Armut im Alter: Wie können Referenzbudgets in Bildung und

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Armut im Alter: Wie können Referenzbudgets in Bildung und
Senioren weltweit
Armut im Alter: Wie können Referenzbudgets
in Bildung und Beratung genutzt werden?
Prof. Dr. Stefanie Bödeker, Birgit Bürkin (dgh), Ruth Brand (BAGSO),
Dr. Berenice Storms (Universität Antwerpen)
S
eniorenorganisationen, Haushaltsbudget-Experten und Praktiker aus Sozial- und Bildungsarbeit trafen sich am 1.3.2013 in
der Vertretung der Europäischen
Kommission in Bonn. Der von der
Deutschen Gesellschat für Hauswirtschat e.V. (dgh) organisierte
Workshop war die zweite in einer
Reihe von sechs Veranstaltungen,
die den Kern einer GRUNDTVIG-Lernpartnerschat zwischen
Belgien, Bulgarien, Deutschland,
England, Polen, der Slowakei und
Tschechien bilden. 40 Teilnehmende aus neun Ländern erlebten
eine international besetzte Veranstaltung, in deren Mittelpunkt
der Gedankenaustausch über
Entwicklungen und Einsatz von
Referenzbudgets in der Finanz-,
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Nicht vergessen werden dürfe der
Aspekt des sozialen Zusammenhaltes als wesentliche Bedingung
für soziale Gerechtigkeit in der
EU, ergänzte Ruth Brand, stellvertretende Vorsitzende der BAGSO,
in ihrer Begrüßung. Wie durch
europäische Lernpartnerschaten
das hema Bildungschancen im
Alter angegangen werden kann,
erläuterte Michael Marquart vom
Team GRUNDTVIG. Mit der Eröfnung des Workshops durch
Birgit Bürkin und Prof. Stephanie Bödeker, beide vom Fachausschuss Beratung für Haushalt
und Verbrauch der dgh, startete
ein zweitägiges Partnertrefen
im europäischen Projekt „Social Inclusion and Dignity in Old
Age – Promoting participatory
approaches to use reference budgets“.
Budget- und Schuldnerberatung
stand. In den Niederlanden und
Österreich dienen Referenzbudgets bereits heute als Orientierung
bei Erstellung eines individuellen
Haushaltsbudgets.
Armut im Alter: die Arbeit für
Würde und Lebensqualität im
Alter: europäische Perspektiven
In seiner Begrüßungsrede führte
Dr. Stephan Koppelberg, Leiter
der EU-Vertretung in Bonn, aus:
Die Achtung der Menschenwürde
ist in Art. 2 des Lissabon-Vertrages als grundlegender Wert der
Europäischen Union festgelegt,
Armutsbekämpfung und das
Eintreten für einen nachhaltigen
Sozialschutz sind daher zentrale
Elemente der Europäischen Strategie 2020.
ältere Menschen und mit ihnen
in Deutschland
Im Zentrum des Vormittagsprogrammes, das von Maciej Kucharczyk, AGE-Platform Europe,
moderiert wurde, stand die Lage
älterer Menschen, die in Armut
oder mit geringem Einkommen
leben bzw. mit Schuldenproblemen konfrontiert sind. Vorgestellt
wurden wirksame Handlungsmöglichkeiten der verschiedenen
Akteure in Deutschland – auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene.
BAGSO-Nachrichten
n
02/2013
Senioren weltweit
In ihrer Einführung machte Brigitte Paetow deutlich, welche
Bedeutung Kooperation und Vernetzung in Europa haben können.
Sie ist Mitglied der Nationalen Armutskonferenz und Vorsitzende
des Landesseniorenbeirates Mecklenburg-Vorpommern (LSB-MV).
Diese Region steht mit einer Armutsrisikoquote der Gesamtbevölkerung von 22,2 % an der Spitze in
Deutschland. Als Kooperationspartner der BAGSO beteiligte sich
der LSB-MV von 2008 bis 2010 an
dem Projekt „InclusAGE – Debating Older Peoples Needs“ der
AGE-Platform Europe und führte mehrere lokale Workshops mit
älteren Menschen in prekären Lebenslagen durch.
desebene, das seit vielen Jahren
etablierte „Altenparlament“ sowie
aktive Seniorenbeiräte in vielen
Kommunen und Städten.
„Poverty and social inclusion
of older people“
Die gleichnamige Kampagne der
International Federation for Home
Economics (IFHE) im Jahr 2012
wurde von Anne von LaufenbergBeermann präsentiert. Im Rahmen der UN-Kampagne zum 20.
Jahrestag des „Internationalen
Jahres der Familie 2014“ wird die
IFHE „Haushaltskompetenzen“
auch in Europa thematisieren und
ist an der 2010 von der UN eingerichteten „Open-ended Working
Group on Ageing“ beteiligt. Diese
hat das Ziel, den Schutz der Rechte
Die Ergebnisse belegen: Von Ar- Älterer unter Menschenrechtsasmut im Alter betrofen sind vor pekten zu diskutieren.
allem diejenigen, die langzeitarbeitslos waren oder von Nied- Senioren in der
riglöhnen lebten. Ältere scheuen Schuldnerberatung
sich häuig, Grundsicherung in Was es heißt, im Alter mit SchulAnspruch zu nehmen. Frauen, den zu leben, machte Maike Cohrs,
die ihre Erwerbstätigkeit wegen Diplom-Pädagogin in der SchuldPlegetätigkeit lange unterbrochen ner- und Insolvenzberatung im
haben, bilden eine besondere Risi- Diakonischen Werk Köln, deutkogruppe, ebenso wie jene, deren lich. Sie stellte ein neues Konzept
Rente nicht ausreicht, die Kosten „Mobile Schuldnerberatung“ vor:
eigener Plegebedürtigkeit zu de- Hier wird bei Hausbesuchen sehr
cken. Sie müssen häuig zusätzlich individuell auf die Lebenslage der
zu den Leistungen der Plegeversi- betrofenen Senioren eingegancherung Sozialhilfe in Anspruch gen. Mit ca. 1.000 Schuldnerberanehmen.
tungsstellen in Deutschland kann
der steigende Bedarf an Beratung
Beeindruckt waren die Zuhörer nicht befriedigt werden, so Cohrs,
vor allem von den politischen Mit- lange Wartezeiten sind die Regel.
wirkungsmöglichkeiten in Meck- Auf eine wachsende Schuldenlenburg-Vorpommern: ein Seni- problematik bei älteren Menschen
orenmitwirkungsgesetz auf Lan- machte die Kölner SeniorenvertreBAGSO-Nachrichten
n
02/2013
tung aufmerksam, die in engem
Kontakt mit den Seniorenberatern
der Stadt arbeitet. Besonders bei
älteren Menschen gelten Schulden noch als Tabu, aus Scham
wird eine Zahlungsunfähigkeit
sogar im engsten Familienkreis
verschwiegen und Hilfe zu spät
gesucht. Älteren Menschen fällt es
häuig schwer, Hilfe anzunehmen
und ihre Rechte zu verteidigen.
Als häuigste Ursachen für Schulden im Alter bezeichnete Maike
Cohrs Einkommensreduzierungen, steigende Lebenshaltungsund Gesundheitskosten. Auch
fehlende Alltags- und Budgetkompetenzen können eine Rolle spielen. Eine Vertrauensbasis
aufzubauen ist schwierig und
der Beratungsprozess dadurch
besonders bedrückend, dass sich
die Einkommenslage im Alter in
der Regel nicht mehr verbessern
lässt. n
Der Beitrag wird in den kommenden BAGSO-Nachrichten fortgesetzt. Weitere Informationen zum
Projekt sowie ausführliche Berichte zu den Workshops in Brüssel
(Oktober 2012), Bonn (März 2013)
und Warschau (Juni 2013) inden
Sie unter: www.bagso.de/aktuelleprojekte.html.
Elke Tippelmann
Projektkoordinatorin
für die BAGSO
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