08.05.08 Die Medien als Manipulateure

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08.05.08 Die Medien als Manipulateure
Sommersemester 08
Zusammenfassung zur
Vorlesung: "Die Medien der Gesel lschaft"
PD Dr. phi l . habi l . Udo Thiedeke
Die Medien als Mani pulateure
08.05.08
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Vorlesung: "Die Medien der Gesel lschaft"
Die Medien als Mani pulateure
08.05.08
Programm:
1 ) Die Medien als Mani pulateure
2) Die Medien der Kulturi ndustrie
3) Die Medien der Verdummung
4) Zusammenfassung
1 ) Die Medien als Mani pulateure
- Wie bereits bei m letzten Mal festgehalten, treten uns Medien als sozio-technische
Phänomene gegenüber.
- Da wi r i m Al ltagsgebrauch Medien gerne als Artefakte (etwa ei n Schriftstück, ei ne
Zeitung, ei ne CD) oder als Apparate (al les was ei n- oder ausgeschaltet werden kann)
wahrnehmen, hatten wi r zunächst "Medium"-Theorien thematisiert, die die techni sche Di mension der Medien zum Ausgangspunkt i hrer Beobachtungen und Beschrei bungen machen.
- Man kann jedoch das Medienphänomen ebenso gut von der sozialen Di mension her
entwickel n.
- I n diesen Ansätzen werden Medien wiederum als Massenmedien verstanden.
- Die Ursache dafür schei nt hier dari n zu l iegen, dass i m 20. Jhr. der Charakter der
modernen Gesel lschaft als Massengesel lschaft deutl ich wurde, die nur durch Mas-
senkommuni kation zu i ntegrieren ist, damit aber auch die Schattenseiten der Mas-
senbeei nflussung des Massenpubl i kums durch Massenmedien, was i n den Erfahrungen etwa der nationalsozial istichen und kommunistischen Propaganda gi pfelt.
- So geraten die Massenmedien i n punkto sozialem Ei nfluß unter den Verdacht der
Mani pulation der Wi rkl ichkeitsbeobachtung und der I nteressen i hres Publ i kums.
- Theorien, die sich damit befassen, stel len daher kritische Fragen: Wer sendet mit
welchen I nteressen; was wi rd authentisch vermittelt, was wi rd vorgespiegelt; was
si nd die Folgen der Massenkommuni kation für das Bewusstsei n der Rezi pienten und
die gesel lschaftl iche Entwicklung; wem nützt die massenmediale Kommuni kation
etc. ?
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2) Die Medien der Kulturi ndustrie
- Medientheorien, die Medien unter Hi nbl ick auf i hre soziale I nstrumental isierung zur
Massenkommuni kation gesel lschaftskrtisch analysieren, wol len wi r als "kritische The-
orien" verstehen und hier als Beispiel für ei ne sozialdetermi nistische Sichtweise i m
Gegensatz zur techni kdetermi nistischen Sichtweise der Medien vorstel len, wie wi r sie
bei den Medium-Theorien kennengelernt haben.
- Als Beispiel für ei nen solchen ' kritischen' Zugang zu den Medien mag hier zunächst
der deutsche Phi losoph Theodor Wiesengrund Adorno zu Wort kommen, der zu-
sammmen mit anderen I ntel l ktuel len vor der Verfolgung durch die Nazis i n den
1 940er Jahren i n die USA emigriert war. I n sei nem kurzen "Prolog zum Fernsehen",
den er i n den 1 950er Jahren veröffl ichte, charakterisiert er das Massenmedium Fern-
sehen und sei ne Konsequenzen so:
"Das Medium [Fernsehen; Anm. UTh.] sel bst jedoch fäl lt i ns umfassende Schema
der Kulturi ndustrie und trei bt deren Tendenz, das Bewußtsei n des Publ i kums von al -
len Seiten zu umstel len und ei nzufangen, als Verbi ndung von Radio und Fi l m weiter. "
(1 977: 507)
- Hi nter dem Fernsehen steht demnach die Kulturi ndustrie, die das Medium und sei ne
Formate (die Sendungen) dazu nutzt, um i hre ökonomischen I nteressen durchzuset-
zen.
- Dazu wi rd das Medium entsprechend mani pul iert, es zeigt ei ne dupl izierte Real ität,
die den Zuschauen als ' Schei nwelt' gegenübertritt.
- Ei n Zusammenhang, der dadurch besonders gefährl ich erschei nt, wei l das Fernsehen i n die Wohnungen der Zuschauer und somit i n deren Privatbereich ei ndri ngt.
[siehe Fol ie 1 ]
- Auf diese Weise entsteht ei n ideologischer Verblendungszusammenhang, i n dem die
Kulturi ndustrie die Zuschauer den Mögl ichkeiten der Aufklärung ' entfremdet' . Wer
sich der Welt des (Fernseh-)Schei ns hi ngi bt, der oder die kann die ideologischen Zusammenhänge nicht mehr durchschauen. Adorno an gleicher Stel le:
"Je vol lständiger die Welt als Erschei nung, desto undurchdri ngl icher die Erschei nung
als Ideologie. " (O. c. : 508) .
- Auf heutige Verhältnisse übetragen würde das bedeuten: Wi r mei nen unbedi ngt Ge-
ländewagen fahren zu müssen, wei l sie i n der Fernsehwerbung als Zeichen von Frei heit dargestel lt werden, wi r wol len die weichgespülten Liebeserfahrungen der Pop-
sendungen oder Soap Operas machen, wi r glauben, dass gute Pol iti k von vol ksnahen oder bel iebten Pol iti kern abhängt, wie sie i m Fernsehen auftreten etc.
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- Ähnl ich den Medium-Theorien sieht auch die ' kritische' Theorie nicht so sehr die
konkreten I nhalte als verantwortl ich für die gesel lschaftl iche Wi rksamkeit der Medien
an.
- Anders als die Medium-Theorie ist aber nicht die Techni k als neurophysiologische Erweiterung oder die Automatisierung der Codierung 'die Botschaft' , sondern die Art
des kommunikativen Gebrauchs der Medien. I n Adornos Bsp. also die Art, wie Fern-
sehen I nhalte kommunziert und wie es rezi piert wi rd. Hier steht also d. soziale Wi rkung der Medien i m Mittel punkt.
- Fassen wi r an dieser Stel le die Eckpunkte der ' kritischen' Medientheorie zusammen:
1 ) Wi rkungen erzielen mediale I nhalte durch soziale I nstrumental isierung.
2) Medien wi rken als 'Agenten' der Kulturi ndustrie.
3) Mediale Kommuni kation erzeugt ei ne ideologisierte Verdoppelung der Wi rkl ichkeit.
4) Der mediale Schei n verblendet die Rezi pienten durch Verführung und wi rkt so als
antiaufklärerische Mythologisierung.
[siehe auch Fol ie 2]
3) Die Medien der Verdummung
- Ei ne ähnl iche Haltung ni mmt der deutsche Phi losioph Günter Anders ei n. Er mei nt
1 956, dass die Medientechni k, das "technische Bi ld" sel bst die Unterschiede von
"real " versus "i rreal . ", "Sei n" versus "Schei n" auflöst, wei l es die I rreal ität aufwer-
tet.
- Diese Sichtweise, die ei ne problematische Veränderung der sozialen Real ität durch
Medien konstatiert, bl ieb nicht auf die 1 950er u. -60er Jahren beschränkt, i n denen
das neue Medium Fernsehen auftrat und sich mit Ängsten aus den Erfahrungen mit
Total itarismus, Krieg und ' kaltem Krieg' vermischt.
- Die Kriti k lässt sich fortschrei ben und z. B. mit ei ner grundsätzl . Kriti k an der techni -
sierten Kommuni kation (ähnl ich Anders) ei ner weitreichenden Kapital ismuskriti k und
ei nem ausgeprägten Antietatismus zusammenführen.
- I n dieser 'superkritischen' Medientheorie, wie sie i n medienwi rksamer Form z. B. von
dem ameri kanischen Medienkriti ker Nei l Postman i n den 1 980er formul iert wurde,
avancieren technische Kommuni kationsmedien zu ' Medien der Verdummung' i hrer
Nutzer.
- Postman sieht i n sei nem 1 985 zeitgleich i m engl ischsprachigen Orignal und auf
Deutsch erschienen Buch: "Wi r amüsieren uns zu Tode. Urtei lsbi ldung i m Zeitalter
der Unterhaltungsi ndustrie" (F/M.) durch mediale Kommuni kation ei ne i nfanti le
"Guckguck-Welt" entstehen, die nur als ' Showbizz' und nicht mehr als kritisch re-
flektierte Öffentl icheit funktioniert
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- Das Unhei l ni mmt bei Postman sei nen Ausgang nicht bei m Fernsehen, sondern bei m
Telegraphen und später bei der Photographie.
- Durch beide Medien wi rd der Ei ndruck der Welt verflacht, zugleich die Geschwi ndigkeit der I nformationsübermittlung so gesteigert, dass jetzt ei ne regel rechte Kommuni kationsi ndustrie entsteht, die, um Gescvhäfte zu machen, ständig Neues senden
oder sensationel le Bi lder l iefern muss.
- Dabei blei bt nach Postman jede kritische Tiefe des Diskurses auf der Strecke; der
Telegraph: "(. . .) verschaffte der Belanglosigkeit, der Handlungsunfähigkeit und der
Zusammenhanglosigkeit Ei ngang i n den Diskurs. " (1 985: 85), so Postman.
- Wi r rezi pieren medial somit nur noch kontextlose I nformation und freuen uns wie
Ki nder an den ständig wechsel nden bunten Bi ldern. Die Konsequenzen, die daraus
resultieren si nd ei nschneidend:
1 ) Die medialen Nachrichten provozieren nur Mei nungen, die wieder mediale Nachrichten werden.
2) Elektronische Medienkommuni kation ist flüchtig und oberflächl ich.
3) Die Evidenz der flüchtigen, schönen Bi lder zerstört die kritische Reflexion.
4) Die Medien führen ei ne soziale Situation der Belanglosigkeit und Verdummung
herbei .
[Siehe auch Fol ie 3]
- Gegen diese ' kritischen' Theorien, die den gesel lschaftl ichen Ei nfluß von Medien
sozialdetermi nistisch model l ieren, lassen sich aber auch Ei nwände formul ieren:
1 ) Der technische Ei nfluß der Medien auf die Kommuni kation wi rd nur sozialdetermi nistisch gesehen.
2) Die empi rische ex-ante-Annahmen (früher war al les besser) si nd fragwürdig.
3) Wenn d. Entfremdungszusammenhang total ist, wieso können die I ntel lektuel len
i hn dann durchdri ngen?
4) Werden die Kulturi ndustriel len und Mediemacher nicht auch sel bst mani pul iert?
5) Ist nicht jede mediale Kommuni kation ei ne Wi rkl ichkeitskonstruktion und kei n Abbi ld?
[Siehe auch Fol ie 4]
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4) Zusammenfassung
- Theorieansätze, die den sozial mani pulativen Charakter von Medien betonen, wol len
wi r als ' kritische' Medientheorien verstehen.
- So defi nieren die deutschen Phi losophen Horkhei mer / Adorno / Anders, dass die
Botschaft der moderen Medien die 'Verblendung' sei , die der Kommerzial isierung,
I deologisierung und Entfremdung von der Wi rkl ichkeit dient.
- Die Medientechni ken werden sozial durch Mani pulations- und Konsumi nteressen determi niert.
- Der ameri kanische Medienkriti ker Postman glaubt, dass dies mögl ich ist, wei l die
mediale Kommuni kation das Bi ld der Wi rkl ichkeit verflacht, dem sozialen Diskurs so
die Tiefe raubt und die Menschen verdummt.
- Es ist hierbei jedoch nicht ganz klar, ob die Medien eigenständige Akteure der Ver-
dummung si nd oder ob das "Big Bussi ness" dahi nter steckt und z. B. die Entwicklung der elektronischen Medien zu Verdummungsmaschi nen fördert?
Literatur
Zum medialen Verblendungszusamenhang:
Theodor W. Adorno, 1 977: Kulturkriti k und Gesel lschaft I I . Gesammelte Schriften Band 1 0. 2.
Frankfurt/M. Hier: S. 507-51 7.
Zur Auflösung der Realität in technischen Bildern:
Günther Anders, 1 980: Die Antiquiertheit des Menschen. 2 Bd. München. (1 956)
Zur medialen Verdummung:
Nei l Postman, 1 985: Wi r amüsieren uns zu Tode. Urtei lsbi ldung i m Zeitalter der Unter-
haltungsi ndustrie. Frankfurt/M.
Vorlesung: "Medien der Gesel lschaft"
Die Medien als Mani pulateure
Fol ie 1
Gefahren des Medi ums Fernsehen nach Adorno:
1 ) Das Fernsehen dri ngt als Massenmedium i n den Privatbereich ei n.
2) Das Fernsehen verdoppelt und verklei nert die Welt.
Vorlesung: "Medien der Gesel lschaft"
Die Medien als Mani pulateure
Fol ie 2
Eckpunkte der ' kritischen' Medien-Theorie:
-
Wi rkungen erzielen mediale I nhalte durch soziale I nstrumental isierung.
-
Medien wi rken als 'Agenten' der Kulturi ndustrie.
-
Mediale Kommuni kation erzeugt ei ne ideologisierte Verdoppel ung der
-
Wi rkl ichkeit.
Der ' mediale Schei n' verblendet die Rezi pienten durch Verführung und
wi rkt so als antiaufklärerische Mythologisierung.
Vorlesung: "Medien der Gesel lschaft"
Die Medien als Mani pulateure
Fol ie 3
Nei l Postman's Kriti kpunkte der elektronischen Medien:
1 ) Die medialen Nachrichten provozieren nur Mei nungen, die wieder mediale Nachrichten werden.
2) Elektronische Medienkommuni kation ist fl üchtig und oberflächl ich.
3) Die Evidenz der fl üchtigen, schönen Bi lder zerstört die kritische Reflexi on.
4) Die Medien führen ei ne soziale Situation der Belanglosigkeit und Verdummung herbei .
Vorlesung: "Medien der Gesel lschaft"
Die Medien als Mani pulateure
Fol ie 4
Kriti kpunkte zu den ' kritischen' Medientheorien:
1 ) Der Ei nfl uss der Medientechni ken auf die Kommuni kation wi rd nur sozialdetermi nistisch gedeutet.
2) Die ex-ante-Annahmen (früher war al les besser) zur medialen Kommuni kation si nd empi risch fragwürdig.
3) Ei n totaler medialer Entfremdungszusammenhang könnte auch von den
I ntel lektuel len nicht kritisch durchdrungen werden.
4) Kulturi ndustriel le und Mediemacher werden sel bst mani pul iert, wenn sie
medial kommunizieren.
5) Jede mediale Kommuni kation erschei nt als Wi rkl ichkeitskonstruktion
und nicht als authentisches Abbi ld der Wi rkl ichkeit.