Tisch einen besonders schlechten Eindruck. Darauf lag
alles Mögliche, was dort nicht hingehörte.
„Einer der Chefs fragte mich, wem dieser
Schreibtisch gehört“, sagt der Mann.
„Ich habe den Kollegen nicht verpfiffen.
3
Wenn die Chefs nicht dafür sorgen, dass
ihre Regeln immer eingehalten werden,
sind sie selbst schuld.“ Allerdings fand
sich schnell ein anderer Mitarbeiter dazu
bereit, den Kollegen zu verpetzen.
Jeder Mensch hat Anspruch auf
Wertschätzung
Selbst klassische Höflichkeitsregeln wie
das Grüßen und das Bitte- und DankeSagen scheinen in einigen sozialen Milieus in Vergessenheit geraten zu sein.
Darüber hinaus verstehen viele Menschen unter Höflichkeit nicht mehr das
Befolgen eines strengen Regelkatalogs.
Vielmehr ist es für sie eine Lebenshaltung, ob sie bestimmte Dinge tun oder
sich bestimmte Freiheiten gönnen. Da ist
es nur fair, wenn sie auch die Konsequenzen dafür tragen. Kai Oppel sagt: „Eine
Grenze überschritten hat man in der Regel dann, wenn man sich selbst fragt, ob
das eigene Benehmen höflich war. In
dem Moment, in dem man darüber
nachdenkt, war es mit großer Wahrscheinlichkeit unhöflich.“
Carolin Lüdemann will ihre Kunden
nicht in bestimmte Schablonen pressen.
Vielmehr reflektieren die Teilnehmer in
ihren Seminaren darüber, wie etwa eine
bestimmte Körperhaltung auf andere
wirkt. Dann überlegt der Betreffende,
ob und wie er sie verändert. Lüdemann
will auf keinen Fall jemanden zu einem
Verhalten nötigen, das er selbst als künstlich empfindet. „Die meisten Menschen
haben sehr feine Antennen dafür, ob
jemand authentisch ist“, sagt sie.
Vor elf Jahren begann sie damit,
sich mit Kniggethemen auseinander zu
setzen. Damals leitete sie Seminare für
Hochschulabsolventen. „Es zeigte sich,
dass sie zwar fachlich gut ausgebildet
waren, dass aber viele nicht über die sozialen Kompetenzen verfügten, um jede
berufliche Situation zu meistern. Deshalb
war es für viele Absolventen schwierig, in
ihrem Wunschjob Fuß zu fassen.“
Mittlerweile schult Carolin Lüdemann
Mitarbeiter von Unternehmen, die Kon-
hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Reuterstr. 157, 53113 Bonn,
[email protected], Tel. (02 28) 2 01 61-15
Berichte und rund 300 Stellenanzeigen aus dem Arbeitsmarkt Umweltschutz
sind Woche für Woche im arbeitsmarkt Umweltschutz l Naturwissenschaften.
Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de
takt zu Kunden haben. Diese Menschen
repräsentieren nicht nur sich selbst,
sondern auch ihren Arbeitgeber. Eine Herausforderung für viele, denn die Kunden
schließen von ihrem Verhalten auf die
Qualität der Produkte und Dienstleistungen. „Vor allem beim ersten Kontakt mit
dem Kunden hängt der Erfolg davon ab,
dass es dem Mitarbeiter gelingt, als Persönlichkeit zu überzeugen“, sagt Carolin
Lüdemann. „Wenn er das schafft, kann
er auch fachliche Inhalte vermitteln.“
Viele Menschen denken allerdings, es sei
umgekehrt: Erst brillieren sie mit ihrem
Fachwissen, dann werden sie als Person
wahrgenommen.
Damit man bei einem Geschäftstermin gut ankommt, ist es vielleicht noch
wichtiger als früher, sich über das Gegenüber zu informieren. „Über das Internet
ist das leicht möglich“, sagt Kai Oppel. Auf
Xing und auf anderen Plattformen erfährt
man viel über den Werdegang und die
Interessen der Mitglieder. Sich darauf
einzustellen, ist nicht Anbiederung, sondern höflich und eine gute Gesprächsstrategie.
• den Pförtner und die Putzfrau nicht
grüßen, weil sie nur der Pförtner und
die Putzfrau sind
• auf einer Beerdigung, einer Gedenkveranstaltung, einer Feier zu einem Jubiläum u.Ä. das Mobiltelefon klingeln
lassen
• beim Telefonieren essen
• sich in der Öffentlichkeit via Mobiltelefon über Geschäftsinterna oder Details
aus dem Privatleben austauschen
• Mails mit vielen Rechtschreibfehlern,
falsch geschriebenen Namen, ohne
Anrede und Grußformel
• dem Gegenüber permanent ins Wort
fallen
• Menschen vor anderen bloßstellen
oder sie zurechtweisen
• im Kollegenkreis oder bei geschäftlichen Begegnungen ausführlich über
die eigenen Krankheiten oder die
Krankheiten anderer reden
• Witze über körperliche Eigenheiten,
Behinderungen, die Herkunft oder
Religion anderer Menschen
• Körpergeruch, zu starkes Parfüm oder
Rasierwasser
Ellenbogen versus Höflichkeit
Vorschläge: So geht es besser
Die Buchhandlungen quellen nicht nur
über vor Benimm-Ratgebern, sondern
auch vor Büchern, die Karrierestrategien
anpreisen. Oft geht es darum, ob und wie
man sich gegenüber Mitbewerbern und
Kollegen durchsetzt. Für Carolin Lüdemann ist das kein Widerspruch zu Höflichkeit. „Durchsetzungsvermögen hat
nichts mit dem Ausfahren von Ellenbogen zu tun“, sagt sie. „Sich durchzusetzen
bedeutet: Ich nehme in Anspruch, was
mir zusteht. Ich positioniere mich. Ich
spreche über meine Erfolge und bringe
meine Ansichten und Erfahrungen ein.“
Das ist Selbstmarketing.
• Jeden begrüßen, den man im Unternehmen trifft. Ob dabei ein Händedruck ausgetauscht wird, entscheidet
der, der in der Hierarchie höher steht.
• Im Berufsleben ist die Hierarchie wichtiger als das Alter und das Geschlecht.
Ansonsten hat natürlich der Kunde
oder Gast Vortritt, es sei denn, er wird
im Betrieb herumgeführt. Dann geht
der Mitarbeiter voran, weil sich der
Kunde ja nicht auskennt.
• Wer zu einer Besprechung zu spät
kommt, begrüßt alle mit „Guten Tag“
und setzt sich leise hin. Erst in der Pause entschuldigt er sich ausführlich.
• In Notfällen kann während eines
Geschäftstermins das Mobiltelefon
angeschaltet bleiben, allerdings auf Vibration gestellt. Der Gesprächspartner
sollte kurz über den Verhinderungsgrund informiert werden.
Was gar nicht geht
• permanent zu spät kommen
• jemanden mit den Händen in den
Hosentaschen begrüßen
arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN
4
• Kritik an anderen sollte sachlich,
freundlich und konstruktiv sein. Man
bespricht sie unter vier Augen.
• Die Kleidung sollte zum sozialen Milieu passen. Ein Streetworker im Anzug
fällt ebenso unangenehm auf wie eine
Bankkauffrau in bauchfreiem Top. Die
Kleidung sollte sauber und gebügelt
sein.
• Schmuck, Make-up, Parfüm und Rasierwasser sollten dezent sein.
n INTERVIEW
Du oder Sie?
Valentin Nowotny ist Psychologe und
Geschäftsführender Gesellschafter der
Agentur Futureformat in Hamburg.
arbeitsmarkt: Ich habe einen BenimmRatgeber von 1957. Der Autor erklärt
genau, wer wem das „Du“ anbieten darf.
Ist es auch Ihr Eindruck, dass das heute
nicht mehr so einfach ist?
Valentin Nowotny: Ja. Viele Menschen
empfinden regelrecht einen Leidensdruck, weil sie sich immer wieder fragen:
Muss ich siezen? Darf ich duzen? Muss
ich duzen? Darf ich siezen? Die berufliche
und die private Welt sind eben nicht
mehr so stark voneinander zu trennen.
Und in der Arbeitswelt ist vieles nicht
mehr so hierarchisch und eindeutig geregelt wie früher.
Spielt auch das Englische eine Rolle? Es
kennt ja nur eine Form: „you“.
„You“ bedeutet „Ihr“, das klingt vertraut.
Ja, die Internationalität spielt eine Rolle,
da viele Unternehmenskulturen davon
geprägt sind. In Unternehmen, die ihre
Zentralen in der angelsächsischen Welt,
in Nordeuropa und den Niederlanden
haben, wird oft auch den Mitarbeitern in
Deutschland das „Du“ nahegelegt. In der
klassischen deutschen Unternehmenskultur siezt man sich hingegen erst einmal und handelt das Du dann individuell
aus. Diese Vielfalt führt dazu, dass man-
hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Reuterstr. 157, 53113 Bonn,
[email protected], Tel. (02 28) 2 01 61-15
Berichte und rund 300 Stellenanzeigen aus dem Arbeitsmarkt Umweltschutz
sind Woche für Woche im arbeitsmarkt Umweltschutz l Naturwissenschaften.
Informationen zum Abonnement unter www.wila-arbeitsmarkt.de
cher Berufsanfänger sich fragt: Wo bin ich
eigentlich gelandet? Was soll ich jetzt
tun? Wenn der Absolvent in ein amerikanisch geprägtes Unternehmen einsteigt
und den honorigen Chef, den er gar nicht
sympathisch findet, duzen soll, steht er
auch vor einer Herausforderung.
Die deutsche Sprache bietet eben Abstufungen.
Ja. Sie lässt uns darüber nachdenken, wie
nah wir jemandem sein möchten. „Du“
signalisiert Nähe, „Sie“ Distanz. Man kann
diese Entscheidung nicht umgehen. Mit
40 oder 50 Jahren hat man darin mehr
Erfahrung als mit Mitte 20.
Wirklich? Ich habe den Eindruck, dass den
Jüngeren das Duzen leicht fällt, insbesondere in der IT-Branche, der Werbung und
in Start ups. Dort ist das „Du“ ohnehin
üblich, während sich 40- bis 50-Jährige in
herkömmlichen Berufen den Kopf darüber zerbrechen.
Da ist was dran. Jedenfalls gibt es Zonen
der Unsicherheit, die vielen Menschen zu
schaffen machen. In bestimmten Momenten kann man auch „ihrzen“, also
eine Gruppe mit „Ihr“ anreden. Das erlebe ich bei Führungskräften: Mitarbeiter,
die sie eigentlich siezen, reden sie in der
Gruppe mit „Ihr“ an, um ihnen näher zu
kommen. Es ist ja auch ein Unding, dass
man Menschen das „Du“, aber nicht das
„Sie“ anbieten kann.
Stimmt.
Es sei denn, man trifft sich vor Gericht.
Wenn ein Konflikt so eskaliert, dass man
die Justiz bemüht, dann siezt man sich
wieder. Auch wenn man nach ein paar
Bier beim „Du“ angekommen ist, kann
man am nächsten Tag zwanglos zum
„Sie“ zurückkehren. In allen anderen Situationen führt vom „Du“ kein Weg zurück
zum „Sie“. Das macht die Entscheidung
über das Duzen auch so brisant.
Was würden Sie in folgender Situation
tun: Zu Beginn eines Kurses sagen die
Teilnehmer, dass die Dozentin sie duzen
arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN
soll. Doch nach kurzer Zeit beginnen
viele von ihnen, die Dozentin wieder zu
siezen.
Die Teilnehmer nehmen sie als Respektsperson wahr, insbesondere, wenn sie
wesentlich älter und erfahrener ist als sie.
Das „Du“ kann ihnen deshalb Unbehagen
bereiten. Sie wünschen sich jemanden,
der die Richtung vorgibt, zu dem sie mehr
Distanz haben. Das „Du“ untergräbt das.
Was würden Sie dann tun?
Im Kurs darüber zu diskutieren, dass und
warum man zum „Sie“ zurückkehrt, wäre
ein Affront. Die Dozentin kann einfach so,
ohne sich zu erklären, zum „Sie“ übergehen.
Das klappt dann besonders gut, wenn
zwischen zwei Kursterminen ein längerer
Zeitraum liegt. Wenn jemand sagt: Na,
wir haben uns ja vorher geduzt, dann
sagt sie: Das „Du“ hat sich nicht bei allen
durchgesetzt.
Die Dozentin sollte das nicht persönlich nehmen. Es liegt wohl nicht daran,
dass die Teilnehmer sie nicht sympathisch finden, sondern an der Lebenserfahrung, die sie ausstrahlt, und an den
Erwartungen an ihre Rolle als Kursleiterin.
Ich denke, dass sich mit dem „Sie“ alle
wieder sicher fühlen.
Woran liegt das?
Das „Du“ ist sensibler für Störungen. Es
impliziert, dass man Ansichten teilt. Erlebt man, dass dem nicht immer so ist,
kann das eine einprägsame Erfahrung
sein. Den meisten Menschen fällt es
leichter, jemanden zu kritisieren, den sie
siezen. Und es fällt ihnen leichter, von
einer Person, die sie siezen, Kritik anzunehmen.
In dem Benimm-Ratgeber von 1957
steht: Die Frau bietet das dem Mann das
„Du“ an, der Ältere dem Jüngeren, der
Chef dem Mitarbeiter. Stimmt das noch
so?
Das Geschlecht spielt heute nicht mehr
eine so wichtige Rolle, Alter und Hierarchie hingegen schon.
5
Ich habe gehört, dass in der Arbeitswelt
heute die Hierarchie entscheidet. Demnach würde der 25-jährige Chef der 55jährigen Mitarbeiterin das „Du“ anbieten.
Das darf er. Allerdings sollte er an ihre
lange Betriebszugehörigkeit und Lebenserfahrung denken. Möglicherweise bereitet ihr das „Du“ Unbehagen.
Darf sie, darf man es ablehnen?
Ja. Sie können sagen: Danke, ich möchte
darüber nachdenken. Und am nächsten
Tag bedanken Sie sich noch mal und teilen dem Gegenüber mit, dass sie ihn als
Person schätzen, aber das „Du“ Ihrer Meinung nach nicht oder noch nicht zu der
Situation passt, in der Sie beide sind.
INTERVIEWPARTNER
Valentin Nowotny ist MBA, Dipl.Psychologe, Dipl.-Medienberater und
Geschäftsführender
Gesellschafter
der futuretemp Personalberatung.
www.futuretemp.de
Er war unter anderem bis 2010 VizePräsident der MBA-Association of
Germany e.V. und bis Ende 2012
Dozent an der Hamburg School of
Business Administration.
hrsg. vom Wissenschaftladen Bonn e.V., Reuterstr. 157, 53113 Bonn,
[email protected], Tel. (02 28) 2 01 61-15