Workshop Martial Arts und ästhetischer Wandel in den

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Workshop Martial Arts und ästhetischer Wandel in den
Workshop
Martial Arts und ästhetischer Wandel in den audiovisuellen
Unterhaltungsmedien
17. – 18.1.2014
Konfuzius-Institut Leipzig
Abstracts
ZUR INSZENIERUNG VON 武 WU : KAMPFSZENEN IN DER PEKING-OPER
Dr. Anna Stecher, Ludwig-Maximilians-Universität München
Im traditionellen chinesischen Musiktheater werden oft zwei Formen unterschieden,
文戏 wen xi und 武戏 wu xi, „zivile Spiele“ mit vielen gesungenen Partien und
„militärische Spiele“ mit zahlreichen kämpferischen Szenen. In diesem Beitrag soll
zunächst kurz die Entwicklung der „militärischen Spiele“ skizziert werden. Dann sollen
anhand von Beispielen mehrere Szenen aus bekannten Peking-Opern auf ihre
Inszenierung des Kampfes hin untersucht werden.
ALS FRAUEN FLIEGEN LERNTEN
Peggy Kames, M.A.
Vier Jahre dauerte das Wuxia-Fieber, von 1928 bis 1931. In diesen vier Jahren
versuchten die zahlreichen Filmstudios in Shanghai sich in schnell produzierten und
immer fantastischeren Produktionen zu überbieten. Es war die Hoch-Zeit einer
cinematographischen Entwicklung, die auf Georges Meliès zurückreicht. Wenn man in
Europa von Meliès als dem Magier des Kinos spricht, im Gegensatz zu den Brüdern
Lumiere, den Realisten, dann hatte im China der Endzwanziger Jahre der Melièssche
Aspekt die Oberhand, ein "Kino von unten", aus der Jahrmarkts-, Theater- und
Erzähltradition kommend, ein Kino der Attraktionen, das die phantastischsten
Geschichten vor aller Augen sichtbar machte. Es verband dabei die Freude an
Darstellbarkeit und Spiel mit technischer Raffinesse und Tüftelei. Einer dieser Tüftler war
Dong Keyi, dessen Filmtricks maßgeblich zum Erfolg der "Burning of the Red Lotus
Temple"-Filme beitrugen und den Film zum Prototyp machten. In vielen der frühen
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Martial Arts-Filme nahmen zudem die Heldinnen und Schwertkämpferinnen einen
prominenten Platz ein. Die kurze Phase des Martial Arts-Hypes kann heute nur mehr
aus schriftlichen Zeugnissen rekonstruiert werden, denn Filme aus der Frühzeit des
chinesischen Kinos sind rar. Zur Vernichtung dieses Schatzes trug auch die
Geringschätzung des Genres durch spätere Generationen bei. Wer waren die
vergessenen Heldinnen und frühen Filmstars? Sie konnten fliegen, plötzlich
verschwinden und wieder auftauchen, sie waren selbständige Kämpferinnen für eine
bessere Welt, ihre magischen Kräfte lockten das Publikum scharenweise in die Kinos
und das von ihnen verkörperte Frauenbild entsprach so gar nicht der konfuzianischen
Tradition. Die Schwertkämpferinnen als Wegbereiter des neuen Frauenbildes. Eine
Spurensuche in vier Jahren, bei drei Schauspielerinnen, zwei Filmen und einem
Kameramann und Tüftler ...
TRANSFORMATIONEN DES WUXIA-FILMS ZWISCHEN 1949 UND 1997
Clemens von Haselberg M.A., Freie Universität Berlin
Zunächst in den 1920er Jahren in Shanghai entstanden, war der chinesische WuxiaFilm aufgrund seiner Ächtung in der Volksrepublik den Großteil seiner bisherigen
Geschichte vor allem in Hongkong, in geringerem Maße auch in Taiwan zuhause. In
dieser Zeit hat er zwei maßgebliche Transformationen erlebt, Mitte der 1960er und
Anfang der 1990er Jahre, bevor sich die Wuxia-Filmproduktion etwa seit Beginn der
2000er wieder stärker aufs chinesische Festland bzw. in die Volksrepublik verlagert
hat. Diese Transformationen sind visueller und narrativer, teils auch performativer
Natur: In den 1960er Jahren entwickelte sich der Neue Wuxiafilm (新武侠片) aus
einem Aufruf des Shaw Brothers Studios, die fantastischen Elemente des Genres zu
begrenzen und stattdessen eine realistischere Darstellung des Kampfes anzustreben. In
frühen 1990er Jahren kehrten diese fantastischen Elemente in den Wuxiafilm zurück,
und Regisseure wie Tsui Hark ergänzten ungewöhnliche Kamerawinkel, schnellere
Schnitte und Wirefu zur Formsprache des Wuxia-Films. Diese Transformationen sollen
im Rahmen des Vortrags jedoch nicht nur skizziert, sondern auch an gesellschaftliche
Veränderungen und politische Entwicklungen rückgebunden werden, welche auf die in
Wuxia-Filmen vermittelten (Selbst-)Bilder chinesischer Identität einwirkten und in ihnen
Ausdruck fanden.
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FURY OF THE DRAGON: BRUCE LEE UND MARTIAL ARTS ALS HYPERTEXT
Tim Trausch M.A., Universität Leipzig
Bis heute hinterlassen Bruce Lee und seine Werke jenseits gängiger textueller, medialer
oder gattungsspezifischer Grenzziehungen ihre Spuren in einem stetig wachsenden
Geflecht audiovisueller Texte. Dieser Vortrag stellt den Filmen der Martial-Arts-Ikone
deren postkinematographische Neumontagen gegenüber. Sind erstere in ihrer
ästhetisch-narrativen Gestaltung noch als relativ geschlossene und stabile (Sinn)Einheiten zu verstehen, präsentieren sich letztere als Zitate, Übersteigerungen und
Vermengungen vorgängiger Zeichen und Bilder und somit als vernetzte Hypertexte.
Dieses Phänomen gilt es an gegenwärtige Umwelt- und damit Textbedingungen
anzubinden sowie um die Frage der Anknüpfung an spezifisch chinesische Konzepte
der Bedeutungsgenerierung zu erweitern.
MEDIUM MACHT KÖRPER: ZUR EPISTEMOLOGIE VON MARTIAL ARTS IN
DER AUDIOVISUELLEN KULTUR
Dr. Ivo Ritzer, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Mit der Trias von Medium, Macht und Körper wird die technologisch vermittelte
Audiovisualität von Martial Arts auf ihre epistemologischen Implikationen hin befragt.
Dabei sollen alle drei Diskurse zueinander in Relation situiert werden: der Körper als
Darstellungsobjekt wie als Darstellungsadressat; Machtstrukturen als diegetische
Funktion wie als ideologischer Effekt; Medialität als Prädisposition des Erscheinens wie
als ästhetisches Potential der Inszenierung. Im Spannungsfeld von analogem und
digitalem Bewegtbild ist projektiert, am Beispiel mehrerer paradigmatischer Fallstudien
die Verflechtung derjenigen medialen, macht- und körperpolitischen Episteme
aufzuzeigen, die Martial Arts als kulturelles Phänomen prägen.
»EVERYBODY WAS KUNG FU FIGHTING« – (INTER)KULTURELLE
KÖRPERÄSTHETIKEN DES COMPUTERSPIELS ZWISCHEN ANMUT UND
IRONISIERUNG
Jun. Prof. Dr. Benjamin Beil, Universität zu Köln
Die neuen Steuerungsformen des Computerspiels sind zumeist grundlegend durch
bestimmte Körper-Metaphern geprägt, die sich in der Avatar-Figur als Fusion aus
Interface-Werkzeug und Stellvertreter-Körper manifestieren. Eine der zentralen
pop(ulär)kulturellen Quellen, aus der sich diese Interfaceformen des Spiels speisen,
bildet dabei der Martial-Arts-Film mit seinen stilistischen Zuspitzungen einer perfekten
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Körperbeherrschung. Der Vortrag will verschiedenen Adaptionen und Remediationen
von Martial-Arts-Motiviken im Computerspiel nachgehen – angefangen von
hyperrealistischen Körper- und Steuerungsfantasien (insb. des Beat-‘em-up-Genres) bis
hin zu selbstreflexiven Brüchen der Körper-Interface-Metapher im Bereich der Art
Games.
WU XIA-WORLDBUILDING IN DEM ROLLENSPIEL JADE EMPIRE
PD Dr. habil. Andreas Rauscher, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Im mittelalterlichen China angesiedelte Wu Xia-Epen wie Zu Warriors from the Magic
Mountain (1983), A Chinese Ghost Story (1987-1991) und China Swordsman (19921993) zählen zu den stilprägenden Produktionen des phantastischen Films im Hong
Kong-Kino der 1980er und frühen 1990er Jahre. Mit Hilfe von Wirework-Stunts
realisierte, scheinbar schwerelose Actionszenen, ambivalente Helden und magische
Grenzgebiete zwischen der erstarrten Welt der Lebenden und dem dynamischen Reich
der Geister bereiten ein Setting, das wie geschaffen für Videospiele erscheint.
Insbesondere Rollenspiele, in denen die Heldenreise des Spielers oder der Spielerin
sich als Do-It-Yourself-Epos gestaltet, würden sich besonders gut für eine ludische
Adaption der Wu Xia-Szenarien eignen, dennoch beschränkt sich die Anzahl der
entsprechenden Spiele im Westen auf einige wenige prägnante Ausnahmen wie die
Bioware-Produktion Jade Empire (2005). Der Vortrag untersucht ausgehend von
diesem künstlerisch eigenwilligen und ambitionierten Spiel die grundlegenden
ludischen und narrativen Stilmittel des Worldbuilding als transkulturelles Phänomen und
begibt sich auf eine Spurensuche nach den Echos des Wu Xia in virtuellen Welten
jenseits klassischer Beat’em-Up-Routinen.
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