Manuskript ARD radiofeature Trans-Sahara

Transcrição

Manuskript ARD radiofeature Trans-Sahara
hören, was dahinter steckt!
Das Trans-Sahara-Kartell
Von Bettina Rühl
Besetzung:
Erzählerin: Maya Bothe
Übersetzer 1: Juan Carlos Lobo
Übersetzer 2: Hans Gerd Kilbinger
Übersetzer 3: Valentin Stroh
Übersetzer 4: Axel Gottschick
Technische Realisation: Dirk Hülsenbusch und Barbara Göbel
Regieassistenz: Andreas Westphalen
Regie: Martin Zylka
Redaktion: Dorothea Runge
Die Sendetermine im Überblick:
SWR 2
27. März, 22.05 Uhr
SR 2
30. März, 09.05 Uhr
BR 2
30. März, 13.05 Uhr
RB Nordwestradio
31. März, 09.05 Uhr | 03. April, 19.05 Uhr
NDR Info
31. März, 11.05 Uhr
WDR 5
31. März, 11.05 Uhr | 01. April, 00.05 Uhr
HR 2-Kultur
31. März, 18.05 Uhr
Seite 1
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Der Anführer
01 Atmo Anrufen, Todesnachricht
Stille bis auf Hintergrundgeräusche, Allo? … Lebes ? … Worte in Tamashek. ... zuhören .... aiwa...
Kidal. .. Pas de nouvelles ... aiwa... aiwa?
Übersetzer 1:
Hallo ? Sind alle gesund? Gibt es etwas Neues aus Kidal?
Atmo unter dem Text weiter
Erzählerin :
Ibrahim telefoniert mit einer seiner Schwestern im Nachbarland Mali.
Seine Reaktion aus Atmo platzieren:
Oh la la ....
Als er auflegt, ist er den Tränen nah. Dabei weint ein Targi öffentlich nicht.
Atmo wieder frei:
Elle ma dit que MUJAO, ils ont fait une embuscade, le fils de ma soeur, il a décédé aussi.
Ca ne fait pas longtemps qu’on a perdu un, maintenant le deuxième.
Ce n’est pas du travail du tout.
Seite 2
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Der Anführer
Übersetzer 1:
Sie hat mir erzählt, dass der Konvoi in einen Hinterhalt der MUJAO geraten ist. Der Sohn
unserer ältesten Schwester ist unter den Toten. Sie hat erst kürzlich einen Sohn verloren, jetzt
den zweiten.
Wirklich, das ist doch keine Arbeit.
Sprecher:
Das Trans-Sahara-Kartell. Ein Feature von Bettina Rühl.
02. Atmo Hintergrund Restaurant „Étoile de Ténéré“
Erzählerin:
Agadez. Das Hotel „Étoile de Ténéré“. Vier Tage vor dem Telefonat auf dem Hügel. Ich will
wissen, was dran ist an den Geschichten vom großen Geld in der Wüste, von Verbindungen
zwischen Tuareg, bewaffneten islamistischen Gruppen und dem Schmuggel von Kokain nach
Europa.
Das Hotelrestaurant ist verwaist. Deshalb haben Ibrahim und Assalek es als Treffpunkt
ausgesucht. Sie wollen keine Zuhörer, und möglichst wenige Menschen sollen mich sehen. Die
Gefahr einer Entführung ist groß. Im Halbdunkel des Restaurants haben sie ihre Sonnenbrillen
abgenommen. Nur ihre Augen und Hände sind zu sehen, die Männer tragen Gewand und
Turban der Tuareg.
01. O-Ton « Assalek »
Tous les endroits non – habité, ils ont un peu peur de ca. Surtout quand il y a des étrangers. C’
est pour cela qu’ils exigent des escortes.
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Der Anführer
Übersetzer 2 :
Die Militärs sind immer beunruhigt, wenn man in unbewohnte Gegenden will. Vor allem,
wenn Weiße dabei sind. Deshalb sind Militär-Eskorten Pflicht.
Erzählerin:
Wir wollen zusammen in die Ténéré-Wüste im westafrikanischen Niger und dort einen Konvoi
von Kokain-Schmugglern treffen. Eine Militäreskorte würde unsere Pläne durchkreuzen.
02. O- Ton Ibrahim
On a dit non, mais il a dit qu’il faut au moins un programme parce qua il y a l’armée partout,
donc on va écrire un programme et lui donner, mais on ne vas pas écrire tous les point ou on va
aller.
Übersetzer 1:
Wir haben den Begleitschutz abgelehnt. Da hat der Kommandeur verlangt, dass wir ihm
wenigstens unsere Route aufschreiben. Wir werden natürlich nicht alle Punkte angeben.
Erzählerin:
Wir begegnen uns heute zum ersten Mal. Mit Ibrahim bin ich schon seit Monaten in Kontakt,
um diese Reise zu planen. Die beiden mustern mich aufmerksam. Auch für sie ist unsere Reise
heikel. In den nächsten Tagen werden sie mir vieles erzählen, wodurch sie ihr Leben gefährden
könnten. Sie sollen deshalb anonym bleiben, heißen in Wirklichkeit anders.
02. Atmo Hintergrund Restaurant „Étoile de Ténéré“ (Klima-Anlage, Ventilator)
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Der Anführer
Erzählerin:
In e-mails und Telefonaten haben wir nur das Nötigste ausgetauscht, man weiß schließlich nie,
wer mithört.
Ibrahim kennt etliche Schmuggler.
03. O-Ton Ibrahim
Comme c’est la famille, des amis d enfance, ils ont accepté difficilement. Vraiment
difficilement. Et c’est vrai, parce qu’ il y a un grand risque pour eux aussi.
Übersetzer 1 :
Mit einigen bin ich verwandt, mit anderen seit Kindertagen befreundet. Deshalb waren sie
nach langem Zögern einverstanden. Aber wirklich nach langem Zögern. Sie haben allen Grund
zur Vorsicht, sie gehen damit ein großes Risiko ein.
04. O-Ton Assalek
Et la marchandise ? On ne peut pas la voire.
Übersetzer 2 :
Aber die Ware – sie kann doch die Ware nicht sehen?
Erzählerin :
Assalek ist irritiert. Die „Ware“: Kokain aus Südamerika und Haschisch aus Marokko. Ibrahim
hatte ihm nur gesagt, dass er ihn für eine Fahrt in die Ténéré-Wüste braucht. Keine Details, aus
Sicherheitsgründen.
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Der Anführer
05. O-Ton Ibrahim,
Non, elle ne peut pas la voire. On n a pas le temps d ouvrir, voire – non. Elle peut voire le
convoi avec 15 voitures, avec des drogues mélangé de cocaïne et de haschisch, (klappernde
Hintergrundgeräusche), et les voitures d escortes. Mais ca, tu ne peux pas parce que c’est bien
attaché, c’est bien emballé.
Übersetzer 1 :
Nein, die Ware kann sie nicht sehen. Wir haben nicht genug Zeit, um die Pakete aufzumachen.
Aber sie kann den Konvoi sehen: rund 15 Autos, vollgepackt mit Kokain und Haschisch.
Außerdem die Fahrzeuge der bewaffneten Eskorte. Die Drogen selbst sind aber zu fest
eingepackt und zu gut versteckt, um sie mal eben auszuwickeln.
Erzählerin:
Ibrahim ist Malier und lebt in Algerien. Assalek kommt aus der nördlichen Sahelzone im Niger,
aus der Stadt Agadez.
Und nun sitzen wir drei in dem verwaisten Hotel „Étoile de Ténéré“ in dieser ehemaligen
Touristenmetropole.
05. O-Ton Ibrahim
Parce que là ou on va les rencontrer, ils ont un rendez-vous de carburant.
Übersetzer 1 :
Wir werden den Konvoi an einem Punkt treffen, an dem sie auch zum Tanken verabredet sind.
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Der Anführer
Erzählerin:
Die Koordinaten werden wir erst am Vortag des Treffens erfahren. Unser Kontaktmann ist
Lamine, Ibrahims Jugendfreund. Lamine organisiert die Sicherheitseskorte, die den Konvoi der
Schmuggler begleitet. Denn die Gefahr ist groß, dass eine solche Fahrzeugkolonne in den
Hinterhalt eines anderen Kartells gerät. Oder auf Kokain-Piraten trifft, die in der Region
„coupeur“ genannt werden, „Weg-Abschneider“.
Einer dieser Coupeure war kürzlich bereit zu erzählen, was er beruflich so macht.
06. O-Ton Coupeur
03.29-04.10 (Tamaschek)
Übersetzer 4 :
Wenn wir rechtzeitig erfahren, welchen Weg ein Konvoi nimmt, legen wir ihm einen
Hinterhalt. Die Konvois bestehen aus sehr vielen Fahrzeugen, begleitet von schwer
bewaffneten Eskorten. Die haben großkalibrige Waffen, Maschinengewehre und größer.
Manchmal haben wir Glück und können zumindest einen Teil der Ware oder sogar alles
erobern, manchmal nicht.
Erzählerin:
Der Mann erzählte, ohne seinen Namen zu nennen. Verborgen durch Sonnenbrille und Turban.
07. O-Ton Coupeur
04.45-05.32 (Tamaschek)
Seite 7
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Der Anführer
Übersetzer 4:
Ein Konvoi besteht normaler Weise aus sieben bis zehn Geländewagen. Wenn mehrere
zusammen fahren, kommen also 20 oder 21 Autos zusammen, und dann noch der bewaffnete
Begleitschutz.
08. O-Ton Coupeur
47.10-47.33 (Tamaschek)
Erzählerin (indirekte Übersetzung):
Bei erfolgreichen Angriffen falle ihnen meist auch ein Satellitentelefon in die Hände. Früher
oder später rufe der Besitzer der Drogen auf dem Telefon an, dann begännen Verhandlungen.
Pro Pick-Up böten sie umgerechnet 450.000 Euro, das sei der Standardpreis.
Da sei viel Geld im Spiel, sagt auch Ibrahim.
09. O- Ton Ibrahim
Il y a beaucoup d’argent. Moi, avec mes propres yeux, j’ai vu des sacs des dollars. Et des sacs
des Euro. Ca, ca vient d’ou, et ca va ou ?
Übersetzer 1:
Ich habe mit meinen eigenen Augen Säcke voller Dollarscheine gesehen. Und Säcke voller Euro.
Woher kommt das Geld, und wo geht es hin?
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Der Anführer
Erzählerin:
Einige von Ibrahims Erzählungen klingen wie ein Märchen aus 1001 Nacht. Zum Beispiel die
Geschichten über einen Ort in der malischen Sahara, ganz in der Nähe der algerischen Grenze.
10. O- Ton Ibrahim
Halil, c’est un endroit nul part. C’est 17 kilomètres de Bordj-Mokhtar. C’est l’endroit avec toute
la structure avec des ... des briques de l’argile. Ce n’est pas solide, avec un coup de pied, tu peux
casser un mur. Et chacun a un grand parc, il a deux ou trois magasins avec des salons, c’est
plein avec la drogue, l’argent, des armes, toute sorte des armes. Et là-bas, j’étais chez
quelqu’un que je connais, et vraiment, il m’a montré des sacs de dollars. Parce que moi, par
curiosité, j’ai dit : « Ces sacs, c’est quoi ? ». Moi, je pense, c’est des pâtes ou des semoules. Il
m’a dit : « Non, non, ça, c’est l’argent. ». J’ai dit : « Ecoute, il faut pas ... ». Il m’a dit : « Si, si. Si tu
veux, viens voir. ». Après, il m’a ouvert, je te jure, des sacs d’Euros et des sacs de Dollars. Il y a
les sacs de 500 Euros, 200 Euros, 100 Euros et 50 Euros. A partir de 50 Euros. Le Dollar aussi, il y
a que les gros billets. Vraiment, c’est ... J’ai dit : « Ça vient de où ? ». Il m’a dit : « Il est tombé du
ciel. ». Tu vois ? J’ai dit : « Non ? », il m’a dit : « Oui, oui, ils sont tombés du ciel, après ils vont
vers le ciel. ».
Übersetzer 1 :
Halil liegt mitten im Nichts , 17 Kilometer von der algerischen Stadt Bordj-Mokhtar entfernt.
Die Häuser sind nicht solide, alle aus Lehm gebaut, mit dem Fuß kannst Du eine Mauer
eintreten. Jeder, der in Halil lebt, hat eine Menge Autos, zwei oder drei Geschäfte, große
Wohnzimmer. Und die sind voller Drogen, Geld und allen möglichen Waffen. Ich habe neulich
einen Bekannten besucht in seinem Wohnzimmer standen etliche Säcke. Aus reiner Neugier
habe ich gefragt: „Was hast Du da drin?“ Ich dachte an Nudeln oder Gries. Er sagt: „Nein, nein,
da ist Geld drin! Du kannst ruhig gucken.“ Er hat sie aufgemacht, und ich schwöre Dir: Sie
waren voller Geldscheine! Es gab Säcke mit 500 Euro-Scheinen, 200 Euro, 100 Euro, 50
Euro.Und Dollar, auch nur große Scheine. Ich war völlig baff und habe gefragt: „Wo kommt das
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Der Anführer
Geld her?“ Er meinte: „Das ist vom Himmel gefallen, und es wird auch wieder in den Himmel
steigen.“
Erzählerin:
Das ist wortwörtlich gemeint, wie sich später herausstellen wird.
Am nächsten Morgen wollen wir in die Ténéré-Wüste aufbrechen, mit zwei voll beladenen
Geländewagen. Mit fünf Reservereifen, Werkzeug und einem Kompressor, um bei noch mehr
Pannen die Reifen flicken zu können, weiterem Werkzeug, Diesel, Wasser, Lebensmitteln,
Matratzen und Zelten. Mit dabei auch Almoustapha, unser Koch und Assaleks Assistent
Mohammed. Wir werden jeden Tag rund sechs Stunden fahren und zuerst die von
Schlaglöchern durchsetzte Asphaltpiste gen Norden nehmen, Richtung Arlit.
Das Ausmaß der Organisierten Kriminalität in Westafrika nimmt seit Jahren zu. Die Vereinten
Nationen sind beunruhig, auch weil sich am Kokainschmuggel islamistische Milizen beteiligen,
die mit dem Terrornetzwerk Al-Qaida in Verbindung stehen. Sie operieren in Mali und anderen
Sahelstaaten.
03. Atmo Musikakzent/ Szenenwechsel
12. O-Ton Rhissa Ag Boula
Aqmi n’a pas beaucoup de combattants au départ.
Übersetzer 4 :
Die Aqmi. Die „Al-Qaida im Islamischen Maghreb“ hatte anfangs nicht viele Anhänger.
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Der Anführer
Erzählerin:
Rhissa Ag Boula ist Sonderberater des nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou, war
Tourismusminister und an den beiden Tuareg Aufständen im Niger beteiligt.
13. O-Ton Rhissa Ag Boula
Mais après, ils ont recruté avec le trafic, avec les jeunes qu’ils ont trouvé, donc, les jeunes des
villes de Tombouctou, de Gao et tout ça. Ils ont recruté beaucoup de jeunes. Aujourd’hui, il faut
les estimer de 3000 à 4000. Oui, complètement armés.
Übersetzer 4 :
Aber dank der Einnahmen aus dem Drogenhandel konnten sie immer mehr junge Leute
rekrutieren, vor allem in Timbuktu und Gao. Die Islamisten haben jetzt zwischen 3000 und
4000 schwer bewaffnete Kämpfer.
Erzählerin:
Auch Rhissa Ag Boula trägt Turban und Gesichtsschleier, nur der Blick in seine Augen ist
möglich. Sie sind wach und prüfend, ohne Wärme, aber nicht hart. Als Targi hat er
die ganze Kommunikationsstruktur des Nomadenvolks zur Verfügung. Weil ein Teil seiner
Familie in Mali lebt, ist er über die Ereignisse dort genau informiert. Außerdem hat er Zugriff
auf die Nachrichtenquellen des nigrischen Staates.
14. O-Ton Rhissa Ag Boula
Bon, on n’a pas de salaire fixe comme ça, mais comme il y a beaucoup d’argent, on distribue,
on donne, on donne aux jeunes pour régler leurs problèmes, on les habille bien, on les
entretient bien. Dans ce genre de combat, c’est surtout l’entretien ... on habille les hommes, on
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Der Anführer
s’occupe de leur santé, on s’occupe de leur transport, on s’occupe de leur nourriture, on
s’occupe de tout. Bon, c’est ça, le salaire d’un combattant.
Übersetzer 4 :
Die Islamisten zahlen keinen Sold, aber sie haben jede Menge Geld, und verteilen viel davon an
ihre Kämpfer. Die haben dann genug, um alle ihre finanziellen Probleme zu lösen. Außerdem
werden sie gut gekleidet, bekommen zu Essen, werden medizinisch versorgt, bekommen
genug Geld für den Transport – die Islamisten bezahlen alles.
04. Musikakzent/ Szenenwechsel
05. Atmo Abfahrt
Wechseln zu:
06. Atmo Autofahren
Erzählerin:
Wir brechen auf. Die flache Landschaft ist grau-gelb und eintönig, Staub hängt in der Luft. Ich
trage Turban, Sonnenbrille und ein Gewand der Nomaden. Wenn ein Auto entgegenkommt,
überprüft Ibrahim, ob ich den Turban vors Gesicht gezogen habe. Ich soll als Weiße unerkannt
bleiben.
Gegen Mittag kommt die Lüftung im Auto gegen die Hitze nicht mehr an. Wir halten in einem
ausgetrockneten Flussbett, rasten auf Matten unter den Bäumen.
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Der Anführer
07. Atmo Flussbett
Erzählerin:
In einiger Entfernung hat eine Nomadenfamilie ihr Camp aufgeschlagen, von dort sind
menschliche Stimmen, Ziegen und Esel zu hören. Sonst gibt es hier kein menschliches Leben.
Atmo noch mal frei, dann weiter unter dem Text
Erzählerin:
Mali und Niger gehören zu den ärmsten Ländern der Erde. Große Teile sind von der Sahara
bedeckt.
Das Leben in der Wüste ist härter denn je: mit dem Klimawandel trocknen die Gärten in den
Oasen aus, mehrere Dürren haben die Herden dezimiert, der Karawanenhandel wurde von
LKW abgelöst und der einst einträgliche Tourismus kam wegen der vielen Entführungen zum
Erliegen. Es gibt kaum Infrastruktur, wenig Schulen, keine Arbeit. In beiden Ländern kann nur
ein Drittel der Bevölkerung Lesen und Schreiben. Im Norden des Niger baut das französische
Staatsunternehmen AREVA seit Jahrzehnten Uran für Europa ab. Davon profitiert die lokale
Bevölkerung kaum, sondern leidet unter den Folgen des radioaktiven Abfalls.
08. Atmo erster Abend Lager
Erzählerin:
Der erste Abend. Im letzten Tageslicht bauen wir unser Lager auf: Zelte für die Nacht und
Bastmatten samt Matratzen, auf denen wir sitzen und essen. Wir campieren im Windschatten
der Autos neben ein paar Büschen im Sand. Während Almoustapha das Essen auf einem
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Der Anführer
Gaskocher zubereitet, checkt Assalek die Autos. Die Mühe lohnt sich: Am rechten Vorderrad
von Ibrahims Geländewagen sind drei der sechs Radbolzen gebrochen. So können wir nicht in
die Wüste fahren, wir müssen am nächsten Tag für die Reparatur nach Arlit. Das kostet
wertvolle Zeit, in spätestens drei Tagen wollen wir den Konvoi treffen. Sollten wir ihn
verpassen, wäre die monatelange Vorbereitung umsonst gewesen.
15. O-Ton Ibrahim
Arlit c’est très compliqué, il y a tout. Peut être il y a les MUJAOS, peut être il y a des Islamistes, il
y a la Mafia – Arlit pour moi, c est un point ... c est un coin qui est très voyant. Donc, je n’aime
pas passer par Arlit. Mais comme on a une panne, on n a pas une choix maintenant, Bettina, n
est-ce pas?
Übersetzer 1:
Arlit ist unangenehm, man kriegt da leicht Probleme. Vielleicht treffen wir auf Mitglieder der
MUJAO, vielleicht auf andere Islamisten. Die Drogenmafia ist auch da. In Arlit fällt man einfach
den falschen Leuten auf, deshalb meide ich es, wenn ich kann. Aber wegen der Panne haben
wir jetzt keine Wahl.
Erzählerin:
Ich weiß, dass Ibrahim Recht hat. In Arlit sagte mir vor wenigen Wochen ein Targi im Schutz
der Anonymität:
16. O-Ton der Anonyme,
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Übersetzer 4 :
Du interessierst mich. Wenn ich Dich entführe, kann ich schon in ein paar Stunden, heute
Abend um 18 Uhr, 100 Millionen afrikanische Francs haben.
Erzählerin:
Umgerechnet 150.000 Euro. Der Targi sprach Tamaschek, die Sprache der Tuareg, mein
Begleiter übersetzte.
17. O-Ton Gespräch der Anonyme und Mano/ Dolmetscher
Erzählerin:
Er sagte, er könne mich, sagte er, nach Mali verkaufen. Eine der islamistischen Gruppen dort,
die Ansar Dine, sei auf der Suche nach Europäern. Sie hätten eine Art Ausschreibung gemacht
und jedem umgerechnet 150.000 Euro für einen Weißen versprochen. Er wisse nicht, ob die
„Al-Qaida im Islamischen Maghreb“ genauso viel zahle, aber bei der Ansar Dine sei er sich
sicher, die habe er in Mali getroffen.
Das Gastrecht ist in der nomadischen Kultur bis heute ein hohes Gut. Ich war mit einem
angesehenen Targi unterwegs und stand unter seinem Schutz. Der Fremde gab mir zu
verstehen, dass er unter anderen Umständen anders mit mir verfahren würde.
Und morgen also wieder Arlit.
09. Atmo Abends im Camp
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Der Anführer
Erzählerin :
Ibrahim hat einen USB-Stick mit Tuareg-Musik in die Anlage seines Geländewagens gesteckt.
In der absoluten Dunkelheit der Wüste sind am Firmament unzählige Sterne zu sehen, auch
die Milchstraße ist klar zu erkennen.
Früher haben Touristen viel Geld dafür bezahlt, diese Gegend bereisen zu können. Jetzt war vor
mir schon lange kein Weißer mehr hier.
10. Atmo Kartenstudium
Erzählerin :
Ich will eine Vorstellung von unserer Route bekommen, und vom Weg des Konvois. Wir werfen
einen Blick auf die Karte. Assalek leuchtet mit seiner aufziehbaren Taschenlampe.
Atmo weiter
Erzählerin :
Unser Treffpunkt wird in der Nähe von Adrar Bous liegen. Übermorgen werden Ibrahim und
Lamine um 14 Uhr ihre Satelliten-Telefone anschalten und eventuell telefonieren. Vielleicht
schickt Lamine auch eine SMS mit den genauen Koordinaten. Davor und danach sind alle
Geräte aus, Batterien und SIM-Karten entfernt – damit uns keine Aufklärungsdrohnen
entdecken. Die Überwachung, sagt Ibrahim, sei inzwischen sehr dicht. Vor allem durch Algerier
und Amerikaner.
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Der Anführer
11. Atmo Kartenstudium
regarde, demain, on va passer cette vallée-la, c est le Talak, on va le suivre comme ca…
on met comme ca, par la… parce que c’est en plein Ténéré.
parce que eux, ils ne rentrent pas en Algérie. Ils passent peut-être par ici. Des fois, ils rentrent
un peux, mais pas grand chose.
Diskutieren…
donc, nous on est la, d ici a la frontière (vom Treffpunkt aus) peut être 20 ou 40 kilomètres.
ils ne prennent pas de pistes.
Non, des pleins. Des fois c est des pleins avec des petits cajous, mais la plupart, c est le désert.
Pour rejoindre la Libye, tu vois.
Übersetzer 2:
Schau, morgen fahren wir durch dieses Tal hier, es heißt Talak. Dem folgen wir, fahren dann da
entlang, weil wir sie ja mitten in der Ténéré-Wüste treffen.
Übersetzer 1:
Weil sie nicht nach Algerien reinfahren, nehmen sie diese Route hier.
Atmo noch mal frei, dann wieder Übersetzer
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Die Schmuggler nehmen meist keine Pisten.
Seite 17
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Der Anführer
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Sie wählen Ebenen, auf denen man sehr schnell fahren kann, von ein paar Steinen abgesehen.
Mitten durch die Wüste.
Übersetzer 1:
Bis zur libyschen Grenze.
Weiter Atmo vom Camp abends
Erzählerin:
Auf der Karte wandern wir zurück zum Ausgangspunkt des Konvois, Richtung Westen, nach
Mali.
18. O-Ton Ibrahim
Tous les avions viennent dans la vallée de Tilemsi, après, ils viennent ici à Halil. Tout départ de
Halil.
Ils prennent du carburant.
tout. Le haschisch…
le haschisch, il vient par la, par le Maroc, comme ca, le Sahara occidentale, le Maroc, et tout
départ d ici. Parce que à Halil, il y ni les maliens, ni les algériens. Il n y a aucun gouvernement
là-bas. Et maintenant, c est un grand village.
tu as vue Halil ?
quand je l ai vue, c’était rien du tout.
mais non, maintenant, c est incroyable.
Seite 18
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Übersetzer 1 :
Die Flugzeuge landen im Flussbett von Tilemsi, dort wird ausgeladen, dann fahren sie nach
Halil.
Übersetzer 2:
Um da zu tanken.
Übersetzer 1 :
Und um die Konvois zusammen zu stellen. In Halil laden sie zu dem Kokain noch Haschisch.
Das kommt aus Marokko, durch die Westsahara . Halil ist zum Ausgangspunkt der Konvois
geworden, weil es da weder malische noch algerische Sicherheitskräfte gibt. Die Region wird
von keiner Regierung kontrolliert. Jetzt ist da ein richtiges Dorf entstanden.
Kennst Du Halil? (an Assalek)
Übersetzer 2:
Ja, aber als ich es zuletzt gesehen habe, gab es da noch fast nichts.
Atmo wieder frei
Rascheln der Karte, zusammen falten
19. O- Ton Ibrahim
Il y a l’avion qui vient vers la vallée de Tilemsi. L’avion de la drogue, c’est la cocaïne.
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Der Anführer
Erzählerin:
Schon bei unserer ersten Begegnung im Hotel erzählte Ibrahim von den Flugzeugen, die im
Flussbett von Tilemsi landen, nicht weit entfernt von der malischen Stadt Kidal.
Kidal wurde im Frühjahr 2012 zu einer Bastion der islamistischen Tuareg-Fraktion Ansar Dine.
Ansar Dine verdient am Kokain-Schmuggel mit.
20. O- Ton Ibrahim,
Ce sont des avions de Venezuela. Toujours l avion, il vient de Venezuela. Des fois tous les mois,
des fois deux fois par mois, des fois chaque deux mois – ca dépend.
Übersetzer 1 :
Alle diese Flugzeuge kommen aus Venezuela. Manchmal ein Mal im Monat, manchmal zwei
Mal, manchmal alle zwei Monate.
Erzählerin:
Eines dieser Flugzeuge machte sogar international Schlagzeilen: Im November 2009 landete
eine Boing 727 im Norden von Mali, nicht weit von der Stadt Gao entfernt. Sie wurde als „Air
Cocaïne“ bekannt.
21. O- Ton Ibrahim
Moi, on était à Gao, et puis, on est sorti parce que l’avion est écrasé à 160 kilomètres de Gao.
Donc, on est parti pour une nuit au campement, et on a vue l’avion par coup de chance. On
n’avait aucun rendez-vous avec eux, et on a vue l’avion qui avait atterré vers 18 heures, comme
ca. Et toujours eux, ils tirent vers la vallée de Tilemsi, ou il y a le passe de l ‘Oued, avec la terre
on dirait comme une piste, et il y avait quelque gouts de pluie, et quand l’avion a atterré, le
premier pneu a avancé. Donc ils ont descendue la marchandise normale, ils ont arrangé leurs
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Der Anführer
affaires, après, ils ont brulé l’avion et les pilotes sont passés par un corps diplomates par l
aéroport de Bamako, tranquille. Les pilotes, c’est un américain avec un français.
Übersetzer 1:
Ich war zufällig in Gao und habe das Flugzeug gesehen, es hat 160 Kilometer von der Stadt
entfernt eine Bruchlandung gemacht. Wir waren auf dem Weg zu meiner Familie, die in der
Nähe ihr Lager aufgeschlagen hatte, und wollten da eine Nacht verbringen. Auf das Flugzeug
sind wir aus purem Zufall gestoßen. Die Maschine ist gegen 18 Uhr gelandet. Die Piloten
hatten wie immer das Flussbett des Tilemsi angesteuert, weil die Erde dort so fest ist, als sei es
eine Piste. Aber es hatte etwas geregnet, deshalb kam der Vorderreifen ins Rutschen, das
Flugzeug blieb im Sand stecken. Die Schmuggler haben in aller Ruhe ihre Ware ausgeladen,
alles zusammen gepackt, und das Wrack dann angezündet. Die Piloten – ein Franzose und ein
Amerikaner - haben Mali in aller Ruhe als Diplomaten über den Flughafen von Bamako
verlassen.
Erzählerin :
Das Geld kommt also tatsächlich direkt vom Himmel. Beim gegenwärtigen Schwarzmarktpreis
brächte eine Flugzeugladung von fünf Tonnen in Deutschland bis zu 300 Millionen Euro.
Atmo wieder frei
Autorin: Et est-ce que tu as vue la marchandise?
Erzählerin :
Und hast Du die Ware gesehen?
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Der Anführer
Oui, oui, bien sûr.
Übersetzer 1 :
Ja, ja, natürlich.
Autorin: C’était quoi?
Erzählerin :
Was war es denn?
C ‘est la cocaïne. C’est presque quatre tons de Cocaïne.
Übersetzer 1 :
Kokain. Fast vier Tonnen Kokain.
Autorin : Et quand toi, tu est venue évidemment avec des amis, comme ca, est-ce que eux, ils
n’était pas inquiet?
Erzählerin:
Und waren die Schmuggler nicht beunruhigt, als Du da zufällig mit ein paar Freunden
aufgetaucht bist und ihr alles gesehen habt?
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Der Anführer
Non, s’ils te connaissent, ils savent bien que nous sommes de la région, que nous pouvons rien
faire pour eux, ils savent qu’on ne va pas déclarer contre eux, donc, chacun prend le chemin
qu’il veut.
Übersetzer 1 :
Nein, wenn sie Dich kennen, ist ihnen das völlig egal. Sie wissen ja, dass wir Leute aus der
Region ihnen nichts anhaben können. Sie wissen genau, dass wir sie nicht anzeigen werden.
Also geht jeder seiner Wege.
Erzählerin:
Spätere Ermittlungen ergaben, dass die Maschine direkt aus Venezuela kam. Sachverständige
von Interpol und aus den Vereinigten Staaten fanden in dem Wrack trotz des Brandes
erhebliche Kokainspuren. Die UN schrieb über das Ereignis, es sei ein weiterer Hinweis auf die
erheblichen Versäumnisse, wenn nicht gar die Komplizenschaft malischer Sicherheitskräfte.
Die Vereinten Nationen wissen von mindestens sieben weiteren Flugzeugen voller Kokain aus
Lateinamerika, die in Mali landeten.
22. O-Ton Rhissa Ag Boula
Ce sont des narcotrafiquants qui dirigent au Mali. C’est la connexion entre le narco-trafique,
l’extrémisme religieux, et l’identisme indépendantiste. C’est ca ce qui se passe au Mali. // Un
cocktail Molotov.
Übersetzer 4:
Mali wird von den Drogenschmugglern kontrolliert. Es handelt sich um die Verbindung
zwischen Drogenschmuggel, religiösem Extremismus, und dem Verlangen der Tuareg nach
Unabhängigkeit. Das ist der Hintergrund von dem, was in Mali abläuft. Ein Molotov-Cocktail.
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Der Anführer
Erzählerin:
Die Folge: der Zusammenbruch des malischen Staates im Frühjahr 2012, schließlich die
Machtübernahme durch islamistische Milizen.
12. Atmo Musik vom Fest
Erzählerin:
Rhissa Ag Boula, den Berater des nigrischen Präsidenten, traf ich vor einigen Wochen am
Rande eines Tuareg-Festes im Aïr-Gebirge. Im Lichtkegel weniger Lampen, die ihren Strom von
Generatoren bezogen, trafen in der Dunkelheit nach und nach die Gäste ein. Alle trugen
Gewänder und Kopfbedeckung der Tuareg, die meisten Männer hatten auch ihre Gesichter
verschleiert. Viele kamen auf ihren Kamelen, die geduldig auf das Ende des Festes warteten.
23. O-Ton Rhissa Ag Boula
Les AQMI, c’est les Algériens qui ont créé ça. C’est le GSPC, c’est le GIA, qui est devenu GSPC et
... après qui est devenu AQMI. Donc, c’est les Algériens qui ont créé ça, c’est les Algériens qui
dominent ça, c’est les Algériens qui commandant. Maintenant, dans le développement, dans
l’évolution d’AQMI dans l’espace // sahélo-saharien, elle a recruté donc beaucoup de
mauritaniens, beaucoup de Sahraoui, beaucoup donc de Maliens
Übersetzer 4:
Die Algerier haben „Al-Qaida im Islamischen Maghreb“ gegründet, die AQMI. Sie ist aus
früheren islamistischen Terrorgruppen Gruppen hervor gegangen, den „Bewaffneten
Islamischen Gruppen“, kurz GIA, und der „Salafistischen Gruppe für Predigt und Kampf“, GSPC.
Die AQMI wird bis heute von Algeriern dominiert und kommandiert. Im Laufe der Jahre
breitete sie sich im Sahel und in der Sahara aus und rekrutierte Kämpfer aus anderen Ländern:
viele Mauretanier, viele Sahraoui aus der Westsahara, viele Malier.
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Der Anführer
Erzählerin:
Auch Rhissa Ag Boula, der an allen Tuareg-Aufständen der früheren Jahre beteiligt war, soll
noch immer eine eigene Miliz befehligen und seine Finger bei vielen Dingen im Spiel haben. Er
mag eine schillernde Figur sein, aber seine tiefe Abscheu für die Islamisten scheint echt. Er ist
selbst ein Muslim wie fast alle Tuareg, aber er fühlt sich in seinem Stolz verletzt, wenn ihm ein
Fremder erklären will, wie er zu seinem Gott zu beten habe. Von Arabern wird er sich als
letztes belehren lassen.
24. O-Ton Rhissa Ag Boula
L’argent de la drogue a beaucoup financé le Printemps Arabe, parce que tous les Printemps
Arabes ont connu leurs groupes internationaux, les groupes internationaux intégristes
internationaux, des Salafistes et ... des gens d’Al Qaida qui ont débarqué et avec les
financements de la drogue.
Übersetzer 4:
Das Geld aus dem Drogenschmuggel hat den Arabischen Frühling zu einem guten Teil
finanziert. In all diesen Ländern gibt es islamistische Gruppen mit internationalen
Verbindungen: Salafisten oder Mitglieder von Al-Qaida, die Geld aus dem Drogenschmuggel
mitgebracht und sich damit in Kämpfe in den jeweiligen Ländern eingeschaltet haben.
25. O-Ton Rhissa Ag Boula
Tous les circuits des états, il est arrosé par l’argent de la drogue pour complicité, que ça passe.
Donc, tu trouves ça au gouvernement, au sommet de l’état, dans les forces armées, dans la
police, dans la gendarmerie, dans la douane et dans le ... dans la politique, les partis politiques,
voilà. C’est l’argent, c’est ça. C’est comme ça.
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Der Anführer
Übersetzer 4:
Die Schaltkreise der Macht in den betroffenen Staaten werden von dem Geld aus dem
Drogenschmuggel geschmiert. Die Kartelle haben überall Komplizen: in der Regierung, an der
Spitze des Staates, in der Armee, bei der Polizei, der Gendarmerie, dem Zoll, den politischen
Parteien. Das Geld macht alles möglich.
Erzählerin:
Auch Malis ehemaliger Präsident Amadou Toumani Touré hatte gute Verbindungen zu den
Kartellen und war ihr Komplize. Vor allem die Ehefrau des Präsidenten kümmerte sich um
diesen Teil des Einkommens. Bei einem Großeinkauf in Europa zahlte sie im September 2011
mit Geldscheinen, deren Seriennummern deutsche und französische Sicherheitskräfte notiert
hatten.
Die Scheine waren Al-Qaida im Islamischen Maghreb als Lösegeld für die Freilassung von
Geiseln gezahlt worden.
26. O-Ton Rhissa Ag Boula
Le trafic a contrôlé l’armée malienne depuis longtemps.
Übersetzer 4:
Die Kartelle kontrollierten die malische Armee schon lange.
Erzählerin:
Rhissa Ag Boula beschreibt die Situation vor dem Putsch in Mali im Frühjahr 2012.
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Der Anführer
27. O-Ton Rhissa Ag Boula
Tous les généraux maliens sont achetés, ils sont contrôlés par les narcotrafiquants. Et
maintenant, la jeune, la troupe, les soldats, les jeunes officiers, ils voient ça, ils savent que les ...
leurs chefs sont corrompus, leurs chefs sont contrôlés par le trafic. Ils savent que quand ils les
envoient à la guerre, eux, ils ... eux, ils prennent l’argent du trafic et ils les envoient à la guerre.
Donc, c’est ça qui a fait que ... ce retournement de situation, de jeunes officiers qui ont dit «
Bon, on va balayer le régime d’ATT (Amadou Toumani Touré), on va trouver une solution avec
la guerre. » Mais, malheureusement, le régime était déjà pourri et quand il tombé, c’est toute
l’armée qui est partie en l’air. Tout le commandement de l’armée malienne est parti en l’air.
Übersetzer 4:
Alle malischen Generäle sind gekauft, werden von den Drogenschmugglern gelenkt. Die
jungen Soldaten der niedrigen Ränge beobachten das und wissen, dass ihre Chefs korrupt sind,
für die Kartelle arbeiten. Dass die oberen Ränge viel Geld aus dem Schmuggel bekommen,
während sie selbst gegen die aufständischen Tuareg in den Krieg geschickt werden.
Irgendwann haben sie sich gesagt: „Wir werden diesen Dreckstall ausmisten, das Regime von
Amadou Toumani Touré.“ Leider war das gesamte Regime schon so zersetzt, dass mit dem
Putsch der ganze Staat zusammenbrach und die Armee sich in Luft auflöste.
Erzählerin:
Die Verwicklung von Amadou Toumani Touré in den Kokainschmuggel war schon lange
bekannt, zumindest den Vereinten Nationen, US-Sicherheitskräften und westlichen
Geheimdiensten. Trotzdem tat die ganze Welt überrascht, als Mali im Frühjahr 2012
kollabierte.
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Der Anführer
13. Atmo TV France 24 in Arlit
Erzählerin:
Weil Ibrahim vermeiden möchte, dass ich gesehen werde, hat er mich am nächsten Morgen in
Arlit bei Bekannten abgesetzt. Sie haben einen großen Bungalow im Zentrum der Stadt, die
Frau des Hauses hat für mich einen Ventilator und den französischen Sender France 24
eingeschaltet. Dann ist sie in der Küche verschwunden, um das Mittagessen zu kochen.
Manchmal kommt eines der Kinder vorbei. Niemand wundert sich über die fremde Weiße, die
in dem riesigen Wohnzimmer zwischen Kissen auf dem Teppich liegt und fern sieht. Am Rande
der Wüste erfahre ich über Satellit aus Brüssel das Neuste über die Eurokrise.
15. Atmo Reifenwechsel und Musik
Erzählerin:
Am späten Nachmittag sind wir mit drei neuen Radbolzen wieder unterwegs.
Aber schon wieder ist ein Reifen platt, der dritte in zwei Tagen. Um uns Sand, vereinzelte
Büsche, Geröll.
In Arlit haben wir viele Geländewagen ohne Nummernschilder gesehen. Meist Pick-Ups mit
Benzinmotoren, die bis zu 200 Stundenkilometer schnell sind. Fast alle Autos ohne Nummern
gehören den Kartellen oder ihren Helfern. Das Fahren ohne Nummer ist ein Zeichen an die
staatlichen Sicherheitskräfte: Von diesem Auto lasst ihr besser die Finger. Und tatsächlich
werden die Fahrzeuge an allen Kontrollpunkten durchgewunken.
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Der Anführer
16. Atmo Abfahrt
Erzählerin:
Auf der Multi-Media-Anlage von Ibrahims Auto läuft Musik der Tuareg-Band Tinariwen, ein
Video-Konzertmitschnitt aus Paris. Ibrahim spielt ihn über einen USB-Stick ab, während wir
durch die fahlgelbe Wüste fahren.
Kreuzblende zu Musik ohne Unterhaltung:
17. Atmo im Auto, Musik
Musik unter O-Ton, bzw. zwischendurch als Trenner
Erzählerin:
Morgen Nachmittag wird Ibrahim von Lamine die Koordinaten unseres Treffpunkts erhalten.
Für einige GPS-Punkte haben die beiden Code-Namen ausgemacht, eine Vorsichtsmaßname,
weil Gespräche über Satellitentelefone häufig abgehört werden.
28. O-Ton Ibrahim
C’est un ami d’enfance, je le connais très bien. Il est née pas loin de Timbuktu. Après, il est
venue a Kidal. Il a resté presque 15 ans à Kidal. Après, il a fait la première rébellion avec nous,
92 jusqu’à 94 (Störgeräusche ,Rascheln Kleidung und Mikro), donc il a fait la rébellion avec
nous, et même au moment de l’intégration, on lui voulait donner une grade de capitaine. Mais
lui, il a refusé, il a resté comme ca. Lui, au début, il faisait transport des passagers entre
Tessalit, Bordj, Kidal – toujours la frontière.
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Der Anführer
Übersetzer 1 :
Wir waren schon als Kinder miteinander befreundet, ich kenne Lamine deshalb sehr gut. Er
wurde in der Nähe von Timbuktu geboren, dann kam er nach Kidal. Da ist er 15 Jahre lang
geblieben. Wir haben zusammen in den 1990er Jahren im Tuareg-Aufstand gekämpft. Nach
dem Friedensvertag bot die malische Regierung ihm an, ihn im Rang eines Hauptmanns in die
Armee zu integrieren. Das hat er abgelehnt. Er fing an, mit illegalen Migranten zu arbeiten,
brachte sie über die Grenze zwischen Algerien und Mali.
Erzählerin:
Bald verdiente Lamine ein Vielfaches von dem, was die malische Armee ihm geboten hätte,
wäre er dort Hauptmann geworden.
29. O-Ton Ibrahim,
Dans les année 1998, 1999. Il a commencé faire le trafic des cigarettes, avec ses voitures. Et
après, quand ils ont du couvert le réseau du haschisch, il a commencé faire l’escorte, // a partir
de la frontière entre l’Algérie et le Maroc, Polisario, il a fait l’escorte jusque à Halil. Après ils ont
découvert d’aller jusque à Egypte, il a commencé de faire le transport. Mais maintenant,
comme il a trouvé des armes, il a amené des armes de la Libye, et de la Mauritanie, et même de
l’armée malienne parce que il est en complicité. Il connaît bien des gens, des hauts placés, donc
peut-être il a …. Parce que avant, au Mali il était facile d’avoir des armes chez l’armée (meint
wohl : von der Armee zu bekommen)
si tu connais bien un commandant ou un colonel, il peut te rendre quelques de ca…. (einige
Waffen) donc il a fait ca, il a commencé avec trois voitures, maintenant il a une dizaine de
voitures. Il fait l’escorte.
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Der Anführer
Übersetzer 1 :
Später schloss er sich den Zigarettenschmugglern an, das war 1998, 1999, er hatte ja schon
Autos, die konnte er dafür benutzen. Dann kam Haschisch dazu, und Lamine fing an, die
Sicherheitseskorte für die Schmuggler zu stellen. Die Route: Marokko, durch die Westsahara,
bis nach Halil an der algerischen Grenze. Schließlich kam er drauf, dass er den Konvoi ja gleich
bis nach Ägypten eskortieren kann. Er brachte aus Libyen und Mauretanien immer mehr
Waffen mit, und bekam außerdem noch welche von der malischen Armee. Bis zum Putsch war
das ganz einfach, wenn man einen Oberst oder einen anderen Kommandeur kannte. Die gaben
einem immer welche. Lamine kannte einige Leute sehr gut, die einen hohen Rang hatten.
Mit drei Autos hat er angefangen, jetzt hat er zehn.
Erzählerin:
Und bewacht die Ladung der Konvois aus Haschisch und Kokain.
30. O- Ton Ibrahim
Toujours il a dix voitures pour lui même. Et chaque voiture, il a huit jeunes soldats, avec Kalash
ou Smirnoff ou RPG – lui, il est bien équipé. Lui aussi, il est un grand baron, mais lui, il fait le
convoi lui même avec eux. Pas comme les autres. Mais lui, il fait l’escorte seulement. -Einschub 46 :40 ff Lui il escorte toujours des convois entre 15 et 20 voitures. Pas plus. Toujours.
15 a 20 voitures charge entre haschisch et cocaïne, et lui, il a dix voitures. Toujours trois
devant, trois au milieu et quatre derrière. ---- Ils donnent par ex peut être chaque voyage
700.000 Euro, ou bien, peut être comme ca, si ce n est pas plus. Et lui, chaque voyage, il paye les
soldats, les chauffeurs, les apprentis et tous ca. Au chauffeur, seulement au chauffeur, ils
donnent juste a 12 a 13 mille euro par voyage.
Übersetzer 4 :
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Auf jedem seiner zehn Autos hat er acht junge Soldaten. Sie sind mit Kalaschnikows
bewaffnet, und mit Maschinengewehren und mit Panzerabwehr-Granatwerfern. Er ist also gut
ausgerüstet. Lamine ist einer der großen Barone, aber im Unterschied zu den anderen fährt er
selbst noch mit. Er schmuggelt nicht mehr selbst, sondern stellt immer die Eskorte. Er begleitet
Konvois von 15 bis 20 Autos, nie mehr, die mit Haschisch und Kokain beladen sind. Drei der
bewaffneten Fahrzeuge fahren vorne, drei in der Mitte, vier am Schluss. Seine Auftraggeber
geben ihm pro Fahrt vielleicht 700.000 Euro, vielleicht sogar mehr. Nach jeder Fahrt bezahlt er
die Bewaffneten, die Fahrer, die Lehrlinge. Schon dem Fahrer, einem einfachen Fahrer, zahlen
sie 12.000 bis 13.000 Euro pro Fahrt.
Erzählerin:
Zwei von Ibrahims Neffen arbeiten für Lamine. Einer gehört zu den Bewaffneten, einer ist
Fahrer.
31. O- Ton Ibrahim
J’ai mon neveu chauffeur avec eux, chaque voyage, il prend presque 13 mille euros, mais
presque, il a rien. Toujours. Il prend ca, il achète les vêtements chique, chaque jour, il égorge un
mouton, il sort avec les filles, tu vois, et il part ca dans un mois.
Übersetzer 1:
Mein Neffe bekommt also als Fahrer jedes Mal 13.000 Euro. Und trotzdem bleibt nichts übrig.
Sobald er bezahlt wird, kauft er sich schicke Kleidung, schlachtet jeden Tag einen Hammel,
geht dauernd mit Frauen aus, und binnen eines Monats ist das ganze Geld weg.
Erzählerin:
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Lamine dagegen ist ein reicher Mann geworden.
Ibrahim selbst ging einen anderen Weg. Im Norden Malis geboren, zog er als Jugendlicher zu
einem Onkel nach Algerien, weil es in seiner Heimatstadt weder Schulen noch Arbeit gab. Als
sich die Tuareg in Mali und Niger 1990 erhoben, schloss sich Ibrahim den Aufständischen an.
Aus dieser Zeit rührt seine Freundschaft mit Assalek, der im Niger kämpfte. Dasselbe gilt für
Mohammed, den dritten Targi in unserem Team. Die Tuareg-Rebellen forderten mehr
politische Teilhabe, Arbeitsplätze und Investitionen in ihre wenig entwickelte Region. Alle drei
beteiligten sich 2007 an einem weiteren Aufstand der Nomaden. Vor allem im Niger ging es
damals schon um die Kontrolle der Schmuggelrouten für Drogen. Wie viele andere Tuareg
auch, verdingten sich Ibrahim, Assalek und Mohammed zwischendurch als Söldner bei
Muammar al-Gaddafi, dem inzwischen gestürzten libyschen Herrscher.
33. O-Ton Ibrahim
Moi, personnellement, et tous les Touaregs le savent bien que Kadhafi, c’est un dictateur. C’est
un fou même. Il est très égoïste mais, mais vers les Touaregs vraiment, il a compris bien la
situation au Mali, au Niger des Touaregs. Donc, c’est pour cela, on est avec lui. Et lui, il a aidé
les Touaregs par les bases militaires, par l’instruction des jeunes et tout ça.
Übersetzer 1 :
Ich und alle Tuareg wussten, dass Gaddafi ein Diktator ist. Sogar ein Verrückter. Und ein Egoist.
Aber für die Tuareg hat er immer viel gemacht. Er hat ihnen Militärbasen zur Verfügung
gestellt, und junge Nomaden zu Kämpfern ausgebildet.
Erzählerin:
Nach Gaddafis Sturz kehrten Tausende afrikanische Söldner in ihre Heimatländer im Sahel
zurück. Aus seinen Arsenalen brachten sie Unmengen von Waffen mit: Kalaschnikows und
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Panzerfäuste, Boden-Luft-Raketen, panzerbrechende Waffen und ähnliches. Als Gaddafi
stürzte, war Ibrahim in Algerien bei seiner Familie und kümmerte sich um seine Reiseagentur.
Ein Verwandter rief ihn an, sagte, dass hunderte Kämpfer aus Mali zurückkämen. Ibrahim
mobilisierte weitere Rebellen, die er von früheren Aufständen kannte und gründete mit
seinem Verwandten eine neue Miliz.
Die „Nationale Bewegung zur Befreiung des Azawad“, kurz MNLA. Mit ihrem Aufstand begann
im Januar 2012 der Zusammenbruch des malischen Staates.
18. Atmo Packen morgens
Erzählerin:
Nach einer weiteren Nacht in der Wüste packen wir ein. Almoustapha, der Koch, verstaut alles
sorgfältig in Blechkisten. Geübte Griffe, ein vertrautes System. Am Ende wird eine Plastikplane
über Kisten, Pakete und Taschen gelegt. Trotzdem dringt der feine grau-gelbe Sand Tag für Tag
durch alle Ritzen in jeden Winkel des Gepäcks.
Fast unvermittelt kommt Assalek auf das Thema des Vorabends zurück.
34. O-Ton Assalek
Anfang: Et ca, ca devient un problème. Et ca commence à gagner du terrain. Maintenant des
fois, même une famille des fois, 0 :17 tu vas trouver une famille – il y a des gens qui sont la –
dedans donc chaque famille – tu vas trouver quelqu'un qui est là-dedans. Dans cette trafic.
Übersetzer 2 :
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Diese Sache greift immer mehr um sich. Inzwischen gibt es in vielen Familien mehrere, die mit
dem Schmuggel zu tun haben. Und in jeder Familie gibt es mindestens einen.
26. O-Ton Assalek
Agadez, c est plein. Il y a plein de gens.Beaucoup de gens y vivent. Pc c’est vraiment pour la vie
que les gens rentrent là-dedans. Ce n est pas un plaisir. C’est pour gagner son pain. Mais c’est
très inquiétant quand même.
Übersetzer 2 :
Agadez ist voll von Leuten, die davon leben. Denn darum geht es den meisten: Sie müssen halt
irgendwie Geld verdienen und machen das nicht zum Vergnügen oder aus Abenteuerlust.
Trotzdem ist das sehr beunruhigend.
28. O-Ton Assalek
Dès qu’il y a la possibilité de gagner cet argent facile, la tentation est très forte. Donc, je peux
vous donner un exemple il y avait quelqu’un, en qui j’avais beaucoup confiance, il a confiance
en moi aussi. On était ensemble Il a une très grande entreprise d’import-export. Donc ... Mais
tout est en règle. Et un matin, il vient me voir, il me dit : « On va ... On va aller ensemble, je vais
prendre la voiture. On va causer un peu. ». Après, il me dit : « J’ai un petit problème. Il me faut
un endroit où je vais stocker trois tonnes de ... ». Il m’a dit : « ... de drogue. Pendant juste deux
semaines. ». Il m’a dit : « Vraiment, il faut réfléchir. » // Il m’a dit : « Maintenant, il faut
réfléchir. Si y a quelqu’un en qui tu as confiance. Moi, je suis prêt à lui donner jusqu’à 10
millions. »
Übersetzer 2 :
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Sobald es einfaches Geld zu verdienen gibt, ist die Versuchung für jeden groß. Ich bin dafür
selbst ein Beispiel. Es gab da jemanden, zu dem ich großes Vertrauen hatte, und das war
gegenseitig. Ich habe für ihn gearbeitet. Er war Analphabet, hatte aber ein großes ImportExport-Unternehmen. Ich habe mich um alles gekümmert, was legal war. Seine Bücher sind
also sauber. Eines morgens kam er zu mir und sagte: „Steig ins Auto ein, wir müssen mal
reden.“ Er erklärte mir, dass er ein kleines Problem habe. Er brauche einen Ort, an dem er mal
drei Tonnen Drogen lagern könne. Es sei nur für zwei Wochen, und er zahle dafür umgerechnet
über 15.000 Euros.
Erzählerin:
Assalek bot sein Haus an. In einem Zimmer stapelten sich mehr als 120 Kartons. Sie sahen
unterschiedlich aus, laut der Aufkleber enthielten sie Whiskey und andere Lebensmittel.
Assalek rührte sie nicht an, schloss das Zimmer ab. Nach zwei Wochen wurde die Ware wieder
abgeholt.
29. O-Ton Assalek
D’abord, lui, l’équivalent de l’argent, il m’a donné un véhicule tout neuf, un 4x4. C’est
l’équivalent de 10 millions. Après, je l’ai échangé, pour payer un nouveau véhicule. Je l’ai vendu
et j’ai payé un autre véhicule pour travailler avec. C’est des ... C’est un métier parce que je,
tellement c’est pas mon travail que je fais, je fais un autre travail, je ... pour gagner un peu ma
vie.
Übersetzer 2 :
Er gab mir einen neuen Geländewagen im Wert von 15.000 Euro. Den habe ich verkauft und
mir einen geländegängigen Pick-Up gekauft. Damit verdiene ich jetzt meinen Lebensunterhalt.
Erzählerin:
Seite 36
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Der Anführer
Mit genau diesem Pick-Up begleitet Assalek uns durch die Wüste. Außerdem ist er Consultant
für ein Mobilfunkunternehmen, fährt dessen Ingenieure in die abgelegenen Dörfer, wo sie
Funkmasten installieren oder warten und Telefonanschlüsse legen. Manchmal vermietet er
den Pick-Up und sich als ortskundigen Fahrer an humanitäre Organisationen.
19. Atmo Fahrt
Erzählerin:
Wir sind am Rande der Ténéré-Wüste angekommen. In der Nähe des GPS-Punktes, an dem wir
den Konvoi treffen wollen, fahren wir an einigen Treibstofffässern vorbei. Notdürftig wurden
sie unter Büschen versteckt. Sie stehen für einen Konvoi bereit. In der Ferne eine Nomadenfrau
und Kinder. Anderswo gibt es Depots mit Lebensmitteln und Wasser. Helfer der Kartelle stellen
diese Dinge an Koordinaten ab, die sie vorher von Mittelsmännern erhalten haben.
Die Kartelle unterhalten ein dichtes Netz von Informanten. Die warnen per Telefon oder
Textnachricht, wenn sie eine Militäreskorte sehen, oder was immer die Pläne der Schmuggler
durchkreuzen könnte. Eine aufwändige Logistik, perfekt organisiert, und mit Schmiergeld
geschmeidig gehalten.
20. Atmo von der Absage
Assalek : …. détails... Tippen handy... le numéro... c’est lui, c’est un Thuraya...
Assalek : (Macht Auto aus, seufzt, tippt auf dem Thuraya rum, sagt): Ce n’est pas bon, ca. Pas
loin de but. Ts ts ts ..
(Tippt weiter ... Wind, Motor aus)
Übersetzer 2 :
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Der Anführer
Die Nachricht muss von ihm sein, sie kommt von einem Satellitentelefon.
Erzählerin:
Es ist 14 Uhr. Ibrahim hat das Satellitentelefon eingeschaltet, Lamine eine Textnachricht
geschickt. Weil Ibrahim die kleine Schrift schlecht lesen kann, hat er Assalek das Telefon
gegeben.
Atmo wieder frei
Assalek : Désolé, // je vous ai faussé le rendez-vous, il y a trop de problèmes avec les MUJAOs,
et ....
Assalek, nachdenklich : On dirait qu’il y a un autre message qui n est pas arrivé. //
Assalek liest: celui là... Lamine (fragend) Ah! Lamine! Il a dit que c’est Lamine.
Ibrahim : Oui, c’est lui. Ce nom, c’est lui.
Assalek : Donc, c’est Lamine. Bon. Alors. Le résultat c est quoi maintenant?
Übersetzer 2:
Es tut mir leid, ich kann nicht kommen, wir hatten zu viele Probleme mit der MUJAO, und.....
Man könnte meinen, dass er noch eine zweite Nachricht geschickt hat, die nicht angekommen
ist.
Da ist noch eine ...
Lamine... Ah! Lamine! Die Nachricht ist also von ihm.
Und jetzt?
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Der Anführer
Atmo weiter
Ibrahim : Je ne sais pas.
Übersetzer 1:
Ich weiß es nicht.
Assalek : A 50 kilomètres de près. // À peu près. Oh la la.
Übersetzer 2:
Und das höchstens 50 Kilometer vom Ziel entfernt.
Atmo Schweigen etwas frei
Erzählerin:
Der Konvoi ist offenbar in einen Hinterhalt der islamistischen MUJAO geraten.
Weil Lamine sein Telefon wieder ausgestellt hat, kann Ibrahim nicht nachfragen. Die
Stimmung ist gedrückt und angespannt.
Sich mit einem Konvois zu verabreden, ist nicht üblich. Was, wenn Ibrahim den anderen jetzt
als Verräter gilt? Und was ist mit seinen beiden Neffen?
Atmo wieder frei
Seite 39
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Der Anführer
Mohammed: (ganz leise von hinten): Ici il y a tout les dangers. On est dans un coin qui n’est pas
bien.
21. Atmo Mohammed warnt von Gefahr
Assalek: Ce n’est pas possible .... C’est quoi la solution maintenant...
Ibrahim: Est- ce qu’il y a des choses à manger ?
Assalek: Donc, on va dormir ici aussi?
Ibrahim: Non non
Assalek: Ou est-ce qu’on va aller?
Ibrahim: Je ne sais pas.
Assalek: Il vaut mieux qu’on s arrête une seule fois. Ici, ce n est pas bon.
Ibrahim: Donc, on va ou?
Assalek: Maintenant d’abord il faut qu’on sache ce qu’on fait.
Entfernt ein Esel
Atmo weiter, verlängern
Zu benutzen unter dem nächsten Text, einer indirekten Übersetzung, oder auch freistehen
lassen
22. Atmo von 121123_10 Entscheidung nach Absage Lamine
Assalek: Ce n’est pas ici .Le lieu n est pas bon. Il faut qu on retourne un peu et après un trouve
un coin un peu loin de la piste. Et puis on fait ce qu on décide de faire.
Ibrahim: Bon, donc, on retourne, // comme lui il est encore au Mali
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Der Anführer
Schweigen
Ibrahim: On va partir.
Erzählerin:
Mohammed, der etwas abseits steht, bringt Bewegung in das ratlose Schweigen: Der Ort ist
gefährlich, wir müssen weiter. Die beiden anderen schrecken aus ihren Gedanken hoch,
stimmen ihm zu. Nur Ibrahim überlegt, ob wir hier erst noch was essen sollen. Aber auch
Assalek treibt weiter: Selbst wenn wir nicht wissen, wo wir jetzt hinfahren sollen – hier
müssen wir weg, und das so schnell wie es geht. Wir sollten eine sichere Stelle für unser
Nachtlager suchen und dann entscheiden, was zu tun ist.
23. Atmo von 121123_09 Atmo Absage Lamine
Ibrahim: bon....
Assalek: il faut réfléchir
... Schritte, einsteigen ... Autotüren... Motor an....
24. Atmo Nachtlager
Erzählerin :
Assalek führt uns am Abend zu einem Versteck, das er aus der Zeit der letzten Rebellion kennt.
Das Dünental ist von der Hauptpiste her nicht zugänglich. Um unsere Spur zu verwischen,
fährt Assalek einige Schleifen, kreuzt alle Fahrspuren, die er findet, bis er von hinten in das Tal
fährt.
Kaum angekommen beginnt Almoustapha wie immer Fleisch und Gemüse mit Wasser aus
dem Kanister zu putzen und das Abendessen zu kochen.
Seite 41
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Der Anführer
Atmo noch mal frei, dann weiter unter dem Text
Erzählerin :
Unser Zeltplatz liegt idyllisch. Wir lagern umgeben von Sanddünen, in die der Wind ein
Wellenmuster schrieb. An einer Seite wird das kleine Tal von einem Berg aus Geröll
abgeschirmt. Das Grundwasser kann nicht tief sein, es gibt einige Bäume und Sträucher.
Trotz des Verstecks fühlen sich die Männer nicht sicher.
Die Vorstellung unser Lager könnte heute Nacht überfallen werden, macht mir Angst.
25. Atmo Frühstück
Erzählerin :
Am Morgen treffen wir uns wie gewohnt im Windschatten der Autos zum Frühstück auf den
Matten. Ungewaschen, denn unser Wasser ist knapp. Die Mischung aus Staub und Schweiß
auf der Haut wird täglich dicker.
Ibrahim eröffnet mir, er habe für den Fall vorgesorgt, dass etwas schief geht. Wenn ich zum
Beispiel entführt werde. Er habe einem der militärischen Führer der MNLA, einem Verwandten,
vor unserer Reise Bescheid gesagt und ihn gebeten, an der Grenze zwischen Mali und Niger ein
paar Pick-Ups mit Bewaffneten für uns bereit zu halten.
26. Atmo Auto packen
Erzählerin :
Nach dem Frühstück packen wir zusammen, brechen auf, Richtung Südwesten.
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Der Anführer
28. Atmo Oase Timia
Erzählerin:
Timia. Wir sind in einer Oase im Aïr-Gebirge angekommen, in dem Ort Timia. Wir dürfen in
einem der Gärten campieren.
29. Atmo Tee einschenken
Erzählerin:
Mohammed hat Tee gemacht, den süßen Pfefferminztee der Nomaden. Er ist auf dieser Reise
dafür zuständig. Im Tee-Kochen ist er ein Meister. Im Leben hat er zur Zeit nichts anderes zu
tun.
30. O-Ton Mohammed
On est là, on espère, on espère tout simplement. On vit dans l’espoir.
Übersetzer 3:
Ich hoffe, das ist alles. Ich lebe von der Hoffnung.
Erzählerin:
Die Schule musste er nach der sechsten Klasse abbrechen, seine Eltern konnten nicht länger
bezahlen. Mohammed saß also zu Hause und kochte Tee. Dann begann 1990 die Rebellion der
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Der Anführer
Tuareg, er war erst 14 und schloss sich an. Fünf Jahre später kam der Frieden, und Mohammed
fiel wieder in ein Loch. Seine einzige Chance sah er in Libyen und verdingte sich als Söldner.
31. O-Ton Mohammed
Oui, oui. Parce que je n’ai rien à faire ici, chez moi. Il y a pas grand-chose à faire au lieu d’être
toujours mêler dans ... entre les femmes et les enfants, je préfère m’éloigner un peu. Et surtout
dans le dignité saharienne où l’homme se veut digne. A un certain âge, tu dois être un peu
différent. L’homme, il doit quitter la maison. Il doit ramener quelque chose si il ne travaille pas.
Il doit voyager quand même. Il doit pas passer son temps mêlé aux ... C’est la bassesse.
Ce n’est pas digne en fait.
Übersetzer 3:
Ja, weil ich hier nichts zu tun hatte. Ich saß untätig rum, immer zwischen den Frauen und
Kindern. Für uns in der Sahara ist die Würde ein hohes Gut. Ein Mann muss das Haus verlassen.
Wenn er keine Arbeit hat, muss er auf andere Weise etwas verdienen und nach Hause bringen.
Er muss reisen. Ständig untätig zwischen den Frauen zu sitzen, ist eine Schande.
Erzählerin:
2007, als sich die Tuareg im Niger noch einmal erhoben, kehrte Mohammed aus Libyen zurück
und schloss sich den Aufständischen an. Vor allem im Aïr-Gebirge war diese Rebellion ein
gnadenloser Krieg. Mohammed sah viele Menschen sterben und überlebte selbsst nur knapp.
Danach ging er, bis zu Gaddafis Sturz, erneut nach Libyen.
Seitdem bleibt ihm nur noch das Kochen von Tee.
Die Schule, sagt er, habe ihm die Augen für die Moderne geöffnet, die ihm trotzdem
verschlossen sei.
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Der Anführer
32. O-Ton Mohammed
Et ce monde-là, aujourd’hui, dans lequel nous vivons, nous nous sommes trouvés entre deux
mondes. Nous avons quitté le monde des campements, nous n’avons pas atteint le monde des
villes Donc, nous avons compris que beaucoup, beaucoup aujourd’hui de nos jeunes étaient
des spectateurs de la vie. Tout le monde a son rôle à jouer //. Mais, quant à nous, on est des
spectateurs de la vie. On est le monde des observateurs.
Übersetzer 3:
Wir sind zwischen zwei Welten gestrandet. Wir haben die Camps der Nomaden verlassen,
ohne irgendwo anzukommen. Viele der jungen Menschen hier gucken dem Leben nur zu. Alle
anderen haben im Leben ihre Rolle, aber wir spielen nicht mit. Wir sind bloß die Zuschauer.
Erzählerin :
Es ist spät geworden, die anderen sind schlafen gegangen. Unbeobachtet von ihnen, erzählt
Mohammed immer weiter.
33. O-Ton Mohammed
Aujourd’hui, ce phénomène de trafic, c’est vraiment un phénomène qui prend beaucoup
d’ampleur. Beaucoup de gens voudraient introduire ce réseau. Mais le réseau leur est
pratiquement impossible. Il ... C’est un réseau fermé. Personne n’a accès que ... au clan. C’est
des clans. Pour beaucoup comme les ... moi, qui ont fait des expériences des rébellions, des
voyages, des conflits internationaux-là, ils veulent, ils veulent parce que dans ça, c’est
l’enrichissement rapide. C’est le rêve de tout le monde ici.
Übersetzer 3:
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Der Anführer
Und jetzt ist da diese Sache mit dem Schmuggel, der immer mehr an Bedeutung gewinnt. Sehr,
sehr viele würden gerne Teil dieser Netzwerke werden. Aber sie kriegen keinen Zugang. Die
Netzwerke sind allen verschlossen, die keine familiären Beziehungen haben. Ich und alle, die in
meiner Situation sind, träumen davon, dort mitmachen zu können. Wir können mit Waffen
umgehen, wir kennen die Wüste, wir haben Erfahrungen mit internationalen Konflikten. Und
da bietet sich jetzt diese Möglichkeit, schnell reich zu werden.
Teil der Kartelle zu werden, ist unser aller Traum.
Erzählerin :
Er habe das, sagt Mohammed, schon lange aber vergeblich versucht.
34. O-Ton Mohammed
Si ce n’est pas vraiment un miracle qui tombe du ciel, tu n’as pas d’espoir. Tu es obligé parfois
de faire quelques sourires, mais pas des sourires qui vient du fond, c’est, c’est des sourires
mécaniques. Ça veut dire forcé, tu fais semblant d’être heureux, mais au fond, tu es déjà mort.
En fait, tu es un mort-vivant.
Übersetzer 3:
Wenn nicht noch ein Wunder passiert, habe ich für mein Leben keine Hoffnung mehr. Ich
zwinge mich, manchmal zu lächeln, aber das ist nicht echt, ein rein mechanisches Lächeln. Ich
zwinge mich manchmal, glücklich zu wirken, aber im Grunde bin ich schon tot. Ich bin ein
lebendiger Toter.
30. Atmo Ibrahim versucht, Lamine anzurufen
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Der Anführer
im Vordergrund noch andere Stimmen, Ibrahim leise, dann kommt er näher, Tamaschek, dann
frz, „ca va .... Ecoute..... Allô? Okay... je suis dans le bon réseau ... écoute... Allô? Allô? (wiederholt
das immer wieder) on sort, on va se mettre dans le bon réseau... c’est lui, il a répondu ....- stößt
Atem erleichtert aus … dann weiter als Atmo unter dem weiteren Text
Erzählerin:
Am nächsten Morgen versucht Ibrahim, Lamine über das Handy zu erreichen. In der Oase Timia
gibt es zum ersten Mal seit Tagen ein Handynetz.
Nach einigen Worten bricht die Verbindung wieder zusammen.
Übersetzer 1:
Lass uns auf den Hügel gehen. Er war es, er hat mit mir gesprochen.
Erzählerin:
Ibrahim gilt also nicht als Verräter, eine große Sorge fällt von ihm ab. Andernfalls hätte es sein
können, dass die Schmuggler sich rächen, ihn womöglich töten.
31. Atmo Anruf auf Hügel
Erzählerin:
Dann stehen wir auf dem Hügel. Unter uns der Oasengarten, in dem wir campieren:
Grapefruit-Bäume, Feigen, Weintrauben. Nicht weit von hier, beginnt die große Wüste Ténéré.
Selbst auf dem Hügel kommt die Verbindung zu Lamine nicht mehr zustande.
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Der Anführer
Ibrahim ruft seine jüngste Schwester an und erfährt von ihr, dass sein Neffe und zwei weitere
Milizionäre bei dem Überfall erschossen wurden. Lamine wurde durch eine Kugel verletzt.
Nicht lebensgefährlich, aber er muss ärztlich behandelt werden.
Ibrahim ringt um Fassung. Er trauert um seinen Neffen und sorgt sich um seine Schwester, die
binnen kurzer Zeit ihren zweiten Sohn verlor.
32. Atmo Abstieg und Bericht über letztes Gespräch mit Neffen
Schritte, wir steigen von dem Hügel ... en discutant comme ca, il ma dit: peut être j arrête parce
que je travaille avec grand risque, et maintenant il n y a pas de confiance, même avec les gens
qui sont avec moi. Il a dit ca, ca ne fait pas longtemps. Schritte....
Übersetzer 1:
Mein Neffe hat erst kürzlich zu mir gesagt: „Ibrahim, vielleicht höre ich bald damit auf. Diese
Arbeit ist sehr riskant, und ich kann keinem mehr vertrauen. Nicht einmal denen, mit denen
ich zusammen arbeite.“
33. Atmo Agadez
Erzählerin:
Nach einem weiteren langen Tag auf der Piste sind wir zurück in Agadez. Wieder telefoniert
Ibrahim, jetzt erreicht er Lamine in einem Krankenhaus in Mali, spricht auch mit anderen
Bekannten, erfährt die ganze Geschichte.
35. O-Ton Ibrahim,
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Der Anführer
Donc il y a eu une grande embuscade, c’est le MJUAO qui a fait ca contre le convoi. Parfois ca
arrive, mais pas avec des dégâts comme ca. Il y a un règlement de compte entre le boss d’ici et
l’autre de Tamanrasset, qui s’appelle Farayahka, et celui d’ici qui s’appelle Chérif. Il y a nos
voitures qu’ils ont chargé entre le cocaïne et le haschisch, ce sont 23 voitures, il y a peut être
dix ou sept voitures qui sont chargé de cocaïne, et les autres de haschisch.
Übersetzer 1 :
Die MUJAO hat dem Konvoi mit sehr vielen Kämpfern einen Hinterhalt gelegt. So etwas
passiert manchmal, aber selten mit so schweren Folgen. Drei junge Leute sind gestorben, viele
weitere verletzt, ein paar davon schwer. Bei dem Überfall ging es um offene Rechnungen
zwischen zwei Bossen, dem Baron hier von Agadez, der Chérif heißt, und dem Baron von
Tamanrasset namens Farayahka. In dem Konvoi waren 23 Fahrzeuge, davon sechs oder sieben
beladen mit Kokain, die anderen mit Haschisch.
36. O-Ton Assalek
Tout ca, c’est Chérif. Les MUJAO, c’est lui. C’est que des trafiquants. C’est Chérif Ould Abidine.
C’est confirmé. Beaucoup de gens le savent déjà. Tous les jeunes qu’il fait travailler, c’est
MUJAO là-bas. Et tout ce qu’ils font là-bas au Mali, ils ne le font pas pour le Sharia, ils le font
uniquement pour garder leur système qui fonctionne très bien, pour garder leur trafic et tout
cela.
Ca n’à rien avoir avec la Sharia.
Übersetzer 2:
Chérif Ould Abidine steckt hinter allem, viele Mitglieder der MUJAO arbeiten für ihn. Die
MUJAO-Miliz ist nichts als ein Haufen von Schmugglern, das wissen alle in der Region. Wir
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Der Anführer
kennen viele von denen, die für Chérif arbeiten. Drüben in Mali nennen sie sich MUJAO und
reden von der Scharia. Aber das tun sie nur, um ihr Netzwerk zu kaschieren.
37. O-Ton Mano Aghali
Ils voulaient créer une perturbation pour mieux faire le trafic de drogue.
Übersetzer 4 :
Sie wollten Unruhe stiften, um besser schmuggeln zu können.
Erzählerin:
Mano Aghali ist ein angesehener Führer der Tuareg. In den 1990er Jahren war er Teil der
Rebellion, studierte dann Wirtschaftswissenschaften, war später Parlamentarier. Ich suche ihn
auf, weil ich seine politischen Analysen der Lage im Niger schätze.
38. O-Ton Mano Aghali
L’Islam a été mise à contribution comme un moyen pour justifier ce trafic-là. Il doit y avoir
quelques-uns pieux qui rêvent d’un Islam pur, qui rêvent d’un pantalon court ou d’une barbe
longue, ça y en a, ça peut pas manquer.
Übersetzer 4 :
Die Schmuggler nutzen den Islam, um dank des Chaos möglichst lange bei ihren Geschäften
ungestört zu bleiben. Dass es unter ihren Anhängern immer auch ein paar gibt, die wirklich
von einem reinen Islam träumen, von wadenlangen Hosen und einem langen Bart, ist klar.
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Der Anführer
Erzählerin:
Man müsse heute nur nach Mali gucken, um das System zu verstehen, sagt Aghali. Denn hinter
den islamistischen Milizen stünden die Kartelle. Aghali, selbst ein tief gläubiger, liberaler
Muslim, verabscheut die Islamisten zutiefst. Die verschiedenen islamistischen Milizen seien
unterschiedlich stark in den Drogenschmuggel verstrickt. Am stärksten die MUJAO: diese Miliz
bestehe ausschließlich aus Schmugglern. Zuletzt machte die MUJAO durch ihr fanatisches und
grausames Auftreten im benachbarten Mali international Schlagzeilen.
Wie sich jetzt rausstellt, ist sie längst auch im Niger gut vernetzt und aktiv.
40. O-Ton Ibrahim
Et on a une information presque officielle que les drogues qui ont pris les MUJAO, pc ils sont en
complicité ici avec Chérif, donc a 80 ou même 90 pourcent tous le haschisch et le cocaïne et ici,
a Agadez.
Übersetzer 1 :
Wir haben außerdem noch eine Information, die so gut wie bestätigt ist: Die Drogen, die bei
dem Überfall auf den Konvoi von der MUJAO erbeutet wurden, sind hier in Agadez, bei Chérif.
Das ist zu 80 oder 90 Prozent sicher.
41. O-Ton Assalek
Ce n’est pas seulement… C’est même le président de Niger. Lui. Pc lui, au PNDS, au parti qui
dirige aujourd’hui le Niger, c’est le numéro deux. Et il est ici à Agadez. Et il est dans tout. La
mairie, c’est lui. La région, c’est lui. Tout Agadez est géré par lui. Donc tu ne peux rien faire.
Personne ne peut rien faire. Et c’est le plus grand Baron au Niger.
Seite 51
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Der Anführer
Übersetzer 2:
Chérif ist der zweite Mann hinter dem Präsidenten des Niger. Denn in der Regierungspartei
PNDS ist er der zweite Mann, und der lebt hier, in Agadez! Er hat seine Hände in allem. Er hat
die Kommunalpolitik von Agadez gekauft. Die Politik in der Region. Deshalb kann man hier
gegen die Kartelle nichts machen. Er ist der größte Baron im Niger.
Erzählerin:
Die beiden sind nicht die einzigen die erzählen, Chérif Ould Abidine habe dem heutigen
Präsidenten des Niger den Wahlkampf finanziert, und Präsident Issoufou sei deshalb sein
Mann. Sie sind außerdem nicht die einzigen die sagen, Chérifs Leute hätten bei den letzten
Kommunal– und Distriktwahlen unter Waffengewalt kontrolliert, dass alles in seinem Sinne
läuft. In bekannten Hochburgen der Opposition hätten sie Wahllokale gestürmt und die Urnen
mitgenommen. Die Polizei tue gegen all das nichts.
35. Atmo kochen
Erzählerin:
Wir treffen uns in Agadez für einen letzten Abend. Noch einmal kocht Almoustapha für uns,
bevor sich morgen unsere Wege trennen. Durch die Reise hat sich die Freundschaft zwischen
Ibrahim und Assalek verändert: Während sie bei den Tuareg-Rebellionen noch Seite an Seite
standen, haben sie zum Drogenschmuggel eine gegensätzliche Meinung. Ibrahim war spürbar
irritiert, als er erfuhr, dass Assalek seinen Pick-Up von Drogen-Geld gekauft hat. Er selbst
verbiete seinen Neffen sogar, bei Besuchen Gastgeschenke mitzubringen. Er wolle nichts im
Haus haben, was aus dem Drogenschmuggel finanziert worden sei.
Seite 52
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Der Anführer
44. O-Ton Ibrahim
Vraiment, j’ai peur beaucoup pour mes enfants, pour les enfants de la famille et des amis, et c
‘est ca le problème. Parce que au moins, quand tu as des enfants, tu as une grande
responsabilité.
Übersetzer 1:
Ich habe wirklich Angst um meine Kinder. Und um die anderen Kinder aus meiner Familie und
dem Freundeskreis. Spätestens wenn man Kinder hat, trägt man eine sehr große
Verantwortung.
45. O-Ton Assalek
Vraiment je ne vois pas quel mal ils font. C’est des gens qui font passer quelque chose, ça n’est
même pas consommé ici. C’est vrai que c’est consommé par des humains quelque part. Mais
pour nous, ici, ça nous aide beaucoup. En tout cas, Malheureusement, jusqu’ici, notre
gouvernement ne fait rien pour la région, donc, les gens vivent de ça, beaucoup de gens,
beaucoup de familles vivent de ça.
Übersetzer 2 :
Ich sehe nicht, dass die Schmuggler etwas Schlechtes täten. Sie bringen Waren von A nach B,
mehr nicht. Und die Drogen werden hier ja noch nicht einmal konsumiert. Sicher, irgendwo
gibt es Menschen, die diese Drogen nehmen. Aber uns hier hilft der Kokainschmuggel sehr. Die
Regierung tut ja nichts für die Region. Deshalb leben viele Menschen vom Schmuggel. Viele
Familien überleben nur dadurch.
36. Atmo Check am Flughafen
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Der Anführer
Erzählerin:
Als ich Agadez und den Niger verlasse, habe ich vor allem Rhissa Ag Boulas Worte im Ohr.
46. O-Ton Rhissa
De tous les pays de la bande sahélo-saharienne, de la Mauritanie jusqu’à, jusqu’au Tchad, nous
avons la peur bleue d’être embrasé par ces ... par ces mouvements intégristes et ces
mouvements de narco trafiquants et des revendications identitaires et tout ça. Donc, c’est une
peur bleue, un risque monumental qui menace cet espace.
Übersetzer 4 :
Die Situation ist in allen Sahelländern ähnlich, von Mauretanien bis zum Tschad. Wir alle
haben Angst, regelrecht nackte Angst, von den Islamisten, den Kokainschmugglern und den
Tuareg-Milizen überrannt zu werden. Die Gefahr, die den Sahelraum bedroht, ist kaum zu
überschätzen.
Atmo – weiter das Check – In am Flughafen und Flughafenatmo
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