nzz_games_20070410

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nzz_games_20070410
B8
Neuö Zürcör Zäitung
MOBIL DIGITAL
Dienstag, 10.April 2007 Nr. 82
Infotainment als Bausatz
DIGITAL IN KÜRZE
Widgets animieren den PC-Desktop
Yahoo gewährt unbegrenzten Mail-Speicherplatz.
Yahoo bietet den fast 250 Millionen Nutzern seines
kostenlosen Mail-Dienstes künftig unbegrenzten
Speicherplatz. Damit setzt sich Yahoo von den beiden grössten Rivalen, Google und Microsoft, ab, die
ihren Nutzern derzeit 2,8 beziehungsweise 2,0 Gigabyte bieten. Bei Yahoo war die Mail-Kapazität auf
1 GB beschränkt. Dieses Limit soll ab Mai schrittweise aufgehoben werden. Es wird aber wohl noch
einige Monate dauern, bis der unbegrenzte Speicherplatz tatsächlich überall zur Verfügung steht. AOL
hat den grenzenlosen Speicher schon im Sommer
vergangenen Jahres eingeführt. Die Ausweitung des
Speicherplatzes ist im Rückblick auf die bisherige
Politik von Yahoo geradezu dramatisch. Noch vor
vier Jahren gab es gerade einmal 4 MB Mail-Speicher, 100 MB kosteten 50 Dollar im Jahr. Der Wettbewerb der Web-Mail-Dienste änderte sich grundlegend mit dem Start des Mail-Angebots von Google
im April 2004, wo es von Anfang an mit 1 Gigabyte
reichlich Speicherplatz gab.
(ap)
Smartphones setzen auf Breitband-Internet. Nach
dem Mobiltelefon Motorazr V3xx von Motorola ist
im Handel nun auch ein für die schnelle Datenkommunikation taugliches Smartphone von Palm erhältlich. Der mit Windows Mobile 5 laufende Treo 750
unterstützt die Übertragungstechnik HSDPA (Highspeed Download Packet Access), eine Weiterentwicklung von UMTS, deren Datentransferrate von
1,8 MBit/s jedoch um ein Vielfaches höher ist. Damit
kann man mit dem 999 Franken teuren Treo praktisch so zügig surfen und Daten herunterladen wie
über ADSL. Auch das auf Ende Monat zu erwartende Nokia N95 ist für das schnelle Breitbandnetz
ausgelegt, ebenso das vergangene Woche von Sony
Ericsson angekündigte Modell Z750i. Die Vorteile
der schnellen Handys lassen sich in der Schweiz aufgrund der Netzabdeckung jedoch erst beschränkt nutzen. Während Orange die Stadt Lugano mit HSDPA
abdeckt, versorgt Sunrise zurzeit sechs Städte mit
dem schnellen Breitband, das Netz der Swisscom
deckt 40 Prozent der Wohnbevölkerung ab.
set.
PD
Nachspiel
set. Nachdem Social Networking im vergangenen
Uhrmacherkunst und Elektronik versöhnt: v-tec Kappa von Ventura Design.
PD
Halbleiterkomponenten statt Zahnräder
Ventura mit technisch raffinierten und schönen Quarzuhren
S. B. Die Erfindung der elektronischen Uhr in
den fünfziger Jahren hätte für die Uhrenindustrie
einen Epochenwandel bedeuten können. Schweizer Firmen gehörten damals, als vor rund fünfzig
Jahren die ersten Quarzuhren entwickelt wurden,
zur technologischen Avantgarde. Firmen wie Bulova mit der elektronisch angeregten Stimmgabel
als Taktgeber oder BBC mit ihren Flüssigkristallanzeigen waren Weltspitze. Es waren dann aber
fernöstliche Firmen, die diese Innovationen kommerzialisierten. Sie taten das so erfolgreich, dass
der Preis für eine Quarzuhr innert weniger Jahre
absackte. Viele Hersteller von mechanischen
Uhren mussten den Betrieb einstellen. Die
Schweizer Uhrenindustrie überlebte, weil sie es
mit raffiniertem Marketing verstand, ihren traditionsreichen Produkten die Aura des Besondern
zu verleihen. Es gelang, in den Köpfen von sonst
vernünftigen Männern die Idee einzupflanzen,
dass bei der Zeitmessung Zahnräder Halbleiterkomponenten vorzuziehen seien.
Seit einigen Jahren versucht Pierre Nobs,
gegen solche Vorurteile anzukämpfen. Er möchte
die «Wertigkeit», die mechanische Schweizer
Uhren auszeichnet, mit den technischen Möglichkeiten der Elektronik kombinieren, alte Handwerkskunst an die jüngsten Innovationen des
Computerzeitalters heranführen. Nobs wandelte
1989 die Firma Ventura Design on Time SA zu
einer «Elektronik-Manufaktur». Dass man sich in
der Nähe von Zürich niedergelassen habe und
nicht in den Stammlanden der Schweizer Uhrenindustrie, habe eine symbolische Bedeutung: Man
gehe zum Konservativismus der Branche auf
Distanz. – Die Erfindung der elektronischen Uhr
in den fünfziger Jahren bewirkte keinen Epochenwandel, sondern eine Aufteilung des Marktes in
billige Quarzuhren und teure Uhren mechanischer Bauart. Die meisten fernöstlichen Hersteller von Billiguhren wie auch die Produzenten von
Schweizer Mechanikuhren sahen keine Möglichkeit oder keine Notwendigkeit, sich für die technische Weiterentwicklung der elektronischen Uhr
zu engagieren. Während die Elektronik rasante
Fortschritte machte, blieb die Elektronikuhr, was
sie schon vor Jahrzehnten war, ein billiger Werbegag, ein lustiges Modeaccessoire. Pierre Nobs beobachte während Jahren, wie der computertechnische Fortschritt und die Uhrenindustrie sich
auseinanderentwickelten, und irgendwann überkam es ihn: «Die elektronische Uhr ist die Zukunft, ich mache das!»
Ventura hat sich inzwischen vollständig auf die
Entwicklung und Produktion von elektronischen
Uhren spezialisiert. Dank hauseigener Forschung
besitzt die Firma laut Nobs mittlerweile mehrere
«essenzielle» Patente. Zwölf Mitarbeiter sind für
Ventura tätig und produzieren in Volketswil derzeit rund 5000 Uhren pro Jahr. In naher Zukunft
soll der Absatz stark gesteigert werden. Anlässlich
der Uhren- und Schmuckmesse in Basel gibt es in
der Kollektion von Ventura dieser Tage Neuheiten
zu sehen: Das Modell v-tec Kappa, gestaltet von
Hannes Wettstein (Preis: 2300 Franken), gefällt
durch klassisch-klare Linien, die v-tec Zeta (Design: Paolo Fancelli; 2000 Franken) wirkt versöhnlicher, weicher. Bei beiden Uhren sorgt ein durchdachtes «user interface» dafür, dass die vielfältigen
Funktionen – zweite Zeitzone, Stoppuhr usw. – mit
nur einem Knopf kontrolliert werden können.
Jahr das Rampenlicht beansprucht hat, spekuliert
das Magazin «Newsweek», dass 2007 das Jahr der
Widgets wird. Das Kunstwort – ein Zusammenzug von Window und Gadget – bezeichnet kleine,
simple Anwendungen für den PC. Sie liefern in
einem Fenster den Wetterbericht, in einem Bildrahmen eine Diaschau, in einer Spalte Börsenkurse, ein schlichtes Suchfenster für ein OnlineWörterbuch oder den Ausschnitt einer Webcam
als Guckloch in die Welt. Das Spektrum der dynamischen Widgets, die ihr Leben auf dem Computer-Desktop fristen, ist so weit wie das Internet,
aus dem diese ihre Informationen fischen.
Tausende solcher kostenloser Miniprogramme
tummeln sich im Netz. Populär gemacht wurden
sie mit Apples Mac OS X Tiger. Als geübter
Kopierer hat auch Microsoft mit pünktlicher Verspätung in Windows Vista einen Nistplatz für
Widgets eingerichtet, die hier Gadgets heissen.
Schon länger aktiv ist Yahoo, die sich 2005 die
Widget-Pionierin Konfabulator einverleibte und
mit der neusten Version ihrer Plattform für Windows und Mac bereits über 4000 Minianwendungen anbietet. Auch die Browser-Firma Opera liefert 1000 Module, die mit wachsender Anzahl den
Durchblick auf dem Desktop verbauen. Weitere
Aspiranten sind in den Startlöchern wie etwa
Springwidget von Murdochs News Corp. Widgets
sind zudem auch elementare Bausteine individuell konfigurierbarer Web-Startseiten von Anbietern wie Netvibes, Pageflakes oder Google.
Sind Widgets eine Modeerscheinung? Wird der
digitale Schreibtisch von den bunten Fensterchen
schon bald wieder entrümpelt? Die Antwort ist gekoppelt an die Frage: Brauchen wir das? Für manche sind Widgets bloss nette Spielereien. Auf dem
explodierenden Marktplatz der Bausteinchen findet man alles vom Nützlichen bis zum Nonsens.
Von der Suchmaske zum Online-Lexikon über die
Pendenzenliste auf dem Schreibtisch bis zum JuxModul wie beispielsweise «Coffee Alarm» von
Yahoo – einer Kaffeetasse, die in einer voreinstellbaren Frequenz rot blinkt und klingelt, wenn der
nächste Koffeinschub fällig ist.
Die Frage nach dem Nutzen des dynamisierten Desktops beantwortet Yahoo auf ihrer Website treffend: «Gewinne Zeit, verschwende Zeit,
hab Spass», heisst es da. Offenbar ist die Lust auf
das Digital-Lego gross. Googles Homepage à la
carte mit einer grossen Widget-Bibliothek ist laut
Vizepräsidentin Marissa Mayer das am schnellsten wachsende Produkt der Firma. Und schon
breitet sich die Baustein-Epidemie auf weitere
Geräte aus wie Mobiltelefon und Gadgets. Die
Firma Emtrace hat an der Consumer Electronic
Show in Las Vegas Anfang Jahr den Innovationspreis für ein Produkt in der Grösse eines Radioweckers erhalten, das über einen Internetanschluss und ein Display verfügt. Es ist unschwer
zu erraten: Das Display zeigt Widgets und bringt
Praktisches und Unwichtiges nun auch in die
Küche und aufs Sideboard im Schlafzimmer.
Echtzeitstrategie mit nostalgischem Flair
Kriegsspiele
Ein Aufschrei der Entrüstung hallte durch den
Medienwald, als «Command & Conquer: Generals», der letzte Teil der Bestseller-Serie, vor vier
Jahren erschien. Von Geschmack- und Pietätlosigkeit war die Rede, von Krieg im Kinderzimmer, obschon das Spiel erst ab 16 Jahren freigegeben war. Grund: Wenige Wochen nach dem Erscheinen des mit Höchstnoten ausgezeichneten
Strategietitels, in dem sich die USA, China und
eine terroristische Global Liberation Army im
Kreis herum auf den Deckel geben, marschierten
George W. Bushs Truppen tatsächlich gen Bagdad. Die Realität hatte die Fiktion einmal mehr
eingeholt. Einen Einfluss auf den Verkauf hatte
das Wettern gegen die «Hassindustrie» («FAZ»)
nicht. «Command & Conquer: Generals» setzte
sich weltweit an die Spitzen der Hitparaden. Doch
statt mit dem Finger auf die Videospielindustrie
zu zeigen und das martialische Phantasiegebilde
zu verdammen, hätte man sich besser die Frage
gestellt: Warum verkauft sich ein Kriegsspiel so
gut?
Auch heute lässt sich die Frage stellen, denn
die in den letzten Wochen erschienenen ZweitWeltkrieg-Games wie «Call of Duty 3», «Medal of
Honor: Vanguard» und «Medal of Honor: Heroes» zählen zu den meistverkauften Titeln. Warum steige auch ich als ehemaliger Zivilschützer in
die hyperrealistischen Strassenkämpfe von
«Ghost Recon Advanced Warfighter 2» ein und
eliminiere als Vertreter einer US-UndercoverEinheit aufmüpfige Latino-Rebellen im Jahr
2014? Ist das politisch korrekt? – Nein. Kümmert
mich das? – Nein. Man mag mich nun einen zynischen Soundso schimpfen, aber die pseudopolitischen Konnotationen interessieren nicht, wenn
der Titel auf einer spielerischen Ebene überzeugt.
Wenn ich im Schach Weiss wähle, sehe ich mich
auch nicht in der Rolle eines «white supremacist».
Da wie dort gilt es, eine intellektuelle – und
neuerdings noch eine feinmotorische – Herausforderung zu meistern. Es sind Spiele, bisweilen
fraglichen Geschmacks, aber nie Realität, wie es
viele besorgte Kritiker immer wieder meinen.
Marc Bodmer
Genre-Veteran «Command & Conquer» meldet sich zum nächsten Tiberium-Einsatz zurück
pes. 1995 eröffnete «Command & Conquer: Der
Tiberiumkonflikt» das Schlachtfeld des Echtzeitstrategie-Booms und verbannte Tausende von
Computerspielern in nächtelange Feldzüge vor
die Bildschirme. Ein Dutzend Jahre, mehrere
Nachfolger und viele Klone später kehrt der Strategie-Hit zurück und erklärt den einstigen Konflikt endgültig zum Krieg. Damals wie heute
kämpfen die Vereinten Nationen der Global
Defense Initiative und die Bruderschaft von Nod
um die Herrschaft über die Tiberium-verseuchte
Erde. Das Tiberium, ein grüner Kristall ausserirdischen Ursprungs, hat sich seit seiner Entdeckung als Segen und Fluch zugleich erwiesen:
Seine mineralienreichen Oberflächenablagerungen enthalten wertvolle Rohstoffe, während eine
Berührung des sich rasant ausbreitenden Kristalles fatale Folgen mit sich bringt. Bekämpften sich
jahrelang nur die Menschen untereinander wegen
des grünen Golds, bekundet im Jahre 2074 plötzlich eine weitere Partei ihr Interesse, die extraterrestrischen Scrin.
Am Spielprinzip hat sich seit der ersten Ausgabe nichts geändert: Fleissig wird das kostbare
Tiberiumerz als Spielwährung gesammelt, während man sich gleichzeitig eine funktionstüchtige
Basis aufbaut, die als Startpunkt des eigenen
Feldzuges dient. Zwischendurch lockern, wie gewohnt, einzelne Missionen mit limitierten Einheiten oder Ein-Mann-Einsätzen das ewige Basisbauen auf. Der Rest gibt sich leicht modernisiert,
aber keineswegs fremd. Hochauflösende Videosequenzen im Trash-Movie-Stil, gewürzt mit bekannten Gesichtern, wie Michael Ironside («Starship Troopers») oder Tricia Helfer («Battlestar
Galactica»), erzählen gekonnt die Geschichte der
einzelnen Parteien. Wer gleich die enttäuschend
spärlich ausgefallene Kampagne der Scrins
durchspielen will, muss zuerst alle anderen Missionen bestanden haben. Als wirklich schwer sind
diese allerdings nicht zu bezeichnen, denn abgesehen davon, dass der Computer wie gewohnt
«schummelt», spielt oft nur die richtige Taktik
eine Rolle. – Das eigentliche Suchtpotenzial
steckt bei «Command & Conquer» aber sowieso
Das gleichzeitige Befehligen von Dutzenden Einheiten wird zur Herausforderung für Strategen.
im Mehrspieler-Modus, der bis zu acht Meisterstrategen zulässt. Defensive oder heimtückisch
veranlagte Gemüter werden sich dabei an den
starken Verteidigungsanlagen und den Tarneinheiten der Bruderschaft erfreuen, während offensive Charaktere wohl eher die starken Panzer der
Vereinten Nation bevorzugen oder mit den billigen Fusssoldaten der Scrins einen frühen Sturmangriff wagen. Sollte Letzteres allerdings misslingen, steht den Ausserirdischen der Bau sündhaft
teurer Basisanlagen bevor.
Mit dem neusten Update (1.3) scheinen sich
die gröbsten Fehler verabschiedet zu haben, doch
PD
an der Spielbalance muss noch kräftig geschliffen
werden. Denn spätestens wenn die Scrins mit
einem eleganten Teleportangriff die eigene Basis
von innen her fast widerstandslos aufräumen,
fühlt man sich regelrecht hintergangen; Linderung sollte schon ein Patch Ende April bringen. –
«Command & Conquer»-Veteranen dürfen bedenkenlos zugreifen, Quereinsteiger und Spieler
von Konkurrenzprodukten sollen anhand der
Demo (www.cnc3tw.de) entscheiden, ob ihnen
diese Art von Echtzeitstrategie überhaupt zusagt.
Command & Conquer 3: Tiberium Wars. Electronic Arts, PC
(Testversion), X360. Ab 16 Jahren.